RUND DAS FUSSBALLMAGAZIN #6 01 2006 Deutschland 2,80€ Schweiz 5,50sfr Österreich 3,20€ Luxemburg 3,20€ #6 01 2006

DAS FUSSBALLMAGAZIN FUSSBALLMAGAZIN DAS WWW.RUND-MAGAZIN.DE RUND RUNDDAS FUSSBALLMAGAZIN

Hooligans Die Gefahr für die WM wächst Affentheater Klub-Maskottchen wird Bürgermeister

Geballte Kraft Riesige Chancen für Frankfurt und Mainz 05

Tim Borowski WM-Spezial: Erraten Sie die Auge zu und durch – Traumelf der WM – runde Gewinne! der Nationalspieler am Lügendetektor

rrund0106_Titel_NEUund0106_Titel_NEU 1 008.12.20058.12.2005 22:45:2922:45:29 UhrUhr RUND Einlaufen

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER, wenn Legia Warszawa auf Lech Gdansk trifft, prügeln sich schon vor dem Spiel Hunderte polni- scher Hooligans. Eine Ausnahme? Nur ein besonders krasses Beispiel für ein Land, im dem die meisten Fußballinteressierten aus Angst vor Gewalttätern die Stadien meiden. Nun rüsten sich die Hools aus dem Nachbarland für das Kräftemessen mit Gleichgesinnten aus anderen Ländern und veranstalten sogar Trainingslager mit deutschen Schlägern, um beim großen Showdown, der Welt- meisterschaft in Deutschland, ein gutes Bild abzugeben. RUND hat Hooligans in Polen getroffen, die ein halbes Jahr vor der WM weit besser im Training sind als die dortigen Sicherheitsbehörden. Und was planen die Gewalttouristen aus England und den Niederlanden für die Wochen der WM? Die umfassende Reportage lesen Sie ab Seite 18. Die Geschichte, die Sie ab Seite 76 lesen, ist so kurios, dass viele sie nicht glauben werden. Der englische Fußballfan Stuart Drummond hat das erlebt, wovon die meisten nicht mal träumen wür- den: Drei Jahre lang lief er in einem Affenkostüm als Maskottchen durch das Drittligastadion von Hartlepool United, ehe er mit dem Slogan „Free Bananas for Schoolchildren“ und als Schimpanse verkleidet zur Wahl des Bürgermeisters antrat. Sie ahnen es bereits – aus dem Spaß wurde Ernst: Heute ist der 32-Jährige der wichtigste Mann seiner Heimatstadt. Der derzeit beste Mittelfeldspieler der spielt nicht in München. Schon mit 16 Jahren bezog Tim Borowski sein Zimmer im Jugendinternat des SV Werder Bremen und entwickelte sich zu einem der komplettesten deutschen Spieler. Längst hat er auch Bundestrainer Jürgen Klins- mann überzeugt. Doch worauf zielt Tim Borowski außerhalb des Spielfeldes ab? Wir haben den Nationalspieler an den Lügendetektor angeschlossen und Erstaunliches über den Hochgeschwin- digkeitsfreak und Ordnungsliebhaber erfahren – mehr ab Seite 72. Viel Spaß beim Lesen und alles Gute für 2006! IHRE RUND-REDAKTION

RUND 3

rrund_02_03_Editorialund_02_03_Editorial 3 005.12.20055.12.2005 15:17:3415:17:34 UhrUhr RUND Aufstellung 72

Inhalt 01 06

AM BALL 08 SCHNELLSCHUSS Erraten Sie die RUND-Traumelf für die WM 14 FELDSALAT Die schönsten Tore der Bundesliga. Der National- 76 trainer Burundis lebt in Bayern. Was macht Helmes? 18 SCHLACHTFELD Nicht nur in Polen trainieren Hooligans für die WM 30 STARGAST Kaká vom AC Mailand ist die Seele der Brasilianer 33 RICARDOS WELT Unsere WM-Kolumne spielt dieses Mal in Ghana 34 BALLUNGSRAUM Die Klubs im Rhein-Main-Gebiet mit neuer Chance 40 LAGE DER LIGA Exklusive Neuigkeiten von den 18 Bundesligisten

GLEICHE HÖHE 46 DER TRAINER SPRICHT über Hanseaten in Ostwestfalen 52 HEIMSPIEL Gladbachs Kasey Keller lebt in einem Schloss 54 ELFENBEINE In Beveren spielen 18 Profis von der Elfenbeinküste 60 ERBSENZÄHLER Mannschaftsfotos und Schulabschlüsse 62 EISENFÜSSE Warum deutsche Innenverteidiger schlecht spielen 66 PATSCHES PATZER Nico Patschinski wundert sich über Kritikernoten 67 RUND-POSTKARTEN Zum Rausnehmen, Verschicken und Freude machen 69 MEYERS TAKTIKTAFEL erklärt seine interessante Taktikwelt

IM ABSEITS 72 LÜGENDETEKTOR Bremens Tim Borowski sagt nichts als die Wahrheit 76 AFFENTHEATER In England wurde ein Maskottchen Bürgermeister 80 MÖBELWART Bobby Dekeyser war Profi und ist Möbelmillionär 83 WAS WÄRE WENN Die Nationelf tritt künftig mit sieben Keepern an 84 EWIGE TALENTE Was wurde aus dem A-Jugend-Meister von 1995? 94 89 SPIEL MIT PUPPEN Michael Jackson entführt SuperBallack zum Mond 90 WELTKLASSE Diego Maradona wird in Israel zum Fernsehstar

SPIELKULTUR 94 INTERVIEW Entertainer Götz Alsmann bekennt Farbe auf Schalke 100 ESSEN WIE DIE STARS Matthias Scherz mag gerne Grünkohl und Petersilie 102 SCHUHGRÖSSEN In Franken kriegen Beckham & Co. Spezialschuhe 106 MASSENSPEKTAKEL Volkwin Marg kennt die Magie von Fußballarenen 109 STADIONSTIMME Stefan Schneider spricht beim TSV 1860 München 110 FUNDSTÜCK Der Fußballkönig ist ein Theaterstück von 1927 112 BUCH Der Fall Hoyzer, Fußballpolitik und Stadien 114 LESERBRIEFE Das sagen Sie über die fünfte runde Ausgabe 115 IMPRESSUM/VORSCHAU Und was steht im Februar im RUND-Magazin? 46 116 AUSLAUFEN MIT THADEUSZ Jörg Thadeusz trifft den Geist von Malente

RUND 4

rrund0106_04_05_Inhaltund0106_04_05_Inhalt 4 008.12.20058.12.2005 20:42:5520:42:55 UhrUhr RUND Aufstellung 30 18

STARGAST DIE SEELE DER SELEÇÃO Kaká, Mittelfeldregisseur des AC Mailand, wäre wegen eines Badeunfalls beinahe nicht Fußball- profi geworden. Doch heute gilt der 23-Jährige als „Phänomen“ und soll die brasilianische Nationalelf zum sechsten WM-Titel führen. SCHLACHTFELD SIE SIND SO WEIT In Polen haben die Hooligans die Liga im Würgegriff. Bei manchen Spielen prügeln sich mehrere hundert Gewalttäter. Viele von ihnen wollen im nächsten Sommer ihre Kräfte mit Gleichgesinnten messen. Drohen der WM in Deutschland Massenkrawalle?

54

34 ELFENBEINE GENIE ODER SKLAVENHÄNDLER? BALLUNGSRAUM GELD SCHIESST DOCH TORE Beim KSK Beveren in der ersten belgischen Liga sind 18 Spieler aus der Die Rhein-Main-Region ist wirtschaftlich eine der Elfenbeinküste unter Vertrag. Ausgebildet wurden sie in Abidjan, potentesten in ganz Europa. Dennoch war gerade dort jetzt sind sie das Kapital des Vereins. Und sie stellen den alltäglichen der Fußball lange Zeit wenig erfolgreich. Wer den Rassismus in der fl ämischen Provinz auf eine harte Probe. Zusammenhang von Geld und Fußball verstehen will, der muss ziemlich genau hinsehen.

RUND 5

rrund0106_04_05_Inhaltund0106_04_05_Inhalt 5 008.12.20058.12.2005 20:42:5920:42:59 UhrUhr RUND Am Ball

AM BALL Am Ball ist dort, wo etwas passiert. Und wo es wirklich wichtig ist. Hier wird getreten, gegrätscht und geschossen: „Jeder polnische Verein von der ersten bis zur dritten Liga hat mindestens

zehn hartgesottene Hools. Oft auch zehnmal so viele.“ JACEK PURSKI, FANAKTIVIST

8 SCHNELLSCHUSS Die Traumelf zur WM – RUND präsentiert das Team, das im Sommer Weltmeister wird 18 SCHLACHTFELD Sie sind so weit – in Polens regieren die Hools. Drohen der WM Massenrandale? 30 STARGAST Die Seele der Seleção – ein Besuch bei Kaká, dem brasilianischen Star des AC Mailand 34 BALLUNGSRAUM Geld schießt doch Tore – Frankfurt, Offenbach und Mainz nutzen den Wohlstand ihrer Region

RUND 7

rrund_06_07_Vorschalt_Am_Ballund_06_07_Vorschalt_Am_Ball 7 005.12.20055.12.2005 12:03:0712:03:07 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

1. 14

2. 3

3. 36 Position: Trainer

Spieler, die Sie können diegewinnen! Erkennen Sie unser Dreamteam bilden, DIE TRAUMELF ZUR WM und füllenauf SeiteSie den 13 Couponaus Das WM-Jahr beginnt: Eine Weltmeisterschaft gewinnt man nur mit einem Spitzenteam. Oder noch besser: mit dem besten. Also haben wir uns Gedanken gemacht, welche Mannschaft wir im kommenden Sommer in die Arenen schicken würden, und eine RUND-WUNSCHELF zusammengebastelt. Erraten Sie, wer alles mitspielen soll? FOTOS FIRO, HOCHZWEI, IMAGO, PIXATHLON

RUND 8

rrund0106_08_13_Schnellschussund0106_08_13_Schnellschuss 8 008.12.20058.12.2005 16:43:4516:43:45 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

1. 6

2. 34

3. 29 Position: Torhüter

RUND 9

rrund0106_08_13_Schnellschussund0106_08_13_Schnellschuss 9 008.12.20058.12.2005 16:43:5216:43:52 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

1. 17 1. 11

2. 9 2. 24

3. 25 3. 16 Position: rechter Verteidiger Position: Innenverteidiger

1. 35 1. 22

2. 26 2. 12

3. 15 3. 27 Position: linker Verteidiger Position: Innenverteidiger

RUND 10

rrund0106_08_13_Schnellschussund0106_08_13_Schnellschuss 1010 008.12.20058.12.2005 16:43:5516:43:55 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

1. 18 1. 19

2. 5 2. 20

3. 1 3. 28 Position: linkes Mittelfeld Position: rechtes Mittelfeld

1. 32 1. 31

2. 23 2. 8

3. 7 3. 21 Position: linker Außenstürmer Position: rechter Außenstürmer

RUND 11

rrund0106_08_13_Schnellschussund0106_08_13_Schnellschuss 1111 008.12.20058.12.2005 16:44:0116:44:01 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

1. 33

2. 2

3. 13 Position: zentrales Mittelfeld

RUND 12

rrund0106_08_13_Schnellschussund0106_08_13_Schnellschuss 1212 008.12.20058.12.2005 16:44:0816:44:08 UhrUhr AM BALL Schnellschuss

1. 4

2. 10

3. 30 Position: Mittelstürmer

1. 2.

3. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

1. PREIS_ein von Tim Borowski handsigniertes Trikot 2. PREIS_ein RUND-Jahresabo 3. PREIS_Hin- und Rückfahrt mit der Deutschen Bahn in die WM-Stadt Hamburg, dazu Kaffee und Kuchen in der wunderschönen RUND-Redaktion

UND SO KÖNNEN SIE GEWINNEN: Name Übertragen Sie die Buchstaben, die bestimmten Ziffern zugeordnet sind, in nebenstehenden Coupon. Dadurch ergibt sich eine kleine Fußballweisheit von Uwe Seeler, der immerhin viermal an Weltmeisterschaftsendrunden teilgenommen hat. Schneiden Sie den Coupon aus und kleben Straße Sie ihn auf eine Postkarte. Frankieren Sie diese und senden Sie sie an: Redaktion RUND, Pinneberger Weg 22-24, 20257 Hamburg. Sie können den Lösungssatz auch faxen an: 040/8080 686-99. Oder Sie schicken eine E-Mail mit der Lösung an die Adresse: [email protected]. PLZ/Ort

rrund0106_08_13_Schnellschussund0106_08_13_Schnellschuss 1313 008.12.20058.12.2005 16:44:1116:44:11 UhrUhr AM BALL Feldsalat

„EINMAL GAB MIR MEIN VATER GELD, UM FLEISCH ZU KAUFEN, WAS HÖCHSTENS EINMAL IN DER WOCHE AUF DEN TISCH KAM. ALS ICH MIT DEM FLEISCH VOM SCHLACHTER NACH HAUSE GING, SAH ICH EINEN HAUFEN KINDER SPIELEN, DENEN NOCH EIN SPIELER FEHLTE. ICH ÜBERLEGTE NICHT LANGE UND SPRANG EIN. DAS FLEISCH LIESS ICH AM RANDE DES SPIELFELDES AUF DER STRASSE LIEGEN. EIN WIRKLICH SCHLECHTER TAG WAR DAS: ICH VERLOR NICHT NUR DAS SPIEL, SONDERN AUCH DAS FLEISCH. GLÜCKLICH WAREN NUR DIE HUNDE.“ Real Madrids brasilianischer Jungstar Robinho auf die RUND-Frage: Was war das schlimmste Spiel Ihres Lebens?

TRAUMSPIEL „DAS STADION STAND KOPF“ JÖRG BUTT, Torhüter von , erinnert sich an die TOP 200 großen Champions-League-Spiele seiner Karriere. Und an ein ganz bestimmtes Tor ‘ ALEKSANDR HLEB Werde ich nach meinem Traum- Die „Butt, Butt, Butt“-Sprech- spiel gefragt, fallen mir natür- chöre trieben mich regelrecht AND FRIENDS lich spontan Begegnungen in zum gegnerischen Tor, der Weg Was macht eigentlich Weißrussland, außer Schlag- der Champions League ein, wie dorthin kam mir vor wie der zeilen über ermordete Journalisten und einen dikta- torischen Präsidenten? Ziemlich gut Fußball spie- zum Beispiel das Spiel mit Le- Gang durch einen langen Tun- len. Der größte Sprung nach vorne gelang in der verkusen in Madrid. Beim Spiel- nel. Ich konzentrierte mich ein- Weltrangliste dem Team um Aleksandr Hleb auf- stand von 1:1 hielt ich einen Elf- zig und allein auf den Elfmeter- grund guter Leistungen in der WM-Qualifikation. Dabei hätte die Nationalelf um ein Haar gar nicht meter von Figo. Oder auch all punkt und versenkte den Ball mitspielen dürfen: Weil der Chef des weißrussi- die Spiele, die uns zum Finale nach Glas- zum unglaub lichen 3:3 im Tor von van der schen Sicherheitsrates, Gennady Nevyglas, 2003 gow führten. Im Viertelfi nale erkämpften Sar. Selbst die Zuschauer auf der Haupt- kurzerhand zum Präsidenten des Fußballverbands gemacht wurde, wollte die Fifa Weißrussland schon wir uns damals ein 4:2 gegen Liverpool. tribüne waren nicht mehr zu halten: Sie ausschließen. Einer der Gründe war, dass der gute Das Halbfi nale gegen Manchester zu Hau- warfen ihre Sitzkissen auf das Spielfeld. Es Mann seine Mannschaft bei ihren beachtlichen Aus- wärtsergebnissen, etwa dem starken 3:4 in Italien, se ging 2:2 aus und bescherte uns dann die dauerte Minuten, bis das Spiel fortgesetzt nicht begleiten kann: Nevyglas hat wegen der fort- Teilnahme am Finale gegen Madrid. werden konnte, da die Ordner sie wieder dauernden Menschenrechtsverletzungen in seinem Stellvertretend für viele spannende Spie- einsammeln mussten – das Spiel war ja Land Einreiseverbot in die USA und die EU. le steht aber jenes mit dem HSV gegen noch nicht zu Ende. Niko Kovac schoss Juventus Turin, mein erstes Champions- das 4:3 für den HSV. Das Volksparkstadion Platz Staat +/– League-Spiel überhaupt. Wir lagen 1:3 zu- stand Kopf. Leider glich Juve noch zum 56 Togo – 7 rück – die Stimmung auf den Rängen war 4:4 aus, doch das trübte unsere Begeiste- 57 Sambia + 1 auf dem Nullpunkt. Doch dann erzielte rung nicht. Noch heute bekomme ich 58 Usbekistan – 1 Mah davikia in der 65. Minute das 2:3 und Gänsehaut, wenn ich an die Radioreporta- 59 Weißrussland + 11 plötzlich durchlief alle ein Kribbeln. Hier ge zu diesem Spiel denke. An solche Erleb- 59 Mali – 1 war noch was drin! Und dann schallte nisse erinnert man sich gern – sie spornen 61 Schottland + 1 auch schon der Pfi ff des Schiedsrichters einen für alles weitere an. AUFGEZEICHNET durch das Stadion: Elfmeter für den HSV! VON SVEN LINDENBLATT, FOTO IMAGO

RUND 14

rrund0106_14_17_Feldsalat.inddund0106_14_17_Feldsalat.indd 1414 008.12.20058.12.2005 16:45:3816:45:38 UhrUhr AM BALL Feldsalat

UMFRAGE Die Liga steht kurz vor der BILDERRÄTSEL Wer ist dieser Junge? Winterpause. Sollte diese Auszeit der Fußballprofi s abgeschafft werden?

(die RUND-Online-Umfrage im November)

Nein Ja 47,5 % 48,8 %

!!! Hier gibt’s Gewinne !!!!! Weiß nicht Sie glauben die Lösung zu kennen? Antworten bitte bis zum 23. Januar 2006 an: Redaktion 3,7 % RUND, Pinneberger Weg 22-24, 20257 Hamburg, Fax: 040/8080 686-99, info@rund-magazin. de, Stichwort: Bilderrätsel. Unter den richtigen Einsendern verlosen wir fünf Fußballbücher aus der Aufbau-Verlagsgruppe. Die richtige Antwort des Dezember-Rätsels lautet: ABSEITSREGEL, die Gewinner eines Fußballbuchs aus dem Agon-Verlag veröffentlichen wir im nächsten Heft. Jeden Monat stellen wir Ihnen auf unserer Home page eine Die Gewinner des November-Preisrätsels (ein Fußballbuch aus dem Eichborn-Verlag) sind: K. RUND-Frage zum aktuellen Fußballgeschehen. Das Ergebnis Hanisch, Gelsenkirchen; W. Mosig, Alfeld; H. Fraas, Bottrop; J. Rude, Bückeburg; G. Hohlmann, folgt im Heft darauf. Unter www.rund-magazin.de/voting kön- Oberhausen. Die Gewinner werden verständigt. nen Sie jederzeit abstimmen. Im vergangenen Monat nahmen 862 Personen teil.

WAS MACHT HELMES? Helmes hat einen Hals PATRICK HELMES gilt als eine der größten Offensivhoffnungen im deutschen Fußball. RUND begleitet den 21-jährigen Stürmer vom ersten Profi tag an auf seinem Weg mit dem 1. FC Köln in der Bundesliga. Wir fragen jeden Monat: Was macht Helmes?

Gut gelaunt war Patrick Helmes im November wirklich nicht. „Ach, Patrick, erfahrene Leute machen ich habe heute einen Hals“, entschuldigt er sich für die ruppige Be- „einen Tick langsamer, wenn es grüßung, am Telefon. Eine Muskelfaser im Hüftbeuger ist gerissen, irgendwo zwickt“, so hei ße Jung- vier Wochen Pause. Um Contenance bemüht, versichert er: „Nein, so spunde wie der Sohn hingegen was wie Frust kenne ich gar nicht.“ Aber zwei Sätze später faucht er: „wollen immer hundert Prozent „So eine Scheiße!“ Wie ein zappeliger Sprinter, den ein Gummiband geben, und dann knallt es irgend- um die Hüfte am Rennen hindert, wirkt er. Tatendurstig, aber ge- wann richtig“. trennt von Ball und Mannschaft. Zwei Stunden Reha täglich stehen Trotzdem betrachtet Uwe Hel- Hat gerade erst gegen Bayern gespielt, auf dem Programm, sonst hat er nichts zu tun. mes das durchwachsene erste hal- sich dann verletzt: Patrick Helmes „Die Chance war einfach so groß zu spielen“, hadert Helmes, und be Jahr in Köln als „wertvolle Erfahrung“. Einerseits „väterlich, aber muss mal wieder zusehen wie ein anderer, Dennis Epstein, wichtige auch aus der Perspektive des Trainers“, beobachte er den Sohn. Grund- Tore macht und zum Publikumsliebling avanciert. „Klar, wenn ich fi t sätzlich halte er sich „gewaltig zu rück“. Stolz ist er aber schon. „ Patrick gewesen wäre, hätte ich vielleicht getroffen“, spekuliert er und nutzt hat unglaublich viel erreicht“, bricht es aus dem Papa heraus. „In zwei eine andere Möglichkeit. Fast täglich fährt er zu den Eltern nach Sie- Jahren A-Jugend hat er fast 60 Tore geschossen, dann hat er in einem gen, sucht Entspannung und den Rat des Vaters Uwe, der einst selber Jahr fast 30 Tore gemacht, und in der 21 Tore. Bundesligaprofi beim MSV Duisburg war. „Gerade jetzt, wo er verletzt Dazu gehörte auch sehr viel Glück.“ Jetzt kam das Pech. Nicht nur die ist und Probleme hat, spreche ich viel mit ihm“, sagt Vater Helmes, und Familie wartet sehnlich, dass die makellose Strähne der Jugend sich das klingt dann so: „Besser in seinen Körper hineinhorchen“ sollte der fortsetzt. PROTOKOLL DANIEL THEWELEIT, FOTO TILLMANN FRANZEN

RUND 15

rrund0106_14_17_Feldsalat.inddund0106_14_17_Feldsalat.indd 1515 008.12.20058.12.2005 16:45:4116:45:41 UhrUhr AM BALL Feldsalat

TIMO KONIETZKA: MARCELINHO: : Bremen, 24. August 1963. In der ersten Minute des Berlin, 9. April 2005. In der sechsten Minute im Spiel München, 23. April 1994. In der 24. Minute schießt Tho- ersten Spieltags der neuen Bundesliga erzielt Friedhelm Hertha gegen den SC Freiburg schießt der Berliner Mar- mas Helmer (Bayern) neben das Tor von Andy Köpke (1. „Timo“ Konietzka von Borussia das erste Tor celinho aus nachher genau gemessenen 48,3 Metern FC Nürnberg). Schiedsrichter Osmers entscheidet auf der Bundesliga. Er überwindet den Bremer Torwart Klaus über den Freiburger Torwart hinweg. End- Tor: Das Spiel (2:1 für Bayern) wird später annulliert, das Lambertz, aber Werder gewinnt letztlich 3:2. stand: 3:1 für Hertha BSC Berlin. Nachholspiel endet 5:0, wieder für Bayern

TOOOOOOOOOOOOOOOOR! DIE ELF SPEKTAKULÄRSTEN TORE DER BUNDESLIGAGESCHICHTE : * JAY JAY OKOCHA: Köln, 31. Januar 1986. Klaus Allofs vom 1. FC Köln will in FOTOS DPA, GETTY IMAGES, EPA, LAIF, IMAGO Frankfurt/Main, 31. August 1993: Frankfurts Jay Jay der neunten Minute aus etwa 70 Metern einen Steilpass Okocha hat den Ball. , Torwart des Karlsruher nach vorne schlagen. Auf dem gefrorenen Boden springt SC, läuft raus, Okocha täuscht an, Kahn springt, Okocha der Ball über Rüdiger Vollborn, den Torwart von Bayer läuft weiter, lässt Bilic stehen, dann Reich, dann Schmidt Leverkusen, ins Tor: Allofs trifft zum Endstand von 2:0. - und endlich, endlich schießt er: Tor. Endstand 3:1.

JÜRGEN KLINSMANN: Stuttgart, 14. November 1987: Eine Flanke wird in der 18. Minute in den Strafraum von Bayern München geschla- gen. Jürgen Klinsmann vom VfB Stuttgart steigt hoch, liegt TOMISLAV PIPLICA: förmlich quer in der Luft und trifft mit einem Fallrückzieher. JENS LEHMANN: Cottbus, 6. April 2002. In der 85. Minute neigt sich eine Der VfB gewinnt letztlich 3:0. Dortmund, 19. Dezember 1997: Schalke liegt im Derby Bogenlampe auf das Tor von Energie Cottbus. Unbedrängt gegen 1:2 zurück, in der 90. Minute köpft der Cottbuser Torwart Tomislav Piplica den Ball mit geht der Schalker Torwart Jens Lehmann nach vorne. Ihm dem Hinterkopf in den eigenen Kasten. Das Eigentor war gelingt das erste Kopfballtor eines Torwarts in der Bun- der Ausgleich von Borussia Mönchengladbach: 3:3 desligageschichte. Und der Ausgleich: 2:2.

LOTHAR MATTHÄUS: Leverkusen, 21. November 1992. In der 69. Minute wird eine Ecke von Bayern München weit nach hinten geschla- gen, Lothar Matthäus nimmt den Ball von der Strafraum- : grenze volley: Treffer gegen Rüdiger Vollborn von Bayer ALEX ALVES: Bremen, 21. August 1982. In der 44. Minute des Spiels Leverkusen. Endstand 2:4. Berlin, 30. September 2000. 29. Minute, gerade hat der Werder Bremen gegen Bayern München macht Uwe Rein- 1. FC Köln per Foulelfmeter das 0:2 erzielt. Alex Alves von ders (Bremen) einen langen Einwurf. Bayern-Keeper Jean- Hertha BSC ist frustriert, sieht dass Kölns Torwart Markus Marie Pfaff steigt hoch und berührt unglücklich den Ball Pröll zu weit vor dem Tor steht, zieht aus etwa 50 Metern – Eigentor zum Endstand von 1:0. ab: Tor. Endstand: 4:2 für Hertha.

Wir suchen die schlimmsten Verletzungen von Fußballern! Schreiben Sie an: [email protected], Stichwort: Blutgrätsche. * Wir danken allen Lesern, die uns mit guten Hinweisen unterstützt haben!

RUND 16

rrund0106_14_17_Feldsalat.inddund0106_14_17_Feldsalat.indd 1616 008.12.20058.12.2005 16:45:4316:45:43 UhrUhr AM BALL Feldsalat

Wissen ihre Landsleute, dass Sie hier eine Amateurmannschaft betreuen? Das wissen die schon, aber sie sind trotz- dem stolz auf mich. Das Ergebnis des TSV Oberhaunstadt steht in Burundi jede Woche in der Zeitung. Wie schaffen Sie es zeitlich? Wir haben meistens mehrere Länderspiele in kurzer Zeit. Da fl iege ich dann ein paar Wochen nach Hause, und mein Assistent übernimmt den TSV. Doppelbelastungen sind Sie ja gewohnt. Fast drei Jahre lang waren Sie gleichzeitig Nationaltrainer von Burundi und Ruanda. INTERVIEW Das war eine Notlösung wegen des Bürger- „ICH SOLL SPORTMINISTER WERDEN“ kriegs in Ruanda. Wir haben sogar einmal ge- BAUDOIN RIBAKARE trainiert seit 1992 die Nationalmannschaft Burundis und geneinander gespielt: Mein Co-Trainer saß gleichzeitig den bayerischen Siebtligisten TSV Oberhaunstadt. Der 49-Jährige war selbst bei Burundi auf der Bank, ich bei Ruanda. Nationalspieler, kam 1978 nach Deutschland und spielte als Profi in Ingolstadt Ruanda hat gewonnen, das wirft man mir zu Hause heute noch vor. Herr Ribakare, in Burundi sollen Hier in Ingolstadt kennt Sie aber keiner. Würde Sie ein Bundesligaangebot reizen? Sie bekannter sein als Einmal hat mich eine alte Dame im Bus er- Vielleicht schon. Aber ich werde wohl ir- bei uns. kannt und gesagt, sie sind doch der von Ober- gendwann ganz zurück nach Burundi gehen. BAUDOIN RIBAKARE: Man kennt mich, haunstadt. Das war nett. Unser Präsident hat mich gebeten, Sportmi- weil den Menschen in Burundi der Fußball Mit dem TSV Oberhaunstadt sind Sie in nister zu werden. Das ist eine Ehre, obwohl unglaublich viel bedeutet. Mir ist diese Popu- vier Jahren dreimal aufgestiegen, und das im ich lieber weiter auf dem Platz stehen würde. larität nicht immer angenehm, aber praktisch Wesentlichen mit dem selben Kader. In zehn Jahren will Burundi den Afrika-Cup ist sie schon: Ich kann parken, wo ich will, Die Bedeutung von Taktik wird im Ama- austragen, ich wäre gerne dabei. INTERVIEW und wenn ich am Flughafen ankomme, war- teurbereich oft unterschätzt. Ich habe hier ROMAN DEININGER, FOTO EDWARD BEIERLE tet immer ein Empfangskomitee auf mich. die Viererkette eingeführt, und alle haben Ich habe sogar ein Handy extra für Anrufe sich darüber lustig gemacht. Ich habe viermal unseres Staatspräsidenten. die Woche Training angesetzt, und alle haben Der Staatspräsident ruft Sie an? gesagt: Wir sind doch keine Profi s. Ich habe Oft sogar. Er ist ein großer Fußballfan und auch die Ausrichtung unserer Jugendteams hat sich von mir persönlich zum Trainer aus- vereinheitlicht, und alle haben gesagt: Der bilden lassen. spinnt. Aber es hat sich ausgezahlt.

UNSER LIEBSTES SPÄTZLE CARBONARA Wie die Pasta zu Italien, so gehören SPÄTZLE zu den Schwaben. In keines VfB-Anhängers Küchenschrank sollte das schwäbische Nationalgericht fehlen. Sogar bekannte italienische Trainer haben ihre geliebten Spaghetti schon längst durch VfB-Spätzle

ersetzt. Oh, du lieb’s Herrgöttle von Biberach! FOTO BENNE OCHS

RUND 17

rrund0106_14_17_Feldsalat.inddund0106_14_17_Feldsalat.indd 1717 008.12.20058.12.2005 16:45:5416:45:54 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

SIE SIND SO WEIT

IN POLEN TRAUEN SICH FUSSBALLFANS AUS ANGST VOR HOOLIGANS KAUM NOCH INS STADION. AN DEREN SCHLACHTEN NEHMEN OFT MEHRERE HUNDERT SCHLÄGER TEIL. VOR KURZEM HABEN SICH SOGAR POLNISCHE UND DEUTSCHE HOOLS GETROFFEN, UM FÜR DIE WELTMEISTERSCHAFT IN DEUTSCHLAND ZU ÜBEN. DROHT EIN GEWALTEXZESS?

VON CHRISTOPH RUF UND OLAF SUNDERMEYER, FOTOS MICHAEL DANNER, IMAGO, LAIF, AP UND PIXATHLON

RUND 18

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 1818 008.12.20058.12.2005 21:35:2821:35:28 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

„Autoschieber, Türsteher, kleine Diebe oder Dealer“: Soziogramm der Szene

RUND 19

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 1919 008.12.20058.12.2005 21:35:2821:35:28 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

„Kurwa! Haben wir denen auf die Fresse gehauen!“: Hool-Nachwuchs bei Legia

RUND 20

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 2020 008.12.20058.12.2005 21:35:3521:35:35 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

„JEDER POLNISCHE

VEREIN, VON DER befreit haben“. Außerdem hätten sie gegen die „rote Brut aus Russland“ gekämpft, die dann trotzdem über 40 Jahre lang als Besatzer geblie- ERSTEN BIS ZUR DRITTEN ben sei. Marek hat keine Arbeit, so wie jeder fünfte erwerbsfähige Po- le. In seiner Altersklasse sind sogar 38 Prozent arbeitslos gemeldet. „Ich mache aber dies und das, du weißt schon, was ich meine.“ Die LIGA, HAT MINDESTENS Frage, was man denn wissen solle, quittiert Marek mit einem Achsel- zucken und rotzt aus Verlegenheit aufs Pfl aster. Dann Schweigen. ZEHN HARTGESOTTENE „Hast du eine Zigarette?“ Mareks Kumpel Łukasz will auch eine. Er hat seinen Hund Drago mitgebracht, einen Staffordshire-Terrier, der unter die Kampfhund- HOOLIGANS IN SEINEN verordnung fällt. „Aber genau deshalb habe ich ihn ja auch“, sagt Łukasz grinsend. Sein kahler Kopf dampft in der diesig kalten Luft des REIHEN. HÄUFIG SIND ES polnischen Winters, seine Beine stecken in einer verwaschenen Tarn- hose, die Füße in deutschen Springerstiefeln, wie es sie in Polen über- AUCH ZEHNMAL SO all zu kaufen gibt. Schließlich erzählt Łukasz von den Angriffen auf die verhassten Fans des Lokalrivalen Polonia. „Kurwa! Haben wir de- nen beim letzten Spiel auf die Fresse gehauen.“ Dass daraufhin auch VIELE“ noch eine Einsatzwagenkolonne der Polizei die Prachtstraße Nowy Swiat´ blockierte, macht Marek und Łukasz nur stolz. Genauso wie der Blick in die Zeitung am Morgen danach, als der Boulevard vom „Krieg der Banditen“ berichtete und von einem Dutzend Verletzten. Marek und Łukasz wollen nächsten Sommer auch nach Deutschland kom- men: „Ist doch ganz egal, ob wir Karten haben oder nicht, so einfach werden wir wohl zu keiner WM mehr fahren können.“ Doch bis dahin treiben sie weiter in Polen ihr Unwesen: Da Legia traditionell viele junge Männer wie Marek und Łukasz anzieht, steigen die meisten Warschauer an Spieltagen nicht in den Bus der Linie 171. Die Ulica Łazienkowska ist breit genug, dass zwischen dem Legia Während Madrilenen und Londoner stolz sind auf Real, Arsenal oder Stadion und den Legia-Anhängern noch ein Bus fahren kann: Der Chelsea oder ihnen die Vereine zumindest gleichgültig sind, fürchten 171er hat sie in ganz Warschau eingesammelt und hier wieder ausge- sich die Einwohner der polnischen Hauptstadt vor ihrem Klub: 15.378 spuckt, wo sie sich zu einem grölenden Mob formiert haben. Von ih- Menschen passen ins Stadion, beim entscheidenden Spiel um Platz nen geht heute keiner ins Stadion, obwohl es gegen Korona Kielce um eins sind heute gerade mal 1800 drin. Draußen boykottieren 800. die Tabellenspitze in der Ekstraklasa geht, der ersten polnischen Liga. Noch bevor drüben im Stadion die erste Halbzeit zu Ende geht, fl ie- Die wütende Menge säumt die gegenüberliegende Straßenseite. Ab gen Flaschen in Richtung der Polizisten, die sich im Rücken der Fans und zu fl iegt eine rote Leuchtrakete über die zumeist kahlen Köpfe. aufgebaut haben, als ginge es um die Theaterinszenierung eines Cas- Immer wieder quälen sich aus heiser trunkenen Kehlen die Worte tor-Transports: Wasserwerfer, Schienbeinschützer und Plexiglasschil- „Kurwa, Kurwa, Kurwa“, was „Hure“ heißt und „Scheiße“ bedeutet. de, die nun schützend vors Gesicht gehalten werden. Die Polizisten Der neue Vorstand von Legia Warszawa will sie loswerden, zumindest bleiben gelassen, obwohl der bisherige Bürgermeister und jetzige fühlen sie sich angesprochen, wenn die Schlipsträger dem Hooligan- Staatspräsident Lech Kaczy´nski, „diesen Banditen“ den Kampf ange- problem den Kampf ansagen. Daher boykottieren sie nun die Heim- sagt hat. Der rechtskonservative Politiker, der im Oktober neu gewählt spiele. Längst nicht alle hier sind Hooligans, viele haben legitime An- wurde, setzt auf Repression und massierte Polizeipräsenz, um die Au- liegen – die Eintrittspreise sind für polnische Verhältnisse sehr teuer: torität des Staates wiederherzustellen. 34 Złoty, umgerechnet rund 8,70 Euro, die einfachste Karte. Für viele Doch die Reden der Politiker nimmt hier an der Ulica Łazienkowska hier ist das mehr als ein Tageslohn, und die Preise sollen weiter stei- keiner ernst. Schon gar nicht die Kids, denen die kampfsporterprob- gen. Doch den meisten Protestierern geht es schlicht um eine Macht- ten Althools ein Vorbild sind: Die nächsten beiden Böller werden von probe. Vor allem die Hools konnten bislang auch bei Legia machen, zwei Halbwüchsigen in Richtung Staatsmacht geworfen. Die Beiden was sie wollten. Bis Präsident Piotr Zygo die ersten Stadionverbote sind vermummt mit Kapuzen und Strickschals der Marke Hooligan. gegen sechs der Randalierer verhängte. Nun fordert die Meute vor Wenig später ist auch hier der Schlusspfi ff zu hören. Von den 1800 dem Stadion seinen Kopf. Viele meinen das durchaus wörtlich. Unentwegten werden viele das nächste Mal wohl nicht mehr zu Legia „Natürlich gehört zum Fußball auch der Zoff“, sagt Marek, dessen kommen. Sobald die Polizei außer Sichtweite ist, stürzt sich die wü- Kapuzenpullover ein „Pit Bull“-Aufnäher ziert. Der 21-Jährige fi ndet, tende Menge auf die Streikbrecher und greift sie an. Viele werden dass die Nazis sein Land „damals wenigstens von den faulen Juden kurzerhand zusammengeschlagen.

RUND 21

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 2121 008.12.20058.12.2005 21:35:4221:35:42 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

„NORMALE MENSCHEN TRAUEN SICH NICHT HIERHER“ „Sie wollen den Club am liebsten selbst managen.“ Drinnen, im wohlig warmen VIP-Raum der Haupttribüne hat Vereinspräsident Pi- otr Zygo keine Zweifel an den wahren Motiven der Anhänger drau- ßen. Der 37-Jährige – Feindbild Nummer eins der Legia-Fans – will den Club professionalisieren, um mittelfristig den Anschluss an euro- päische Spitzenteams zu schaffen. Die amerikanische Mediengruppe ITI hat Legia gekauft; ihr gehört mit TVN auch der größte polnische Wer wissen will, warum Purski in der rechten Szene so verhasst ist, Privatsender. Und ITI setzt auf den Marketingmanager Zygo, der muss Zeit mitbringen: Ein klappriger Fahrstuhl führt in den sechsten Schritt für Schritt mit Traditionen brechen will, die diesen Zielen im Stock eines Plattenbaus im Nordosten der Stadt, wo auch viele der Weg stehen. Marek, Łukasz und die anderen Hools sind ihm dabei der Legia-Hools leben. Der Student wohnt noch bei den Eltern. Zwei Zim- größte Dorn im Auge. Doch es gibt auch andere Probleme: Man könne mer, drei Personen, das ist ganz normal in Polens Hauptstadt, wo die sich mittelfristig nicht mehr leisten, dass die Erlöse des Fanartikelver- genormten Fassaden von H&M und Starbucks Coffee einen Wohl- kaufs komplett an den Fandachverband gehen, so Zygo. stand vortäuschen, den sich nur Touristen und einige Neureiche leis- Dessen Leiter, Andrzej Piórkowski ist ein ehemaliger, gealterter ten können. Doch auch wenn es für eine eigene Wohnung nicht reicht Hool, über den es einschlägiges Bildmaterial gibt. Ob Zygo das weiß? – Purskis Computer ist leistungsfähig. Eine große Speicherkapazität Wundern würde es ihn wohl nicht: „Der Fanverband weigert sich lei- braucht er auch, denn auf seiner Festplatte sind alle Vorfälle mit nach- der, sich von den Gewalttätern öffentlich zu distanzieren.“ Das aber gewiesenem rassistischem oder antisemitischem Hintergrund doku- sei unabdingbar: „Warschau hat 1,6 Millionen Einwohner, von denen mentiert. Für jeden Spieltag fi nden sich mehrere Einträge aus allen selten mehr als 6000 zu unseren Spielen kommen. Trotz der enormen Landesteilen. Und dann sind da noch einige hundert Fotos alleine aus Popularität des Klubs.“ Für Zygo sind die Gründe klar: „Die Leute den letzten drei Spielzeiten: Die „Partei der nationalen polnischen haben Angst vor den Hooligans. So lange die das Sagen haben, trauen Wiedergeburt“ ist mit ihrem Symbol – einer Faust, die ein Schwert sich zu wenige normale Menschen hierher.“ Etwa 70 Hools bilden den hält – an den Stadionzäunen ebenso gut vertreten wie das Totenkopf- harten Kern der Szene bei Legia, auswärts oder bei besonders brisan- Symbol der berüchtigten Waffen-SS-Verbände, die die Konzentrations- ten Spielen können es aber bis zu 400 werden. Als vor zwei Jahren lager bewachten. Immer wieder stößt Purski auch auf Transparente Busse mit Danziger Hooligans an einer Autobahnabfahrt angegriffen mit Aufschriften wie „White honour, white pride“ oder antisemiti- wurden, waren daran 300 Legia-Hools beteiligt. Sie unterlagen, da schen Sprüchen, gerne auch neben den Symbolen rechtsextremer und ihre Gegner auch zahlenmäßig überlegen waren. Die Fanszene bei rechtsterroristischer Organisationen wie Blood & Honour, Combat 18 Legia ist in Polen keine Ausnahme, allenfalls ein besonders krasses oder dem Ku-Klux-Klan. Beispiel für ein Land, in dem aus Angst vor den Gewalttätern das bürgerliche Publikum beim Fußball lieber im Fernsehsessel sitzt und HAKENKREUZE AUF DEM WEG NACH AUSCHWITZ sich die Champions League anschaut: „Jeder, wirklich jeder polnische Natürlich ist auch in Polen nicht jeder Hooligan ein Rassist – der Verein von der ersten bis zur dritten Liga hat mindestens zehn hartge- größte gemeinsame Nenner ist auch hier die Freude an der Gewalt. sottene Hools in seinen Reihen,“ sagt Jacek Purski, „nicht selten auch Doch die Quote von 90 Prozent, die Purski nennt, hält auch Stewart zehnmal so viele.“ Dykes von der Initiative „Schalker gegen Rassismus“ höchstens für

60 SMS: DIE MEISTEN WÜNSCHEN JACEK DEN TOD Immer dann, wenn mal wieder eine besonders blutige Hoolschlacht oder rassistische Vorfälle die Schlagzeilen bestimmen, schlägt die Stunde von Purski und seinen Mitstreitern bei der einzigen antifa- schistischen Fangruppe Polens „Nigdy Wiece¸j/Never Again“. Sie wis- sen, wovon sie reden, denn sie sind regelmäßige Stadionbesucher und Fußballfans, die den rechtsradikalen Mainstream in den Kurven be- „WARSCHAU HAT 1,6 kämpfen wollen – allein das verleiht ihnen in Polen Exotenstatus. Purski geht seit Jahren nur noch mit einem mulmigen Gefühl ins Stadion. Er kennt viele der Hool-Anführer persönlich, das ist sein ein- MILLIONEN EINWOHNER, ziger Schutz. Denn die Hooligans organisieren sich hierarchisch, und die „Soldaten“ hören auf ihre „Capos“. Trotzdem zeigt auch an diesem DAVON KOMMEN 6000 ZU Spieltag immer wieder jemand aus einer Gruppe Kahlgeschorener auf den 24-Jährigen. Purskis Gesicht ist bekannt – auch, weil er schon häu- UNSEREN SPIELEN. fi g im Fernsehen interviewt wurde. Doch auf die Prominenz würde er manchmal gerne verzichten: Am 19. September jedes Jahres macht er das Handy aus. Denn am Todestag von Ian Stewart, dem Sänger der DIE LEUTE HABEN ANGST von der Szene vergötterten Neonazi-Band Screwdriver, bekommt er um die 60 SMS. Die meisten wünschen ihm ganz herzlich den Tod. VOR DEN HOOLS“

RUND 22

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 2222 008.12.20058.12.2005 21:35:4321:35:43 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

Warschauer Impressionen: Legias Präsident Piotr Zygo (links) und Fanaktivist Jacek Purski wollen eine Liga ohne Randale. Die Legia-Hools (oben) fänden die wohl langweilig

RUND 23

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 2323 008.12.20058.12.2005 21:35:4421:35:44 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

„ein klein bisschen übertrieben.“ Dykes reist seit 1996 mehrmals jähr- lich nach Polen und ist ein profunder Kenner der Szene vor Ort: „DIE SCHLIMMEN DINGE „Rechtsradikal sind auf jeden Fall die allermeisten Hools.“ Doch damit nicht genug, denn die Grauzone zwischen Ultras und Hooligans ist in PASSIEREN VOR ALLEM Polen noch grauer als in anderen europäischen Ligen. Auch viele nor- male Fans sympathisieren offen mit rechtem Gedankengut: „In Deutschland haben die antirassistischen Kampagnen von Initiativen IN DEN UNTEREN LIGEN, wie der unseren schon in den frühen 90ern Früchte getragen“, sagt Dykes, „in Polen gibt es so etwas nicht.“ WEIL ES DORT KEINE Wer Transparente aufhängt, auf denen die „Wiederholung der Kris- tallnacht“ angekündigt wird, muss nicht mit Widerstand rechnen: In BESONDEREN SICHERHEITS- der Kurve des Drittligisten Resovia Rzeszów ist das genau so normal wie in den anderen Stadien. Beim Ostseederby zwischen Lechia Gda´nsk und Bałtyk Gdynia vor zwei Jahren ging der Zoff zwischen VORKEHRUNGEN GIBT“ den Fanlagern daher auch einzig und alleine um die ideologische Fra- ge, wem man eher huldigen solle: Adolf Hitler oder seinem Stellver- treter Rudolf Hess. Solche Sorgen dürften auch den Hooligan aus der Gruppe der White Patriots im schlesischen Cze¸stochowa umtreiben, der beim Interview stolz sein Blood-and-Honour-T-Shirt anhebt, um das eintätowierte Hakenkreuz auf der blanken Brust zu zeigen: „Wir hassen Nigger, Schwule und Juden“, sagt er. Und seine Gesinnungs- genossen, die Wisła-Hools vom Serienmeister Wisła Kraków haben Schon länger folgen den Worten auch Taten: Ein Anhänger von GKS einen Slogan für die Straßenwände des jüdischen Viertels Kazimierz: Katowice erstach in einer Disko einen arabischstämmigen US-Bürger, Am berühmten Drehort von „Schindlers Liste“ steht nun: „Antijude“. weil der ihm nicht polnisch genug aussah. Nachdem sich Wochen spä- Hakenkreuzgeschmiere begleitet den Besucher von hier aus auf der ter Gerüchte verdichteten, GKS-Fans hätten einen Auftragskiller auf Landstraße 44. Diese führt direkt zur Gedenkstätte des ehemaligen den ermittelnden Staatsanwalt angesetzt, bekam dieser Personen- Konzentrationslagers Auschwitz. schutz. Doch auch ohne fremdenfeindlichen Hintergrund bestimmen die Hools den Ligaalltag. In Kraków ist die Rivalität zwischen Wisła und Krakovia so virulent, dass Jahr für Jahr „fünf bis sechs Todesop- fer“ zu beklagen sind, wie Stewart Dykes berichtet. Selbst in der vier- ten Liga kommt es alle paar Wochen zu regelrechten Straßenschlach- ten, wie jüngst zwischen Hools von Chełmianka Chełm und Unia Hrubieszów. Und nach einem Spiel zwischen Resovia und Stal Rzes- zów attackierten Resovia-Fans mit verbündeten Hools aus anderen Landesteilen Polizisten und verletzten einige von ihnen schwer. Der- zeit richtet sich das öffentliche Interesse auf einen Prozess, der am anderen Ende Polens abgehalten wird: Im ´Swiebodzin stehen fünf Hooligans von Pogo´n ´Swiebodzin vor Gericht, weil sie sich nach ei- DIE BEHÖRDEN WACHEN AUF nem Drittligaspiel gegen Odra Opole eine Schlägerei mit gegnerischen Nach Abpfiff des Pokalspiels zwischen Legia Warschau und Lech Poznan ´ am Fans geliefert haben, bei der später die Polizei mit Eisenstangen und 1. Juni 2005 wurde Michał Listkiewicz, Präsident des polnischen Fußballverbandes anderen Schlagwaffen angegriffen wurde. Deren deutsche Kollegen PZPN, auf der Ehrentribüne tätlich angegriffen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt fanden 2002 ein ganzes Waffenarsenal in einem Wisła-Kraków-Fan- verharmlosen die Funktionäre die Hooliganproblematik und die Sicherheitsdefizite bus, der auf dem Weg zu einem Uefa-Cup-Spiel bei Schalke 04 war. nicht mehr. Dass das Land, das 2004 der EU beitrat, organisatorischen Nachholbe- darf hat, wird unumwunden zugegeben. Selbst im Nationalstadion in Chorzów fehle „WIR MÜSSEN MIT DEM SCHLIMMSTEN RECHNEN“ es an allen Sicherheitsstandards, so der Sicherheitsreferent Wiesław Wieczorek: Unter den polnischen Hools gibt es zwar auch das Phänomen des „Dort würden wir 250 Kameras benötigen und sehr viele Sicherheitskräfte. Doch da- erlebnishungrigen, gut verdienenden Bürohengstes, der sich am Wo- für braucht man viel Geld.“ Im Hinblick auf die WM könnte es sich als problematischer chenende den Gewaltexzess als besonderen Thrill gönnt. Doch meis- erweisen, dass bislang allenfalls die Polizeistationen vor Ort auffällig gewordene tens trifft das Klischee vom Hool als sozialer Randfi gur tatsächlich zu. Gewalttäter registrieren. Wieczorek will das nun ändern: „Die Hooligans werden „Drittklassige Mafi osi“, antwortet Jacek Purski, gefragt nach einer versuchen, zur WM nach Deutschland zu fahren, aber wir sind jetzt in Verbindung soziologischen Einordnung der polnischen Hoolszene, „Autoschieber, mit der deutschen und der polnischen Polizei sowie dem Grenzschutz.“ Außerdem Türsteher, kleine Diebe oder Dealer.“ stehe man in Kontakt zum Inlandsgeheimdienst, der eine Schwarze Liste führe. Noch Maciej Iwa´nski arbeitet als Sportjournalist und Kommentator für im Dezember wolle man zusammen mit der deutschen Seite einen Sicherheitsplan den polnischen Fernsehsender TVP 1. „Die schlimmen Dinge passie- erarbeiten. Es wird höchste Zeit. CHRISTOPH RUF UND OLAF SUNDERMEYER ren vor allem in den unteren Ligen“, sagt er, „weil es dort gar keine

RUND 24

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 2424 008.12.20058.12.2005 21:35:5421:35:54 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

„Diese Banditen“: Polens neuer Staatspräsident setzt verstärkt auf Repression

RUND 25

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 2525 008.12.20058.12.2005 21:35:5621:35:56 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

Fußballschlacht: Während die Ligen in Holland und Polen unter der Hool-Problematik ächzen, produziert sich die Szene in England allenfalls noch bei Länderspielen

RUND 26

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 2626 008.12.20058.12.2005 21:36:0121:36:01 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

Sicherheitsvorkehrungen gibt und die Pseudofans in diesen Stadien machen können, was sie wollen.“ Ein Blick ins Waldstadion des Dan- „AM ANFANG HÄTTE ziger Zweitligisten Lechia oder ins Olympiastadion des Drittligisten Polonia Słubice gibt ihm Recht: Keine Zäune und nur eine Hand voll MAN DIE HOOLIGANS vereinseigener Ordner, weil sich die fi nanzschwachen Klubs keinen privaten Sicherheitsdienst leisten können. Auch in der ersten Liga greift die Polizei allenfalls außerhalb der Stadien ein, auch weil ihre NOCH STOPPEN KÖNNEN, Anwesenheit für die gewaltbereiten Hools eine Provokation wäre. Mittlerweile ist die Szene zumindest bei Ligaspielen immer besser JETZT SIND SIE VIEL ZU organisiert. Man verfügt über eigene Kleidermarken und Organisati- onsstrukturen, zum Beispiel ein dichtes Netz aus Hool-Freund- und GUT VERNETZT“

„FUSSBALLFANS WERDEN IN HOLLAND FAST SCHLIMMER ent nervt von den unaufhörlichen Gesängen über Bewährung. Falls es bei einem der Derbys erneut DISKRIMINIERT ALS TÜRKEN“ seine Gattin – „Sylvie ist die Hure von Amsterdam“ zu Zwischenfällen kommen sollte, soll die entspre- – sich zu letzt nur noch mit Bodyguards auf die chende Partie fünf Jahre lang ohne Publikum statt- Straße traute und dann das Land verlassen hat – fi nden. Im April hat es zum letzten Mal zwischen Es gibt gar keine Hooligans. Ike Simoncini sitzt Simoncinis Kommentar dazu hat es damals in al le den beiden Rivalen gerumst. Da die Polizei auch in seiner Wohnung, es ist eine der besseren Wohn- nieder ländische Zeitungen geschafft: „Der soll nach Monaten die Übeltäter nicht ausmachen gegenden von Den Haag, der Königspalast ist um nicht so winseln.“ konnte, hat sie im September zu ungewöhnlichen die Ecke, die Espressomaschine brodelt, der Plas- Simoncini ist mittlerweile Ende 30. Ein Hool im Ermittlungsschritten gegriffen. Von den Telefonan- mabildschirm hängt an der Wand, nebenan spie- Ruhestand, aber in den Niederlanden sind Besser- bietern forderte sie die Verbindungen sämtlicher len Frau und Kinder. Holländisches Idyll. Hier situierte wie er keine Seltenheit unter den Hooli- Anhänger ein, die an diesem Tag rund ums Stadion wohnt also der Chef der schlimmsten Fußballan- gans. Diejenigen, die Krawall schlagen, sind weni- De Kuip in Rotterdam ihr Handy benutzt haben. hänger von ganz Europa. Dazu sind die Fans des ger die Drop-outs, es sind im harten Kern viele, die Als Folge erhielten danach 17.000 Fußballfans eine Ehrendivisionärs ADO Den Haag letztens in ei- unter der Woche arbeiten und am Wochenende das SMS der Polizei, in der um Mithilfe bei der Tätersu- nem Internetforum gekürt worden. Noch vor den Ventil öffnen. Carlo Picornie war der Bekannteste che gebeten wurde. Fünf Hooligans sind der Polizei Ultras von Legia Warszawa, mit denen ADO eine von ihnen, ein 35-jähriger Gastwirt und führender dadurch ins Netz gegangen. Fanfreundschaft verbindet. Antisemiten, Hooli- Kopf des Ajax-Hardcore-Fanclubs F-Side, der 1997 Die niederländische Hooligan-Szene bleibt eine gans, Gewalttäter – Simoncini, Vorsitzender der bei einer regelrechten Schlacht zwischen Feyen- der aggressivsten in Europa. Doch die Holländer vereinigten Fanclubs von ADO, nimmt noch ei- oord- und Ajax-Anhängern totgeschlagen wurde. sind für die WM 2006 keine große Risikogruppe, nen Espresso und sagt: „Alles Unsinn.“ Anschließend fuhren die Feyenoord-Anhänger see- da sind sich Polizei und Simoncini sogar mal einig. Simoncini hat eine Weltanschauung wie ein lenruhig zum Pfl ichtspiel bei AZ Alkmaar. Ledig- Die niederländischen Hools hängen an ihren Ver- Betonblock. Die Medien sind die Bösewichte und lich das Repertoire ihrer Gesänge hatten sie er wei- einen, die Nationalmannschaft war es dagegen die ADO-Fans die Schäfchen. Sie gilt es, rund um tert: „Wir wollen Witschge nach Picornie“, riefen noch nie wert, sich für sie zu prügeln. Die nord- die Uhr zu beschützen gegen all die üblen An- sie dem Ajax-Mittelfeldspieler Richard Witschge rhein-westfälische Polizei hat sicherheitshalber würfe, mit denen die Haager Fans mit schöner beim nächsten Aufeinandertreffen mit dem Erz- zwar schon mal eine Großübung veranstaltet, bei Regelmäßigkeit konfrontiert werden. Dass die feind aus Amsterdam zu. der das Durchgreifen gegen holländische Hooli- ADO-Supporter bei Spielen gegen den „Juden- Feyenoord, ADO, Ajax – das ist die Trias der gans geprobt wurde, „aber nach unseren bisheri- Verein“ Ajax Amsterdam rufen „Hamas, Hamas, Gewalt im niederländischen Fußball. Als der Spiel- gen Erkenntnissen über die niederländische Szene Juden in das Gas“, dass sie das Zischgeräusch plan der diesjährigen Saison der Ehrendivision rechnen wir, was die WM angeht, mit wenig Ge- einströmenden Gases lautstark imitieren, dass Ajax und ADO gleich am ersten Spieltag aufeinan- waltbereitschaft“, sagt Frank Scheulen, Sprecher der damalige Ajax-Spieler Frank de Boer mit „An- der führte, blies Amsterdams Bürgermeister Job der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze ne Frank de Boer olé olé“ begrüßt wurde – „das Cohen die Partie kurzerhand ab, weil er nicht ge- ZIS, bei der die Fäden in Sachen Hooligans zu- war doch kein bisschen antisemitisch gemeint, nügend Polizei in der Stadt zur Verfügung habe. sammenlaufen. Eine Steilvorlage für Ike Simonci- das geht allein gegen Ajax, das sind nur Spiel- Erst im dritten Anlauf konnte das Spiel über die ni: „Auf dem Fußballplatz passiert nicht mehr als chen“, ist Simoncinis Version. Dass Fifa-Schieds- Bühne gehen. jedes Wochenende in der Disko. Aber Fußballfans richter René Temmink das Match gegen den PSV Die Bürgermeister der drei Städte haben jetzt werden in Holland fast schlimmer diskriminiert Eindhoven in der Vorsaison aufgrund der ADO- gemeinsam mit dem niederländischen Fußballver- als Türken oder Marokkaner.“ Er selber habe „das Sprechchöre vorzeitig abbrach – „einfach lächer- band KNVB drastische Maßnahmen beschlossen. jahrelang mitgemacht. Bin ich deswegen etwa ein lich“. Dass Ajax-Kapitän Rafael van der Vaart Seitdem spielen vor allem Ajax und Feyenoord auf Psychopath?“ PETER AHRENS

RUND 27

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 2727 008.12.20058.12.2005 21:36:1021:36:10 UhrUhr AM BALL Schlachtfeld

Feindschaften. Zu den gefürchtetsten Allianzen gehören dabei die sich in Brandenburg mit den Deutschen maßen, reisten jedenfalls gut zwischen den Hools von Legia Warszawa und Pogo´n Szczecin einer- organisiert im gemeinsam gemieteten Bus an. seits und denen von Lech Pozna´n, Cracovia Kraków und Arka Gdynia Umso beängstigender erscheint angesichts solcher Prognosen, dass andererseits. Jacek Purski: „Am Anfang hätte man die Hools noch es die deutschen Behörden denkbar schwer hätten, wenn es zum Auf- stoppen können, jetzt sind sie zu gut vernetzt.“ marsch käme. Denn bislang gibt es in Polen keine zentrale Datei, in Die Ereignisse des letzten Novemberwochenendes bestätigten die der straffällig gewordene Hools geführt werden. Weder die deutschen Einschätzung Purskis anschaulich: Da prügelten sich 100 Hooligans noch die polnischen Behörden können folglich Hools daran hindern, aus Deutschland und Polen in einem Waldstück bei Frankfurt/Oder, nach Deutschland einzureisen. Denn sie kennen sie bislang einfach um für die WM zu „üben“, wie sie nach ihrer Festnahme zu Protokoll nicht. Jacek Purski macht sich jedenfalls keine Illusionen: „Die polni- gaben. Dabei hatten Experten wie Stewart Dykes bislang gehofft, der schen Hooligans wollen die Weltmeisterschaft in Deutschland nutzen, befürchtete Krawalltourismus nach Deutschland könnte ausbleiben, um zu zeigen, dass sie genau so gefährlich sind, wie ihre englischen, da die „Szene bei Ligaspielen weit besser organisiert ist als bei Länder- holländischen oder deutschen Kollegen. Wir müssen einfach mit dem spielen“. Die Hoffnung scheint zu trügen. Die 45 polnischen Hools, die Schlimmsten rechnen.“<

im Annus horribilis des englischen Fußballs, dem Jahr der Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion, als das Feuer in Bradford ausbrach und es in Luton, Birmingham und bei Chelsea zu Ausschreitungen kam, bestellte Premierministerin Margaret Thatcher Ted Croker, den damaligen General- sekretär des Fußballverbandes, ein und fragte, was der Fußball mache, um die Hooligans von der Zerstörung der Gesellschaft abzuhalten. „Was“, antwortete er der Legende nach, „macht die Gesellschaft denn, um die Hooligans von der Zerstörung des Fußballs abzuhalten?“ In den 80ern war Großbritannien gewalttätig. Thatchers Wirtschafts- politik hatte eine große Unterschicht hervorgebracht, und Ausschreitungen in den Innenstädten waren an der Tagesordnung. Eine Reihe von Arbeits- kämpfen gipfelte 1984/85 im Bergarbeiterstreik. Bilder von Streikposten, die mit der Polizei kämpfen, waren nichts ungewöhnliches. Fast zeitgleich wurde der Fußball endgültig zum Hort der Gewalt. Das änderte sich in den 90ern, als der Wohlstand in der Gesellschaft wieder zunahm und zugleich die Fanzine-Kultur das Verhältnis der Fans zu ihrem Verein ironisierte. Es ist schwierig, erst gutmütig über die eigenen Spieler zu spotten und danach deren Ehre mit gezücktem Messer zu verteidigen. Darüber hinaus führte die Einführung reiner Sitzplatzstadien zu hohen Eintrittspreisen und zu einer veränderten Fanstruktur. Mutterland der Hooligans: Mancher Stumpfkopf anderer Nationalität will sich gegen englische Teams und deren gewaltbereiter Gefolgschaft beweisen Spiele der Nationalmannschaft dagegen stellen nach wie vor ein Problem dar, obwohl in der letzten Saison nur sechs England- beziehungsweise Wales-Fans bei Spielen im Ausland festgenommen wurden. Immer noch gibt es Anhänger, die eine Schlägerei mit ausländischen Fans oder der Polizei für eine patriotische Tat halten. Wenig hilfreich sind in diesem Zusammenhang auch die gelegentliche Unbeholfenheit der ausländischen WIE GEFÄHRLICH SIND ENGLANDS HOOLS? Polizeikräfte – Italien und Belgien stellen sich dabei besonders schlecht an – und der Ruf, der Englands Fans vorauseilt. Der verleitet einheimische In der letzten Saison ist die durchschnittliche Zahl der Verhaftungen bei Stumpfköpfe oft, sich gegenüber den vermeintlichen Altmeistern beweisen Fußballspielen in England auf einen neuen Tiefststand von 1,2 pro Spiel zu wollen. So griffen Ferencváros-Hooligans in der vergangenen Saison bei gesunken, die Zahl der Stadionverbote hingegen hat mit 3153 einen neuen einem Uefa-Cupspiel Millwall-Fans an. Höhepunkt erreicht. Dennoch steht zu befürchten, dass englische Fans im Das eigentliche Problem ist jedoch der Alkohol. Der betrunkene nächsten Sommer in Deutschland Ärger machen werden. Engländer ist kein angenehmer Zeitgenosse, und da die Schankgesetze in Der Einsatz von Überwachungskameras und die effi zienteren polizei- Großbritannien bis vor kurzem einen schnellen Konsum erforderten, neigt lichen Ermittlungen im Vorfeld der Spiele haben dazu beigetragen, den der Engländer im Urlaub dazu, sich exzessiv zu betrinken. Die englischen Hooliganismus bei Spielen im Inland einzudämmen, doch die eigentli- Fans werden in Deutschland laut, zügellos und ungehobelt sein; ob sie chen Gründe für die fast vollständige Lösung dieses Problems liegen tiefer. gewalttätig werden, wird davon abhängen, ob Einheimische, gegnerische Die Fußballkultur hat sich verändert – ebenso wie die Gesellschaft. 1985, Fans und Polizei dies hinnehmen. JONATHAN WILSON

RUND 28

rrund0106_18_29_TitelgeschichANNA.inddund0106_18_29_TitelgeschichANNA.indd 2828 008.12.20058.12.2005 21:36:1121:36:11 UhrUhr AM BALL Stargast

„Jeder hat das gleiche Recht“: Kaká

RUND 30

rrund0106_30_33_Kaka_Setyonund0106_30_33_Kaka_Setyon 3030 008.12.20058.12.2005 16:51:1916:51:19 UhrUhr AM BALL Stargast

DIE SEELE DER SELEÇÃO

KAKÁ gilt als einer der perfektesten Mittelfeldspieler der Welt. Er ist gerade erst 23 und will mit Brasilien im Sommer bereits zum zweiten Mal Weltmeister werden. Dabei hätte ein Unfall den Mann des AC Mailand beinahe aus der Bahn geworfen VON OLIVER LÜCK UND RICARDO SETYON, FOTOS HOCHZWEI UND IMAGO

Der Superstar lässt sich entschuldigen. „Er verspätet sich“, sagt der kleine dicke Mann, der ebenso schnell wieder verschwunden ist, wie er gekommen war. „Wer war das denn?“ – „Keine Ahnung.“ – „Und woher weiß der, dass wir hier warten?“ – „Keine Ahnung.“ Als der Su- perstar auch eine halbe Stunde nach dem vereinbarten Zeitpunkt noch immer nicht da ist, wird das Mobiltelefon bemüht. Doch auch die freundliche Stimme der Mailbox kann nicht wirklich weiterhel- fen: „Hier ist Kaká. Zurzeit kann ich Ihnen leider nicht antworten. Gott segne Sie. Ciao!“ Und dann wird es für eine Sekunde still im Restaurant. Denn er Mit Siebenmeilenschritten an die Weltspitze: der Techniker am Ball kommt doch noch, der beste Mittelfeldspieler der vergangenen Champions-League-Saison, der Star der Serie A. Dunkelblaue Arma- ni-Jeans, modische Turnschuhe, dunkelblaues Hemd, die obersten beiden Knöpfe offen. Diejenigen, die ihn nur aus dem Fernsehen ken- fassungslos mit dem Kopf geschüttelt: „Großes Glück gehabt, mein nen, hätten Probleme, ihn sofort zu erkennen. Er trägt Brille, wirkt Junge. Du hättest auch im Rollstuhl sitzen können. Aber keine Sorge, eher wie ein strebsamer Harvard-Absolvent und beinahe schüchtern. das kriegen wir wieder hin.“ Er entschuldigt seine Verspätung, wählt seine Worte wohl aus. Wie Kaká ist der Gegenentwurf des klassischen brasilianischen Fußball- nach fast jedem Training sei er am Übungsplatz des AC Mailand auf- märchens, das in den Favelas beginnt und in einer Luxusvilla endet. gehalten worden, hatte geduldig unzählige Autogramme geschrieben Weder wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf, noch begann seine und wieder keines ablehnen können. „Jeder hat das gleiche Recht“, Karriere damit, dass er barfuß auf der Straße spielen musste. Seine sagt er und setzt sich. Kaká ist da. Eltern – der Vater Ingenieur, die Mutter Lehrerin – ermöglichten ih- An einem glühend heißen Tag im Oktober vor fünf Jahren sollte die rem ältesten Sohn die Mitgliedschaft in einem der reichsten Sport- Profi karriere des Ricardo Izecson dos Santos Leite die entscheidende klubs São Paulos. „Wäre er nicht Fußballprofi geworden, würde er Richtung nehmen, und es hatte überhaupt nichts mit Fußball zu tun. heute Medizin studieren“, glaubt seine Mutter. Er ist gerade erst 23. Er habe alles noch ganz genau vor Augen, sagt er. Wie er an jenem Tag Manchmal vergisst man das, wenn man ihn reden hört, wenn er über seine Großeltern besuchte und sie gemeinsam schwimmen gingen. das Übel Drogen spricht oder dass alle fünf Sekunden ein Kind ver- Wie er über eine kleine Wasserrutsche mit dem Kopf vorweg in den hungere. Irgendwo sei immer Krieg. Irgendwo plündere immer ein Swimmingpool sprang. Und wie er im nächsten Augenblick unter Wasser auf dem Boden aufschlug und ein dumpfes Knacken hörte. Kaká ist der Gegenentwurf des klassischen Sein Kopf blutete. „Die Schmerzen waren unerträglich“, erzählt er, brasilianischen Fußballmärchens: Er war „wir fuhren sofort ins Krankenhaus.“ Die Röntgenbilder zeigten, dass einer der Halswirbel gebrochen war. Der Arzt habe zunächst etwas Mitglied des reichsten Sportklubs São Paulos

RUND 31

rrund0106_30_33_Kaka_Setyonund0106_30_33_Kaka_Setyon 3131 008.12.20058.12.2005 16:51:2116:51:21 UhrUhr AM BALL Stargast

Diktator sein Land. Irgendwo herrsche immer Ungerechtigkeit. Und irgendwo hungere immer jemand. „Das macht mich traurig und wü- tend zugleich“, sagt er. Schon lange engagiert er sich in sozialen Pro- jekten. Die UNO stattete ihn gar mit einem Diplomatenpass aus und ernannte ihn zu ihrem offi ziellen Botschafter. Berühmt zu werden, geht im Fußball manchmal ziemlich schnell. Bei Kaká ging alles noch viel schneller. Gerade erst hatte er sich beim São Paulo FC einen Stammplatz erkämpft, da war er auch schon Na- tionalspieler. Für rund neun Millionen Euro, „zum Preis von Bana- nen“, wie es die Kluboberen des AC Mailand heute nennen, wechsel- te er vor zweieinhalb Jahren nach Europa. „Als der Vertrag bestätigt wurde, war es mittags“, erinnert er sich, „um zehn Uhr abends saß ich im Flugzeug nach Mailand.“ Längst wurde sein Vertrag bis Juni 2010 verlängert. AC-Coach bezifferte seinen Marktwert ir- gendwo bei 100 Millionen Euro bis unverkäufl ich. Und Vizepräsident Adriano Galliani ließ unlängst verlauten, dass Kaká das neue Image des AC Mailand verkörpere. Gleich sein erstes Jahr in der Serie A war phänomenal: 14 Tore und Meister mit Milan. Italiens Profi s wählten ihn zum besten Spieler der Saison. Das Mailänder Publikum hatte einen neuen Liebling. Heute Kopf hoch: Kakás Halswirbel ist wieder geheilt hat es den Anschein, als würden die Tifosi untereinander einen Wett- bewerb austragen, wer bei den Spielen im San-Siro-Stadion die schönsten Lieder über ihren „Goldenen Jungen“ singt, so viele gibt es inzwischen. Pelé sagt über ihn, er sei der neue Cruyff. Andere glau- ben, er sei der neue Pelé. Wiederum andere, er sei eine Mischung aus Beckenbauer, Papin und Platini. Und Brasiliens Nationalcoach Car- los Alberto Parreira wusste es schon, als er noch sein Trainer des São meisten aber starrten bestürzt ihre Fernsehgeräte an. Heute soll es al- Paulo FC war: „Einen Spieler wie ihn gibt es alle 50 Jahre nur einmal. leine in Brasilien über 250 Kaká-Fanklubs geben. Bei einem Training Kaká wird ein Phänomen.“ des brasilianischen Nationalteams skandierten 48.000 Zuschauer mi- nutenlang seinen Name. Und nicht selten käme es vor, verrät er, dass Gleich sein erstes Jahr in Italien war phänomenal: er mit hochrotem Kopf die Unterwäsche weiblicher Fans mit seinem Er wurde Meister mit Milan, zum besten Spieler Namen versehen müsse. „Ich kann einfach nicht Nein sagen.“ Längst hat auch Modedesigner Giorgio Armani die Vorzüge des der Saison gewählt, und die Fans vergötterten ihn „Beckham Brasiliens“, wie er ihn nennt, erkannt und einen millio- nenschweren Modelvertrag mit dem Frauenschwarm geschlossen. Gi- Kaká selbst sieht alles weit unaufgeregter. „Das schmeichelt mir na- gantische Riesen-Kakás gehören seither ins Mailander Stadtbild – türlich“, sagt er, „aber ich habe doch noch gar nichts erreicht.“ Und meterhohe Plakatleinwände, auf denen der 23-Jährige die Kleidung was ist mit dem Weltmeistertitel 2002? Ja, den habe er gewonnen – des weltbekannten Modehauses zur Schau trägt. In den ersten Mona- wenngleich er nur für 18 Minuten im Vorrundenspiel gegen Costa Ri- ten sei er noch in Sandalen und schlabberigen Klamotten zum Trai- ca eingewechselt wurde. Inzwischen ist er zu einem der führenden ning gekommen, verrät er. Genau wie er es aus Brasilien gewohnt Köpfe der Seleção gereift und im System von Carlos Alberto Parreira war: Hauptsache bequem. „Doch in Italien“, weiß Kaká heute, „gehen neben Ronaldhino im Mittelfeld „Seele und Herz des brasilianischen die Spieler auch zum Training wie zu einer Luxusparty.“ Nicht nur Spiels“, wie es ein brasilianischer Radiojournalist während des Con- einmal hätten seine Teamkollegen ihm Streiche gespielt, indem sie in federations Cup in Deutschland beschrieb. der Umkleidekabine selbst gemalte Ein-Euro-Schildchen an seine Ho- Sein Gewicht mache ihm noch zu schaffen, verrät Kaká. Er wolle se und Schuhe klebten. „So habe ich ganz schnell gelernt, mehr auf mindestens vier Kilo zunehmen, um an Robustheit zu gewinnen. 73 mein Äußeres zu achten.“ Kilo seien doch etwas schwach. Auch als er noch in São Paulo spiel- Der Superstar muss gehen. Eine letzte Frage noch: Warum sein te, hing ihm der Ruf nach, zu zerbrechlich und zu weich für den har- Künstlername, was steckt dahinter? „Eine lustige Geschichte“, sagt er. ten Profi fußball zu sein. Einmal, als er in der 39. Minute eines Liga- Kaká heißt heute Kaká, weil sein drei Jahre jüngerer Bruder Rodrigo spiels ausgewechselt wurde und unter Tränen den Platz verließ, sah mal einen Sprachfehler hatte. „Ricardo war zu schwer für ihn, er ihm das ganze Land via Liveschaltung dabei zu. Einige lachten, die konnte bloß Kaká.“ Auch so entstehen große Namen.<

RUND 32

rrund0106_30_33_Kaka_Setyonund0106_30_33_Kaka_Setyon 3232 008.12.20058.12.2005 16:51:2316:51:23 UhrUhr AM BALL Ricardos Welt

Zauberhaftes Fingerschnipsen

Der brasilianische Journalist RICARDO SETYON sieht aus wie Ronaldo in zehn Jahren, war Pressechef der Seleção und erzählt bis Juni in dieser WM-Kolumne von seinen ungewöhnlichen Erlebnissen in der Fußballwelt. Diesen Monat führt ihn seine RUND-Reise nach Ghana ILLUSTRATION ANNE-KATRIN ELLERKAMP

„Prima, prima!”, schüttelt mein guter Freund Osei Kuffour, späterer Star des FC Bayern, erstickten oder wurden zerquetscht. Ghanas Alaji meine Hand, täglich, stündlich, ständig. zurück nach Ghana geschickt, um zu warten Fußball war noch nie so traurig. Denn in Ghana ist Händeschütteln keine ein- und zu wachsen. Und dann kam ich ins Spiel, Vier Jahre später feiern gut 20 Millionen fache Sache. Es geht in mehreren Phasen von- wurde als Sportpsychologe angeheuert, um Ghanaerinnen und Ghanaer eine wilde Party. statten und endet stets mit einem beachtli- die Jungs darauf vorzubereiten, „Europäer“ Ihre „Black Stars“, die Nationalspieler, haben chen Fingerschnipsen. Das Ungewöhnliche zu werden. Ein Jahr habe ich in Ghana gelebt es tatsächlich geschafft und sind das erste ist, dass das Schnipsen entsteht, indem man und Fufu gestampft. Selbst wenn Sie wissen, Mal für eine WM qualifi ziert. Tagelang tan- beim Händeschütteln die Finger des Partners was Fufu ist, sollten Sie Ihren Magen noch zen die Menschen nach dem 4:0 auf den Kap- dazu benutzt. Komplex, was? auf weitere köstliche, teils schwer im Magen verdischen Inseln durch die Straßen. Ich gehe Gleich nach dem Händeschütteln kommt in liegende Delikatessen vorbereiten – inklusive in Accra durch die Wawa Street in Richtung Ghana schon Fußball. Ich habe drei Reisen in Knochen, Knorpel und sonstiger Teile. Von Market Street, genieße das Schauspiel, die dieses Land unternommen, es waren die wun- der Kuh übrigens. farbenfrohen Gewänder. derbarsten und traurigsten meines Fußballle- Als ich zehn Jahre später wieder nach Gha- Natürlich gibt es in Ghana auch Dinge, wie bens. 1991 hatte Brasilien gerade die U-17-WM na kam, verschwammen viele der schönen ich sie bei einem Spiel in Kumasi sah: Tierop- gegen diese Unbekannten aus Westafrika ver- Erinnerungen mit einem Schlag. Am 12. Mai fer, Zaubersprüche, Talismane und eine ein- loren. Zu dieser Zeit lebte ich in Italien und saß ich im Accra Sports Stadium bei 44 Grad stün di ge Verspätung, da sich die Spieler nicht hatte das Glück, für Juventus Turin arbeiten Hitze auf kochendem Zement zwischen Tau- einigen konnten, wer zuerst den Platz betre- zu können. Luciano Moggi, heute für seinen senden von Menschen. Accra Hearts of Oak ten sollte. Vor dem Anpfi ff hatten sie ein wei- fast lückenlosen Einfluss auf dem italieni- gewann 2:1 gegen Ashanti Kotoko. Und plötz- ßes Puder in die Luft geworfen, Eier auf dem schen Spielermarkt bekannt, war Juves Präsi- lich fi ngen Kotoko-Fans an, die Plastiksitze Platz zerschlagen. Das Gegnerteam hatte da- dent. „Il presidente“ beschloss, als Erster über- herauszureißen und sie auf die Tartanbahn zu gegengehalten, indem es aufs Spielfeld uri- haupt Toptalente vom schwarzen Kontinent werfen. Im Gegenzug schoss die Polizei Trä- nierte. So ist das hier in Ghana. Es geht auf unter Vertrag zu nehmen. Und er kaufte nicht nengas in die Menge. Viele sagten hinterher, und ab, es passieren komische Dinge. Und nur einen, er kaufte fünf. Nach großem Ärger die Polizei habe die Massenpanik in dem mit niemand ist dagegen gefeit: Auch ich nahm mit den italienischen Behörden, die die An- 40.000 Zuschauern ausverkauften Stadion eine Salbe mit nach Brasilien. Man riet mir, stellung von Minderjährigen als Profi s ver- erst ausgelöst. Denn als sich das Gas ausbrei- sie beim Hallenfußballturnier auf den Tor- boten, wurden Mohamed Gargo, Emanuel tete, stürzten die Fans zu den Ausgängen, die pfosten des gegnerischen Teams zu schmie- Duah, Maalam Yahia, Sam Preko und Samuel jedoch verschlossen waren – 130 Menschen ren. Es hat funktioniert. Prima, prima.

RUND 33

rrund0106_30_33_Kaka_Setyonund0106_30_33_Kaka_Setyon 3333 008.12.20058.12.2005 16:51:2516:51:25 UhrUhr AM BALL Ballungsraum

Derby am Bruchweg: Mainz spielt erstmals gegen Frankfurt in Liga eins

RUND 34

rrund0106_34_39_Rhein-Mainund0106_34_39_Rhein-Main 3434 008.12.20058.12.2005 16:55:4516:55:45 UhrUhr AM BALL Ballungsraum

Geld schießt doch Tore

Das RHEIN-MAIN-GEBIET steht wirtschaftlich so potent da wie kaum ein Ballungszentrum in Europa. Nicht zuletzt die Großbanken der Region haben erkannt, dass der Fußball sich gewandelt hat und Klubs wie , Mainz 05 und als Werbeträger seriös sein können. Ist die Ökonomie tatsächlich entscheidend für den sportlichen Aufstieg?

VON MALTE OBERSCHELP, FOTOS MAREIKE FOECKING

In der vergangenen Saison gewann der Auf- steiger FSV Mainz 05 die Fairplay-Wertung der Uefa und kam zu einem unverhofften Gast spiel im Europapokal. Mitte November 2005, beim Heimspiel gegen die Frankfurter Eintracht, sieht es rund um das Stadion am Bruchweg kaum nach friedlichem Miteinander aus. Es ist das erste Zusammentreffen beider Klubs in der Bundesliga, und das Polizeiaufgebot erin- nert eher an einen Castor-Transport als an ein Fußballspiel. Sogar Fangruppen des selbster- nannten Karnevalsvereins werden in Polizei- kesseln aus der Stadt ins Stadion eskortiert, ohne recht zu wissen, warum. Das Rhein-Main-Derby endet 2:2 unent- schieden. Frankfurt führte bereits nach sechs Spielminuten mit 2:0, der Ausgleich fällt erst in der 90. Minute. Mainz hat aufgeholt – in Viel und laut: Seit das Frankfurter Waldstadion nicht mehr so heißt mehr als einer Hinsicht. und nicht mehr so aussieht, ist die Eintracht wieder Zuschauermagnet Über 20 Jahre ist es her, dass zwischen Rhein und Main zuletzt zwei Erstligaklubs aufeinan- der trafen. Damals versuchten sich noch die Offenbacher Kickers als Herausforderer des Geldgeber immer wichtiger werden, tatsäch- Main-Gebiet zu verstehen. Die Finanzkraft ewigen Platzhirschs Frankfurt. Heute hat sich lich nur das wirtschaftliche Umfeld über des Bankenplatzes Frankfurt ist unbestritten Mainz 05 zum ernstzunehmenden Lokalriva- Wohl und Wehe eines Vereins? Ist wirklich – nur hatte der Fußball davon bisher wenig. len gemausert. Die ganze Region erlebt derzeit alles bloß eine Frage der Ökonomie? „Alle großen börsennotierten AGs tun sich einen fußballerischen Aufschwung. Mit ei- Einerseits, sagt Heribert Bruchhagen. „Es schwer, sich für den Fußball zu entscheiden, nem Tagesticket des Verkehrsverbundes RMV ist nicht zu leugnen, dass die Bundesliga im- weil ihm immer noch die gesellschaftliche lassen sich die Erstligisten aus Mainz und mer mehr in die Metropolen wandert“, so der Reputation fehlt“, glaubt Heribert Bruchha- Frankfurt, Zweitligaaufsteiger Offenbach so- Vorstandsvorsitzende der Eintracht Frankfurt gen. Und das trotz des unverkennbaren Wan- wie die Regionalligisten Darmstadt 98, SV Fußball AG. Denn nur dort können die mo- dels, der sich beim Stadionpublikum in den Wehen und 1. FC Eschborn erreichen. dernen Stadien refi nanziert werden. Anderer- vergangenen 15 Jahren vollzogen hat. „Es ist In einem Ballungsraum, der vier Millionen seits, fi ndet der Mainzer Manager Christian doch auffällig, dass sich aus den 30 Dax-Wer- Einwohner zählt und wirtschaftlich so potent Heidel, spielten sämtliche Rhein-Main-Klubs ten nur so wenige im Fußball engagieren“, wie kaum ein zweiter in Deutschland dasteht, wenige Jahre zuvor noch mindestens eine fi ndet Bruchhagen. scheint das nichts Besonderes. Die Verschrän- Klasse tiefer, „und da war die Wirtschafts- Die Deutsche Bank mietet in der Frankfur- kung von Fußball und Wirtschaft zeigt nicht kraft der Region genauso groß“. ter Arena zwar immerhin eine Loge an, ist als zuletzt besagter RMV: Er ist Sponsor der Ein- Man muss genauer hinsehen, um den Zu- Hauptsponsor aber lieber beim Basketball- tracht. Aber entscheidet in einer Zeit, in der sammenhang von Geld und Fußball im Rhein- team der Stadt, den Skyliners, eingestiegen.

RUND 35

rrund0106_34_39_Rhein-Mainund0106_34_39_Rhein-Main 3535 008.12.20058.12.2005 16:55:5116:55:51 UhrUhr AM BALL Ballungsraum

Bei der Akquise kommen sich Mainz und Frankfurt nicht ins Winterthur, kommt aus der hessischen Lan- deshaupstadt Wiesbaden. Gehege: „Das Rhein-Main-Gebiet ist groß genug“, sagt Nur die Fraport AG, den Hauptsponsor der Eintracht, hätte Mainz auch gerne gehabt. 05-Manager Heidel. Sogar Offenbach bekommt etwas ab Der Verein machte sich Hoffnungen, weil es in der Stadt seit langem eine Diskussion um Fluglärm gibt – doch das Unternehmen ent- schied sich für die Eintracht. Und für Offen- Weil die meisten Basketballbundesligisten in alle Tochterfi rmen überregionaler Konzerne bach, die Einfl ugschneise im Osten: Dort ist Studentenstädten spielen, erhofft sich das Geld- waren und sich mit einem lokalen Fußballver- Fraport als Cosponsor aktiv. institut Zulauf für spezielle Kreditangebote, ein wenig identifi zieren konnten. „Und wenn Der dritte Profi klub der Region hat wirt- die nach der Einführung von Studiengebüh- wir den Bogen größer gemacht haben, sind schaftlich die größten Probleme. Bei Kickers ren aufgelegt worden sind. Die Kollegen von wir bei der Eintracht angestoßen“, erzählt Hei- Offenbach konnte man sich lange Zeit – wie der Dresdner Bank werben mit Günter Netzer del. „Es gab das Frankfurter Einzugsgebiet, bei so vielen Traditionsvereinen – nur schwer – der kaum noch für Fußball, sondern viel auf der anderen Seite Kaiserslautern – und mit dem Verlust vergangener Größe abfi nden mehr für Seriösität steht. wir saßen mittendrin.“ und entwickelten ein fatales Faible für Mana- „Wer mit dem Fußball eine Verbindung ein- Seit dem Aufstieg ist das besser geworden. ger typen, die eher an Gebrauchtwagenhänd- geht, muss auch damit leben, dass es mal Dia- Heute bestreitet der FSV rund 7,7 Millionen ler erinnern, wie Klaus Gerster oder Rüdiger dochenkämpfe im Vorstand gibt, Hemdsärme- Euro seines Etats (27 Millionen) mit Sponso- Lamm. Die Zuschauerzahlen waren selbst in ligkeiten oder Spieler, die Skandalgeschichten ring. Beim großen Nachbarn Frankfurt zahlen der Oberliga gut, doch trotzdem kämpfte man produzieren“, sagt Bruchhagen. Davon hatte die Geldgeber fast 14 Millionen Euro, knapp fi nanziell regelmäßig ums Überleben. Als der sein Klub in der jüngeren Vergangenheit reich- ein Drittel des Gesamtumsatzes. Ins Gehege derzeitige kaufmännische Manager Jörg Ham- lich zu bieten: 20-Tage-Präsidenten, Abstiege, kommen sich beide Klubs bei der Akquise bückers Mitte der 90er Jahre schon einmal Misswirtschaft. Dass der Eintracht im Jahr kaum. „Das Rhein-Main-Gebiet ist groß genug beim Klub beschäftigt war, erkannte er am 2000 wegen des Verstoßes gegen Lizenzie- für beide“, sagt Heidel. „Unsere Premiumspon- ersten Arbeits tag vor lauter Rechnungen sei- rungsaufl agen Punkte abgezogen wurden und soren werden durch Mainz nicht kannibali- nen Schreib tisch nicht. der Verein 2002 die Lizenz nur gegen Liquidi- siert“, bestätigt Bruchhagen. Die Landesgrenze Inzwischen sind die Altlasten weitgehend tätsnachweis erhielt, machte ihn für die po- zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz spielt getilgt. Knapp sieben Millionen Euro beträgt tenziellen Sponsoren unter den Großbanken dabei kaum eine Rolle. Der Mainzer Haupt- der Zweitligaetat des Aufsteigers, der Sponso- keinesfalls attraktiver. sponsor zum Beispiel, die Versicherung DBV ring-Anteil ist mit 1,8 Millionen prozentual Seit Bruchhagen im Dezember 2003 sein Amt angetreten hat, ist es mit dem unsoliden Wirtschaften vorbei. „Er hat in Frankfurt Klar- schiff gemacht“, urteilt , der früher im Eintracht-Mittelfeld die Fäden zog und heute beim alten Rivalen Offenbach Sportdi- rektor ist. Frankfurt hat die Lizenz ohne Auf- lagen bekommen und schreibt wieder schwar- ze Zahlen. Möglich wurde das auch deshalb, weil zahlreiche Unternehmen der öffentlichen Hand – Flughafenbetreiber Fraport, Deutsche Bahn, Hessische Landesbank, der Energiever- sorger Mainova – als Sponsoren einstiegen und ins WM-Stadion reichlich Steuergeld fl oss. Was der Eintracht in der „FAZ“ schon den Zu- satz Volkseigener Betrieb einbrachte und die Konkurrenz ärgerte. „Den Verein in seiner heutigen Form gäbe es ohne diese Sponsoren nicht“, sagt Christian Heidel, „dann wäre der WM-Standort Frank- furt gefährdet gewesen.“ Er sagt aber auch: „Ich hätte das Geld auch genommen – es ist Schnallt fast jeder: Dieser Mensch hegt Sympathien für die uns nur nicht angeboten worden.“ Mainz hat- Sport Gemeinschaft Eintracht Frankfurt te bei der Sponsorensuche lange das Problem, dass die großen Unternehmen der Stadt fast

RUND 36

rrund0106_34_39_Rhein-Mainund0106_34_39_Rhein-Main 3636 008.12.20058.12.2005 16:55:5316:55:53 UhrUhr AM BALL Ballungsraum

Fantrennung: Wenn die Frankfurter Eintracht am Mainzer Bruchweg spielt, ist die Polizei in Alarmbereitschaft. Das multikulturelle Pärchen (links) macht ihr dabei aber ebenso wenig Sorgen wie die Herren unten

RUND 37

rrund0106_34_39_Rhein-Mainund0106_34_39_Rhein-Main 3737 008.12.20058.12.2005 16:55:5716:55:57 UhrUhr AM BALL Ballungsraum

Stammplätze: Auch zu Oberligazeiten strömten Tausende zu den Spielen der Offenbacher Kickers. Etwas älter dürfte der Stammgast sein, der mit dem Traktor zum Bieberer Berg fährt – und auf dem Stadiongelände parkt

Die Offenbacher Kickers konnten sich lange – wie so viele Traditions- vereine – nur schwer mit dem Verlust früherer Größe abfi nden

RUND 38

rrund0106_34_39_Rhein-Mainund0106_34_39_Rhein-Main 3838 008.12.20058.12.2005 16:56:0316:56:03 UhrUhr AM BALL Ballungsraum

Eintracht Frankfurt hat diesen Schritt längst geschafft. „Selbst im Worst Case, dem Falle eines Abstiegs, den ich nicht erwarte, wären wir ordentlich aufgestellt“, so Heribert Bruch- hagen. Beim Verkauf der Namensrechte für das Waldstadion gelang es dem Klub im Juli 2005 sogar, die Abneigung der Frankfurter Hochfi nanz gegenüber dem schmuddeligen Vereinsimage vergessen zu machen. „Die Ent- scheidung der Commerzbank, sich zu Ein- tracht Frankfurt zu bekennen, war für uns gesellschaftlich der Durchbruch“, sagt Bruch- Auf Nummer sicher: Wegen der Fanrivalität spielen Offenbach und hagen. Er wertet den Konsolidierungskurs der Frankfurt schon lange keine Freundschaftsspiele mehr gegeneinander vergangenen Jahre als „klares Indiz, dass wir das Vertrauen der Frankfurter Gesellschaft zu- rückgewonnen haben“. Die Rolle des Krisen- klubs scheint in der Region derweil Darmstadt geringer als in Mainz und Frankfurt. Das liegt berer Berg darf auf der Gegengerade noch 98 übernommen zu haben (siehe Kasten). vor allem am Bieberer Berg. Das Offenbacher gestanden werden. „Das sind wir unseren Fans Was bleibt, sind die Rivalitäten der Fans. Stadion ist berühmt für seine Flutlichtspiele, auch dauerhaft schuldig“, meint Hambückers. Die Spieler und Funktionäre zwischen Rhein aber es wirkt wie ein Relikt aus der Zeit, als Auch wenn Uwe Bein fi ndet: „Am besten wä- und Main verstehen sich. Heribert Bruchha- die Fußballer noch Schnurrbart trugen. Der re es, ein neues Stadion zu bauen.“ gen geht regelmäßig mit OFC-Präsident Die- Verein hat das Gelände in Erbpacht von der Genau das plant man in Mainz. Der Verein ter Müller essen, Christian Heidel ist gut be- Stadt übernommen und muss nun riesige ist mit mehreren Investoren in Gesprächen freundet mit Rainer Falkenhain, dem Leiter Summen in den Erhalt stecken, ohne konkur- über eine Arena auf der grünen Wiese, Ka- der Frankfurter Lizenzspielerabteilung. Das renzfähige Vermarktungsmöglichkeiten zu pazität etwas über 30.000 Plätze. Möglich ist Ver hältnis litt nur einmal kurzzeitig, als Mainz haben. Es gibt keine Logen und nur 40 Busi- auch, bei der Standortsuche mit dem ehrgei- seine Uefa-Cupspiele nach Frankfurt verlegte ness-Seats, bis vor kurzem standen auf der zigen Regionalligisten SV Wehen zu koope rie- und die Eintracht sich zu spät informiert fühl- Haupttribüne noch Holzbänke. ren. „Ein neues Stadion ist die einzige Chan ce, te. Doch die gegenseitige Abneigung der Main- „Wenn man es nüchtern betriebswirtschaft- sich auf Dauer unter den 21 bis 24 deutschen zer und Frankfurter Fans ist jung. Ihre Traditi- lich betrachtet, ist es eine Katastrophe, dass Topklubs zu etablieren“, sagt Christian Hei- on muss sie sich erst noch erarbeiten. Und bis man eine so große Immobilie nur alle 14 Tage del. „Das Ziel muss sein: Wenn wir absteigen, es wieder zu einem brisanten Der by zwischen nutzt“, sagt Hambückers und sucht nach dann müssen wir wirtschaftlich besser auf- Frankfurt und Offenbach kommt – Freund- Geldquellen wie Firmenfeiern und Konzer- gestellt sein als das Gros der Zweitligisten. schaftsspiele werden aus Sicherheitsbedenken ten. Vor drei Jahren war immerhin Herbert Dann wollen wir nicht mehr wie Fürth oder schon lange nicht mehr vereinbart – könnte Grönemeyer da. Die Einnahmemöglichkeiten Ahlen sein, sondern wie der SC Freiburg oder es noch ein paar Jahre dauern. Trotz der fi - werden noch weiter eingeschränkt: Am Bie- der VfL Bochum.“ nanziellen Unterstützung.

kapitulierte Grimm vor einer angeblichen Hetzkampagne auf einschlägigen Darmstadt 98 – Lilien zwischen Ebbe und Flut Internetseiten und in Frankfurter Tageszeitungen und trat zurück. Der selbsternannte Meisterschaftsfavorit, gespickt mit ehemaligen Es ist wie mit Ebbe und Flut. Pünktlich im Herbst, wenn das marode Stadi- Erst- und Zweitligaprofis, hinkt den eigenen Ansprüchen hinterher. Hinter on am Böllenfalltor noch ein wenig trister wirkt, versinkt die heile Fußballwelt vorgehaltener Hand tuscheln die Ersten, Labbadia würde bereits in der beim Regionalligisten SV Darmstadt 98 im hausgemachten Durcheinander. Winterpause seine Koffer packen. Vor der Saison hätte Grimm dem Lieb- Vor gut zwölf Monaten tobte hinter den Kulissen des Traditionsvereins ling der Fans ohne zu zögern einen Vertrag auf Lebenszeit angeboten. Der ein später auch öffentlich ausgetragener Machtkampf um Posten und eloquente Jungtrainer hätte sogar Präsident werden können. Stattdessen persönliche Eitelkeiten. Erst die Rückkehr des langjährigen Präsidenten unterschrieb der umstrittene Präsidiumsberater Uwe Wiesinger bis 2010. Walter Grimm und der flammende Appell von Cheftrainer Der Wiederaufstieg sollte nur eine Frage der Zeit sein. Die Sehnsucht im verhinderten den Versuch einer Oppositionsgruppe um den ehemaligen Umfeld – in der ewigen Zweitligatabelle werden die Lilien auf Platz acht Torhüter Dieter Rudolf, das Präsidium auf der außerordentlichen Mitglie- geführt – ist riesig. Gebetsmühlenartig bat der Club um Unterstützung derversammlung zu stürzen. Und als 2005 die Tage wieder kürzer wurden, durch die regionale Wirtschaft. Der in Darmstadt ansässige Internetanbieter reichte eine stümperhafte Pressemitteilung, mit der die Vereinsführung T-Online stieg als Premiumsponsor ein, Hauptgeldgeber Wella AG verlän- Labbadia denunzierte und medienwirksam zum Rapport bestellte, um den gerte seinen Kontrakt zu Zweitligakonditionen bis 2007. Trotzdem belastet Verein der Lächerlichkeit preiszugeben. Labbadia kündigte an, die Wiege den Etat mit seinen Bruttopersonalfixkosten von 1,2 Millionen Euro eine seiner Karriere am Saisonende definitiv zu verlassen. Drei Tage später Unterdeckung von 300.000 Euro. SEBASTIAN GEHRMANN

RUND 39

rrund0106_34_39_Rhein-Mainund0106_34_39_Rhein-Main 3939 008.12.20058.12.2005 16:56:1016:56:10 UhrUhr rrund0106_40_43_Lage_Der_Liga 40 u n d AM BALL Lage der Liga 0 1 0 6 _ 4 0 _ 4 3 _ L a g e _

D DIE LAGE DER LIGA e r _ L i g a

4 0 Was ist los beim Lieblingsklub, was bei der Konkurrenz? Unsere Experten haben allen 18 BUNDESLIGISTEN auf die Füße geschaut und beantworten die Fragen, die den Fan bewegen

FOTOS MAREIKE FOECKING UND BENNE OCHS

1 ZITAT DES MONATS 2 DIESER SPIELER FEHLT 3 DURCHBRUCH STEHT BEVOR 4 MITARBEITER DES MONATS 5 FANZUFRIEDENHEIT 008.12.2005 20:54:39 Uhr 8 . 1 2 . 2 0 0 5

2 0 : 5 4 : 3 9

U h r rrund0106_40_43_Lage_Der_Liga 41 u n d 0 1 0 6 _ 4 0 _ 4 3 _ L a g e _ D e r _ L i g a

4 1

BORUSSIA BAYERN MÜNCHEN MSV DUISBURG FSV MAINZ 05 MÖNCHENGLADBACH VFB STUTTGART

1 Zitat des Monats: „Der soll 1 Zitat des Monats: „Denen hab 1 Zitat des Monats: „Da geht es 1 Zitat des Monats: „Was willst 1 Zitat des Monats: „Wir 1 Zitat des Monats: „Vollfrisör, erst mal abnehmen, dann ich’s mal wieder gezeigt.“ Ihnen wie mir. Ich habe auch keine du aufs Tor schießen, wenn du können im Februar und März noch Muscheltaucher“ Trainer kann er vielleicht wieder normal MSV-Coach freute Zeit Sport zu treiben, ich schaue den Ball nicht annehmen kannst.“ schauen, welche Ziele möglich zu Spielern, denen denken.“ Der idealgewichtige sich gegenüber seinem Co Heiko nur zu.“ Jürgen Klopp im Gespräch Eugen Polanski erinnert sich, sind.“ Trainer im Training etwas missglückt. Bayern-Manager Uli Hoeneß zur Scholz diebisch, dass es ihm mit Kardinal Lehmann, das in wie einst sein Vater die all- glaubt offenbar noch an eine Seit Ruhrpott-Peter 96 trainiert, Aussage von Ronaldo (Real gelang, auf der offiziellen Presse- den „Mainzer Vierteljahresheften“ umfassenden Inhalte des privaten gemeinsame Zukunft. ist die niedersächsische Haupt- Ma drid), Michael Ballack werde konferenz die Namen von zwei 23 Seiten füllte. Trainings mit ihm begründete. stadt die Hochburg westfälischer bald sein Mannschaftskamerad A-Jugendlichen, die aus Personal- 2 Dieser Spieler fehlt: Ein Sprüchefolklore. sein, da man sich in der deutschen not zu Profis erklärt wurden, 2 Dieser Spieler fehlt: 2 Dieser Spieler fehlt: Vielleicht Pendant zu Marketinggeschäfts- Bundesliga sportlich nicht weiter- geheim zu halten. Christian Demirtas nicht mehr auf bald für immer: Wesley Sonck führer Jochen Rotthaus auf dem 2 Dieser Spieler fehlt: Jan Simak. entwickeln könne. Klopps Zettel. Der gebürtige reiht eine Verletzung an die Platz. Während der VfB Stuttgart Der „Pflegefall“ (Klaus Toppmöller), 2 Dieser Spieler fehlt: Um die Offenbacher, der vor der Saison andere. Profitiert hat der Klub im Kerngeschäft Fußball der Hannover einst verzückte und 2 Dieser Spieler fehlt: Nun, da Klasse zu halten, fehlt momentan allenfalls als Perspektivspieler galt, noch nicht von der Zwei-Millionen- schwächelt, wartet Rotthaus mit in Aufruhr versetzte und nach endlich auch nur eine sattelfeste Abwehr, ein vertrat Matthias Abel im November Investition. Vor allem fehlt ein durchaus ansprechenden Zahlen „Erschöpfungssyndrom“ und wieder trifft: keiner. Mittelfeld mit Übersicht und Ideen, so vorzüglich, dass man Letzteren deutliches Bekenntnis zu seinem auf. Er setzte im Marketingbereich Alkoholentziehungskur in Prag ein treffsicherer Sturm und ein im Sommer wohl noch beruhigter Arbeitgeber. bereits über 24 Millionen Euro seine ersten Comebackversuche 3 Durchbruch steht bevor: Wenn Trainer, der das alles in die richtige gen Schalke ziehen lässt. um. Der Bandenbereich ist auf dem Fußballplatz absolviert, zwei sich streiten, freut sich der Bahn lenkt. Zumindest Keeper 3 Durchbruch steht bevor: ausverkauft, die Logen voll und würde jetzt aufblühen bei 96. Deisler. Das Hin und Her um und Stadion haben sie aber 3 Durchbruch steht bevor: Kahê erzielte beim 2:2 in Berlin die Vermarktung boomt. Für Desperados hatte Neururer Michael Ballack brachte in der immerhin schon. Der jeder Abwehrmauer, wenn sein erstes Bundesligator. Sport- schon immer ein Herz. Vor allem, obligaten Nachfolgerdiskussion der lange Zeit verletzte direktor Peter Pander ließ sich 3 Durchbruch steht bevor: wenn sie kicken können. auch den Kandidaten Sebastian 3 Durchbruch steht bevor: Ganz Christof Babatz sich wieder im aber auch zuvor nicht in der Hoch- Mario Carevic. Bevor das Deisler hervor. Seitdem Felix Duisburg wartet derzeit auf den Vollbesitz seiner Kräfte den Ball schätzung seines brasilianischen 23-jährige Talent eingewechselt 3 Durchbruch steht bevor: Magath das tat, spielt der ehemals Durchbruch, der in der Rückrunde zum direkten Freistoß zurechtlegt. No-Name-Stürmers beirren. wurde, lag der VfB jedes Mal Vahid Hashemian. Unter Ewald psychisch und physisch Lädierte jedoch endlich gelingen soll. Leicht sadistisch wird zuvor ein „Er macht es vorne mit seiner im Rückstand. Dank Carevic Lienen musste er dauerlaufen, bis in der Form seines Lebens. Vielleicht aber auch erst 2007, aufmunterndes „Bumbum-Babatz“ Abwehrarbeit dem Mittelfeld und hatte das Spiel dann stets ein die Socken qualmten. Für seinen oder 2008 … von den Rängen erschallen. der Abwehr viel einfacher.“ versöhnliches Ende für die Job, das Toreschießen, blieb 4 Mitarbeiterin des Monats: Schwaben. da kaum noch Zeit. Sein Personal- Sandra König. Die 36 Jahre alte 4 Mitarbeiter des Monats: Als 4 Mitarbeiter des Monats: 4 Mitarbeiter des Monats: Die coach Neururer, der ihn einst beim Busfahrerin wurde durch das echter Kölner ist für . Er wurde wirklich Rasenheizung von Hertha BSC. 4 Mitarbeiter des Monats: VfL Bochum zum Bundesligator- Bonmot des Spielerberaters die gute Stimmung im Team oft genug getadelt. Und ja, er ist Hätte die im winterlichen Berlin Danijel Ljuboja. Die Leihgabe von jäger machte, führt ihn nun wieder Norbert Pflippen, dass Podolski verantwortlich. Den eher spröden wirklich nicht der Schnellste. Dafür nicht für ein grünes Spielfeld Paris St. Germain glänzt, wenn zurück zu seiner eigentlichen in Köln soviel verdiene wie bei Duisburgern besorgte er zum zeigte er in den vergangenen gesorgt, hätte Horst Köppel Kahê es darum geht, dem Trainer den Bestimmung. Den Anfang hat Bayern der Busfahrer, plötzlich Karnevalsauftakt einen Satz jecker Wochen aber, dass er das durch erst gar nicht auflaufen lassen: Job zu retten. Siehe den Last- Hashemian schon gemacht. zum Gesprächsthema. Pflippens Clownskostüme, in denen bereits andere Faktoren wettmachen „Der hat doch einen Schock Minute-Doppelpack von Saloniki Aussage entspricht im übrigen Köln unsicher gemacht wurde. kann. Zum Beispiel durch Tore. bekommen, als er morgens aus oder das 1:1 in Frankfurt. Doch 4 Mitarbeiter des Monats: nicht den Tatsachen. „Prima für den Teamgeist“, freut dem Fenster schaute und das manche Kritiker von Trap wissen Natürlich Peter Neururer. Der sich Markus Kurth, mit dem Lottner 5 Fanzufriedenheit: Selbst- erste Mal Schnee sah.“ nicht, ob sie ihm wirklich dankbar Mann ist mehr als ein Trainer. Der 5 Fanzufriedenheit: Auf der eine Fahrgemeinschaft zum zufrieden. Das unglücklich sein sollen. Freund des Boulevards ist auch Jahreshauptversammlung gab es Training bildet. verlorene Spiel bei Bayern 5 Fanzufriedenheit: Das eine Art Kommunikations-, PR- viel Applaus für ein dickes Fest- München erlebten viele so wie vorschnelle Murren ist noch nicht 5 Fanzufriedenheit: Die und Pressechef. Die Schlagzeilen geldkonto und die Aussage, 5 Fanzufriedenheit: Um Keeper Dimo Wache, der sich von aus der Borussia-Park-Welt. Aber Anhänger zeigen noch immer über die „Roten“ sind seitdem man werde das Angebot an Transparenz zu beweisen, lud der der Stimmung enttäuscht zeigte die Unterstützung ist endlich auch das, was der Trainer bei jeder endlich wieder groß und positiv. Michael Ballack zurückziehen. Verein 20 Fans zur „spontanen“ und behauptete, in der Allianz antizyklisch. Beim Remis gegen Gelegenheit einfordert: Geduld 008.12.2005 20:54:46 Uhr

8 Kritikern an unkomfortablen Ecken Aussprache mit dem Team ein, die Arena wäre es doppelt so laut, Leverkusen kam – natürlich für eine seltsame Mannschaft. 5 Fanzufriedenheit: . 1

2 der Allianz Arena begegnete Uli Anhänger waren begeistert. Alle, wenn Mainz seine Heimspiele dort vornehmlich aus der Nordkurve – Vor allem zu Hause fühlen sich die Korrespondiert extrem mit der . 2

0 Hoeneß gewohnt charmant und die nicht kamen, bleiben allerdings austragen würde. Aber wo sollen das akustische Doping auch noch, Fans wie in der Fremde. Allerdings gestiegenen Zahl der Tore und 0 5

empfahl ihnen einen Winter in zornig. Es gärt rund um die plötzlich 66.000 Mainzer als es zäh bis gar nicht lief. gibt’s da mehr Erfolgserlebnisse. den netteren Schlagzeilen.

2

0 Pakistan. DETLEF DRESSLEIN MSV-Arena. ROLAND LEROI herkommen? CHRISTOPH RUF BERND SCHNEIDERS ELKE RUTSCHMANN JÖRG MARWEDEL : 5 4 : 4 6

RUND U 41 h r rrund0106_40_43_Lage_Der_Liga 42 u n d AM BALL Lage der Liga 0 1 0 6 _ 4 0 _ 4 3 _ L a g e _ D e r _ L i g a

4 2

1. FC KAISERSLAUTERN FC SCHALKE 04 SV WERDER BREMEN BORUSSIA DORTMUND BAYER LEVERKUSEN

1 Zitat des Monats: „Verteidiger, 1 Zitat des Monats: „Schluck-Auf- 1 Zitat des Monats: „Auch wenn 1 Zitat des Monats: „Mit diesem 1 Zitat des Monats: „Der 1 Zitat des Monats: „Für richtig was sonst?“ Der ehemalige Arena!“ Manager Rudi Assauers wir mal eine normale Woche Trainer und dieser Mannschaft Wuhan FC ist für größte toll und echt klasse fehlen Verteidiger , 48, auf spontane Antwort auf die Frage, haben, gibt es genug zu tun. Wir kann man einfach nur guten Sauberkeit im chinesischen noch die richtigen Ergebnisse.“ die Frage, welche Position sein wie er die Veltins-Arena nennt, legen uns jetzt nicht ins Bett und Fußball spielen. Wir werden mit Fußball ausgezeichnet worden.“ Leverkusens Trainer Michael Sohn Patrick, 17, spielt. W.W. stellt wenn diese aufgrund der Rechts- warten auf die nächste englische diesem Team noch sehr viele Arminias Finanzchef Roland Skibbe wollte nach einem Sieg, damit einen in der Pfalz beliebten lage während einer Champions- Woche.“ an einem Erfolge feiern.“ Der 17-jährige Kentsch ist stolz auf die vier Unentschieden und drei Zusammenhang zwischen Genen League-Partie nicht ihren Sonntagabend, angesprochen Nuri S¸ ahin guckt sich schon Kooperation seines Klubs mit Niederlagen lieber nicht übermütig und Fähigkeiten her. Er kommt Sponsorennamen tragen darf. auf die Möglichkeit, vor dem manch altkluge Floskel von seinen einem chinesischen Erstligaklub. werden. ja aus der Pfalz und gehört also nächsten Spiel am Samstag ein Berufskollegen ab, künftig auf diesen Trainerstuhl. 2 Dieser Spieler fehlt: wenig regenerieren zu können. beginnt er seine Antworten wohl 2 Dieser Spieler fehlt: 2 Dieser Spieler fehlt: Weiter ein Michael Ballack. Zum einen weil auch mit: „Wer mich kennt“. Tobias Rau. Der 23-jährige Spielmacher. Die Umstellung auf 2 Dieser Spieler fehlt: der 29-Jährige bekanntlich auf 2 Dieser Spieler fehlt: Nach den Linksverteidiger mit offensiven zwei defensive Mittelfeldspieler Miroslav Kadlec. Die FCK-Libero- dem Markt ist. Zum anderen, weil Verletzungen von Davala und 2 Dieser Spieler fehlt: Qualitäten will in Bielefeld jenes auf Kosten eines offensiven legende erahnte in der Defensive er den Spielertypus verkörpert, der van Damme mangelt es auf den Der Schweizer Stürmer Alexander Selbstvertrauen wiederfinden, Mannes klappt einfach nicht. schon zwei Spielzüge vorher, sich in der über einjährigen Ägide Außenbahnen an Alternativen zu Frei von Stade Rennes würde gut das er einst im Rehazentrum des Bayer 04 braucht ganz dringend was der Gegner im Schilde führt. von noch immer Schulz und Owomoyela. Es kann zu der jungen Mannschaft passen. FC Bayern München verloren hat. einen Spieler wie den nach Japan Ihn könnte die schlechteste nicht gefunden hat: Der Profi, der sein, dass Werder auf dem Trans- Vorausgesetzt, er ist nach der Neuerliche Verletzungen haben abgewanderten Robson Ponte – Abwehr der Liga brauchen. in schwierigen Phasen auch einmal fermarkt noch einmal zuschlägt. WM noch bezahlbar und bringt allerdings dafür gesorgt, dass er möglichst in Bestform. Leider das Heft in die Hand nimmt. die angenehme Bescheidenheit noch eine Weile sucht. suchen die Leverkusener aber 3 Durchbruch steht bevor: Dem 3 Durchbruch steht bevor: seines Schweizer Vorgängers lieber nach einem Stürmer. zweiten Blick. „Auf den ersten 3 Durchbruch steht bevor: Der von Miroslav Klose – zum Stéphane Chapuisat mit. 3 Durchbruch steht bevor: Blick ist das hier ein Himmelfahrts- Lincoln als Rasenexperte. So Weltstar. Gerd Müller traut es Isaac Boakye. Der Ghanaer gilt 3 Durchbruch steht bevor: Mittel- kommando“, sagte Wolf bei häufig wie der Brasilianer in dieser ausschließlich Klose zu, seinen 3 Durchbruch steht bevor: als ungeschliffener Diamant – feldmann Simon Rolfes: Der 23- seiner Vorstellung. Auch beim Spielzeit ohne gegnerische Ein- eigenen Uraltrekord von Nuri S¸ ahin, natürlich. Und weil aber das nun auch schon seit Jährige ist ballsicher, torgefährlich zweiten Hinsehen wird der Henke- wirkung zu Boden geht, müsste er 40 Saisontreffern zu knacken. die Türkei sich nicht für die WM zwei Jahren. Während seine Team- und in Skibbes System gesetzt. Nach folger sich nicht über’s Ohr bald sämtliche Rasensorten der qualifiziert hat, wird er sich auf tauglichkeit gegen null tendiert, hauen lassen von notorischen Stadien am Geruch erkennen. 4 Mitarbeiter des Monats: die Rückrunde der Borussia bildet er mit dem Südafrikaner 4 Mitarbeiter des Monats: Augen wischereibetreibern, die Manfred Müller. Als der Billig- konzentrieren können, ohne Sibusiso Zuma ein historisches Rudi Völler und Wolfgang behaupten: „Die Mannschaft ist 4 Mitarbeiter des Monats: Es ist flieger wegen des dichten Tamtam und Podolski-Effekt. Stürmerdoppel: nämlich das erste Holzhäuser glänzen mit besser, als sie derzeit spielt.“ schon überraschend, wie über- Nebels in Frankfurt-Hahn nicht in afrikanische in der Ligageschichte. vorbildlichem Optimismus: zeugend sich Hamit Altintop in Richtung Barcelona starten 4 Mitarbeiter des Monats: Ende Seit Skibbe Trainer ist, sind sie fest 4 Mitarbeiter des Monats: den letzten Wochen präsentierte. konnte, gelang es dem Geschäfts- Dezember steht er gar als 4 Mitarbeiter des Monats: entschlossen, nur die positiven Das Helfersyndrom. Exspieler Der Abwehr-Mittelfeldspieler ist führer in Zusammenarbeit mit Mit arbeiter des Jahres 2005 fest: Thomas von Heesen. Als einst Dinge zu sehen. Überall wittert das wie Wolf, , nach seinen sehr schwankenden Radio Bremen schließlich, Busse Trainer , für der Fortgang des Trainers Uwe Duo Fortschritte. Beispiel? Nach Hans-Günther Neues, Mario Leistungen aus der Vorsaison zu chartern und die Anhänger dessen Jahresgehalt Matthias Rapolder feststand, behauptete dem 0:1 gegen den HSV, der in Basler, Martin Wagner und mittlerweile der beständigste Profi zum Champions-League-Spiel im Sammer keine Halbtagsstelle der Sportchef von Heesen kühn, allen wichtigen Bereichen besser Hans-Peter Briegel wollen seit und Stammspieler. Nou Camp zu bringen. angenommen hätte, nutzte die er selbst werde die Mannschaft war als Leverkusen, sah Völler dem Abgang von René C. Jäggi Krise als Chance zum erfolg- auf dem Erfolgsweg weiterführen. „keinen großen Unterschied“ zum vor allem eins: „dem Verein 5 Fanzufriedenheit: Nachdem 5 Fanzufriedenheit: Es wurde reichen sportlichen Neuaufbau. Es dauerte bis zum Herbst, Gegner. Es fehle Bayer einfach helfen“. Ob tatsächlich alle sich der Ärger der Fans im bedauert, dass die Besuche der Er hat noch viel mehr Zeit verdient. ehe sich erwies: Er hat Recht. nur „ein Lauf“. altruistische Motive haben? Vormonat direkt gegen die Profis bei den Weihnachtsfeiern königsblauen Kicker gerichtet der Fanklubs aufgrund des 5 Fanzufriedenheit: Nix mehr 5 Fanzufriedenheit: Im Internet- 5 Fanzufriedenheit: Die Fans 5 Fanzufriedenheit: hatte, scheint die S04-Seele mit dicht gedrängten Terminkalenders mit „Die sind doch satt!“- oder forum diskutieren die Fans würdigen, dass die Mannschaft „Zufriedenheit“ ist bei den den zunehmenden Erfolgen ausfallen. Andere wiederum „Scheiß Millionäre“-Gebrüll. In der selbstkritisch über ihr schmales inzwischen nicht mehr ganz Lauterer Anhängern seit Kadlec einverstanden. Klares Indiz: fanden es nicht so schlimm: schwarz-gelben Welt herrscht Gesangsrepertoire, ein User hat so lethargisch auftritt wie zum 008.12.2005 20:54:51 Uhr

8 ebenso ein Fremdwort, wie Der vollständige Wechsel von Viele Profis hätten dazu in der eine Aufbruchstimmung, wie die die Erklärung: „Wir lassen uns Saisonstart. In schweren . 1

2 die „Nanebevstoupeni“. Das ist Schmähgesängen zurück zu Vergangenheit eh keine Lust Groß koalitionäre in Berlin sie die Chants schließlich nicht von Zeiten gibt man sich halt mit . 2

0 tschechisch, und bedeutet Anfeuerungsrufen während einer gehabt und sich entsprechend gerne hätten: „Du bist Borussia.“ Ralph Siegel komponieren.“ wenig zufrieden. 0 5

Himmelfahrt. TOBIAS SCHÄCHTER Partie. JÖRG STROHSCHEIN verhalten. SVEN BREMER OLAF SUNDERMEYER ULI HARTMANN CHRISTIANE MITATSELIS

2 0 : 5 4 : 5 1

U h r rrund0106_40_43_Lage_Der_Liga 43 u n d 0 1 0 6 _ 4 0 _ 4 3 _ L a g e _ D e r _ L i g a

4 3

1. FC NÜRNBERG HAMBURGER SV VFL WOLFSBURG EINTRACHT FRANKFURT 1. FC KÖLN HERTHA BSC BERLIN

1 Zitat des Monats: „Wir lieben 1 Zitat des Monats: „Wir wollen 1 Zitat des Monats „Hast Du 1 Zitat des Monats: „Wir sind 1 Zitat des Monats: „Man kann 1 Zitat des Monats: „Wir müssen uns doch alle!“ Dank Neu-Trainer in fünf Jahren unter die Top 20 gesehen, wie Stefan Schnoor zu blöd. Für diese Dummheit wirst hier nicht führen wie in Bielefeld. uns wohl daran gewöhnen, dass Hans Meyer ließe sich an dieser Europas.“ , gerade zum Kopfball hochgestie- du immer bestraft.“ Francisco Hier sind ständig lauter Kameras in Berlin die Stimmung immer Stelle auch ein 100-Zeiler jeder- der Vorstandsvorsitzende des gen ist?“– Denkpause – „Wie eine Copado, ziemlich selbstkritisch. beim Training. Wenn man einem eher kritisch ist.“ Trainer Falko zeit problemlos füllen, zur Vor- HSV, sorgte bei der Mitglieder- Tarantel!“ – zweite Denkpause – Im Grunde meinte er sich selbst : Spieler sagt: ‚Komm, jetzt beweg Götz ist endgültig in der Realität weihnachtszeit passt dieses aber versammlung für glückliche „Nämlich gar nicht.“ Monolog eines Denn er war es, der beim Spiel dich!’, dann wird damit eine der Hauptstadt angekommen. wohl am besten. Schon Minuten Gesichter. Seine Ziele und VfL-Ordners auf der Tribüne gegen den FSV Mainz 05 die ganze Seite in der Zeitung gefüllt.“ später gingen sich zwei Club- der Erfolg der Mannschaft ließen allergrößten Chancen zum Sieg über seine wohl 2 Dieser Spieler fehlt: Der Mann Profis beim Üben an die Wäsche. 20 Millionen Euro bilanzielle 2 Dieser Spieler fehlt: Im versemmelte. wichtigste Lektion der Hinrunde. mit dem großen Geldkoffer. Unterdeckung vergessen. speziellen Martin Petrov. Im In Berlin findet sich derzeit die 2 Dieser Spieler fehlt: Zur allgemeinen neben Andres 2 Dieser Spieler fehlt: 2 Dieser Spieler fehlt: Immer ganz große Koalition zusammen. Abwechslung mal Marek Mintal. 2 Dieser Spieler fehlt: Bald wohl D’Alessandro noch jemand, der Patrick Ochs. Außenverteidiger noch fehlen ein umsichtiger Gemeinsames Thema: Hilfe, Doch die Rückkehr des lange Naohiro Takahara. Der nimmer- in der Offensive Zweikämpfe mit Mut zu Sturm und Drang, Ruhepol im Mittelfeld und ein in meiner Kasse ist plötzlich kein verletzten Torjägers ist absehbar. müde, nie gefährliche japanische gewinnt und damit die Windmacher über rechts, Feuer- Außenspieler für die Viererkette. Geld mehr. Bei seinem ersten Training ver- Stürmer soll im Winter verkauft Grund voraussetzung für eine kopf. Hielt beim Pressschlag zart Im Winter soll nachgebessert zückte er nicht nur drei frierende werden. An die netten japanischen Dynami sierung des darnieder nur die linke Innenseite hin. Dabei werden. Nicht käuflich ist aber, 3 Durchbruch steht bevor: Zuschauer gleich mit einem Treffer Kollegen auf der Pressetribüne liegenden Angriffsspiels herstellt. weiß doch jeder ABC-Torschütze: was wirklich fehlt: ein richtig Winterdepression. Wenn die durch einen raffinierten Schlenzer. hatte man sich langsam gewöhnt. Wer zurückzieht, verliert. Die langer erfolgreicher Lauf. Berliner Presse noch weiter 3 Durchbruch steht bevor: Folge: Ein Innenbandriss im Knie. vorrangig über die Finanzmisere 3 Durchbruch steht bevor: Am 3 Durchbruch steht bevor: Manager . Er kam 3 Durchbruch steht bevor: Ein von Hertha BSC schreibt, können ehesten Ivan Saenkos. Der rasante Gegen vermeintlich schwache Anfang 2005 als erfolgs orientierter 3 Durchbruch steht bevor: Bei Grund für Podolskis dürftige die Verantwortlichen des Klubs Russe mit den Oberschenkeln Gegner im Uefa-Cup hat Thomas Ex-Bayern-Profi und wollte den Andree Wiedener. Im März wird Hinrunde sei das Fehlen eines ihre Hoffnungen auf gute Neu- eines Gewichthebers saß unter Doll schon einmal versucht, der VfL Wolfsburg so bald wie der Recke 36. Eigentlich kein passenden Sturmpartners, sagt zugänge für die Spielzeit 06/07 Wolfgang Wolf meist auf der Jugend eine Chance zu geben. möglich „in der Bundesligaspitze Alter, um noch was dazuzulernen. Rapolder. Nun ist Imre Szabics fit vorzeitig in die Ablage P stecken. Tribüne, bekam aber unter Meyer Und plötzlich klappte es gegen etablieren“. Heute reagiert er Das letzte Buch, das Wiedener in könnte gleich zwei Durchbrüche wieder eine Chance. Und traf Viking Stavanger auch mit gereizt auf Leute, die versuchen, der Hand hielt, beschäftigte sich auslösen: Poldis und den eigenen. 4 Mitarbeiter des Monats: Auf- prompt beim 3:1 in Kaiserslautern. Alexander Laas, Charles Takyi und das Wort Mittelmaß negativ zu mit Fußballtheorie, speziell mit sichtsratschef Rupert Scholz. Seit Mustafa Kucukovic. Die drei definieren. moderner Verteidigung. Bei 4 Mitarbeiter des Monats: den ersten Meldungen über die 4 Mitarbeiter des Monats: könnten zusammen mit Markus 90 Prozent der Mannschaften sei Spieler berater Norbert Pflippen Finanzmaläse des Vereins geriert Zweifelsfrei die sportliche Leitung. Karl die Zukunft des HSV sein. 4 Mitarbeiter des Monats: Lieber die rechte Seite die stärkere, weiß tönte in der „Welt am Sonntag“: er sich wortreich als Verteidigungs- Während Manager Martin Bader Jürgen Klinsmann, lieber Joachim Wiedener. Er ist linker Verteidiger. „Poldi verdient so viel wie Bayerns minister der Hertha. Wer mal als mit der überraschenden 4 Mitarbeiter des Monats: Löw, falls Sie Jens Lehmann Zum Einsatz wird er aber kommen Busfahrer.“ Der ist eine Frau und solcher unter Helmut Kohl gedient Verpflichtung von Meyer auch ein Sascha Kirschstein macht dem (Offensivtorwart), Oliver Kahn (siehe unter 2): auf rechts. verriet ihr Gehalt: 3500 Euro hat, den kann in Sachen Kassen- persönlicher Befreiungsschlag verletzten Stefan Wächter im (Defensivtorwart) und Deutsch- brutto. Schöner als Frau König hat lage aber auch wirklich nicht mehr gelungen ist, mischt der Trainer Hamburger Tor Konkurrenz. land noch ein bisschen mehr 4 Mitarbeiter des Monats: noch niemand entlarvt, wie viel viel erschüttern. mit flotten Sprüchen und Schon beim ersten Einsatz in rotieren lassen möchten: Simon Benjamin Huggel. Seit seinem Tritt Unfug Lukas Podolskis Umfeld seiner Vorliebe für drei Stürmer der Bundesliga überzeugte der Jentzsch kann offensiv und gegen den türkischen Cotrainer erzählt. So wird man Mitarbeiterin 5 Fanzufriedenheit: Der übliche den Club mächtig auf. ehemalige Essener durch Ruhe defensiv. Der Mann ist seit einiger gehören die Schlagzeilen ihm. des Monats in München Mix aus: „Die da oben schmeißen und Selbstvertrauen. Zeit eine echte Nummer eins. Mit Tritten wider den Ball hat der das Geld aus dem Fenster, aber 5 Fanzufriedenheit: Nach einem Schweizer das bisher noch nie 5 Fanzufriedenheit: Kuschelig sind nicht in der Lage, anständige bislang furchtbaren Jahr fast 5 Fanzufriedenheit: In Monaco 5 Fanzufriedenheit: Die geschafft. ist der Tabellenplatz nicht, auf Spieler für die ganze Kohle zu nicht mehr messbar. Vor allem das hörte man sie laut und deutlich, sie eindeutige Nummer eins dem die FC-Fans überwintern. holen. Der Hoeneß muss weg. Der Frankenstadion hat sich längst feierten in Dortmund, Leverkusen der Fangesangcharts in der 5 Fanzufriedenheit: Sportlich: Den Gedanken an die Rückrunde Marcelinho hat keine Lust mehr, zu einem Selbstbedienungsladen und Gladbach, gegen Duisburg Vorweihnachts zeit: „Wir ham die beide Daumen hoch. Polizei- begleitet daher ein Frösteln. Die das sieht doch ein Blinder. Wofür 008.12.2005 20:54:54 Uhr

8 für Gästemannschaften war das Stadion fast ausverkauft, Schnauze voll.“ Auf dem zweiten taktisch: beide Daumen runter. mittlerweile weit verbreitete Über- bezahlen sie dem Bastürk . 1

2 entwickelt, woraufhin viele Fans gegen Köln dann vollends. Es Platz: „Erik Gerets, du bist der Kuttenträger und Ultras fühlen zeugung, dass Mannschaft und eigentlich das viele Geld? Der . 2

0 fernblieben. Der Club hat war seit 1983 nie schöner beste Mann.“ Und Dritter wird: sich schikaniert, drangsaliert Klubführung gut arbeiten, wärmt einzige, der noch was tut, ist 0 5

beim Anhang viel Kredit verspielt. zwischen dem HSV und seinen „Und ihr wollt in die Champions und unfair behandelt. das Herz aber doch ein wenig. Zecke.“ Siehe dazu auch Zitat des

2

0 WOLFGANG LAASS Fans. FRANK HEIKE League …“ PETER UNFRIED THOMAS KILCHENSTEIN DANIEL THEWELEIT Monats. PETER AHRENS : 5 4 : 5 4

RUND U 43 h r RUND Gleiche Höhe

GLEICHE HÖHE Gleiche Höhe ist kein Abseits. Man ist weiter im Spiel. Auf Augenhöhe mit den Stars: „Ich mache keine populistischen Dinge, um zu

zeigen, dass ich den bösen Mann spielen kann“ THOMAS VON HEESEN

46 DER TRAINER SPRICHT „Ich bin kein Einzelgänger“ – Thomas von Heesen über seinen Erfolg in Bielefeld 52 HEIMSPIEL Warten auf das Schlossgespenst – Kasey Keller wohnt so feudal wie kein anderer Profi 54 ELFENBEINE Genie oder Sklavenhändler – der KSK Beveren hat 18 Profis von der Elfenbeinküste 62 EISENFÜSSE Freiheit für die Unfreien – der Innenverteidiger muss ein gut ausgebildeter Kreativspieler sein

RUND 45

rrund_44_45_Vorschalt_Gleiche_Hoeheund_44_45_Vorschalt_Gleiche_Hoehe 4545 006.12.20056.12.2005 11:50:1811:50:18 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Trainer spricht

Almpanorama: Thomas von Heesen in der Geschäftsstellenküche des DSC Arminia Bielefeld

RUND 46

rrund0106_46_51_vonund0106_46_51_von HeesenHeesen 4646 007.12.20057.12.2005 17:41:2917:41:29 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Trainer spricht

groß, da steht er schnell in der Kritik. Bei uns „ICH BIN KEIN EINZELGÄNGER“ kann man sich in Ruhe wieder aufbauen. Nach welchen Kriterien puzzeln Sie Ihre Seine Verbundenheit mit Hamburg zeigt THOMAS VON HEESEN Mannschaft zusammen? heute noch. In seinem Mercedes läuft stets das Radioprogramm Wir haben sehr selten Stars eingekauft. Wir brauchen Spieler, die charakterlich ins Kon- des Norddeutschen Rundfunks, obwohl lokale Sender viel besser zu zept passen. Wir können niemanden gebrau- empfangen wären. In Hamburg wurde von Heesen entscheidend chen, der nicht bereit ist, ans Limit zu gehen. geprägt, heute praktiziert der 44-jährige Cheftrainer von Arminia Auf der anderen Seite müssen die Spieler die Qualitäten für unser Offensivspiel haben. Da Bielefeld vieles so, wie es sein Ziehvater ihn gelehrt hat wir in der Liga zu 70 Prozent nicht das Spiel INTERVIEW MATTHIAS GREULICH UND RAINER SCHÄFER, FOTOS GIANNI OCCHIPINTI machen werden, brauchen wir Spieler, die schnell, technisch gut und konterstark sind. Wie Sibusiso Zuma. Wie finden Sie solche Spieler? Wir haben kein Geld für ein großes Scouting- Herr von Heesen, Ihr Team überrascht nach wort auf das hat, was die andere Mannschaft system. Wir haben eigentlich gar nichts. Des- schlechtem Start wieder die Bundesliga. Das macht. Umgekehrt müssen wir dem Gegner halb sind wir auf unser persönliches Netz- hatten der Arminia die wenigsten zugetraut. immer etwas anbieten, worauf er wieder rea- werk angewiesen. und ich, THOMAS VON HEESEN: Die Situation gieren muss. Vielleicht sind das genau die Mi- wir schauen uns ziemlich viele Spiele an. Wir nach der Trennung von Uwe Rapolder war nuten, in denen der Gegner ins Nachdenken sind darauf angewiesen, für wenig Geld gute nicht einfach. Im Sommer gab es hier riesi- kommt und wir das Spiel entscheiden kön- Qualität zu bekommen. Patrick Owomoyela ge Diskussionen, und ich habe auch darüber nen. Das sind strategische Dinge, die ich im hat uns nicht so überzeugt, als wir ihn beobach- nachgedacht, ob es für mich eine Alternative Kopf habe, die in der Praxis aber unheimlich tet haben. Wir haben trotzdem an ihn geglaubt gibt. Ich habe gemerkt, dass ich mich in der schwer umzusetzen sind. und ihn verpfl ichtet, für weniger als 100.000 sportlichen Diskussion innerhalb des Vereins Wie gegen Bayern München. Ihr Team spielt Euro, obwohl es hier hieß: So viel Geld für ei- aufreibe. Deswegen bin ich dankbar, dass taktisch perfekt und verliert am Ende doch. nen Drittligaspieler, muss das denn sein? Manager Reinhard Saftig mich entlastet. Das ärgert mich kolossal, auch wenn es Sie scheinen das psychologische Geschick zu Wie lange hat die gedankliche Umstellung nach außen nicht so wirkt. Das war eine tol- haben, Ihre Spieler mit einer leisen Ansprache vom Sportdirektor zum Trainer gedauert? le Vorstellung von uns, wir waren gleichwer- zu motivieren. Ich habe vielleicht einen Tag gebraucht, um tig. Aber Bayern ist in der Lage, solche Spiele Ich bin authentisch. Ich mache keine popu- mich in meine Rolle als Trainer hineinzuden- durch individuelle Klasse zu entscheiden. listischen Dinge, um öffentlich zu demonstrie- ken. Ich habe gemeinsam mit meinem Co- Sie machen jedes Jahr Ihre besten Spieler ren, dass ich den bösen Buben spielen kann. trainer überlegt: Nach wel- zu Geld. Wie leben Sie mit einem Konzept, das Ich bin niemand, der permanent um die Bank chem Plan wollen wir die Mannschaft spielen Rückschritte einplanen muss? herumläuft, sondern ich schaue mir das Spiel lassen? Das umzusetzen, dauert vier, fünf Das ist das Los von Arminia Bielefeld. Es an. Ich bin eher analytisch. Aber es wird auch Monate. Deshalb war ich überhaupt nicht un- gibt nun mal Lizenzierungsauflagen. Wir mal lauter, wenn mir etwas wirklich missfällt. ruhig, als es anfangs etwas unrund lief. müssen ein Nachwuchsleistungszentrum Wann sind Sie zuletzt richtig laut geworden? Uwe Rapolder hat sich mit Vorträgen über nachweisen können. Dafür brauchen wir sehr Beim 0:3 in Frankfurt. Wenn einfache Din- Konzeptfußball weit aus dem Fenster gelehnt. viel Geld, das aus den Einnahmen aus dem ge falsch gemacht werden oder technische Ich habe eine bestimmte Auffassung vom Spielbetrieb kommt. Wir sind jedes Jahr ge- Fehler passieren, werde ich ganz unruhig. Da Fußball, die sich mit seiner Vorstellung fast zwungen, junge Spieler wie Matthias Lang- wird es zu meinem persönlichen Problem, deckt. Ich spreche aber lieber von der Orga- kamp oder Patrick Owomoyela zu entwickeln dass ich als Spieler auf einem hohen techni- nisation innerhalb eines Teams als über ein und zu verkaufen. Man muss etwas in Spie- schen Niveau gespielt habe. Ich muss mich System. Die Organisation innerhalb der ein- lertypen hineininterpretieren, die bei ande- zwingen, meine Spieler nicht zu überfordern, zelnen Mannschaftsteile muss ebenso stim- ren Vereinen überhaupt nicht gefragt sind. sie sind in der Entwicklung. Ich war mit 18 men wie die Verzahnung zwischen Abwehr, Die Verkannten und Gescheiterten erhalten auch nicht technisch perfekt. Mittelfeld und Angriff. in Bielefeld noch mal eine Chance. Sie haben als Spieler beim HSV beinahe Erklären Sie uns Ihre Vorstellung von Fußball. Wir holen Spieler, die sich woanders nicht aristokratisch gewirkt, ein ästhetischer Ich bin davon überzeugt, dass es wichtig ist, durchsetzen konnten, wie Delron Buckley. Fremdkörper unter harten Männern. Haben aus einer Grundkonzeption heraus fl exibel Wir haben ihm gesagt: Du bekommst jegli- Sie sich schwer getan? agieren zu können. Wir müssen auch den che Rückendeckung, wenn du bereit bist, Niemals, im Gegenteil. Ich fi nde diese Män- Schalter umlegen und ein anderes System dein Potenzial zu 100 Prozent abzurufen. In nerrituale klasse, ich habe das ab so lut genos- spielen können, so dass man immer eine Ant- Dortmund ist die Erwartungshaltung sehr sen. Mir war diese Welt nie rau genug.

RUND 47

rrund0106_46_51_vonund0106_46_51_von HeesenHeesen 4747 007.12.20057.12.2005 17:41:3517:41:35 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Trainer spricht

Beim HSV hießen Sie anfangs van Heesen, habt. Er hat eine spezielle Beziehung zu mir Trainingsanzug. Das war brutal. Happel hat- was ein wenig nach van Beethoven klang. aufgebaut. Wenn mir einmal der Ball im Trai- te mit Ristic einen super Cotrainer, der das Ich bin da nicht empfi ndlich. Man schreibt ning vom Fuß sprang, hat er abgepfi ffen und Praktische gemacht hat. Er hat oft nur auf mich teilweise immer noch falsch. mich laut kritisiert. dem Ball gesessen und sich alles angeschaut. Ist das „von“ ein echter Adelstitel? Haben Sie ihn manchmal gehasst? Er hat nur beobachtet und analysiert, wie er Wenn ich das wüsste. Da wurde viel Ahnen- Nein, nie. Happel hat oft antizyklisch ge- die Mannschaft am besten zusammenstellt. forschung betrieben, als ich beim HSV an- handelt und alle überrascht. Er hat mich mit Das Team von 1982/83 hat er dahin gebracht, fi ng. Meine Eltern fanden das ganz lustig. Ich 25 zum Kapitän gemacht, als noch Kaltz und dass es fast von selbst spielen konnte. Happel wurde aber auch oft für einen Belgier oder in der Mannschaft waren. Er konnte sich zurücklehnen und sagen: „Jungs, Holländer gehalten. meinte, dass sei eine Persönlichkeitsentwick- ihr wisst, was ihr spielen könnt, spielt’s.“ Wie sind denn die HSV-Trainer lung, die wichtig ist, um eine Mannschaft zu Sie schwärmen ja richtig von Ihrem Ziehvater. und Ernst Happel mit Ihnen umgegangen? führen, die international ambitioniert ist. Ich mag die holländische Fußballschule, Viel geredet hat Zebec mit mir nicht. Ich Wie Ihr Ziehvater Ernst Happel reden Sie Trainer wie Johan Cruyff, Gus Hiddink und war noch keine 18 und habe mich an Horst auch nicht viel mit der Presse? natürlich Ernst Happel, der mich fasziniert Hrubesch, und Ich möchte nicht omnipräsent in den Medi- hat. Er war auch Trainer der holländischen gehalten. Ich habe mich völlig untergeordnet. en sein. Wichtig ist mir, im Thema professio- Nationalmannschaft. Er hat schon beim HSV Branko Zebec hatte den Anspruch, dass ich nell mit Journalisten umzugehen. Ich kon- mit Raute im Mittelfeld gespielt und zwei Stür- jeden Tag Augen und Ohren offen halte, um zentriere mich lieber auf die Mannschaft. mern, Bastrup und Hrubesch. Mit einem zen- alles mitzukriegen, was passierte. Als Franz Beckenbauer DFB-Teamchef tralen Stürmer und einem, der sich um den Mussten Sie bei Ernst Happel auch ohne wurde, hat er sich Übungen von Happel zeigen herum bewegt. Wir spielen es ähnlich, mit direkte Kommunikation lernen? lassen, die „alle gut gewesen“ seien. Haben Sie Isaac Boakye und Zuma. Mich wundert es, Nein, er war mein Ziehvater. Ich kam von auch welche vom Großmeister übernommen? dass niemand bemerkt hat, dass Happel schon der Bundeswehr, Happel kannte mich über- Ernst Happel hat relativ hart trainieren las- vor 20 Jahren so spielen ließ. Wenn ich heute haupt nicht und sagte: „Mach mal mit hier.“ sen. Zebec sowieso. Im Sommer zweieinhalb Barcelona sehe, ist es genau das, was er ge- Ich habe dann gleich 20 Einsätze in Folge ge- Stunden bei 30 Grad mit Regenjacke und im liebt hat. Auf Ballbesitz zu spielen, damit der Gegner keine Chance hat, an den Ball zu kommen, und dann im richtigen Moment in die Spitze zu gehen, um zum Erfolg zu kom- men. In Barcelona würde ich gerne hospitie- ren. Dafür würde ich meinen Urlaub opfern. Menschen aus Ostwestfalen-Lippe wie Sie gelten als eigensinnig und konsequent. Ich sehe mich eher als Hanseat. Ich habe ein Drittel meines Lebens unter hanseati- schem Einfl uss gelebt. Hanseatisch heißt für mich, mittelfristig und zielorientiert zu den- ken und nicht gleich am eingeschlagenen Weg zu zweifeln und die Nerven zu verlieren. Dass man hoch motiviert an seinen Zielen ar- beitet und trotzdem nicht zu viel erzählt. Ihnen wird nachgesagt, dass Sie es verstehen, Ihren Kopf durchzusetzen. Darum geht es nicht. Ich habe eine klare Vorstellung davon, wie Erfolg machbar ist. Kompromisse sind meistens das, was zwei Sei- ten nicht wollen. Wenn man von einem Weg überzeugt ist, braucht man Glaubens- und Leidensgenossen, die derselben Ansicht sind. Ich bin kein Einzelgänger, sondern absolut für Teambuilding. Die Mannschaft kann nur über eine gemeinsame Idee Erfolg haben. Wer sich Hanseat aus Ostwestfalen: Thomas von Heesen rechts und links davon bewegt, wer glaubt, er müsse es auf Kosten der Mannschaft anders versuchen, der ist von heute auf morgen

RUND 48

rrund0106_46_51_vonund0106_46_51_von HeesenHeesen 4848 007.12.20057.12.2005 17:41:3617:41:36 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Trainer spricht

Immer ruhig auf der Bank: Thomas von Heesen zeigt kaum Emotionen am Spielfeldrand

RUND 49

rrund0106_46_51_vonund0106_46_51_von HeesenHeesen 4949 007.12.20057.12.2005 17:41:3817:41:38 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Trainer spricht

Was können Sie aus der Arminia machen? Aus wenig viel zu machen, das ist die hohe Kunst. Wir haben jedes Jahr dasselbe Ziel: die Erste Liga zu erhalten. Immer unter gleich schweren Voraussetzungen, die ändern sich nicht, es sei denn, die Mannschaft schafft es über mehrere Jahre oben zu bleiben, um die fi nanziellen Möglichkeiten zu verbessern. Ich sehe uns von den Möglichkeiten her in einer Linie mit Rostock, Freiburg oder Mainz. Taugt Arminia zum Kultklub? Vergessen Sie nicht, dass wir in Ostwestfa- len sind. In Bielefeld sind alle sehr fußballspe- zifi sch orientiert. Alle wissen genau, was hier gespielt werden muss. Unsere Fans haben ein feines Gespür für die Situation. In der Zwei- ten Liga gilt es, offensiv ausgerichtet zu sein, schnelles Spiel plus Pressing. In der Ersten Li- ga ist Cleverness und Disziplin im taktischen Bereich gefragt. Darüber hinaus gilt es, in je- Die Schule ist aus: Thomas von Heesen lernte bei Happel dem Spiel an die Grenzen zu gehen. Womit beschäftigen Sie sich privat? Mit Fußball. Dann schaue ich mir Videos raus. Gnadenlos. Da kommt dann der Ernst Arminia Bielefeld musste schon einige aus dem Ausland an und beschäftige mich Happel in mir durch: Er hat immer gesagt, Turbulenzen überstehen. In den 90er Jahren mit Trainingsmethodik: Wie kann man sich wenn ein fauler Apfel im Korb liegt, musst du wirkte es so, als ob der Klub wie ein als Team weiterentwickeln, wie kann man ihn sofort rausschmeißen. Sonst steckt er alle mittelständisches Autohaus geführt wird. Passwege noch verfeinern? Daran habe ich anderen an. Er meinte das im übertragenen Diese Zeiten sind vorbei. Aber ich habe hier richtig Spaß, weil es strategisches Denken er- Sinne. Wenn jemand dabei ist, der die Idee schon einige Kämpfe gehabt. Es ist doch im- fordert. Ich bin zwar kein Schachspieler, aber nicht lebt, wird er sich immer kritisch dage- mer dieselbe Debatte: Grundsätzlich geht es ich liebe Strategie im Fußball. gen äußern. Er wird dem einen oder anderen den Fußballern im Klub immer darum, das, Haben Sie denn noch Zeit für Ihre Mitspieler sagen, dass er nicht glaubt, dass was auf dem Rasen passiert, so erfolgreich 15.000 Schallplatten und CDs? das funktioniert. Vielleicht fängt er an zu grü- wie möglich zu gestalten. Wir haben sehr vie- Ich war schon solange nicht mehr im Keller, beln. Das überträgt sich im negativen Sinne. le konservativ denkende Menschen im Ver- ich habe keine Zeit dazu. Ich muss schmun- Ernst Happel ist seit 13 Jahren tot. Gelten ein, die versuchen, ihn auf solide fi nanzielle zeln, wenn ich CDs fi nde, die noch komplett diese Weisheiten denn noch immer? Füße zu stellen. Aber im sportlichen Bereich verpackt und doch schon drei, vier Jahre alt Ich orientiere mich auch außerhalb des Fuß- wollen wir uns möglichst hochwertig verstär- sind. Dann denke ich: Irgendwann werde ich balls, um einer gewissen Betriebsblindheit ken, um den Abstieg auf alle Fälle zu vermei- auch die einmal hören. vorzubeugen. Ich möchte nicht diesen Tun- den. Es ist immer die Frage, wie man diesen Sind das Sachen aus den 70ern? nelblick bekommen. Ich lasse mich gerne von Spagat hinbekommt. Früher habe ich sehr gerne Black Music ge- Menschen korrigieren, die mehr Erfahrung Von kurzen Unterbrechungen abgesehen, hört. R & B, auch Rockmusik wie Tom Petty. haben als ich und auch eine gewisse Weisheit, sind Sie seit 1994 in verschiedenen Positionen Haben Sie auch Vinyl? in allen Lebensbereichen. Ich gewinne dann bei der Arminia tätig. Es ist unüblich, dass Das ist lange vorbei. Ist ja auch mächtig Abstand, um den Weitblick zu behalten. man sich einem Klub mit Haut und Haaren teuer geworden. Früher hat eine LP, die heute Wo holen Sie sich Rat? verschreibt wie Sie. 17 Euro kostet, 11,95 Mark gekostet. Ich bin zwar 44 Jahre alt, doch bei Motiva- Das habe ich ja nicht gemacht. Als ich 1994 Eine Frage noch, die uns schon lange tionsfragen oder wie ich verschiedene Cha- kam, war nicht absehbar, dass ich so lange beschäftigt: Als Spieler hatten Sie raktere unter einen Hut bringe, lasse ich bleiben werde. Ich war immer ziemlich ver- so einen Wuschelkopf. War der echt oder mich von Leuten beraten, die schon mal ein einstreu, als Spieler, als Manager und Trai- ein Minipli? Team geführt haben. Ich kenne meine Spie- ner. Es geht nicht darum, dass ich jetzt über Nein, bitte, ehrlich. Diese Frage kann nicht ler in- und auswendig. Ich möchte sie immer zehn Jahre im Verein bin und noch zwanzig ernst gemeint sein. Es gab viele Spieler, die so motivieren können, dass sie bereit sind, Jahre bleiben will. Für mich zählt nur, ob ich damals die Haare ähnlich trugen. Glauben Sie sich ständig weiterzuentwickeln und für den die Entwicklung der Arminia mitgestalten mir eines: Im Laufe der Jahre werden die Haa- Erfolg durchs Feuer zu gehen. kann, damit der gewünschte Erfolg eintritt. re glatter.

RUND 50

rrund0106_46_51_vonund0106_46_51_von HeesenHeesen 5050 007.12.20057.12.2005 17:41:4517:41:45 UhrUhr GLEICHE HÖHE Der Trainer spricht

VIEL UNTERWEGS: Als Thomas von Heesen mit 19 Jahren in der Bundesliga seine Karriere beim Hamburger SV begann, fiel er anfangs durch seinen wilden Lockenkopf auf. Unter Trainer Ernst Happel entwickelte sich der gebürtige Ostwestfale dann zum Stammspieler und Mannschaftsführer. Der Mittelfeldspieler gewann 1983 den Europapokal der Landesmeister und wurde zweimal Deutscher Meister. Beim DSC Arminia Bielefeld war er seit 1994 Spieler, Manager und ist dort seit Ende der vergangenen Saison Cheftrainer

RUND 51

rrund0106_46_51_vonund0106_46_51_von HeesenHeesen 5151 007.12.20057.12.2005 17:41:4917:41:49 UhrUhr GLEICHE HÖHE Heimspiel

„Ist nicht Windsor Castle“: Keller und sein Schloss

RUND 52

rrund0106_52_53_Casey_Kellerund0106_52_53_Casey_Keller 5252 007.12.20057.12.2005 17:54:5417:54:54 UhrUhr GLEICHE HÖHE Heimspiel

WARTEN AUF DAS SCHLOSSGESPENST Wenn nicht im Tor von Borussia Mönchengladbach steht, wohnt er in einem Schloss Das ist ungewöhnlich genug, und für den Fußballer des Jahres der USA ist das Leben in einem 1000 Jahre alten Gemäuer eine ganz besondere Erfahrung AUFGEZEICHNET VON MALTE OBERSCHELP, FOTO MAREIKE FOECKING

Ich erinnere mich noch, wie ich die Kids ge- Ich bin auf einer Farm im Staat Washing- fragt habe: Hättet ihr Lust, in einem Schloss ton aufgewachsen. Hier die Kühe auf den zu wohnen? Unsere Zwillinge gehen in der Nä- Weiden zu sehen und mit den Nachbarn auf he des Düsseldorfer Flughafens zur Schule, ihrem Hof zu plaudern, fühlt sich fast wie zu dorthin fährt man eine halbe Stunde. In Lon- Hause an. Manchmal riecht es nicht beson- don konnten sie zur Schule laufen. Aber in ei- ders gut, aber das stört mich lange nicht so nem der Türme zu wohnen und über die Fel- sehr wie meine Frau. Unsere Familien kom- der schauen zu können, war ihnen die Fahrt men beide aus Deutschland. Der Mädchen- wert. Ich habe dann aber gleich gesagt, dass name meiner Frau ist Fischer. Mein Großvater sie nichts in den Burggraben wer fen dürfen. ist großartig. In London haben wir in einem wurde in einer Stadt geboren, die Germania, Meine Frau hat das Schloss im Internet viktorianischen Haus aus den 1880er Jahren Iowa hieß, mein Urgroßvater war nach Ame- gefunden. Da sieht man mal, wozu das World- gelebt, für amerikanische Verhältnisse war rika ausgewandert. Es gibt in den Staaten ei- WideWeb gut ist. Eigentlich wurde es nur für das schon alt. Jetzt gleich mehrere Schritte zu- ne große Tradition deutschstämmiger Bauern Events vermietet, Hochzeiten und ähnliches, rückzugehen und in einem Anwesen wohnen – genau wie meine Familie. In gewisser Wei- aber dann dachten die Eigentümer auch über zu können, das über 1000 Jahre alt ist – das se ist das natürlich paradox, hier zu wohnen: eine langfristige Vermietung nach. Natürlich ist eine Erfahrung, die man in Amerika nicht Die meisten europäischen Immigranten sind haben wir uns die Frage gestellt, ob das Ganze machen kann. Wir haben leider sehr wenig damals ja genau vor den Leuten gefl ohen, die nicht zu dekadent ist. Was das angeht, schießt Geschichte. In Amerika dreht sich alles im- in Schlössern wie diesem gelebt haben – dem der Swimmingpool im Keller den Vogel ab. mer nur um das Neue. Wenn etwas alt ist – Adel und den Königen. Wenn wir Besuchern das Schloss zeigen, fi n- okay, reiß es ab und fang neu an. Den vielen Ob wir hier schon einmal einem Geist be- den sie den jedes Mal total verrückt. Und wir amerikanischen Touristen in Europa geht es gegnet sind? Noch nicht. Vielleicht sind die sagen: Stimmt. Andererseits ist es ein kleines deshalb immer um die Schlösser und Kathe- Geister freundlich und haben gerne Gesell- Schloss. Das hier ist nicht Windsor Castle dralen. Es gibt sogar Schlösser, die nach Ame- schaft. Wir warten immer noch darauf, dass oder Neuschwanstein. rika importiert worden sind. Jemand hat sie ein paar Erscheinungen über den Burggraben in Europa gekauft und Stein für Stein über geschwebt kommen. Das wäre ziemlich cool. „IN AMERIKA DREHT SICH den Atlantik gebracht. Wir sitzen dann auf der Terrasse und sehen ALLES UMS NEUE. WIR HABEN Einen Haken hatte die Sache allerdings: Als den Geistern beim Spielen zu. SEHR WENIG GESCHICHTE“ wir eingezogen sind, waren noch fünf oder sechs Hochzeiten geplant. Ein paar Mal muss- Es sieht nicht aus, wie man sich ein Schloss ten wir deswegen für einen Tag die Möbel vorstellt, mit Butler, 13 Schlafzimmern und wegräumen, zum Glück schliefen wir aber goldenen Wasserhähnen. Außerdem war ich nur eine Nacht im Hotel. Es ist schön, dass es schon immer der Ansicht, dass es bei meiner vorbei ist. Wir können unsere Bilder aufhän- Karriere in Europa um Erfahrungen geht. Des- gen und uns richtig zu Hause fühlen. halb bin ich damals aus der Premier League My home is my castle – das Sprichwort hö- nach Spanien gegangen, und deshalb bin ich re ich oft. Ich antworte dann immer mit ei- auch nach Deutschland gekommen, als sich nem anderen: It’s good to be king. Man ge- die Gelegenheit bot. Man muss die Chancen wöhnt sich daran, in einem Schloss aufzuwa- nutzen, wenn man sie bekommt. Daher ha- chen, sobald man einmal drin wohnt. Für ben wir gedacht: Was soll’s? Lass uns Spaß uns ist das einfach der Ort, an dem wir leben. haben, solange wir hier wohnen. Darum geht Es gibt außerdem immer etwas zu tun. Ich es am Ende doch. verbringe viele Stunden im Garten, dabei Als wir aufwuchsen, da bestand Europa für kann ich richtig abschalten. Nicht, dass mir uns aus Rittern, Königen und Kreuzzügen. Videospiele nicht gefallen, aber oft ist mir „Good to be king“: Kasey Keller Hier ein Stück davon nachfühlen zu können einfach nach richtiger Arbeit.

RUND 53

rrund0106_52_53_Casey_Kellerund0106_52_53_Casey_Keller 5353 007.12.20057.12.2005 17:55:0317:55:03 UhrUhr GLEICHE HÖHE Elfenbeine

GENIE ODER SKLAVENHÄNDLER Der belgische Erstligist KSK BEVEREN gilt als größtes Symbol der Globalisierung im Fußball, denn er hat viel mehr Profi s von der Elfenbeinküste im Kader als Belgier. Das stellt den Alltagsrassismus in der fl ämischen Provinz auf eine harte Probe. Doch in Beveren selbst sehen sie das Projekt viel komplexer, als es auf den ersten Blick scheint VON JOACHIM BARBIER, FOTOS EDWARD BEIERLE

RUND 54

rrund0106_54_59_R_Belgienund0106_54_59_R_Belgien 5454 007.12.20057.12.2005 18:01:2418:01:24 UhrUhr GLEICHE HÖHE Elfenbeine

Gerade volljährig: Stürmer Gervinho

Backsteinkulisse: Beveren hat bestenfalls rauen Charme

Der Bahnhof von Beveren ist ein kleines Backsteinhaus im Nirgend- Einige Meter weiter weist Christoph Van Vosselen, 20 Jahre und Stu- wo. Flämische Westernkulisse. Am Tresen des verrauchten Cafés auf dent in Antwerpen, auf die Kluft zwischen den Generationen hin: der anderen Straßenseite lacht Jan, ein augenscheinlich fröhlicher „Klar, die alten Fans wünschen sich mehr belgische Spieler im Team.“ Mittvierziger, laut auf: „Natürlich bin ich KSK-Fan, ich habe über- Diese Frage nach der Identität wird von Vincent Dufour, dem franzö- haupt kein Problem mit den Schwarzen. Zumindest wenn sie gewin- sischen KSK-Trainer, mit einer knappen Geste hinweggewischt: „Die nen.“ Willkommen in Beveren. In den letzten Jahren sind dieses Identität eines Vereins bestimmt die Art, wie die Mannschaft spielt. 45.000-Einwohner-Örtchen und sein Fußballverein zu einem Symbol Der Pass der Spieler ist mir Wurscht, ich nehme einfach die besten. für die sterbende Identifi kation zwischen einem Klub und seiner Stadt Selbst wenn uns das keiner glaubt: Bei gleicher Qualifi kation würde ich geworden. Obwohl in den großen Mannschaften der europäischen einen Belgier nehmen.“ Christoph Van Vosselen pfl ichtet ihm bei: „Für Ligen schon seit langem babylonisches Sprachengewirr herrscht, hat mich persönlich sind die Präsenz der ivorischen Spieler und ihre Art der KSK Beveren dafür, dass er diese Entwicklung bis an die Grenzen zu spielen eher ein Grund, stolz zu sein. Ich bin nur enttäuscht, dass getrieben hat, sehr viel Kritik einstecken müssen. Der belgische Erst- wir trotz der Spielqualitäten in der Tabelle so weit unten stehen.“ ligist hat heute 18 Spieler von der Elfenbeinküste in seinem Team. Und wie ein Fan sagt: „Wir sind das Gespött ganz Belgiens.“ „WIR SIND DAS GESPÖTT GANZ BELGIENS“ In strömendem Regen und unter tristgrauem Himmel nehmen ei- nige Ehemalige das Training des KSK unter die Lupe. Unter ihnen ist Am nächsten Tag steigt Nico, eines der ersten Mitglieder der „Bever- Louis Pfaff, Bruder des ehemaligen Bayern-Torhüters Jean-Marie. Er Boys“, des wichtigsten der acht Fanklubs des Vereins, in den Bus zur trauert den Zeiten nach, als der KSK „eine Familie war, in der sich Auswärtsfahrt nach La Louvière. Begleitet von einer kleinen und bunt jeder kannte“. Übersetzt: „Den Zeiten, in denen mein Bruder mit sei- zusammengewürfelten Gruppe von Männern und Frauen aller Alters- nem Talent das Tor dieser Mannschaft hütete“. Louis reibt den Dau- klassen, fährt er zu einem Spiel, das nach Kampf um den Klassener- men am Zeigefi nger, um anzudeuten, dass seither das Geld alles per- halt in der Jupiler League riecht. Für einige der Beveren-Fans ist die vertiert hat. „Die Spieler früher waren Amateure, sie kamen alle aus Reise in den französischsprachigen Teil Belgiens wie eine Trip hinter der Region um Beveren, nach der Arbeit kamen sie zum Training.“ die Grenzen der Zivilisation. „Wallonien ist scheiße und schmutzig“, Und leicht boshaft fügt er hinzu: „Heute gibt es hier viele Schwarze.“ regt sich einer von ihnen auf. Nach einigen Kilometern und vielen

RUND 55

rrund0106_54_59_R_Belgienund0106_54_59_R_Belgien 5555 007.12.20057.12.2005 18:01:3118:01:31 UhrUhr GLEICHE HÖHE Elfenbeine

Drei der 18 Nicht-Belgier: Mahamadou Dissa, Jonathan Joseph-Augustin, Herman Beugre Ahiba (von links)

Genie oder Menschenhändler: Jean-Marc Guillou polarisiert

hinuntergestürzten Bieren ertönt ein Witz im Gang des Busses: „Wisst nem Dorf ganz in der Nähe von Beveren. Für die Fans ist er nicht bloß ihr eigentlich, warum es nicht mehr belgische Spieler in Beveren gibt? Belgier, sondern auch Flame, einer von ihnen, der wegen der Profi tgier Wenn sie die Jungs von der Elfenbeinküste unter der Dusche sehen, der zynischen Verantwortlichen zu Unrecht auf die Ersatzbank ver- fl üchten sie sofort im Laufschritt.“ Nach einer knappen Stunde Fahrt bannt wurde. „Warum spielt er nicht? Weil er nicht schwarz ist“, be- kommt der Bus in La Louvière an. stätigt Nico. „Guillou ist reich, aber unser Verein ist letztlich arm.“ Das Stadion mit seinen 5000 Plätzen sieht aus, als hätte es die Kom- Die KSK-Spieler von der Elfenbeinküste sind alle den gleichen Weg mune für den Schulsport errichtet. Beim Anstoß ist es zu drei Vierteln gegangen: Sie wurden an der MimosSifcom-Akademie unter Leitung gefüllt. Beveren kontrolliert anfangs Ball und Spiel, zeigt viel Talent von Jean-Marc Guillou ausgebildet. Guillou, in den 70er Jahren fran- und Stil, hat aber Probleme, sich Torchancen zu erspielen. Die 150 KSK- zösischer Nationalspieler, gründete Anfang der 90er Jahre eine Fuß- Fans feuern ihre Mannschaft kaum an. Vielmehr scheinen sie schwei- ballschule in Abidjan. Monatelang ging er mit einem Ziel auf die Suche gend eine Sitzung kollektiver Selbstgeißelung zu durchleiden und wir- nach Talenten, die auf den Brachfl ächen der Stadt bolzten: Jugendliche ken resigniert. Seit Saisonbeginn spielt der KSK sehr gut, gewinnt aber reifen zu lassen, um aus ihnen die beste Mannschaft Afrikas zu ma- nicht. Während der gesamten zweiten Halbzeit speien die Fans ihre chen. Dafür übertrug er seine Strukturen auf den ASEC Abidjan und Ablehnung dieser „technisch guten, aber ineffi zienten“ Mannschaft erreichte sein Ziel, obwohl ihn alle für größenwahnsinnig gehalten von Afrikanern aus, die von Franzosen geleitet wird, „die an nichts hatten: 1999 holte der ASEC mit zehn Spielern aus der Fußball akademie anderes denken, als mit dem KSK Geld zu machen“. den afrikanischen Super Cup gegen Espérance Tunis. Die ältesten un- ter ihnen waren kaum 18 Jahre alt. Am nächsten Tag schrieb die Pres- IN BEVEREN SPIELEN DIE BRASILIANER AFRIKAS se des Kontinents verzückt von der Virtuosität und Flüssigkeit des Spiels dieser „Brasilianer von der Elfenbeinküste“, und die Tunesier „Für die Spielervermittler sind die Spiele von Beveren ein Einkaufs- nannten es einen Skandal, dass man sie gezwungen hatte, „gegen Kin- bummel“, scherzt Nico. Wie bei jeder Niederlage wenden sie sich mit der“ zu spielen. Guillou hatte die erste Runde gewonnen. wüsten Gesten singend an die Verantwortlichen: „Larry, Larry, Larry Es wurde Zeit, die zweite Etappe seines Projekts in Angriff zu neh- Ho!“ Larry ist der Spitzname von Kristof Lardenoit, einem der drei men: einen europäischen Verein zu fi nden, der den Spielern seiner belgischen Spieler bei Beveren. Der junge Verteidiger stammt aus ei- Akademie weitere Fortschritte ermöglicht. 2001 brachte er, vor allem

RUND 56

rrund0106_54_59_R_Belgienund0106_54_59_R_Belgien 5656 007.12.20057.12.2005 18:01:3418:01:34 UhrUhr GLEICHE HÖHE Elfenbeine

Keine großen Sprünge: Moussa Sanogo kann am 0:2 in La Louvière nichts ändern

dank der Mithilfe seines langjährigen Freundes Arsène Wenger, die te dessen Handel mit jungen afrikanischen Spielern. „Es gibt kaum für die Übernahme der Schulden des KSK Beveren in Höhe von 3,9 noch derartige Anschuldigungen“, stellt Guillou fest und fügt philoso- Millionen Euro notwendige Summe auf. Seitdem sind etwa 30 an den phisch hinzu: „Ich habe den Eindruck, dass die Leute mittlerweile das Ufern der Lagune von Abidjan ausgebildete Spieler gekommen. Die Wesen meines Projekts verstanden haben.“ Der französische Pragma- besten sind in attraktivere Ligen weitergewandert, auf der Suche nach tiker verteidigt seine langfristige Spielplanung, in der alles aufeinan- Ruhm, Reichtum und Triumphen. Eine Logik, die Guillou niemals der aufbaut und auf einer simplen Idee basiert: „Um Spiele zu gewin- verhehlt hat und die eine breite Angriffsfl äche für Kritik bietet. Jean- nen, muss man erst einmal lernen, gut zu spielen.“ Marie Dedecker, ein belgischer Senator, der sich dem Kampf gegen Die Diskussionen über 4-4-2 oder 4-3-3 langweilen Guillou: „Wir sämtliche Formen der modernen Sklaverei verschrieben hat, verglich haben kein festgelegtes taktisches System. Ein System, das ist eben den Franzosen einmal mit einem „Sklavenhändler“ und stigmatisier- systematisch. Und alles, was systematisch ist, ist Mist.“ Diejenigen,

RUND 57

rrund0106_54_59_R_Belgienund0106_54_59_R_Belgien 5757 007.12.20057.12.2005 18:01:3918:01:39 UhrUhr GLEICHE HÖHE Elfenbeine

Flämisch-ivorische Familie: Moussa Sanogo, Carolien und Tochter Allyah

Unauffällig: Moussa Sanogo vor dem Wohnblock, in dem einige Profis wohnen

die wie Dirk Dobbeleir, der Pressesprecher des Klubs, mit ihm in Ver- sehen in dem Verein ein Symbol, wie die Identität ihres Flanderns bindung stehen, machen keinen Hehl aus ihrer Bewunderung: „Ein unter dem Einfl uss von Globalisierung und der Einwanderung von Genie? Ich weiß nicht. Aber ganz sicher ein Fußballgenie, ein Wegbe- außerhalb der EU zerfällt. reiter.“ Vincent Dufour, der Trainer, stimmt dem zu: „Er hat sieben Vor Ort wird der Diskurs differenzierter geführt: „Diese Art des Spieler der Nationalmannschaft der Elfenbeinküste ausgebildet, die politischen Kalküls ist nicht die meine“, wehrt Bruno Stevenheydens, sich gerade erstmals für die Weltmeisterschaft qualifi ziert hat.“ Im der Vorsitzende der Partei in Beveren, ab. Der 37-jährige Junggeselle gleichen Brustton der Überzeugung, den man häufi g von Guillou hört, mit einer Vorliebe für Segeln, Reisen und Geschichte würde sich ein- meint der Trainer: „Mit zehn Spielern der Akademie plus Drogba hat fach nur „ein wenig mehr Gleichgewicht zwischen den belgischen und diese Mannschaft das Potenzial, in Deutschland den Titel zu holen. den ausländischen Spielern wünschen“. Er habe nichts gegen all diese Das weiß bloß keiner.“ Spieler von der Elfenbeinküste, wobei er jedoch annehme, dass „Jean- Marc Guillou andere Prioritäten setzt“. Einige Minuten später bedau- FÜR DIE RECHTEN IST DER KSK EIN GLÜCKSFALL ert er: „Dieser Verein ist fl ämisch, das Stadion steht in Flandern, die Fans sind Flamen, da sollten die Leute, die den Verein leiten, die Spra- Trotz der Rettung ihres Klubs werfen die KSK-Fans Guillou alles che dieses Landes sprechen.“ – „Es ist ein französischer Klub gewor- erdenklich Schlechte vor, insbesondere, die Identität des 1934 gegrün- den“, beklagt ein Fan. „Wir können uns mit den Spielern oder dem deten fl ämischen Vereins zu verkaufen. Ein Gefühl, das eine besonde- Stab nicht mehr unterhalten.“ re Resonanz auf politischem Feld erfährt. Seit Ende der 80er Jahre Jan bezeichnet sich als ein gutes, aktives Mitglied der Partei, die erlebt Belgien den Aufstieg des Vlaams Blok, einer fremdenfeindli- inzwischen Vlaams Belang heißt. „Ich bin kein Faschist, ich bin kein chen und reaktionären Partei, die den traditionellen politischen La- Rassist, ich habe keinerlei Probleme mit der Hautfarbe der Leute. Ich gern kontinuierlich Wähler wegnimmt. Für sie ist der KSK Beveren habe nur ein Problem mit dem Islam.“ Trotz dieser Präzisierung gibt ein Glücksfall, insbesondere auf nationaler Ebene. Die Parteiführer er die Belästigungen wieder, denen sich die anständigen Bürger von

RUND 58

rrund0106_54_59_R_Belgienund0106_54_59_R_Belgien 5858 007.12.20057.12.2005 18:01:4618:01:46 UhrUhr GLEICHE HÖHE Elfenbeine

Fremdenfeindlich und reaktionär: der Vlaams Belang hat Zulauf in Flandern

Franzose in Belgien: KSK-Trainer Dufour

Künstlername Gervinho: Angreifer Kouassi Gervais Yao

Beveren Tag für Tag ausgesetzt sehen. „Die Jungs von der Elfenbein- fl ämischen Fest eine Einheimische kennen gelernt: Carolien. Anfangs küste nehmen viele Mädchen mit zu sich nach Hause, sie feiern stän- hat ihre Großmutter versucht, ihr klar zu machen, dass „dieser Schwar- dig. Die Nachbarn beschweren sich über den Lärm.“ Die Hälfte der ze ein Problem sei“, doch Carolien hat nicht auf sie gehört und schwört Spieler von der Elfenbeinküste beim KSK Beveren wohnt in einer mo- heute, „dass ihn die gesamte Familie akzeptiert hat“. Im Stadion hält dernen, seelenlosen, bürgerlichen Wohnanlage. Wenn sie nicht trai- sie sich die Ohren zu, wenn sie „dreckige Schwarze“ von den Tribünen nieren, schlagen sie die Zeit und die Langeweile auf ihrem Sofa tot, wo hört. Diese Beleidigungen in einer Sprache, die er nicht versteht, ver- sie vor dem Fernseher kleben. Sie versuchen zwar nicht, sich klein zu letzen Moussa nicht: „Ich verstehe, dass sie aggressiv sind, wenn wir machen auf ihrem Nachhauseweg, aber eine Meinung zu den Ansich- verlieren“, meint er. Aber genau da liegt das Problem in Beveren: Seit ten der anderen wollen sie auch nicht abgeben. „Wir sind sowieso nur der Ankunft von Guillou und den Spielern von der Elfenbeinküste hat da, um Fußball zu spielen“, fasst Marco Né zusammen, einer der jun- Beveren nicht oft gewonnen. KSK-Fan Nico kündigt dennoch an: „Et- gen Nationalspieler beim KSK. wa hundert von uns werden nach Deutschland fahren, um die Mann- Beveren ist für die Spieler von der Elfenbeinküste eine Durchgangs- schaft der Elfenbeinküste zu unterstützen.“ Belgien hat sich nicht station. Sie träumen von Arsenal oder Barcelona. Die wenigen Ausbrü- qualifi ziert, es gibt nichts Schlimmeres als eine WM mit neutralen che von Alltagsrassismus verzeihen sie leicht. Moussa Sanogo ist seit Augen verfolgen zu müssen. Selbst wenn er diejenigen Spieler unter- drei Spielzeiten beim Verein. Vor eineinhalb Jahren hat er auf einem stützen muss, unter denen er die restliche Saison über so leidet.<

RUND 59

rrund0106_54_59_R_Belgienund0106_54_59_R_Belgien 5959 007.12.20057.12.2005 18:01:5118:01:51 UhrUhr GLEICHE HÖHE Erbsenzähler

Die zwölf kuriosesten Mannschaftsfotos Die RUND-Jury hat gewählt. Welcher Bundesligaklub posiert vor dem verwegensten Hintergrund, welche Mannschaft ist am tiefsten in der Region verwurzelt? Eine Bewertung der seit den 80er Jahren in Mode gekommenen Teamfotos vor Landschaft FOTOS IMAGO, HORSTMÜLLER GMBH, FIRO

1 2 3

FORTUNA KÖLN 1999. Jeder soll es wissen: Die in der 1. FC NÜRNBERG 1986. Hoch auf dem Bierwagen. Ein BAYER UERDINGEN 1989. Unter Trainer Südstadt beheimatete Fortuna gehört zu Köln wie der Dom Sponsor verpflichtete Coach Heinz Höher als Kutscher wurde im spanischen Trainingslager unter Palmen posiert

4 5 6

MSV DUISBURG 1998. Bühne Bundesliga. Die Meidericher SCHALKE 04 1994. Soviel Ruhrgebiet war selten: Charly FC ST. PAULI 2002. Lebenslang für Zweitligaspieler. In Spieler im glänzenden Foyer des Theaters Duisburg Neumann, Förderturm, Zeche und Kumpel von unter Tage Handschellen vor der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel

7 8 9

EINTRACHT FRANKFURT 2004. Kurz vor dem Abflug in ARMINIA BIELEFELD 1999. Oft belagert, selten gestürmt. 1. FC UNION BERLIN 2002. Die Stahlrohrkulisse des die Erste Liga. Der Kader der Eintracht auf dem Rollfeld Die Sparrenburg ist das Wahrzeichen der Stadt Bielefeld Stadtschlosses verleiht Union zweitklassiges Flair

10 11 12

MAINZ 05 1995. In der Altstadt, am Kirschgarten, steht SV MEPPEN 1993. Werbung fürs Emsland. Profis vor dem SAARBRÜCKEN 2001. Zierde des Saarlands. Der 1759/60 Mittelfeldspieler Jürgen Klopp in kurzen Hosen herum historischen Rathaus mit seinen drei Rundbögen von 1605 erbaute Marktbrunnen auf dem St. Johanner Markt

Die neue Preisfrage: Vor welchem Schloss stand Union Berlin vor der Saison 2005/06? Antworten bitte bis zum 23. Januar 2006 an: Redaktion RUND, Pinneberger Weg 22-24, 20257 Hamburg, [email protected], Stichwort: Foto. Eine der richtigen Einsendungen wird mit einem signiertem Mannschaftsfoto eines deutschen Profi klubs nach Wahl prämiert. Die Lösung aus 12/05 lautet: Cafu (WM-Finals 1994, 1998, 2002). Der Gewinner aus 11/05 ist U. Weller, Höchstadt.

RUND 60

rrund0106_60_61_Erbsenzaehlerund0106_60_61_Erbsenzaehler 6060 007.12.20057.12.2005 18:08:5318:08:53 UhrUhr GLEICHE HÖHE Erbsenzähler

Immer mehr Weltmeister haben Abi Der Fußball verändert sich mit der Gesellschaft: Abiturienten in der Nationalmannschaft sind keine Seltenheit mehr. Aber Weltmeister kann man auch ohne Hochschulreife werden. Quellen: diverse Archive, Nachschlagewerke und Datenbanken. Besonderer Dank an Rudi Michel, Horst Eckel und Alffred Pfaff!

1954 1974 1990 2006 ABITUR: 0 HOCHSCHULABSCHLUSS: 1 HOCHSCHULABSCHLUSS: 1 ABITUR: 9 MITTLERE REIFE: 3 ABITUR: 3 ABITUR: 3 MITTLERE REIFE/REALSCHULE: 11 VOLKSSCHULE: 18 MITTLERE REIFE: 6 MITTLERE REIFE/REALSCHULE: 8 HAUPTSCHULE: 2 OHNE SCHULABSCHLUSS: 1 VOLKS-/HAUPTSCHULE: 12 HAUPTSCHULE: 10

Die Mannschaft bestand aus Kriegs- Im Jahr 1968 wurde durch die Schulre- (Köln) und Thomas Fabian Ernst (Schalke 04) hat einen heimkehrern und Spielern, deren Schu- form die Volksschule durch Grundschu- Berthold (AS Rom) haben das Abitur, erweiterten Realschul a bschluss, den le durch den Krieg unterbrochen wur- le plus weiterf ührende Hauptschu le Uwe Bein (Eintracht Frankfurt) und es in einigen Bundesländern gibt. Das de. Jupp Posipal (HSV) ging in Rumä- ersetzt. Wolfgang Overath (1. FC Köln) Hans Pflügler (Bayern) haben das Fach- abitur haben die Spieler Arne nien zum Gymnasium, kam 16-jährig verließ nach der 12. Klasse das Gymna- Fach abit ur, Pflügler studierte anschlie- Friedrich (Hertha BSC Berlin), Tors- nach Deutschland undschloss die Schu- sium, das gilt mittlerweile als Fachabi- ßend und wurde Diplomingenieur ten Frings (Werder Bremen) und Se- le nicht ab. Horst Eckel (Kaiserslau- tur und wird hier als Abitur geführt. (FH). Einige Spieler haben auch den bastian Deisler (FC Bayern München). tern) verließ aus finanziellenGründen Zum Hochschulabschluss von Jupp qualifizierten Hauptschul abschluss: Tim Borowski (Werder Bremen) be- das G ymnasium. Eckel und Toni Turek Kapellmann (Bayern München) kam und Lothar Matt- suchte nach der mittleren Reife noch (Düsseldorf) waren Sportlehrer. noch die Promotion zum Dr. med. häus (Bayern). die Höhere Han delsschule.

RUND 61

rrund0106_60_61_Erbsenzaehlerund0106_60_61_Erbsenzaehler 6161 007.12.20057.12.2005 18:09:0218:09:02 UhrUhr GLEICHE HÖHE Eisenfüße

FREIHEIT FÜR DIE UNFREIEN Die deutsche Nationalmannschaft hat ein Problem: die VERTEIDIGUNG. Was nicht daran liegt, dass die Defensivkräfte zu jung oder zu unerfahren sind – sie haben das Mitspielen nie wirklich gelernt

VON ROGER REPPLINGER, FOTOS IMAGO

Es war schwer, Libero zu werden. Der Einführung dieser Position in der deutschen Nationalmannschaft ging ein zäher Kampf voraus: Franz Beckenbauer, bei Bayern München schon lange der freie Mann, gegen Helmut Schön. Der damalige Bundestrainer sagte zu Becken- bauer: „Verteidigung ist Zerstören, dazu brauche ich keine Künstler, nur Leute mit dem eisernen Fuß. Warum soll ich dich da hinten ver- schenken?“ Hinten Willi Schulz als Ausputzer, im Mittelfeld Becken- bauer und Wolfgang Overath. Und gut ist. Schön erkannte nicht, wel- che Möglichkeiten darin lagen, dass Beckenbauer alles mischte, weil er alles konnte. Im März 1971 brachte Beckenbauer Schön in einem

PER MERTESACKER langen Gespräch seine Vorstellung von den Aufgaben des Liberos na- he, wenig später durfte er ihn zum ersten Mal gegen die Türkei geben. Spielt den Innenverteidiger nicht nur so abgeklärt, Neben ihm spielte Schulz, der immer „bleib hier“ brüllte, wenn Franz weil er von Bob Marley inspiriert ist. Mertesacker wurde in der Phase fußballerisch groß, als die Mann- nach vorne ging. Der Libero war nun gesetzt. Da war es noch schwe- deckung von der Raumdeckung abgelöst wurde rer, ihn wieder loszuwerden. Mit Libero und Manndeckern war die deutsche Nationalelf erfolgreich, aber Erfolg ist immer auch ein Pro- blem. Weltmeister 1974 gegen die Niederländer, Weltmeister 1990 mit Beckenbauer als Teamchef und Augenthaler als Libero. Da spielte schon die ganze Welt anders. „Wenn du net die Leut’ hast, kannst net Raumdeckung spielen“, behauptete Beckenbauer. Dabei hatte Au- genthaler schon unter Pal Cernai bei Bayern im Raum gespielt. Wir sitzen mit im Hotel Kempinski am Münch- ner Flughafen. Hier palavern sonntagmorgens des Landes allergrößte Fußballexperten über den Ball. Die Blumen hinter den Glasscheiben des Foyers sind künstlich, der Cappuccino ist kalt. Draußen liegt Schnee. Wir sprechen darüber, dass sich im internationalen Fußball die Raumdeckung durchgesetzt hat. Deutschland viele Titel gewon- nen, aber den Kampf ums Spielsystem verloren hat. (Ajax Amsterdam), Arrigo Sacchi (AC Milan) und Valerie Lobanovski (Dynamo Kiew) haben sich durchgesetzt. Zum Glück für den Fußball. Als Michels nach Leverkusen kam, forderte man: „Spiel so offensiv wie bei Ajax.“ Er versuchte es, „aber es hat nicht funktioniert“, sagt Augenthaler, „er hatte nicht die Spieler.“ Auf der anderen Seite sieht man erst, dass die Spieler da sind, wenn man sie in einem bestimmten System spielen lässt. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, nickt Augenthaler. Hierzulande biss sie so lange, bis es richtig wehtat. Der Erfolg des Liberosystems hat unangenehme Folgen. „In keiner Bundesliga-Spitzenmannschaft spielt ein deutscher Innenverteidiger“,

RUND 62

rrund0106_62_65_Innenverteidigerund0106_62_65_Innenverteidiger 6262 008.12.20058.12.2005 21:30:0721:30:07 UhrUhr GLEICHE HÖHE Eisenfüße

GUIDO BUCHWALD

Schwäbischer Manndecker in bester Tradition, aber auch als Libero und defensiver Mittelfeldspieler tätig, der auch einem Maradona die Grenzen aufzeigte. Hat mehr vom Spiel verstanden als ein reiner Mann- decker, konnte den Übersteiger und auch feine Pässe spielen

FRANZ BECKENBAUER

Der Libero schlechthin. Alle, die nach ihm kamen (siehe Kasten auf Seite 65), taten sich schwer. Als Teamchef wollte er sich nicht zur Raumdeckung bekennen

sagt Augenthaler. Das hat nichts damit zu tun, dass Deutschland keine Talente hat, sondern damit, dass Brasilianer, Franzosen, Serben, Fin- nen, Kroaten, Belgier und Niederländer zu Hause seit Jahren Raum- deckung spielen. Der Nachwuchs wird anders trainiert, es herrscht eine andere Auffassung von den Aufgaben des Innenverteidigers. Es wird besser Fußball gespielt, umfassender ausgebildet. Die Innenverteidiger haben bei Ballbesitz die Stürmer gedeckt

Offensive und Spielaufbau waren im deutschen Fußball für den Li- bero reserviert. Der Rest der Abwehr war unfrei, spielte gegen den Mann, zerstörte das Spiel des Gegners, blieb hinten. Immer. Ein deut- scher Innenverteidiger ließ seinen Stürmer auch dann nicht aus den Augen, wenn die eigenen Jungs den Ball hatten. „Ich war einigen zu offensiv“, erinnert sich Augenthaler. Er hat sich als Spieler darüber geärgert, „dass sich keiner der Manndecker am Spielaufbau beteiligte. Die Innenverteidiger haben auch bei Ballbesitz die gegnerischen Stür- JÜRGEN KOHLER mer gesucht, statt sich ins Offensivspiel einzuschalten.“ Die Folgen „Kokser“, wurde in Mannheim zum limitierten Mann- sind fatal. In der Nationalmannschaft sehen wir Innenverteidiger mit decker geschult, konnte aber in Italien seine spieleri- technischen Schwächen, der Spielaufbau ist statisch und langsam, es sche und taktische Beschränktheit aufbessern gebricht an Mut. Der Ball wandert sofort auf die linke Seite, zu oder Bernd Schneider, die sich mit ihrer individuellen

RUND 63

rrund0106_62_65_Innenverteidigerund0106_62_65_Innenverteidiger 6363 008.12.20058.12.2005 21:30:1021:30:10 UhrUhr GLEICHE HÖHE Eisenfüße

CHRISTIAN WÖRNS

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr: Christian Wörns wurde zum reinen Manndecker geformt, den er immer mit größtem Engagement interpretierte. Ein beinahe tragischer Fall falscher Spieler- ausbildung. Einer der letzten echten Manndecker der Bundesliga

KARLHEINZ FÖRSTER

Einer der härtesten und besten Manndecker, die es im deutschen Fußball jemals gab. Ganz stark am Mann, grätschte in einer fins- teren Phase der Derwallschen Nationalelf

Klasse helfen. Oder der Ball wird hoch und weit nach vorne geschla- gen, als ob er eine Krankheit ist, die man schnell wieder loswerden will. Der Gegner hat leichtes Spiel. Die deutschen Innenverteidiger können nichts für ihre Defizite

Wenn die jungen, deutschen Innenverteidiger für diese Defi zite kri- tisiert werden, dann trifft es die falschen. Sie können nichts dafür. Westdeutsche Verteidiger wurden jahrelang auf Manndeckung ge- drillt. Beidfüßigkeit: unwichtig. Technik und taktisches Verständnis: für Mittelfeldspieler reserviert, Offensivspiel: nein, die Mittellinie ist die Grenze. Die strikte Arbeitsteilung führte zu den Defi ziten, die wir heute sehen. „Wir sind in einer Phase des Übergangs“, sagt Augentha- ler. Es gibt ältere deutsche Innenverteidiger, denen sieht man den Manndecker noch deutlich an. Die spielen im Raum, orientieren sich aber am Gegner, nicht am Ball. Sie haben in der Nationalmannschaft KLAUS AUGENTHALER keine Chance mehr. Aber auch die Jungen haben nicht alle von Kind- Von Haus aus Mittelfeldspieler, zum Libero umgepolt. heitsbeinen an im Raum gespielt. Sie lernen. Andere Nationalmann- Als Spieler hin- und hergerissen zwischen Mann- und schaften machen das seit 30 Jahren. „Wir haben Rückstand“, stimmt Raumdeckung. Seitdem von Falten gezeichnet Augenthaler zu.

RUND 64

rrund0106_62_65_Innenverteidigerund0106_62_65_Innenverteidiger 6464 008.12.20058.12.2005 21:30:1321:30:13 UhrUhr GLEICHE HÖHE Eisenfüße

CHRISTOPH METZELDER

Der Dortmunder kann im Raum spielen und eine Abwehr organisieren, auch in der Nationalmannschaft. Der 25-Jährige gilt deshalb trotz BECKENBAUERS LIBERO-ERBEN langer Verletzungspause als eine der möglichen Besetzungen für die Manfred Kaltz, 18 Einsätze als Libero, 1977-1978 Abwehrkette von Jürgen Klinsmann bei der WM 2006 Jupp Tenhagen, 1 Einsatz als Libero, 1977 H.-G. Schwarzenbeck, 1 Einsatz als Libero, 1977 , 4 Einsätze als Libero, 1977-1979 , 28 Einsätze als Libero, 1979-1984 Bernd Cullmann, 10 Einsätze als Libero, 1977-1980 , 2 Einsätze als Libero, 1980 Kurt Niedermayer, 1 Einsatz als Libero, 1980 , 2 Einsätze als Libero, 1981 , 6 Einsätze als Libero, 1981-1982 Bernd Förster, 8 Einsätze als Libero, 1982-1983 Gerhard Strack, 8 Einsätze als Libero, 1982-1983 , 29 Einsätze als Libero, 1984-1988 Hans-Günther Bruns, 2 Einsätze als Libero, 1984 Ditmar Jakobs, 9 Einsätze als Libero, 1985-1986 Klaus Augenthaler, 21 Einsätze als Libero, 1985-1990 Thomas Hörster, 4 Einsätze als Libero, 1986-1987 , 3 Einsätze als Libero, 1988-1989 , 18 Einsätze als Libero, 1989-1991 , 13 Einsätze als Libero, 1990-1992 Thomas Helmer, 15 Einsätze als Libero, 1992-1997 , 6 Einsätze als Libero, 1992-1993 , 15 Einsätze als Libero, 1992-1998 , 3 Einsätze als Libero, 1995-1996 , 20 Einsätze als Libero, 1995-1997 , 2 Einsätze als Libero, 1998 Lothar Matthäus, 31 Einsätze als Libero, 1993-1999

Manndeckung ist einfach. Es ist immer einfacher, ein Spiel zu zerstören, als es zu machen. Aber Zerstören reicht heute nicht mehr

Es ist gut, fi ndet Augenthaler, „wenn man Nachwuchsspieler nicht ckung ein, nachdem die Diskussion dieser Frage merkwürdige Züge für eine Position ausbildet, sondern für mindestens zwei“. Jeder angenommen hatte. Als ginge es grundsätzlich ums deutsche Fußball- braucht ein Rüstzeug an taktischen und technischen Fähigkeiten, je- wesen, und nicht um ein neues Spielsystem. der muss Fußball spielen können. Wenn ein Mittelfeldspieler wie Allerdings gibt es hier einige Sonderprobleme: „Sinkiewicz hat kei- Mehdi Mahdavikia beim Hamburger SV als rechter Verteidiger auf- ne internationale Erfahrung, Huth kaum Spielpraxis, Mertesacker läuft, „hat der Trainer eine Waffe“. Ein solcher Spieler hinten rechts spielt nicht bei einem Spitzenklub, Metzelder war verletzt“, zählt Au- gibt auch dem Mittelfeld eine Vielzahl neuer Möglichkeiten. genthaler auf. Gerade Christoph Metzelder sieht er als Innenverteidi- Es gab Versuche, in der Bundesliga mit Raumdeckung zu spielen: ger, „der alle Voraussetzungen mitbringt“. Kann ein Spiel lesen, die Der Österreicher Ernst Happel beim Hamburger SV. Der Ungar Gyula Abwehr organisieren, das Spiel aufbauen. Er hat die Ruhe und macht Lorant führte die Raumdeckung bei den Bayern 1977/78 ein, sein auch unter Druck etwas Sinnvolles. „Das ist das Schwierigste, unter Landsmann Pal Csernai verfeinerte sie. Happel und Csernai wurden Druck ein Spiel aufzubauen. Auch dann den Ball nicht blind nach Meister, aber die Raumdeckung setzte sich nicht durch. Augenthaler vorne zu schlagen.“ Manndeckung ist einfacher. Es ist immer einfa- überlegt: „Unter Csernai haben wir mit Vorstopper, linkem und rech- cher, ein Spiel zu zerstören, als es zu machen. „Aber zerstören reicht tem Verteidiger und mir in der Raumdeckung als eine Art Libero ge- im modernen Fußball nicht“, sagt Augenthaler. Irgendwann zerstört spielt.“ Das neue System kam ohne Diskussion. „Das war noch nicht das Zerstören auch das eigene Spiel. Irgendwann können Verteidiger, die Zeit, in der man mit dem Trainer übers Spielssystem diskutiert die immer gegen den Mann spielen, auch das nicht mehr, weil sie hat“, sagt Augenthaler, und was die Falten in seinem Gesicht machen, nicht mehr Fußballspielen können. Augenthaler nickt. Er fürchtet, könnte ein Lächeln sein. Bayern spielte Raumdeckung bis 1992 Erich „dass die WM für die jungen Spieler zu früh kommt. Aber der Weg Ribbeck kam. In der Nationalelf führte Rudi Völler 2000 die Raumde- stimmt.“ Das ist schon was, wenn man lange im Kreis gelaufen ist.

RUND 65

rrund0106_62_65_Innenverteidigerund0106_62_65_Innenverteidiger 6565 008.12.20058.12.2005 21:30:1621:30:16 UhrUhr GLEICHE HÖHE Patsches Patzer

Der Zweitligaprofi NICO PATSCHINSKI weiß, wovon er schreibt: Notenverteilung im Fußball FOTO JEAN BALKE

Für RUND schreibt Nico Patschinski von LR Ahlen, der lustigste Zweitligaprofi der Welt, alle zwei Monate seine Kolumne „Patsches Patzer“. In der nächsten Ausgabe meldet sich wieder Gladbach-Profi mit „Broichs Bonbons“ zu Wort.

RUND 66

rrund0106_66-69_Patsche_Meyerund0106_66-69_Patsche_Meyer 6666 007.12.20057.12.2005 18:13:0418:13:04 UhrUhr GLEICHE HÖHE Meyers Taktiktafel

„4-3-3 IST DAS BESTE AUSBILDUNGSSYSTEM“ HANS MEYER ist ein Trainer, der die Herausforderung sucht. Obwohl er sich schon aus dem Trainerberuf zurückgezogen hatte, versucht er nun, dem 1. FC Nürnberg, die Klasse zu erhalten. Vorher war er unter anderem Trainer bei FC Twente Enschede, Borussia Mönchengladbach und Hertha BSC Berlin. Der 63-Jährige zählt zu den wichtigsten Institutionen im deutschen Fußball. Für RUND greift der ironiebegabte Trainer wichtige Fragen der Taktik und Fußballausbildung auf

Ein echter Meyer: „Pass auf“, sagt er, „da steht einer, da steht einer und da auch. Und was machst du jetzt mit dem Ball?“

Von den klassischen Spielsystemen eignet DIE NACHTEILE DIESES SYSTEMS das holländische System, David Odonkor ist sich das 4-3-3 am besten als Ausbildungssys- Es hat aber auch Nachteile: Wenn man mit einer der wenigen echten Außenstürmer in tem, so wie es in Holland seit Jahrzehnten drei Stürmern spielt und einem vierten als der Bundesiga. praktiziert wird. Darin ist eine zentrale Spit- Schattenspitze – bei Ajax Amsterdam war das ze vorgesehen und zwei Flügelstürmer, die lange Jari Litmanen –, dann muss der An- MEHR KREATIVE POSITIONEN mittlerweile fast überall in Europa ausgestor- schluss der eigenen Reihen auf die Stürmer In Holland galt das 4-3-3 lange als einziges ben sind. Auf die Ausbildung dieser beiden unbedingt stimmen. In einer schlecht gestaf- Erfolg versprechendes System. Das ist Unfug, Spezies legen die Holländer großen Wert. Ih- felten Mannschaft entstehen im Rücken der der FC Porto beispielsweise ist 1987 mit einer re Aufgabe ist es nicht, ständig in der eigenen offensiven Spieler Möglichkeiten für den Spitze Europapokalsieger geworden, dahinter Abwehr aufzutauchen, sondern sie sollen auf Gegner. Das 4-3-3 lebt von der individuellen spielten sechs enorm torgefährliche Mittel- den Ball führenden Spieler Druck ausüben Klasse der Außenstürmer. Wenn die nicht feldspieler. Die Diskussionen über Spielsyste- und durch individuelle Aktionen in Ballbe- spielstark sind, dann wird das System sche- me sind häufig oberflächlich, weil sie oft sitz gelangen. In Holland ist jeder Spieler matisch. Das wurde mir in Mönchengladbach nichts darüber aussagen, ob offensiv oder de- darauf eingestellt, nach vorne zu verteidigen. vorgehalten. Doch obwohl ich da keine klas- fensiv gespielt wird. Auch der PSV Eindho- Die Aufgabe der Flügelstürmer ist es, Spiel- sischen Außenstürmer für das 4-3-3 hatte, ven hat vor einigen Jahren auf 4-4-2 umge- verständnis zu zeigen, schnell und wendig zu waren wir erfolgreich. Man kann das Spiel stellt, weil die geeigneten Außenstürmer wie LIEBE TRAINER, BITTE AUSSCHNEIDEN UND IM SAMMELORDNER „TRAININGSLEHRE“ ABHEFTEN! UND IM SAMMELORDNER „TRAININGSLEHRE“ BITTE AUSSCHNEIDEN LIEBE TRAINER, sein und vor allem zu dribbeln, in vorberei- mit drei Stürmern breit machen, außerdem Arjen Robben nicht lange in Holland spielen, tender Aktion, mit der Flanke als Abschluss. hatten wir mit unseren Stürmern eine fantas- und spielt vorzüglich mit diesem System. Es Sie haben von klein auf den Freifahrtschein tische erste Störfront. Hier in Deutschland ist unsinnig darüber zu diskutieren, welches für das Risikodribbling, das auch mit einem gibt es diese Außenstürmer kaum noch, dazu System das beste ist. Aber als Ausbildungssys- Ballverlust enden kann. Wenn man außen kommt, dass die Spieler, die diese Position tem ist das 4-3-3 mit Abstand das beste, weil Stürmer hat wie Arjen Robben und zentral einnehmen könnten, Vorbehalte dagegen ha- es zwei kreative Positionen mehr ausbildet einen Stürmer, der Vorlagen verwerten kann, ben, weil sie ihnen fremd ist und sie umden- als in einem 4-4-2. Das ist wichtig, gerade bei dann ist das 4-3-3 ein fantastisches System. ken müssten. Nur Borussia Dortmund spielt Kindern und Jugendlichen. FOTO BENNE OCHS

RUND 69

rrund0106_66-69_Patsche_Meyerund0106_66-69_Patsche_Meyer 6969 007.12.20057.12.2005 18:13:1218:13:12 UhrUhr rrund0106_67_68_Postkarte 2 u n d 0 1 0 6 _ 6 7 _

6 POSTKARTEN ABTRENNEN, VERSENDEN UND FREUDE BEREITEN! 8 _ P o s t k a r t e

2 007.12.2005 18:16:00 Uhr 7 . 1 2 . 2 0 0 5

1 8 : 1 6 : 0 0

U h r rrund0106_67_68_Postkarte 3 u n d

0 „Die Schuhe müssen zum Gürtel passen.“ 1

0 LOTHAR MATTHÄUS 6 _ 6 7 _ 6 8 _ P o s t k a r t e

3

RUND > DAS FUSSBALLMAGAZIN

www.rund-magazin.de BEIERLE FOTO EDWARD

„Wir brauchen die Freude am Spiel, seine Unschuld.“ „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß“ FRANCISCO JOSÉ VIEGAS

RUND > DAS FUSSBALLMAGAZIN RUND > DAS FUSSBALLMAGAZIN 007.12.2005 18:16:09 Uhr 7

www.rund-magazin.de www.rund-magazin.de FOTO MAREIKE FOECKING . 1 2 . 2 0 0 5

1 8 : 1 6 : 0 9

U h r RUND Im Abseits

IM ABSEITS Abseits ist regelwidrig. Dann ruht das Spiel. Das kann skurril sein und findet überall auf der Welt statt: „Ich bin nicht gläubig. Ich kann mir einfach

nicht vorstellen, dass wir wiederkommen“ TIM BOROWSKI

72 LÜGENDETEKTOR „Ich würde gern mal Kampfjet fliegen“ – Tim Borowski hat weniger Flugangst als Ailton 76 AFFENTHEATER Der Affe, den sie nicht hängten – in Hartlepool wurde das Klubmaskottchen Bürgermeister 80 MÖBELWART Sessel für Ballack – ein ehemaliger Bayern- Torwart produziert Luxusmöbel für Prominente 84 EWIGE TALENTE Die verlorene Generation – was wurde aus dem Team, das 1995 A-Jugend-Meister wurde?

RUND 71

rrund_70_71_Vorschalt_Im_Abseitsund_70_71_Vorschalt_Im_Abseits 7171 006.12.20056.12.2005 11:52:2111:52:21 UhrUhr IM ABSEITS Lügendetektor

„Der Schock war groß“: Tim Borowski „Ich würde gerne mal Kampfjet fliegen“ Nationalspieler TIM BOROWSKI vom SV Werder Bremen ist nicht dafür bekannt, dass er Details aus seinem Privatleben nach außen trägt. An den Lügendetektor angeschlossen, konnte der 25-Jährige aber keiner Frage ausweichen und musste alles erzählen: Über Erfahrungen mit der Polizei, geheime Fernsehabende im Werder-Internat, Stottereinlagen vor laufender Kamera und den von Flugangst geplagten Ailton

INTERVIEW SVEN BREMER, OLIVER LÜCK UND RAINER SCHÄFER, FOTOS STEFAN SCHMID

RUND 72

rrund0106_72_75_Luegend_Borowskiund0106_72_75_Luegend_Borowski 7272 008.12.20058.12.2005 17:29:3117:29:31 UhrUhr IM ABSEITS Lügendetektor

Kaffee, ein gepfl egtes Frühstück, ein Ei – so kann der Tag anfangen. Wenn ich aufstehe und wie neulich die Kaffeemaschine kaputt ist, kann ich schon mal kurz sauer werden. Dann ist noch wichtig, dass morgens Musik läuft: Ich stehe auf und im Bad läuft schon das Radio, perfekt. Haben Sie schon mal ein Training verschlafen? Nein, noch nie. (++++) LÜGENLEGENDE Welche Leute bringen Sie auf die Palme? Pippi Langstrumpf ++++ Ich mag keine Selbstdarsteller, die meinen, die komplette Aufmerksamkeit auf sich zie- Pinocchio ++++ hen zu müssen. Aber die lasse ich meistens Baron Münchhausen ++++ einfach stehen. (++++) Robert Hoyzer ++++ Wie lange stehen Sie eigentlich vor einer Par- Herr Borowski, ist es Ihnen unangenehm, ty vor dem Spiegel? dass wir Sie jetzt an den Detektor anschließen? Geduscht bin ich ja meistens. Die meiste TIM BOROWSKI: Ich habe schon ein mul- Zeit geht fürs Umziehen drauf. So zehn Minu- mi ges Gefühl. Es erinnert mich an die Schul- ten. Eine gewisse Eitelkeit habe ich sicher. zeit. Als ob gleich Vokabeln abgefragt wer- Vermissen Sie es, nicht so lange weggehen zu den, englische, russische oder spanische. können, wie Sie möchten? Und die konnten Sie nicht immer. Früher schon. Das war schon komisch, wenn Wann sind Sie das letzte Mal in Hunde- Ich war halt oft unterwegs bei Jugendtur- meine Freunde alle weggingen, nur ich blieb scheiße getreten? nieren. Da blieb nicht viel Zeit zum Lernen. zu Hause, weil ich ein wichtiges Spiel hatte. Das ist lange her, ich achte extrem darauf, Im Jugendinternat des SV Werder sollen Sie Im Internat durften Sie auch nur bis 23 Uhr dass mir das nicht passiert. Man kriegt man am Anfang großes Heimweh gehabt haben. fernsehen. es ewig nicht raus aus den Schuhen. Ja, im ersten halben Jahr ist alles auf mich Ja, die Fernseher für die Jugendspieler im Wenn Sie mal etwas total Verrücktes tun eingeprasselt. Ich wollte nur noch zurück, Internat wurden automatisch ausgeschaltet. könnten, was wäre das? habe mich aber zum Glück dafür entschieden Damit haben Sie sich doch sicher nicht Autorennen würden mich total reizen. Zum zu bleiben. (++++) zufrieden gegeben, oder? Beispiel die DTM-Serie. (++++) Nie abgehauen? Nun ja. (++++) Okay, ich habe meterweise Sie mögen die Geschwindigkeit? Doch, einmal bin ich tatsächlich einfach Kabel besorgt und unsere Fernseher mit de- Ja. Ich würde auch gerne mal einen Kampf- los, ohne dass jemand etwas wusste. Zu Hau- nen der Amateurspieler verbunden, alles un- jet fl iegen. Das hat aber nichts mit dem Kämp- se in Neubrandenburg habe ich mich dann ter der Deckenkonstruktion langgeführt und fen zu tun, es ist die Überschallgeschwindig- für zwei Wochen krankschreiben lassen. Ich in jedem Zimmer wieder an den Fernseher keit, die ich erleben möchte. musste meine Familie und meine Kumpels angeschlossen. So konnten wir so lange gu- Keine Flugangst? mal wieder länger sehen. cken, wie wir wollten. Leider ist es aufgefl o- Nein. Andere Spieler sind da extremer. Ail- Was hat der Arzt diagnostiziert? gen, und da gab’s richtig Ärger. ton zum Beispiel. Bei Luftlöchern ist es für Ich hatte schon so eine Allergie, aber des- halb hätte ich nicht wirklich zum Arzt ge- musst. (++++) „Ich habe ein mulmiges Gefühl, wenn ich Haben Sie eine Allergie gegen frühes Aufstehen? jetzt am Lügendetektor angeschlossen werde. Also, ich trainiere schon lieber nachmittags. Wenn ich vormittags frei habe, bleibe ich ger- Es erinnert mich an die Schulzeit. ne länger liegen. (++++) Sind Sie ein Morgenmuffel? Als ob gleich Vokabeln abgefragt werden“ Ich bin nicht sonderlich gesprächig. Es darf auf keinen Fall Hektik aufkommen. Einen

RUND 73

rrund0106_72_75_Luegend_Borowskiund0106_72_75_Luegend_Borowski 7373 008.12.20058.12.2005 17:29:3317:29:33 UhrUhr IM ABSEITS Lügendetektor

„Als Sheriff durch die Prärie“: Borowski

RUND 74

rrund0106_72_75_Luegend_Borowskiund0106_72_75_Luegend_Borowski 7474 008.12.20058.12.2005 17:29:3317:29:33 UhrUhr IM ABSEITS Lügendetektor

ihn vorbei. Er schlägt dann immer die Hände über dem Kopf zusammen, packt ihn zwi- schen die Beine und jammert. Wie sieht es mit Motorradfahren aus? Finde ich auch gut. Ich mache aber keinen Führerschein, weil mir das zu gefährlich ist. Der neue Polygraf: von Test zu Test präziser Ich habe ein paar Freunde aus meiner Hei- mat, die schon Unfälle hatten. Da ist mir mein Beruf zu viel wert – ich fahre lieber Auto. Haben Sie schon mal eine Grenzerfahrung „Bei einem Fernsehinterview wollte ich was gemacht? Ja, aber das erzähle ich nicht. (++++) Besonderes erzählen, mir fehlte aber das passende So schlimm? Nein, eigentlich nicht. Ich bin zu schnell Wort. Ich fi ng voll an zu stottern. Ausgerechnet gefahren. (++++) Sind wir doch alle schon mal. das haben sie gesendet. Da schießt einem schon Ja, aber mich hat die Polizei angehalten. Als das Blut in den Kopf“ die Kelle dann rausgehalten wurde, war das ein Schock für mich. Ich wusste, dass ich ei- ne Grenze überschritten hatte und war sehr niedergeschlagen. Aber es gibt sicher Schlim- meres. (++++) Fazit: Lügen haben kurze Beine, Wann war Ihnen zuletzt etwas richtig pein- lich und unangenehm? wie der Volksmund weiß. Das war in Berlin. Nach dem Spiel gab ich Tim Borowski hat verdammt lange ein Interview fürs Fernsehen. Ich wollte et- was Besonderes erzählen, an einer Stelle fehl- und bestand den Lügendetektortest te mir aber das passende Wort. Ich fi ng voll nicht, worüber sie reden. Ich fühle mich an zu stottern. Ausgerechnet das haben sie wohl zu Hause. Wenn ich da bin, bin ich auch souverän – obwohl ihm anfangs dann auch noch gesendet. Da schießt einem Ossi. Andererseits bin ich ja inzwischen ein etwas mulmig zumute war. Der schon das Blut in den Kopf. Am Montag tra- halber Bremer. fen wir uns dann mit der Nationalelf, da ha- Glauben Sie an Wiedergeburt? zuletzt überragende National - ben mich schon einige gefragt: „Sag mal Tim, Ich bin nicht gläubig. Ich kann mir das ein- spieler hat einen Hang zur Hoch- was wolltest du uns da überhaupt sagen?“ fach nicht vorstellen, dass wir noch einmal Was passiert bei Ihnen, wenn Sie nervös wiederkommen. Aber wenn, dann gerne als geschwindigkeit und zeigt sich als sind? Tim Borowski. (++++) Ich kriege feuchte Hände und so ein Krib- In welcher Zeit würden Sie am liebsten leben? Mann, der von Recht und Ordnung beln. Dann muss ich Kaugummi kauen, um Im Wilden Westen. So als Sheriff, der durch angetan ist. Dagegen konnte mich zu beruhigen. (++++) die Prärie reitet und alles in Ordnung hält. Stört es Sie, wenn jemand schlecht über Ossis Und was wirkt erotisierend auf Sie? Borowski überzeugend die Gerüchte redet? Meine Freundin. Wenn sie zu Hause mal et- wider legen, ein zur Arroganz Klar, als ehemaliger Ossi ärgere ich mich was freizügiger herumläuft, zeigt das schon über solche Leute, aber viele wissen ja gar Wirkung. (++++) neigender Schnösel zu sein.

RUND 75

rrund0106_72_75_Luegend_Borowskiund0106_72_75_Luegend_Borowski 7575 008.12.20058.12.2005 17:29:3717:29:37 UhrUhr IM ABSEITS Affentheater

DER AFFE, DEN SIE NICHT HÄNGTEN VON OLIVER LÜCK, FOTOS KLAUS MERZ

Plüschschimpanse mit Ventilator im Kopf: H‘Angus, Maskottchen in Hartlepool

RUND 76

rrund0106_76_79_Affeund0106_76_79_Affe 7676 007.12.20057.12.2005 18:28:3718:28:37 UhrUhr IM ABSEITS Affentheater

DIES IST DIE UNGLAUBLICHE GESCHICHTE DES FUSSBALLFANS STUART DRUMMOND, DER ALS MASKOTTCHEN DES ENGLISCHEN DRITT LIGISTEN HARTLEPOOL UNITED BEKANNT WURDE, IM AFFENKOSTÜM ZUR WAHL ANTRAT UND ZUM BÜRGERMEISTER SEINER HEIMATSTADT GEWÄHLT WURDE. NUN WURDE ER IN SEINEM AMT SOGAR BESTÄTIGT

Stuart Drummond weiß, dass es Geschichten wie seine in der humor- losen und geordneten Welt der Politik gar nicht geben dürfte. Eine Geschichte, die so unglaublich klingt, dass viele sie auch heute – fast vier Jahre später – noch immer nicht glauben mögen. Und auch Drum- „Es sollte alles nur ein Witz sein“: Bürgermeister Drummond in seinem Büro mond selbst hat in manchen Momenten einen etwas ungläubigen Blick, wenn er erzählt, wie er Bürgermeister von Hartlepool wurde, einer Küstenstadt mit 90.000 Einwohnern im nordöstlichsten Eng- der bislang im Kostüm gesteckt hatte, war die Lust vergangen. Ein land zwischen Newcastle und Middlesbrough. Nachfolger war nicht in Sicht. „Am nächsten Tag habe ich mich vor- gestellt“, so Drummond. Er bekam den Job. Von nun an sollte er für NACH WENIGEN TAGEN SPRACH DIE GANZE STADT ÜBER die nächsten drei Jahre fast jedes Wochenende zu H’Angus, dem Affen, IHN, ER MUSSTE TÄGLICH INTERVIEWS GEBEN werden. „Am Anfang musste ich das Gehen üben und bin häufi ger mal An diesem Abend feiern die Anhänger von Hartlepool United das gestolpert“, erzählt er von den riesigen Affenfüßen. Ein batteriebetrie- 3:1 gegen Gillingham – ein verdienter Sieg in einem schwachen Spiel bener und im Kopf eingebauter Ventilator sorgte nur bedingt für der dritten englischen Liga. Im Gillen Arms, der Stammkneipe der Frischluft. Vor selten ausverkauften Rängen und meist weniger als United-Fans, sitzt Stuart Drummond, vor sich ein Pint dunkles Bier, 5000 Zuschauern tanzte er durch das Stadion eines Vereins, den zwei in der rechten Hand eine Zigarette. „Eigentlich sollte alles bloß ein Klassen von den Namen trennen, die jeder kennt. Nur alle zehn Jahre Witz sein, ein bisschen Werbung für unseren völlig unspektakulären spielt mal ein Klub aus der Premier League an der Clarence Road im Klub“, beginnt er. Als nach nur wenigen Tagen aber die ganze Stadt Victoria Park, dem Stadion im Industriegebiet nordlich des Zentrums. über ihn sprach und er täglich Interviews geben musste, wurde mehr Vor 47 Jahren hatte man Manchester United mal am Rande einer Nie- daraus. „Ein Affe will Bürgermeister werden“, titelte die städtische derlage. Vor ein paar Jahren schafften es die „Pools“ überraschend in Presse. Die größten Tageszeitungen des Landes zogen nach. „Da kam die vierte Runde des FA-Cup, des nationalen Pokalwettbewerbs. Gro- was ins Rollen.“ Oft unterbricht er sich selbst mit einem Lachen, das ße Titel hat der Klub in seiner 97-jährigen Geschichte keinen einzigen die schiefen Schneidezähne entblößt, gefolgt von einem leichten Kopf- feiern können. Der letzte Erfolg: Vor zwei Jahren wurde der Stadion- schütteln. Dass ausgerechnet er jetzt der wichtigste Mann seiner Hei- rasen zum besten der dritten Liga gekürt. matstadt ist und jährlich rund 200 Millionen Pfund verwaltet, fast 300 DIE ZUSCHAUER LIEBTEN IHN FÜR SEINE KURIOSEN EIN- Millionen Euro. Dass ausgerechnet er von seinen Freunden „Bürger- FÄLLE, DIE KLUBS HASSTEN IHN DAFÜR meister“ gerufen und nach Verstärkungen für das Team gefragt wird: „Hey Bürgermeister, investier unsere Steuergelder doch mal sinnvoll Doch Stuart Drummond ging regelrecht auf in seinem Job als und kauf zwei gute Stürmer!“ Der 32-Jährige steht auf, geht hinter den Glücksbringer. „Als Einziger habe ich in Wembley den Elfmeter ver- Tresen, nimmt ein Bild von der Wand und legt es auf den Tisch: „Das senkt“, erzählt er vom jährlichen Treffen aller englischen Fußballmas- bin ich mit Alan Shearer.“ Das Foto zeigt den früheren englischen Na- kottchen. Jeder Verein bis in die fünfte Liga hat ein riesiges Plüschtier, tionalstürmer, wie er einem dümmlich grinsenden Plüschschimpansen das auch bei Auswärtsspielen die eigenen Anhänger in Wallung brin- mit Segelohren und heraushängender Zunge, der in einem viel zu gen soll. Als Drummond im Affenkostüm während der Halbzeitshow großen Fußballtrikot steckt, die Hand schüttelt. in Blackpool anstößige Hüftbewegungen an einer aufblasbaren Pup- Alles begann an einem lausig kalten Januarabend beim Auswärts- pe zeigte, wurde er aus dem Stadion geschmissen. Ein anderes Mal in spiel in Preston. Sein Freund Ronnie erzählte ihm, dass die Stelle des Scunthorpe sprang er eine Ordnerin an, simulierte ebenso eindeutige Vereinsmaskottchens frei geworden war. Dem Schauspielstudenten, Bewegungen und fl og abermals raus. Die Zuschauer liebten ihn für

RUND 77

rrund0106_76_79_Affeund0106_76_79_Affe 7777 007.12.20057.12.2005 18:28:4418:28:44 UhrUhr IM ABSEITS Affentheater

Protest, um den Politikern eins auszuwischen, andere waren United- Fans.“ H’Angus, der Affe, sammelte 52,1 Prozent der Stimmen. Und plötzlich war ein 28-jähriger Call-Center-Mitarbeiter, der vier Jahre auf einem Kreuzfahrtschiff gekellnert hatte, der erste von einer Par- tei unabhängige Bürgermeister in der Geschichte der Stadt. „Meine Freunde und ich wären fast geplatzt vor Lachen“, so Drummond, „ei- ne Chance, die mir regelrecht in den Schoß gefallen ist.“ PLÖTZLICH SASS ER MIT MILLIONÄREN AN EINEM TISCH UND FRAGTE SICH: „WAS MACHE ICH HIER?“ Dabei wirkt Hartlepool nicht wie ein Ort, der von Rebellen bewohnt wird. Die Stadt ist so gewöhnlich, dass man meinen möchte, die Men- schen hätten absichtlich einen Affen gewählt, damit überhaupt mal etwas passiert. Enge, aneinander gereihte, staubgraue Arbeiterhäuser, wie sie typisch für England sind. Auch Drummond wuchs in einer der Arbeitersiedlungen etwas außerhalb auf. „Wenn ich mich im Pub um- gucke, kenne ich jeden und weiß, was jeder so macht“, beschreibt er die überschaubaren Verhältnisse, „unsere kleine Stadt ist ein Dorf.“ „Er ist einer von uns“: Fans von United über ihren Bürgermeister Einzig ungewöhnlich: Hartlepool wird schon länger eine Verbindung zu einem Affen nachgesagt. Einer Legende nach sollen Fischer wäh- rend der napoleonischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts beob- seine ausgefallenen Ideen, die Klubs hassten ihn. Bei zwölf Vereinen achtet haben, wie ein französisches Kriegsschiff sank. Einziger Überle- bekam er Stadionverbot. Doch sein Bekanntheitsgrad stieg. bender war der Schiffsaffe, dem die Besatzung aus Spaß eine Uni form Obwohl er in seinem Leben noch nie für irgendetwas kandidiert hat- angezogen hatte. Da die Fischer das Tier für einen französischen Spi- te, entschloss Drummond, sich als H’Angus, der Affe, zur Bürgermeis- on hielten, erhängten sie es an einem Bootsmast. Die Anhänger von terwahl zu stellen. „Natürlich hatten wir was getrunken, doch die Idee Hartlepool United haben ihren Ruf bei den Fans des gegnerischen war geboren.“ Eine ausgeklügelte Kampagne gab es nicht. Bei Wahl- Teams daher weg: „Monkey Hangers“ – Affenaufknüpfer. kampfveranstaltungen trat er im Affenkostüm auf. In einigen Schau- An der tief hängenden Decke des schmucklosen Büros des Bürger- fenstern der Stadt hingen Plakate mit dem Foto des Maskottchens und meisters fl ackert eine kaputte Neonröhre. Auf dem Schreibtisch steht seinem Wahlslogan: „Free Bananas For Schoolchildren“. Meist wurde ein Vereinswimpel. An der Wand hängt gerahmt und hinter Glas ein er zu Veranstaltungen gar nicht erst eingeladen. „Die haben gedacht, handsigniertes Trikot von Tommy Miller. Im Juli 2001 war der Mittel- dass ich sowieso keine Chance habe“, sagt er, „das habe ich ja auch ge- feldspieler für 750.000 Pfund zu Ipswich Town in die Premier League dacht.“ Bei den Buchmachern wurde ein Wahlsieg des Affen mit einer gewechselt – der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte. „Ich bin ein Quote von 10.000:1 gehandelt. Mit einigen Freunden wollte er zehn Fan von United und ein Fan dieser Stadt“, stellte Drummond in seiner Pfund setzen, doch die Buchmacher zogen ihr Angebot kurzfristig zu- Rede bei Amtsantritt klar, „und ich bin Stuart Drummond – ihr habt rück. „100.000 Pfund hätten wir gewonnen“, ärgert er sich heute noch, mich gewählt, nicht den Affen.“ Bis heute hat er das braune Kostüm denn aus dem Spaß wurde Ernst. nie wieder angezogen. Auch wenn er sich in seinem dunkelblauen An- zug und der Krawatte weit weniger wohl fühle, müsse er nun seriös „MEIN BRUDER KANN LEIDER NICHT KOMMEN, ER auftreten, erklärt er: „Ich vertrete nun 90.000 Menschen.“ Oft muss UNTERSTÜTZT DIE STADT AN ANDERER STELLE“ er mehr als 20 Termine in der Woche wahrnehmen: Besuche in Schu- Am Abend vor der Wahl waren alle fünf Kandidaten zum Streitge- len, Fabriken und Altersheimen, Ansprachen zur Einweihung von spräch vor Publikum in die Bürgerhalle eingeladen. Auch Stuart Drum- Shoppingzentren und Stippvisiten in den Nachbarstädten. Wöchent- mond sollte kommen, hatte jedoch ein Problem: Zu gleicher Zeit trat lich schreibt er in der Tageszeitung „Hartlepool Mail“ eine Kolumne United in der Play-Off-Runde auswärts bei Cheltenham Town an. über seine Sicht der Dinge als Stadtoberhaupt, ebenso wie zu jedem „Das wichtigste Spiel des Jahres“, betont er, „ich musste lange überle- Heimspiel im Stadionmagazin „Victoria Parklife“. „In den ersten Mo- gen.“ Er entschied sich, nach Cheltenham zu fahren. Ins Rathaus naten wusste ich oft gar nicht, was ich da mache“, verrät Drummond schickte er seinen jüngeren Bruder, der das Fehlen entschuldigte und heute. Seine Angst zu versagen war riesig. Erst recht, da er sich nie einen kleinen Stoffaffen ans Rednerpult setzte, den er noch schnell sonderlich für Politik interessiert hatte. Und auf einmal saß er mit Ge- im Fanshop gekauft hatte: „Mein Bruder kann leider nicht kommen, schäftsleuten und Millionären an einem Tisch und fragte sich ernst- er unterstützt die Stadt an anderer Stelle.“ haft: „Was mache ich hier eigentlich?“ Das Spiel ging mit 4:5 nach Elfmeterschießen verloren, doch die Die ersten 18 Monate waren kompliziert – alles war neu. „Wie krie- Wahl wurde gewonnen. „Alles passte perfekt“, blickt Drummond zu- ge ich die Hundescheiße von den Wegen? Damit hatte ich mich noch rück, „die Leute wollten eine Veränderung. Einige wählten mich aus nie beschäftigt.“ Er berief ein sechsköpfi ges Kabinett ein, das sich aus

RUND 78

rrund0106_76_79_Affeund0106_76_79_Affe 7878 007.12.20057.12.2005 18:28:4618:28:46 UhrUhr IM ABSEITS Affentheater

Politikern verschiedener Parteien zusammensetzt. Im Gremium wer- Was Stuart Drummond machen wird, wenn er eines Tages nicht den sämtliche Entscheidungen beraten und verabschiedet. „Wir haben wieder gewählt werden wird, weiß er noch nicht. In der Politik möch- kostenloses Essen für alle Schüler eingeführt, nicht nur Bananen.“ Die te er sicher nicht bleiben. Vielleicht wird er ein Buch schreiben. Ei- „Operation Aufräumen“ war ebenso sein Vorschlag: Die Stadtviertel nen Titel wüsste er schon: „Der Affe, den sie nicht hängten“. Und es werden reihum jeweils eine Woche lang gereinigt – „es war noch nie würde gewiss mit dem Sprichwort beginnen, das sich die Menschen so sauber.“ Andere Städte und Gemeinden haben die Idee mittlerwei- von Hartlepool seit 200 Jahren erzählen: „Binde einem Affen eine ro- le übernommen. Und während der Sommermonate kommen an den te Schleife um den Hals und er wird zum Bürgermeister gewählt.“ Stränden wieder Rettungsschwimmer zum Einsatz, deren Posten drei Jahre zuvor gestrichen worden waren. Als nächstes will Drummond 1,5 Millionen Euro in die Sanierung von Sportanlagen stecken, um den Jugendlichen ein besseres Freizeitangebot zu machen. Und auf lange Sicht soll der Hafen, der mal der drittgrößte Englands war, ausgebaut werden und wieder mehr Jobs bieten. DER PREMIERMINISTER SCHÜTTELTE IHM DIE HAND UND LÄCHELTE SO WIE IM FERNSEHEN SONST AUCH In manchen Momenten vergisst Stuart Drummond aber auch, dass er der Bürgermeister ist. Wie vor zwei Jahren im September, als er mit Freunden das sensationelle 8:1 gegen Grimsby Town feierte und gegen später Stunde ein stadtbekanntes Striplokal besuchte. Zwei Wochen lang las er in den Zeitungen Überschriften wie „Bürgermeister in Sex- show – Schande!“ oder „Affen-Bürgermeister in Stripshow-Skandal verwickelt“. Daraus habe er gelernt, sagt er heute. „Es gibt Leute, die mir aus der kleinsten Sache einen Strick drehen wollen“, sieht er sei- ne Vorurteile bestätigt. „Ich mag die Politik nicht“, betont er, da sie größtenteils „Monkey Business“ sei – ein schmutziges und korruptes Geschäft. Dass er nun 53.000 Pfund im Jahr verdient, rund 1500 Eu- „Ich mag die Politik nicht“: Drummond in seiner Stammkneipe ro die Woche, sei die eine Seite, „dass ich jetzt nicht immer das sagen darf, was ich wirklich denke,“ sei die andere. „Er ist einer von uns und drückt sich so aus, dass ihn jeder ver- steht“, sagt der Taxifahrer. „Ich habe ihn gewählt, weil er auch die Leute nach der Meinung fragt“, sagt die Frau an der Kasse des Super- markts. „Die Arbeitslosenquote ist von sechs auf 3,4 Prozent gesun- ken“, sagt der Besitzer des kleinen Hotels, „das hatte ihm doch keiner zugetraut.“ Anfang Mai wurde Drummond für vier weitere Jahre wie- dergewählt. Ein DIN-A4-Zettel war alles, was er einsetzte, um die Wähler ein weiteres Mal zu überzeugen. Seine Freunde hatten das Pa- pier kopiert und an alle Haushalte verteilt. Auf der Vorderseite das, was er in drei Jahren geschafft hatte, auf der Rückseite, was er in den nächsten Jahren erreichen möchte. Dazu eine Anmerkung: „Dies ist die einzige Wahlwerbung, die Sie von mir erhalten werden. Ich möch- te weder Ihren Briefkasten überschwemmen, noch an Ihre Haustür klopfen.“ War er beim ersten Mal noch mit einem knappen Vorsprung von 600 Stimmen gewählt worden, sprach man ihm nun mit einer Mehrheit von über 10.000 Stimmen das Vertrauen aus. „Für viele werde ich immer der Affe bleiben“, sagt er heute, „in Hartlepool aber hat man erkannt, dass man kein großer Politiker sein muss, um ver- ständliche Politik zu machen.“ Die Gegenwart großer Politiker ist ihm ohnehin nicht ganz geheuer. Das sei ihm vor wenigen Monaten klar geworden, als er gemeinsam mit anderen Bürgermeistern beim Pre- mierminister in London zum Brunch eingeladen war. „Ich habe Tony Blairs Hand geschüttelt und der hat so breit wie im Fernsehen sonst auch gelächelt, mehr nicht. Das war überhaupt nicht meine Welt.“ „Unsere Stadt ist ein Dorf“: Hartlepool wird nicht von Rebellen bewohnt

RUND 79

rrund0106_76_79_Affeund0106_76_79_Affe 7979 007.12.20057.12.2005 18:28:4918:28:49 UhrUhr IM ABSEITS Möbelwart

SESSEL FÜR BALLACK BOBBY DEKEYSER war Torwart beim FC Bayern München, dem 1. FC Nürnberg und 1860 München. Dann hörte er als Profi fußballer plötzlich auf und begann, Luxusmöbel herzustellen – erfolgreich: Heute ist er Millionär und produziert auch für Brad Pitt und Uli Hoeneß

VON CHRISTIAN LITZ, FOTOS BENNE OCHS

Für die Wohnzimmer der Stars: Bobby Dekeyser (gr. Bild) produziert wasserfeste Luxusmöbel für eine exklusive Kundschaft. Brad Pitt und Julia Roberts kaufen hier ein, manchmal der Vatikan. Bald kommt auch Michael Ballack

Bobby Dekeyser läuft durch die großen Hal- Bobby Dekeyser kickt ein wenig. Er ist er- be ihr am besten gefallen, also sei da jetzt der len seiner Firma in Lüneburg, erklärt dies und folgreicher Unternehmer im heutigen Deutsch- Weltvertrieb, ganz einfach. das ganz freundlich, wirkt aber irgendwie ab- land, hat Dedon, eine Firma mit Weltruf, aus Als Bobby Dekeyser in seinem Büro von sei- wesend dabei. Plötzlich, vor langen Metall- dem Nichts nach oben gebracht, und das in nem Leben erzählt, ruft Uli Honeß an. Die bei- kästen stehend, sagt er: „Hier stellen wir Hu- Rekordzeit. Dedon produziert mit einem Po- den unerhalten sich einige Zeit über das letz- laro, den Grundstoff für die Dedon-Möbel, lyethylen-Grundstoff, auf den Dekeyser das te Spiel der Bayern, bevor Honeß es rauslässt her. Am besten kann er das erklären.“ Lächelt, Patent hat, wasserfeste Luxusmöbel, die aus- und fragt, ob Michael Ballack mal vor bei kom- deutet auf einen jungen Mitarbeiter hinter ei- sehen als seien sie aus Rattan. Brad Pitt kauft men könne, um sich Dedon-Sessel anzuschau- ner Glaswand und geht. Wohin? „Na, in die sie, Julia Roberts, halb Hollywood, sagt De- en. Er kann, denn Hoeneß und Dekey ser ken- Sporthalle“, sagt der Mitarbeiter. 500.000 keyser. Aber auch der Vatikan, die Spieler des nen sich, seit der bei Bayern Jean-Marie Pfaffs Euro hat der Chef in den vergangenen Mona- FC Barcelona und Bayern München. In Bar- Ersatzmann war. Firmenchef Dekeyser sagt, ten in die neue Halle, das Fitness-Studio für celona lebt seine Schwester, die von dort aus er habe als Fußballer viel gelernt, was ihm die Mitarbeiter, die Sauna und die Yogaräu- mit ihrem Mann den Weltvertrieb für Dedon heute hilft. Die Zahlen: mehr als 2000 Mitar- me investiert. Einfach so. Er mag Sport. leitet. Sie wollte in den Süden, Barcelona ha- beiter weltweit, 42 Millionen Euro Umsatz

RUND 80

rrund0106_80_83_Dekeyser_Fanseiteund0106_80_83_Dekeyser_Fanseite 8080 008.12.20058.12.2005 17:31:2817:31:28 UhrUhr IM ABSEITS Möbelwart

RUND 81

rrund0106_80_83_Dekeyser_Fanseiteund0106_80_83_Dekeyser_Fanseite 8181 008.12.20058.12.2005 17:31:3217:31:32 UhrUhr IM ABSEITS Möbelwart

muss klappen.“ Die ganze Fahrt über. „Das muss klappen. Das muss klappen.“ Am Mor- gen: Probetraining. Es klappt, am zweiten Tag unterschreibt er den Vertrag. Zwei Jahre beim FC Bayern München, da- nach der 1. FC Nürnberg. Er soll mit Andi Köp- ke konkurrieren. „Der war aber einfach bes- ser.“ Dass er es ohne Probleme sagt, zeigt den heute 41-jährigen Unternehmer als Realis- ten. Er geht zu 1860 München, Zweite Liga. Stammkeeper. Er hält gut. Doch in der letzten Partie vor der Winterpause bekommt er den Ellenbogen des Stürmers ins Gesicht, in der Nachspielzeit, bei einer Faustabwehr, Alles bricht. Ohnmacht. Notaufnahme. Wochen im Krankenhaus. Er liest in der Abendzeitung, dass die Löwen einen neuen Torwart verpfl ich- ten. Ihm sagt keiner was. Er ist 26 Jahre alt. Es sieht so aus, als bleibe das linke Auge blind. Sein Nachfolger im Lö- Möbelprofi mit Hund: Dekeyser hat sich eine Sporthalle spendiert wen-Tor, Rainer Berg, ist heute übrigens Ver- sicherungsmakler und regelt diesen Bereich für Dedon weltweit. Ein halbes Jahr später ist Bobby Dekeyser, ein Invalide mit narbigem im vergangenen Jahr, in diesem werden es 54 Entschluss. Seine Eltern müssen etwas un ter- Gesicht, aber zwei guten Augen, abends im Millionen sein, eher noch mehr. Die Steige- schreiben. Sie tun es, ohne genau zu wissen, Kel ler, um Skier mit Airbrush-Motiven aufmot- rungsraten der letzten Jahre lagen nie unter worum es geht. zen. Das ist sein neuer Beruf. Tausend Paar 30 Prozent. Er sagt: „Das Potenzial ist groß, Ski hat er gekauft von seinem letzten 1860er wir könnten locker 200 Millionen Umsatz ma- PFAFF SCHIESST, DEKEYSER Geld. Ist im Keller, hört das Telefon. Die Lö- chen. Nur kommen wir mit der Produktion HÄLT: „ICH WAR BLUTIG, ABER wen brauchen ihn, sein Nachfolger sei ver- nicht hinterher.“ ES HAT SPASS GEMACHT“ letzt. Er erinnert sich, wie sie ihn behandelt Er stammt aus einer Chaosfamilie, österrei- haben. Verlangt so viel, dass sie sicher Nein chische Mutter, belgischer Vater, immer unter- Als er volljährig wird, muss er nach Belgien sagen. Sie sagen Ja. „Aber eigentlich wollte ich wegs, getrennt, zusammen, getrennt. Er wächst zum Militär. Als Soldat spielt er in der zweiten aus dem Fußball raus.“ Drei Spiele, drei Klas- in Österreich, Belgien, in der Pfalz auf und belgischen Liga, und nach seinem letzten Tag seleistungen. Danach kommen gute Angebo- stellt als Teenager früh fest, dass Mädchen auf als Soldat steigt er ins Auto und fährt in ein te aus der Bundesliga und aus der Zweiten. Kicker stehen. Er habe kein Talent gehabt, Rehazentrum bei Frankfurt, um einen Freund Wirklich gute Angebote. Er lehnt alle ab. Er sagt er lächelnd, und das mit Training kom- aus Kaiserslautern, Dieter Kitzmann, zu be- hat ja schon im Krankenhaus Dedon gegrün- pensiert, mit viel Training. Weil er schlecht suchen. Ebenfalls dort: Jean-Marie Pfaff, Tor- det. Dekeysers ziehen nach Lüneburg, weil ist, wird er eben einfach ins Tor gestellt. So wart des FC Bayern München. Die beiden Bel- der Bauernhof da so billig ist. läuft das bei Jungs. Er landet in der Jugend gier unterhalten sich, trinken was und gehen 14 Jahre später: Dekeyser ist reich, besitzt von Wormatia Worms. Mit 14 Jahren nimmt schließlich in die Tiefgarage. Dekeyser malt eine Insel im Pazifi k, ein Privatfl ugzeug samt er an einem Talentwettbewerb teil, elf Spieler ein Kreidetor an die Wand. Pfaff schießt, De- Pilot, einen Masarati, arbeitet nur noch drei dürfen nach Amerika, Pelé und Beckenbauer keyser hält, stundenlang. „Ich war danach blu- Tage die Woche, den Rest der Zeit treibt er bei Cosmos New York besuchen. 50.000 be- tig.“ Aber es habe Spaß gemacht; sei ohne Hin- Sport. Aber er trägt die Verantwortung. „Ich werben sich, Bobby Dekeyser schafft es. Zwei tergedanken passiert. Ein halbes Jahr später bin unter Druck. Das ist spannend. Ist wie Tor- Jahre später bekommt er einen Vertrag als ruft Uli Hoeneß spät abends an, Raimond Au- wart sein, nicht zu wissen, wie es ausgehen Jungprofi beim 1. FC Kaiserslautern. Ab da fi - mann, die Nummer zwei der Bayern, falle lan- wird.“ Er trägt die Verantwortung in der Fir- nanziert er seinen Lebensunterhalt selbst und ge aus. Ein Torwart müsse her. Schnell. Pfaff ma wie ein Torwart und hat bisher noch keine geht aufs Internat. An einem Dienstag, in der habe gesagt, er sei gut. Dekeyser steigt ins großen Fehler gemacht. Nur ab und zu, da ver- zweiten Stunde, Englisch, steht er auf und Auto, fährt über Nacht von Brüssel nach Mün- misse er es, in eine volles Stadion zu laufen. sagt, er höre mit der Schule auf. Ein spontaner chen. Auf der Autobahn murmelt er: „Das Die Geräuschkulisse der Masse fehlt ihm.

RUND 82

rrund0106_80_83_Dekeyser_Fanseiteund0106_80_83_Dekeyser_Fanseite 8282 008.12.20058.12.2005 17:31:3717:31:37 UhrUhr IM ABSEITS Was wäre wenn …

DIE DEUTSCHLAND-REGEL: 14 FÄUSTE FÜR DEN SIEG Wenn es anders nicht geht, muss Jürgen Klinsmanns Nationalmannschaft eben auf eine Regeländerung dringen. PETER BOHNERT hat jedenfalls genau im Auge, wie Kahn, Lehmann, Hildebrand und Co. im kommenden Jahr Weltmeister werden

Mein Vorschlag verfolgt ganz schamlos nur ein Ziel: Deutschland Ein wenig Taktik: Ich denke an ein 2-4-1-System. Kahn spielt zen- wird Weltmeister. Ästhetik und Idee des Fußballspiels müssen da mal tral vor der Abwehr, schon wegen der psychologischen Wirkung. Fest zurücktreten – obwohl mein System sicher auch einen eigenen Reiz auf der Linie sehe ich Hildebrandt und Weidenfeller. Dazwischen ei- entwickeln kann. Folgende Überlegung: Wenn wir irgendwo kein Pro- ne Viererkette, die je nach Situation seitlich verschiebt und einzelne blem haben, dann auf der Torwartposition. Jürgen Klinsmann wird Angreifer doppelt oder auch dreifach angreift. Hohe Bälle kann man ohne Mühe sieben Weltklassekeeper aufstellen können, dazu fast in diesem Spiel ohnehin vergessen. Bleiben Gewaltschüsse (wenig gleichwertigen Ersatz. Die neue Regel lautet also: Sieben Torhüter, alle Chancen, vorbei an 14 fangsicheren Händen den Weg ins Tor zu fi n- dürfen die Hände gebrauchen, aber nicht den Strafraum verlassen. den) und schnelle, fl ache Kombinationen (auch schlechte Aussich- Man stelle sich vor, Kahn, Lehmann, Hildebrand, Rost, Enke, Butt ten). Bei Elfmetern stehen drei der sieben Keeper im Tor. und Weidenfeller hechten gleichzeitig im deutschen Strafraum um- Unsere vier Angreifer? Einer spielt knapp außerhalb des Straf- her. Welcher Stürmer wagt sich überhaupt noch da hinein? Welche raums, gleichzeitig schussstark und ein guter Passgeber. Dazu drei Mannschaft also will ein Tor gegen uns erzielen? Dreimal 0:0, das Strafraumstürmer, mindestens zwei mit starker physischer Präsenz dürfte für die Vorrunde wohl ausreichen, zur Not muss ein Tor vorne und ein Dribbler. Da sollte gegen sieben zweitklassige niederländi- erzielt werden. Die K.-o.-Runden überstehen wir im Elfermeterschie- sche Torleute doch etwas möglich sein. Auch sieben Brasilianer mit ßen. Dieser Vorschlag überwindet übrigens nebenbei auch noch den Handschuhen sind nicht sonderlich furchteinfl ößend. Und längerfris- Kahn-Lehmann-Dualismus und löst unser Defensivproblem – die Ab- tig? Wird Brasilien auch ein massives Nachwuchsproblem bekom- wehr entfällt ganz einfach ersatzlos. men. Wir nicht. ILLUSTRATION TONI SCHRÖDER

Fans mit Ideen, mit welcher Regeländerung ihr Klub besser dastünde, wenden sich mit ihrem Vorschlag bitte an: [email protected]

RUND 83

rrund0106_80_83_Dekeyser_Fanseiteund0106_80_83_Dekeyser_Fanseite 8383 008.12.20058.12.2005 17:31:3917:31:39 UhrUhr IM ABSEITS Ewige Talente

DIE VERLORENE GENERATION FUSSBALLER ZWISCHEN 26 UND 30 SIND IN DEN BESTEN JAHREN. DOCH IN DER NATIONALAUSWAHL SIND SIE RAR, IN DER LIGA UNTERREPRÄSENTIERT. RUND HAT EXEMPLARISCH DEN SCHICKSALEN DER SPIELER NACHGEFORSCHT, DIE VOR ZEHN JAHREN MIT BORUSSIA DORTMUND DEUTSCHER A-JUGENDMEISTER WURDEN. DAS RESULTAT: EINE GANZE SPIELERGENERATION HATTE EINFACH SCHLECHTE KARTEN VON RAIMUND WITKOP, FOTOS SEBASTIAN VOLLMERT UND TILLMANN FRANZEN

Sie waren die strahlenden Prinzen ihrer der Dortmunder Jugend, denkt ungern daran Ballack und Frings. Typischerweise haben Jahrgänge. Die künftigen Könige der Fußball- zurück: „Wir haben in dieser Phase Titel ohne auch diese beiden ihren Durchbruch erst mit welt. Jedenfalls haben sie das geglaubt, und Ende gesammelt, aber viel zu wenige Spieler 22, 23 Jahren geschafft. es ist ihnen Tag für Tag eingeredet worden. herausgebracht.“ Ein kleiner Teil des Problems Die Namen der Dortmunder von 1996/97 „Wir haben alle Titel geholt“, sagt Devrim war hausgemacht: Borussia wollte die Titel, sind heute nur noch im „Kicker Almanach“ Kalaycı, inzwischen 28 Jahre alt. „Fast immer es galt das Prinzip „Team vor Talent“. Heu te zu fi nden; ihre weiteren Wege mitunter nur waren wir haushoch überlegen, fast alle kommen schon 17-Jährige wie Nuri S¸ahin detektivisch zu ermitteln. Viele blieben lange waren Jugendnationalspieler. Wir mussten zu den Bundesligaprofi s, wenn sie etwas Jahre in Dortmund oder kehrten von anders- doch etwas können.“ versprechen – völlig egal, ob ihre Jugend- wohin zurück, spielten für die Amateurmann- Am 7. Juli 1996 gewann die A-Jugend von mannschaft darunter leidet. schaft und warteten auf ihre Chance. Für die Borussia Dortmund unter Trainer Michael Als die stolzen Dortmunder der Jahrgänge meisten kam sie nie. Vier Gesprächsprotokolle Skibbe das Finale der Deutschen Meisterschaft 1977 und ’78 erwachsen wurden, stellte sich mit Spielern der Meistermannschaft erzählen mit 2:0 bei Waldhof Mannheim. Es war der die Liga gerade auf das Bosman-Urteil von von Hoffnungen, Wendungen und Einsichten. dritte von fünf Titeln, die der BVB damals in 1995 ein und verplante die anschwellenden Bemerkenswert refl ektiert und optimistisch, Serie gewann. Aus dieser Elf haben zwei, Fernsehmillionen. Die Eigengewächse nicht übrigens. Denn sie könnten auch mit ihrem nämlich Christian Timm und Wladimir But, nur der großen Klubs mussten mitansehen, wie Schicksal hadern. Ende Oktober 2005 liefen eine eher wechselvolle Bundesligakarriere für ihre Position jährlich zwei Ausländer geholt für Dortmund in einem Spiel gegen Mönchen- hingelegt. Zwei weitere haben genau einen wurden. Im weiteren WM-Kader von Jürgen gladbach die A-Jugendlichen Nuri S¸ahin, 17, Erstligaeinsatz erlebt. Erwin Boekamp, damals Klinsmann fi nden sich viele Junge und einige und Marc-Andre Kruska, 18, auf; daneben wie heute Koordinator des Leistungssports in Routiniers – die Ausnahmen dazwischen sind noch vier weitere Eigengewächse des BVB.

AREK GRAD ÇETIN GÜNER SpVgg Erkenschwick Elazigspor (Oberliga Westfalen) (2. Liga Türkei)

ERDAL ERASLAN CHRISTIAN TIMM WLADIMIR BUT DENNIS VOGT Fortuna Düsseldorf SpVgg Greuther Fürth Schinnik Jaroslavl Schalke II (Regionalliga Nord) (2. Liga) (russische Premier League) (Oberliga Westfalen)

DEVRIM KALAYCI BENJAMIN KNOCHE DENIZ S¸AHIN KLAUS VOIKE VfL Schwerte Möchengladbach II FC Gütersloh Junkersdorf (Verbandsliga) (Oberliga Nordrhein) (Oberliga Westfalen) (Oberliga Nordrhein)

MATTHIAS KLEINSTEIBER Torwarttrainer der Dortmunder Jugend

DIE AUFSTELLUNG VON 1996 UND DIE DERZEITIGEN KLUBS DER DEUTSCHEN JUGENDMEISTER

RUND 84

rrund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppenund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppen 8484 007.12.20057.12.2005 19:21:2119:21:21 UhrUhr IM ABSEITS Ewige Talente

RATGEBER IN DER 4. LIGA: BENJAMIN KNOCHE WILL BALD EINE LEHRE MACHEN

BENJAMIN KNOCHE und kurz vor Schluss kam René Schneider für schaft habe ich noch Kontakt, das ist ziemlich (Borussia Mönchengladbach II) mich rein. Der wurde gnadenlos ausgepfi ffen, ungewöhnlich. Ich erinnere mich gut an das Spiel; wahr- bevor er einen Ball berührt hat – er war wohl Heute werden in Dortmund und anderswo scheinlich, weil ich in der zweiten Minute das irgendwie ein Symbol für die verkorkste Situ- Jugendspieler hochgeholt. In Dortmund schon 1:0 gemacht habe. Ein scharfer Freistoß von ation. Ich dachte zuerst, ich hätte so grausam allein aus fi nanziellen Gründen. Das war da- Christian Timm, ich musste nur noch den Fuß gespielt, dass sie meinetwegen pfeifen. Habe mals eben anders. Wir haben oft gegen Bo- hinhalten. Natürlich gab es für mich damals ich aber nicht. Meine Leistung war ordent- chum gespielt und jedes Mal gewonnen. Von nur ein Ziel, nämlich Profi in der Bundesliga lich, und ich bin sicher: wenn wir das Spiel denen sind unter anderem Freier, Schind- zu werden. Das wollte jeder aus dieser Mann- nicht verloren hätten, dann hätte ich mehr zielorz und Fahrenhorst Profi s geworden. Die schaft. Viel ist daraus nicht geworden, das Chancen bekommen als nur diese eine. sind früh gefordert worden und hatten viele muss man zugeben. Christian Timm hat Bun- Das heißt nicht, dass ich irgendetwas be- Chancen. Aber ich neige nicht dazu, einfach desliga gespielt, und Wladimir But. Dann kom- reue. Die Zeit in der A-Jugend war toll, die vie- die Schuld bei anderen oder bei den Umstän- me schon ich, mit einem einzigen Spiel. len Jahre bei den BVB-Amateuren auch. Rück- den zu suchen. Und ich bin keineswegs verbit- Damals, 1997, hatten unsere Profi s ja die blickend hätte ich da viel früher weggehen und tert. Ich hoffe, weiter in Gladbach spielen zu Cham pions League gewonnen und spielten woanders mein Glück suchen müssen. Die können, da bin ich jetzt der erfahrene Ratge- danach unter gegen den Abstieg. Chancen beim BVB waren objektiv nicht gut; ber für die Jungen, wenn sie meinen Rat denn An einem Montag habe ich erfahren, dass ich namhafte und teure Spieler waren vor mir, wollen. Und nächstes Jahr werde ich eine Aus- am Dienstag gegen Leverkusen anfangen soll. und ständig wurden neue geholt. Aber es war bildung anfangen, die habe ich noch nicht. Da war er also, mein Traum. Wir verloren 0:1, schön in Dortmund. Zu vielen aus der Mann- Bankkaufmann wäre mein Wunsch.

RUND 85

rrund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppenund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppen 8585 007.12.20057.12.2005 19:21:2219:21:22 UhrUhr IM ABSEITS Ewige Talente

DER HOBBYFUSSBALLER: DEVRIM KALAYCI LERNT LIEBER FÜR DIE ABENDSCHULE

DEVRIM KALAYCI mich zum Betriebswirt weiterbilde. Am Wo- ist mit unserem ersten Kind schwanger, und (VfL Schwerte) chenende Spiel. Der Fußball ist also für mich ich freue mich auf alles, was kommt. Aus meiner Zeit bei der A-Jugend und weite- nur noch Vergnügen und Ausgleich, Stress Ich denke, ich bin mit meinen Entscheidun- ren zwei Jahren bei den Amateuren von Bo- habe ich in den anderen Bereichen genug. gen immer gut gefahren. Vor allem, weil ich russia Dortmund erinnere ich mich vor allem Natürlich könnte ich mit meinen 28 Jahren sie allein für mich getroffen habe, mit allen an eines: wie sehr wir alle darauf gebrannt immer noch weitaus höher spielen, aber das Konsequenzen. Wenn mich jemand beraten haben, mal bei den Bundesligaprofi s mittrai- ist es mir nicht mehr wert, der ganze Auf- hätte, wie bei vielen meiner Mitspieler, und nieren zu dürfen. Und wie aussichtslos es für wand. Man muss ehrlich mit sich sein und der hätte gesagt: du musst unbedingt hier weg die Jungen war, schon dieses bescheidene Ziel irgendwann sagen: Das war’s mit den Ambi- und dort hin, und das wäre schief gegangen zu erreichen. In diesen Dortmunder Nach- tionen im Fußball. Ich habe nach der Dort- – dann hätte ich mich wirklich geärgert. wuchsmannschaften steckte unglaublich viel munder Zeit meine Lehre als Kaufmann ab- Klar, manchmal reibe ich mir schon die Au- Potenzial, und kaum einer von uns hat es in geschlossen und dann beim Wuppertaler SV gen, wenn ich heutzutage einen dieser jungen den Profi bereich geschafft. Es war wohl ein- und später in Gütersloh unter Profi bedingun- Spieler sehe, die nach ein paar Monaten Bun- fach die falsche Zeit, damals. gen trainiert und gespielt, also Vollzeit und desliga jetzt schon in der Nationalmannschaft Ich spiele jetzt beim VfL Schwerte in der mit allem Einsatz. auftauchen und vielleicht sogar im nächsten Verbandsliga, das macht mir Spaß und ist gut Das war eine spannende Zeit, die ich sehr Jahr bei der Weltmeisterschaft dabei sein dür- so. Meine Woche sieht so aus: Ein normaler genossen habe. Aber es ging einfach nicht fen. Das freut mich für diese Jungs. Ich bin 40-Stunden-Job als Angestellter, dazu dreimal weiter. Also habe ich mich um einen Beruf aber nicht der Typ, der irgendetwas nachtrau- Training und dreimal Abendschule, wo ich und meine Familie gekümmert. Meine Frau ert. Ich lebe im Jetzt, und da ist es gut.

RUND 86

rrund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppenund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppen 8686 007.12.20057.12.2005 19:21:2419:21:24 UhrUhr IM ABSEITS Ewige Talente

ENDLICH SPIELPRAXIS: CHRISTIAN TIMM IN DER KABINE VON GREUTHER FÜRTH

CHRISTIAN TIMM Ich habe dann in Köln und Kaiserslautern Meine Mitspieler von damals sind in der (SpVgg Greuther Fürth) gespielt. Da gab es gute Phasen, aber auch ei- dritten und vierten Liga? Ich verstehe das. Das war damals eine richtig starke Mann- nen ewigen Teufelskreis zwischen Verletzun- Wenn man den Sprung nicht schafft, wird es schaft, wir waren sehr dominierend. Ich selbst gen und deshalb fehlender Spielpraxis. Das irgendwann schwer, schon allein physisch auf bin noch zwei weitere Male A-Jugendmeister mit den fehlenden Einsatzzeiten zieht sich ein Niveau zu kommen, das man braucht. gewesen, beim dritten Mal wegen eines geän- wie ein roter Faden durch meine Karriere, Dann reicht es einfach nicht mehr. derten Stichtags. Natürlich dachten wir, jeder auch bei vielen anderen meiner Generation. Ich selbst bin jetzt seit einem Jahr endlich einzelne von uns, dass man zu den besten die- In der U21-Nationalmannschaft waren wirk- verletzungsfrei. Mein Zahnarzt hat meinen ser Jahrgänge in Deutschland gehört. Genützt lich starke Leute, aber keiner war irgendwo Biss verändert; es kann gut sein, dass daher hat uns das nicht so viel, wie man sieht. Stammspieler. Man kann wohl wirklich sa- alle muskulären Probleme im ganzen Körper Es war die Zeit, wo durch das Fernsehen viel gen, dass meine Jahrgänge keine guten Kar- herkamen. Bei meinem Wechsel zu Greuther Geld in die Liga gefl ossen ist. Jeder wollte den ten hatten. Im Vergleich zu uns bekommen Fürth war klar, dass ich mir dort wieder Spiel- Erfolg erzwingen, das heißt erkaufen. Ich hat- die Jungs heute die Chancen geradezu ge- praxis für die Erste Liga erarbeiten will. Dort te in Dortmund zwar einige Bundesligaein- schenkt. Mit all den heute jungen Spielern will ich wieder hin; allein schon, um mir sätze, aber nie das Gefühl, dass man auf mich haben wir in fünf Jahren wahrscheinlich eine selbst zu beweisen, dass ich es kann. Was ich setzt. Nicht mal, als unser Jugendtrainer Skib- riesenstarke Nationalmannschaft. Aber mei- verpasst habe, kann ich nicht mehr nachho- be die Profi mannschaft übernahm. Mit Leu- ne Generation fehlt da, mit Ausnahme von len. Aber ich bin ja im besten Fußballeralter, ten wie Möller, Sousa oder Julio Cesar zu trai- Ballack. Und wir hatten ja nicht weniger Ta- wie man so sagt. Und ich glaube, dass ich noch nieren war natürlich trotzdem toll. lent als die Jungs von heute. sehr, sehr gut spielen kann.

RUND 87

rrund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppenund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppen 8787 007.12.20057.12.2005 19:21:2819:21:28 UhrUhr IM ABSEITS Ewige Talente

ZURÜCK IN DORTMUND: MATTHIAS KLEINSTEIBER TRÄGT WIEDER SCHWARZ-GELB

MATTHIAS KLEINSTEIBER worden. Es gab schon Heimweh am Anfang, te, wurde nach zwei Spieltagen entlassen. Ich (Torwarttrainer Borussia Dortmund Jugend) aber ich wohnte bei den Schwiegereltern un- stand viermal im Tor. Ein 3:3 in Bochum dar- Zehn Jahre ist diese Meisterschaft her? Ich seres Physiotherapeuten, sehr nette Leute. Spä- unter, da habe ich kurz vor Schluss einen Elf- bin jetzt mein halbes Leben beim BVB, und ter zog ich dann in eine WG mit Ibrahim Tan- meter nicht halten können. Wenn wir damals ich hoffe, dass es noch mehr wird, und zwar ko am Borsigplatz. Wie alle habe ich davon dort gewonnen hätten – vielleicht wäre mei- als Torwarttrainer in der Jugend. Wenn alles geträumt, eines Tages im ne Karriere nach oben gegangen. Ich glau be, gut geht, werde ich spätestens im nächsten aufzulaufen. Tatsächlich habe ich dort oft auf dass so etwas stark von Zufällen, einfach vom Sommer angestellt. Mein Rücken ist nämlich der Bank gesessen: Ich war viele Jahre dritter Glück abhängt. So hat das Ganze mich zwei kaputt, mit 27 Jah ren. Ich hatte im Sommer Torwart. Zum Einsatz kam ich nie. Die beiden Jahre gekostet, mit Arbeitsgericht und Kalt- schon bei Rot-Weiß Erfurt unterschrieben, ersten Torleute haben sich halt bester Gesund- stellung. Furchtbar. Bei der Rückkehr nach wollte noch mal richtig angreifen, als Füh- heit erfreut. Ich verstehe gut, warum viele von Dortmund hat sich Horst Köppel aber sehr für rungsspieler in einer jungen Mannschaft mit uns nie weggegangen sind oder wieder zu- mich eingesetzt. So etwas erlebt man beim Per spektive. Dann zeigte sich, dass eine Band- rückkamen. Man fühlt sich hier sicher und BVB. Heute würde ich einiges anders machen, scheibe praktisch aufgebraucht ist. Es geht behütet, man kennt sich und wird auch als noch mehr Einsatz und Ehrgeiz zeigen. Das nicht mehr. Irgendwann werde ich sogar eine Mensch gewürdigt. Irgendwo da draußen, da muss man nach außen signalisieren: Ich will, künstliche Bandscheibe brauchen. Hoffent- zählt nur die nackte Leistung und sonst über- ich will, ich will! Man muss den Leuten rich- lich kann ich mich dann noch bewegen und haupt nichts. 2001 bin ich zu Oberhausen in tig auf die Nerven gehen mit seinem Ehrgeiz. als Trainer arbeiten. Ich bin mit 14 Jahren aus die Zweite Liga gewechselt, da ging nahezu Nicht zu viel, aber doch ziemlich. Ich war da Erfurt in die B-Ju gend von Dortmund geholt alles schief. Der Trainer, der mich geholt hat- vielleicht zu zurückhaltend.

RUND 88

rrund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppenund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppen 8888 007.12.20057.12.2005 19:21:3219:21:32 UhrUhr IM ABSEITS Spiel mit Puppen

Ballack übt Moonwalk Dieses Mal in der mondsüchtigen RUND-Puppen-Story: DIE ERSTE MONDLANDUNG – Michael Jackson und sein gemeiner Affe Bubbles entführen SuperBallack

FOTOS STEPHAN PFLUG Monat für Monat erleben unsere runden Superhelden die unglaublichsten, wahnwitzigsten Abenteuer des Alltags

Aaow! Michael, I love Noch vor Trainingsbeginn befin- you. Chu! Hast du det sich SuperBallack wieder auf schon was vor? Chu! Ich würde dir gerne seinem morgendlichen Rundflug zeigen, wo Moonwalk durchs All. Er rechnet mit nichts am besten geht? Bösem, doch da begegnet ihm überraschend Michael Jackson:

Moonwalk? Hört sich gut an. Ich komm mit!

Doch da! Bubbles stellt Und jetzt die Hacke langsam hochziehen. SuperBallack ein Bein: ! Eine Spur! War vor mir schon einer da? h

Hi hi hi !!! h

h

a

A

I love all of you!!? Tja, SuperBallack, … jetzt aber nicht … er schon ande- … seinen Moon- bad? damit hattest du … gerechnet, dass … ren Supertypen … walk gezeigt hat!!!

Michael Jackson ist Und keiner von uns ja so was von bad!! kennt den Heimweg.

:

Im nächsten Heft Prinzlieber Poldi König.wäre Wir danken der Firma Revell für die freundliche Bereitstellung der Kick-O-Mania-Puppen.

RUND 89

rrund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppenund0106_84_89_BVB_A-jugend_Puppen 8989 007.12.20057.12.2005 19:21:3519:21:35 UhrUhr IM ABSEITS Weltklasse

Neues und Skurriles

aus derWelt ganzen des Fußballsrunden DIEGO – DIE ROLLE „Es ist die Geschichte eines wunderschönen Mädchens, das sich wie verrückt in einen jungen Fußballspieler verliebt hat“, berichtet der Fernsehproduzent Dani Paran über eine Seifenoper, die er gerade für einen israelischen Sender vorbereitet. Der junge Spieler geht ins Ausland und lässt die schwangere Frau zurück. Die treibt ab und kann später keine eigenen Kinder mehr empfangen. Sie schwört Rache und heiratet einen russischen Oligarchen, den sie, was ja nahe liegt, bittet, den Fußballverein zu kaufen, bei dem ihr früherer Lover heute spielt. Der wird dargestellt von, so viel Exklusivität muss sein, Diego Maradona. Ob der Fußballgott persönlich zu den Drehar- beiten ins Heilige Land einschwebt oder ob seine Szenen in Argentinien gedreht werden, ist noch offen. Fest steht Auf den Leib hingegen, dass alle Darsteller Hebräisch sprechen, geschneidert: Maradona jedoch Spanisch reden darf und synchronisiert Maradona wird Soapstar in Israel wird. Produzent Paran erklärte der Tageszeitung „Jerusalem Post“, ein Geschäftspartner von ihm, der mit Maradona befreundet sei, habe den Deal eingefädelt. Als fußballkundige Nebendarsteller wurden angeblich die Profi s von Betar Jerusalem, einem israelischen Erstligisten, verpfl ichtet. Die Dreharbeiten beginnen im Januar. MARTIN KRAUSS, FOTO DPA

HUNDERT PROZENT SCHIZOPHREN Frankreichs Nationaltrainer RAYMOND DOMENECH wird jetzt schon von seiner Freundin lächerlich gemacht. Und zwar in ihrer eigenen Talkshow

Sich über Nationalcoach Raymond Domenech lustig zu ma- leidigen, versucht Denis diskret, ihren Lebensgefährten zu chen, gehört in Frankreich zum guten Ton. „100% Foot“ verteidigen. „Auch 1998 war der Nationaltrainer vor der WM heißt eine Fernsehsendung, wo zum guten Ton das passende umstritten!“, ist ihr wichtigstes Argument. Der Gipfel war er- Bild kommt. Die Talkshow läuft auf dem Trashsender „M6“, reicht, als Domenech selbst in die Sendung kam. Eine Stunde wo ansonsten nackte Hintern, Rap und Reality-TV eine schmie- lang hat Denis ihren Geliebten interviewt und ihn dabei ge- rige Verbindung eingehen. Rund um den Tisch haben sich siezt: „Es scheint, dass Sie ein Gefühlsmensch sind. Man sagt, zwei schlecht schreibende Journalisten, ein komplett außer dass Sie im Kino weinen“, sagte die von einem Anfall von Schi- Form geratener Exspieler, ein Prominenter mit Fußballleiden- zophrenie geplagte junge Frau. Später gab sie die Frage in die schaft und die Moderatorin versammelt. Letztere ist Estelle Runde: „Müssen wir an Domenech glauben?“ Da konnte der Denis, 28-jährige Lebensgefährtin von Domenech und seit sich nicht mehr zurückhalten: „Wenn du nicht mehr an mich kurzem Mutter einer gemeinsamen Tochter. Während die vier glaubst, geht es uns schlecht.“ Der Beziehung vielleicht, den Eingeladenen Raymond Domenech in einer Tour fröhlich be- Quoten nicht. MARC BEAUGÉ

RUND 90

rrund0106_90_91_Weltklasse_aund0106_90_91_Weltklasse_a 9090 007.12.20057.12.2005 19:19:4119:19:41 UhrUhr IM ABSEITS Weltklasse

PROST MAHLZEIT! Auf dem Platz, auf dem die ersten deutschen Länderspiele stattfanden, wird eine MENSA gebaut. Und wo einer der ersten Traditions- klubs spielte, entsteht ein ALTERSHEIM

Auf dem Engländerplatz in Karlsruhe fanden mit die ersten Fuß- ballvergleiche einer deutschen Auswahl mit internationalen Geg- nern statt. Urländerspiele nennt man diese Partien, die noch vor Gründung des DFB im Jahre 1900 ausgetragen wurden. Bereits et- liche Jahre zuvor hatte der Fußballpionier Walther Bensemann in- ternationale Vergleiche in der früheren badischen Residenz ermög- licht. Doch den historischen Fußballplatz gibt es seit einigen Mo- an die Stadtverwaltung – vergeblich. Ob Vorschläge für ein Fußball- naten nicht mehr. Das Studentenwerk Karlsruhe lässt dort für rund museum oder einen Bolzplatz für alle: Die Resonanz war gleich sieben Millionen Euro eine neue, riesige Mensa für drei Hochschu- null. Noch schlimmer hat es im Übrigen den Karlsruher FV, er- len bauen. Sehr zum Verdruss von Tom Beck, Sprecher der KSC- wischt. Der Deutsche Meister von 1910 hatte einst das nach dem Supporters. „Es ist unglaublich, wie man hier mit einem Stück Wildpark schönste Spielgelände der Stadt. Doch im schmucken Sporthistorie umgeht. Dieser Platz ist Fankulturerbe. Nicht mal ei- Stadion an der Telegrafenkaserne rollt das Leder seit kurzem nicht ne Plakette für Bensemann haben sie dort angebracht.“ Die Fans mehr. Dort entsteht eine Seniorenresidenz. des badischen Zweitligisten wandten sich mit einem offenen Brief VOLKER KNOPF , FOTO BENNE OCHS

§ Wer seltsame Geschichten über schönste Neben sa- Preis des Flitzens chen hören möchte, sollte um kurz nach Mitternacht in Nordengland in ein Taxi steigen. „Ach, Hansa Rostock erhält SCHADENSERSATZ Sie schreiben über Fußball? Dann er- von Fans, die über den Platz laufen zähl ich Ihnen mal was über George Rey- >Auf vieles hätte man kommen können: nolds“, beginnt der Fahrer. Vor kurzem Groben Unfug beispielsweise oder Erregung sei Reynolds noch Besitzer des Viertli- öffentlichen Ärgernisses, als im Oktober 2003 gaklubs Darlington FC gewesen. In der drei Flitzer durchs Rostocker Ostseestadion, Liste der reichs ten Männer Groß bri tan- ja, genau, fl itzten und die Erstligapartie niens wurde er auf Platz 112 geführt, zwischen Hansa und Hertha BSC empfi ndlich den Verein hatte er für umge rech net störten. Wenn schon nicht Unfug, dann 1,3 Millionen Euro gekauft. Was Rey- könnte man es immerhin wie das DFB- Sportgericht werten, nämlich als „mangeln- nolds allerdings niemandem verraten den Schutz des Schiedsrichters“. All die hatte, „jetzt halten Sie sich fest, mein Herr“: Das Geld, mit Tatbestände könnten vorliegen. Aber das dem er sein kleines Imperium für Einbauküchen aufge- Landgericht Rostock verurteilte jüngst drei baut hatte, stammte aus einem Bankraub in den 60er Jah- Herren wegen „Vertragsverletzung“ dazu, an ren. Heute, so der Taxifahrer weiter, sei der eins tige Tresor- Hansa Rostock 20.000 Euro Schadensersatz knacker pleite, säße im Gefängnis, der Klub hätte seinen zu leisten. Das ist genau die Summe, zu der Hansa vom DFB verurteilt wurde. Die guten Ruf verloren und ein fast 50 Millionen Euro teures Verurteilten verstießen gegen einen Ticket- Stadion, das er nicht brauche. „Verrückt, oder? Und nun vertrag mit dem Verein, dass sie ihren erzähle ich Ihnen mal was über …“ OLIVER LÜCK, FOTO PIXATHLON Plätzen sitzen bleiben müssen. Gewonnen hat übrigens Hertha mit 1:0.< MARTIN KRAUSS

RUND 91

rrund0106_90_91_Weltklasse_aund0106_90_91_Weltklasse_a 9191 007.12.20057.12.2005 19:19:4419:19:44 UhrUhr RUND Spielkultur

SPIELKULTUR Spielkultur muss gepflegt werden. Oder auch zelebriert. Mit ihr werden Blumenpötte gewonnen. Oder die Galerie begeistert: „Ich wurde schon von Anfang an so wenig ernst genommen, dass es sich nicht

lohnte, mich zu triezen. Ich war ja für niemanden eine Gefahr“ GÖTZ ALSMANN

94 INTERVIEW „Ja, Fußball ist sehr gut“ – Götz Alsmann hat keinerlei Fußballaffinität, lernt aber dazu 102 SCHUHGRÖSSEN Die Schuster der Superstars – eine Hand voll Franken näht Beckhams modische Bekenntnisse 106 MASSENSPEKTAKEL „Massen denken nicht, sie fühlen“ – Architekt Volkwin Marg hat neue Fußballarenen entworfen 116 AUSLAUFEN Die Furcht vor dem Geist von Malente – RUND- Kolumnist Jörg Thadeusz über Kicker im Hotel

RUND 93

rrund_92_93_Vorschalt_Spielkulturund_92_93_Vorschalt_Spielkultur 9393 006.12.20056.12.2005 11:53:1211:53:12 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

„JA, FUSSBALL IST SEHR GUT“ Sagt Entertainer GÖTZ ALSMANN, obwohl er in seinem Leben weder gekickt hat noch sonst eine Affi nität zum Fußball besitzt. Aber der 48-Jährige lernt dazu und erzählt, wie sehr ihn sein erster Stadionbesuch beeindruckt hat, warum Netzer und Delling ihn an absurdes Theater erinnern und für welchen Verein er eine Hymne komponieren würde INTERVIEW OLIVER LÜCK UND MALTE OBERSCHELP, FOTOS BENNE OCHS

Herr Alsmann, sprechen Sie häufig über Was ist bei Vater und Sohn schief gelaufen? Dann waren Sie auch nie wirklich Außenseiter? Fußball? Es hat einfach nicht gereicht. Ich habe ja al- Das kam erst später. Richtige Fans lernte GÖTZ ALSMANN: In meiner Band schon. les andere gemacht, gerne Indianer gespielt ich erst auf dem Gymnasium kennen. Da gab Wir sind über 100 Abende im Jahr unterwegs, und dergleichen. Das war ganz normal. Als es es welche, die hatten Kladden mit ausge- die Hälfte davon hängen wir in Hotelbars rum. dann die Bundesliga gab, war das natürlich schnittenen Tabellen und Bildern der Spieler. Und irgendwann sind wir beim Thema Fuß- ein Gesprächsthema in der Schule. Und es Die wurden dann stolz herumgezeigt. ball. Ich habe nicht wirklich Ahnung, eher so lief auch die „Sportschau“ bei uns zu Hause. Hat Sie das nicht beeindruckt? ein halbemotionales Neugierverhältnis. Aber Also doch ein gewisses Interesse. Geht so. Ich hatte dann eine Kladde, wo ich ich interessiere mich sicher mehr für die Bun- Es gab ja nur ein Programm. Wir hatten lauter Bilder von Jazzmusikern einklebte. So desliga als für Popmusik. Denn für Popmusik schon ganz früh einen Fernseher. Aber da wir hatte auch ich was zum Zeigen. interessiere ich mich überhaupt nicht. den so früh hatten, waren wir wahrscheinlich Wurden Sie dafür getriezt? Und Ihre Bandkollegen, sagen die dann „och, die Letzten in Münster, die auch das Zweite Nein, ich wurde schon von Anfang an so Götz“ und klopfen Ihnen auf die Schulter? Programm empfangen konnten, weil das alte wenig ernst genommen, dass es sich nicht Nein, so etwas gibt es bei uns nicht. Ich fra- Gerät von 1959 so lange einwandfrei funktio- lohnte, mich zu triezen. Ich war ja für nie- ge eher direkt: Wieso ist der nicht mehr da? niert hatte. manden eine Gefahr. Ich habe den Status quo Wieso spielt der jetzt da? Wir diskutieren Ta- Ihre Mitschüler haben über Fußball disku- nicht durcheinander gebracht. Ich rangierte bellenstände und Transfers. Dann werde ich tiert, Ihr Vater hat die „Sportschau“ geguckt, auf einem absoluten Subniveau, bis zu dem sachlich und hämefrei auf den Iststand ge- und Sie haben sich komplett verweigert? Tag, als ich während des Schulgottesdienstes bracht. Vergessen Sie nicht, dass ich der Chef Es ist einfach nicht an mich rangekommen. anfi ng, Jazzorgel zu spielen. Ab diesem Tag dieser Band bin. Ich habe viele Musiksendungen geguckt. Fuß- hat sich mein Leben total verändert, weil ich Haben Sie früher selbst mal gespielt? ball hatte für mich nicht diese Rolle bei den plötzlich jemand war in der Klasse. Aber bis Ich habe in meinem Leben nie Freude am Spielen auf der Straße. Wir verkleideten uns dahin war ich nichts. Ballspielen gehabt. Ich habe nie Fußball ge- lieber und waren Cowboys, Ritter, Lands- Und im Sportunterricht? spielt. Nicht auf der Straße, nicht auf dem knechte, Seeräuber. Diese Alltagsspiele hat- Eine Katastrophe. Ich musste immer ins Tor Spielplatz, nirgends. ten wenig mit Fußball zu tun. Da, wo ich die und war ein echter Sporthasser. Ich war Das gibt es doch gar nicht. ersten elf Jahre meines Lebens lebte, gab es Das gibt es. Mein Sohn ist genauso. Dem ha- auch keine Bolzplätze. be ich mal einen Ball geschenkt. Der hat mit nichts so wenig gespielt wie mit diesem Ball.

RUND 94

rrund0106_94_99_Interview_Alsmannund0106_94_99_Interview_Alsmann 9494 007.12.20057.12.2005 19:25:3419:25:34 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

„BREITSCHULTRIG, ABER SEHR WEICH“: GÖTZ ALSMANN WAR SCHON ALS SCHÜLER UNSPORTLICH

RUND 95

rrund0106_94_99_Interview_Alsmannund0106_94_99_Interview_Alsmann 9595 007.12.20057.12.2005 19:25:3519:25:35 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

zwar breitschultrig, aber sehr weich. Ich war nicht fl ink und hatte auch nicht den Drang, mich schnell zu bewegen. Ich hatte überhaupt keine Körperlichkeit. Empfanden Sie sich nie als sonderlich? sprecher käme. Das erste, was der aber sagte: Richtig bewusst wurde mir das erst 1969. Da „Der Fahrer mit dem Kennzeichen XY möch- war ich in einem Sommerjugendlager. Als dort te bitte sein Fahrzeug aus dem Weg fahren“. ein Fernseher für die „Sportschau“ organisiert Man ist in unserer Gesellschaft eben nicht Jahren: Man setzte sich ans Radio und mach- wurde, brach das ganze Lager in Jubel aus. mehr gewohnt, dass etwas 90 Minuten un- te einen Mokka. Heute labt man sich am gro- Nur ich lag auf meinem Etagenbett und las ein kommentiert bleibt. Dass es so eine Situation ßen Manni Breuckmann. Buch. Ich erinnere mich auch, dass ich an Ta- wirklich noch gibt, in der ein Mensch 90 Mi- Gehen Sie richtig mit am Radio? gen großer deutscher Endspiele in den 80er nuten auf sich gestellt ist, ohne dass ihm er- Ich habe damals dieses Schalke-Ding erlebt, Jahren mit meiner Freundin und späteren Ehe- klärt wird, was passiert. Das gibt es sonst nir- als Schalke für wenige Augenblicke Meister frau Radtouren unternommen habe. Aus der gends mehr. Es ist wirklich wahr: Im Stadion war. Was für ein Geschrei. Auf Schalke gehen Stadt hörten wir dann das kollektive „Uuuuuf“, genießt man noch Autonomie. schon die Raketen hoch und plötzlich meldet wenn etwas Dramatisches passiert war. Der letzte Ort der Eigenständigkeit? sich einer und sagt: „Nee, so weit sind wir Wie hat diese Begeisterung auf Sie gewirkt? Genau. Ich hatte nicht gedacht, dass man so noch nicht!“ Was für Emotionen. Bei uns auf Da meine Eltern das einzige Fernsehgerät im alleine gelassen wird auf der Tribüne mit sich der Straße lief gerade ein Maifest für Kinder, ganzen Häuserblock besaßen, bekam ich häu- und seinen Beobachtungen. Ich war heilfroh, so mit Würstchenbuden und Karussell. Ich fi ger Spiele mit. Alle Männer aus der Nach- als Mike Hanke eingewechselt wurde, weil musste dann schnell ins Haus, um die letzte barschaft saßen in unserem kleinen Wohn- da mal was gesagt wurde. Viertelstunde am Radio mitzuerleben zimmer. Meine Mutter schmierte Stullen, Wie haben Sie sich gefühlt? Alleine? servierte Kaffee und Bier. Das verfolgte ich Ich war sehr beeindruckt von den ganzen Alleine. schon mit einer gewissen Spannung. Das war Ritualen, von denen ich zwar gehört, die ich Und? aber mehr eine Faszination für diese kämpfe- aber noch nie miterlebt hatte. Das Verlesen Extrem dramatisch. Als ich zurück zum rische Situation, dass da jetzt ganz viele saßen, der Aufstellungen, die Reaktion des Publi- Fest kam, kamen auch alle anderen Väter ge- die für eine Seite zitterten. Mich hat mehr die kums. Irgendwann kam einer zu mir und sag- rade zurück. Fast alle hatten eine Körperhal- menschliche als die sportliche Komponente te: „Also wenn du schon hier bist, musst du tung, die ganz wenig Euphorie ausdrückte. interessiert. auch Farbe bekennen.“ Er hat mir seinen Sie leben in Münster. Stimmt es, dass Sie eine Und wann die sportliche? Schalke-Jubiläumsschal geschenkt. Stadionhymne für Preußen Münster geschrie- Mitte der 90er hatte ich ein Stadium er- Werden Sie wieder ins Stadion gehen? ben haben? reicht, wo ich gelegentlich was Qualifi ziertes Nicht alleine, ich brauche einen Ansprech- Die hatten so eine Hymne aus den 70ern: sagen konnte. Da gab es die Jahre, als Dort- partner, da mir manche Dinge und Pfiffe „Wir sind die Jungs von Preußen Münster, mund zweimal Meister wurde. Ich habe ein manchmal nicht ganz klar sind. Das scheint wir sind alle Zeit am Ball. Fußball, das ist un- tiefer gehendes Interesse entwickelt und ange- aber manchem Stammgast nicht anders zu ge- ser Leben, wir kämpfen hart um jeden Ball“. fangen, die Sportseiten zu lesen. Ich habe mir hen. Die berühmte Taktik und der berühmte Also ein Lied, in dem sich Ball auf Ball reimt. dann auch immer einen Verein ausgesucht, Spielzug sind aber viel leichter zu erkennen Anfang der 90er fand man, dass mal was an- den ich etwa ein Jahr lang unterstützt habe. als im Fernsehen. Der Begriff Stellungsspiel deres hermüsste. Unser Schlager ging so: „Im Auch im Stadion? bekommt eine ganz andere Bedeutung. Plötz- Flugwind des Balles sind alle Menschen Brü- Letztes Jahr im Oktober: Schalke gegen lich sieht man das Spiel ohne Ball und die Leu- der. Verspielen sie auch alles, wir kommen Hertha BSC. te sich zurückbewegen auf eine offensichtlich trotzdem immer wieder. Denn vom Fußball- Das war Ihr erstes Spiel im Stadion? vorher bestimmte Position. Das alles wird im spiel die Seele ist ein Lied aus rauer Kehle. Ich hatte noch nie zuvor ein Fußballstadion Fernsehen überhaupt nicht deutlich. Mit der Bratwurst in der Hand beim Fange- betreten. Hören Sie Fußball im Radio? sang am Spielfeldrand.“ Ich hatte das zum ab- Und, wie war es? Das war immer der Fall, da ich ein großes soluten Selbstmordpreis komponiert, produ- Ich glaube, ich habe ein Gesicht gemacht, Maß Nostalgie mit mir herumtrage. Spiele ziert und auch noch die Musiker bezahlt. Auf wie mein Sohn, als er zum ersten Mal auf dem im Radio erinnern mich daran, wie mein Va- die paar Pimperlinge Gage musste ich aber Weihnachtsmarkt war. Ich war wirklich be- ter, mein Großvater und mein Onkel auf Mit- jahrelang warten. Es war sicher nicht der Hö- reit, alles in mich aufzunehmen. Und ich war telwelle den Stadionreportern zuhörten. Ein hepunkt meines bisherigen musikalischen 47 Jahre alt, als das passierte. unauslöschliches Bild. Sie saßen in der Wohn- Schaffens, aber es war schön. Sie haben versucht, das alles aufzunehmen? küche meiner Oma und hörten diese großen, Ich glaube schon. alten, tiefen Stimmen. So war das in den 60er Bitte erzählen Sie. Zunächst war ich total überrascht, dass das Spiel nicht kommentiert wurde. Ich hatte ge- dacht, dass ein bisschen mehr vom Stadion-

RUND 96

rrund0106_94_99_Interview_Alsmannund0106_94_99_Interview_Alsmann 9696 007.12.20057.12.2005 19:25:4519:25:45 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

„IM STADION GENIESST MAN AUTONOMIE“: ALSMANN LACHT

RUND 97

rrund0106_94_99_Interview_Alsmannund0106_94_99_Interview_Alsmann 9797 007.12.20057.12.2005 19:25:4519:25:45 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

„GÜNTER NETZER HINTERLÄSST MICH RATLOS“: ALSMANN GEHT

RUND 98

rrund0106_94_99_Interview_Alsmannund0106_94_99_Interview_Alsmann 9898 007.12.20057.12.2005 19:25:5319:25:53 UhrUhr SPIELKULTUR Interview

Für welchen Klub würden Sie noch Wundert Sie, wie wichtig manche Spieler komponieren? genommen werden? Ich bin mit allen demokratischen Fußball- che seiner Äußerungen man jetzt als seine Wundert mich nicht. Fußball ist Teil des vereinen koalitionsfähig. Textlich hätte ich Äußerung versteht. Meine Beckenbauer-Pho- Entertainments. Und Fußball ist im Idealfall allerdings wohl nichts beizusteuern. Der Text bie wird auch von Mal zu Mal schlimmer. Als auch Kunst. Er verdient genauso ausführlich müsste mit dem Herzen des Vereins geschrie- Freund der deutschen Sprache kann man diskutiert zu werden, wie andere künstleri- ben sein. Für manchen Verein wären meine kein Fan von Beckenbauer sein. Und diese sche Leistungen, wie Ballett, Musik, Film Sympathien aber sicher größer. Das ist wie Delling-Netzer-Inszenierung kommt mir vor und Theater. Da liefern die Protagonisten na- mit den Trainern, da fi nde ich auch den einen wie ein großes Ionesco-Theaterstück. türlich 1A-Diskussionsstoff. besser als den anderen. So absurd? Ihre gesamte Vorgeschichte passt nicht zum Haben Sie Mitleid, wenn Trainer entlassen Ja, schon. Müsste man grundsätzlich in Fußball. Machen Sie gerade eine Wandlung werden? schwarz-weiß gucken. Aber mit einem etwas durch und wissen noch nicht, wo es hingeht? Oft denke ich, jetzt fl iegt der Kerl, weil sei- kargeren Hintergrund, studentisches Studio- Ganz genau. Ich kann nicht ausschließen, ne Spieler ihn komplett verarscht haben. Pa- theater: Pop-Art-Elemente hängen von der dass ich, wenn ich es berufl ich etwas ruhiger radiesvögel, Zirkuspferdchen, die den takti- Decke in schwarz, grau und weiß, aber haupt- angehen lasse, ständig auf dem Fußballplatz schen Vorgaben aber nicht genügen. Totale sächlich grau. Davor stehen die Beiden und abhängen werde. Ich hatte auch mal eine Arbeitsverweigerung. Ich fi nde das grauen- sprechen so tonlos wie der Netzer. Wie so ein Zeit, in der ich Theater ablehnte, und das ist voll. Das wäre, als würde in einem Stadtthe- Ionesco-Stück: „Die kahle Sängerin“, „Die heute das Größte für mich. In Sachen Fuß- ater ein Orchester spielen und der Dirigent Stühle“ oder diese anderen Klassiker aus den ball mache ich sicher eine Wandlung durch. würde gefeuert, weil die Trompeter beschis- 50er Jahren. Aber Fan sind Sie noch nicht. sen spielen. Wie kommt es, dass Sie wenige Profifußballer Ich bin seriös interessiert. Als Späteinstei- Jetzt regen Sie sich ja so richtig auf. in „Zimmer Frei“ zu Gast haben? ger muss ich noch einiges lernen, Kommen- Mich regt auch die Pseudointellektualisie- Ganz am Anfang war mal Toni Polster da, tare hören, lesen und verdauen, mir Gedan- rung im Fernsehen auf. Da wird ein Niveau dann auch und Winnie Schä- ken machen. vorgetäuscht, das einfach nicht da ist. Irgend- fer. Netzer hatten wir auch mal eingeladen. Und wirkt der Fußball mittlerweile auf Sie? welche selbstgefälligen Kollegen von Ihnen, Warum wollte der nicht? Wie finden Sie ihn? Er ist gut, nicht wahr? Sportjournalisten, die natürlich das Rad er- Nicht sein Format. Ich glaube, er hat Recht. Ja, Fußball ist gut. Ich glaube sogar, Fußball funden haben und den tiefen Teller und zwar Ist das Format vielleicht generell nichts für ist sehr gut.< am selben Tag, als sie auch Beethovens Neun- Fußballprofis? te komponierten. Oder die, die seit Jahrzehn- Das glaube ich nicht. Es gibt viele, die eine ten keine ernst zu nehmende Aufgabe mehr gute Figur machen würden. Mit Oliver Kahn GÖTZ ALSMANN wurde am 12. Juli 1957 haben und mit einer unglaublichen Bräsigkeit oder Jens Lehmann würden wir eine span- in Münster geboren. Mit 15 Jahren und Arroganz über andere urteilen. Das erin- nende Sendung hinkriegen. Auch Oliver Bier- gründete er seine erste Musikformation, die nert mich an Helmut Schmidt. Wenn der hoff wäre ein guter Gast. Aber ein 21-Jähriger Heupferd Jug Band. In den 80er Jahren noch mal was sagt, dann meinen immer alle, hat einfach noch nicht so viel erlebt, dass man nahm er mit der Gruppe Sentimental ja toll, Helmut Schmidt sagt mal was. Aber eine ganze Stunde mit ihm eine Talkshow be- Pounders Platten auf, arbeitete als Autor insgeheim denken alle: „Wann hält der end- streiten könnte. Ich habe in der Arena auf der Musikzeitschrift „Spex“, moderierte lich die Klappe?“ Schalke mal einen Weltrekordversuch im Nu- zahllose Radiosendungen („Professor Was für ein Gefühl gibt Ihnen Günter Netzer? tella-Frühstück moderiert – unglaublicher Job Bop“)studierte Musikwissenschaft und Netzer hinterlässt mich ratlos. Seine Selbst- – und einige junge Spieler diverser Vereine schrieb eine Doktor arbeit. Seit 1996 mode- inszenierung verstehe ich nur zum Teil. Er kennen gelernt, die dort als Stargäste mit- riert Alsmann mit Christine Westermann die hinterlässt mich aber nicht so ratlos wie Franz frühstückten. Ich war doch platt, wie schüch- WDR-Fernsehshow „Zimmer frei“ (Sonntag, Beckenbauer, der sich in einem Satz grund- tern und zurückhaltend die waren. Wir haben 23.00 Uhr), in der Prominente auf ihre WG- sätzlich dreimal widerspricht. Man muss mit uns nicht über Fußball unterhalten. Es war ei- Tauglichkeit überprüft werden. Die Sendung sich selbst erst mal ins Reine kommen, wel- ne große Hilfl osigkeit bei diesen jungen Ker- erhielt 2000 den Grimme-Preis. Seit 1989 len zu spüren. Ich bin mir nicht so sicher, ob gibt es die Götz Alsmann Band, die vor- wir uns und denen einen Gefallen mit einer nehmlich deutsche Unterhaltungsmusik der Einladung zu „Zimmer Frei“ täten. 30er bis 60er Jahre in neuen Arrangements einspielt und bisher sechs CDs veröffentlicht hat. Mit der aktuellen CD „Kuss“ tourt Götz Alsmann zurzeit durch Deutschland.

RUND 99

rrund0106_94_99_Interview_Alsmannund0106_94_99_Interview_Alsmann 9999 007.12.20057.12.2005 19:25:5519:25:55 UhrUhr SPIELKULTUR Essen wie die Stars

„Am liebsten mit fetter Kochwurst“: Matthias Scherz (kl. Bild re.), Stürmer des 1. FC Köln, liebt den Grünkohl seiner Mutter

RUND 100

rrund_100_101_Essen_Wie_Die_Starsund_100_101_Essen_Wie_Die_Stars 100100 005.12.20055.12.2005 19:28:4719:28:47 UhrUhr SPIELKULTUR Essen wie die Stars

Grünkohl à la Scherz INGE SCHERZ, Mutter von Kölns Profi Matthias, über das Pinkelessen, Streit um Erdbeerkuchen und eine Ente als Lockvogel INTERVIEW SVEN LINDENBLATT, FOTOS BENNE OCHS UND PRIVAT

Frau Scherz, war Matthias früher pünktlich Winter muss ich für ihn immer Grünkohl ko- mich gefragt, wie ich die immer mache. Das am Essenstisch, wenn Sie gerufen haben? chen. Er nimmt sich das dann mit nach Köln. Rezept habe ich ihm dann aufgeschrieben. INGE SCHERZ: Ja, meistens schon, er Er hat auch schon Freunde wie Christian Ich glaube, das hat er dann auch ausprobiert, wollte ja schließlich schnell wieder auf dem Springer und Pascal Ojigwe zum Grünkohles- ob es gelungen ist, weiß ich allerdings nicht. Bolzplatz zurück sein. Ich musste ihm da- sen eingeladen. Die kannten das gar nicht, Gab es manchmal Streit wegen des Essens mals immer wieder sagen, dass er nicht so und Matthias wollte es ihnen mal zeigen. zwischen Matthias und seinen Geschwistern? schnell essen soll. Er selbst hat nie gekocht? Wenn es Erdbeerkuchen gab, musste ich Was hat er denn am liebsten gegessen? Doch, in seiner A-Jugend-Zeit waren häufi g den vorher aufteilen. Um den hat sich Matt- Da gab es einiges. Grünkohl mit fetter Koch- Mannschaftskollegen hier. Die haben sich hias immer mit seinem Bruder Heiko ge- wurst, die in unserer Bremer Gegend Pinkel dann abends Spaghetti oder Spiegeleier ge- kloppt. Ihre Schwester Kathy hat sich ihren heißt, Petersiliensoße, Senfeier oder Hühner- macht. Das konnte er. Teil meistens aufgespart. Die beiden Jungs frikassee sind seine Favoriten gewesen. Hat er sich von Ihnen schon mal Rezepte mit- haben dann so lange auf sie eingeredet, bis Und das hat sich bis heute nicht geändert? geben lassen? sie ihnen die Stücke abgegeben hat. Nein, wenn er zu Besuch ist, dann mach ich Ja, ich habe ihm das Rezept von Senfeiern Was isst man bei ihnen an Weihnachten? ihm immer einen großen Topf von dem Ge- und Petersiliensoße mal gegeben. Aber ich Jedes Jahr Entenbraten, das ist bei uns Tra- richt, das er sich wünscht. Alles was übrig glaube, das hat er nie gemacht. Als ich ihm dition. An Weihnachten ist Matthias auch bleibt, wird eingepackt und eingefroren. Im mal Pfannkuchen zubereitet habe, hat er immer hier, damit er seine Ente kriegt.

RUND 101

rrund_100_101_Essen_Wie_Die_Starsund_100_101_Essen_Wie_Die_Stars 101101 005.12.20055.12.2005 19:28:5519:28:55 UhrUhr SPIELKULTUR Schuhgrößen

Die Schuster der Superstars FUSSBALLSCHUHE WERDEN IMMER MEHR ZU MODISCHEN BEKENNTNISSEN. SIE SIND BUNT ODER ERINNERN AN KLEINE RAUMSCHIFFE. FÜR DIE STARS DER BRANCHE WERDEN UNIKATE SOGAR MASSGESCHNEIDERT – ZUSAMMENGENÄHT VON EINER HAND VOLL FRANKEN

VON CHRISTIAN DOTTERWEICH, FOTOS EDWARD BEIERLE

RUND 102

rrund0106_102_105_Adidas_Schuhproduktionund0106_102_105_Adidas_Schuhproduktion 102102 007.12.20057.12.2005 19:32:2519:32:25 UhrUhr SPIELKULTUR Schuhgrößen

Für französische und deutsche Treter: Es ist genug Känguruleder für alle da

An der Pforte im Scheinfelder Adidas-Werk offenbart sich des Frankens mundfaule Art. Der bullige Mann im roten Pullover hakt noch Von Ballack bis Zidane: In mittelfränkischen einmal nach. Ein Termin? Aber bei wem? Den Regalen lagern die Leisten vieler Stars Namen habe er noch nie gehört. Dabei wartet die Marketingfrau im Aufenthaltsraum. Nach- dem sich der Sicherheitsmensch telefonisch anfertigungen werden hier, als einzige Seri- Poldi. Wenn er fertig ist, nennt sich der Schuh erkundigt hat, geht es endlich zum Global enproduktlinie, die „Copa Mundial“ gefertigt. F50+. Damit spielt die deutsche Sturmhoff- Technology Center. In die Schuhmanufaktur, Wie weiland beim Schuster riecht es nach nung in einer Liga mit Djibril in der die teuersten Fußballstiefel der Welt Leim und Leder in der weißen Fabrikhalle. Cissé, Arjen Robben, Alessandro Del Piero hergestellt werden. Doch an den mannshohen, grünen Maschi- oder Javier Saviola. Auch Bundesli gakicker Der letzte deutsche Produktionsstandort nen vorbei leuchten sie auf, hinten an den wie Kevin Kuranyi, Zé Roberto oder Bastian des Sportartiklers versteckt sich in Schein- Fenstern. Weiß-gold, rot-schwarz und grau- Schweinsteiger stolzieren mit dem F50+ feld im mittelfränkischen Steigerwald. Kaum gelb. Da sind sie. über den Rasen. zu glauben, dass die schönsten und luxuriö- sesten Fußballschuhe hier zusammengefl ickt Die Sonderwünsche von weltweit 500 Spielern erfüllt die Abteilung Made werden. Von den Nachkommen des Firmen- to Measure – „Maßanfertigung“ klingt zu bescheiden gründers Adi Dassler, dem „Schuster der Sie- ger“. Da „Maßanfertigungen“ zu bescheiden Auf kleinen fahrbaren Regalen mit vier Fä- Den Glamour wird der Predator auf das klingt, redet man beim zweitgrößten Sport- chern warten sie auf ihre Bestimmung. In Grün zaubern. Vor dem geistigen Auge zwir- artikelhersteller der Welt nur von der Abtei- den Schuhkartons schlummern die begehr- beln die Ballkünstler die Kugel mit ihren weiß- lung Made to Measure (MTM). testen aller Fußballschuhe. Noch fehlt ihnen goldenen Lederträumen elegant ins Netz. Nur Erst einmal ist nichts zu sehen von den bun- die Sohle. Platt gedrückt sehen sie aus. Die die ganz großen streifen sich den Predator ten, sündhaft schönen und sündhaft teuren ersten werden inspiziert. Auf der linken Zun- über, der anschmiegsam ist wie eine zweite Schuhen. Nur schwarze gibt es hier, mit den ge ist die polnische Flagge, auf der rechten Haut: Michael Ballack, Kaka’, Raúl, Roy Ma- charakteristischen Streifen. Außer den Maß- die deutsche eingestickt. Darunter der Name: kaay oder Patrick Vieira. An der Spitze der

RUND 103

rrund0106_102_105_Adidas_Schuhproduktionund0106_102_105_Adidas_Schuhproduktion 103103 007.12.20057.12.2005 19:32:2919:32:29 UhrUhr SPIELKULTUR Schuhgrößen

Schießt mehr mit rechts: Die ungleichen Fußabdrücke von Andrej Schewtschenko

Beckham, Spitznamen wie bei Hasan „Braz- zo“ Salihamidzic, Namen in der Familie – die Töchter Lucia und Camila bei Gustavo Vare- la – oder einfach nur die Initialen wie das große W für . Die Gläubigkeit der Brasilianer zelebriert Kaka’, der einen Spruch spazieren trägt – I belong to Jesus. Kennen die Mitarbeiter denn die Spieler, de- ren Namen sowie Wünsche und Größe der Schuhe auf den DIN-A4 Blättern in den Kar- tons stecken? Nur die, die man immer wieder im Fernsehen höre und sehe, gibt sich die Streifen in Serie: In Scheinfeld werden Gruppenleiterin von MTM, Erika Wittmann nicht nur Sonderanfertigungen produziert kurz angebunden. Der Schaft, wie die rohen Schuhe ohne Soh- le genannt werden, formt sich bei den sechs Stars die Herren Beckham und Zidane. Die An den drei computergesteuerten Nähma- hintereinander sitzenden Stepperinnen. Sie englische Diva läuft sogar mit der ganz eige- schinen gegenüber rattern und surren die nähen die Lederteile an den einfach ausse- nen Linie, dem +Predator Absolute, in dun- Nadeln unaufhörlich. Sie stechen die Nähte, henden Nähmaschinen zusammen. Hier ist kelrot-silber auf. das Logo und die Namenswünsche ins feine wieder Handarbeit gefragt. In entspannter Die ersten Konturen der Maßanfertigungen Känguruleder. Wünsche der Spieler bezüg- Atmosphäre mit Musik aus dem Kofferradio, sind beim Zuschneider zu erkennen. Der lich ihrer Treter werden ausschließlich mit formen sie die ab 1800 Euro teuren Fußklei- freundliche Mann mit der kleinen Brille auf den Athlete Services in Herzogenaurach be- der zu den maßgefertigten Schuhen. Einige der Nase schneidet die Lederteile mit einer sprochen. Einen großen Einfluss auf die Frauen in mittlerem bis gesetztem Alter tra- Schablone per Hand aus. Schneller schafft er Schuhe haben die Fußballer aber sowieso gen dabei typisch fränkische Tracht. Beim es am Schneidetisch, einem Computer, der nicht. Sie geben nur die Namens- oder Num- Anblick der vorbeilaufenden Küchenschür- einem übergroßen Drucker gleicht. Kommen mernwünsche ihren Managern oder Beratern zen vermutet man eher, die Damen rollten die Stars zum Anprobieren nach Scheinfeld? weiter und müssen der vorgeschlagenen Pro- gerade Klöße, als dass sie teure Fußballstiefel „Nur wenn sie Probleme haben“, verrät James duktlinie folgen. Wer sich mit einer Verlet- bearbeiteten. Sikora von der Abteilung Athlete Services. zung oder anderen Wehwehchen herumär- Das Personal kennt natürlich die Geheim- Fußballer verirren sich seit Rummenigge, gern muss, dem werden natürlich spezielle nisse der Superstarfüße. Wer hat ein Über- Meier & Co nicht mehr hierher. Nur die neu- Einlagen gefertigt. bein? Wer braucht spezielle Einlagen? Ein seeländische Rugby-Mannschaft, die „All Favoriten für die Kreation der Zunge oder sanftes Lächeln ist die Antwort auf diese Fra- Blacks“, begutachte neulich die Produktion der Seite der Schuhe sind neben dem Namen gen. Die Aufklärung gibt es im Regal mit den ihrer Maßanfertigungen. wie bei Raúl oder der Nummer 23 bei David Einlagen. Dort sind die kleinen Zipperlein der Großverdiener dokumentiert. Barças Hen- rik Larsson hebt eine acht Millimeter hohe Auch Superstars haben Fußprobleme. Sebastian Deisler trägt Einlagen, Einlage den rechten Fuß. Sebastian Deislers Andrej Schewtschenkos linker ist größer als der rechte rechter Hammer ist mit einer Vier-Millime-

RUND 104

rrund0106_102_105_Adidas_Schuhproduktionund0106_102_105_Adidas_Schuhproduktion 104104 007.12.20057.12.2005 19:32:3619:32:36 UhrUhr SPIELKULTUR Schuhgrößen

Der Beckham von Udinese: Stefano Mauri braucht Schuhe für die Champions League

ter-Polsterung am Schuh aus staffi ert. Im un- individuellen Schuh am Ende bearbeitet ha- Bei der EM 2004 schmiegten sich täglich tersten Fach verstecken sich, in Schaumstoff ben. Eineinhalb Tage sind nötig, um ein Paar neue Schuhe – mit eingesticktem Datum na- ausgeschnitten, in einem weißen Karton die der einzigartigen Stiefel herzustellen. Bevor türlich – um die teuren Füße des englischen Fußabdrücke von Andrej Schewtschenko. Ein die knapp 500 Fußballer weltweit mit den Fußballkapitäns. Als Einziger hat er ein von Schuh muss für den Mailänder Stürmerstar handgefertigten Einzelstücken versorgt wer- Adidas entwickeltes Logo, das die Zunge sei- größer gemacht werden – links trägt er die den, prüft eine der Mitarbeiterinnen alle ner Schuhe ziert. Der eigene Predator-Schuh Größe 81⁄4, rechts passt Größe 8. Schuhe einzeln nach. Erst dann geht es in die wird nur bei ihm mit seiner eingescannten Der letzte Schritt zum fertigen Schuh ist Kartons und ab zum Star. Unterschrift bestickt. Selbst den Kindern das Aufkleben der Sohle. Jede der Maßanfer- David Beckham, die Grande Dame des Welt- Brooklyn und Romeo lässt der Flankengott tigungen wird dabei einzeln auf die kleine fußballs, ausstaffi ert mit einem millionen- silberne Fußballschuhe anfertigen. Winzige Pressmaschine gelegt – per Hand versteht schweren Sponsorvertrag, wird auch in der Stiefel, mit eingestickten Namen und Initia- sich. Sieben bis neun Menschen werden den Manufaktur Scheinfeld besonders gewürdigt. len. Das nennt man dann wohl exklusiv.

RUND 105

rrund0106_102_105_Adidas_Schuhproduktionund0106_102_105_Adidas_Schuhproduktion 105105 007.12.20057.12.2005 19:32:4119:32:41 UhrUhr SPIELKULTUR Massenspektakel

„MASSEN DENKEN NICHT, SIE FÜHLEN“ VOLKWIN MARG hat Flughäfen, Museen, Bahnhöfe und zuletzt auch Fußballstadien entworfen. Die neuen Arenen von Köln und Frankfurt sowie der Umbau des Berliner Olympiastadions entstanden in seinem Büro. Der Hamburger Architekt erläutert, inwiefern die neuen Arenen unsere Gesellschaft spiegeln, wie der immense Bedeutungsgewinn des Fußballs mit der Architektur der Stadien zusammenhängt und welche Potenziale des Missbrauchs in einer Architektur für Massen stecken INTERVIEW DANIEL THEWELEIT, FOTOS MAGERL UND NAGER, BENNE OCHS (PORTRÄT), MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG DER OLYMPIASTADION BERLIN GMBH

RUND 106

rrund0106_106_109_Architekt_Stadionsprecherund0106_106_109_Architekt_Stadionsprecher 106106 008.12.20058.12.2005 21:17:0921:17:09 UhrUhr SPIELKULTUR Massenspektakel

Herr Marg, die neuen Arenen für die WM sind gebaut. Wird sich die Architektur des öffentlichen Raumes denn nun etwa wieder dem weniger emotionalen Museums- und Flughafenbau widmen? VOLKWIN MARG: Nein, das glaube ich nicht. Ritualisierte Massenveranstaltungen wie der Fußball, die von den Medien unter- stützt und potenziert werden, befi nden sich auf einem glo balen Siegeszug. Das wird bald auch viele Länder erfassen, die das noch gar nicht so kennen. Außerdem lässt sich dieses Prinzip auch in etwas kleineren Dimensio- nen verwirklichen. Da gibt es einen ungeheu- ren Nachholbedarf. Die Architekten haben weiter Lust, eine solche Massenchoreografi e zu bauen, auch wenn die Stadien von Zweck- haftigkeit geprägt sind und keine Freiheiten lassen wie Mahnmale oder Museen, die man wie ein Astrologe deuten kann. Die Lust am Stadionentwurf liegt demnach nicht in der Freiheit des Gestaltens sondern Platz für die Choreografie der Massen: in der Herausforderung, Menschenmassen zu das Olympiastadion in Berlin choreografieren? Das kann man so sagen. Menschen verhal- ten sich sehr unterschiedlich, je nachdem, ob fl uss wäre nicht vorhanden. Dieser Einzelne sie sich als Individuen empfinden oder als fühlt sich in einer Fußballarena unter Gleich- Teil einer Masse. Das Individuum ist im Be- gesinnten in der gleichen Emotion ungeheu- zug auf andere abwägend, kritisch, zurück- er mächtig. Dieses Machtgefühl ist so begehrt haltend und durchaus rational prüfend. In und so aktuell wie eh und je. Die Kultur über der Masse wird dasselbe Individuum ganz uns ist ein hauchdünner Firnis, in uns steckt schnell über sich selbst hinausgetragen, hin- immer noch der alte Affe. ein in einen Rausch der Gefühle und der Das heißt, auch die komfortablen neuen Stimmungen. Das kollektive Gemüt bricht Stadien sind vor allem als Orte attraktiv, an durch, der Verstand tritt in den Hintergrund. denen der Mensch sich seiner kulturellen Es ist ein elementarer Unterschied, ob ich für Zwänge entledigen kann. Einzelne inszeniere, für Gruppen oder für Wenn man sich das klar macht, weiß man, Massen, die sich deshalb versammeln, weil dass das eine sehr ambivalente Geschichte sie die Massensuggestion und die Massen- ist. Nicht zum Spaß gibt es ein altes böhmi- emotion erfahren wollen. Genau diese mit- sches Landsknechtsmotto, das sagt: Wenn reißende Emotion ist ein Erlebnis. die Fahnen fl attern, ist der Verstand in der In westlichen Gesellschaften entstehen aber Trompete. Der Mensch wird im Sinne der immer speziellere Subkulturen, die auch im Psychologie der Massen immer ein Schwarm- „Der Mensch wird ein Schwarmwesen Fußballstadion ihren Ausdruck finden: Da gibt wesen sein, und er wird immer gefährdet bleiben“: Architekt Volkwin Marg es Ultras, Familienväter mit ihren Kindern, sein, von der politischen, der ideologischen klassische Kuttenfans, Intellektuelle, Logen- oder der religiösen Schwarmgeisterei ver- besitzer und Normalos, die ihr Wochenende führt zu werden. Er wird immer Gruppen su- liche Funktion, in der Antike wie in der Neu- hier verbringen. Ist es da überhaupt noch chen und Gruppen folgen. zeit. Seit sich die Nationen nicht mehr roya- zeitgemäß, von einer Masse zu sprechen? Das klingt, als sähen sie eine recht konkrete listisch defi nieren, ist der Nationenwettkampf Diese Entwicklungen gibt es. Doch gerade in Möglichkeit des Missbrauchs in dieser Massen- zu einem nationalen Kräftemessen über den einer Demokratie wie der unsrigen fühlt sich architektur. Sport geworden. Wenn die Nationalmann- der Einzelne als Individuum häufi g schwach Das ist eine geschichtliche Tatsache. Immer schaft verliert, sinkt das Selbstwertgefühl der und machtlos. Man glaubt, der eigene Ein- hatten die Stadien eine ganz klare gesellschaft- Menschen, die Wettkämpfe sind politisiert.

RUND 107

rrund0106_106_109_Architekt_Stadionsprecherund0106_106_109_Architekt_Stadionsprecher 107107 008.12.20058.12.2005 21:17:1321:17:13 UhrUhr SPIELKULTUR Massenspektakel

gebung und an Architektur ist immer durch die Tiefe einer Emotion geprägt. Sobald sich Emotionen mit Stadionbauten vermischen, bleiben die Stadien tief im Bewusstsein. Man kann nicht erwarten, dass Menschen sich an Architektur berauschen, deshalb brauchen sie das Spektakel. Ich als Architekt bin dage- gen am liebsten in leeren Stadien, mich be- eindruckt der Raum. Da sind Sie nicht der Einzige. Stadion- führungen boomen. Das hat einen anderen Grund. Das ist ge- nauso, als wenn Sie nun Schloss- oder Kathe- dralenführungen machen. Wenn das Interes- se an einem kultischen Ort erwacht, dann Aufwärmen für die Massen: Weitsprung- will man den Ort kennen lernen. Die Fuß- grube in den Katakomben des umgebauten ballbegeisterung der Massen hat eindeutig Berliner Olympiastadions religiösen Charakter. Dieses religiöse Emp- fi nden macht die Stadien zu Ikonen. Ich ha- be einen Enkel, der betritt ein Stadion mit dem gleichen heiligen Schauder, mit dem ein Welche poli tische Bedeutung die Weltmeis- dem Fernseher. Manchmal denke ich, dass es Mess diener zu seiner ersten sakralen Hand- terschaft im kom men den Jahr haben wird, grotesk ist, dass die Claqueure auf den Steh- lung schreitet. wird sich noch zeigen. plätzen im Stadion, die Kulisse fürs Fernse- Das spektakulärste der neuen deutschen Sie sprechen da von äußerst exponierten hen also, bezahlen müssen, während die Leu- Stadien steht nun in München und wurde Großereignissen. Sehen Sie dieses Potenzial te in den Logen ihre Ausgaben von der Steuer entworfen von ihren Kollegen Herzog und zur Vereinnahmung des Sports durch externe absetzen können. Das Stadion ist der öffent- de Meuron. Die Außenhülle ist das auffälligste Interessen auch für ein ganz normales Fußball - lichste aller Bauten und war ursprünglich im- Merkmal dieser Arena. Warum verzichten Sie stadion, wie es in jeder größeren Stadt existiert? mer ein Volksstadion. Da muss man sich auf diesen beeindruckenden Effekt? Nein. Ich glaube, dass die Stadien im Alltag schon fragen, warum die Öffentlichkeit jetzt Das ist eine Haltungsfrage. Es geht hier um besucht werden, weil man dort eine Identifi - Klassenstadien baut, die dazu beitragen, eine das spektakulärste Zeichen. Massen lesen kationsmöglichkeit fi ndet für all das, was an Segregation dieser angeblich so gleichen Ge- nicht. Massen denken nicht. Massen fühlen. Identifi kationsobjekten so undeutlich gewor- sellschaft herbeizuführen. Das äußerste, was man Massen zutrauen darf, den ist. Es gibt keine sehr präzisen religiösen Vorstellungen mehr, es gibt keine sehr präzi- „Die Fußballbegeisterung hat religiösen Charakter. Massen lesen nicht. sen ideologischen Vorstellungen mehr, es gibt auch keine präzisen Klassenbewegungen Massen denken nicht. Massen fühlen“ mehr. Die großen nationalen Zusammenkünf- te sind ebenfalls verschwunden, jetzt erfüllen Stadien besitzen neben ihrer alltäglichen sind Zeichen. Eine Architektur, die ihre Funk- sportliche Surrogate diese Funktion. Der Funktion auch die Eigenschaften eines tion und ihre Konstruktion zeigt, die stellt Fußball ist dafür ein brillantes Beispiel. Speichermediums. Ein Schalker, der nach intellektuelle Ansprüche wie eine gut gebau- Kann man also sagen, dass gegenwärtig Mailand kommt, wird immer an den Uefa-Cup- te Fugenkomposition von Johann Sebastian subversive Kräfte der Gesellschaft durch den Sieg 1997 denken, und ein Münchner wird Bach. Das können sie einer Masse nicht zumu- Stadionbesuch und seinen Konsumcharakter sich in Nou Camp an das verlorene Finale von ten. Herzog und de Meuron wandeln auf der entschärft werden? 1999 erinnert fühlen. Spielt dieser Effekt eine Grenze zwischen Zeichen setzender bildender Das stimmt. Und wenn man jetzt das Fuß- Rolle für die Architektur? Kunst und Architektur. Für sie steht in allen ballspiel nimmt, bilden die 40 bis 50.000 Zu- Ja, das ist etwas ganz Besonderes an der Sta- Fällen ein spektakuläres Zeichen im Mittel- schauer die Kulisse für die fünf Millionen vor dionarchitektur. Die Erinnerung an eine Um- punkt. Alles andere ist Nebensache.

RUND 108

rrund0106_106_109_Architekt_Stadionsprecherund0106_106_109_Architekt_Stadionsprecher 108108 008.12.20058.12.2005 21:17:1621:17:16 UhrUhr SPIELKULTUR Stadionstimme

„Nichts ist wichtiger als die Kurve“: 1860-Stadionsprecher Stefan Schneider (Mi.), rechts mit Löwen

„Der Fan ist träger geworden“ Er singt nicht, sieht aber aus wie der Rod Stewart von Giesing. STEFAN SCHNEIDER ist die Stimme von 1860 München und gilt als authentischster Stadionsprecher in Deutschland. Der 43-Jährige spricht über die Renaissance der Löwen, neue Arenen und den Überlebenskampf alter Fankultur INTERVIEW ERIK WEGENER, FOTOS ELIAS HASSOS

Herr Schneider, Ihr Klub ist nun in ein für Zweitligaverhältnisse Was viele Besucher am Vorprogramm stört, sind allzu plumpe über dimensionales Stadion gezogen. Dennoch fällt es Kurz entschlos- Musiktitel wie „Hände zum Himmel“ und die immer gleiche Abfolge senen momentan schwer, Tages karten zu ergattern – die Tickets sind von nervigen Werbejingles. früh zeitig vergriffen. Haben Sie diese Euphorie erwartet? Ein Fußballstadion ist kein Wunschkonzert. Der Siebenjährige hört STEFAN SCHNEIDER Anfangs meinte die Presse, die Allianz Are- gerne die Charts, der 20-Jährige will eine Punkband haben und der na sei hauptsächlich ein Uli-Hoeneß-Stadion. Alles Quatsch, sie ist 60-Jährige mag nun mal die Zillertaler Schürzenjäger. Immerhin läuft ein Glücksfall. Auch wenn nur 18.000 kommen, ist die Stimmung ga- bei uns 20 Minuten vor dem Anpfi ff keine Werbung mehr. Dafür ha- laktisch. Das tollste Kompliment hat uns ein Logenmieter gemacht: be ich mich persönlich eingesetzt. Andere Vereine dagegen haben wie Er sagte, dass man sich während des Spiels ja auch mit den Geschäfts- die Geistesgestörten Werbeblöcke verkauft. partnern unterhalten wolle. Beim FC Bayern ginge das gut, bei 1860 Früher haben sich die Fans mit lautstarken Parolen warm gesungen. seien die Fans zu laut. Heute bestimmt weitgehend die Stadionregie, was akustisch abgeht. Die Sie standen früher selbst bei den Kutten unter der Anzeigetafel. Stimmung ist in vielen Arenen nur noch von außen inszeniert. Wie sind Sie Stadionsprecher des TSV 1860 geworden? Der Fan ist träger geworden, denn er wird mit dem Countdown vor Stadionsprecher kann nur sein, wer auch Fan ist. Man sollte 20 Jah- dem Anpfi ff niederge orgelt. Wenn es aber richtig gut wird im Stadi- re da oben gestanden haben, um die Fankurve zu verstehen. Ich bin on, dann ist es die Kurve selbst, die die Initiative ergreift. Außerdem seit 1969 ein Blauer und hatte immer eine Dauerkarte. Vor 15 Jahren war früher, als es noch keine Vorprogramme gab, auch nicht immer hat mich der damalige Präsident Sven Jäger spontan engagiert. Wir so eine Monsterstimmung im Block. Wurde sonntags gespielt und die spielten gegen Bayer Uerdingen. Ich kam vom Flughafen, fuhr in Ur- Fans aus der Westkurve waren am Samstagabend beim Saufen, dann laubsklamotten direkt mit dem Taxi zum Stadion. Im Kabinengang standen die relativ paralysiert da und waren ganz leise. hat mir jemand ein Mikrofon in die Hand gedrückt – und los ging’s. Dennoch, verkümmert durch den ganzen Kommerzwahn nicht ein Was erwartet der Fan von Ihnen? Stück Fußballkultur? Gar nichts. Viele meiner Kollegen sind mit einer harten Profi lneu- Die Fankultur ist viel zu stark, sie ist immun gegen Kommerzialisie- rose behaftet. Aber wir sollten uns nicht so wichtig nehmen. Wegen rung. Die Bewegung ist re sistent wie Unkraut, das kommt auch im- des Sprechers geht ja keiner ins Stadion. Wenn die Mannschaft zur mer wieder. Bei uns wollte ein Sponsor 5000 Euro für eine besonders Pause 0:4 zurückliegt, brauchst du den Fans gar nichts mehr zu er- originelle Fanchoreographie spendieren. Aber die Kurve hat ein rie- zählen. Aus und vorbei. siges Banner hochgezogen. Darauf stand: „Sponsor, go home“.

RUND 109

rrund0106_106_109_Architekt_Stadionsprecherund0106_106_109_Architekt_Stadionsprecher 109109 008.12.20058.12.2005 21:17:1821:17:18 UhrUhr SPIELKULTUR Fundstück

Kicken mit Frau Spindelfuß

Vor fast 80 Jahren erschien das Theaterstück DER FUSSBALLKÖNIG. In der Weimarer Republik war Fußball noch etwas Neues, doch auf der Bühne überzeugte das Spiel genau

wie im richtigen Leben selbst seine hartnäckigsten Kritiker VON MALTE OBERSCHELP, FOTO BENNE OCHS

RUND 110

rrund0106_110_111_Fundstueck_Theaterund0106_110_111_Fundstueck_Theater 110110 007.12.20057.12.2005 19:37:0419:37:04 UhrUhr SPIELKULTUR Fundstück

„Was geht mich Ihr blödsinniges Fußballspiel an“, schnauzt Nudelfabrikant Tiedemann seinen Prokuristen an. „Sie sind bei mir nicht als Fußballkönig angestellt, sondern als Nudelkönig“

„Was geht mich Ihr blödsinniges Fußballspiel rung vergessen die Menschen heutzutage ne Makler Löwenstein zu Tiedemann, als der an“, schnauzt Nudelfabrikant Carl August Tie- ganz ihr Geschäft“, kommentiert Tiedemann. eines seiner Grundstücke verkaufen will, da- demann im zweiten Akt, neunte Szene, seinen Später gründet seine Tochter Else mit ein paar mit die Stadt dort ein Fußballstadion baut. Prokuristen an. Der ist der beste Mann beim Freundinnen gar einen eigenen Klub. „Schon „Anstatt Letzteres eventuell einen aktuellen FC Bodenstadt und steht unmittelbar vor dem wieder Fußball? Jetzt fangen die Frauenzim- Scherz einschalten“, heißt es in der Regiean- Endspiel um die Norddeutsche Meisterschaft mer auch noch damit an“, stöhnt der Vater. weisung – in den vereinzelten Inszenierun- gegen die Kickers Berlin. Doch sein Chef will Nur Frau Kanzleirat Spindelfuß – die insge- gen, die es nach dem Zweiten Weltkrieg noch ihn partout auf Geschäftsreise nach Hamburg heim ein Auge auf ihn geworfen hat – pfl ich- gegeben hat, war das vermutlich der Fall. schicken. „Sie sind bei mir nicht als Fußball- tet ihm bei: „Zu meiner Zeit haben die jun- Auch eine andere Szene weckt seltsame könig angestellt, sondern als Nudelkönig!“ gen Mädchen keinen Fußball gespielt, damals Assoziationen. Zum fulminanten Abschluss „Der Fußballkönig“ – so heißt das Theater- haben sie keine Bubiköpfe getragen und kei- des zweiten Akts wird Tiedemann vor lauter stück, aus dem Tiedemanns Ärger stammt. ne Seidenstrümpfe.“ Auch diese Szene greift Wut selbst zum Fußballer und kickt im Wohn- Als der von Max Reimann und Otto Schwartz Zeitgeschichte auf: In Weimar kickten erst- zimmer umher, was ihm vor die Füße kommt. verfasste Schwank 1927 uraufgeführt wurde, mals auch Frauen mit dem Ball. Am Ende greift er zu einem Gummiglobus kannte diesen Begriff jedes Kind. Ein Fuß- Max Reimann und Otto Schwartz hatten und schießt ihn mehrmals in den Zuschauer- ballkönig, das war lange vor dem Kaiser ein Übung darin, neue gesellschaftliche Trends raum. Jahre später spielte Charlie Chaplin in Könner am Ball, der Star einer Mannschaft. auf die Bühne zu bringen. In den Goldenen der Hitler-Parodie „Der große Diktator“ in Jemand wie Ballack oder Borowski heute. Da- 20ern waren sie ein bekanntes Autorenduo, ähnlicher Weise mit der Weltkugel. mals war es ein vergleichsweise neues Phäno- dessen Lustspiele und Operetten an den The- Mit der Fußballkompetenz der Autoren men, dass Fußballer überhaupt als öffentli- atern viel gespielt wurden. Unter anderem war es ansonsten nicht weit her: Der einzige che Helden wahrgenommen wurden. Am schrieben sie die Komödien „Durch den namentlich genannte Kicker, Nationalkeeper Lustspiel „Der Fußballkönig“ lässt sich able- Rundfunk!“ (1925), „Der Meisterboxer“ Heiner Stuhlfauth, ist auf Seite 76 falsch ge- sen, wie der Kick in der Weimarer Republik (1927) und „Börsenfi eber“ (1928). Da durfte schrieben. Vermutlich griffen Reimann und die Mitte der Gesellschaft erreichte. das Phänomen Fußball nicht fehlen. Schwartz bei ihrem „Fußballkönig“ bereits auf einen Einakter gleichen Namens zurück, der im Jahr 1904 erschienen war. Auch im „Ich kenne wen, der litt akut Kaiserreich ging es um den Fußballwahn, An Fußballwahn und Fußballwut“ – Joachim Ringelnatz doch war der erste „Fußballkönig“ nur für ge- sellige Vereinsabende geschrieben. Erst das Es war die Zeit, als in Deutschland große Das Strickmuster war dabei meist das glei- zweite Stück brachte das Thema auf die gro- Stadien gebaut wurden, das Radio die ersten che: Eine Familie des gehobenen Bürger- ße Bühne und zeigte, dass der Fußball selbst Partien übertrug, zu den Endspielen um die tums, die junge Generation ist modern einge- seine hartnäckigsten Gegner besiegt: Am En- Deutsche Meisterschaft plötzlich 50.000 Zu- stellt, die alte regt sich darüber auf. Es gibt de fällt Tiedemann Müller um den Hals, weil schauer kamen und Joachim Ringelnatz sein Verwechslungen, ein paar harmlose Intrigen er die Reise geschwänzt und den FC Boden- berühmtes Gedicht über den Fußballwahn und am Ende kriegt sich das Liebespaar. Im stadt zu einem 7:0 geführt hat. schrieb. „Ich kenne wen, der litt akut / An „Fußballkönig“ heißt der Prokurist und Mit- Heute ist „Der Fußballkönig“ weitgehend Fußballwahn und Fußballwut“ – das hätte telstürmer nicht Gerd, sondern Hans Müller vergessen. Ein anderes Stück von Max Rei- der Hauptfi gur aus dem „Fußballkönig“ aus und ist selbstredend in Tiedemanns Tochter mann und Otto Schwartz dagegen machte dem Herzen gesprochen. Denn bei Tiede- verliebt. Ein Stück, wie es am Ohnsorg Thea- nach ihrem Tod Karriere. Der Schwank „Fa- manns reden alle außer dem Hausherrn nur ter in Hamburg laufen könnte: eine Komödie milie Hannemann“ aus dem Jahr 1925 wurde über das große Spiel und kommen wie zufäl- mit nicht zuviel Tiefgang, aber viel Witz. in der Wirtschaftswunderzeit der 50er Jahre lig zu Besuch, um vom Balkon einen Blick Auch wenn den heutigen Lesern dabei man- gleich zwei Mal erfolgreich verfi lmt, unter auf die Mannschaften zu erhaschen. ches komisch vorkommt: „Für 60.000 Mark anderem mit Willy Millowitsch und der jun- „Sie sollen ins Theater gehen, wenn sie sich trink ich Bruderschaft mit dem Hitler“, sagt gen Hannelore Elsner. Der neue Titel: „Tante amüsieren wollen! Vor lauter Sportbegeiste- der deutlich mit jüdischen Klischees versehe- Jutta aus Kalkutta“.

RUND 111

rrund0106_110_111_Fundstueck_Theaterund0106_110_111_Fundstueck_Theater 111111 007.12.20057.12.2005 19:37:1319:37:13 UhrUhr SPIELKULTUR Buch

LEGENDE Meister UI-Cup Platz 15

IM RUND-BÜCHERREGAL: Um sich selbst als die ganz Großen zu präsentieren, schreiben Jan Möller und Axel Kruse den Fall Hoyzer ein bisschen zu groß. Dazu gibt es Neues aus Politik, Naturwissenschaft,

der Sportartikelindustrie und den Stadien FOTOS BENNE OCHS

COWBOYS UND IHR GANZ GROSSER COUP Das erste Buch zum Fall Hoyzer. Wow! Die brauchen.“ Und so betont Möller, der das tive des journalistischen Jägers geschrieben, Schnellsten, die Ersten und damit auch ir- Buch in der Ich-Form schrieb, noch bevor er nicht aus der desjenigen, der etwas mitzutei- gendwie die Coolsten zu sein, das hatten sich überhaupt Fakten zum Fall Hoyzer vorträgt, len hat. „Zocker, Schiris und Millionen“ lautet Jan Möller und sein Rechercheur Axel Kruse mehr als einmal, dass es sich bei ihm um ei- der Untertitel, und mittendrin wird mit Zah- vorgenommen. Der Exprofi Kruse und sein nen Spitzenjournalisten handelt. Der Subtext len um sich gehauen, um die vermeintlich gi- Chef bei „TV Berlin“, Jan Möller, waren auf- lautet: Ich und der Axel sind cool, „zwei Cow- gantische Dimension des Skandals zu illust- grund persönlicher Kontakte schnell am Ber- boys auf ihrer Mission durch eine verschnei- rieren: „480 Millionen Euro“ setzte Oddset liner Schiebeschiedsrichter Robert Hoyzer te Nacht, eine Zigarette im Mund und im im Jahr 2004 um, „86 Milliarden Dollar“ dran und hatten ihn sich gebunkert, als wäre Hintergrund dezente Wave-Musik“. werden im Internet verzockt. Puh. Die Ge- er die Trophäe eines Journalistenwettbewerbs. Um nicht ungerecht zu werden: Möllers mit schichte muss partout groß werden, das ha- Mal quartierten sie ihn in Kruses Häuschen Hilfe von Kruse geschriebenes Buch referiert ben sich die Zwei geschworen. Dass Robert nahe Berlin, mal bei Möllers Eltern ein. Das kenntnisreich die verschiedenen verschobe- Hoyzer letztlich nur etwa 60.000 Euro kas- gesamte persönliche Umfeld wurde bemüht, nen Spiele, die zum Fall Hoyzer gehören. Es sierte, was halt nur einen Teil der „Millionen“ damit die zwei Jungs vom Lokalfernsehen schildert auch, wie Hoyzer und andere immer darstellt, müssen die Autoren klein halten. realisieren konnten, was sie sich einen Tag stärker in dieses Geschäft rutschten, bei dem Sonst hätten sie ja doch nicht die ganz große vor Bekanntwerden der ersten Informationen es für sie doch kaum etwas zu gewinnen gab. Story geschrieben. MARTIN KRAUSS zum Fall Hoyzer geschworen hatten: „Kruse Aber offensichtlich vertrauen weder Auto- Jan Möller Axel Kruse Der Fall Hoyzer und ich beschlossen, dass unser Sender und ren noch Verlag darauf, dass die Fakten über- Zocker, Schiris und Millione Herbig wir endlich mal eine ganz große Geschichte zeugen. Vielmehr ist das Buch aus der Perspek- 247 Seiten 14,90 ¤

RUND 112

rrund0106_112_113_Buecherund0106_112_113_Buecher 112112 007.12.20057.12.2005 19:43:5719:43:57 UhrUhr SPIELKULTUR Buch

DIE NEUE UND DIE Wie war das mit dem Wembley-Tor? Die Wis- werkstätten in Herzogenaurach begannen. VERY OLD SCHOOL senschaft lässt nur einen Schluss zu: Weil der Und das tut die niederländische Wirtschafts- von Geoff Hurst geschossene Ball fast senk- journalistin anschaulich, gut recherchiert und recht auf den Boden fi el und von dort mit spannend. Sogar Licht in die Urgeschichte Drall zurück ins Feld flog, muss er relativ bringt Smit: Warum sich die beiden Brüder niedrig an die Torlatte geprallt sein. Der Phy- und Firmengründer 1948 überhaupt so heftig siker und Mathematiker John Wesson hat sich zerstritten hatten. MALTE OBERSCHELP mit der Erforschung dieser und anderer es- Barbara Smit Drei Streifen gegen Puma sentieller Fragen des Ballsports befasst. Mit Zwei verfeindete Brüder im Kampf „Fußball – Wissenschaft mit Kick“ ist ihm ein um die Weltmarktführerschaft Campus Verlag spannendes, streckenweise überraschendes 371 Seiten 24,90 € Werk gelungen, das nach seinem Erfolg in England nun in deutscher Übersetzung auf DAS WOHLIGE GEFÜHL den Markt kommt. Erst im zehnten von ins- DER VORFREUDE gesamt elf Kapiteln legt er sein Formelwerk Wer sich schon dabei ertappt hat, dass er sich offen, die ersten neun stecken voller Skurrili- beim erstmaligen Betreten eines Stadions Die Überfrachtung des Fußballs mit politi- täten und neuer Erkenntnisse. Nur die Frage wie Reinhold Messner bei der Erstbesteigung schen Botschaften ist ein Ärgernis. Trotz put- „Drin oder nicht?“ kann auch der Engländer fühlt, dürfte nach der Lektüre von „Die WM- zigen geflügelten Worten wie jenem, dass Wesson in seinem lesenswerten Buch nicht Stadien“ in besinnlicher Stimmung sein: Dop- Borussia Dortmund „ein Modell moderner So- beantworten. MATTHIAS GREULICH pelseitige Panoramafotos laden zum Verwei- zialdemokratie“ sei, weil der Klub für „Inno- John Wesson Fußball – Wissenschaft len, ehe der Blick in die VIP-Bereiche, Blöcke vation und Gerechtigkeit“ stehe. Das hat sich mit Kick Spektrum Akademischer Verlag und Kioskzeilen geht. Alles, was man sonst Gerhard Schröder ausgedacht – bevor es berg- 232 Seiten 15 € wissen muss, liefert ein liebevoll detaillierter ab ging mit BVB und SPD. Stefan Behr, Wolf- Statistikteil im Anhang. Doch dankenswerter- gang Hettfl eisch und Jürgen Roth knöpfen AUS DEM NÄHKÄSTCHEN weise erschöpft sich das Werk nicht in Fak- sich Politiker und Kulturschaffende vor, die ZWEIER WELTKONZERNE tenhuberei. Sachliche, aber dennoch gut les- solche Spielchen nicht lassen können. Der bare Texte informieren über die Geschichte Begriff Politik ist weit gefasst: Günter Netzer der Spielstätten. Mit dem WM-Buch haben etwa kommt als „Guido Westerwelle des Fuß- die Brühler Magazinmacher, auf deren Home- ballbusiness“ vor. Die Lektüre ist meistens page sich auch Stadionfotos aus Kropp und lehrreich und immer vergnüglich. Dabei hilft Verl fi nden, bewiesen, dass sie bei den Hü- ein heterogenes Interviewpartnerteam – von geln und den größeren Erhebungen des Fuß- Eckhard Henscheid (Neue Frankfurter Schu- ballkosmos das wohlige Gefühl der Vorfreude le) bis Ritchie Blackmore (Alte Hardrock- erzeugen können. Auch diese Winterpause Schule). RENÉ MARTENS wird vorübergehen. CHRISTOPH RUF Stefan Behr Wolfgang Hettfl eisch Stadionwelt (Hg.) Faszination Stadion 2006 Jürgen Roth: Wichtig ist, wer hinten hält Die WM-Stadien. Geschichte – Porträts – Fouls und Schwalben in Fußball und Politik Ausblick Edition Stadionwelt 240 Seiten Aufbau 240 Seiten 7,95 ¤ 24,90 ¤ Bezug über www.stadionwelt.de

DUMM KICKT NICHT IMMER SCHLECHT

Jeder kennt die Geschichte, in der Sepp Her- berger zu Adi Dassler sagte: „Adi, stoll auf.“ Weniger bekannt sind solche Geschichten: Wie Adidas 1968 vor den US-Leichtathletik- Trials die Hotelzimmer des Puma-Vertreter stornierte. Oder wie Adis Bruder Rudolf bei der WM 1970 Pelé bat, sich vor dem Anpfi ff die Schuhe zu binden, damit Millionen TV- Zuschauer seine Pumas sehen. Barbara Smit erzählt in ihrem Buch „Drei Streifen gegen Puma“ reichlich aus dem Nähkästchen der beiden Weltkonzerne, die einst als Schuh-

RUND 113

rrund0106_112_113_Buecherund0106_112_113_Buecher 113113 007.12.20057.12.2005 19:44:0019:44:00 UhrUhr SPIELKULTUR Leserbriefe

buch. Nachdem Sie jedoch einen Monat spä- haben eine persönliche Note, die einzigartig ter erneut Barnettas Durchbruch prophezei- ist in Deutschland. Man spürt richtig das In- ten und das auch noch damit begründeten, teresse an den Spielern, dass nicht nur ihre dass er zuletzt drei Tore geschossen habe, sein Glanzparaden und Tore im Mittelpunkt ste- Durchbruch also längst vollzogen war, zweifl e hen, sondern dass Sie die Spieler als Person ich doch etwas an Ihrer Fachkenntnis. An- beleuchten und den Lesern näher bringen sonsten lese ich das Heft mit Begeisterung wollen. Da mir sehr viel an Ihrem Magazin und freue mich schon auf Ihre hoffentlich auf- liegt, habe ich noch einige Kritikpunkte: Die geräumte Berichterstattung inmitten der Berichte müssten länger sein, das stört mich WM-Hysterie, die 2006 in diesem Lande sonst besonders bei den Titelthemen. Den Beitrag RUND-Ausgabe 12/05 so zu befürchten ist. über die Golf spielenden Ex-Bundesligaspie- Kurt Hilpisch, Leverkusen ler fand ich total langweilig und fehl am Platz. Und dass ein Stadion in Aserbaidschan nach einem Linienrichter benannt wurde, ist ein- fach nur öde. Allgemein, RUND 12/05 Peter Sieber, Lorsch, per E-Mail Keine Oberfl ächlichkeiten Ich bin angenehm überrascht, dass ein Maga- zin über Fußball so anspruchsvoll und vielsei- tig sein kann. Sehr gefällt mir auch die gelun- gene Mischung aus Hintergrundberichten, Spielerporträts, Humorvollem und guten Fo- tos. Endlich mal nicht nur Primitives und „Die Frauen greifen an“, RUND 12/05 Oberfl ächlichkeiten, sondern interessante, ausführliche Interviews und Reportagen über Endlich Frauenfußball Fußball und was alles so dahintersteckt. Schön, dass ihr in eurer aktuellen Ausgabe Ute Blender, Hamburg, per E-Mail endlich mal einen Artikel über Frauenfußball „Führungsspieler braucht kein Mensch“, RUND 11/05 gebracht habt. Das war das erste, was ich mir durchgelesen habe, und es ist genau so, wie ich Nicht das übliche Theater mir es vorgestellt habe. Aber warum klappt es Kompliment für das Interview mit Jens Leh- eigentlich bei den Frauen besser als bei den mann in der letzten Ausgabe. Mit Abstand das Männern? Das würde mich interessieren. Interessanteste, was ich bislang über ihn er- Auch sonst habt ihr in dieser Ausgabe wieder fahren habe. Weil die Interviewer nicht das richtig coole, interessante Artikel gebracht. übliche Theater um die Nummer eins in der Juliane Glöde, Kühlungsborn, per E-Mail Nationalmannschaft aufgewärmt haben, ka- men ganz neue Facetten über die Person Leh- mann, den ich früher eher für einen Schnösel „Der Riese erwacht“, RUND 10/05 gehalten habe, heraus. Am Anfang war ich bei „Lage der Liga“, RUND 12/05 RUND eher skeptisch. Die erste Ausgabe fand Bitte längere Berichte ich auch nicht besonders, allerdings war Zweifel am Sachverstand Ich habe bereits alle Ihrer Ausgaben mit Freu- schon damals ein eigener Stil zu sehen. Und Als Anhänger von Bayer Leverkusen hatte ich den gelesen und möchte mich für den Mut inzwischen entwickelt sich das Pfl änzchen. nach Lektüre der November-Ausgabe schon und Ihr Engagement herzlichst bedanken. Eine leichte Kritik habe ich doch noch. Das bewundernd den Hut gezogen, da Sie Tran- Das absolute Highlight war für mich der Be- Layout fi nde ich manchmal etwas wirr, beson- quillo Barnetta in der Abteilung „Lage der richt über die Nachwuchsförderung des tür- ders missfällt mir in den Kästen die Schrift- Liga“ den Durchbruch voraussagten. Denn kischen Fußballbundes. Weiterhin begeistern größe. Ist das Größe 8? Barnetta gelang einer wie aus dem Bilder- mich Ihre Spielerinterviews. Diese Gespräche Ulrich König, Dortmund, per E-Mail

Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe nicht oder nur gekürzt zu veröffentlichen. Zuschriften bitte mit Stichwort „Leserbrief“ an: [email protected], Redaktion RUND, Pinneberger Weg 22-24, 20257 Hamburg oder Fax: 040-80 80 686-99

RUND 114

rrund0106_114_115_Vorschau_Impr_Leserbriefeund0106_114_115_Vorschau_Impr_Leserbriefe Abs1:114Abs1:114 007.12.20057.12.2005 19:46:2919:46:29 UhrUhr RUND Impressum

IMPRESSUM RUND #6 01 2006 VERLAG: Olympia-Verlag GmbH, Badstr. 4-6, D-90402 Nürnberg, Tel. 0911/216-0, Fax 0911/216 27 39 REDAKTION: RUND Redaktionsbüro Hamburg FOTO BENNE OCHS GmbH & Co. KG, Pinneberger Weg 22-24, 20257 Hamburg ARBEITEN IN DER REDAKTION Tel. 040/80 80 686-0, Fax 040/80 80 686-99 REDAKTIONSLEITUNG: Rainer Schäfer (verantwortlich für den Inhalt), Matthias Greulich (geschäftsführender Redakteur), Oliver Lück (stellv. Redaktionsleitung) ART DIREKTION: Anna Clea Skoluda REDAKTION: Martin Krauß (Chef vom Dienst), Eberhard Spohd (Textchef), Malte Oberschelp, Christoph Ruf REDAKTIONSASSISTENZ: Sabine Richter GRAFIK: Tanja Poralla, Anne-Katrin Ellerkamp SCHLUSSGRAFIK/INFOGRAFIK: Sabine Keller BILDREDAKTION: Henning Angerer, Jochen Hagelskamp, [email protected] ILLUSTRATION: Anne-Katrin Ellerkamp, Toni Schröder AUTOREN: Peter Ahrens, Joachim Barbier, Marc Beaugé, Peter Bohnert, Sven Bremer, Roman Deininger, Christian Dotterweich, Detlef Dreßlein, Oke Göttlich, Ulrich Hartmann, Frank Heike, Thomas Kilchenstein, Volker Knopf, Wolfgang Laaß, Roland Leroi, Sven Lindenblatt, Christian Litz, René Martens, Hans Meyer, Christiane Mitatselis, Nico Patschinski, Roger Repplinger, Elke Rutschmann, Tobias Schächter, Bernd Schneiders, Ricardo Setyon, Jörg Strohschein, Olaf Sundermeyer, Jörg Thadeusz, Daniel Theweleit, Peter Unfried, Erik Wegener, Jonathan Wilson, Raimund Witkop KORREKTORAT: Janina Jentz ÜBERSETZUNGEN: Stefanie Knauer TITELBILD: Stefan Schmid FOTOS: Jean Balke, Edward Beierle, Michael Danner, Mareike Foecking, Tillmann Franzen, Elias Hassos, Matthias Koslik, Klaus Merz, Gianni Occhipinti, Benne Ochs, Stephan Pfl ug, Stefan Schmid, Sebastian Vollmert SPIELE: Bei Gewinnspielen, die die RUND-Redaktion veranstaltet, ist der Rechtsweg grundsätzlich ausgeschlossen ANZEIGENLEITUNG: Werner A. Wiedemann (verantwortlich für Anzeigen), Tel. 0911/216 22 12 Ekkehard Pfi ster, Tel. 0911/216 27 49, Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 2 vom 1. 1. 2006 REPRO: Fire Dept. GmbH, Hamburg DRUCK: heckel GmbH, Nürnberg VERTRIEBSLEITUNG: Andreas Bauer, Tel. 0911/216 22 60 Mit Geschick die Texte tippen: Redakteur Malte Oberschelp ABONNEMENT UND KUNDENDIENST: Deutschland: RUND-Leser-Service, Badstr. 4-6, 90402 Nürnberg, [email protected], Tel. 0911/216 22 22, Preis des Einzelheftes 2,80 Euro, Jahresabonnement 33,60 Euro Österreich: RUND-Abonnenten-Service, Postfach 5, 6960 Wolfurt, [email protected], Tel. 0820/ 00 10 82, Fax 0820/00 10 86, Preis des Einzelheftes 3,20 Euro, Jahresabonnement 38,40 Euro Schweiz: RUND-Leser-Service, Postfach, 6002 Luzern, [email protected], Tel. 041 3292233, VORSCHAU 02 2006 Fax 041 3292204, Preis des Einzelheftes 5,40 sFr, Jahresabonnement 64,80 sFr Übriges Ausland: Jahresabonnement 33,60 Euro zzgl. Porto Erscheinungsweise: monatlich Am 25. Januar erscheint die nächste Für unverlangt eingesendete Manuskripte, Fotos, Dias, Bücher usw. wird nicht gehaftet. Die gesamte Zeitschrift einschließlich RUND-Ausgabe: Born to be wild: Peter aller ihrer Teile ist urheberrechtlich geschützt, soweit sich aus dem Urheberrechts gesetz und sonstigen Vorschriften Neururer, Trainer von Hannover 96, wird nichts anderes ergibt. Jede Verwertung ohne schriftliche Zustimmung des Verlages ist unzulässig. Dies gilt insbesondere zum Freak, wenn es um Motorräder und für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen seine Harley Davidson geht Afrika-Cup: Systemen. Copyright für Inhalt und Gestaltung – falls nicht ausdrücklich anders vermerkt – by Olympia-Verlag 2006. Warum die Meisterschaft des schwarzen Kontinents zum ISSN 1860-9279 Gesellschafter der Olympia-Verlag GmbH: Problem für viele Bundesligaklubs werden wird Kleines Real: Verlag Nürnberger Presse Druckhaus Nürnberg GmbH & Co. (Gesellschafter: Bruno Schnell, Kompl., Nürnberg, 22,76 %; Madrid: Wie der FC Getafe und sein deutscher Coach Bernd Druckhaus Nürnberg GmbH, Kompl., Nürnberg, 59,02 %; Walter GmbH, Nürnberg, 9,11 %; Friederike Diem, Stauf, 9,11 %) Schuster die Stars der Primera División ärgern – ein Märchen 100 % Geschäftsanteil. Die Beteiligung zu 4 unterliegt der Testamentsvollstreckung (Bruno Schnell) aus einem Madrider Vorort Mrs. Tagesthemen: Fußballfachfrau Anne Will bereitet einem langjährigen Gerücht ein Ende

RUND 115

rrund0106_114_115_Vorschau_Impr_Leserbriefeund0106_114_115_Vorschau_Impr_Leserbriefe Abs1:115Abs1:115 007.12.20057.12.2005 19:46:3119:46:31 UhrUhr SPIELKULTUR Auslaufen mit Thadeusz

Die Furcht vor dem Geist von Malente Jeden Monat terrorisiert TV- und Radiomoderator Jörg Thadeusz in RUND liebevoll den Fußball. Dieses Mal begegnet er einer holsteinischen Variante des Voodoo

Der Rasen sieht so aus, als würde sich jeder und trotzdem wird 2006 kein DFB-Scherge der Leckereien aus der Hotelküche soll der einzelne Grashalm bemühen, saftiger und grü- das Gepäck eines Herrn Schneider oder Frings Fußballer nur den laktatlangweiligen Spei- ner auszusehen als alle anderen Halme sonst hügelaufwärts in das Gebäude tragen. Denn sebrei zu sich nehmen, den der DFB-Koch zu- wo. Das Gebäude schweigt vorwurfsvoll, der der heutige Nationalspieler trägt zwar drei sammenrührt. Maschendrahtzaun leidet unter seiner Perfek- Sterne auf der Trikotbrust, bettet seinen Leib In die weltläufi ge Kuscheligkeit der Hotel- tion. Keine Beule, kein stümperhaft hineinge- aber nur auf einer Fünf-Sterne-Matratze zur lobby wird sich kaum einer der Herren trauen. schnittenes Loch. Nur ältere Anwohner erin- Nacht. Der Fußballer des Kommunikations- Denn dort trägt sonst keiner Badelatschen. nern sich noch an die Zeiten, in denen dieser zeitalters möchte teuer zwischen Hochleis- Sicherlich uncool, aber die männliche Uni- Zaun berühmt war. Damals wurde er von den tungssteckdosen wohnen, damit sich der Ak- form der Luxushotelgesellschaft ist der Drei- bedeutendsten Beinen Deutschlands überstie- ku des Mobiltelefons niemals leert. Und ein teiler ohne Rückennummer. Gleichgültig wie gen. Denen von Breitner, von Hoeneß oder so- regensicherer, vielleicht unterirdischer Zu- spitzenmäßig der Ruf des Hotels ist, die Näch- gar des Kaisers Beinen persönlich. Damals, als gang zum Golfplatz freut vor allem die äl- te sind für die Spieler der Horror. Nur Einzel- Franz Beckenbauer nur ein hochbegabter Fuß- teren Spieler, deren wahre sportliche Ambi- ne – Kahn wegen Führungskraftprivilegien, ballspieler war und noch nicht über die Ga- tion das Handicap des Kaisers ist. Asamoah wegen Kettensägenschnarchen – gengipfel des Werbefernsehens, die Cokom- Aber bei allem Neid auf die Verwöhnunter- schlafen einzeln, alle andere teilen das Zim- mentatorentäler des ZDF und den Weltfußball künfte der Weltmeister von morgen: Auch mer mit einem Kollegen. Der Stress vor gro- insgesamt herrschte. Zu dieser Zeit war die die Härten sollen nicht vergessen werden. ßen Spielen mit gigantischen Erwartungen Sportschule Malente der Rückzugsort der Der immer noch aufreizend schlanke, ergo des Publikums beklemmt. Übersprungshand- deutschen Nationalmannschaft. Auf schwer sinnenfeindliche Klinsmann lässt die Mi- lungen liegen in der Luft. In der dunklen zu rekonstruierenden Abwegen sind die Spie- nibars garantiert gewissenhaft ausräumen. Nacht wären die Spieler aber auch in Malen- ler der 74er-Equipe mit einer holsteinischen In seiner Ära des Fitnessfundamentalismus te nicht voreinander sicher, obwohl die Eta- Variante des Voodoo in Berührung gekom- wird für den Fußballathleten in der Suite genbetten in der Sportschule abgeschafft men. Bis heute wird der WM-Titel auch dem selbst die Spät abend spontangier nach Nüss- wurden. Es bliebe die Furcht vor dem frem- „Geist von Malente“ gutgeschrieben. chen unbefriedigt bleiben. Auch die Num- den Mann, der im Schutze der Dunkelheit Die Sportschule liegt heute noch schön, mer des Zimmerservice wird dann für die behauptet, er sei lediglich der „Geist von Ma- die Luft ist nach wie vor Lungenchampagner, Spieler gesperrt sein. Denn statt hüftstärken- lente“. FOTO MATTHIAS KOSLIK

LIEBE LESER, WIE HAT IHNEN DIESE RUND-AUSGABE GEFALLEN? BITTE SCHREIBEN SIE UNS: REDAKTION RUND, PINNEBERGER WEG 22-24, 20257 HAMBURG ODER [email protected]. RUND IM INTERNET: WWW.RUND-MAGAZIN.DE

RUND 116

rrund0106_116_Thadeuszund0106_116_Thadeusz 116116 007.12.20057.12.2005 19:54:3819:54:38 UhrUhr