Emils Geisterbahn Über Jahrzehnte Hat Emil Beck Seine Sportler Und Trainer Gefördert, Ausgesaugt Und Fallen Lassen
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FOTOS: BONGARTS Fechtzentrum in Tauberbischofsheim: „Mami, mach es dir gemütlich zu Hause, ich bin nie da“ FECHTEN Emils Geisterbahn Über Jahrzehnte hat Emil Beck seine Sportler und Trainer gefördert, ausgesaugt und fallen lassen. Jetzt geriet der Medaillenschmied selbst in die Kritik. Bei den Weltmeisterschaften in Seoul fehlt er erstmals an der Planche. Von Rücktritt will Beck jedoch nichts wissen. e älter das Jahrhundert wird, desto dem sich Leistung lohnt; der den verfette- Von Montag an müssen Emils Kämpfer, mehr bläht sich der Leib dieses kleinen ten Deutschen gezeigt hat, wie ein Wirt- die in den letzten Jahren so oft ins Leere Jrunden Mannes auf den Fotos. Und je schaftswunder geht: Emil, das letzte von 13 stießen, bei den Weltmeisterschaften in mehr er sich ausdehnt, desto besser klingen Kindern, das sich zum Friseur ausbilden Seoul wieder auf die Planche. Beck, haupt- die Namen der vielen Menschen, die bei ließ und anderen für 50 Pfennig die Haare beruflich Boss in Tauberbischofsheim und ihm zu Besuch waren. schnitt; Emil, der in den fünfziger Jahren obendrein Chefbundestrainer aller deut- Die Bilder, mit denen die Wände im den Film „Die drei Musketiere“ sah und schen Fechter, hat bis vor kurzem gehofft, Fechtzentrum von Tauberbischofsheim be- bei sich dachte, dass es mit einem Degen in dass nach diesem Turnier vielleicht noch hangen sind, schrauben sich nach oben wie der Hand im Leben schneller vorangeht mal ein Fluggerät aus der Hauptstadt bei ein Wagnersches Crescendo: Emil Beck mit als mit einer Schere. Emil, der vor 47 Jah- ihm landen und einen dieser neuen Politi- Lothar Späth, einst Landesvater in Baden- ren einen Fechtclub gründete und vie- ker ausspucken würde, was bestimmt ein Württemberg; Emil Beck mit Richard von le Jahre später als „Medaillenschmied“ schönes Foto hergäbe. Weizsäcker, als der noch im Hubschrau- Deutschlands bekannt wurde. Aus.Vorbei. Emil Beck, 64, fehlt in Süd- ber der Luftwaffe unterwegs war. Die Galerie mit den Dokumenten kleb- korea. Er hat sich eine Formel erdacht, Und dann, fortissimo, Emil Beck mit riger Antrittsbesuche aus Bonn endet mit nach der er sein Amt als Bundestrainer Helmut Kohl, als der Chef in Deutschland Helmut Kohl, als sei nach ihm die Welt un- „vorerst ruhen“ lasse. Die Wahrheit ist, war und die Gelenke noch geschmeidig – tergegangen. Es ist, als müsse Emil Beck im dass Deutschlands oberster d’Artagnan als die Abbildung zeigt den frühen Kanzler Sog seines „lieben Helmut“ gleich mit ab- Führungskraft nicht mehr zumutbar ist. bei einer Dehnübung auf dem Trimm-dich- saufen. Der Dicke aus Bonn gewann keine Emil Beck ist Amok gelaufen. Es war, als fit-durch-Sport-Gerät. Alle großen Christ- Wahlen mehr, der Dicke aus Tauberbi- habe er die Nation zum Tag der offenen demokraten waren bei ihm. Beim Emil, bei schofsheim gewann keine Medaillen mehr. Tür geladen und unfreiwillig vorgeführt, 204 der spiegel 44/1999 Sport was sich hinter seinen Gemäuern in Wirk- des deutschen Sportwesens mit freundli- Beck, habe zu lange schon keine Sieger lichkeit verbirgt: eine Geisterbahn. Am cher Unterstützung von Mercedes und dem mehr produziert. Er schreibt: Kassenhäuschen sitzt Emil, und innen drin Bundesministerium des Inneren (siehe Kas- „Und in diesem Punkt hast Du in allen ziehen Gestalten Grimassen, die alle aus- ten Seite 206), zu Ruhm kam. Belangen versagt, Deinen Arbeitsauftrag sehen wie lauter kleine fiese Emils. Beck, ihr Erfinder, hat die Menschen um keinesfalls erfüllt (…) Du hast nie begrif- Vom Besuch des Kanzlers Kohl muss er sich herum in ein subtiles Abhängigkeits- fen, dass nur der Gesamterfolg letztendlich behalten haben, dass an Niederlagen im- verhältnis manövriert; er hat Sportler zu erst stark macht (…) Du stellst für leis- mer die anderen schuld sind. Schuld am Siegern gemacht und dafür das Recht auf tungsorientierte Fechter keine Alternative Niedergang des Fechtzentrums von Tau- ihre Persönlichkeit kassiert; er hat sich jun- dar. Man kann und muss es leider so deut- berbischofsheim sind nach Ansicht seines ge Menschen ausgesucht, denen er beibie- lich sagen: Dies ist ein Armutszeugnis und Chefs die Angestellten Matthias Behr, 44, gen konnte, dass sich die Welt in Leute der sportliche Offenbarungseid!“ und Alexander Pusch, 44. Der eine ist Lei- teilt, die fechten, und andere, die nicht Pusch sagt, er habe „Erleichterung emp- ter des Sportinternats, der andere Bundes- fechten. Und solche, die fechten, machen funden“, als er das las. Er lebt zwar von trainer für die Degenfechter, beide waren ihr ganzes Leben lang Überstunden. dem Moment an in fortwährender Exis- Weltmeister und Olympiasieger. „Mami“, so will Beck einst zu seiner Gat- tenzangst, aber hat endlich schriftlich, was Behr und Pusch haben für Tauberbi- tin gesagt haben, „Mami, mach es dir er schon lange vermutet. schofsheim die Trophäen gewonnen, auf gemütlich zu Hause, ich bin nie da.“ Er hat Seit Wochen hat er diffuse Rauchzeichen die sich der kleine Mann gestellt hat, um den eigenen Lebensentwurf auf andere pro- aus dem Taubertal empfangen. Einmal trifft immer noch ein Stück größer zu werden. jiziert, weil er sie dafür brauchte. Er selbst er beim Waldspaziergang eine Bekannte, Und als er wieder so klein war wie damals sagt: „Ich tue für meine Mitarbeiter – egal, die ihn fragt: „Alex, stimmt es eigentlich, im Frisiersalon, wollte er sie aus ihren Pos- zu welcher Zeit – alles, was mir möglich ist. dass dein Vertrag nicht verlängert wird?“ ten jagen. Der vormalige Figaro hat die Immer direkt, korrekt und geradeaus.“ Auf welchem Niveau es irgendwann en- Ikonen des Taubertals gemobbt und sich den wird, ahnt Puschs Ehefrau Ute schon damit gewissermaßen selbst rasiert – seine m 6. Juli 1999 findet der Trainer Ale- seit zwei Jahren. Sie erinnert sich an einen Opfer sind jetzt an seiner Stelle bei den Axander Pusch in seinem Postfach einen Dialog, der sie in einen Nervenzusam- Weltmeisterschaften im Einsatz. drei Seiten langen Brief, in dem ihm an- menbruch treibt. Die Geschichte von Matthias Behr und gekündigt wird, dass er demnächst seinen Bei der Ehrung der Sportler des Jahres Alexander Pusch zeigt, wie Tauberbi- Job los ist. Der Absender hält ihm ge- sitzt Emil Beck an ihrem Tisch und klagt schofsheim, diese vorbildliche Werkstatt bremsten Arbeitseifer vor. Pusch, meint über „meine Trainer“, die nicht mehr spu- ren. „Die arbeite nix, die schaffe nix. Die Im Reich der Klingen Ämter, die Emil Beck bekleidet werde scho sehn, was sie davon haben.“ Ihr ist klar, dass der Tischherr damit ihren eigenen Mann meint. Die Bankkauffrau Ute Pusch ist eine selbstbewusste Frau, sie 1. Vizepräsident Chefbundestrainer antwortet ihm: „Wenn ich das höre, bin ich des Fecht-Clubs 1344 im Deutschen Leiter des Olympia- Mitglieder froh, dass ich einen Job habe, der zur Not 400 Tauberbischofsheim Fechter-Bund (DFeB) uns beide über Wasser hält.“ stützpunkts Fechter Tauberbischofsheim 24 475 Attacken dieser Art ist Beck im richtigen Mitglieder Leben nicht gewohnt. Er denkt einen Mo- Beauftragter des Lan- ment nach und sagt dann zu der Frau, die dessportverbandes Vizepräsident Stellvertretender Ständiger Gast er gern als seine „Lieblingsschwiegertoch- für die Olympiastütz- der Gesellschaft Vorsitzender im Aufsichtsrat Beratendes ter“ bezeichnet: „Eh, wie läuft es eigent- punkte in Baden- zur Förderung des Stiftungsrats der der Stiftung Mitglied im Württemberg des Fecht-Clubs Stiftung Fechtsport Fechtsport DFeB-Präsidium lich bei euch beiden? Wenn du nicht mehr zufrieden bist, brauchst du mir nur Be- scheid zu sagen.“ Na und? Beck findet: „Sicherlich war meine Äußerung unbedacht und zu vor- gerückter Stunde ausgesprochen. Aber wenn man jedes Wort auf die Goldwaage gelegt bekommt – das ist ja furchtbar.“ Alexander Pusch verbringt sein Leben bei Emil Beck, seit er elf Jahre alt ist. Er ist der talentierteste Sportler, den Beck je- mals zu fassen bekam, aber er fühlt sich 33 Jahre lang ununterbrochen gegängelt. Pusch ist Becks Gegenentwurf: Er muss sich den Erfolg nicht mit Zusatzstunden erarbeiten und lebt sein Leben mit einer Leichtigkeit, die Emil Beck suspekt ist. Al- les, was Pusch macht, macht er mit einem schlechten Gewissen. „Man lebt hier in ständiger Angst“, sagt er. Pusch spielt nebenher Golf, und Beck wirft ihm vor, er stecke zu viel Energie in sein Privatvergnügen. Mit 20 wird er Ein- zel-Weltmeister mit dem Degen, im Mann- * Sabine Bau, Anja Fichtel, Zita Funkenhauser bei den Trainer Beck, Medaillengewinnerinnen*: „Wie eine Reise in den Himmel“ Olympischen Spielen 1988 in Seoul. der spiegel 44/1999 205 Sport Finte in der Buchführung In Emil Becks Fechtimperium wird wegen Betrugs und Urkundenfälschung ermittelt. Wie keinem zweiten Sportfunktionär Das scheint ein überschaubarer Be- hier zu Lande ist Emil Beck von Politi- trag. Weitaus gravierender ist jedoch kern gehuldigt worden.Allein aus Bonn der Verdacht der Urkundenfälschung. flossen in den letzten zehn Jahren rund Denn in einigen Fällen, so Heister, ha- 33 Millionen Mark in sein weit veräs- ben die Befragten ausgesagt, dass Un- teltes Reich. terschriften auf Belegen nicht von ih- Doch Liebling Beck wird nicht mehr nen stammen. Beim BVA in Köln, das gehätschelt. Das Regierungspräsidium mit den Stuttgarter Ermittlern in stän- in Stuttgart untersagte ihm unlängst, digem Kontakt steht, spricht man von die Stiftung Fechtsport in Emil-Beck- Unterschriften „in einer Art Kinder- Stiftung umzutaufen. Gelockert sind schrift“. auch die Seilschaften im Deutschen Dass das Ausmaß der Vorwürfe nicht Fechter-Bund. Erst musste Beck auf noch erdrückender wird, liegt an den Druck sein