Thomas Bach IOC Exekutivkomitee Im Gespräch Mit Werner Rabe
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BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks Sendung vom 06.04.2000 Thomas Bach IOC Exekutivkomitee im Gespräch mit Werner Rabe Rabe: Ein herzliches Grüß Gott zu Alpha-Forum heute aus Stein bei Nürnberg aus dem Schloss des Grafen Faber-Castell. Zu unserem Thema "Ein Leben mit und für Olympia" begrüße ich unseren Gast Dr. Thomas Bach. Herzlich willkommen, Dr. Thomas Bach. Sie sind Rechtsanwalt und Sportfunktionär. Sie sind in Würzburg geboren, haben eine Rechtsanwaltskanzlei in Tauberbischofsheim, und Sie waren 1976 mit der Mannschaft Olympiasieger im Fechten und auch Weltmeister. Sie waren insgesamt ein sehr erfolgreicher Sportler, aber sind auch erfolgreich im Beruf und erfolgreich und einflussreich als Sportfunktionär. Ich falle gleich mit der Tür ins Haus und frage Sie, wie es sich denn als eine der schillerndsten Figuren der deutschen Sportszene in einem Gremium lebt, das zuletzt nach dem Bestechungsskandal um die Vergabe der Olympischen Spiele und wegen der Korruptionsaffären ins Gerede gekommen ist. Bach: Es hat sicherlich schon angenehmere Zeiten in diesem Gremium gegeben bis zu jenen berühmten Tagen im Dezember letzten Jahres. Das hat mich schon auch persönlich getroffen, weil ich das nicht für möglich gehalten hätte. Es hat mich hinterher aber auch so manches Echo darauf getroffen, das ich nicht so ganz für angemessen hielt. Aber in der Vergangenheit sind deswegen in der Richtung doch ganz wichtige Schritte unternommen worden: Das IOC hat sehr schnell und sehr hart reagiert, indem es sofort bestimmte Mitglieder ausgeschlossen hat. Vier Mitglieder sind auch von alleine zurückgetreten. Insoweit wird das Klima also wieder ein bisschen besser, aber der ganz große Spaß so wie vorher ist doch noch nicht wieder vorhanden. Rabe: Wir werden auf dieses Thema sicherlich noch zurückkommen. Sie sind 1991 in das IOC gewählt worden, und seit 1996 sind Sie dort in der Exekutive tätig. Für die französische Sportzeitung "L'Équipe" sind Sie möglicherweise der IOC-Präsident des dritten Jahrtausends. Was sagen Sie dazu? Bach: Ach du liebe Zeit, das dritte Jahrtausend ist doch wirklich so weit weg. Ich würde allerdings lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir nicht schmeicheln würde, als einer der potentiellen Nachfolger des IOC- Präsidenten genannt zu werden. Aber ich habe auch immer gesagt, dass ich keine Ambitionen habe in der Richtung. Dabei bleibe ich auch – zumal am Anfang eines solchen Gesprächs. Rabe: Welche anderen Kandidaten gibt es denn Ihrer Meinung nach, die sich dereinst einmal um das Amt des IOC-Präsidenten Samaranch bewerben könnten? Bach: Es gibt da eine ganze Menge erklärter und auch nicht erklärter Kandidaten aus Kanada, Belgien, Ungarn, USA, Korea, Mexiko. Das ist doch eine recht breite Palette. Da werden wir dann schon einen finden. Rabe: Diese Entscheidung wird also sicherlich erst nach Sydney fallen, denn alle Kandidaten wollen Sydney abwarten. Einer der Kandidaten, der belgische, hat gesagt, dass dieses Amt für die Lebensqualität eigentlich ein Desaster sei. Wenn man jedoch auf der anderen Seite Visionen verwirklichen wolle, dann müsse man dieses Amt ganz einfach anstreben. Welche Ansprüche stellen Sie an die Lebensqualität, und welche Visionen möchten Sie denn noch verwirklichen? Bach: Die Lebensqualität ist ein sehr dehnbarer Begriff. Ich liebe mein Leben, aber ich habe mein Leben auch schon so oft umstellen müssen, dass ich weiß, dass es verschiedene Lebensformen gibt. Wenn man in diesem IOC etwas gestalten will, dann kann man das an sehr vielen verschiedenen Stellen tun. Der Präsident befindet sich dabei selbstverständlich in einer herausgehobenen Position, aber es gibt schon auch viele andere Möglichkeiten: in Kommissionen, in der Exekutive, bei denen man Einfluss nehmen kann. Das ist nicht alles vom Amt abhängig, denn am Ende zählt die Kraft der Argumente und die Kraft der Vorstellungen, die man entwickelt. Da setzt man sich natürlich nicht immer durch – das wäre ja auch schlimm – , aber das eine oder andere Mal gelingt einem das auch, ohne Präsident zu sein. Rabe: Sie hatten sich unter anderem für die Bewerbung der Stadt Berlin für die Olympischen Spiele im Jahr 2000 eingesetzt, die ja nicht so erfolgreich verlaufen ist, wie Sie sich das vielleicht vorgestellt haben. In diesen Tagen, Wochen und Monaten ist gerade eine FIFA-Kommission unterwegs, um sich die Bewerbung des Deutschen Fußballbundes für die Weltmeisterschaft im Jahr 2006 anzusehen. Ich weiß, dass Sie da schon auch ein bisschen mitwirken, dass Sie dabei dem DFB Ihre vielen internationalen Kontakte zur Verfügung stellen. Wenn man gesehen hat, dass dafür die ganze politische Prominenz aufgefahren worden ist - der Kanzler, die Minister, die Ministerpräsidenten –, wenn man sieht, dass diese Kommissionen mit Staatskarossen durchs Land geführt worden sind, dann merkt man doch, dass "König Fußball" und seine Lichtgestalt Franz Beckenbauer dabei etwas bewegt haben. Das war so intensiv, dass der Vorsitzende der Kommission, Herr Rothenberg aus den USA, gesagt hat, er hätte gar nicht gewusst, wie fußballverrückt Deutschland eigentlich sei und was der Fußball in diesem Land alles bewegen könne. Was hat also der Fußball, was Olympia scheinbar nicht hat? Bach: Die Fußballbewerbung hat sehr viel geschickter agiert als die Olympiabewerbung. Der DFB - und dabei insbesondere Franz Beckenbauer und seine Mitstreiter - haben erkannt, dass man für eine solche Bewerbung zuerst eine Mehrheit im eigenen Land schaffen, dass man dafür die Überzeugung der Bevölkerung gewinnen muss. Das hat die Olympiabewerbung in Berlin nie geschafft: Sie hat es übrigens auch nie richtig versucht. Und dadurch sind dann auch viele andere Probleme entstanden. Ich war ja in der jüngsten Zeit mit dieser Bewertungskommission der FIFA zusammen: Ich mahne da schon ein wenig zur Vorsicht. Diese Truppe ist inzwischen in England, und sie sagt dort genau das Gleiche, was sie hier gesagt hat. Ich habe gestern auf BBC Alan Rothenberg gesehen: Er ist von England genauso begeistert wie vor zwei Tagen von Deutschland. Man muss da also schon ein wenig Vorsicht walten lassen, denn so ein Verhalten ist ja nicht illegitim. Am Ende weiß ja sowieso jeder: Wenn die Fußballweltmeisterschaften nach Deutschland kommen, dann wird es dafür auch geeignete Stadien geben, dann werden auch die Organisation und die Infrastruktur stimmen. Das ist also kein Plus. Am Ende wird es daher letztlich um eine große Frage gehen. Geht man damit in ein fußballbegeistertes Land mit einer gesicherten Infrastruktur und mit politischer und wirtschaftlicher Stabilität, dann ist Deutschland sicherlich der Favorit. Oder argumentiert man in der FIFA so, dass man sagt: Man geht damit in ein Land oder in einen Kontinent, wo der Fußball noch nicht so entwickelt ist, und tut dort etwas für dieses Land bzw. diesen Kontinent. Zwischen diesen beiden Polen wird es sich entscheiden. Ich hoffe sehr, dass es Deutschland sein wird. Die Bewerbung hat bisher wirklich alles dafür getan und sehr geschickt agiert: Sie ist sehr bescheiden und sympathisch aufgetreten und hat sich insoweit nichts vorzuwerfen, auch wenn es schief gehen sollte. Aber ich hoffe doch, dass wir 2006 dieses Großereignis bei uns im Land haben werden. Rabe: Daran schließt sich natürlich die Frage an, ob es denn in absehbarer Zeit auch wieder eine deutsche Olympiabewerbung geben wird – für den Winter oder für den Sommer. Ich habe kürzlich gelesen, dass Sie bei einem Besuch in Stuttgart darauf angesprochen worden sind. Da Sie ja nun einmal Süddeutscher sind, haben Sie natürlich nicht nein gesagt, sondern gemeint, dass man eben prüfen müsse, ob in Stuttgart die Infrastruktur dafür stimmen würde. Wie sehen Sie das denn? Im Nationalen Olympischen Komitee wird zurzeit ja auch diskutiert, ob die Zeit nicht doch wieder reif wäre dafür, nachdem ja zuletzt nicht nur die Berliner Bewerbung, sondern zuvor auch schon die Berchtesgadener Bewerbung um die Olympischen Winterspiele gescheitert war. Ist Deutschland nicht auch einmal wieder an der Reihe? Ist Deutschland nicht wieder reif für Olympische Spiele? Bach: Das ist zunächst einmal eine Entscheidung des Nationalen Olympischen Komitees. Aber wir dürfen dabei vor allem einen Fehler nicht begehen. Wir dürfen diese Diskussion nicht wirklich beginnen, bevor die Entscheidung für die Fußballweltmeisterschaft gefallen ist. Wir müssen nach außen den Anschein vermeiden, nun würden die wiedervereinigten Deutschen plötzlich alle Großveranstaltungen auf einmal haben wollen. Das wäre nicht gut: auch nicht für die Bewerbung um die Fußballweltmeisterschaft. Hier sollte also Olympia zurückstehen. Danach hoffe ich freilich schon, dass sich das NOK wieder einmal zu einer Olympiabewerbung durchringt. Man muss dabei aber doch beachten, dass das nicht mehr so einfach ist wie früher. Als München dafür ausgewählt worden ist, gab es nur zwei Kandidaten. Mein Vorgänger im IOC, Willi Daume, hat mir einmal die folgende schöne Geschichte erzählt: Als es um diese Bewerbung ging, flog er mit dem Flugzeug zur IOC-Session, die darüber entscheiden sollte, nach Rom. Er verließ das Flugzeug, und plötzlich stand neben ihm der Staatssekretär im Bundeskanzleramt und sagte zu ihm: "Guten Tag, Herr Daume. Sind Sie auch in Rom, was machen Sie denn hier?" "Sie wissen ja, dass wir uns um Olympia bewerben. Wir wollen doch 1972 die Olympischen Spiele in München haben." "Ah, das ist ja sehr schön, aber dafür müssen Sie so eine weite Reise machen?" Seitdem haben sich die Zeiten doch gewaltig geändert. Alle Städte und Kontinente streiten sich um Olympia. Wir haben schon jetzt zwölf