Migung Der Verfasserin/Des Verfassers
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Kirchentage auf dem Weg | Erfurt | 25.-28. Mai 2017 Sperrfrist: Sa. 11.30 Uhr Projekt: Zentrum Juden und Christen Veranstaltung: Vortrag: Elisabeth Schmitz und ihr Einsatz für die Juden Eine Ausnahme in der Bekennenden Kirche Zeit, Ort: Sa. 11.30–13.00, Jüdische Landesgemeinde Thüringen, Kultur- und Bildungszentrum, Erfurt Referent/in: Sibylle Biermann-Rau, Pfarrerin, Tübingen (Der Vortrag basiert auf dem Buch: Sibylle Biermann-Rau: Elisabeth Schmitz – Wie sich die Protestantin für Juden einsetzte, als ihre Kirche schwieg, Hamburg 2017 – Das Manuskript wird ohne die von der Autorin angegebene Literatur und Fußnoten aufgeführt.) Einleitung: Elisabeth Schmitz? – Eine Entdeckung! Im Jahr 2008 habe ich zum ersten Mal von ihr gehört. Bekannt sind die Männer der Bekennenden Kirche, allen voran Barth, Bonhoeffer, Gollwitzer, Niemöller. Aber von Elisabeth Schmitz, der Berliner Studienrätin im Dritten Reich, war jahrzehntelang nicht die Rede gewesen. Erst seit einigen Jahren und immer häufiger wird ihr Name genannt. Auf dem Prospekt der Ausstellung zur Barmer Theologischen Erklärung in der Kirche in Wuppertal-Barmen ist sie mit Barth und Bonhoeffer auf einer Seite zu sehen. „Wenn das Schmitz noch erlebt hätte, aber vom Inhalt her stimmts!“ war der Kommentar von Dietgard Meyer, der ehemaligen Schülerin und späteren Freundin von Schmitz, als sie mir den Prospekt vor 2 Jahren zeigte. Seit den 80er Jahren ist zwar ein bedeutender Brief von Schmitz an den Dahlemer Pfarrer Helmut Gollwitzer bekannt, und es gab auch schon Hinweise auf einen Briefwechsel zwischen Schmitz und dem Theologieprofessor Karl Barth. Aber bis 1999 blieb unbekannt, dass diese Briefeschreiberin auch die Verfasserin der wichtigen rund 20- seitigen Denkschrift von 1935/36 „Zur Lage der deutschen Nichtarier“ ist, mit der Schmitz „ihre“ Bekennende Kirche zum Widerstand gegen die Judenverfolgung aufrütteln wollte. Die unterschriftslose Denkschrift wurde einer anderen zugeschrieben, als sie 1948 zum ersten Mal erwähnt worden ist (von Wilhelm Niemöller, dem Bruder von Martin N.und „Historiker“ des Kirchenkampfs). Die falsche Zuordnung der Denkschrift hatte zur Folge, dass der eigenständige Ansatz der Schmitz- Denkschrift nicht wahrgenommen wurde und dass diese auch nicht im Kontext ihrer Briefe an die erwähnten Kirchenmänner der Bekennenden Kirche verstanden werden konnte. Es hätte nicht viel gefehlt und Elisabeth Schmitz hätte das Geheimnis ihrer Denkschrift mit ins Grab genommen. Wie aber kam es nun zur Aufdeckung der Verfasserschaft? Nach Schmitz` Tod 1977 drückte deren ältere Schwester Maria, so erzählt Dietgard Meyer, ihr als Freundin von Elisabeth deren alte Aktentasche in die Hand: „Die nimm du mal mit“. Sie enthielt neben Familienbildern und Freundes-Korrespondenzen viele gesammelte Vorträge und Artikel aus der Bekennenden Kirche. Erst in ihrem Ruhestand sichtete Meyer diese genauer und entdeckte dabei auch eine anonyme Denkschrift „Zur Lage der deutschen Nichtarier“. Sie Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Geneh- migung der Verfasserin/des Verfassers. Seite: 1/17 erkannte bald: „Das klingt doch nach Schmitz!“, obwohl sie sich nicht erinnern konnte, dass Schmitz je mit ihr über ihre Denkschrift gesprochen hätte. Auf der Suche nach einem Nachweis für die Urheberschaft stieß Meyer Ende der 80er Jahre im Staatsarchiv Wiesbaden auf ein Gesuch von Elisabeth Schmitz aus dem Jahr 1947, in dem sie um Wiederaufnahme in den höheren Schuldienst bat. Um ihre kritische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus zu beweisen, verwies sie gegenüber dem zuständigen hessischen Regierungspräsidium ausdrücklich auf ihre Denkschrift und legte sie als Anlage bei, (dazu auch noch eine Bestätigung ihrer Verfasserschaft von Propst Wilhelm Wibbeling.) Es handelt sich bei dieser Denkschrift, mit der Schmitz „ihre“ Bekennende Kirche bereits 1935, aber leider vergeblich, zum Protest rufen wollte, nach heutiger Einschätzung „um den bedeutendsten Text, der auf evangelischer Seite in den zwölf dunklen Jahren des Dritten Reichs überhaupt zur Lage der rassisch Verfolgten geschrieben wurde“, (so Herausgeberinnen des Doku-Bandes im Vorwort). Zu einer kommentierten Veröffentlichung der Denkschrift kam es dann erst 1999, als „Exkurs Elisabeth Schmitz“ in dem von Meyer mit herausgegebenen 1. Dokumentationsband zu Katharina Staritz. Das wurde vereinzelt durchaus registriert, auch mehrere Zeitungen berichteten darüber. Im Jahr 2004 fand dann auch noch Gerhard Lüdecke , Hanauer Richter i. R. und Kirchenvorstand, zufällig im Kellerraum seiner Kirche eine dick eingestaubte Schultasche, auf der ein Zettel lag: “Nachlass Dr. Elisabeth Schmitz“. Der Name hat ihm etwas gesagt, da er Dietgard Meyer bei einem Vortrag über die gebürtige Hanauerin im dortigen Geschichtsverein (im Dezember 2001) gehört und auch ihren Exkurs zu Schmitz gelesen hatte. So konnte er den Fund sofort einordnen. Die Schultasche war prall gefüllt mit Dokumenten, die Aufschluss gaben über ihre Familie, ihren Werdegang und ihre berufliche Situation, ihr Leben in Berlin und Hanau, aber auch Papiere zu verschiedenen Themen. In einem größeren Briefumschlag mit dem Hinweis „Zu meiner Denkschrift“ befanden sich Schulhefte mit einem handschriftlichen Text, auch ergänzt und überschrieben, sowie mit Stichworten und einer Gliederung, was interessante Einblicke in die Vorarbeiten zur Denkschrift gibt. (Die 2004 im Hanauer Kirchenkeller von Lüdecke gefundenen Dokumente sind sehr wichtig als ein Teil des Nachlasses von Schmitz.) Dieser sensationelle Fund verleitet immer wieder dazu, diesen als die „Entdeckung“ oder den Beweis dafür zu werten, dass Schmitz tatsächlich die Verfasserin der Denkschrift war. 30 Jahre nach Schmitz‘ Tod wurde 2007 auf Initiative des Berliner Historikers Manfred Gailus in Berlin erstmalig eine wissenschaftliche Tagung zu Elisabeth Schmitz durchgeführt. Gailus hat, auch durch seine ausführliche Schmitz-Biografie, viel dazu beigetragen, Elisabeth Schmitz in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, aber das Bild, das er von Schmitz als Person zeichnet, nämlich von der „grauen“ Erscheinung zur „protestantischen Ikone des 20. Jahrhunderts“, ist für Dietgard Meyer als Freundin nicht stimmig: „Sie war eben eine Frau ohne Kitsch!“ Seit Herbst 2010 hatte ich direkten Kontakt zu Dietgard Meyer (Jahrgang 1922). Sie kennt Elisabeth Schmitz wie niemand sonst und hat einen großen Teil ihres Nachlasses erhalten. Meine Ausführungen zu Elisabeth Schmitz stützen sich also auch auf Dietgard Meyer, sowohl auf unsere Gespräche als auch auf ihre verschiedenen Veröffentlichungen. Wer war Elisabeth Schmitz? I vor 1933: Kindheit und Jugend in Hanau, Studieren und Unterrichten in Berlin Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort. Veröffentlichung nur mit Geneh- migung der Verfasserin/des Verfassers. Seite: 2/17 Elisabeth Schmitz wird 1893 in Hanau/Main als dritte Tochter von Marie und August Schmitz, einem Gymnasialprofessor geboren und ist dort (in einem stattlichen Haus in der Corniceliusstraße), in einem bildungsbürgerlichen und kirchenverbundenen Milieu aufgewachsen. Der Vater, der auch Theologie studiert hat, ist kein Lutheraner, sondern reformierten Bekenntnisses, was i.d.R. auch eine kritischere Einstellung zum Staat zur Folge hat. August Schmitz fördert die höhere Schulbildung seiner Tochter bis zum Abitur an der Frankfurter Schiller-Schule und finanziert anschließend eine rund 10-jährige Ausbildung. Schmitz beginnt kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Bonn mit dem Studium der Fächer Deutsch, Geschichte und Religion. Mitten im Krieg wechselt sie 1915 nach Berlin, wo zwei international renommierte Professoren Elisabeths wichtigste Lehrer werden, Adolfvon Harnack - liberaler Theologe und Kirchenhistoriker - und Friedrich Meinecke- Historiker, bei dem Schmitz 1920 promovieren wird. Schmitz gehört nicht nur (seit 1916) dem auserwählten Kreis von Meineckes „Historischem Seminar“ an, sondern ist (ab 1917), vermutlich als erste Frau, auch Teilnehmerin im „Kirchengeschichtlichen Seminar“ Adolf von Harnacks, einem Kreis von Eliteschülern, zu dem zuvor auch Barth und später Bonhoeffer zählen, dem sie wahrscheinlich dort auch begegnet ist, auch wenn von einem näheren Kontakt nichts bekannt ist. Darüber hinaus ist und bleibt Elisabeth Schmitz ihren Lehrern Meinecke und von Harnack und deren Familien auch persönlich verbunden. Schon als Studentin ist sie häufig Gast bei Familie von Harnack, die in einem weitverzweigten Familien- und Kollegenkreis sowie in engen nachbarschaftlichen Kontakten im Berliner Westen lebt und ist eng befreundet mit der Tochter Elisabet von Harnack. Durch ihre persönlichen Kontakte zu diesen beiden Familien gewinnt Schmitz auch Anschluss an das „kulturprotestantische Bildungsbürgertum Berlins“ , das eine distanzierte Haltung zur stark traditionsverhafteten und obrigkeitshörigen preußischen Kirche hat und gekennzeichnet ist durch einen religiösen Individualismus und die Betonung der Ethik. Und als Historikerin nimmt Schmitz in Berlin den Umbruch nach dem Ende des Ersten Weltkrieg und die Weimarer Republik sehr bewusst wahr. Nach ihrem ersten Staatsexamen 1921 absolviert Schmitz parallel zu ihrem schulischen Vorbereitungsdienst noch ein mehrjähriges Ergänzungsstudium an der Theologischen Fakultät. Doch sie versteht sich zeitlebens als Historikerin, nicht als Theologin (so Meseberg- Haubold). Dass Schmitz am pulsierenden Berliner Leben der sogenannten „Goldenen Zwanziger“ teilnimmt, ist nicht bekannt und auch schon aus Zeitgründen angesichts von Studieren