24. Festival Eine Sandstein und Musik Symphonie 2. April bis 11. Dezember 2016 des Genusses

Margon gehört einfach zum guten Ton – in der gehobenen Gastronomie und zu Hause bei Tisch genauso wie zu echten Leckerbissen der klas- sischen Musik. Deshalb steigert das beliebte Trio von Margon als prickelnde Erfrischung beim 24 . Festival „Sandstein & Musik“ wieder den Genuss der begeisterten Zuhörer.

Schirmherr: Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Künstlerische Leitung: Ludwig Güttler Klingende Elbe – von Böhmen nach Hamburg

Das Festival Sandstein und Musik wird präsentiert von:

Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und Kulturraum Meißen – Sächsische Schweiz – Osterzgebirge margon.de 24. Festival Eine Sandstein und Musik Symphonie 2. April bis 11. Dezember 2016 des Genusses

Margon gehört einfach zum guten Ton – in der gehobenen Gastronomie und zu Hause bei Tisch genauso wie zu echten Leckerbissen der klas- sischen Musik. Deshalb steigert das beliebte Trio von Margon als prickelnde Erfrischung beim 24 . Festival „Sandstein & Musik“ wieder den Genuss der begeisterten Zuhörer.

Schirmherr: Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Künstlerische Leitung: Ludwig Güttler Klingende Elbe – von Böhmen nach Hamburg

Das Festival Sandstein und Musik wird präsentiert von:

Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und Kulturraum Meißen – Sächsische Schweiz – Osterzgebirge margon.de Energie fürs Leben. ENSO bringt Kultur ins Programm.

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Service-Telefon: 0800 6686868 (kostenfrei) www.enso.de/kultur Einfach.iE nfa hc Naheliegend.egeilehaN.h nd. Festival Sandstein und Musik 2016 Inhalt

Vorwort 3

Sponsoren und Förderer 4

Grußworte zum Festival 5

Mitwirkende 6

Künstlerische Leitung 7

Spielorte 8

Konzerte 10

Biografien 62

Junge Künstler beim Festival 79

Zwei Jubiläen – ein Konzert 82

Meisterwerke mit Ludwig Güttler 83

Herzlicher Gruß an den Nachbarn 87

Tombolapreise zum 24. Festival 91

Ausblick auf das 25. Festival und 92 Impressum

1 UNSER SCHÖNSTES NATURKUNDEMUSEUM IST 93 KM2 GROSS. UND MANCHMAL REGNET ES REIN.

Reist man in die Sächsische Schweiz, kommt man aus dem unsere Besucher immer wieder aufs Neue... Staunen nicht mehr heraus. Schließlich ist der Nationalpark und bei jedem Wetter. Mehr Informationen erhalten eine echte Naturschönheit. Einzigartige Sandsteinfelsen, Sie unter www.sachsen-tourismus.de oder auch bei der wilde Landschaften, historische Bauobjekte und die un - Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen mbH, Bautzner mittelbare Nähe zur Kulturmetropole Dresden faszinieren Straße 45 - 47, 01099 Dresden, Telefon: 0351 / 49 17 00.

2 Vorwort zum Jubiläum eines bedeutenden Kirchenbaumeisters

Von Dr. Hans-Joachim Jäger

Sandstein und Musik – der Name unseres Festivals wird 2016 auf besondere Weise zum Programm. Anlass gibt der 350. Geburts- tag George Bährs, dessen Wirken und Einfluss wir manche Spielstätte im Elbland verdanken. Die Bedeutung des protestantischen Kirchenbaumeis- ters wurde schon im 18. Jahrhundert erkannt. Vor allem gründet Bährs Reputation auf seinem unter viel- fältigen Einflüssen entstandenen Hauptwerk, der Frauenkirche Dresden. Sie entstand von 1726 bis 1743 und wurde vollständig aus Sandstein errichtet. Er wollte mit der Frauenkirche eine „Kirche bauen, die von Grund auf bis oben hinauf gleichsam ein einziger Stein sein sollte“, wird Bähr oft zitiert. Nach Lutherischem Glaubensverständnis galt für ihn: „So wie das Evangelium gepredigt wird, so kann es durch die Musik weiter gegeben werden.“ Das Wort stand bei der Gestaltung sakraler Bauten ebenso im Mittelpunkt wie der Anspruch, dass darin „eine gute Musik zu machen“ sei. George Bähr, der am 15. März 1666 in Fürstenwal- de, Osterzgebirge, geboren wurde, war als bürgerli- cher Architekt und Baumeister von der Einheit von Wort und Musik beseelt. Sein Wirken belegt dies, wenngleich zu Lebensgeschichte und Werk manche Fragen offen bleiben. Die Lauensteiner Stadtkirche mit ihrem überwölbten spätgotischen Kirchraum und den Sandsteinarbeiten beeindruckte den Heran- wachsenden nachhaltig. Früh erwarb er Fertigkeiten und Fähigkeiten, ohne die seine Kenntnis etwa im Orgelbau oder – später – in komplexer Bauleitung nicht möglich gewesen wäre.

Eine Lebensleistung, die noch heute inspiriert

Bährs Weg führte in die sächsische Residenz Dres- den, wo er 1705 Ratszimmermeister wurde und sich den komplexen Aufgaben unter teils großen Anstren- gungen bis zum 72. Lebensjahr stellte. Das von ihm mit entwickelte bürgerliche Bauen steht für Gemein- sinn und Gemeinwohl. In Werkgemeinschaft arbeite- Blick zum Altar in der Schlosskapelle Weesenstein. Die Kapelle – nach Entwurfsideen George Bährs von Johann Georg Schmidt te Bähr für kirchliche, kommunale und höfische Auf- 1738-1741 realisiert – gilt als architektonischer Höhepunkt der gesamten Schlossanlage. traggeber. Die Loschwitzer Kirche, erbaut 1705-1708, ist sein erstes größeres Werk in Dresden. wert sind Bährs Mut und sein Durchsetzungsvermö- einem über achteckigem Grundriss gestalteten Zen- Bähr bemühte sich um eine Modernisierung des Kir- gen. Mit einigen seiner konstruktiv-technologischen tralkirchenraum mit barocker Kanzel. chenbaus gemäß dem Verständnis vom evangelischen Lösungen stieß er an Erkenntnisgrenzen seiner Zeit. Selbst das von Weinbergen umgebene barocke Gottesdienst als Einheit von Wort, Sakrament und Nach seinem Tode führte sein Schüler und Neffe, Schloss in Radebeul-Niederlößnitz, heute Sitz des Musik. Beispielhaft ist die nach seinen Plänen errich- der spätere Ratsbaumeister Johann Georg Schmidt Sächsischen Staatsweingutes, erinnert an eine für tete, 1716 geweihte Kirche „Zur Heiligen Dreifaltig- (1707-1774), Aufgaben von ihm weiter und setzte zum die Dresdner Baugeschichte und die Genehmigung keit“ in Schmiedeberg. Über dem Grundriss eines grie- Beispiel die ersten Entwurfsideen George Bährs beim des Frauenkirchenbaus bedeutende Persönlichkeit: chischen Kreuzes entwickelte Bähr einen schlichten Ausbau der Schlosskapelle in Weesenstein 1738-1741 an Generalfeldmarschall und Reichsgraf August barocken Zentralraum mit Altar und Kanzel, die in anspruchsvoll um. Die Kapelle – einer der reizvollsten Christoph von Wackerbarth, Leiter des Oberbauam- die Mitte der Kirche gerückt sind. Die Musik, die aus Spielorte unseres Festivals – markiert einen architek- tes und Gouverneur von Dresden. der Orgel über Kanzel und Altar erklingt, soll so bedeu- tonischen Höhepunkt der Schlossanlage. Der Lebensleistung George Bährs gebührt unser gro- tend und zentral wie das Wort der Verkündigung sein. Lehrlinge, Schüler und Kollegen Bährs nahmen Er- ßer Respekt. Sie inspiriert uns – auch beim Musi- Auch bei Um- oder Neubauten wurde George Bähr fahrungen und Ideen vor allem des evangelischen zieren und Musikhören. zu Rate gezogen oder beauftragt, so für die König- Kirchenbaus und der Bauleitung auf. So entstand steiner Stadtkirche St. Marien. Dass wir heute von 1731-1733 unter Leitung des späteren Kursäch- Dr. Hans-Joachim Jäger den 1724 abgeschlossenen, barocken Änderungen sischen Obermaurermeisters Johann Christian Hochbauingenieur nur noch wenig erkennen, ist dem Stadtbrand von Simon (1687-1760) die stattliche Dorfkirche in Pretz- Geschäftsführer/Projektleiter der Gesellschaft 1810 geschuldet, wonach der Kirchraum innen im klas- schendorf. Bährs Entwurfsgrundsätze finden sich zur Förderung der Frauenkirche Dresden e. V. sizistischen Stil gestaltet worden war. Bewunderns- ebenso in der 1786-1789 erbauten Kirche Lohmen,

3 Sponsoren und Förderer 2016

Der Vorstand des Trägervereins

Klaus Brähmig, MdB, Papstdorf · Rainer Franke, Sebnitz · Herbert Friedel, Dresden · Monika Hickmann, Struppen dankt hier allen seinen Sponsoren und Förderern für das Festivaljahr 2016.

Unternehmen

ENSO Energie Sachsen Ost AG · Ostsächsische Sparkasse Dresden · Margon Brunnen GmbH · Papierfabrik Louisenthal Königstein Herbrig & Co. GmbH · Sächsische Sandsteinwerke GmbH · Dipl.-Ing. Kahl GmbH · esm Edelstahl-Schwimmbad und Metallbau GmbH A. & R. Adam Verlag + Agentur · Klaus Schwark – AGROTEX · Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt BHS Bau- und Handelsgruppe GmbH & Co. KG · MBS Schlottwitz Franz Brand · Spinner Lauenstein GmbH · Reisebüro „die ferieninsel“ Dürrröhrsdorfer Fleisch- und Wurstwaren GmbH · Autohaus Adler Bahretal · Hotelservice Bad Schandau GmbH & Co. KG Ingenieurbüro Ulrich Karsch · Prugger Landschaftsarchitekten, Pirna · Schmiedeberger Gießerei GmbH Vermessungsbüro Hering · Lions Club Pirna · Architektur- und Ingenieurbüro Klieber · adviconta Dr. Gischke GmbH Flourchemie Dohna · GH Projekt AG Königstein · Vermessungsbüro Wiedner · Hirsch-Apotheke Sebnitz · Hutzel Seidewitztal GmbH Kristina Hille Steuerberaterin, Neustadt · Malermeister Ingolf Bannert · FeinwerkTechnik GmbH Geising Anett Friedemann, Deutsche Ärzte Finanz, Dresden · Bendl Hoch- und Tiefbau GmbH · Schiebocker Fleisch GmbH GEVA Unternehmensgruppe GmbH · WASS GmbH · Witt und Melosch Vertriebs-GmbH & Co. Grüne Landschaft GmbH · Lohmen Bau Pirna GmbH · Ralf Böhmer GmbH · IBH Ingenieur- und Beratungsbüro Haase Dr. Ludwig und Partner · AIB GmbH Bautzen

Privatpersonen

Klaus Brähmig, MdB · Klaus und Lolo Schulz · Günter Mursch · Dr. Klaus Gersten · Ursula Schyma Andrea Dombois, MdL · Michael und Regine Jacobs · Karl Heinz Treiber · Franz Brand Sigrid Kühnemann · Matthias und Gudrun Hentschke · Helmut Gregert · Matthias und Marita Zimmermann

Öffentliche Förderung – Freistaat Sachsen – Städte und Gemeinden

Kulturraum Meißen – Sächsische Schweiz – Osterzgebirge · Kulturstiftung des Freistaates Sachsen

Stadt Pirna · Stadt Dohna · Große Kreisstadt Sebnitz · Gemeinde Lohmen · Stadt Glashütte · Stadt Wehlen Stadt Neustadt · Stadt Wilsdruff · Stadt Heidenau · Stadt Stolpen · Gemeinde Rosenthal/Bielatal

Kuratoren

Prof. Theo Adam, Sänger · Dr.-Ing. Fritz Brickwedde, Generalsekretär Deutsche Bundesstiftung für Umwelt a. D., Osnabrück Michael Eckoldt, Musiker · Gunther Emmerlich, Sänger · Michael Geisler, Landrat des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge Hauke Haensel, Vorstandsvorsitzender Volksbank Pirna · Prof. Eckart Haupt, Musiker Joachim Hoof, Vorsitzender des Vorstands der Ostsächsischen Sparkasse Dresden · Friedrich-Wilhelm Junge, Schauspieler Wolfram Just, Musiker · Bernd-Dietmar Kammerschen, Stiftungsdirektor · Uta Krusche-Räder, Superintendentin, Pirna Werner Kirschner, Geschäftsführer Hotelservice Bad Schandau GmbH & Co. KG Dr. Uwe Lorenz, Geschäftsführer Eberhardt travel GmbH Kesselsdorf Markus Leidenberger, Landeskirchenmusikdirektor · Roland Matthes, Kreisrat Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge Frank Müller, Geschäftsführer R + M Haus und Mietverwaltung, Dresden · Kristin Schröder, Sächs. Sandsteinwerke Jürgen Opitz, Vorsitzender, Musikschule Sächs. Schweiz · Prof. Dr. Hans-Günter Ottenberg, Musikwissenschaftler Claus-Jürgen Przyborowski, Wirtschaftsprüfer Dresden · Tino Richter, Geschäftsführer, Tourismusverband Sächs. Schweiz Dr. Margit Schmidt, Ärztin · Mathias Schmutzler, Musiker · Dieter Schröter, Geschäftsführer Berghotel Bastei · Arnold Vaatz, MdB Dr. Ulrich Voigt, Vorsitzender Sächsischer Bergsteigerbund e. V. · Dr. Birgit Wetzel, ENSO AG · Roland Wöller, MdL

4 Grußworte zum Festival

Schirmherr Künstlerischer Leiter Veranstalter

Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Musikfreunde, Liebe Musikfreunde, liebe Freunde unseres Festivals Sandstein und Musik! sehr geehrte Damen und Herren, an Flussläufen sind in Europa über Jahrhunderte Han- Im 24. Jahrgang bieten wir Ihnen Konzerte unter auf diesem Weg möchte ich Sie ganz herzlich zu dels- und Kulturzentren entstanden. Die Flüsse prä- dem Motto „Klingende Elbe – von Böhmen nach Ham- unserem 24. Festival von „Sandstein und Musik“ – in gen seither nicht nur Landschaften, sondern waren burg“. Es hieße, Wasser in die Elbe zu schütten, die beeindruckende Kulturlandschaft Sächsische auch Inspirationsquelle für Dichter, Maler und Kom- würden wir Sie auf die verbindende, Identität stiften- Schweiz und Osterzgebirge – einladen. Unter dem ponisten. Große Werke wie „Die Moldau“ von Bedřich de Rolle von Flüssen in der Kulturgeschichte hinwei- Motto „Klingende Elbe – von Böhmen nach Hamburg“ Smetana, die 3. Symphonie von Robert Schumann, sen, um auch Kunst und Kultur zu transportieren. möchten wir Ihnen kulturelle Höhepunkte präsen- besser bekannt als die „Rheinische“, oder das „Rhein- Lassen Sie uns Vergessenes, ungenügend Gewürdig- tieren, in denen Sie Musik, Landschaft und Architek- gold“ von Richard Wagner zeugen davon. Das Mot- tes an unser Ohr dringen. So lenken wir in den Pro- tur voller Ästhetik gleichermaßen erleben können. to des Festivals für 2016 „Klingende Elbe – von grammen 2016 den Fokus auf Komponisten, die Maß- Passend dazu feiern wir in Deutschland und gerade Böhmen nach Hamburg“ verspricht ganz in diesem gebliches und Maßstäbliches geleistet haben in einer im Freistaat Sachsen im Jahr 2016 den 350. Geburts- Sinne eine musikalische Reise durch Raum, Zeit Kulturlandschaft, die als Wiege der deutschen Musik tag von George Bähr, den genialen Baumeister der und die Werke großer Komponisten. Auf die Besu- gilt: das Gebiet zwischen Böhmen und Hamburg, Dresdener Frauenkirche. In Fürstenwalde auf dem cherinnen und Besucher warten nicht nur kulturelle und Berlin, eingeschlossen die Lutherstadt Erzgebirgskamm wurde er 1666 geboren, in Lauenstein Highlights aus Dresden als Musikzentrum, sondern Wittenberg als Ausgangspunkt der Reformation. ging er zur Schule und in Schmiedeberg realisierte er Künstler aus nah und fern. Ihre Konzerte finden in Historische Orte und Künstlernamen sollen Auf- einen seiner ersten Kirchenbauten. Seine Ausbildung Kirchen und ausgefallenen kleineren Spielstätten merksamkeit erfahren, die heute kaum mehr bedacht in der Region um Dresden und die Schönheit unserer statt, die typisch sind für das Leben links und rechts werden: Namen wie Georg Anton Benda oder Jan Dis- heimischen Landschaft schulten seinen Blick für der Elbe. mas Zelenka aus Böhmen, Johann Friedrich Fasch, ästhetische Architektur. Aus dem Sandstein seiner So wie Flüsse über Grenzen hinweg Länder verbin- der in der fürstlichen Residenz von Anhalt-Zerbst wirk- Heimat schuf er dann mit der Frauenkirche in Dresden den, so verbindet die Musik als universelle Sprache te, die Magdeburger Johann Heinrich Rolle und Georg sein Meisterstück, über das er selber sagte: „Gleich- die Menschen. Ich wünsche mir, dass wir uns in Philipp Telemann – letzterer krönte seine Laufbahn sam wie aus einem Stein und dass man darinnen eine diesem Sinne von der Musik mitnehmen und für den in Hamburg. Wir möchten Hamburgs Sohn Brahms gute Musik machen könne“. Mit Konzerten an seinen Alltag inspirieren lassen. Allen Besuchern des Fes- ehren, gleichwohl Dresden sowie den Königsteiner Wirkungsstätten wollen wir das Schaffen von George tivals wünsche ich bereichernde Stunden an der euro- Georg Schumann zu dessen 150. Geburtstag. Es erklingt Bähr würdigen. päischen Perlenkette Elbe und musikalischen Hörge- Musik von Karl Friedrich Abel, einem Kammermusi- Die Vorkonzerte der Musikschule und die Sammel- nuss bei den Konzerten des Festivals Sandstein und ker der Dresdner Hofkapelle. Wir feiern Johann aktion zur Neuanschaffung von Instrumenten für den Musik. Gottlieb Naumanns 275. Geburtstag, bedenken Wag- musikalischen Nachwuchs der Region werden unter ner und Komponisten von heute. der künstlerischen Leitung von Ludwig Güttler fortge- Allen Sponsoren, Spendern und ehrenamtlichen setzt. Ein besonderes Dankeschön gilt unseren Spon- Helfern danken wir; ohne sie könnte das Festival nicht soren, Förderern und den vielen ehrenamtlichen Hel- stattfinden. Wir danken im Besonderen Ihnen, liebe fern, ohne die unser Angebot an Sie nicht möglich Freunde und Gäste für Ihre Treue, für die Wertschät- wäre. Auf ein Wiedersehen im Jahr 2016 freue ich zung, für Ihre Neugier und Ihr Wohlwollen. Bleiben mich persönlich ganz besonders. Sie uns gewogen und nehmen Sie an dem teil, was wir für Sie vorbereitet haben. Herzlich willkommen!

Stanislaw Tillich Ludwig Güttler Ihr Klaus Brähmig, MdB, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Vorsitzender des Festivals Sandstein und Musik

5 Mitwirkende

Solisten und Kammermusiker Ensembles

Sopran Viola 2Hot Romy Petrick Michael Schöne amarcord Katrin Le Provost Bensento Blechbläserensemble Ludwig Güttler Violoncello Dresdner Salon-Damen Alt Friedwart Christian Dittmann Faltenradio Annekathrin Laabs Isang Enders Michael-Fuchs-Band Marie Henriette Reinhold german hornsound Gran Orquesta de Tango Carambolage Viola da Gamba Tenor Leipziger Bach-Collegium Thomas Fritzsch Patrick Grahl Sächsisches Vocalensemble Some Handsome Hands Harfe Tangente Quattro Bass Astrid von Brück Virtuosi Saxoniae Gunther Emmerlich Klavierduo Walachowski Dominic Große Wirbeley Klavier Marion Nogaro Oboe Leitung Masako Ono Petra Andrejewski Matthias Jung Mirella Petrova Andreas Lorenz Ludwig Güttler Peter Rösel Frank Sonnabend Jürgen Karthe

Hammerflügel Fagott Lesung, Moderation, Schauspiel Sebastian Knebel Erik Reike Gunther Emmerlich Frank Richter Pianoforte, Cembalo Jens Daniel Schubert Trompete Michael Schönheit Peter Ufer Ludwig Güttler Volker Stegmann Orgel Friedrich Kircheis Corno da caccia Zu den mitwirkenden Schülern der Oliver Stechbart Johann Clemens Musikschule Sächsische Schweiz ab Seite 79 Basso continuo Violine Friedwart Christian Dittmann Florian Mayer (Violoncello) Johanna Mittag Bernd Haubold (Kontrabass) Heinz-Dieter Richter Friedrich Kircheis (Cembalo) Roland Straumer Annika Thiel

6 Künstlerische Leitung Ludwig Güttler

Ludwig Güttler zählt als Solist auf Trompete und Corno da caccia zu den erfolgreichsten Virtuosen seiner Generation. Durch seinen vielseitig angeleg- ten Wirkungskreis hat er zudem ein weltweites Renom- mé als Dirigent, Forscher, Veranstalter und Förderer erworben. Nach dem Studium in Leipzig folgte Güttler als Solotrompeter dem Ruf des Händelfest- spielorchesters nach Halle/Saale und von 1969 bis 1980 an die Dresdner Philharmonie. Lehraufträge führten ihn an das Internationale Musikseminar Wei- mar und als Professor an die Dresdner Musikhoch- schule. Er leitet Opernproduktionen und Meister- kurse und ist regelmäßig Juror bei bedeutenden Wettbewerben. Als Solist und Dirigent begeistert Ludwig Güttler im In- und Ausland. Mehr als 60 hoch gelobte Tonträ- ger liegen vor und dokumentieren sein Wirken als Kammermusiker, Solist und Dirigent. Güttlers beson- deres Interesse gilt seit nunmehr fast drei Jahr- zehnten der Wiederbelebung der sächsischen Hof- musik des 18. Jahrhunderts. Seinen Forschungsleis- tungen ist es zu verdanken, dass die Konzertlitera- tur durch zahlreiche vergessene oder bisher unbe- kannte Werke dieser Epoche bereichert wurde. Güttler hat an der Neuentwicklung des Corno da caccia maßgeblich mitgewirkt. Er gründete 1976 das Leipziger Bach-Collegium, 1978 das Blechbläseren- semble Ludwig Güttler sowie 1985 das Kammeror- chester Virtuosi Saxoniae, deren Leiter und Solist er ist. Mit seinen Ensembles und in der Besetzung Trompete/Corno da caccia und Orgel realisiert Gütt- ler etwa 100 Auftritte pro Jahr. Seit 25 Jahren tritt er verstärkt als Dirigent auf, leitet instrumentale wie chorsinfonische Konzerte und wird als Gast ans Pult gerufen. Für seine großartigen Leistungen wurde Ludwig Über seine zahlreichen Konzertverpflichtungen und Güttler oft ausgezeichnet. Als Vorstandsvorsitzender Plattenproduktionen hinaus ist Ludwig Güttler der Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus als Initiator und künstlerischer Leiter von Musik- der Dresdner Frauenkirche erhielt er 1997 den ersten festivals erfolgreich. Neben der Musikwoche Hitz- Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung. acker (die er bis 2015 leitete) hat er mit dem Festival 2000 wurde er für seine Verdienste um das Werk Sandstein und Musik ein musikalisches Ereignis mit Johann Adolf Hasses mit dem Claus Brendel Preis ins Leben gerufen und etabliert, das jedes Jahr ausgezeichnet. Zu den Auszeichnungen der letzten Publikum aus dem In- und Ausland in die Sächsische Jahre zählen Champagne-Preis für Lebensfreude Schweiz zieht und begeistert. Außerordentlicher (2004), Deutscher Fundraising Preis, Sächsischer Beliebtheit erfreuen sich Güttlers Konzerte in der Steuerzahlerpreis und Mitteldeutscher Kommuni- Frauenkirche Dresden. kations- und Wirtschaftspreis Heiße Kartoffel (alle 2006), das Große Verdienstkreuz des Verdienstor- dens der BRD sowie Officer of the Order of the Bri- tish Empire (OBE, ehrenhalber).

Ende 2011 erschien Alexandra Gerlachs Biografie „Ludwig Güttler: Mit Musik Berge versetzen“ beim Verlag Edel.

7 Spielorte 2016

George-Bähr-Spielstätten – zum 350. Geburtstag des Baumeisters

* Der innere Aufbau der Kirche Pretzschendorf entspricht den von George Bähr geschaffenen Gotteshäusern. So wie in der Dresdner Frauenkirche sind auch hier Altar, Kanzel und Orgel übereinander angeordnet. George Bähr und Christian Simon, der den Bau der Pretzschendorfer Kirche geleitet hat, haben mehrfach zusammengearbeitet. Ob auch beim Bau der Pretzschendorfer Kirche eine solche Zusammenarbeit zustande gekommen ist, lässt sich jedoch nicht belegen.

Pirna, Stadtkirche St. Marien Graupa, Richard-Wagner-Stätten Dresden-Loschwitz, Ev. Kirche

Lohmen, Landhaus Nicolai, Bogensporthalle Radeberg, Ev. Kirche Bärenstein, Ev. Kirche

Stolpen, Burg Stolpen –Kornkammer Lauenstein, Ev. Kirche Rammenau, Barockschloss – Spiegelsaal

Weesenstein, Schlosskapelle Reinhardtsgrimma, Ev. Kirche Sebnitz, Ev. Kirche

8 Stadt Wehlen, Ev. Kirche Dippoldiswalde, Kulturzentrum Parksäle Papstdorf, Ev. Kirche *

Pretzschendorf, Ev. Kirche Dohna, Ev. Kirche Radebeul, Schloss Wackerbarth

Königstein, Ev. Kirche Großsedlitz, Barockgarten, Orangerie Tharandt, Bergkirche

Dürrröhrsdorf, Festsaal Piano-Salon Pirna, Tom-Pauls-Theater Lohmen, Ev. Kirche

Schmiedeberg, Ev. Kirche Pirna, Stadtkirche St. Marien

9 Barocke Perlen in festlichem Gewand

Von Claudia Lubkoll

Unter dem Motto „Klingende Elbe – von Böhmen nach Hamburg“ steht gleichzeitig auch das feierliche Auftaktkonzert. Mit dem Böhmen beginnt die Reise. Sie führt über Dresden nach Hamburg, wo Georg Philipp Telemann seinen Hauptwirkungsort hatte.

Seltene Phänomene im Werkschaffen

Geboren im Jahr 1679 in Launowitz bei Prag und zu- nächst als Kontrabassist 1711 in der Königlich-Polni- schen und Kurfürstlich-Sächsischen Kapelle August des Starken angestellt, kümmerte sich Zelenka seit 1719 auch um die Leitung der katholischen Kirchen- musik des Dresdner Hofes, bevor er 1735 offiziell den Titel des Kirchen-Compositeurs erhielt. Zelenkas Ins- trumentalmusik nimmt einen sehr kleinen Bereich in seinem Schaffen ein, ist aber nicht weniger ein- drucksvoll, als seine Kirchenmusik. Das Capriccio Nr. 5 in G-Dur komponierte Zelenka im Mai 1729 in Dresden, wo es auch zur Aufführung kam. Bis heute ist kein Kompositionsanlass für dieses Werk bekannt, zudem ist es sein letztes Capriccio. Den Auftakt macht ein unaufdringlich feierlicher Blick auf den Lilienstein, 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, unbekannter Künstler Allegrosatz. Typisch bei Zelenka ist auch hier das wunderschöne, berührende Spiel mit Dissonanzen. Minuetto I und II tragen einen tänzerischen Charak- gegensätzliche 2. Satz dagegen besticht durch fili- nen die Werke aus. Gerade diese Klangpracht macht ter, der gerade im zweiten Teil zum Tragen kommt, grane Melodielinien, die von einem langsam schrei- Bibers Musik zu einem Hörerlebnis erster Güte. in welchem sich die Oboen und das Fagott innig mit- tenden Ostinatobass getragen werden. Im Verlauf Johann David Heinichen wirkte seit 1716 als und umeinander bewegen. Im 4. Satz kommt Zelen- entsteht ein feinsinniger Dialog zwischen der Solo- Kapellmeister an der Dresdner Hofkirche, wo er die kas furios-rasante Seite zum Vorschein, bevor er in violine und den begleitenden Instrumenten. katholische Kirchenmusik betreute. Seine größte Vilanella I und II auf den 1. Satz zurückgreift und da- Bekanntheit brachte ihm jedoch nicht seine Musik, durch eine thematische Geschlossenheit des Capric- Abstecher nach Salzburg sondern das Lehrwerk „Der General-Bass in der cio erzeugt. Composition“ ein, welches 1728 im Selbstverlag Von sind insgesamt nur zwei Der ebenso wie Zelenka aus Böhmen stammende erschien und zu einem der bedeutendsten Lehrwerke Violinkonzerte (BWV 1041 und 1042) und ein Doppel- Heinrich Ignaz Franz Biber galt schon zu seinen Leb- des 18. Jahrhunderts avancieren sollte. Auch bei konzert für zwei Violinen (BWV 1043) überliefert. zeiten als der größte Geigenvirtuose des Barock. Er Heinichen nimmt die Instrumentalmusik einen eher Diese vergleichsweise geringe Anzahl liegt darin prägte besonders die Musikgeschichte seiner Haupt- kleineren Teil seines Schaffens ein. Auffällig ist seine begründet, dass Bach viele seiner Konzerte in spä- wirkungsstätte Salzburg. Seit 1684 war Biber dort als besondere Vorliebe für das Horn und die enorme teren Jahren zu Cembalokonzerten umschrieb. So Kapellmeister für Hof- und Kirchenmusik verantwort- Sachkenntnis über das Instrument. In seinen Werken wurde zum Beispiel das heute erklingende Werk lich. Jedoch ist er heute überwiegend wegen seiner wird großes Können von dem Hornisten gefordert, BWV 1041 zum Cellokonzert g-Moll BWV 1058. Bis Instrumentalmusik berühmt. Als Ausdruck seiner zumal Heinichen für Naturhorn komponierte. heute ist das genaue Entstehungsdatum des Violin- Wertschätzung für Bibers Verdienste erhob ihn Die Serenata „di Moritzburg“ entstand 1719 als Um- konzerts unklar. Vermutet wird jedoch die Zeit um Kaiser Leopold am 7. Juli 1690 in den Adelsstand. rahmung der königlichen Jagd auf Schloss Moritz- 1730, als Bach seinen Dienst als Kantor der Thomas- Biber schuf Musik von unglaublicher Dichte und burg. Sie sollte einen krönenden Abschluss für die schule und Director musices in Leipzig versah. Instru- Komplexität. Ein außerordentliches kompositorisches Festlichkeiten zur Hochzeit von Friedrich August und mentale Ensemblemusik wurde besonders für Haus- Niveau und höchste virtuose Anforderungen zeich- Maria Josepha bilden, dem späteren sächsischen musik und die öffentlichen Konzerte des Collegium musicum gebraucht, das Bach seit 1729 leitete. Seine Dieses Konzert wird präsentiert von Konzerte stellten große spieltechnische Herausfor- derungen dar. Nicht anders verhält es sich in dem dreisätzigen Vio- linkonzert, welches heute zur Weltliteratur zählt. Das ausdrucksstarke und anspruchsvolle Werk erscheint vor allem in den Außensätzen frisch und bewegt. Der

10 1. Konzert Pirna, Stadtkirche St. Marien Johann Sebastian Bach (1685-1750) Konzert a-Moll für Violine, Streicher und Samstag Basso continuo BWV 1041 Allegro 2. April 2016 Andante 17:00 Uhr Allegro assai

Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704) Kurfürstenpaar. Gleich der 1. Satz der Serenata be- 1 Pirna. Die Pirnaer Stadtkirche St. Marien ist das bedeu- Konzert C-Dur für zwei Trompeten, Streicher ginnt rasant: Eine Herausforderung für die Fingerfer- tendste sakrale Bauwerk in der Sächsischen Schweiz. und Basso continuo (Einrichtung: Ludwig Güttler) tigkeit des Hornisten. Feine Melodielinien schmei- Sie gehört zu den schönsten spätgotischen Hallen- Allegro cheln dem anspruchsvollen Ohr. Im 4. Satz fühlt man kirchen in Sachsen. 1546 wurde die Kirche geweiht. Der zehn Meter hohe und fünf Meter breite mehr- Adagio – Allegro sich an die frische Luft versetzt und im 5. Satz wähnt geschossige Sandsteinaltar, der 1610 von den Pir- Adagio – Presto man sich in Gedanken schon zusammen mit dem naer Bildhauern Michael und David Schwenke geschaf- Pause Hochzeitspaar auf der Jagd, immer im Wettlauf mit fen wurde, zählt zu den Hauptwerken deutscher den beiden Hörnern. Kontrastierend erscheinen da- Spätrenaissance. Die Orgel wurde 1842 von dem Johann David Heinichen (1683-1729) zu die Sätze Aimable und Allegro: das thematische Dresdner Orgelbauer Jahn errichtet. Serenata F-Dur für zwei Hörner, zwei Querflöten, Material der vorangegangenen Sätze wird hier drei Oboen, Streicher und Basso continuo charmant in zart zupfende Streicher und edle Oboen- („di Moritzburg“) klänge gekleidet. Der letzte Satz bildet einen frischen, eine Rückkopplung an die Wünsche und Anlässe Allegro – Adagio flotten Abschluss des Werkes. seiner Auftraggeber statt. Er berücksichtigte sowohl Allegro die Fertigkeiten der ausführenden Musiker, als auch Sarabande Der Reichtum des Ausdrucks den musikalischen Stand seiner Hörer. Vielfältig sind Réjouissance ebenfalls Telemanns Werkbesetzungen und Satz- La Chasse Berühmt für seine Improvisationskunst auf der Orgel techniken. Er strebte nach verständlichem und aus- Aimable und bekannt für seine komplizierte Persönlichkeit ist drucksvollem Klang in seinen zahlreichen Komposi- Allegro besonders der älteste Sohn Bachs: Wilhelm Friede- tionen. Tempo di Menuet mann. Obwohl er das freie Künstlertum bevorzugte, Das 1733 entstandene Konzert in Es-Dur folgt in sei- Wilhelm Friedemann Bach (1710-1784) befand er sich zunächst in festen Arbeitsverhältnis- nem Aufbau dem viersätzigen älteren Konzerttypus Sinfonie F-Dur für Streicher und sen. Von 1746 bis 1764 war Bach Director musices (langsam – schnell – langsam – schnell). Telemann Basso continuo F. 67 in Halle und dort Organist an der Liebfrauenkirche. achtete hier besonders auf ein eng miteinander ver- Vivace Davor lebte und wirkte er von 1733 bis 1746 an der zahntes Wechselspiel von Orchestertutti und Soli. Allegro – Adagio – Allegro Dresdner Sophienkirche. In dieser Zeit entstand auch Das Maestoso beginnt wortwörtlich majestätisch, Andante seine Sinfonie F-Dur, die – genau wie seine anderen getragen und würdevoll. Auffällig ist der ausgiebige Allegro Werke – für einen ganz exklusiven Kennerkreis be- Gebrauch der Imitation, der einen herrlichen Span- Menuetto I alternatim stimmt war. Keine Sinfonie und kein Konzert wurde nungsaufbau ermöglicht. Vor allem im Grave werden Menuetto II zu seinen Lebzeiten gedruckt. Bachs Schaffen ist so- fugierte Schreibart und Imitation miteinander verbun- Georg Philipp Telemann (1681-1767) gar bis heute eher lückenhaft überliefert. Grund für all den und erzeugen wehmütige, elegante Melodie- Konzert Es-Dur für Trombe selvatiche, zwei dies ist seine außergewöhnliche Musik: Er wollte linien. Der letzte Satz bildet einen triumphalen, fei- Violinen, Streicher (Oboen ad libitum) und Basso sein Innerstes ausdrücken und ausleben. Dadurch erlichen Abschluss des Konzertabends und macht continuo TWV 54:Es1 aus „Musique de Table, entstanden unglaublich expressive, von verschie- Lust auf die nächsten Reiseziele an der „Klingenden III. Production Hamburg 1733“ dendsten Gefühlen durchdrungene Werke, die sei- Elbe“. Maestoso nerzeit nur einen kleinen Kreis von Hörern fand. Allegro Der 1. Satz der Sinfonie F-Dur besticht durch eine ge- Grave wisse Ruhelosigkeit, permanente Wechsel in Tempo Allegro und Harmonik sowie Melodienbruchstücke. Im Alle- gro des 4. Satzes befinden sich die Violinen in einem geschickten Dialog miteinander. Das Genie Bachs Ausführende wird in jeder Note erkennbar. Als starker Kontrast zu Ludwig Güttler, Volker Stegmann (Trompete, Corno den ersten Sätzen klingt die Sinfonie mit der schlich- da caccia) ten Melodik in den zwei Menuetten aus. Das außer- Frank Sonnabend, Petra Andrejewski (Oboe) gewöhnliche Werk des „Halleschen Bachs“ passt in Erik Reike (Fagott) keine Schublade: Umsomehr Freude macht es die- Roland Straumer, Heinz-Dieter Richter (Violine) sem interessanten Meisterwerk zu lauschen. Programm Am Ende der Reise über die „Klingende Elbe“ gelan- Basso continuo: Jan Dismas Zelenka (1679-1745) gen wir schließlich nach Hamburg zu Georg Philipp Friedwart Dittmann (Violoncello) Capriccio Nr. 5 G-Dur für zwei Corni da caccia, Bernd Haubold (Kontrabass) Telemann. Seit 1721 wirkte er dort als städtischer zwei Oboen, Fagott, Streicher und Basso conti- Friedrich Kircheis (Cembalo) Musikdirektor der fünf Hauptkirchen und als Kantor nuo ZWV 190 am Johanneum. Telemann gilt als universaler Kom- Allegro Virtuosi Saxoniae ponist: Bereits in jungen Jahren machte er sich mit al- Minuetto I – Minuetto II Leitung: Ludwig Güttler len gebräuchlichen Instrumenten seiner Zeit vertraut. „Il Contento“ – Trio Dadurch konnte er in seinen Kompositionen deren „Il Furibondo“. Presto assai Konzertdauer ca. 1 Stunde 50 Minuten inkl. Pause Klangspezifik und Spieltechnik voll ausschöpfen. Vilanella I – Vilanella II – Vilanella I Außerdem fand in seinem Schaffensprozess immer da capo

11 „Es gibt nur einen Gott und einen Abel!“

Von Thomas Fritzsch

„Es war eine Zeit, und sie ist noch nicht so lange verflossen, da Abel für die musika- lische Welt, den Ton angab – da alles Abe- lisch war.“ (Carl Ludwig Junker, „Zwanzig Componis- ten / eine Skizze“, Bern 1776) Als am 20. Juni 1787 Carl Friedrich Abel in London an den Folgen jahrelanger Alkohol-Exzesse starb, brach die musikalische Welt Europas in Klagerufe über den Verlust aus. „Noch kurz vor seinem Tode spielte er ein neu verfertigtes Solo, worüber selbst seine wärmsten Bewunderer erstaunten“, erfahren wir aus Ernst Ludwig Gerbers berühmtem Lehrwerk „Historisch-Biographisches Lexicon der Tonkünstler“ (1. Teil, Leipzig 1790). Sieben Jahre später inserierten die Londoner Buch- händler Evan & Thomas Williams in „The Morning Herald“ vom 3. April 1794 den Verkauf eines umfang- reichen Konvoluts Abelscher Manuskripte, darunter 10 Quartette und 24 Trios mit Viola da gamba, 18 Soli für Viola da gamba und schließlich „Zehn Soli, im Manuskript, von Abel, von seinen letzten Komposi- tionen, und welche er selbst in den Hanover Square Concerts spielte“.

Wechselnde Besitzer – geheimnisvolle Wege

Genau 200 Jahre danach wurde im Auktionshaus Sotheby’s von einem der bedeutendsten Privat- sammler unserer Tage ein in Leder gebundenes Kon- volut Abelscher Gambenwerke ersteigert, welches aus zehn Sonaten für Viola da Gamba und Basso und vier Duetten für Viola da Gamba und Violoncello be- steht. Die meist autographen Blätter zeigen Merk- male eines Kompositionsmanuskriptes; dabei wurde die Basso-Stimme erst nachträglich unterlegt. Auch die Cadenzen und Fingersätze stammen von Abels Carl Friedrich Abel, Radierung von William Nelson. Diese Devotionalie ist die letzte bekannte Abbildung von Carl Friedrich Abel Hand – nicht nachträglich, sondern aufgezeichnet mit und erschien 1787 wenige Tage nach dessen Tod in London. der Niederschrift der jeweiligen Sonate. Bereits 1882 wurden diese Manuskripte durch die Auktionare Puttick & Simpson an den Amateur- An Arthur Frederick Hill (1860-1939), einen weiteren Die erste originale Manuskriptseite trägt tatsächlich Gambisten Edward Payne verkauft; damals lautete Vorbesitzer, der die Werke 1905 erwarb, erinnert das rechts oben die Signatur Eliz: Pembroke; auf diese die Beschreibung: „Abel (C. F.) Vierzehn Duette für eingeklebte Exlibris. Das Buch in seiner gegenwärti- und eine Vorsatzseite hat J. Smith, ein weiterer Vor- Viol da Gamba und Violoncello, geschrieben für gen Form besteht aus zwei Abteilungen: Nr. 1-7 sind besitzer, den Personaleintrag zu Charles Frederick seinen Schüler, Lord Pembroke. In Abels eigenhän- autographe Einzelmanuskripte gleichen Layouts, je- Abel aus der „Penny Cyclopædia“ (London 1833) ab- diger Schrift und unveröffentlicht, und weist die weils mit einem Einzelblatt beginnend. Auf fortlau- geschrieben. Spiegelbildlich dazu ergänzte Smith Signatur von Lady Elizabeth Pembroke auf dem Vor- fenden Blättern und jeweils mit Titel über der ersten nach der letzten Notenseite ein Blatt, auf das er satzblatt auf, Halb-Kalbslederband.“ Diese Beschrei- Notenzeile folgen in Kopistenhandschrift Nr. 8-10 und einen weiteren enzyklopädischen Eintrag „Viol da bung stimmt mit der überlieferten Form des Buches autograph Nr. 11-14. Das Ende von Nr. 10 und der Gamba, Italian (Basse de viole, French, Kniegeige, überein: Gebundene Einzelmanuskripte (Partiturform) Beginn von Nr. 11 befinden sich auf Vorder- und German)“ unbekannter Provenienz übertrug. Die Be- im Halb-Kalbslederband mit dreiseitigem Goldschnitt Rückseite eines Notenblattes; der unbekannte Kopist schreibung zeugt von Kenntnis des Instrumentes. Die und ergänzter Numerierung (1-14). Auch der in Gold und Abel haben also nacheinander gearbeitet. Un- Erwähnung, dass nunmehr das Violoncello die Viola eingepreßte Rückentitel „DUETTO / PER / LA VIOLA klar bleibt, in welcher Reihenfolge und in welchem da gamba vollständig ersetzt habe und viele wohl- / DA GAMBA / AND / VIOLON / CELLO / [MS] / C.F. zeitlichen Abstand dies geschah, da Ordnung, Bin- klingende Gamben in Violoncelli umgebaut würden, ABEL“ entspricht der irrtümlichen Angabe über die dung und der dabei erfolgte Zuschnitt der Manu- widerspiegelt die Situation des 19. Jahrhunderts. Un- Zusammensetzung des Inhalts. skripte verwertbare Spuren vernichtet haben. ter seine Unterschrift setzte J. Smith „April 1873“.

12 2. Konzert Graupa, Richard-Wagner-Stätten Programm

Sonntag Carl Friedrich Abel (1723-1787) 3. April 2016 Abels Schwanengesang

17:00 Uhr Die Zweite Pembroke-Sammlung – Zehn Sonaten 2 für Viola da Gamba solo und Basso aus dem Besitz Wenden wir uns Lady Elizabeth Herbert (geb. Graupa. Als Erinnerung an Wagners Graupa-Aufent- von Lady Elizabeth Herbert (geb. Spencer), Countess Spencer), Countess of Pembroke and Montgomery halt vom 15. Mai bis Ende Juli 1846 wurden auf Initia- of Pembroke and Montgomery (1737-1831), Samm- (1737-1831), zu, die als Schülerin Abels gilt. Sie war tive des Leipziger Gymnasiallehrers Max Gaßmeyer lung Kulukundis (Depositum Bach-Archiv Leipzig) mit Henry Herbert, 10th Earl of Pembroke, verheira- 1907 im ehemaligen Schäferschen Gut, dem heu- tigen Lohengrinhaus, Gedenkzimmer eingerichtet. tet. Lady Pembroke spielte Gambe und ihr Mann Sonata E-Dur A2:42 (No 3) Mit Blick auf den 200. Geburtstag Richard Wagners Violoncello und Fagott. Der Geist der Gambenmusik Modorato – Adagio – Tempo di Menuet im Jahr 2013, wurde das Lohengrinhaus aufwendig lag in ihrer Heimstatt Wilton House in der Nähe von saniert und in seiner baulichen Struktur in wesent- Sonata A-Dur A2:51 (No 14) Salisbury noch in der Luft: Mehr als ein Jahrhundert lichen Bereichen wieder auf den Zustand um 1840 Modorato – Adagio – Tempo di Menuet zuvor musizierten hier John Coprario und sein Schü- zurückgeführt. Neben dem Saal im Erdgeschoss, in ler William Lawes in Diensten der 3rd und 4th Earls dem eine Ausstellung zum Thema „Wagners Oper Sonata D-Dur A2:49 (No 10) of Pembroke. Trotz der musikgetränkten Atmosphäre Lohengrin“ präsentiert wird, erwarten die Besucher Modorato – Adagio – Men[uet] scheint es eine unglückliche Ehe gewesen zu sein; die authentisch nachgestalteten Wagnerräume mit „Ehemänner sind gräßliche und mächtige Tiere!“, Hörstationen zum Aufenthalt des Komponisten in Sonata B-Dur A2:46 (No 7) Graupa. Es entstand der Wagner-Kulturpfad, ein mit fasste Elizabeth das Leid zusammen, das ihr durch Allegro – Adagio – Menuet Informationstafeln zu Lebensstationen Wagners zahlreiche Affären ihres Ehemannes widerfahren ausgestatteter Weg durch den Schlosspark. war. Vielleicht suchte sie verstärkt Trost in der Sonata g-Moll A2:44 (No 5) Musik und im Musizieren, und Abel, der die wunder- Modorato – Adagio – Tempo di Menuet baren Möglichkeiten seines Instrumentes so verin- mentreffen mit Johann Christian Bach und Abel im Pause nerlicht hatte, beschenkte sie im Überfluss. Hause des Baron von Bagge. Über ihn lesen wir Wun- Im Todesjahr Abels verließ Elizabeth ihren Mann und derliches: „Bagge: Baron Karl Ernst B., königlich-preu- Sonata Es-Dur A2:43 (No 4) Wilton House endgültig und bezog durch die Gunst ßischer Kammerherr und wunderlicher Musikliebha- Vivace – Adagio – Menuet von King George III. ihr neues Domizil Pembroke ber, lebte um 1782 in Paris und † daselbst 1791. Er Lodge in Richmond Park. So unglücklich die Verbin- spielte schlecht Bratsche und noch schlechter Vio- Sonata B-Dur A2:45 (No 6) dung zwischen Lord und Lady Pembroke auch gewe- line, hielt sich aber für einen Virtuosen ersten Ranges Vivace – Adagio – Tempo di Menuet sen sein muss, so verdanken wir dieser Konstella- und behauptete eine ganz neue Methode des Violin- tion doch vier unvergleichliche Duette für Viola da spiels erfunden zu haben, welche in einem Auf- und Sonata F-Dur A2:47 (No 8) Gamba und Violoncello. Niederglitschen mit demselben Finger auf den Sei- Moderato – Adagio – Men[uet] ten [sic], ohne alle weitere Applicatur, bestanden ha- Sonata G-Dur A2:48 (No 9) Unerhörte Klangfarben – verblüffende Modernität ben soll. Die größten Künstler aller Nationen, und da- Allegro – Adagio – Tempo di Menuetto runter Männer wie Viotti, mussten bei ihm Unterricht Die zehn Sonaten für Viola da gamba und Basso nehmen, um seine Manier kennen zu lernen, wofür Sonata D-Dur A2:50 (No 13) unterscheiden sich in ihrer Modernität verblüffend er ihnen jede Lection, die sie von ihm empfingen, mit Allegro – Adagio – Allegretto von allen uns bekannten Abelschen Gambenwerken. einem Louisd’or bezahlte.“ Bereits Tonarten wie E-, Es-, B- und As-Dur sind in Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Solowerken für Viola da gamba außergewöhnlich, Grimm lehrt uns die Bedeutung von „glitschen“: Glei- Ausführende ebenso die häufige Versetzung der Adagio-Sätze in ten, gleiten lassen. Sollte auch Abel in den zweifel- Thomas Fritzsch (Viola da gamba, siebensaitig) die Dominant- oder Subdominant-Tonarten. Immer haften Genuss des Unterrichtes nach neuer Methode von Johann Casper Göbler, Breslau, 1784 ist Abels Freude am Erfinden neuer, unerhörter Klang- gelangt sein? Und wann könnte er die zehn Sonaten (Viola da gamba Lady Amber, siebensaitig), farben zu spüren. Wären die eingetragenen Finger- für Viola da gamba und Basso geschrieben haben? Holleschau (Mähren), 1774 sätze nicht zweifelsfrei von Abels Hand – wir wür- Die Wasserzeichen der Papiere geben keinen Auf- Michael Schönheit den sie für Ergänzungen aus dem 19. Jahrhundert schluss. Alle genannten Zeichen der Modernität las- (Pianoforte von John Broadwood, London, 1805 halten! Klar erkennbar sind sie als Abweichungen sen darauf schließen, dass sie Spätwerke sind. Sollte Cembalo nach Michael Mietke, Berlin, um 1700, zur konventionellen Griff- und Lagentechnik gesetzt; es sich um jene „Zehn Soli, im Manuskript, von Abel, aus der Werkstatt für Historische Tasten- dabei bevorzugt Abel einerseits eine Position der von seinen letzten Kompositionen, und welche er instrumente Martin Schwabe, Leipzig) Greifhand auf dem fünften, sechsten oder siebenten selbst in den Hanover Square Concerts spielte“ han- Bund auf den obersten drei Saiten, andererseits das deln, die die Gebrüder Williams 1794 zum Verkauf Schleifen eines Fingers unter Ligaturen auf einer anboten? Dann wären diese Sonaten Abels Opus Konzertdauer ca. 2 Stunden inkl. Pause Saite – Spielweisen, die wir allzu gern erst dem ultimum, sein Schwanengesang! 19. Jahrhundert zubilligen. Abel war der erste Gam- Ein undatierter Kupferstich von Pietro Bettelini bist, der diese Neuerungen konsequent umsetzte. An- (1763-1829) mit Medallionportraits versetzt Abel in regungen dazu empfing er möglicherweise während die Gesellschaft von Corelli, Händel, Gluck, Pergo- seiner zahlreichen Parisaufenthalte von einem Ama- lesi, Rameau und Johann Sebastian Bach in einen teur-Geiger und Musikmäzen, der als seltsamer Kauz allegorischen Komponisten-Himmel. Unwillkürlich CD-Tipp: galt: Charles Ernest Baron de Bagge (1722-1791). Der werden wir an Abels selbstbewussten Ausruf erin- Weltersteinspielung der Zweiten Pembroke-Sammlung Flötist Jean Gaspard Weiß erzählt in seiner Autobio- nert: „Es gibt nur einen Gott und einen Abel!“ mit Thomas Fritzsch, Michael Schönheit und Werner graphie bereits im August 1767 von einem Zusam- Matzke, Coviello Classics (COV 91411)

13 Spielt! Spielt!

Von Dr. Ortrun Landmann und Karsten Blüthgen

Ein Abend der versonnenen Gespräche? Der heftigen Debatten? Des spielerischen Gegeneinanders im Miteinander? Der ka- priziösen Sologänge? – Dieses Programm bietet von allem etwas. Es schlägt einen Bogen von Bachs ernster Polyphonie zu Piazzollas verwegenem Tango. Ein zu kühner Bogen? Unbestritten handelt es sich beim Duo Astrid von Brück und Florian Mayer um Begnadete, um Meister – sie an der Harfe, er auf der Geige. Die Spieltechniken, Klangfarben und Aus- drucksmöglichkeiten, die sie nutzen, lassen den Atem stocken. Beide Stimmen fügen sich zu einem faszi- nierenden, auch geheimnisvollen Ganzen und lassen oft vergessen, wie eng verwandt die Instrumente sind. So unterschiedlich, disparat die Geisteswelten sein mögen, die hier betreten werden, so simpel ist das physisch Verbindende zwischen Harfe und Violine: Jeweils sind es Saiten, die zum Schwingen gebracht werden.

Ausschließlich zum Zwecke höherer Ausbildung komponiert?

Johann Sebastian Bach komponierte für mehrere Instrumente Solowerke, nicht nur im Bereich der Tastenmusik. Für Violine und Violoncello solo ent- standen je sechs Kompositionen: Suiten, Sonaten oder Partiten. Bis heute umweht sie der Hauch des Besonderen. In einer knappen Beschreibung würdigt der erste Bach-Biograf Johann Nikolaus Forkel das Wohltem- perierte Klavier als ein Werk, das „Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend […] auffgesetzet und verfertiget“ wurde – und ähn- Der sowjetische Komponist Dmitri Schostakowitsch besuchte 1960 und später noch einmal den Kurort Gohrisch. lich die zwölf Kompositionen für Solostreicher: Sie seien ausschließlich als Studienwerke für die höhere Ausbildung von Violinisten und Cellisten gedacht, so programmatische Titel, den dieses Jugendwerk trägt, keinesfalls – für Deutschland trifft dies besonders zu. Forkel in seiner 1802 erschienenen Biografie. So kor- sollte für Bach die Ausnahme bleiben. Viel selbst- Umso mehr interessiert die Begegnung mit einem rekt diese Aussage ist, so wenig trifft sie den künst- bewusster wählte 100 Jahre später Paganini diesen Stück von ihm. lerischen Rang dieser Werke. Den erkannte Bachfor- bereits ausgeprägten Gattungsbegriff. Dank seines Die 1907 entstandene Fantaisie op. 124 gibt durch scher Philipp Spitta 1873 und schrieb, diese brillanten Geigenspiels schon zu Lebzeiten als ihre Benennung zwar vor, sich aller formalen Regulie- Violinwerke haben „etwas gewaltiges an sich“. Bach Virtuosenlegende gefeiert, komponierte Paganini rung zu entziehen, doch ist sie sehr klar gegliedert. konzipierte sie als Zyklus, ließ je drei Sonaten und zwischen 1802 und 1817 in drei Gruppen insgesamt Umschlossen von zwei rhapsodierenden Abschnitten, Partiten kontrastreich aufeinander folgen und brachte 24 Capricen für Violine solo, die 1820 als ein Opus 1 wird zunächst in einem Allegro appassionato eine das Ganze in eine tonale Ordnung. Wie kunstvoll herausgegeben wurden. Die Werke fanden renom- wunderschöne Melodie vielfältig ausgesungen und Bach Mehrstimmigkeit zu erzeugen vermag, beweist mierte Widmungsträger. Mit dem Capriccio Nr. 19 deren synkopierte Fortsetzung von der Violine virtuos das hier zu hörende Satzpaar Sarabande – Double E-Dur ehrte Paganini den Komponisten und Geiger figuriert, worauf auch die Harfe eine große Soloka- aus der ersten Partita. Andreas Jakob Romberg (1767-1821). denz erhält; alsdann folgt eine Art Chaconne mit Bewundern wir schon bei Bach den kreativen Um- Camille Saint-Saëns hat in seinem langen Leben als Variationen der Violine über einem Harfen-Ostinato, gang mit Normen und Regeln, so bemerken wir bei nachschaffender wie als schaffender Künstler, vom bevor unter Rückkehr zum Anfang das rhapsodische Niccolò Paganini eine gesteigerte Lust, aus dem Wunderkind bis ins reife Alter, viel Anerkennung er- Element den Ausklang bringt. Reich der Gepflogenheiten auszubrechen. Das fahren, gegen Ende aber auch die Gegnerschaft der Das jüngste Werk des heutigen Abends schrieb Schlagwort heißt Capriccio. Zwar komponierte schon „Jungen“ um Claude Debussy, die ihm Erstarrung vor- Eckehard Mayer, den Dresdnern wohlbekannt unter Bach ein Werk namens „Capriccio über die Abreise warfen. Die heutige geringe Präsenz entspricht der anderem als langjähriger Leiter der Musik des Staats- des sehr beliebten Bruders“ (BWV 992). Doch der Bedeutung seines nahezu universalen Gesamtwerks schauspiels, vor allem aber als Komponist von Opern,

14 3. Konzert Dresden, Loschwitzer Kirche Programm

Samstag Johann Sebastian Bach (1685-1750) 16. April 2016 Aus: Partita I h-Moll BWV 1002 für Violine solo 3. Sarabande – Double 17:00 Uhr 3 Niccolò Paganini (1782-1840) Ballett-, Orchester-, Kammer- und Vokalmusik. Seine Dresden-Loschwitz. Die Grundsteinlegung erfolgte Aus: 24 Capricen Oper „Der Goldene Topf“ (Libretto von Ingo Zimmer- am 29. Juni 1705, die endgültige Fertigstellung war für Violine solo op. 1 mann nach E.T.A. Hoffmann) wurde 1989 in der Sem- am 3. August 1708. Die Orgel wurde wegen Geldman- 19. Caprice Es-Dur. Lento – Allegro assai peroper uraufgeführt. gel erst 1733 eingebaut. 1898/99 wurde die Kirche erneuert, dabei wurde der „Spielt!“, von Astrid von Brück sowie seinem Sohn Camille Saint-Saëns (1835-1921) Innenraum der Kirche vollständig umgestaltet. Am Florian Mayer im Juni 2015 uraufgeführt, bezeichnet Fantaisie 13. Februar 1945 wurde die Kirche von Brandbom- für Violine und Harfe op. 124 Eckehard Mayer als „Musizierstück“, als „kompo- ben getroffen und brannte vollständig aus. Noch im nierte Improvisationen zu einem ostinaten Grund- August 1945 wurde die Ruine vom Schutt beräumt Eckehard Mayer (1946) bass“, bei denen die Harfe „als Rhythmus-Instru- und das Mauerwerk gesichert. „Spielt!“ ment“ dient. Der keinesfalls „klassisch“ behandelten Nach einem zweijährigen Arbeitseinsatz der „Jungen für Violine und Harfe Geige sind „dynamische und spieltechnische Frei- Gemeinde“ konnte auf die Ruine ein neues Geläut heiten nicht nur erlaubt, sondern“ von ihr „sogar aufgesetzt und die noch relativ gut erhaltene Sakri- Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) erwünscht. Sie kann kreischen, schmirgeln, singen, stei als erster funktionsfähiger Raum ausgebaut wer- Präludien op. 34 den. Am 2. November 1969 fand die Weihe des Geläuts hinzufügen, weglassen – alles ist möglich. – Spielt! für Violine und Klavier (Arr.: Dmitri Zyganow), unter großer Anteilnahme der Gemeinde statt. Spielt!“ So die Aufforderung des Komponisten, der Fassung für Violine und Harfe 1978 wurde die Kirche unter Denkmalschutz gestellt, 10. cis-Moll. Moderato non troppo sich unterdessen auch dem Schreiben zugewandt und 1985 nahm die Gemeinde einen erneuten Anlauf 5. D-Dur Allegro vivace neben anderen Arbeiten 2013 seinen ersten Roman zum Wiederaufbau. 1991, beim 1. Elbhangfest, konn- 19. Es-Dur Andantino vorgelegt hat: „Ab jetzt ist es spät“. Dieser handelt, te der symbolische Grundstein zum Wiederaufbau wie könnte es anders sein, von einem Komponisten. gelegt werden. Am 2. Oktober 1994 erfolgte die Maurice Ravel (1875-1937) Wiederweihe der Kirche. Die 24 Präludien op. 34 von Dmitri Schostakowitsch, Pièce en forme de Habanera ursprünglich geschrieben für Klavier, sind im Inter- für Violine und Harfe esse einer erweiterten Rezeption transkribiert wor- den. Keinesfalls immer geschehen Transkriptionen Florian Mayer will seiner Eingebung nichts Erläuterndes Florian Mayer (geb. 1974) durch die Komponisten selbst oder wenigstens mit hinzufügen; er vertraut auf das hörwillige Publikum. Improvisation „Klingende Elbe“ deren Zustimmung. Eine Fassung von 19 der Prä- Mit Astor Piazzolla begegnen wir am Ende dieses ludien für Violine und Klavier von dem Geiger Dmitri Programms einem Komponisten, der sich ohne blei- Astor Piazzolla (1921-1992) M. Zyganow (Mitglied des Beethoven-Quartetts) fand benden Erfolg um Anerkennung im „klassischen“ Aus: „Histoire du Tango“ allerdings Schostakowitschs ausdrückliche Zustim- Bereich bemüht hat. Umso uneingeschränkter gilt er 1. Bordel 1900 mung. Sie wird für die heutige Wiedergabe durch als Schöpfer und „Klassiker“ des sogenannten Tango Oblivion Violine und Harfe verwendet. nuevo, einer für den Konzertsaal bestimmten Weiter- entwicklung des südamerikanischen Tanzes. Der Aus: „Histoire du Tango“ Improvisationen und stilistische Grenzgänge gebürtige Argentinier, der sechs Jahre lang bei 3. Night Club 1960 Alberto Ginastera Komposition, Kontrapunkt und Schostakowitsch hatte die Klavier-Miniaturen, gleich- Dirigieren studiert hat, wirkte lange Jahre als Das Programm wird moderiert. sam zur Ablenkung, 1932 nach der Fertigstellung Bandoneonspieler in Tangoorchestern, bevor er mit seiner Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ rasch zu seiner eigenen Formation Bandoneon – Gitarre – Vio- Papier gebracht; jedes der kleinen Charakterstücke line – Kontrabass – Klavier berühmt wurde. Später Ausführende steht in einer anderen der jeweils zwölf Dur- und erweiterte er die Besetzung durch Gesang, abermals Astrid von Brück (Harfe) Moll-Tonarten. Ihr Erfolg stellte sich erst allmählich später durch elektronische Instrumente. Er ist ein Florian Mayer (Violine) ein, ihre heutige Wertschätzung ist umso höher. Grenzgänger zwischen Kunst- und Unterhaltungs- Maurice Ravel, 40 Jahre jünger als sein französischer musik geblieben. Konzertdauer ca. 2 Stunden inkl. Pause Landsmann Camille Saint-Saëns, komponierte seine Sein ursprünglich für Flöte und Gitarre bestimmter „Vocalise en forme de Habanera“ 1907 als Beitrag Zyklus „Histoire du Tango“ beleuchtet in vier Kom- für einen zum Druck vorbereiteten Band von text- positionen die Entwicklungsstufen des Tango-Stils, losen Gesangsetüden. Das Stück, wohl alsbald das die mit den Stichjahren 1900 („Bordel“), 1930 berühmteste der Sammlung, wurde als Pièce en („Café“), 1960 („Night Club“) und 1980 („Concert forme de Habanera für alle nur denkbaren Instrumen- d’Aujourd’hui“) den Weg vom anmutigen argentini- tenkombinationen bearbeitet. In der aparten Fassung schen Tanz zum späteren Konzertstück zeigen, unter für Violine und Harfe dürfte es nicht oft zu hören sein. wachsender Aufnahme verschiedenster Einflüsse. Keine der Bearbeitungen stammt von Ravel selbst. Hieraus erklingen Nr. 1 und Nr. 3. Mit „Oblivion“ wird Auch dem „richtigen“ Improvisieren wird in diesem an den Autor auch zahlreicher Filmmusiken erinnert, Konzert ein Platz eingeräumt, dem freien Musizieren, und zwar mit der Kennmelodie für das Lustspiel das, so alt wohl wie Musik überhaupt, auf keiner „Enrico IV“ von Luigi Pirandello in der Verfilmung von schriftlichen Aufzeichnung beruht, sondern dem Marco Bellocchio (1984). Augenblicksempfinden des Spielers entspringt. „Klin- gende Elbe“ heißt die hier zu hörende Improvisation.

15 Der Klang der Farben – Ein Stück vom Himmel oder Wenn ich erst ewig bin

Von Lukas Christoph Schergaut

Zahlreiche verschiedene Landschaften säu- men den Lauf der Elbe zwischen ihrer Quelle im Böhmischen Riesengebirge und ihrer Mündung in die Nordsee. Diese Landschaften schöpferisch zu erkunden und zu poetisieren, ihre Gipfel, Schluchten, Auen und Wälder gleichsam aus den eigenen, inneren Tiefen heraufzubeschwören, machten sich die Vertreter der Romantik vielerorts zur Aufgabe.

Wanderung ins Blaue: Die Sächsisch-Böhmische Schweiz im 19. Jahrhundert

Als dokumentierter Quell der Anregung und Inspira- tion galten ihnen hierzulande häufig ausgedehnte Wanderungen inmitten der Sächsisch-Böhmischen Schweiz: Jener einzigartigen, im Zusammenklang von Kultur und Natur entstandenen und von einer höchst wechselvollen Geschichte begleiteten Region, die ihre Bedeutung nicht zuletzt der sie gestaltenden Künstler verdankt; einer Region, in deren Gedächt- nis sich die romantische Allverbundenheits-Sehn- sucht mit zeitlos wunderbaren Werken wie dem „Freischütz“ einzuprägen vermochte. Häufig geriet den Romantikern dabei das Wandern selbst zum künstlerischen Topos, denkt man etwa an Caspar David Friedrichs titelgebendes, heute viel- Mühle im Elbsandsteingebirge. Das Gemälde des unbekannten Künstlers stammt vermutlich aus dem 19. Jahrhundert. leicht bekanntestes Gemälde „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ (dessen einprägsamer Werktitel erst 1950 im Zuge der Wiederentdeckung entstand). sind der Komponist Richard Wagner und sein bereits gen gearbeitetes Gemälde von dem seinerzeit in Das heute mehr denn je populäre Bild des Romanti- erwähnter Seelenverwandter auf dem Gebiet der München wirkenden Maler Hans Sam. kers als ein aufs Innigste mit der ihn umgebenden Malerei, Caspar David Friedrich. Gemeinsam betreten Aufs Beste gerüstet mit ihren reichen und unschätz- Natur Verbundener erhielt seinen Gehalt auch und sie heute Abend die Bühne, um miteinander über baren Erfahrungen auf dem Gebiet der Kunst treten gerade durch diese gezielte Form der Selbstinsze- den Wert, den Sinn und die Form ihrer Kunst zu strei- Komponist und Maler in wechselseitigen Disput. Ver- nierung. Unter ihrem Einfluss zieht es noch immer ten – im Brückenschlag von Musik, Malerei und handelt werden dabei Fragen, die sich angesichts der Elbebewohner wie -besucher regelmäßig in die an- Sprechtheater. medialen Gegebenheiten gegenwärtig so oder ähn- grenzenden Landschaften zu beiden Seiten des Flus- lich fast überall auf der Welt stellen: Welche ästhe- ses – so auf den die Wanderleidenschaft seiner Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen sind zwei ver- tischen Formen vermögen (noch) die Aufmerksamkeit Ahnenväter rekonstruierenden, rund neunzig Kilome- schiedene Porträts des Komponisten: Ersteres aus des Publikums zu fesseln und seine Wahrnehmung ter langen „Dichter-Musiker-Maler-Weg“ quer durch dem Œuvre Cäsar Willichs, der im Zuge seiner Be- der Welt nachhaltig zu prägen? Wie ist der an die- die Sächsisch-Böhmische Schweiz. teiligung an der Märzrevolution 1848 (ähnlich dem sen Formen Interessierte schließlich dafür zu gewin- Auf den mitunter seltsam gewundenen Pfaden der Porträtierten später) ins Schweizer Exil fliehen nen, die Deutung neuer Eindrücke fortan auf eine sol- Kunst beäugten sich seit jeher die verschiedenen musste, 1862 entstanden auf Vermittlung von Ma- che Referenz zu beziehen? Die Auseinandersetzung Gattungen zwischen Misstrauen und Neugier, mal thilde Wesendoncks Ehemann und engem Förderer um Wert und anhaltende Wirkung der Kunst, um Ge- blieben sie auf mehr, mal auf weniger respektvollem Wagners, Otto Wesendonck; Letzteres aus dem Jahr wicht und Dauer menschlichen Schaffens allgemein, Abstand zueinander. In der Romantik schließlich 1899, ein gut sechzehn Jahre nach Wagners Tod auf evoziert letztlich die entscheidende Frage nach der begegnen sie sich erstmals im universalen Erfah- der Grundlage von Fotografien und Zeichnungsvorla- Möglichkeit sinnhafter Existenz überhaupt. rungsaustausch, im unerschrockenen, gemeinsamen Blick aufs große Ganze. Immer wieder bietet die Ein Konzert aus dem Patenschaftsprogramm Malerei fortan der Tonkunst unschätzbaren Dienst der ENSO Energie Sachsen Ost AG für Kompositionen, ist umgekehrt Musik schöpferi- scher Ausgangspunkt für die Werke Bildender Kunst. Zwei denkmalstiftende geistige Weggefährten sächsischer Romantik, auf ihrem Weg erklärte Suchende und zugleich Vollendete ihrer Profession,

16 4. Konzert Lohmen, Landhaus Nicolai Programm

Bogensporthalle Richard Wagner (1813-1883) Sonntag 17. April 2016 Der Tannenbaum WWV 50 (1838) Text: Georg Scheurlin (1802-1872) 17:00 Uhr Dors mon enfant WWV 53 (1839) Seit 2014 können wir Ihnen eine 400 4m² große Mul- Der diesen ewigen und zugleich hochaktuellen Ge- Unbekannter Textdichter danken zugrundeliegende sogenannte Paragone- tifunktionshalle mit Außenterrasse und 1500 m² Streit beschäftigte Künstler verschiedenster Gattun- großer Außenanlage für Ihre Veranstaltung anbieten. Attente WWV 55 (1839) gen und Herkunft und reicht bis weit ins Mittelalter Ideal geeignet für Hausmessen, Firmenveranstaltun- Text: Victor Hugo (1802-1885) gen, Trainee’s, Hochzeiten und andere Veranstal- zurück. Inzwischen liegt seine Bedeutung weniger in tungen. Unsere modernen Tagungs- und Seminarräu- der kunsttheoretischen Auseinandersetzung um eine Mignonne WWV 57 (1839) me, im Ringhotel Landhaus Nicolai, sind klimatisiert Text: Pierre de Ronsard (1524-1585) in früheren Zeiten sogar religiös verstandene Hierar- und mit Teppichböden sowie einer Schallschutzdecke chie der Künste. Vielmehr kennzeichnet ihn gegen- ausgestattet. Sie verfügen über Tageslicht und las- Tout n’est qu’images fugitives WWV 58 (1839) wärtig ein streng kalkulierter, mit den Mitteln des sen sich zu 100 Prozent verdunkeln. Die Konferenz- Text: Jean Reboul (1796-1864) Marktes, ausgetragener Wettbewerb: Ein Wettbe- räume eignen sich hervorragend für Produktpräsen- werb zumeist um die kostbare (da stetig abneh- tationen, Firmenveranstaltungen und Incentives. Lesung: Das Wagner-Portrait mende) Aufnahmefähigkeit und -bereitschaft des von Caesar Willich (um 1862) – ein Atelier-Gespräch Rezipienten in Zeiten massenmedialer Kommuni- bedeutete, glücklicherweise verborgen. Eine gültige kation – ein Streit also im Dienste von Werbung und Absage an die Qualität seiner Lieder jedoch ergibt Johannes Wulff-Woesten (geb. 1966) Konsum. An kaum einem anderen Werk lässt sich sich in heutiger Sicht daraus keineswegs. Neue Lieder nach Gedichten romantischer Dichter dieser von den Romantikern aufs Tableau gebrachte Mit Richard Wagner und Friedrich Nietzsche erklin- (Uraufführung) Themenkomplex in seinem Wesen besser ergründen gen zwei Universalpoeten, zwei leidenschaftliche Lesung: Das Wagner-Portrait als am Kunstkosmos Richard Wagners. Verfechter einer romantischen Dichtart, die „ewig von Hans Sam (1899) – ein Atelier-Gespräch nur werden, nie vollendet“ werden kann (Friedrich „Der Klang der Farben“ Schlegel). An diesen lebendigen Geist des neunzehn- Friedrich Nietzsche (1844-1900) ten Jahrhunderts schließen die neukomponierten Lie- Ungewitter NWV 25 (1864) Die Stückvorlage ist ein durchweg zwischen histori- der Johannes Wulff-Woestens auf ausgewählte Ge- Text: Adelbert von Chamisso (1781-1838) scher Wahrheit und Fiktion changierendes, verbürgte dichte der Dresdner Romantik an, welche am heu- Überlieferungen mit Fragestellungen der Gegenwart tigen Abend unter seiner musikalischen Leitung zur Wie sich Rebenranken schwingen NWV 16 (1863) verknüpfendes Kammerspiel aus eingearbeiteten Uraufführung gelangen. Gemeinsam mit den Spiel- Text: August Hoffmann von Fallersleben Briefzitaten und neu verfassten Dialogen: geschrie- szenen von Johannes Gärtner gewähren sie einen ben und inszeniert vom Autor und Regisseur Johan- spannenden, einzigartigen Zugang zu dem noch im- Gern und gerner NWV 26 (1864) nes Gärtner. Begleitet werden die Spielszenen von mer unschätzbaren Kunstreichtum der Region. Text: Adelbert von Chamisso Klavier und Gesang unter der Leitung des Dresdner So erwächst aus dem „Klang der Farben“ ein die Verwelkt NWV 24 (1864) Musikschaffenden Johannes Wulff-Woesten. Künste und Phasen jener Epoche umfassendes Pro- Text: Sándor Petőfi (1823-1849) Dabei gelangen musikalische Werke zur Aufführung, gramm im Bestreben, einige ins Dunkel zu entgleiten die mit der Entstehungszeit beider Wagner-Porträts drohende Bezüge der Romantik zu sich selbst und zur Es winkt und neigt sich NWV 28 (1864) in engem Zusammenhang stehen: Noch im Ausblei- Gegenwart im Lichte heutiger Bühnenkunst neu zu Text: Sándor Petőfi (1823-1849) ben des erhofften großen Erfolgs in Paris weilend, erhellen. schuf der Komponist 1838/39, rund drei Jahre vor Das Kind an die erloschene Kerze NWV 27 (1864) seinem Ruf an die Dresdner Hofoper, die zunächst Text: Adelbert von Chamisso wenig beachteten „Französischen Lieder“, deren Be- deutung in Wagners Schaffensentwicklung sich erst Vorprogramm „Nachwuchsorchester“ Junge Fischerin NWV 29 (1865) noch erweisen sollte. Das ursprünglich als Studie für Text: Friedrich Nietzsche Susan H. Day (1925-2002) seine Oper „Tristan und Isolde“ verzeichnete Wesen- „Kings Court“ für Streichorchester Lesung: „ Ausblick“ donck-Lied „Träume“ dagegen entstand nur wenige Jahre vor den Liedern seines leidenschaftlichen An- Edward Elgar (1857-1934) Richard Wagner hängers und späteren Kritikers Friedrich Nietzsche, „Nimrod“, Variation 9 (Adagio) aus Träume aus WWV 91 (1857) der um 1864/65 herum Texte etwa von Adalbert von „Enigma-Variationen“ Mathilde Wesendonck (1828-1902) Chamisso und August Hoffmann von Fallersleben vertonte – jener geografischen wie künstlerischen Johann Baptist Vanhal (1739-1813) „Wanderjahre“ wiederum, in denen Hans Sams Por- Allegretto Ausführende trät den Komponisten Wagner zeigt. Dass die schöp- Ewa Zeuner (Gesang, Mezzosopran) ferischen Ausflüge des Philosophen Nietzsche ins Alan Menken (geb. 1949) Johannes Wulff-Woesten (Klavier, Kompositionen) „Little Shop Of Horrors“, kompositorische Fach indes von seinem verehrten Johannes Gärtner (Sprecher, Texte) Bearbeitung: Michael Story Kollegen letztlich belächelt, um nicht zu sagen, mit tönendem Gelächter quittiert wurden, wie sich am Konzertdauer ca. 1 Stunde 30 Minuten Beispiel seiner 1871 Wagners zweiter Frau Cosima Ausführende inkl. Vorprogramm, keine Pause zugeeigneten Komposition „Nachklang einer Sylves- Nachwuchsorchester ternacht“ zeigt, blieb dem genialen Denker, für den der Musikschule Sächsische Schweiz ein Leben ohne Musik erklärtermaßen einen „Irrtum“ Leitung: Katerina Czeslik-Tajovska

17 „... vmb daselbst ein vnd anderes in seiner Kunst zu begreiffen.“

Von Karsten Blüthgen

Das freie Orgelwerk zu Beginn – eine bewährtes Paar aus Präludium und Fuge – steht exemplarisch für die Freiheit der musikalischen Gedanken, die sich in den Werken dieses Programms für Trompete, Corno da caccia und Orgel spiegeln. Komponiert hat dieses eröffnende Werkpaar Nicolaus Bruhns, der in den Quellen auch als Bruhn oder Bruns auftaucht. Der Organist und Violinist schrieb eine Reihe überaus origineller Musik. Überliefert sind einige Kantaten und Orgel- werke, wobei er – nach Ansicht des Hamburger Musikgelehrten Johann Mattheson (1681-1764) – in Dietrich Buxtehude sein größtes Vorbild gesehen hat. Neben diesem Meister (von dem noch zu sprechen sein wird), Heinrich Scheidemann sowie Matthias Weckmann gilt Bruhns als bedeutendster Vertreter der Norddeutschen Orgelschule. Jean Baptiste Loeillet wurde, wie sein Beiname „John Loeillet of London“ verrät, vor allem in der eng- lischen Metropole bekannt – als Virtuose auf dem Cembalo sowie als Lehrer und Komponist. Vermut- lich ist ihm die Einführung der Querflöte in die blühenden Londoner Musikliebhaber-Zirkel mit zu verdanken. Seine Sonaten konnten gut unterhalten, sie bewahren die Balance zwischen dem Konventio- nellen in Form und Stil und der Überraschung im Detail. Insgesamt 48 Sonaten für Quer- und Barock- blockflöte enthalten seine Opera 1 bis 5. Ludwig Güttler hat den Komponisten, der einer einflussrei- chen Genter Musikerfamilie entstammt, für sich ent- deckt, ohne speziell gesucht zu haben. Er fand Loeil- lets Flötensonaten reizvoll und richtete sie für die Besetzung Trompete und Orgel ein.

Souveränes Konzertieren umrahmt einen St. Marien zu Lübeck. In diesem Dom mit seinem imposanten Gewölbe von 38 Metern Höhe lauschten Johann Sebastian Bach und verinnerlichten Programmteil möglicherweise Nicolaus Bruhns dem Orgelspiel Dietrich Buxtehudes.

London ist die Stadt, in der auch der gebürtige Claviere allein zu spielen“. Dies war der Impuls für einem unverzichtbaren Interieur geworden. Erst mit Hallenser Georg Friedrich Händel seine Laufbahn weitere Bearbeitungen. Hier lässt sich in einer Fas- dem Aufkommen dezidierter Konzertsäle ab der zwei- krönte. Bei den Orgelkonzerten op. 4, HWV 289-294, sung für Trompete und Orgel erfahren, wie mensch- ten Hälfte des 19. Jahrhunderts, gut 50 Jahre nach handelt es sich um sechs Werke für kleinere Orgel liche Charaktere musikalisch dargestellt werden dem Tod von Gottfried August Homilius 1785, begann (Orgelpositiv) und Orchester. Sie entstanden in können. Wie klingt Großzügigkeit? Die Liebe? Wie die Geschichte der Orgel außerhalb der Kirchen. Und London zwischen 1735 und 1736 und erschienen die Bewaffnung? – Hören Sie Telemann! damit wiederum eine Geschichte der Orgelmusik für 1738 im Druck. Händel dachte mit diesen Kompo- Der Werkkosmos der Orgelmusik – mit oder ohne den Konzertsaal. sitionen zunächst an Zwischenspiele für seine Orato- hinzutretendes Melodieinstrument – lässt sich grob rienaufführungen in Covent Garden. Allerdings fan- unterteilen in freie Orgelwerke und solche, die an Auch für Johann Sebastian Bachs Weg zum großen den sie bald darüber hinaus Verbreitung – zu Recht. einen Choral gebunden sind. Zu Lebzeiten der hier Organisten und Orgelkomponisten spielte Dietrich Sie sind die ersten Werke ihrer Art und von muster- versammelten Komponisten waren die aufführungs- Buxtehude eine maßgebliche Rolle. Für den Herbst gültiger Ausstrahlung für Generationen von Kompo- praktischen Bedingungen klar begrenzt. Große Orgel- 1705 war dem jungen Bach vierwöchiger Bildungs- nisten. Auch in Fassung für größere Orgel solo tra- musik stand mit dem sakralen Bauwerk in zwingen- urlaub genehmigt worden, den er nutzte, um den gen diese Kompositionen und betonen dergestalt ihre der Verbindung. Umgekehrt war auch die Orgel zu großen Orgelmeister im 450 Kilometer entfernten Nähe zu Johann Sebastian Bachs Orgelkonzerten. Zum schier unüberschaubaren kompositorischen Œuvre Georg Philipp Telemanns zählen Werke, die Dieses Konzert wird präsentiert von ihn zu einem Wegbereiter der Programmmusik machten. In diesem Konzert werden die 12 Marches héroiques „Heldenmusik“ TWV 50:31-42 mit drei Sätzen zitiert. Telemann komponierte diese Charak- terstücke 1728 (die Quelle ist verschollen) für Orchester, regte aber zudem an, sie „auch auf dem

18 5. Konzert Radeberg, Ev. Kirche Programm

Donnerstag Nicolaus Bruhns (1665-1697) 5. Mai 2016 Präludium und Fuge e-Moll für Orgel

17:00 Uhr Jean Baptiste Loeillet (1680-1730) Sonate G-Dur für Trompete und Orgel Lübeck zu besuchen. Bach überzog die Zeit seines Radeberg. Kirchlich gehört die Stadt zum5 Bistum Mei- Adagio Urlaubs, der wohl eher ein Intensivkurs war, um ein ßen und war bis zur Reformation 1539 Sitz eines der Allegro Dreifaches. Er selbst erklärte schlicht, er sei „in vier Erzpriester. Die evangelische Kirche „Zum Heili- Largo Lübeck gewesen vmb daselbst ein vnd anderes in gen Namen Gottes“ ist erstmals Spielstätte bei „Sand- Presto seiner Kunst zu begreiffen“. stein und Musik“. Nachweise reichen bis 1273 zurück Während freie Orgelwerke Gottesdienste umrahmen, und belegen hier einen der frühesten Sakralbauten Georg Friedrich Händel (1685-1759) Taufen und Trauungen begleiten oder in Konzerten im Gebiet rechts der Oberelbe. Der zweite Bau, 1486 Konzert für Orgel F-Dur op. 4 Nr. 5 HWV 293 erklingen, handelt es sich bei Choralbearbeitungen errichtet, brannte 1714 völlig aus. Der Wiederauf- Larghetto zunächst um Gebrauchsmusik im engeren Sinne: bau dauerte bis 1730; die barocke Kanzel und die Tau- Allegro Der Organist „gebraucht“ sie, um den Gesang der fe von Johann Christian Feige d. Ä. gelten als beson- Alla Siciliana Gemeinde vorzubereiten, zu begleiten und zu alter- ders wertvoll. 1889 wurde die Kirche innen verändert, Presto nieren. Aber auch ohne das Singen versetzen diese erhielt einen neuen Turm und 1907 neue Farben. 1970 wurde das Innere abermals renoviert und ein neuer Werke den anwesenden Zuhörer in eine Stimmung Georg Philipp Telemann (1681-1767) Altar errichtet, fünf Jahre darauf folgte die Weihe der der Andacht und inneren Einkehr. Aus: 12 Marches héroiques „Heldenmusik“, erneuerten und erweiterten Herbrig-Orgel. Zwi- Der Choral steht im Fokus der Binnenwerke dieses TWV 50:31-42 für Trompete und Orgel schen 2001 bis 2004 erfolgte eine umfassende Sanie- Programms. Johann Sebastian Bachs Choralvorspiele 11. La Générosite (Die Großzügigkeit) rung, wobei der Raum um zwei Werke des Leipziger – in diesem Programm sind es „Was Gott tut, das ist 5. L’ Amour (Die Liebe) Kunstmalers Matthias Klemm bereichert wurde. wohlgetan“ nach BWV 1116, „Wie schön leucht‘ uns 8. L’ Armement (Die Bewaffnung) der Morgenstern“ nach BWV 739, „Wir glauben all an einen Gott“ BWV 740 und „Wachet auf, ruft uns Gottfried August Homilius (1714-1785) die Stimme“ nach BWV 645 – offenbaren eine Tiefe Danach steht Johann Sebastian Bachs Präludium und „Komm, Heiliger Geist“, Choralvorspiel der Empfindung und kompositorische Durchdringung Fuge e-Moll für Orgel BWV 548 wahrlich wie ein für Corno da caccia und Orgel HoWV X.1 des theologischen Gehalts, die unübertroffen geblie- beschützender Koloss. Bach-Biograf Philipp Spitta ben sind. nannte sie 1873 eine „zweisätzige Orgelsymphonie Johann Sebastian Bach (1685-1750) Auch Bachs Schülers Gottfried August Homilius […] um unserer Zeit eine richtige Vorstellung von „Was Gott tut, das ist wohlgetan“, Choralvorspiel bearbeitete Kirchenchoräle in der Tradition seiner ihrer Größe und Gewalt nahe zu legen“. Das Werk- für Corno da caccia und Orgel nach BWV 1116 Vorgänger. Homilius wurde 1714 in Rosenthal gebo- paar muss um 1727 entstanden sein, in zeitlicher ren und später in Dresden Organist der Frauenkirche, Nähe zur Matthäus-Passion, mit der es zugleich durch Johann Sebastian Bach noch später Kreuzkantor. In diesem Programm erklin- die Tonart e-Moll sowie seine monumentalen Aus- „Wie schön leucht‘ uns der Morgenstern“, gen Bearbeitungen von „Komm, Heiliger Geist“ und maße verbunden ist. Choralvorspiel für zwei Corni da caccia und Orgel „Nun freut euch, lieben Christen g’mein“. Wie bei Der Abschluss ist einem Höhenflug der Trompete vor- nach BWV 739 Bach verstärken wahlweise Trompete und Corno da behalten. Henry Purcell begann seine musikalische caccia den Cantus firmus. Dies markiert nicht nur die Laufbahn als Chorknabe und wurde geprägt von Johann Sebastian Bach Choralmelodie und gibt dem Ohr in den kunstvollen Matthew Locke, der offenbar ein Freund der Familie „Wir glauben all an einen Gott“, harmonischen Deutungen und virtuosen Umspielun- war. Nach dessen Tod 1677 folgte ihm Purcell in Choralvorspiel für Orgel BWV 740 gen der Orgel eine Orientierungshilfe. Durch Einsatz höfischen Diensten. Auch die seinerzeit in London eines Melodieinstruments werden die Choralbe- präsente römische Schule inspirierte Purcell, nicht Gottfried August Homilius arbeitungen zugleich zu verinnerlichten, wiederum nur für seine Opern und geistlichen Werke, sondern „Nun freut euch, lieben Christen g’mein“, gesungenen Dialogen. auch für die Sonaten, die größtenteils um 1680 ent- Choralvorspiel für Trompete und Orgel HoWV X.16 standen. Der königliche Londoner Hofkomponist gilt Bachs „zweisätzige Orgelsymphonie“ als einer der größten, vielseitigsten englischen Ton- Johann Sebastian Bach schöpfer. Sein Werk erfrischt beständig mit erhabe- „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, Choralvorspiel Ludwig Güttler beschreibt die „klassische“ Drama- ner musikalischer Schönheit, Klangpracht und bis- für Trompete und Orgel nach BWV 645 turgie seiner Programme für Trompete, Corno da weilen kühner Harmonik. Voller Kontraste steckt die caccia und Orgel so: „Anfang und am Ende gehören konzertante Sonate D-Dur, deren Sätze feierliche, ab- Johann Sebastian Bach dem Konzertieren. Man hört, wie sich die Trompete gedunkelte, schließlich ausgelassene Stimmungen Präludium und Fuge e-Moll für Orgel BWV 548 als Soloinstrument zu behaupten versucht – ver- evozieren. Das brillante Spiel des Sergeanten Shore, nimmt daneben aber die Orgel mit einem Passagen- der seinerzeit am Hofe wirkte, mag Purcell zu solch Henry Purcell (1659-1695) und Klangspiel, das alle Zweifel zerstreut, hier ginge hoher Kunst für Trompete inspiriert haben. Konzert (Sonate) D-Dur es lediglich ums Begleiten. Es ist Musik von virtuo- für zwei Trompeten und Orgel sem Anspruch, die dem Ganzen einen Rahmen gibt, Pomposo die den Hörer hin- und wieder wegführt. Sie um- Adagio schließt, ja beschützt einen inneren Programmteil, Allegro ma non troppo der gedanklich dichter, verinnerlichter angelegt ist. Dort nämlich stehen die Choralbearbeitungen und Choralvorspiele. Die Gattung des Choralvorspiels hat Ausführende für mich etwas Einzigartiges, Absolutes. Es sind Ludwig Güttler, Volker Stegmann (Trompete und Lieder, Melodien, die für einen unglaublichen ge- Corno da caccia) danklichen Reichtum stehen.“ Friedrich Kircheis (Orgel)

Konzertdauer ca. 1 Stunde 35 Minuten, keine Pause

19 Entlang der Elbe – eine Flussreise durch die Geschichte der Chormusik

Von Meinhardt Möbius

Mit als einer der größten Flüsse Europas lädt uns heute die Elbe zu einer Flussreise durch ihre ganz eigene, vielfältige Kultur- landschaft ein. Unsere Reise beginnt – wie es der Titel dieses Festivals nahe legt – mitten im Elbsand- steingebirge, in Königstein. Im Städtchen am Fuße der imposanten Festungsanlage wurde Georg Schu- mann (1866-1952) in eine Musikerfamilie hineingebo- ren. Nach seinem Studium in Dresden und Leipzig führte ihn seine Tätigkeit als Chor- und Orchester- dirigent über Danzig und Bremen im Jahr 1900 nach Berlin. Über 50 Jahre leitete er dort die traditions- reiche Berliner Sing-Akademie und prägte das Berli- ner Musikleben entscheidend. In Georg Schumanns Schaffen bildet daher die Chormusik einen besonde- ren Schwerpunkt. Neben groß besetzten Oratorien bediente er nahezu alle damals gebräuchlichen Gat- tungen geistlicher und weltlicher A-cappella-Musik. Stilistisch reiht er sich hierbei in die romantische Tradition nach (dem mit ihm nicht verwandten) Robert Schumann und Johannes Brahms ein. So Dresdner Neumarkt mit George Bährs Hauptwerk, der Frauenkirche. Das Ölbild Canalettos entstand 1749-1751. Gottfried August findet man bei den ersten beiden Stücken des heu- Homilius war zunächst Organist der Frauenkirche, später Kreuzkantor. Nach der Zerstörung der Kreuzkirche 1760 im Siebenjähri- gen Krieg wurde die Frauenkirche erneut Homilius' Hauptwirkungsstätte. In der Frauenkirche feiert das Sächsische Vocalensemble tigen Programms eine motettische Struktur mit ab- im August 2016 sein 20-jähriges Bestehen (siehe S. 82). wechselnd polyphonen und homophonen Passagen vor. Bedeutende Worte im Text werden – typisch für geistliche Werke – mit den motivischen und harmo- Reinholds Tod, das Kreuzkantorat einbrachte. In seine feinfühligen Komponisten förmlich dazu, die bürger- nischen Möglichkeiten der Zeit musikalisch veran- Zeit als Kreuzkantor fiel der für Sachsen verheerende liche Musikausübung mitzugestalten. Er gründete schaulicht. Die weiteren heute erklingenden Stücke Siebenjährige Krieg samt Zerstörung der Kreuzkirche. einen gemischten Chor und schuf hierfür unter ande- Georg Schumanns stehen exemplarisch für zwei Dennoch gelang es Homilius, Musik zu schaffen, die rem eine Sammlung mit Balladen, aus der die folgen- wichtige Phänomene des 19. Jahrhunderts: Die Wie- sich sehr weit verbreitete und ihn zum angesehen- den drei Stücke stammen. In „Der König von Thule“ derentdeckung der Werke Bachs und die Hinwendung sten Kirchenmusiker jener Zeit werden ließ. Seine wird deutlich, wie sich Schumann eine zeitgemäße zum Volksliedgut. Motetten waren noch bis weit ins 19. Jahrhundert Balladenvertonung vorstellte: Von Anfang an wird hinein in liturgischem Gebrauch. Die feierlich-andäch- eine dem Text getreue Grundstimmung erzeugt, die Schumanns Balladen – Zeugnisse kompositorischen tige Gebetsmotette „Unser Vater in dem Himmel“ musikalische Form entspricht der Strophenform des Feingefühls zeigt Homilius‘ Meisterschaft in Textausdeutung und Textes. Diese wird allerdings, dem dramatischen -verständlichkeit, auf die er sehr viel Wert legte. Spannungsbogen entsprechend, verändert und auf- Nur ein kurzes Stück elbabwärts erreicht das Pro- Fehre führte es als Organist zurück an die Annenkir- gebrochen. „Schön-Rohtraut“ zeigt, dass in den oft gramm mit Dresden eine über Jahrhunderte musika- che, die ebenfalls im Siebenjährigen Krieg zerstört ins Mittelalter versetzten Geschichten mitunter poli- lisch bedeutsame Kulturmetropole, wie die vier fol- und danach wieder aufgebaut wurde. Von seinen tisch brisante Inhalte behandelt wurden, wie die genden Komponisten belegen. Theodor Christlieb Kompositionen sind leider sehr viele verschollen oder Liebe über jegliche Standesgrenzen hinweg. Reinhold (1682-1755) kam 1694 nach Dresden an die falsch zugewiesen, wie die im Musikunterricht und Kreuzschule, wo er 1720 das Kantorat übernahm. Als bei Kinderchören beliebte, humoristische Schulmei- Rolle lässt in seiner Musik Wolken aufsteigen, Blitze Kantor aller Dresdner Hauptkirchen begleitete er sterkantate, die lange als Werk Georg Philipp Tele- leuchten und Berge zerschmelzen auch den prunkvollen Neubau der Frauenkirche von manns galt. Die sehr gefühl- und affektvolle Motette der Grundsteinlegung bis zur Weihe musikalisch. „Ich hatte viel Bekümmernis“, die heute erklingt, gibt Ein weiterer herrschaftlicher Anblick, der sich von der Seine Motette „Alle eure Sorgen werfet auf den einen Eindruck von seinem hohen künstlerischen Ni- Elbe aus bietet, ist Schloss Hartenfels in Torgau. Dort Herrn“ lebt von der Verknüpfung eines ersten „sor- veau. war der Komponist und „Sängermeister“ Johann genvollen“ Motivs mit dem hoffnungsvoll gestalte- Auch im 19. Jahrhundert blieb Dresden eine Musik- Walter (1496-1570) Sänger an der kursächsischen ten Nachsatz „denn er sorgt für euch“. Gottfried Au- stadt ersten Ranges. Zwar zog es Robert Schumann Hofkapelle – bis zu ihrer Schließung 1526 durch gust Homilius (1714-1785) und Christoph Ludwig (1810-1856) 1845 wohl eher aus privaten Gründen Kurfürst Johann, der keinen großen Wert auf Figu- Fehre (1718-1772) kannten sich vermutlich gut, da sie nach Dresden, doch erlebte er hier eine seiner kom- ralmusik legte. Nach dem Schmalkaldischen Krieg teilweise zur gleichen Zeit die Dresdner Annenschule positorisch produktivsten Phasen und nicht zufällig 1546-1547 erhielt Walter vom neuen albertinischen besuchten und später beide in Dresden Anstellung fiel die Hinwendung zur Chormusik in diese Periode. Kurfürsten Moritz den Auftrag, eine Hofkapelle in fanden. Homilius erlangte bald als außergewöhnli- Die zunehmende Politisierung der Gesellschaft, die Dresden aufzubauen. Er legte somit den Grundstein cher Organist großes Ansehen, was ihm 1755, nach in die Unruhen von 1848/49 mündete, drängte den für die großartige Musikpflege in der neuen Residenz-

20 6. Konzert Bärenstein, Ev. Kirche Dresden

Samstag Gottfried August Homilius (1714-1785) 7. Mai 2016 Unser Vater in dem Himmel HoWV V.27 17:00 Uhr Christoph Ludwig Fehre (1718-1772) 6 Ich hatte viel Bekümmernis stadt Kursachsens. Johann Walter arbeitete schon Bärenstein. Die Entstehung der ersten Kirche zu Bären- vorher eng mit Martin Luther zusammen an einer stein liegt im Dunkel der Geschichte. Aber bereits im Theodor Christlieb Reinhold (1682-1755) neuen, protestantischen Kirchenmusik. So hatte er Jahr 1165 soll ein Ritter, Albrecht von Bernstein, Alle eure Sorgen werfet auf den Herrn 1524 das erste Chorgesangbuch mit Bearbeitungen hier ansässig gewesen sein. Es folgten weitere Rit- ter des Adelsgeschlechtes der Ritter von Bernstein. Robert Schumann (1810-1856) reformatorischer Kirchenlieder veröffentlicht, aus Die Denkmale hinter dem Altar sind den Rittern von Aus: Romanzen und Balladen dem das heute aufgeführte, sechsstimmige „Nun bit- Bernstein als den Stiftern und Schirmherren der Kir- für gemischten Chor a cappella, Heft 1 op. 67 ten wir den Heiligen Geist“ stammt. Außerdem schuf che errichtet worden. Ihre Gebeine liegen in den Grüf- 1. Der König von Thule er mit der Stadtkantorei Torgau den Prototyp für das ten unter dem Altarplatz im hohen Chor. 2. Schön-Rohtraut evangelische Kantoreiwesen. 1495 erhielt Bärenstein das Stadtrecht. In den Jah- 3. Heidenröslein Wenn sich das Programm nun weiter flussabwärts ren 1622, 1630, 1669, 1723 und 1738 wurde die Stadt nach Wittenberg bewegt, kommen wir zu Martin Lu- von Feuersbrünsten heimgesucht. Die letzte legte wei- Pause ther (1483-1546) selbst. „Gottes Wort will gepredigt te Teile der Stadt, auch die Kirche, in Schutt und Asche. und gesungen sein“ – mit diesen Worten aus einer Bereits zwei Jahre später, also im Jahr 1740, konn- Torgau te die neugebaute Kirche geweiht werden. Bemer- Predigtsammlung von 1525 verdeutlichte der Refor- kenswert sind ein prachtvoller Leuchter aus handge- Johann Walter (1496-1570) mator den hohen Stellenwert, den er der Musik bei- schliffenem böhmischen Glas und die Orgel von Johann Nun bitten wir den Heiligen Geist maß. Schließlich studierte er vor seinem Theologie- Ernst Hähnel. studium in Wittenberg an der Artistenfakultät in Wittenberg Erfurt die musica theoretica und practica. Luther sah die Musik als Schöpfungsgabe, also direkt von Gott das heutige Konzert mit der „Waldesnacht“ in einem Martin Luther (1483-1546) kommend, woraus sich für ihn eine große Nähe zur innigen Höhepunkt aus, der das „laute Weltgewühle“ Non moriar sed vivam Theologie ergab. So gab er der Kirchenmusik in sei- durch sein „süßes Rauschen“ vergessen lässt. ner Gottesdienstordnung großen Raum und lieferte Magdeburg sogar selbst mit Lieddichtungen einen Grundstock. Seine Autorschaft an den Melodien ist jedoch nur bei Anlässlich seines 300. Geburtstags: sehr wenigen seiner Lieder zweifelsfrei belegt. Das Johann Heinrich Rolle (1716-1785) Der Herr ist König einzige Werk der figuralen Chormusik, das von ihm Der Herr behüte dich überliefert ist, ist die heute zu hörende Sterbemo- tette „Non moriar, sed vivam“. Hamburg Im weiter elbabwärts gelegenen Magdeburg wirkte Johann Heinrich Rolle (1716-1785) als Organist und Johannes Brahms (1833-1897) städtischer Musikdirektor. Er modernisierte das Mu- Aus: Sieben Gesänge für gemischten Chor op. 62 sikleben Magdeburgs zu einer bürgerlichen Musik- 4. Dein Herzein mild kultur. So veranstaltete er die erste öffentliche Kon- zertreihe und schuf für den Konzertsaal konzipierte Programm Aus: Deutsche Volkslieder für vierstimmigen Chor Oratorien und musikalische Dramen, welche im ge- 8. In stiller Nacht samten deutschen Raum sehr beliebt waren. Rolles Königstein Aus: Sieben Gesänge für gemischten Chor op. 62 Musik lebt daher sehr von dramatischen Effekten und Anlässlich seines 150. Geburtstags: 2. Von alten Liebesliedern starken musikalischen Bildern, bei denen er großen Georg Schumann (1866-1952) 5. All meine Herzgedanken Erfindungsreichtum beweist. So lässt er in seiner Mo- Aus: Drei geistliche Lieder 3. Waldesnacht tette „Der Herr ist König“ hörbar Wolken aufsteigen, für gemischten Chor op. 31 Blitze leuchten und Berge zerschmelzen. 1. Und ob ich schon wanderte Hamburg, Endstation unserer musikalischen Fluss- 2. Siehe wie fein und lieblich Ausführende reise, ist die Geburtsstadt von Johannes Brahms Sächsisches Vocalensemble (1833-1897). Hier genoss er auch eine großzügige Bearbeitungen Georg Schumanns aus dem Leitung: Matthias Jung musikalische Ausbildung, die sein außergewöhn- Notenbüchlein von Anna Magdalena Bach liches Talent früh erkennen ließ. Im weiteren Verlauf für gemischten Chor seines Lebens blieb er Hamburg vor allem familiär Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen Konzertdauer ca. 1 Stunde 40 Minuten inkl. Pause verbunden. In Brahms Vokalmusik findet man keine Bist du bei mir Dir, dir Jehova will ich singen expressive Textausdeutung. Seine eher nach innen gerichtete, auf die musikalische Struktur fokussierte Volkslieder in Sätzen Georg Schumanns Kompositionsweise erfasst die Grundstimmung des für gemischten Chor Textes und setzt sie meisterhaft in Klänge um. Die Die Sonne scheint nicht mehr heute dargebotenen Chorwerke zeigen diese beson- Ein Blümlein auserlesen dere Qualität: Trotz ihrer strengen oder nur sehr Nachtbesuch dezent variierenden Strophenform entsteht das Ge- fühl, die Musik trage jedes einzelne Wort. So klingt

21 Dämmrung will die Flügel spreiten …

Von Stephanie Hauptfleisch

… und damit den Augenblick der Tiefe, der Ungewissheit, des Sehnens und Sich-Ver- zehrens einfangen, der in der Stimmung des Wechsels vom Tag zur Nacht entsteht. Diese „blaue Stunde“, die Abenddämmerung assoziieren Künstler, besonders Dichter mit Melancholie, aber auch mit Kreativität. Joseph von Eichendorff be- schreibt den Übergang vom Tag zur Nacht in einem seiner dunkelsten Gedichte, im „Zwielicht“, das sich zunächst ohne Überschrift in seinem Roman „Ahnung und Gegenwart“ fand. 1837 veröffentlicht, inspiriert es Robert Schumann zur Komposition eines ganzen Liederkreises. Der Komponist befindet sich zur Zeit der Entstehung in einem zermürbenden, privaten Konflikt: Obgleich er mit seiner Liebsten und Verlobten Clara schon eine Wohnung teilt, verweigert ihm der künftige Schwie- gervater die Heiratserlaubnis. Schumann kann und will es nicht hinnehmen und sieht keinen anderen Ausweg, als gerichtlich gegen Wieck vorzugehen. Am 1. August 1840 erteilt das Gericht dem jungen Paar die Heiratserlaubnis. Es ist Schumanns „Lieder- jahr“; hier entsteht etwa die Hälfte seines gesamten Liedœuvres. Von den insgesamt 21 Eichendorff-Ver- tonungen fasst Schumann zwölf zum Liederkreis op. 39 zusammen. Er schreibt seiner Ehefrau, diese M. Heidel, Landschaft mit Tafelbergen, Ende 19. Jahrhundert Vertonungen seien das aller Romantischste, was er je geschrieben habe. Sieben Jahre nach der Kompo- sition wird der Dichter seine in Töne gesetzten Lie- desgespräch“ die Geisterwelt, die in Eichendorffs die Liebste der Jugendzeit. Von der Leidenschaft der hören und Clara versichern, Schumann habe sei- Lyrik eine große Rolle spielt, in die Musik ein. „Die des menschlichen Herzens erzählt „Wehmut“, wo die nen „Liedern erst Leben gegeben“. Stille“ ist ein Gesang der unglücklichen Angelina – ei- eigentliche Schlichtheit des Volksliedes in roman- ner Goethes Mignon ähnlichen Figur aus Eichendorffs tische Gesangskunst erhöht wird. Gefühl der Sehnsucht zu magischer Intensität Roman „Ahnung und Gegenwart“. Mit der Einfach- Ein Gedicht voller Weltenangst ist Eichendorffs verdichtet heit eines Volksliedes spricht die Komposition nicht „Zwielicht“, dessen erste Zeile diesem Programm wie Mignon von einem persönlichen Schicksal, son- den Namen gibt. Die unheilvolle, beängstigende In der Lyrik Eichendorffs sind fast alle Themenberei- dern erweitert das Individuelle zum Allgemeinen. Stimmung wird in auf- und abschwebenden Phrasen che vertreten. Möglicherweise aufgrund seiner vor Eine innige Naturverbundenheit, das Traumbild der geschildert. Wort und Ton scheinen zu einer Einheit der gerichtlich erwirkten Heirat zuweilen aussichts- Harmonie zwischen Himmel und Erde wird in der verschmolzen und bilden damit den Moment, wo der losen Lebenssituation ordnet der Komponist die Ge- „Mondnacht“ gezeichnet. Das vom Dichter angelegte Komponist dem Dichter unglaublich und wunderbar dichte zunächst in einer Reihenfolge von düsterem transzendentale Seinsgefühl wird vom Komponisten nahe gekommen ist. Die Schlussaufforderung „Hüte Charakter. Nach dem Gerichtsbeschluss stellt Schu- nicht interpretiert, sondern durch Töne in eine wei- dich, sei wach und munter“ wird rezitativisch vorge- mann die Lieder um und lässt den Zyklus in positiven tere Dimension versetzt. Klavier und Gesang sind hier tragen. Trockene Staccato-Akkorde des Klaviers Stimmungen beginnen. Dabei sind die Gesänge nicht zu einer völligen Einheit verschmolzen, die dem Lied schließen das Lied mit einer Drohung an den Men- im Sinne eines Handlungsverlaufes, sondern nach etwas grenzenlos Schwebendes gibt. Ein Gesang schen ab. Einsam bleibt der Mensch „Im Walde“ Stimmungsverwandtschaft oder -kontrast geordnet. der Nachtverwirrung wird in „Schöne Fremde“ hör- zurück, während er den Hörnerklang einer fernen Alle Kompositionen stehen in Kreuz-Tonarten, wo- bar. Worte wie „Was sprichst du wirr, wie in Träu- Festmusik wahrnimmt und es ihn schauert „Im Her- bei sich der Bogen von fis-Moll, das Schumann bei men, zu mir, phantastische Nacht?“ haben Schumann zensgrunde“. Den Zyklus beendet die „Frühlings- sehr schmerzlichen Stimmungen einsetzt, bis hin zum die Stimmung der Komposition vorgegeben. Ein Lied nacht“, die mit Worten und Tönen aus den Schatten Fis-Dur, seiner Jubeltonart, spannt. tiefer, fast mystischer Versunkenheit erzählt von ei- von Trauer und Angst zu Liebe und Glück führt. Der Gesang des Einsamen, der fern von seiner Hei- nem Ritter, der seit vielen hundert Jahren versteinert Ebenfalls von verschiedenen Stimmungen durchdrun- mat lebt, wird „In der Fremde“ hörbar. Schumann ver- „Auf der Burg“ schläft, während unten auf dem Rhein gen und getragen sind die „Acht Zigeunerlieder“, die dichtet in seiner Komposition das dem Text innewoh- eine Hochzeitsgesellschaft vorbeifährt. Das Leid und Johannes Brahms im Jahr 1887 ungarischen Volkslie- nende „das Schönste, welches jemals geschrieben die Lust der irdischen Welt klingen nur von Ferne in dern nachgedichtet hat. Brahms, der zeitlebens ohne worden sei“. Während sich das „Intermezzo“ einer die verwunschene Stille. Wiederum „In der Fremde“ Frau, aber in der Verehrung für Clara Schumann lebt romantischen Versunkenheit hingibt, tritt im „Wal- erklingt ein schwermütiges Lied der Erinnerungen an und sich schließlich in Wien niederlässt, entdeckt

22 7. Konzert Stolpen, Burg, Kornkammer Programm

Sonntag Robert Schumann (1810-1856) 8. Mai 2016 Liederkreis op. 39 nach Texten von Joseph Freiherrn von Eichendorff 17:00 Uhr 1. In der Fremde 7 2. Intermezzo nach zahlreichen Kammermusikkompositionen seine Stolpen. Im Jahre 1518 ließ Bischof Johann VII. von 3. Waldesgespräch Vorliebe für das Lied. Ursprünglich für vier Solostim- Schleinitz das mächtige und wehrhafte Kornhaus 4. Die Stille men und zweihändiges Klavier konzipiert, schafft er errichten. In den Dienstanweisungen bischöflicher 5. Mondnacht eine Fassung für Singstimme und Klavier, die als Beamter im Schloss Stolpen wurde dem Kornmeis- 6. Schöne Fremde ter gesagt, dass er mit dem Hauptmann und dem Vogt vokaler Gegensatz zu seinen „Ungarischen Tänzen“ 7. Auf einer Burg die Höhe der Ernte auf den Feldern festzustellen betrachtet werden kann. Durch überwiegend unga- 8. In der Fremde hatte, denn danach richtete sich der Dreschlohn. Der 9. Wehmut rische Zweiviertelrhythmen werden melancholische Speiser beköstigte die fronpflichtigen Bauern für den 10. Zwielicht und leidenschaftliche Stimmungen gezeichnet. Dank Getreideschnitt mit zwei Broten (je etwa 300 Gramm), 11. Im Walde Brahms’ blühender Einfälle klingt oft das alterierte beim Einfahren auf je einen Wagen mit vier Broten. 12. Frühlingsnacht Zigeuner-Moll. Es gibt den Liedern einen Klang von Wer in der vorgesehenen Zeit nicht fertig wurde, hat- Weite, Verlangen und sehnendem Fernweh. te ohne Anspruch auf Beköstigung den Rest aufzuar- Pause Von Beginn seiner Kompositionstätigkeit an widmet beiten. sich Franz Schubert dem Kunstlied. Dabei hat er vor Johannes Brahms (1833-1897) allem die Individualisierung der Gattung initiiert und Acht Zigeunerlieder op. 103 vorangetrieben: Er hat in seinen Liedkompositionen viersatz begleitet. Das Gefühl scheint hier behei- nach ungarischen Volksliedtexten Seelenbilder von erschütternder Ausdruckskraft, matet und ergießt sich im Schlussfall der Melodie übertragen von Hugo Conrat weitreichende Stimmungsmalereien und dramatische „O füll es ganz!“. 1. He, Zigeuner, greife in die Saiten ein! Affektszenen kreiert, die zuvor in der schlichten Lied- Den Abschluss des heutigen Liederabends bilden die 2. Hochgetürmte Rimaflut, wie bist du trüb form undenkbar schienen. Von der Allgemeinheit und „Sieben spanischen Lieder“ von Manuel de Falla, der 3. Wißt ihr, wann mein Kindchen am Einfachheit dieser Volks- und Gesellschaftslieder als einer der bedeutendsten spanischen Komponis- allerschönsten ist? strebt Schubert weg – hin zu individuell gestalteten ten des frühen 20. Jahrhunderts gilt. De Falla absol- 4. Lieber Gott, du weißt, wie oft bereut ich hab' Ausdrucksbildern. Als der eigentliche Durchbruch gilt viert am Madrider Konservatorium sein Musik- 5. Brauner Bursche führt zum Tanze sein „Gretchen am Spinnrade“, das die Auswahl der studium, bevor er 1907 nach Paris übersiedelt. Die 6. Röslein dreie in der Reihe blühn so rot fünf Schubert-Lieder dieses Programms abschließt. volkstümliche Musik seines Heimatlandes ist für ihn 7. Kommt dir manchmal in den Sinn Das Datum der Komposition des damals 17-Jähri- ein Quell reicher Inspiration. Stets um das musika- 8. Rote Abendwolken ziehn am Firmament gen(!) gilt als Beginn einer neuen Liedepoche und als lische Erbe seiner Heimat bemüht, schreibt er im Jahr erste Berührung Schuberts mit Goethe im Jahr 1814. 1912 den Volksliederzyklus, der die Liebe in allen nur Franz Schubert (1797-1826) Basierend auf einer Szene aus Goethes „Faust“, denkbaren Facetten beschreibt: Untreue, Eifersucht, Suleika I D 720 (Marianne von Willemer) Daß sie hier gewesen D 775 (Friedrich Rückert) denkt Gretchen während des Spinnens an die Unter- Werbung um die Liebsten, Sehnsucht und tiefer Lie- Bei dir! D 866 Nr. 2 (Johann Gabriel Seidl) redung mit Faust. In der Klavierbegleitung hört man besschmerz vereinen sich auch hier zu einer Einheit, Du bist die Ruh op. 59,3 D 776 (Rückert) das Spinnrad drehen, der Melodieverlauf zeichnet welche die Essenz dieser anrührenden Liedkomposi- Gretchen am Spinnrade D 118 (Johann Wolfgang das Bild eines an seiner übermächtigen Sehnsucht tionen bildet. von Goethe) leidenden Mädchens. Manuel de Falla (1876-1946) „… das Schönste, welches jemals geschrieben Siete canciones populares españolas worden sei“ (Sieben spanische Lieder)

Ebenfalls von Goethes Lyrik, dem West-östlichen Di- 1. El paño moruno. Allegretto vivace van inspiriert, entstand das von Marianne von Will- 2. Seguidilla murciana. Allegro spiritoso 3. Asturiana. Andante tranquillo mer verfasste Gedicht „Suleika“. Gerichtet ist es von 4. Jota. Allegro vivo Suleika, der entsagend Liebenden, an den Ostwind, 5. Nana.Tranquillo den Freudenbringer. Die leise aufsteigenden Sech- 6. Canción. Calma e sostenuto zehntelbewegungen des Klaviers machen den Wind 7. Polo. Vivo fühlbar, der die selige Liebeserwartung bringen soll und sich im Schlussteil zur Ekstase erhebt. Johannes Brahms bezeichnete dieses Lied als „das Schönste, Ausführende welches jemals geschrieben worden sei“. Zwei Jahre Annekathrin Laabs (Mezzosopran) später, 1823, entstand der vertonte Wunsch „Daß sie Mirella Petrova (Klavier) hier gewesen“. Dem spielerischen Geist der Rückert- schen Poesie entsprechend, formt Schubert aus ei- Konzertdauer ca. 1 Stunde 40 Minuten inkl. Pause ner musikalischen Vorhaltsfolge die zarte Impression von Tränen und Düften. Angekommen scheint nun der Sehnende „Bei Dir“ und findet Lösung und Friede in „Du bist die Ruh“. Dieses fast religiös anmutende Lied ist in kargen musikalischen Formen gesetzt und wird zumeist von einem ausgesparten, dünnen Kla-

23 In inniger Freundschaft

Von Katharina Pitt

„Achtung nur ist der Freundschaft unfehl- bares Band.“(Johann Christoph Friedrich von Schiller in einem Brief an Wilhelm von Wolzogen, 25. Mai 1783)

Als der 28-jährige Johannes Brahms 1860 sein Kla- vierquartett g-Moll op. 25 zu Papier bringt, ahnt er nicht, dass die darin verwobenen osteuropäischen Klänge ein erstes dünnes Band sind, welches ihn mit dem böhmischen und acht Jahre jüngeren Antonín Dvořák verbinden soll. Doch ein aufmerksamer Be- obachter wird nicht nur in ihrer Musik zahlreiche Ähnlichkeiten und Zeichen ihrer Freundschaft ent- decken können.

Wandel

Halbstündlich und für den Preis von vier Schillingen gelangt man vom Hamburger Rathausmarkt mit dem Pferde-Omnibus nach Hamm – einem Ort der Ruhe und Muße für Brahms. Dort entstehen unter ande- rem die ersten sechs Nummern der „Schönen Mage- lone“ op. 33 und die Variationen über ein Thema von Robert Schumann für Pianoforte zu vier Händen. Die beiden Klavierquartette g-Moll op. 25 und A-Dur op. 26 werden ebenfalls an diesem Ort skiz- ziert und einige Zeit später zur Reife gebracht. Sie zählen zu seinen bedeutendsten kammermusikali- schen Werken und versöhnen romantische Klänge Antonín Dvofiák im Jahre 1882. Der Fotograf ist unbekannt. mit einer Strenge der Form, an der Brahms trotz heftiger Diskussionen unter den Zeitgenossen Wag- ner und Hanslick festhält. Zwar nutzt er die Gestal- Sechszehntelpassagen und die an das ungarische Inbegriff des ungarischen Tanzes und ist neben an- tungsmittel, des 19. Jahrhunderts, doch hütet er sich Volksinstrument Zymbal erinnernden hämmernden deren Formen wie Hochzeitstänzen Grundlage für vor den großen Gefühlsausbrüchen der „Zukunfts- Tonwiederholungen ziehen sich durch das Intermezzo gleich mehrere der Brahms-Tänze. musik“. Er macht sich neben gewaltiger dynamischer und Andante. Die große Spannbreite an Klangfarben Spannbreite liedhafte Strukturen zu eigen, die er gipfelt jedoch erst im Rondo alla Zingarese. Slawische Tänze kompositorisch diszipliniert mit detaillierter moti- In Brahms „Ungarischen Tänzen“ lässt sich das natio- visch-thematischer Arbeit und mit volkstonhaften nale Kolorit des osteuropäischen Volksklanges noch Antonín Dvořák legt seine 1878 erschienenen Slawi- Klängen verfeinert, ähnlich der Zubereitung einer viel stärker vernehmen. Vor allem der Ungar Franz schen Tänze ebenfalls Muster dieser Art zu Grunde. delikaten Speise. Mitunter herbe Harmonik und sprit- Liszt hatte den Weg für die Verbreitung der charak- Den Rahmen bilden Nr. 1 und Nr. 8, mit dem für den zige Rhythmik zieren seine Musik, die als beinahe teristischen Akzentverschiebungen, ausgefallenen Furiant typischen Wechsel von Dreihalbe- und Drei- logische Konsequenz seines Studiums der von ihm Verzierungen und plötzliche Verlangsamung oder vierteltakten. Gekennzeichnet von sowohl schnellen hoch geschätzten alten Musik von Komponisten wie Beschleunigung des Zeitmaßes bereitet. Die beiden als auch elegischen Abschnitten ist die ukrainische Bach, Händel oder Schütz hervorgeht. All dies fließt ersten Hefte der „Ungarischen Tänze“ werden 1869 Dumka, die sich hinter Nr. 2 verbirgt. Die gemütlich auch in sein Klavierquartett g-Moll op. 25 ein. fertig und bei Musikern und Laien gleichermaßen auf menuettartige Sousedská und der tschechische Dieses aus vier Sätzen bestehende Werk für Klavier, Grund ihrer Vielfältigkeit beliebt. Stammen die Springtanz Skocná verwendet er ebenfalls in mehre- Violine, Viola und Violoncello wurde bald nach seiner Melodien zwar größtenteils nicht aus Volksliedgut, ren Nummern. Von traurig und melodiös, über kind- Veröffentlichung gemäß der gängigen Praxis auch sondern von verschiedenen ungarischen Komponis- lich neckend und trillernd, bis hin zu bäuerlich be- für Klavier zu vier Händen bearbeitet. Eine weitere ten, so übernimmt Brahms doch volkstypische Tänze schwingt – Dvořák stellt in diesen Werken seinen Bearbeitung des Werkes ist die Fassung für Orches- als Grundmuster seiner Stücke. Der Csárdás gilt als Farbenreichtum unter Beweis, der über die schweren ter, die Arnold Schönberg 1937 erstellte. Die häufige Verwendung auf-, bzw. absteigender Dieses Konzert wird präsentiert von Halbtonschritte, die das Gefühl des zugartigen Span- nens und seufzerartigen Entspannens suggerieren, ist im Allegro besonders hervorstechend. Verspielte K. B.

24 8. Konzert Lauenstein, Ev. Kirche Programm

Samstag Johannes Brahms (1833-1897) 28. Mai 2016 Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op. 25 Transkription für Klavier vierhändig 17:00 Uhr vom Komponisten 8 Allegro Jahre der Anfangszeit als Komponist zunächst un- Lauenstein. Die erste Stadtkirche, deren Patrozi- Intermezzo. Allegro ma non troppo – Trio entdeckt bleibt. nium nicht überliefert ist, brannte 1584 ab und wur- Animato de anschließend unter Verwendung der noch vor- Andante con moto Glück handenen Teile erneuert. Im einschiffigen Chor ist das Rondo alla Zingarese. Presto Rippengewölbe des 15. Jahrhunderts noch erhalten. Am Chor nach Norden angebunden ist die Sakristei Schon zum vierten Mal stellt der zu dieser Zeit noch Pause sowie ein zweiter, wohl noch spätgotischer Raum, unbekannte Komponist aus Prag einen Antrag auf die Bünau-Kapelle. Den Schmuck des Portals im Westen Antonín Dvořák (1841-1904) Erteilung des Wiener Künstlerstipendiums. Die finan- schuf Michael Schwenke aus Pirna 1602. Die Reliefs, Slawische Tänze op. 46 (Auswahl) zielle Situation des Familienvaters erlaubt es nicht, so das Abendmahl, die Figuren Moses und Aaron für Klavier zu vier Händen ausschließlich durch seine kompositorischen Erträge sowie die knieenden Stifter und sitzenden Evan- Nr. 1 C-Dur zu leben, weswegen er 1877 nach Wien schreibt. Der gelisten, sind Meisterwerke der zeitgenössischen Nr. 2 e-Moll Kommission zur Beurteilung der Stipendiatenanwär- Plastik. Nr. 5 A-Dur ter gehört unter anderem der Wahl-Wiener Johan- Nr. 6 As-Dur nes Brahms an. Dieser freut sich außerordentlich Nr. 8 g-Moll über die Entdeckung der Klänge aus Mähren, Duette, Eines der wenigen Themen, in denen sich beide die sich unter Dvořáks Antragsbeilagen befinden, und Komponisten nie einig waren, ist die Religion. Der Johannes Brahms schreibt ihm ein 600-Mark-Stipendium zu. Außerdem katholische Dvořák konnte die Ungläubigkeit des Ungarische Tänze (Auswahl) für Klavier zu vier Händen sendet er seinem Freund und weltweit einfluss- großen Vorbildes nicht nachvollziehen. Doch trotz Nr. 2 d-Moll reichen Verleger Fritz Simrock die Worte: „Wenn Sie der unterschiedlichen Ansichten wächst ihre Freund- Nr. 3 F-Dur sie durchspielen, werden Sie sich, wie ich, darüber schaft stetig. Dvořák fertigt 1880 zu den Ungarischen Nr. 7 A-Dur freuen und als Verleger sich über das Pikante beson- Tänzen Nr. 17 bis 21 Orchesterfassungen, Brahms Nr. 8 a-Moll ders freuen. [...] Die Duette werden Ihnen einleuch- bietet dem Jüngeren sein ganzes Vermögen als Nr. 11 a-Moll ten und können ein ‚guter Artikel’ werden.“ Unterstützung für einen Umzug nach Wien an und Nr. 20 e-Moll Für den geschäftsklugen Verleger sollten sie tatsäch- so setzt sich ihre beständig wachsende Achtung fort, Nr. 5 fis-Moll lich ein ebenso großer Glücksgriff werden wie für bis Dvořák schließlich zum Begräbnis des verstorbe- Dvořák. Denn Simrock bittet ihn wenig später um nen Freundes erscheint. zwei Hefte böhmischer und mährischer Tänze für Ein ähnlich starkes Band verknüpft auch zwei an Ausführende Klavier zu vier Händen, „in der Art wie die ungari- einem Instrument Musizierende. Beim vierhändigen Anna und Ines Walachowski (Klavier vierhändig) schen von Brahms“. Die Entstehung dieser Slawi- Klavierspiel sind der Grad der Übereinstimmung schen Tänze im Jahr 1878 nimmt lediglich zwei zwischen den Spielpartnern und ihr Gespür fürein- Konzertdauer ca. 1 Stunde 50 Minuten inkl. Pause Monate in Anspruch. Dvořák scheint vor musikali- ander ungewöhnlich hoch. Scheinbar tanzend über- schen Ideen überzusprühen. Brahms selbst bemerkt: kreuzen sich ihre Hände auf der geteilten Klaviatur. „Der Kerl hat mehr Ideen als wir alle. Aus seinen Im 19. Jahrhundert sind Klavierwerke zu vier Händen Abfällen könnte sich jeder andere die Hauptthemen äußerst beliebt und ermöglichen neben wohlklingen- zusammenklauben!“ Der vom Kritiker Louis Ehlert der Hausmusik auch ein ganz praktisches Aneignen verfasste Artikel in der Berliner Nationalzeitung lobt von Kammermusik- und Orchesterwerken. Neben- Dvořák in so überaus hohen Tönen, dass dieser und miteinander musizierend erschließen sich die nahezu über Nacht berühmt wird. namhaften Komponisten Hugo Wolf und Engelbert Humperdinck auf diese Weise unter anderem Sin- Verbundenheit fonien von Anton Bruckner. Auch in der Literatur hält die Szene des häuslichen Vierhändigspiels Einzug, Auch Brahms selbst verhelfen eine Komponisten- nicht zuletzt durch die Nähe der Spielenden mit ei- bekanntschaft und ein Zeitungsartikel zu großem nem gewissen Hauch von heimlicher Annäherung. Ansehen. Seine Begegnung mit Robert Schumann und der von diesem 1853 in der Neuen Zeitschrift für Hoffnung Musik veröffentlichte Essay „Neue Bahnen“ sollten Ausschlag für seinen Durchbruch und eine weitere Eine sehr enge Beziehung besteht nicht nur zwischen gute Freundschaft sein. den Komponisten der erklingenden Werke, sondern Eine weitere Ähnlichkeit findet sich in ihrer Vorstel- verbindet auch die Aufführenden, die an einem lung vom musikalischen Gedanken. Bezeichnet Instrument zu einem Spieler verschmelzen, ohne ihre Brahms ihn als höhere Eingebung, Inspiration und eigene Persönlichkeit aufzugeben. So „tanzen“ sie in Geschenk, so spricht auch Dvořák davon, dass seine stetem Miteinander durch die Musik und geben Existenz nichts Besonderes sei und von selbst dieses Band der gegenseitigen Achtung und Freund- komme. „Aber den Gedanken gut auszuführen und schaft unbemerkt an den Hörer weiter, in der Hoff- etwas Großes aus ihm zu schaffen, das ist das nung, dass es von diesem hinausgetragen und neu Schwerste, das ist Kunst.“ gebunden wird.

25 O wie schön, wenn Liebe sich zu der Liebe findet!

Von Stephanie Hauptfleisch

… heißt es im 10. Lied der ersten Lie- besliederwalzer-Sammlung von Johannes Brahms. Dabei ist die Liebe zu verstehen als eine tiefe, anziehende Unergründlichkeit. Liebe ist das Gefühl einer innigen Verbundenheit und die stärkste Art der Zuneigung, die ein Mensch für einen anderen Menschen empfinden kann. Das Phänomen der Liebe wurde und wird in den verschiedenen Epo- chen, Kulturen und Gesellschaften unterschiedlich aufgefasst. Besonders in der Epoche der Romantik galt es als Grundbedürfnis, seiner Liebesempfindung Ausdruck zu verleihen. Dies geschah bevorzugt durch Gedichte und Musik. So avancierte das Lied zu einer beliebten Ausdrucksform für die Liebe. Johannes Brahms gehört zu den wenigen deutschen Komponisten, die während ihrer gesamten Schaf- fenszeit die Vokal-Kompositionen nicht nur „neben- her“ pflegten, sondern diese mit großer künstleri- scher Ambition während ihres gesamten Schaf- fensprozesses zu vervollkommnen suchten. Brahms Liedkompositionen zeigen ihn als einen Schüler und Nachfolger Schuberts, dessen Errungenschaften er aufgriff und weiterentwickelte. Seine intensive Be- schäftigung mit der Vokalmusik ergibt sich aus dem Verlauf seiner Biographie: Bereits als 13-Jähriger sammelte Brahms Erfahrungen mit dem Männerchor seiner Gemeinde, den er aushilfsweise dirigierte und Johannes Brahms im Jahr 1853. Jean-Joseph-Bonaventure Laurens schuf dieses Jugendbildnis auf Veranlassung Robert Schumanns, für den er kleine Volkslieder bearbeitete und arran- der in Brahms einen „Berufenen“ sah. gierte. Obwohl Brahms von Robert Schumann in des- sen Artikel „Neue Bahnen“ in der „Neuen Zeitschrift quartette op. 51, in denen das Muster des gängigen Hanslick: „Brahms und Walzer! Zwei Worte, die sich für Musik“ als „Berufener“ in die Musikwelt einge- Walzers bereits neue Ausformungen fand. erstaunlicherweise auf ein und demselben Titelblatt führt wurde, unterlag Brahms seiner kompromiss- In den Liebeslieder-Kompositionen verknüpft Brahms finden. Brahms, der ernste, schweigsame Brahms, losen Selbstkritik, die ihn fast alle seiner bis dahin schließlich die Möglichkeiten des Ensembleliedes Norddeutscher und Protestant, der Weltverachter entstandenen Chorkompositionen vernichten ließ. mit denen des Klavierwalzers zu vier Händen. In hei- Brahms schreibt Walzer! Nur ein Wort kann das terster Laune beschreiben die Liebeslieder op. 52 die Geheimnis lösen: Wien!“ Abwechslungsreich er- „Der Weltverachter Brahms schreibt Walzer!“ vorehelichen Freuden der Liebe und erzählen von scheint die Besetzung der Vokalpartien: Soli von vielfältigen erotischen Verlockungen. Als Textgrund- Sopran und Tenor („Wohl schön bewandt war es“ Nachdem Brahms 1857 als Chorleiter an den Detmol- lage für diese dienten dem Komponisten Gedichte und „Nicht wandle mein Licht“) reihen sich zu zwei der Hof verpflichtet wurde, studierte er sowohl die aus der Sammlung Polydora des Nürnberger Gymna- Duetten für Tenor und Bass und drei Duetten für Chorwerke Schumanns als auch die altklassische und siallehrers Georg Friedrich Daumer. Der Dichter wie- Sopran und Alt, während die übrigen Walzer alle vier barocke Vokalpolyphonie eines Palestrina, Lotti und derum bezog seine Textgrundlagen aus Volksdichtun- Gesangsstimmen beteiligen. Dabei werden Ländler- Durante. Nachdem er in Detmold wertvolle Erfahrun- gen, die auf russischen, ungarischen und polnischen tempo („Rede, Mädchen, allzu liebes“), schmissiger gen im Bereich der Chor- und Kammerkompositionen Vorlagen beruhen. Brahms hat diese Texte so ver- Elan („Am Gesteine rauscht die Flut“) und Wiener sammeln konnte, siedelte Brahms, der sich von den tont, dass er den Hauptgedanken der jeweiligen Ge- Charme („Wie des Abends schöne Röte“) sowie die Aufgaben als Detmolder Chorleiter überfordert sah, dichte pointiert und in musikalischen Ausdruck um- Affinität zum Walzer Typus von Johann Strauß („Die im Jahr 1859 nach Hamburg über. Bereits vier Jahre setzte. Vielgestaltig wie die Liebe zeigen sich nun grüne Hopfenranke“) mit furiosen ungarischen Tönen später folgte er einem Ruf in die österreichische die Texte Daumers, von denen Brahms meint: „Übri- („Nein, es ist nicht auszukommen“) verknüpft – und Hauptstadt, wo er zum Chormeister der Wiener Sing- gens möchte ich doch riskieren, ein Esel zu heißen, zwar so, dass die Walzerfolge trotz sorgfältiger Über- akademie gewählt wurde. Hier setzte er sich inten- wenn unsere Liebeslieder nicht einigen Leuten arbeitung durch Brahms spontan, fast angenehm im- siv sowohl mit dem Liedschaffen Franz Schuberts als Freude machen.“ So reiht sich Heiteres („Ein kleiner provisiert klingt. auch mit der Tanzform des Walzers auseinander. hübscher Vogel“) an Ironisch-Freches („O die Frauen“) Die Komposition dieser lyrisch-schwelgenden Folge Die erste Sammlung der „Liebeslieder-Walzer“ ent- und wird durch weiche Kantilenen des Liebesge- von Liebesliedern wurde wahrscheinlich inspiriert stand jedoch nicht direkt in Wien, sondern in ständnisses („Wenn so lind dein Auge mir“) ergänzt. durch Brahms innige Zuneigung zu Julie Schumann, Lichtenthal, wo Brahms den Sommer des Jahres Über diese lebendigen Walzerkompositionen schreibt der dritten Tochter seines Gönners und Freundes 1868 verlebte. Hier komponierte er zuvor die Streich- der Musikkritiker und Freund von Brahms Eduard Robert Schumann. Doch leider verlief auch diese Lei-

26 9. Konzert Rammenau, Barockschloss Claude Debussy (1862-1918) Six Épigraphes antiques (1914-15) Sonntag für Klavier zu vier Händen 1. Pour invoquer Pan 29. Mai 2016 2. Pour un tombeau sans nom 17:00 Uhr 3. Pour que la nuit soit propice 4. Pour la danseuse aux crotales 9 5. Pour l'égyptienne denschaft wie alle anderen in Brahms’ Leben un- Rammenau. Wo sich Westlausitz und Oberlausitz glücklich. Zudem war die Veröffentlichung der Samm- begegnen, liegt in reizvoller Landschaft das Barock- 6. Pour remercier la pluie au matin lung op. 52 von einem Streit zwischen Brahms und schloss Rammenau. Zwischen 1720 und 1737 vom Pause seinem Verleger Simrock überschattet: Um eine grö- königlich-polnischen Kammerherren Ernst Ferdinand von Knoch erbaut, zählt es zu den schönsten Land- ßere Käuferschicht anzusprechen, fügte Simrock dem barockanlagen Sachsens. Klassizistisch-illusionis- György Ligeti (1923-2006) Werk eigenmächtig die Bezeichnung „mit Gesang ad tische Architekturmalerei, prunkvolle Säle und edle Aus: Fünf Stücke für Klavier zu vier Händen libitum“ hinzu. Für den Gesangspart hatte Brahms ur- Gemächer versetzen Sie in die Zeit des 18. Jahr- 1. Induló (Marsch, 1942) sprünglich ausdrücklich eine solistische Besetzung hunderts. Das Barockschloss ist Begegnungsstätte 4. Sonatina (1950) vorgesehen und wandte sich zunächst strikt gegen von Kunst und Kultur. Bekannt wurde Rammenau durch die chorische Aufführung. Erst später änderte er seine den Aufklärer und Philosophen Johann Gottlieb Johannes Brahms Meinung. So erwidert Brahms seinem Verleger: „Die Fichte, der hier im Jahr 1814, vor 200 Jahren, ge- Neue Liebeslieder op. 65 nach Texten aus der Walzer müssen ebenso erscheinen, wie sie sind […]. boren wurde und dem im Schloss eine Gedenkstätte Sammlung Polydora sowie von Johann Wolfgang Durchaus dürfen sie fürs erste nicht ohne Singstimme gewidmet ist. von Goethe (Nr. 15) für Sopran, Alt, Tenor, Bass gedruckt werden. So müssen sie den Leuten vor Au- und Klavier zu vier Händen 1. Verzicht, o Herz, auf Rettung gen kommen. Und hoffentlich ist es ein Stück Haus- the von Siebold, für die Brahms mehrere Liebeslie- 2. Finstere Schatten der Nacht musik und wird rasch viel gesungen […]“. der komponierte, wurde gelöst, bevor es zu einer 3. An jeder Hand die Finger (Sopran) Eheschließung kommen konnte, weil Brahms sich 4. Ihr schwarzen Augen (Bass) Die zweite Sammlung: Ein düsteres Resümee? für eine feste Bindung außerstande sah. 5. Wahre, wahre deinen Sohn (Alt) Diesen Jammer und dieses Glück der Liebe be- 6. Rosen steckt mir an die Mutter Von Brahms als Hausmusik konzipiert, verschmelzen schließt in Versen Goethes die Kompositionen der (Sopran) hier eingängige Melodien mit kontrapunktischer Klar- beiden Liebeslieder-Zyklen. Die neue Textqualität der 7. Vom Gebirge Well auf Well heit und Transparenz, so dass diese Musik von – frei- letzten vier Verse aus Goethes Elegie Alexis und Dora 8. Weiche Gräser im Revier lich gut ausgebildeten – Dilettanten des 19. Jahrhun- verbindet sich unüberhörbar in einer höheren Sphäre 9. Nagen am Herzen fühl ich (Sopran) derts im bürgerlichen Salon gut zu bewältigen war. des Musikalischen. Beruhigt scheint nun das wan- 10. Ich kose süß mit der und der (Tenor) Bereits kurz nach ihrer Veröffentlichung erfreuten kende Gemüt der Liebenden, das einzig durch die 11. Alles, alles in den Wind (Sopran) 12. Schwarzer Wald, dein Schatten sich die Liebeslieder-Walzer großer Beliebtheit und Musen besänftigt und getröstet zu werden vermag. 13. Nein, Geliebter, setze dich wurden somit ein künstlerischer und kommerzieller (Sopran und Alt) Erfolg. Wegen dieses großen Erfolges ließ Brahms 14. Flammenauge, dunkles Haar im Jahr 1874 eine zweite Sammlung von 15 wei- 15. Zum Schluss: Nun, ihr Musen, genug teren Liedern als „Neue Liebeslieder“ op. 65 folgen. Programm Für diese Sammlung wählt der Komponist dieselbe Besetzung, Konzeption und Komplexität. Bis auf eine Johannes Brahms (1833-1897) Ausführende Ausnahme stammen die Textgrundlagen wieder aus Liebeslieder-Walzer op. 52 Katrin Le Provost (Sopran) der Sammlung Polydora von Georg Friedrich Daumer, nach Texten aus der Sammlung Polydora von Marie Henriette Reinhold (Alt) dessen Dichtungen Brahms wiederum mit Witz und Georg Friedrich Daumer für Sopran, Alt, Tenor, Patrick Grahl (Tenor) Ironie umsetzte. Dennoch mutet die Textauswahl des Bass und Klavier zu vier Händen Dominic Große (Bass) Masako Ono und Marion Nogaro (Klavier) 2. Zyklus eher düster an: Daumers Verse erzählen 1. Rede, Mädchen, allzu liebes 2. Am Gesteine rauscht die Flut weniger von den Wonnen der Liebe, als von Miss- 3. O die Frauen (Tenor und Bass) trauen („Rosen steckt mir an die Mutter“), Enttäu- 4. Wie des Abends schöne Röte Konzertdauer ca. 1 Stunde 40 Minuten inkl. Pause schung („An jeder Hand die Finger“) und Verzicht (Sopran und Alt) („Verzicht, o Herz, auf Rettung“). Dies wird auch in 5. Die grüne Hopfenranke den weniger verspielten, herberen aber auch leiden- 6. Ein kleiner, hübscher Vogel schaftlicheren Kompositionen hörbar. 7. Wohl schön bewandt war es Vielleicht resümiert Brahms mit der Komposition der (Sopran oder Alt) zweiten Sammlung der Liebeslieder-Walzer seine 8. Wenn so lind dein Auge mir eigenen, stets unglücklich verlaufenden Liebes- 9. Am Donaustrande beziehungen: Eine innige seelische Verbundenheit 10. O wie sanft die Quelle empfand er für die Frau seines Gönners und Freun- 11. Nein, es ist nicht auszukommen 12. Schlosser auf und mache Schlösser des Robert Schumann. Der umfangreiche Briefwech- 13. Vögelein durchrauscht die Luft sel zwischen Clara Schumann und Brahms wurde im (Sopran und Alt) gegenseitigen Einvernehmen fast vollständig vernich- 14. Sieh, wie ist die Welle klar tet. Doch allein die wenig erhaltenen Briefe von (Tenor und Bass) Brahms spiegeln eine leidenschaftliche Zuneigung 15. Nachtigall, sie singt so schön wider, wenn Brahms an Clara schreibt: „Meine 16. Ein dunkeler Schacht ist Liebe geliebte Clara!“ oder „Deine Briefe sind mir wie 17. Nicht wandle, mein Licht (Tenor) Küsse!“. Auch die Verlobung mit der Sängerin Aga- 18. Es bebet das Gesträuche

27 Von der Schwierigkeit einer Annäherung an Bachs Cellosuiten

Von Kathleen Goldammer

„Bach ist Anfang und Ende, unsterblich, unbegreiflich und sogar heilig“, schreibt Isang Enders im Vorwort seines 2013 erschienenen Albums mit Johann Sebastian Bachs Suiten für Violoncello solo, BWV 1007-1012. Dass sich ein so junger Musiker – Enders ist gerade einmal 28 Jahre alt – dennoch an eines der am stärksten herausfordernden Werke der Celloliteratur heran- wagt, spricht ohne Zweifel für ihn. Viele Cellisten haben sich an den Stücken bereits die Finger wund gespielt. Bei praktisch jedem Probespiel oder Wett- bewerb gehören sie zum Pflichtrepertoire. Die Reihe herausragender Interpretationen ist endlos lang, angefangen bei legendären älteren Einspielungen des Katalanen Pablo Casals aus den Jahren 1927 bis 1939, von Pierre Fournie (1961, 1983), Nikolaus Har- noncourt (1965), Yo-Yo Ma (1983) oder dem Nieder- länder Anner Bylsma (1979, 1981), der wie Harnon- court nicht nur seine Erfahrung mit historischer Aufführungspraxis einbrachte, sondern auch auf einem Originalinstrument von Stradivari aus dem Jahr 1701 begeisterte. Definitiv sind Bachs Cellosuiten eine musikalische sowie technische und nicht zuletzt geistige Heraus- forderung, der sich Enders gern stellte. Dabei half ihm die jahrelange Auseinandersetzung mit dem Komponisten und seinem Werk. Schon als Kind sog er, auf der Orgelbank seiner Eltern sitzend oder unter dem (wohltemperierten) Klavier zu Hause, die Musik Johann Sebastian Bachs in sich auf. „Keine Sprache ist mir vertrauter und dennoch schwerer zu erfassen als seine“, gesteht Enders im CD-Booklet. Bis zu sei- ner finalen Einspielung der Cellosuiten vergingen fünf Jahre; Zeit, in der die Idee zunächst reifen musste. Eine Erstaufnahme verwarf er wieder, als sie im Grunde schon fast fertig gestellt war und kehrte ins Studio zurück, um seiner während der Arbeit gewach- senen Überzeugung gerecht zu werden. Dieser Weg war vom ständigen Auf und Ab, von Resignation und Porträt Johann Sebastian Bachs während seiner Zeit als Hofkapellmeister in Köthen, gemalt 1720 von Johann Jakob Ihle. Ehrfurcht, aber auch von Freude, Einklang und Er- Wahrscheinlich in jener Amtszeit, zwischen 1717 und 1723, komponierte Bach die Suiten für Violoncello solo. kenntnis geprägt. Intensiv setzte er sich auch mit historisch informierter Aufführungspraxis auseinan- Leopold von Anhalt-Köthen innehatte. Zu dieser Zeit ment, als Basso continuo. Wenn überhaupt, waren der, die von der heutigen Generation mehr denn je entstanden auch die Schwesterwerke, Sechs Sona- es Gambisten, die auf einem Bassinstrument soli- gefordert wird und insbesondere bei Bachs Cellosui- ten und Partiten für Violine solo, BWV 1001-1006, die stisch brillierten. Zu den bekanntesten Virtuosen sei- ten immer wieder für Diskussionsstoff sorgt. Disku- laut Autograph aus dem Jahr 1720 stammen. Ähn- ner Zeit zählte Christian Ferdinand Abel (1682-1761), tieren lassen sich aber auch eine Reihe weiterer Rät- lich wie diese Werksammlung könnte Bach die Suiten Premier Musicus an der Hofkapelle in Köthen. sel, die das Werk aufgibt. von vornherein als Zyklus gedacht haben, was der Von dem Werk sind insgesamt vier Abschriften er- allgemein verbreiteten Meinung entspricht. Mit auf- halten: Eine von Bachs zweiter Ehefrau Anna Mag- Die Entdeckung des Violoncellos als Soloinstrument steigender Nummernbezeichnung werden die Stücke dalena (1701-1760), eine weitere von dem thüringi- komplizierter und länger, als hätte Bach das wenig schen Kantor und Organisten Johann Peter Kellner Da kein Autograph erhalten ist, beginnen die Pro- vertraute Terrain allmählich erobert. Denn das Vio- (1705-1772) sowie zwei weitere anonyme Abschrif- bleme bereits bei der exakten Datierung. Wahr- loncello als Soloinstrument einzusetzen war eine ten aus der Mitte und vom Ende des 18. Jahrhun- scheinlich ist, dass Bach seine Cellosuiten in den absolute Novität. Normalerweise diente es, zusam- derts. Sie weichen stark voneinander ab, was Jahren zwischen 1717 und 1723 komponierte, wäh- men mit einem Tasteninstrument und eventuell unter- weniger den Notentext betrifft, sondern viel mehr rend er das Amt des Hofkapellmeisters beim Fürsten stützt durch eine Violone (Kontrabass), als Funda- dynamische Zusatzanweisungen, Akzentuierungen

28 10. Konzert Weesenstein, Schlosskapelle Programm

Samstag „Bach pur I“ 11. Juni 2016 Johann Sebastian Bach (1685-1750) 17:00 Uhr Suiten für Violoncello solo

Weesenstein. Die erste10 urkundliche Erwähnung und Phrasierungsbögen, die Bach kaum verwendet Suite Nr. III C-Dur BWV 1009 haben dürfte. Die zuverlässigste Quelle scheint die der Burg findet sich in einem Schriftstück des Burg- Prélude Abschrift seiner Ehefrau zu sein. Zum Teil sind in grafen Otto d. Ä. von Dohna aus dem Jahre 1318. Allemande dieser Eintragungen enthalten, die von Bachs eige- Historiker halten die Gründung um 1200 für wahr- Courante scheinlich. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde ner Handschrift stammen könnten. Durch die un- Sarabande die Burg weiter ausgebaut und allmählich zu einem sichere Quellenlage steht jeder Cellist erneut vor der Bourrée I – II – I wohnlichen, repräsentativen Schloss umgewandelt. Gigue Herausforderung einer angemessenen Interpretation. Die alte Schlosskapelle, im Jahre 1504 vom Meiß- Auch Isang Enders entschied sich bewusst für einen ner Bischof bestätigt und ausschließlich dem Schloss- Suite Nr. V c-Moll BWV 1011 Eingriff, indem er auf seiner Aufnahme die eigent- besitzer mit einem eigenen, vom Papst genehmigten Prélude liche, „offiziell“ vereinbarte Abfolge aufbrach und die Schlossgeistlichen vorbehalten, war jahrhunderte- Allemande Suiten in drei „dunkle“ (Nr. 5, 2, 4) und drei „helle“ lang die kleinste Pfarrei in Sachsen. Am gleichen Courante (Nr. 3, 1, 6) einteilte. Er folgt damit der Idee, in Platz auf dem oberen Burghof wurde von 1738 bis Sarabande Sekundschritten (c-Moll, d-Moll, Es-Dur) und im Quin- 1741 die heutige Kirche errichtet. Gavotte I – II – I tenzirkel (C-Dur, G-Dur, D-Dur) aufzusteigen. Auch Gigue wählte er eine historisch informierte Sonderfassung des gesamten Zyklus ist dieses in der Anlage zwei- der Suite Nr. 5, basierend auf der Lautensuite in teilig: Der erste langsame Teil bewegt sich in reich Pause g-Moll BWV 995. verzierten wie improvisiert wirkenden Läufen von Suite Nr. IV Es-Dur BWV 1010 In formal-stilistischer Hinsicht hat sich Bach in kei- Akkord zu Akkord und wirkt eher schwermütig. Im Praeludium nem anderen Suitenzyklus so große Beschränkungen Unterschied dazu erweckt der zweite Teil, obgleich Allemande auferlegt wie in den Cellosuiten. Alle sechs Suiten durchweg einstimmig, den Eindruck von Mehrstim- Courante sind einheitlich aufgebaut: Auf ein Präludium folgen migkeit, bisweilen sogar von Kontrapunkt. Die Voll- Sarabande die im Hochbarock vier üblichen Suitensätze Alle- griffigkeit und die latente Polyphonie bleiben mit Bourrée I – II – I mande, Courante, Sarabande und Gigue. Vor letzte- einer Ausnahme, der Sarabande, in allen folgenden Gigue rem wurden je zweimal ein Menuett, eine Bourrée Sätzen erhalten. Die Sarabande zählt zu den ein- und eine Gavotte eingeschoben – überraschende drucksvollsten einstimmigen Sätzen der gesamten Kleinkompositionen, die die Form nur geringfügig auf- Barockzeit, ein Lamento, das Einsamkeit, Klage und Ausführender brechen. Resignation gleichermaßen ausdrückt. Isang Enders (Violoncello) Die vierte Suite in Es-Dur BWV 1010, die Enders an Aufbruch starrer Vorgaben den Schluss seines Konzertes setzt, ist vor allem Konzertdauer ca. 1 Stunde 40 Minuten inkl. Pause durch Virtuosität gezeichnet, was nicht nur die Alle- Enders eröffnet das Konzert mit der dritten Suite in mande im Alla-breve-Takt, der schnellste Satz des C-Dur BWV 1009, die von allen sechs vielleicht die gesamten Zyklus, sondern auch Sätze wie die brillanteste ist. Das Präludium kostet mit nie versie- Bourrée I oder die abschließende Gigue zeigen. Das gendem Einfallsreichtum die Möglichkeiten von Drei- Präludium wirkt harmonisch wie eine weit ausgrei- klangsbrechungen und Läufen aus. In das anfangs fende Akkordstudie, charakteristisch sind die ab- strahlende C-Dur mischen sich nach und nach har- wärtsgerichteten Dreiklangsbrechungen über dem monische Abweichungen, die gegen Ende in drama- immer wieder angeschlagenen Basston. Etwa in der tische Akkordgriffe münden. Während Allemande und Mitte des Stücks werden die gleichmäßigen Achtel Courante danach demonstrativ einstimmig sind, kehrt durch chromatische Sechzehntelläufe durchbrochen, die getragene Sarabande zur pathetischen Harmonik die den improvisatorischen Ursprung dieser Präludien des Präludiums zurück. Die eingeschobenen zwei ins Gedächtnis rufen lassen. Bourrée-Sätze geben sich geschäftig und unkompli- Enders ist es gelungen, sich Bachs Cellosuiten auf ziert, bevor die Gigue mit Bordunbässen und Bario- seine Weise anzunähern. Mit Sicherheit wird es nicht lage-Effekten und mit Molleintrübungen an das Prä- das letzte Mal in seiner noch jungen Karriere gewe- ludium erinnernd, die Suite schließlich vollends sen sein. abrundet. Es folgt die fünfte Suite in c-Moll BWV 1011, die Enders wie bereits erwähnt in einer historisch infor- mierten Sonderfassung präsentieren wird. Seiner Interpretation liegt Bachs später entstandene Lau- tensuite in g-Moll BWV 995 zugrunde, die dieser in den Jahren zwischen 1727 und 1731 komponierte. Beide Kompositionen gehen auf eine gemeinsame Urfassung zurück, unterscheiden sich lediglich in kleineren satztechnischen Verbesserungen als auch möglichen „Schreibfehlern“. Als einziges Präludium

29 Weltweisende Orgelkunst

Von Karsten Blüthgen

Johann Sebastian Bach und Gottfried Sil- bermann – hochkarätiger kann eine Begeg- nung zum Thema Orgelmusik des Barock kaum besetzt sein. Die Instrumente des Freiberger Baumeisters Gottfried Silbermann (1683-1753) gel- ten als meisterliche Verbindungen von Kunst, Krea- tivität und Handwerk. Von ihnen geht noch nach drei Jahrhunderten eine besondere Aura aus. Ihr so cha- rakteristischer wie zeitloser Klang zieht Organisten und Hörer immer wieder neu in den Bann. In dem 1751 von Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel und von seinem Schüler Johann Friedrich Agricola im Wesentlichen verfassten, 1754 erschienenen Nekro- log für Johann Sebastian Bach ist zu lesen, dass die- ser „der stärkste Orgel- und Clavierspieler gewesen sey, den man jemals gehabt hat.“ Hinzu kommt, dass Johann Sebastian Bach ebenso Orgelkenner und Or- gelsachverständiger war – eine Institution, zu Fra- gen der Stimmung nicht immer einer Meinung mit dem renommierten Orgelbauer Silbermann. Davon erzählt die Mixtur aus Kritik und Lob, die Agricola an ihm äußerte:

„An seinen Orgeln, finden ächte Orgelkenner weiter nichts zu tadeln, als: die allzueinförmige Disposition, welche blos aus einer übertriebenen Behutsamkeit, nichts von Stimmen zu wagen, wovon er nicht ganz gewiß versichert war, daß ihm nichts daran mißra- Titelblatt des Handexemplars der „Clavier-Übung Teil III“ von Johann Sebastian Bach, die 1739 erschien. then würde, herrührte; ferner die allzueigensinnige Temperatur, und endlich die allzuschwachen Mixtu- ren und Cimbeln, ... Drey Dinge, welche er alle sehr Dritter Theil strumente, die Bach ab 1731 veröffentlichte, doku- leicht hätte ändern können. Dagegen bewundern der mentieren und summieren musikalische Stile seiner Kenner: die vortrefliche Sauberkeit, Güte und Dauer- Clavier Vbung Zeit. Exemplarisch stehen sie für bestimmte Techni- haftigkeit, der Materialien sowol als der Arbeit; die bestehend ken und musikalische Formen. Das kompositorische große Simplicität der inneren Anlage, die ungemein in Niveau ist immens, der Anspruch für Ausführende prächtige und volle Intonation; und die überaus leicht verschiedenen Vorspielen teilweise ins Extreme gesteigert. und bequem zu spielenden Claviere.“ über die Schon Johann Kuhnau, Thomaskantor unmittelbar vor (J. F. Agricola, „Ergänzungen zu Jakob Adlung: Musica Catechismus- und andere Gesaenge, Bach, veröffentlichte einige Werke unter dem glei- mechanica organoedi“, 1768) vor die Orgel: chen Titel. Eine bewusste Hommage Bachs an sei- Denen Liebhabern, und besonders denen Kennern nen Leipziger Amtsvorgänger ist aber wenig wahr- Silbermanns Instrumente seien demnach für Kenner von dergleichen Arbeit, zur Gemüths Ergezung scheinlich. „Clavier-Übung“ klingt unprätentiös. Bach gebaut. Kennern zugedacht ist ebenso das Bachsche verfertiget von wollte eine möglichst breite Käuferschicht erreichen. Werk, das in diesem Konzert in Ausschnitten erklingt. Johann Sebastian Bach, Ja, er musste dies sogar, um die Drucklegung finan- Am 28. September 1739 teilte Johann Elias Bach, Koenigl. Pohlnischen, und Churfürstl. Saechs. ziell aufzufangen, für deren Kosten er selbst aufzu- Hauslehrer und Privatsekretär Johann Sebastian Hoff-Compositeur, Capellmeister, und kommen hatte. Die anfängliche Vorsicht des Autors Bachs, per Brief mit, „daß nunmehro die in Kupffer Directore Chori Musici in Leipzig. wird durch die Tatsache belegt, dass der erste Teil gestochene Arbeit meines Herrn Vetters fertig u. das In Verlegung des Authoris der „Clavier-Übung“ vorab in Teilen erschien. Bach exemplar à 3 rthl. bey demselben zubekommen“ sei. (Johann Elis Bach) sondierte zunächst den Markt. Erst als ihm die Sa- Die Rede ist vom dritten Teil der „Clavier-Übung“, che lohnend erschien, ließ er den gesamten Band aus deren Originaltitel lautet: „Clavier-Übung“ ist aus heutiger Sicht irreführend, sechs Partiten (BWV 825-830) drucken. Der Erfolg mo- denn es handelt sich nicht um Stücke mit Etüdencha- tivierte zu weiteren Publikationen. 1735 erschienen – rakter, wie sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts üblich als Teil II der „Clavier-Übung“ – das „Italienische wurden, um den wachsenden Bedarf beim häuslich Konzert“ (BWV 971) sowie eine „Ouvertüre im fran- und halböffentlich musizierenden Bürgertum zu stil- zösischen Stil“ (BWV 831). Nach den „Präludien, Al- len. Jene vier Sammelbände mit Musik für Tastenin- lemanden, Couranten, Sarabanden, Giguen, Menu-

30 11. Konzert Reinhardtsgrimma, Ev. Kirche Programm

Sonntag „Bach pur II“ 12. Juni 2016 Johann Sebastian Bach (1685-1750) 17:00 Uhr 11 „Clavier-Übung Teil III“ (Auszüge) etten und anderen Galanterien“ des ersten Teils er- Reinhardtsgrimma. Für die romanische Kirche in Praeludium Es-Dur pro Organo pleno BWV 552/I wies Bach zwei Mutterländern der Musik seine Re- Reinhardtsgrimma war um 1200 Grundsteinlegung. ferenz. Reste sind heute noch erkennbar, in einer kleinen Choralbearbeitungen: Seitenkapelle links neben dem Altar. Durch Umbau- ten und Erweiterungen entstand bis etwa 1550 der „Der Herr Verfasser hat hier ein neues Exempel „Kyrie, Gott Vater in Ewigkeit“ Bau in der heutigen Größe. 1601 kamen der Altar gegeben …“ à 2 Clav. e Pedale BWV 669 mit der Darstellung des Abendmahles und zu seinen beiden Seiten Apostel Petrus und Paulus hinzu. Die „Christe, aller Welt Trost“ Beim dritten Teil „Clavier-Übung“ handelt es sich um Kanzel stammt aus dem Jahre 1672. Die Fenster, die à 2 Clav. e Pedale BWV 670 die erste Veröffentlichung des Thomaskantors für Or- sich hinter dem Altar befinden, wurden 1904 von einer gel. Sie umfasst 21, abwechselnd manualiter und pe- Witwe aus dem Dorf gestiftet, deren Tochter sehr „Kyrie, Gott Heiliger Geist“ daliter gesetzte Choralvorspiele (BWV 669-689) so- frühzeitig verstorben war. 1742 erfolgte die barocke à 5 con Organo pleno BWV 671 wie vier Duette (BWV 802-805). Das Ganze wird Ausgestaltung des Kirchenschiffes. Das Wappen an gerahmt vom Satzpaar Praeludium und Fuge Es-Dur der Herrschaftsloge sind aus der Zeit der von 1643 Fughetta super „Allein Gott in der Höh bis 1763 residierenden Schlossherren der Familie von BWV 552. Choralbearbeitungen komponierte Bach sei Ehr“ à 2 Clav. e Pedale BWV 676 Tettau. Die Orgel der Kirche wurde von Oktober bis über Lieder der lutherischen Messe – Kyrie, Gloria – Dezember 1730 von Gottfried Silbermann für 800 Taler sowie und über klassische lutherische Katechismus- „Dies sind die heil’gen zehn Gebot“ erbaut. Die festliche Einweihung des Instruments à 2 Clav. e Ped. Canto fermo in Canone Gesänge. Wegen der thematischen Auswahl und erfolgte am 6. Januar 1731. Es verfügt über zwei BWV 678 Anordnung der Choralvorspiele kursiert die „Clavier- Manuale und Pedal sowie 20 Register. Die Kirche wur- Übung III“ auch unter dem Titel „Orgelmesse“. de 1997 völlig neu restauriert. „Wir glauben all an einen Gott“ Da man 1739 in Leipzig 200 Jahre Reformation fei- in Organo pleno con Pedale BWV 680 erte – Luther hielt am 25. Mai 1539 in der Thomas- Im Jahr 1741 ließ Johann Sebastian Bach noch eine kirche eine Pfingstpredigt – wurde vermutet, Bach vierte „Clavier-Übung“ folgen (ohne sie als Teil IV „Vater unser im Himmelreich“ habe die Choräle aus diesem Anlass ausgewählt und ausgewiesen zu haben). Es handelt sich um die à 2 Clav. e Ped. Canto fermo in Canone in eine liturgische Ordnung gebracht. Noch stärker „Goldberg-Variationen“ (BWV 988). Bach reiste im BWV 682 aber scheinen musikalische Motive gewesen zu sein. November desselben Jahres nach Dresden, um sie Für satztechnische Aspekte und die Kombination von dem Adressaten Herrmann Reichsgraf von Keyser- „Christ unser Herr zum Jordan kam“ freien und choralgebundenen Orgelkompositionen lingk persönlich zu übergeben. Statt zur „Gemüths Er- à 2 Clav. e Canto fermo in Pedale gab das 1699 gedruckte „Premier Livre d’Orgue“ von gezung“ wurden diese Variationen komponiert, wohl BWV 684 Nicolas de Grigny (1672-1703) Anregung, von dem um den Grafen in den ersehnten Schlaf zu wiegen. „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ sich Bach eine Abschrift angefertigt hatte. Diesem Doch das ist eine andere, legendäre Geschichte … à 6 in Organo pleno con Pedale doppio französischen Vorbild folgte er bei seinem ersten ei- In seinem letzten Lebensjahrzehnt zog sich Bach BWV 686 genen „Livre d’Orgue“, das Bachs gestiegenes Inter- mehr und mehr zurück, um sein Lebenswerk abzurun- esse zeigt, eine breite stilistische Palette anzuwen- den und zu resümieren. Neue Kompositionen für den „Jesus Christus unser Heiland“ den. Diese reicht von alten Kirchentonarten und kirchlichen Gebrauch entstanden kaum noch. An der à 2 Clav. e Canto fermo in Pedale motettischen Elementen in den großen Kyrie-Bear- „Kunst der Fuge“, deren erste Reinschrift 1742 vorlag, BWV 688 beitungen bis zu modernen Manieren, wie sie etwa arbeitete Bach weiter bis 1749. Diesem unvollendet in „Vater unser im Himmelreich“ hörbar werden. Die gebliebenen Kompendium der Fugen-Technik stellte Fuga Es-Dur Widmung „besonders denen Kennern … zur Ge- Bach einen zweiten Gipfel zur Seite: Die „Hohe à 5 con Pedale pro Organo pleno BWV 552/II müths Ergezung“ deutet Bachs Intention an, ein Werk Messe in h-Moll“. nicht nur für den praktischen Gebrauch zu schaffen. Bach starb am 28. Juli 1750. Einen Monat später Ausführender Nirgendwo sonst offenbart er diesen Reichtum an reagierte sein Schüler Agricola per Sendschreiben Oliver Stechbart (Silbermann-Orgel) kompositorischen Stilen, Formen und Satztechniken. auf den Vorwurf eines italienischen Sängers, der Christoph Wolff sieht in dieser Sammlung die „Quint- fand, Bachs Musik sei durch eine zu „schwere Harmo- essenz seiner Orgelkunst“. Zeitgenosse Lorenz Chri- nie“ geprägt. Agricolas deutliche Worte: „Nicht alle Konzertdauer ca. 1 Stunde 10 Minuten, keine Pause stoph Mizler ahnte in einer Rezension 1740 richtig: Gelehrten sind vermögend einen Neuton (Newton) zu „Der Herr Verfasser hat hier ein neues Exempel ge- verstehen; aber diejenigen, die es in den tiefsinnigen geben … gar wenige werden es ihm nachmachen Wissenschaften so weit gebracht haben, daß sie ihn können.“ verstehen können, finden hingegen ein desto größe- res Vergnügen und einen wahren Nutzen, wenn sie Ein Isaac Newton der Musik seine Schrift lesen“. Auch der Musikgelehrte Chri- stian Friedrich Daniel Schubart zog in seinen „Ideen Wenn im heutigen Konzert die „kleinen Bearbeitun- zu einer Ästhetik der Tonkunst“ 1782 den Vergleich gen“ fehlen und ebenso die Duette, dann nicht, weil mit dem englischen Naturforscher, indem er schrieb: diese Stücke unterschätzt werden (was oft ge- „Was Newton als Weltweiser war, war Bach als Ton- schieht). Die komplette „Clavier-Übung Teil III“ würde künstler.“ den Rahmen dieser Veranstaltung sprengen.

31 Zwischen betörendem Gesang und gelehrter Ausarbeitung

Von Karsten Blüthgen

Woche für Woche, zu allen kirchlichen Festtagen, gab es eine Kantate. Dies ge- hörte zu Bachs Pensum in seinen ersten Jahren als Leipziger Thomaskantor, welcher er im Sommer 1723 geworden war. En detail hieß das: Sie komponieren, Noten für alle Beteiligten schreiben, einstudieren, aufführen. Nicht selten war die Musik danach vergessen. Man mag der Flüchtigkeit nach- trauern umso mehr dann, wenn sie so großartig erfunden ist wie in seinem Fall. Wenigstens konnte Bach in den Folgejahren auf diesen Fundus zurück- greifen. Und der Nachwelt bleibt, diesen, wenngleich nur lückenhaft erhaltenen, Kantatenschatz zu bestau- nen und zu pflegen.

Arien, die nach der Welt fragen

Dies soll auch in diesem Programm geschehen, in das drei Arien für Altstimme eingebettet sind. „So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird ers euch geben“, heißt es in der Bibel bei Johannes im Kapitel 16. Der unbekannte Textdichter Bachs Grabstätte in der Thomaskirche zu Leipzig. Entworfen vom Leipziger Architekten Kunz Nirade, wurde sie am 28. Juli 1950, der Kantate „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch“, die dem 200. Todestag Bachs, eingeweiht und später unter Verwendung der originalen Bronzeplatte in den Chorraum verlegt. Bach in seinem ersten Leipziger Amtsjahr zum 14. Mai 1724 (Rogate) komponierte, formuliert daraus niert, ist abwechslungsreich und von einer Binnen- Finger London. Wien und Berlin waren die folgenden behutsam die Frage nach der Vereinbarkeit des spannung, die für die Ensemble-Sonate mitteleuro- Stationen, Breslau und zuletzt Innsbruck. Dort kompo- Jesus-Wortes mit der menschlichen Erfahrung. Die päischer Provenienz selbstverständlich werden sollte. nierte er für die berühmte Mannheimer Hofkapelle. Arie „Ich will doch wohl Rosen brechen“ (Nr. 2) ermu- Antonio Vivaldi, Georg Philipp Telemann schenkten Zu Lebzeiten genoss er höheres Ansehen als Johann tigt, Gott auch unter widrigen Lebensumständen zu der Nachwelt Meisterwerke der klanglichen Experi- Sebastian Bach. vertrauen. mentierlust (von letzterem wird noch die Rede sein). „Und wie wäre es möglich, mich alles dessen zu er- „Was frag ich nach der Welt“ entstand ebenfalls Auch der zunächst zu hörende Gottfried Finger hat innern, was ich zum Geigen und Blasen erfunden?“, 1724. Grundlage dieser zum 6. August (9. Sonntag seinen Anteil an der Profilierung der Kammermusik. fragte der 59-jährige Georg Philipp Telemann in nach Trinitatis) geschriebenen Choralkantate ist Der Aufstieg des wahrscheinlich um 1660 in Olmütz der „Grundlage einer Ehren-Pforte“, die der Kritiker Balthasar Kindermanns gleichnamiges achtstrophi- (heute Olomouc) geborenen Meisters liegt im Johann Mattheson 1740 in Hamburg, Telemanns ges Lied (1664). Die vierte, „Betörte Welt, betörte Dunkel. Doch muss er steil gewesen sein, ging mit Hauptwirkungsstätte, herausgab. Heute lassen sich Welt“, ist eine der zu Arien umgedichteten Strophen. Finger doch ein europaweit beschäftigter Musiker (noch) über 3600 Kompositionen Telemanns nachwei- Bach begann mit dieser „herrlichen Komposition“ (Al- und innovativer Komponist in die Geschichte ein. sen, was auf einen ebenso genialen wie fleißigen fred Dürr), Kantaten häufiger mit Querflöte zu beset- Seine Sonaten geben der Vorstellung vom „spielen- Schöpfer schließen lässt. Etwa ein Drittel dieses zen. Ein weiterer Holzbläser begegnet uns in der Arie den Geist“, der Instrumente aller Fächer und Regis- enormen Bestandes machen Instrumentalwerke von „Was Gott tut, das ist wohlgetan, muss ich den Kelch ter in ein faszinierendes Rollenspiel einbezieht, eine Solostücken bis zu „orchestralen“ Gattungen aus. gleich schmecken“ aus der gleichnamigen Kantate. klingende Entsprechung. Vermutlich im Bischofssitz Eines der prominentesten kleiner besetzten Werke Komponiert in den 1730er-Jahren, dürfte sie mehr- Kremsier (Kroměříž) genoss Finger eine fundierte ist die 1733 in drei Teilen erschienene Sammlung von fach und zu unterschiedlichen Zeiten im Kirchenjahr musische Bildung. 1682 kam der junge Musicus nach Instrumentalstücken: die „Tafelmusik“. Ihre Teile sind aufgeführt worden sein. Wieder handelt es sich um München, folgte 1687 dem Ruf Jakobs II. und wid- nach einheitlichem Muster gebaut. Auf eine Ouver- eine Choralkantate; ihr liegt Samuel Rodigasts Lied mete diesem, seinem Londoner Dienstherrn, eine türe folge Quartett, Continuo, Konzert, Triosonate und (1675) zugrunde. Bach setzte seinen früher begonne- bemerkenswerte Sonatensammlung. Ein Aufenthalt eine vom Generalbass begleitete Solosonate. Auf nen Weg fort, Binnenstrophen eher frei zu komponie- auf Lebenszeit sollte es nicht werden. 1701 verließ diese Weise bündelte Telemann die wichtigsten ren, statt sich eng an die Choralmelodie zu binden. Im hier gesungenen Versus 5 bedenkt er den Kon- Ein Konzert aus dem Patenschaftsprogramm trast von „bitterem Kelch“ und „süßem Trost“ klar in der ENSO Energie Sachsen Ost AG Ausdruck und Form. Umrahmt werden diese ergreifenden Bacharien von instrumentalen Raritäten aus jener Epoche. Der musikalische Diskurs zwischen Trompete und Violine, den Gottfried Finger in seiner Kammersonate insze-

32 12. Konzert Sebnitz, Ev. Kirche Programm

Samstag Gottfried Finger (um 1660-1730) 25. Juni 2016 Sonate Nr. 3 C-Dur für Trompete, Violine und Basso continuo 17:00 Uhr Andante Adagio Sebnitz. Im 12. Jahrhundert12 von deutschen Bauern Kammermusikgattungen seiner Zeit. Im Konzert er- Andante klingt die Triosonate e-Moll, Nr. 4 aus Teil II der „Ta- gegründet, war Sebnitz bis ins 19. Jahrhundert eine Adagio felmusik“. Ackerbürgerstadt, welche durch Handel, Handwerk Allegro Vor der Pause folgt eine Komposition, deren Autor- und Landwirtschaft geprägt wurde. Unter den Hand- werken war die Leineweberei dominierend. Seit 1834 schaft wir nur vermuten können. Das Concerto Georg Philipp Telemann (1681-1767) werden in Sebnitz Kunstblumen erzeugt. Mit über Es-Dur ist originell, seine galanten Stilmerkmale deu- Triosonate e-Moll für Flöte, Oboe und 250 Firmen dieser Branche war die Stadt um 1900 Basso continuo (Tafelmusik 1733, II Nr.4) ten bereits die nahende klassische Epoche an. Die das Zentrum der deutschen Kunstblumenindustrie. Affetuoso Handschrift ähnelt verdächtig jener von Johann Jo- Zeugen der Stadtgeschichte sind neben der evange- Allegro achim Quantz, weswegen man ihm dieses Konzert lischen Kirche (bemerkenswerte Innenausstattung Dolce zuschreibt. Quantz diente der „Königlich Polnischen 15. bis 18. Jahrhundert) zahlreiche Umgebinde- so- Vivace Kapelle“ zu Dresden und Warschau auf der Travers- wie Bürgerhäuser aus dem 18. bis zum Beginn des flöte. Seine Konzerte, eigentlich für Flöte geschrie- 20. Jahrhunderts. Johann Sebastian Bach (1685-1750) ben, orientieren sich am dreisätzigen Muster Anto- „Ich will doch wohl Rosen brechen“, nio Vivaldis und vereinen spätbarocke und galante der Gattung Konzert gilt der Venezianer Tomaso Arie für Alt, Violine und Basso continuo aus der Kan- Stilelemente. König August sollte 1741 seinen Albinoni als bedeutendes Bindeglied zwischen tate „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch“ BWV 86 meisterlichen Flötisten allerdings an Friedrich II. nach Giuseppe Torelli (1658-1709) und Antonio Vivaldi Berlin verlieren. Zunächst erteilte Quantz dem Kron- (1678-1741). Er hinterließ etwa vier Dutzend „Con- „Betörte Welt, betörte Welt“, Arie für Alt, Flöte und Basso continuo aus der Kantate „Was frag ich prinzen Flötenunterricht, dann wechselte er ganz an certi“, die meist in zeittypischer Manier zu zwölf Wer- nach der Welt“ BWV 94 den Hof des neuen Preußenkönigs. Mit dem „Versuch ken zusammengefasst wurden. Albinoni etablierte einer Anweisung, die Flöte traversière zu spielen“ die Satzfolge ‚schnell – langsam – schnell’ und er- Anonymus (Quantz, 1. Hälfte 18. Jh.) legte Quantz 1752 ein Traktat vor, das als Flöten- hob sie kraft seines Einflusses zur Norm. Auch ver- Concerto Es-Dur für Corno da caccia, Oboe, schule und zugleich als wichtige Dokumentation stand er als ausgezeichneter Melodiker zu glänzen. Violine und Basso continuo zeitgenössischer Aufführungspraxis noch heute Allegro – Largo – Allegro unschätzbar ist. Pause Eine Tripelfuge – aber nicht von Bach Vorprogramm „Zart besaitet“ Johann Sebastian Bach Lange, wenigstens seit dem Katalog des Leipziger „Was Gott tut, das ist wohlgetan, muss ich den Marcel Georges Lucien Grandjany (1891-1975) Kelch gleich schmecken“, Arie für Alt, Notenverlags Breitkopf 1761/62, wurde die Trioso- Aus: „First Grade Pieces for Harp“ für Harfe Oboe d’amore und Basso continuo aus der nate C-Dur Johann Sebastian Bach als Werk mit der Little Waltz gleichnamigen Kantate BWV 100 Nummer BWV 1037 zugeschrieben. Später galt als Passing By erwiesen, dass sie aus der Feder Johann Gottlieb Johann Gottlieb Goldberg (1727-1756) Goldbergs stammt. Um den Bach-Schüler ranken sich Spanische Folklore Triosonate C-Dur für Flöte, Violine und Legenden. Wenigstens die berühmte Entstehungs- Malagueña für Gitarre Basso continuo geschichte von Bachs Goldberg-Variationen, die (zunächst Johann Sebastian Bach zugeschrieben) Nikolaus Forkel in der ersten Bach-Monografie 1802 Fabian Payr (geb. 1962) Adagio „Phil“ für Gitarre aufschrieb, darf heute als höchst zweifelhaft gelten. Alla breve Die Frage, was Spekulationen wie diesen Nahrung Largo Zequinha de Abreu (1880-1935) Gigue gab, lässt sich indes recht leicht beantworten: Gold- „Tico Tico no Fubá“ für Mandoline bergs kompositorische Handschrift zeigt Raffinesse Tomaso Albinoni (1671-1751) und enorme stilistische Breite, wohingegen biogra- Francesco Piccone (1685-1745) Concerto C-Dur für Trompete, Flöte, Oboe, Violine, fische und entstehungsgeschichtliche Hintergründe Aus: Sinfonia per la mandola in Re minore Violoncello und Basso continuo seiner Werke kaum bekannt sind. Zudem steht die (Sinfonie d-Moll für Mandoline solo) Allegro moderato erwähnte Triosonate der Musik Bachs sehr nahe. Allegro Affetuoso Auch Goldberg komponierte gelehrt; hier begegnet Presto uns die von Bach-Kritiker Johann Adolf Scheibe geforderte „fugenmäßige Ausarbeitung“ in vollende- Ausführende Ausführende Gesa Marie Frisch (Mandoline) ter Weise. Goldberg konstruierte im Alla-breve-Satz Stephanie Atanasov (Alt) Merle-Sophie Schneider (Harfe) eine nur selten anzutreffende Tripelfuge – drei gleich- Nick Heilfurth (Gitarre) berechtigte Themen werden kunstvoll verarbeitet und Leipziger Bach-Collegium: Schüler der Musikschule Sächsische Schweiz Ludwig Güttler (Trompete, Corno da caccia, Leitung) miteinander verwoben. Versuchen Sie doch einmal, Karl-Heinz Passin (Flöte) diese Themen, nachdem sie am Beginn des Satzes Bernd Schober (Oboe und Oboe d’amore) vorgestellt werden, weiter zu verfolgen – ! Roland Straumer (Violine) Mit weniger komplizierter, dafür erfrischend konzer- Konzertdauer ca. 2 Stunden inkl. Vorprogramm Michael Pfaender (Violoncello) tierender Musik für Trompete, Flöte, Oboe und und Pause Sławomir Rozlach (Kontrabass) Violine schließt dieses Programm. In der Geschichte Friedrich Kircheis (Cembalo)

33 Der gute Rotwein – ob er argentinisch war?

Von Karsten Blüthgen

„Pánta chorei kaì oudèn ménei“ – „Alles bewegt sich fort und nichts bleibt.“ (Platon)

Diesen Gedanken legte der griechische Philosoph Platon im 4. Jahrhundert vor Christi Geburt nahe, nachdem schon vielleicht 100 Jahre zuvor Heraklit die Einsicht gewonnen hatte, dass nichts so bestän- dig ist wie der Wandel. Heißt das nun, der Dinge einfach zu harren, die da kommen? Eintauchen in den Fluss, um sich treiben zu lassen? Nein, so funktio- niert es im praktischen Leben oft nicht. Es braucht aktiver Schritte. Doch: Aller Anfang ist schwer – dies bekamen vier Streicher bestätigt, nachdem sie beschlossen hatten, ein Quartett zu gründen. Was sollten sie spielen? Mit allem im Fluss zu sein, das war ihnen durchaus bewusst. Aber welche Strömung sollten sie aufgreifen? Welche Bewegung möglicher- weise selbst anstoßen? Und wer sollte folgen? Schließlich möchten Musiker ein Publikum erreichen. Das Streichquartett hat eine lange Tradition, die durchaus erdrücken kann. Der Begriff meint zwei- erlei – zum einen eine Gattung von Werken. Etwa seit (1732-1809) schreiben Komponis- ten für die gängig gewordene Besetzung Violine I, Violine II, Bratsche und Violoncello. Schon die Trias der Wiener Klassiker Haydn, Mozart und Beethoven machte das Streichquartett kraft ihrer großen Würfe zu einer zentralen Gattung ihrer Epoche und über- haupt zur Königsgattung der Kammermusik. Karl Rindler, Korbträgerin. Im Hintergrund der Lilienstein, Mitte des 19. Jahrhunderts

„Glaubt er, daß ich an seine elende Geige denke?“

Allein Kenner vermögen ganz zu erfassen, wie sich Streichquartetten, die unter dem Sammelbegriff bewegt. Alle Mitglieder sind im musikalischen Sinne die Genies, in höheren Sphären schwebend, verwirk- Schuppanzigh-Quartett wesentlich für die Verbrei- klassisch aufgewachsen und dort beheimatet. Die licht haben. Da geht es um motivisch-thematische tung der Kompositionen Beethovens sorgten. Damit Sehnsucht nach Kammermusik und die Neugier, eher Arbeit, deren Ausbreitung und ausgewogene Vertei- schrieben sie Geschichte – und nährten dazu man- ungewohnten Musikrichtungen zu folgen, ließ die vier lung auf vier Stimmen. Schon gebildete Liebhaber che Anekdote. Eine erzählt vom spannungsreichen sehr schnell zusammenfinden. Die Chemie stimmt, stießen beim Hören, beim Lüften der Geheimnisse Miteinander von Komponist und Interpret und von auch über musikalische Interessen hinaus. um die Quartettkompositionen an Erkenntnisgrenzen. den Grenzen gegenseitiger Inspiration: „Glaubt er, Doch auch abseits des klassischen Kernrepertoires Sie flüchteten sich in Vergleiche, beschrieben das daß ich an seine elende Geige denke, wenn der bewegt sich seit geraumer Zeit viel. Die Musiker wis- Gefühl der Erfüllung und Erbauung in Bildern. Kaum Geist zu mir spricht?“ – mit diesen Worten soll Beet- sen: „Was wir tun, ist nicht neu. Das Kronos Quar- eine größere Abhandlung über das Streichquartett, hoven auf Schuppanzigh reagiert haben, nachdem tett ist seit Jahrzehnten Vorreiter in diesem Bereich. die nicht Goethes Bonmot aufgreift. Der schrieb 1829 letzterer spieltechnische Schwierigkeiten in einem Ihm folgten viele Streichquartette, ob nun ausschließ- in einem Brief an Freund Carl Friedrich Zelter: ,,... man Streichquartett angemerkt hatte. lich oder zusätzlich zum klassischen Repertoire.“ So hört vier vernünftige Leute sich unter einander unter- Die Listen der Streichquartette – der Ensembles und gab es allerhand zu suchen: passende Stücke, einen halten, glaubt ihren Discursen etwas abzugewinnen der Werke – sind seit der Klassik auf unüberschau- passenden Namen, passende Spielorte und nicht zu- und die Eigenthümlichkeiten der Instrumente kennen bare Länge gewachsen. Heute existieren viele exzel- letzt einen gemeinsamen Quartettklang und musika- zu lernen ...“ lente Quartettformationen. Das Angebot Einspielun- lischen Ausdruck über stilistische Grenzen hinweg. Damit zur zweiten Bedeutung: ‚Streichquartett’ meint gen auf dem Tonträgermarkt ist unerschöpflich. – Das Tom-Pauls-Theater in Pirna, das daran arbeitet, zugleich das Ensemble, das sich mit der Herausbil- Was tun? Dort auch noch mitmischen? eine Kammermusikreihe zu etablieren, wurde ange- dung der Gattung festigte. Als einer der Urväter gilt Die Idee kam im Herbst 2012, nach einem Konzert schrieben. Der Idee von Nicole Amal Reich – eine stu- der Wiener Violinist, Dirigent und Beethoven-Zeitge- des Karalis Cello Quartetts, ein Streichquartett zu dierte Geigerin und Musikmanagerin, die am Tom- nosse Ignaz Anton Schuppanzigh (1776-1830). Zeit gründen, welches sich nahezu ausschließlich auf den Pauls-Theater arbeitet – ist die Verbindung zu Peter seines Lebens unterhielt er mehrere Formationen von Pfaden abseits der etablierten klassischen Literatur Ufer zu verdanken. „Der Autor fand in seinen Ge-

34 13. Konzert Stadt Wehlen, Ev. Kirche Programm

Sonntag „ALLES IM FLUSS“ – Ein Elbkahn voller Musik 26. Juni 2016 und Literatur, exklusiv zusammengestellt, über die Sehnsüchte und Illusionen, die sich mit der 17:00 Uhr Elbe verbinden

Stadt Wehlen. Anfang13 des 15. Jahrhunderts entstand schichten über Dresden und Sachsen Parallelen zu Das Programm wird moderiert. unserem Repertoire“, erzählen die Musiker. am Ufer der Elbe und unterhalb der Burg das Städt- chen Wehlen. Reste einer spätgotischen Stadtkir- che sind noch heute im Burggarten zu sehen. Gegen Ausführende Ende des 19. Jahrhunderts war die Kirche baufällig Der Name „Tangente Quattro“ ehrt einen ständigen Peter Ufer, Lesung geworden und es wurde an anderer Stelle direkt am musikalischen Begleiter Markt eine neue errichtet. Es ist eine Saalkirche in Tangente Quattro: vorwiegend neoromanischem Stil, die zweimanuali- Anja Krauß (Violine) Der Tango Argentino hat den Namen des Quartetts ge Orgel wurde in der Dresdner Werkstatt der Gebrü- Franz Schubert (Violine) maßgeblich inspiriert. Schon das Anfangsrepertoire der Jehmlich gebaut. Heiko Mürbe (Viola) beherbergte sehr viele Stücke von Astor Piazzolla und Ulrich Rüger (Violoncello) die Musiker denken, dass der Argentinier einer der ständigen musikalischen Begleiter sein wird – aus sind Musik und Texte über die Elbe, über Sehnsüchte Liebe zu dieser Musik und aus praktischen Gründen: und Illusionen, die sich mit ihr verbinden. Verblüf- Konzertdauer ca. 1 Stunde 50 Minuten inkl. Pause Es gibt sehr gute Bearbeitungen der Stücke von fend, heiter, nachdenklich. Eine Premiere, einmalig Piazzolla für Streichquartett. für dieses Festival“, so kündigen die Künstler ihr „Letztendlich haben wir unseren Namen bei gutem Programm selbst an. En detail wollen sie es span- Rotwein gefunden“, erklären die Musiker und erin- nend und offen lassen. Fest steht, dass die Texte von nern sich an das Spiel mit den Worten „Tango“ und Peter Ufer stammen und ausgewählt werden. Aber „Quattro“ – es sind vier Musiker und ihre Streich- zu welcher Musikauswahl sie Tangente Quattro instrumente tragen jeweils vier Saiten. Diese wer- inspirieren wird? Wonach sie greifen in der üppig den vom Bogen „tangiert“. So kam „Tangente Quat- gefüllten Schatztruhe der (jüngeren) Geschichte, um tro“ zustande. die Stimmung der Texte in idealer Weise zu treffen? Sind damit alle Fragen geklärt? – Mitnichten. Nach „Vielleicht ist es slawische Musik, aus der Welt der dem Konzert ist vor dem Konzert und die Suche nach Sinti und Roma, US-amerikanische, südamerikani- passenden Stücken und Noten nimmt kein Ende. Vie- sche oder Musik aus dem Morgenland.“ les hat Cellist Ulrich Rüger selbst arrangiert. So geht Bleiben Sie gespannt und denken Sie an das, was es nun schon eine ganze Weile … „wir können auf schon Platons älterer Kollege Heraklit uns lehrte: gut drei Jahre zurückblicken, in denen sich viele Puz- Alles fließt! Und wie könnte es anders sein, als dass zleteile zusammengesetzt haben. ‚Tangente Quattro’ sich nicht auch Goethe dieser klugen Einsicht annahm hat unser Leben bereichert und unseren musikali- und sie in ein Gedicht goss. In „Dauer im Wechsel“ schen Horizont erweitert. Die Freude und Begeiste- formuliert er: rung unseres Publikums in den Konzerten ist hierfür eine schöne Bestätigung“, sind sich die vier einig. Gleich mit jedem Regengusse Peter Ufer, der Lesende, zugleich Beobachtende, Ändert sich dein holdes Tal befindet zum musikalischen Teil: „Sie spielen ihrem Ach, und in dem selben Flusse Publikum einen Streich, denn sie verlassen freimütig Schwimmst du nicht zum zweitenmal klassische Pfade. Als Streichquartett ‚Tangente Quat- (Goethe) tro’ grooven sich die vier Dresdner Anja Krauß, Franz Schubert, Heiko Mürbe und Ulrich Rüger in ein ein- maliges musikalisches Vergnügen. Im Hauptberuf sind die Musiker unter anderem bei den großen Dresdner Orchestern, der Sächsischen Staatskapelle und der Dresdner Philharmonie, engagiert. Statt Mah- ler spielen sie hier Philip Glass, statt Bruckner George Gershwin, statt Wagner Stevie Wonder. Oder alles miteinander. Ihre Gute-Laune-Konzerte verblüffen regelmäßig das Publikum.“ Autor Ufer liebt die Elbe, fuhr schon als Kind mit seinen Eltern im Faltboot flussabwärts. Von Pirna und Dresden aus beschreibt er in seinen Büchern Orte links und rechts der Elbe – überraschend anders. „Alles im Fluss“ heißt das Motto, das Tangente Quattro und Peter Ufer ihrem Debüt bei „Sandstein und Musik“ gegeben haben und mit dem sie das Motto dieses Festivaljahrgangs – „Klingende Elbe – von Böhmen nach Hamburg“ aufgreifen. „Zu hören

35 Die Pointen kommen am Tisch, wenn ich schreibe

Gunther Emmerlich im Interview

Guter Dinge ist Gunther Emmerlich trotz des trüben Vormittags, an dem das Inter- view in seinem Haus auf dem Weißen Hirsch in Dresden stattfindet. Frische Winterluft fällt durch die Balkontür in die Küche. Auf dem Herd war- tet geputzter Rosenkohl. Zum Gespräch gibt es edle Schokolade und einen guten Kaffee. Anlass dafür gibt das aktuelle Programm „Die Welt und ich – 70 Jahre Emmerlich“, das auf dem Theaterkahn in Dresden ausgelassen gefeiert wurde. Erst recht im Berliner Schlossparktheater, sagt Gunther Emmerlich. Die Berliner seien noch temperamentvoller. Nun kommt er mit diesem Programm zum Festival.

Herr Emmerlich, inspirieren Sie Auftritte bei Sand- stein und Musik besonders? Ja, ich war ja schon mit den unterschiedlichsten Ge- schichten da. Mit Ludwig Güttler. Als Interpret der „Winterreise“. Mit „Baby“ Sommer. Mit Lesungen. Es ist etwas Besonders. Es gehört in die Region und wird wunderbar angenommen.

Schwelgen Sie gern in Erinnerungen? Man schleppt sie ja ohnehin mit sich rum. Ereignisse haben stattgefunden, man kann sie auch nicht strei- chen. Wenn man wie ich Freude daran hat, sich zu fokussieren auf das, was da einmal war, Zeiten wie- der auferstehen zu lassen, alte Gerüche zu riechen und Geräusche zu hören, dann entstehen Program- me wie „70 Jahre Emmerlich“. Bei meinem ersten Buch habe ich festgestellt, dass ich mich zurück bea- men kann bis zu meinem dritten Lebensjahr. Wenn „Wenn man wie ich Freude daran hat, sich zu fokussieren auf das, was da einmal war, Zeiten wieder auferstehen zu lassen, alte ich an Bohnerwachs denke, dann weiß ich, was ich Gerüche zu riechen und Geräusche zu hören, dann entstehen solche Programme“, sagt Gunther Emmerlich. damals alles damit gemacht hatte. Zu Hause roch es nach Kernseife, frischer Wäsche … In Ihrem Programm erwähnen Sie das Lied „Guten Welche Erinnerungen haben Sie an die Zeit mit ihrer Zur Pause ihrer zweistündigen Zeitreise sind Sie erst Abend, gute Nacht“ und dass Sie als Kind über die Mutter, die 1955 verstarb? bei 1959 angekommen. Warum dieser Schwerpunkt Stelle „Morgen früh, wenn Gott will“ stolperten. Ich rieche diese Zeit noch, die Gewürzgurken, die auf jungen Jahren? Sind Sie religiös erzogen? Kohlrübensuppe, Verlorene Eier und Senfsoße. Meine Ich wollte im Wesentlichen die Jahre betrachten, die Ich bin bekennender evangelischer Christ und lebe Mutter war eine blendende Klavierspielerin. Und mich geprägt haben. Die Prägung lässt später nach. das in meinen Kirchenkonzerten. Und ein schöneres sie war, seit ich denken kann, auf der vergeblichen Das ist auch logisch und richtig. Ehrenamt als Christ als den Schirmherrn für die ge- Suche nach ihrem im Krieg verschollenen Mann. Sie rade stattfindende Generalsanierung der Stadtkirche ist in Ungewissheit verstorben. Ich mutmaße, viele Damit scheint die Zielgruppe klar. Wittenberg kann man nicht bekommen. Krankheiten meiner Mutter waren seelischen Ur- Zu meinem Programm kommen natürlich 80 Prozent sprungs. Leute, die mit mir älter geworden sind. Bringen die aber ihre Kinder und Enkel mit, gefällt’s denen auch.

Ihre Erinnerungen sind sehr präsent. Haben Sie früh Dieses Konzert wird präsentiert von begonnen, sich Dinge zu notieren? Nein, erst als ich vor Jahren anfing, nachdem mich viele Verlage danach fragten, war ich dazu gezwun- gen. Und siehe da: Ich habe nicht ergebnislos nach- gedacht.

36 14. Konzert Dippoldiswalde, Parksäle Programm

Samstag „Die Welt und ich – 70 Jahre Emmerlich“ – eine 13. August 2016 musikalische Zeitreise, pointiert, heiter, lakonisch, mit witzigen Bezügen, Geschichten und Anekdoten, 17:00 Uhr mit Evergreens und anderen Anspielungen, Swing, 14 Rock ’n’ Roll, Musical, Chanson Wo kamen Sie unter? Dippoldiswalde. Die Parksäle haben eine lange Tra- Mein Schwager sollte mich nach dem Tod der Mut- dition. Mit angeschlossener Gaststätte waren sie in ter großziehen. Er war 21, meine ältere Schwester den 1920 Jahren bereits Tanzpalast. Den heutigen Ausführende 19 Jahre alt und schien dem Staat zu jung. Beide Namen erhielt das Kulturzentrum in den 1930 Jahren. Gunther Emmerlich (Gesang und Moderation) Ideal für Veranstaltungen aller Art – ob Konzerte, führten einen Kampf, um mich vor dem Waisenhaus Shows, Feiern, Tagungen oder Kongresse – dies alles zu bewahren. Michael-Fuchs-Band: ist möglich für bis zu 500 Personen. Michael Fuchs (Piano, Arrangements) Ive Kanew (Saxophone, Klarinette) Die musikalischen Impulse Ihrer Mutter trugen Sie Lars Kutschke (Gitarre) weiter? Roger Goldberg (Bass) Durchaus. Es kam eins zum anderen. Mein Schwa- Denken Sie, wie mancher Altersgenosse, in der heu- Volkmar Hoff (Schlagzeug) ger kaufte mir eine Gitarre. In der Musikschule er- tigen Zeit nicht mehr aufgehoben zu sein? kannte man, dass ich auch solistisch singen kann. Nein. Als einer, der in DDR-Zeiten schon mit Kaba- rett-Programmen unterwegs war, wusste, dass es Konzertdauer ca. 2 Stunden 20 Minuten inkl. Pause Ich staune über die Pointendichte Ihrer DDR-Ge- nach 1989 keinen mehr interessieren würde. Ich schichten: „Dem Müll eine Abfuhr erteilen.“ „Otto musste neue Programme erarbeiten. Den alten Poin- Nuschke wird 1948 Oberblockflöte“. „Es gab mehr ten trauere ich nicht nach. Eng- als Reisepässe.“ – Wo sammeln Sie das alles auf? Es gibt neue? Und Walter Ulbricht war ja tatsächlich Maurer! Die Auf jeden Fall. Ich habe mir nicht abgewöhnt, mich Pointen kommen am Tisch, wenn ich schreibe. In der über Dinge, die es verdienen, lustig zu machen. Doch Erinnerung verknüpfen sich die Dinge. Auch Google ist auch mal ganz gut, eine Weile für etwas zu sein, hilft. Da fand ich eine Untersuchung von Wissen- nicht immer nur gegen etwas – wie zu DDR-Zeiten, schaftlern aus Cambridge, wonach der 11. April 1954 wo wir nach dem Motto lebten: Ruinen schaffen ohne der ereignisärmste Tag des Jahrhunderts war. Am Waffen. Damals haben wir oft Dinge lediglich festge- 12. April erklang zum ersten Mal der Elvis-Hit „Rock stellt. Sie waren nicht einfach veränderbar. Heute Around The Clock“. Natürlich spielen wir den dann. kann ich beispielsweise ein Benefizkonzert machen für ein marodes Theater. Es gibt Handwerker, die ha- Welche Rolle spielt die Michael-Fuchs-Band beim ben auch Material. Bei aller Unfertigkeit: Ich erfreue Setzen musikalischer Schwerpunkte? mich immer noch an der Demokratie. Michael Fuchs war von Anbeginn dabei. Er ist der Ka- pellmeister vom Theaterkahn und wenn man dort Was haben Sie als Nächstes vor? etwas machen möchte, bekommt man ihn – erfreu- Mein neues Buch: „Spätlese – Eine Rücksicht ohne licherweise! – gleich mit geliefert. Vorsicht“, eingebettet in ein Programm mit dem Dres- den Swing Quartett, wird im Frühjahr fertig sein. Der Sie sprechen von prägenden Jahren. Trauern Sie Schauspieler Dieter Wedel sieht mich in seiner Pro- alten Zeiten nach? duktion von „My Fair Lady“ in Bad Hersfeld vor. In Gelebtes Leben schmeißt man nicht weg. Das hat Mainz schlüpfe ich in die Rolle Johann Gutenbergs. auch nichts mit dem Staat zu tun. Um die Stellung, die ich ja beziehe, zu erkennen, muss man zwischen Was treibt Sie an? den Zeilen lesen. In einer Geschichte erzähle Der Beruf macht mir Spaß und ich registriere, dass ich, dass ich während einer achtwöchigen Unter- viele Leute die Freude mit mir teilen. Mein Kamin ist suchungshaft drei Kilo abgenommen habe. Das sei nicht die Alternative, auch wenn ich gerne da sitze mir in Freiheit nie gelungen. Dann schlussfolgere ich: und ins offene Feuer blicke. Aber nach zwei Abenden Es war nicht alles schlecht. – Sarkastischer geht es in Folge werde ich unruhig. nicht! Gespräch: Karsten Blüthgen Die Floskel ‚Es war nicht alles schlecht’ ist ja älter. Ja, mit ihr bin ich groß geworden – nach dem ande- ren System. Onkel und Tanten erzählten immer wie- der: ‚Das war nicht alles schlecht beim Adolf Hitler. Alles hatte seine Ordnung. Autobahnen wurden ge- baut. Es gab keine Arbeitslosen. Das ganze Pack war nicht auf der Straße.’ Die sprachen nicht vom KZ … Verstehen Sie? Es ist immer alles nur in der Gesamt- heit zu beurteilen und nicht, indem ich mir irgend- etwas rausklaube.

37 Wanderer über dem Nebelmeer

Von Veronika Weber

Auf dem Programm dieser „Musikalischen Bildbetrachtung“ stehen drei Kompositio- nen von sehr unterschiedlicher Herkunft und Namhaftigkeit. Ludwig van Beethoven zählt zu den meistgespielten, während die anderen beiden Komponisten deutlich weniger bekannt sind: Erwin Schulhoff und Zoltán Kodály.

Klassisch-romantischer Einstieg

Beethoven (1770-1827) war einer der führenden Entwickler der Wiener Klassik und einer der wich- tigsten Wegbereiter für die musikalische Romantik. Er lebte zur selben Zeit wie Caspar David Friedrich. Das Stück, das von ihm zu hören sein wird, das Duo Nr. 2 F-Dur aus Drei Duos für Klarinette und Fagott WoO 27, ist ein Frühwerk Beethovens; es ist wahr- scheinlich zwischen 1790 und 1792 entstanden. Mit Sicherheit lässt sich dies nicht sagen, da es erst nach Beethovens Tod herausgegeben wurde und keine Opuszahl trägt (WoO). Als einzige Quelle für den Notentext dient eine post- hume Druckausgabe, die allerdings heute, ebenso wie die Originalmanuskripte, nicht mehr zu finden ist. Das Duo ist ursprünglich für Klarinette und Fagott geschrieben, zu hören ist eine Fassung für Violine und Violoncello. Die Tonumfänge der die Original- stimmen übernehmenden Instrumente sind relativ ähnlich, so dass sich hauptsächlich die Klangfarbe ändert. Ebenso verändert sich aber die Anforderung Caspar David Friedrich „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, um 1818 an die Spielenden: Da das Duo für Holzbläser ge- schrieben wurde, ist es eine größere Herausforde- rung an Streicher, da es auf den verschiedenen tern, ohne selbst viel Beachtung zu suchen. Der dritte wurde bereits mit zehn Jahren auf Empfehlung von Instrumentengruppen völlig unterschiedliche Mög- Satz, ein Rondo, unterscheidet sich von den anderen Antonín Dvořák als Pianist an das Prager Konserva- lichkeiten des Spielens gibt. beiden Sätzen insofern, als er sehr volkstümlich torium aufgenommen und nahm Kompositionsunter- Der erste Satz, überschrieben mit „Allegro affe- klingt. Er beginnt mit einem tänzerischen, fröhlichen, richt bei Max Reger. Er war ein Verfechter der tuoso“, ist ein schneller Satz, der in einer Form sprunghaften Thema, das den ersten Teil des Satzes Wiener Schule und interessierte sich für verschie- geschrieben ist, die der Sonatenhauptsatzform dominiert. Die beiden Stimmen sind wie im ersten dene Stilrichtungen der Avantgarde, so beispiels- ähnelt, jedoch nimmt sich Beethoven einige Frei- Satz wieder genau austariert, jedoch hat die Unter- weise für Dadaismus und Jazz, aber auch Impressio- heiten heraus, beispielsweise die Reprise, die er stimme nun auch einige kurze Soli. Insgesamt klingt nismus und Expressionismus sowie Vierteltonmusik. anders gestaltet als die Exposition, mit der das Stück das Duo sehr weich und kann bereits zu den früh- Als er starb, verlor die Welt der neuen Musik eine beginnt. Die beiden Instrumente sind ausgezeichnet romantischen Werken Beethovens gezählt werden. der radikalsten und experimentierfreudigsten Persön- aufeinander abgestimmt, sodass es nicht zur Auftei- lichkeiten, die sie ausmachten. lung zwischen Haupt- und Nebenstimme kommt. Folkloristisch inspirierter Mittelteil Das Duo für Violine und Violoncello WV 74 von 1925 Beethoven verarbeitet seine Themen, die er in der ist viersätzig und äußerst anspruchsvoll. In Rhythmik Exposition vorstellt, in der Durchführung äußerst kurz Das zweite Werk des Abends wurde von Erwin Schul- und Harmonie sind Spuren von Jazz und Dadaismus und subtil, in der Reprise jedoch verändert er einige hoff komponiert, der von 1894 bis 1942 lebte. Er wahrzunehmen, in ersterem hauptsächlich durch den Stellen nochmals in Rhythmik und Harmonik und run- det den Satz mit einigen Bravourstellen für die Ober- stimme ab. Im nächsten Satz, der ebenfalls in F-Dur steht und den Titel „Aria. Larghetto“ trägt, dominiert die Ober- stimme, die sich chromatisch und emotional durch hohe und tiefe Lagen bewegt. Das Violoncello be- gleitet sie mit gebrochenen Dreiklängen und Tonlei-

38 15. Konzert Papstdorf, Ev. Kirche Programm

Sonntag Musikalische Bildbetrachtung 14. August 2016 Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ 17:00 Uhr 15 Ludwig van Beethoven (1770-1827) Verzicht auf Taktschwerpunkte und in der Harmonik, Papstdorf. Schon im Mittelalter stand an der Stelle Duo Nr. 2 F-Dur aus: Drei Duos für Klarinette und die sich manchmal ohne ein tonales Zentrum bewegt. der heutigen Kirche ein kleines Kirchlein. Die jet- Fagott WoO 27 Der erste Satz zeichnet sich vor allem aus durch ein zige, spätbarocke Dorfkirche wurde nach dreijähriger Fassung für Violine und Violoncello wiedererkennbares Thema, welches gleich zu Beginn Bauzeit am 2. Adventssonntag 1787, geweiht. Sie Allegro affettuoso steht auf einer Anhöhe nördlich des Dorfes, der mar- in der Oberstimme gespielt wird, bevor es in kleine Aria. Larghetto kante wuchtige Turm mit seiner Haubenkrönung prägt Teile zerfällt und verarbeitet wird. Dieser Satz ist sehr Rondo. Allegro moderato ihr Bild. Beim Bau wurden von den Baumeistern kontrastreich: Zum einen wechselt der Komponist Kayser aus Pirna und Reichert aus Königstein Anre- Vortrag sehr oft das Tempo, wodurch der Hörende immer gungen George Bährs aufgenommen. Die zwei erhal- wieder aus seinem Fluss gerissen wird. Zum zweiten tenen der einst drei Glocken – die große wurde Erwin Schulhoff (1894-1942) wechseln die Stimmen ständig ihre Rollen, musi- 1711, die mittlere 1787 gegossen – tragen bis heute Duo für Violine und Violoncello WV 74 (1925) zieren gegeneinander und miteinander, sind ent- ihren schönen Klang über Papstdorf hinaus. Moderato weder klar in Haupt- und Nebenstimme aufgeteilt Zingaresca. Allegro Giocoso oder sie konzertieren. Zum dritten werden verschie- Andantino denste Klangfarben eingesetzt, indem die beiden Violine wiederholt, wobei sie vom Violoncello Moderato Streicher abwechselnd mit und ohne Bogen, manch- begleitet wird. Dieses System des Stimmentausches mal auch Flageolett spielen, was besonders sphä- zieht sich durch den gesamten Satz. Dadurch sind die Vortrag risch und weich klingt. Stimmen immer abwechselnd Haupt- und Neben- Zoltán Kodály (1882-1967) Der zweite Satz, dessen Bezeichnung übersetzt stimme, was ein streitartiges Konzertieren verhin- Duo für Violine und Violoncello op. 7 Zigeunertanz bedeutet, ist genau dies. Das Thema dert. Besonders sind in diesem Satz die verschiede- Allegro serioso, non troppo ist tänzerisch, in einer typisch tiefen Lage und wird nen Bogentechniken, die vor allem das Violoncello Adagio – Andante mit Springbogen gespielt. Durch den gesamten Satz an dessen begleitenden Stellen verwenden muss, Maestoso e largemente – Presto ziehen sich zigeunerhafte Anspielungen. So erinnern beispielsweise für sehr schnelle Akkordbrüche über die Überbindungen über die Taktschwerpunkte, die alle Saiten. Doppelgriffe in beiden Stimmen und Sprunghaftig- Der zweite Satz beginnt ebenfalls mit einem Solo des Ausführende keit in der Melodik an das umherziehende Volk. Violoncello, das deutlich rhythmisch verschleiert ist, Frank Richter (Vortrag) so wechselt die Taktart während des Solos dreimal Annika Thiel (Violine) Anspruchsvolles, kurzweiliges Finale und die Taktschwerpunkte sind durch Überbindungen Friedwart Christian Dittmann (Violoncello) und eine Quartole verwischt. Nach einem bedrohlich Der langsame dritte Satz des Werkes bringt eine wirkenden Zwischenspiel geht es in einen kraftvol- Konzertdauer ca. 1 Stunde 40 Minuten, keine Pause weitere Klangfarbe der Instrumente hervor, sie wer- len Teil über, der nicht ganz so leise ist wie der Vor- den den gesamten Satz con sordino – gedämpft – ge- hergegangene. Sehr kontrastreich werden die Ton- spielt. In diesem Satz nun gibt es deutlich eine Haupt- höhen der Instrumente eingesetzt, so schwebt die und eine Nebenstimme; letztere spielt hauptsächlich Violine in höchsten Lagen, während das Violoncello gebrochene Akkorde. Allerdings tauschen beide Stim- von Natur aus eher tief erklingt. men oft ihre Rollen, ordnen sich wechselweise ein- Der dritte Satz beginnt mit einem Geigensolo, zu dem ander unter. Wieder schafft es Schulhoff, viele später eine zarte Begleitung tritt. Während der erste Wechsel von pizzicato und arco einzubauen, was an Teil des Satzes, das maestoso e largemento, rhyth- den davor erklungenen Tanz erinnert. Der Satz klingt misch anspruchsvoll ist, so wird das Presto, das sehr leise und sanft aus. Finale des Duos, eher dadurch charakterisiert, dass Der letzte Satz, das große Finale, zeichnet sich durch die Stimmen nun klar in Melodie- und Begleitstimme viele der bereits angesprochenen Aspekte aus, bei- aufgeteilt sind. Die Melodiestimme ist eine gesang- spielsweise die sprunghafte Melodik und die takt- liche, während die vielen Tonrepetitionen in der Be- verzerrende Rhythmik. Ein besonderer Aspekt zeich- gleitung den Satz antreiben und immer mehr Span- net auch in diesen Satz aus: Was zuerst wie großes nung beim Zuhörenden aufbauen. Das Stück endet Durcheinander klingt, ist absolut geordnet. Schul- mit einem lang ausgehaltenen Ton, den beide Stim- hoffs Werk endet mit einem Presto, in dem die men im unisono verklingen lassen. Violine ein tanzähnliches Thema spielt, während das Violoncello sie dabei in immer komplizierter werden- der Rhythmik begleitet. Das letzte Stück wurde von Zoltán Kodály geschrie- ben, einem ungarischen Komponisten, Musikpädago- gen und -ethnologen des 20. Jahrhunderts. Sein drei- sätziges Duo für Violine und Violoncello beginnt mit einem Solo des tiefen Streichinstruments, welches das Thema des ersten Satzes vorstellt. Direkt danach wird zuerst ein Teil, dann das ganze Thema von der

39 „Von den allerbeweglichsten Thönen der Instrumental-Music“

Von Karsten Blüthgen

Er gilt als eines der größten Genies seiner Epoche. Damals moderner, beliebter als Bach, heute in dessen Schatten stehend: Georg Philipp Telemann. Geboren wurde er am 14. März 1681 in der Elbestadt Magdeburg. Gestor- ben ist er am 25. Juni 1767 in einer anderen Elbe- stadt, in Hamburg, jener Metropole, die für die letzten 46 Jahre seines Lebens zum Lebens- und Schaffensmittelpunkt Telemanns geworden war. Seine akademische Laufbahn begann er 1701 als Jurastudent in Leipzig, gründete dort aber zugleich ein Collegium musicum und komponierte für die Hauptkirchen der Handelsstadt. 1702 übernahm Telemann die musikalische Leitung der Oper – es war der Beginn einer Serie verheißungsvoller Ämter an verschiedenen Orten, die vom Ansehen eines Musikers zeugten, der wählen – und abwählen – durfte (ohne Telemanns Verzicht hätte Bach 1723 nicht Thomaskantor werden können). Wenn man diesem ungeheuer fleißigen Komponisten (3620 Werke sind nachweisbar) überhaupt eine Unterlas- sung vorwerfen mag, dann das Fehlen eines umfäng- lichen theoretischen Traktats, das so viele, weitaus weniger bedeutende Kollegen geschrieben haben (vielleicht fehlte Telemann an dieser Stelle tatsäch- lich einmal die Zeit). Immerhin gibt es Korresponden- zen, Äußerungen in Vorworten seiner Publikationen und eine seltsam früh, 1718, erschienene Autobio- grafie. Was er darin schrieb, bestätigt, was seine in Georg Philipp Telemann, Stich von Georg Lichtensteger, 1745 die Zukunft weisende Musik ausdrückt. Die Noten waren nicht fürs Papier gedacht, sondern für Musiker und Publikum: „So hat der Spieler Lust, du hast Ver- über die Mühen seiner Amtsausübung am Eisenacher Johann Adolph Hasse. Die Zeit der sächsisch-polni- gnügen dran.“ Hof: „Alldieweil aber die Veränderung belustiget, so schen Union, die mit der Wahl Augusts des Starken Doch nicht nur Unterhaltung und Belustigung waren machte ich mit in jenen Jahren [1708-1712] auch über zum König von Polen 1697 begann und mit dem Ansinnen Telemanns, sondern ebenso das Bildungs- Concerte her. Hiervon muss ich bekennen, daß sie Siebenjährigen Krieg 1763 endete – brachte Sach- potenzial, das in den Stücken schlummert und das mir niemahls recht von Hertzen gegangen sind, ob- sen eine kulturelle Blütezeit. Dasjenige „mit der man sich auf dem langen Weg ihrer Aneignung schon ich derer eine ziemliche Menge gemacht ausgewogensten Besetzung und der vollendetsten erschließt. Im Vorwort zu „Calypso“ (Hamburg 1727) habe.“ Ensembleleistung ist das Opernorchester des Königs vermutet er, Vielleicht ist diese Äußerung schlicht kokett. Wie von Polen in Dresden“, urteilte Jean Jaques Rous- kann es anders zu verstehen sein, wenn Telemann seau 1767, am Ende dieser glanzvollen Epoche. „daß das Vergnügen / so wir von den allerbeweg- solch geniale Einfälle einfließen lässt und mit seiner Telemanns Konzerte – erhalten sind über 100 – sind lichsten [meint: am meisten bewegenden] Thönen Musik anderen gegenüber seine Bewunderung zum mehrheitlich handschriftlich überliefert, undatiert und der Instrumental-Music empfinden, zum Theil durch Ausdruck bringt? An dritter Stelle dieses Programms in Darmstadt und Dresden aufbewahrt. Höchstwahr- gewisse Idéen, die wir denselben beyfügen, von erklingt ein besonders virtuoses Werk, das Telemann scheinlich entstanden ihr größter Teil bis 1730. Auch Gemüths = Bewegungen, so unserer Einbildung nach einem Musiker widmete, den er besonders verehrte: Hornkonzerte befinden sich darunter. Freude am durch diese Thonen exprimiert werden, verursacht Die Rede ist von und vom Repräsentieren, Leidenschaft für die Jagd, fortschrei- wird“. (Telemann) Concerto B-Dur für Violine, Streicher und Basso tende klangliche Ausdifferenzierung des Konzert- continuo TWV 51:B1. Pisendel ist ein Beispiel für satzes, schließlich die wachsende Beliebtheit von Mit „gewissen Ideen“ war Telemann reichlich die Inspiration, die Telemann in Dresden fand, das er Konzerten „a diversi concertanti“ und des regional gesegnet, wovon auch die drei Konzerte für verschie- 1719 besuchte – anlässlich der Vermählung des „vermischten Geschmacks“ – all dies beflügelte den dene Instrumente künden, die dieses Programm mit sächsischen Kurprinzen Friedrich August mit der Siegeszug des Corno da caccia in der ersten Hälfte den Solisten der Virtuosi Saxoniae enthält. österreichischen Erzherzogin Maria Josepha. Vermut- des 18. Jahrhunderts. Komponisten mochten sich der Ausgerechnet Konzerte? So ließe sich fragen ange- lich entstand dieses Konzert auch an der Elbe – wo wachsenden Nachfrage gar nicht entziehen – wohl sichts einer Anmerkung des Komponisten in jenem Pisendel seit 1712 wirkte, zunächst als erster Vio- auch Telemann nicht, wie den beiden Doppelkonzer- früh verfassten „Lebens-Lauff“. Darin berichtete er linist, dann als Konzertmeister der Hofkapelle unter ten in diesem Programm anzumerken ist, in dem

40 16. Konzert * Pretzschendorf, Ev. Kirche Antonio Vivaldi (1678-1741) Konzert a-Moll für Oboe, Streicher und Samstag Basso continuo RV 461 Allegro non molto 27. August 2016 Larghetto 17:00 Uhr Allegro

Pretzschendorf. Die Gemeinde16 Pretzschendorf liegt Georg Philipp Telemann neben Telemanns noch Beiträge von vier Komponis- ten zu hören sind. im Weißeritzkreis am Fuße des Osterzgebirges, in- Concerto B-Dur für Violine, Streicher und Antonio Vivaldi dedizierte dem „Orchestra di Dresda“ mitten Sachsens. St. Nikolaus war wohl vor allem Basso continuo TWV 51:B1 („Pisendel-Konzert“) Largo ebenfalls Werke. Eher selten zu hören ist das baufällig und zu klein geworden. 1732 wurde der Grundstein für den heutigen Zentralbau in Form eines Vivace Konzert a-Moll RV 461 für Oboe, Streicher und Basso langgestreckten Achtecks gelegt. Ein Jahr später Adagio continuo. Es belegt die Modernität des Venezianers. konnten in dem hellen Kirchenraum, der von einer Allegro Seinerzeit galt die Oboe noch als „deutsches Instru- dreigeschossigen Empore bestimmt wird, die ersten ment“ und war bis dato das einzige Holzblasinstru- Gottesdienste gefeiert werden. Damit die evange- Christoph Förster (1693-1745) ment, das im Ensemble gegen Streichinstrumente lische Pfarrkirche auch weiterhin das Ortsbild von Konzert Es-Dur für Corno da caccia, Streicher antrat. In Italien musste sich die Oboe um die Wende Pretzschendorf bestimmen kann, rief eine Förderin und Basso continuo zum 18. Jahrhundert erst etablieren. Vivaldi hatte nun die Stiftung „Ev. Kirche Pretzschendorf“ ins Leben, Allegro daran gehörigen Anteil. Mindestens 15 Oboenkon- die von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz Adagio zerte entstammen seiner Feder. In einer doppelten treuhänderisch verwaltet wird. Allegro Zahl von Kompositionen integrierte er die Oboe ins Pause Ensemble. Das Konzert RV 461 klingt wie eine Ankündigung später entstandener Violinkonzerte. galanten Stil mischt, gab Quantz der Flöte klar den Johann Joachim Quantz (1697-1773) Violintypische Passagen wie im ersten Satz stellen Vorrang, aber keine Exklusivität. „Ausgrabungen wie Konzert Es-Dur für Corno da caccia, Oboe, den Oboisten vor große Herausforderungen, denn das Konzert Es-Dur für Corno da caccia sind eine Streicher und Basso continuo sie sind nicht nur virtuos, sondern bieten außerdem besondere Bereicherung“, sagt Ludwig Güttler. „Die- Tempo giusto kaum Gelegenheit zum Luft holen. In willkommenem ser melodischen Anmut kann man sich nicht entzie- Larghetto Kontrast dazu steht das kantable, an Verzierungen hen“. Allegro reiche Larghetto, bevor mit dem finalen Allegro-Satz Schließlich soll der Geiger Pisendel hier selbst mit der musikalische Schwung des Beginns aufgegriffen einer Komposition vertreten sein. Neben seinem Johann Georg Pisendel (1687-1755) wird. Ruhm als Konzertmeister eines Orchesters von Konzert Es-Dur für Violine, Streicher und europäischem Rang gilt der Vivaldi-Schüler als ein Basso continuo Allegro Melodische Anmut, der man sich nicht entziehen Vermittler des italienischen Instrumentalkonzertes Largo kann nach Mitteldeutschland. Ein Vergleich mit der Emsig- Vivace keit und kompositorischen Genialität Telemanns ver- In Christoph Försters Konzert treten zwei Corni da bietet sich. Immerhin aber stammen elf charmante Georg Philipp Telemann caccia mit Streichern in einen Dialog. Die Musik ent- Instrumentalkonzerte aus der Feder des Geigers Pi- Konzert D-Dur für zwei Corno da caccia, faltet sich unbeschwert, lässt in ihrer Melodik jene sendel. Streicher und Basso continuo subjektive „Empfindsamkeit“ hören, die über das Spiritoso ma non Allegro Barock hinaus weist und die auch Telemanns Wer- Largo ken eigen ist. Förster wurde im thüringischen Bibra Allegro geboren, lernte in Weißenfels bei dem berühmten Largo Dresdner Kapellmeister Johann David Heinichen, Allegro assai welcher ihn an die Merseburger Hofkapelle vermit- telte. Der Musikkritiker, Theoretiker und Komponist Ausführende Friedrich Wilhelm Marpurg (1718-1795) hinterließ Solistenensemble Virtuosi Saxoniae: der Nachwelt einen Beleg für das zu Lebzeiten hohe Ludwig Güttler, Johann Clemens (Corno da caccia) Ansehen Försters; dieser sei „unter die ersten feine- Andreas Lorenz (Oboe) ren Melodisten seiner Zeit zu zählen“. Später wurde Roland Straumer, Johanna Mittag, Heinz-Dieter Förster Hofkapellmeister in Rudolstadt und wohl dort Richter (Violine) entstand das Konzert, inspiriert von den angestellten Michael Schöne (Viola) Bläsern, die über eine beachtliche Virtuosität auf dem Naturhorn verfügt haben müssen. Programm Basso continuo: Johann Joachim Quantz versuchte, technische Friedwart Dittmann (Violoncello) Bernd Haubold (Kontrabass) Möglichkeiten der Instrumente auszuschöpfen und Georg Philipp Telemann (1681-1767) Konzert Es-Dur für zwei Corni da caccia, Friedrich Kircheis (Cembalo) zu erweitern. Mit seinem meisterlichen Spiel zu- Streicher und Basso continuo TVWV 52:Es1 nächst auf der Oboe, dann auf der Traversflöte diente Allegro Leitung: Ludwig Güttler er ab 1728 der „Königlich Polnischen Kapelle“ zu Largo Dresden und Warschau. Das Jagdschloss Moritzburg Vivace zählte zu den Orten, wo seine Virtuosität zu bewun- Konzertdauer ca. 1 Stunde 50 Minuten inkl. Pause dern war. Mit etwa 250 Sonaten und über 300 Kon- zerten, in denen sich der Einfluss Vivaldis mit dem

41 Rasante Rondos und stachelige Schönheiten

Von David Buschmann

Mit einem lebendigen Jagdmotiv bläst das Klavier zum Ritt. Der Beginn von Wolfgang Amadeus Mozarts Klaviersonate KV 576 lässt sich als ein solches Signal zur Jagd hören. Besonders im englischsprachigen Raum wird die Sonate daher auch „Jagd-Sonate“ („Hunt Sonata“) genannt. Natürlich kann solch ein im Nachhinein hinzugefügter Titel das Stück nicht ausreichend beschreiben. Mozarts letzte Sonate weist neben einem jagenden 6/8 Takt und einigen durch die Büsche preschenden Läufen noch ganz andere Qualitäten auf: Leichte Kon- trapunktik wie etwa die kanonischen Themeneinsätze in der Durchführung des ersten Satzes stehen neben galanten Melodiebögen. Nach der Raserei des Alle- gro in der Sonatenhauptsatzform folgt eine Ver- schnaufpause in Form eines Adagio im 3/4 Takt. Die- ser Mittelsatz schwingt hin und her zwischen streng marschierenden und luftig heiteren Momenten. Der dritte Satz, ein Allegretto nun im 2/4 Takt, beginnt mit einer einladenden einfachen Melodie. Doch die- ses Rondo nimmt stetig an Dichte und Virtuosität zu, baut sich schließlich zu einem wahren Klanggefecht auf. Triolen- und Achtelketten schießen geradezu von oben und unten aufeinander zu, bis sie schließlich Otto Frenzel, Tafelberg in der Sächsischen Schweiz, 1919 ein fast braves Ende mit einem musikalischen Au- genzwinkern finden. allen vorangegangenen deutlich. Ein ganz neuer lässt einen Schwung aufkommen, der an mancher Mozarts Klavierkunst – von nur scheinbarer Leichtigkeit düsterer und tragischer Ton, der sogar schon als „vor- Stelle etwas Tänzerisches besitzt. romantisch“ beschrieben wurde, beherrscht dieses Die Fantasie ist ein halbes Jahr nach der Sonate Ob die Sonate KV 576 eine der Sonaten ist, die Werk. Was wahrscheinlich ein Grund dafür ist, wes- 1785 entstanden und beginnt ebenso in einem unge- Mozart in einem Brief an seinen Verleger Puchberg halb Beethoven so begeistert war von diesem Werk. wöhnlich dunklen Ton, mit für Mozart seltenen chro- ankündigte, ist nicht gewiss. In jenem Schreiben be- Ein markanter Beginn, wiederum geradezu mit matischen Wendungen: Zu dem c-Moll Dreiklang richtet Mozart von seinem Plan, sechs „leichte So- Signalcharakter, geht schnell in ein spielerisches Flie- (C-Es-G) kommen die Töne Fis und As hinzu. Nach naten“ für Prinzessin Friederike von Preußen zu ßen von geschwinden Melodien über. Der zweite traurigen, rührenden Phrasen hellt sich die Musik in schreiben. Ihr ist die Sonate KV 576 gewidmet. Von Satz überrascht mit einem Thema, das eventuell als einem B-Dur Andantino wieder auf. Doch lautstarke solch einem Unterfangen erhoffte sich Mozart sicher Vorbild für Beethovens Adagio-Thema der „Pathéti- Oktavschläge reißen die Musik zwischenzeitlich wie- eine gute Bezahlung. Jedoch fehlen die fünf anderen que“ gedient haben könnte. Hin und wieder reißt uns der in rauschende Ströme fort. Nach einigen rasan- Sonaten und von einer „leichten“ Komposition ist in Mozart mit einigen groben Akkordschlägen aus sei- ten Passagen endet die Fantasie wiederum mit dem diesem Fall nun wirklich nicht zu sprechen. Leider ist ner sphärischen Klangwolke der reichen Verzierungs- betrüblichen Anfangsmotiv. über ihren Entstehungshintergrund bisher nichts wei- kunst heraus. Erst in den 1990er-Jahren wurde das Autograf die- ter in Erfahrung gebracht worden. Wie die Sonate KV 576 steht auch das Schwester- ser Fantasie gefunden. Das Putzpersonal des Eastern Über die Fantasie KV 475 und die Sonate KV 457 ist werk KV 457 in der klassischen dreisätzigen Form mit Baptist Theological Seminar in Philadelphia fand die dahingegen mehr bekannt. Die zwei unabhängig von- zwei schnellen Sätzen, die einen langsamen Satz um- alten Handschriften. Versteigert wurden sie für circa einander im Abstand von einem Jahr entstandenen rahmen. Der letzte Satz stellt wiederum ein Rondo zwei Millionen Euro. Mozart hat damals sicherlich Stücke hat Mozart zusammen drucken lassen, wes- dar, das trotz der recht strengen Form eine Vielzahl nur einen Bruchteil davon erhalten. halb sie immer wieder gemeinsam aufgeführt wer- an wilden Gefühlen in sich trägt. Der rasche 3/4 Takt den. 1784 schrieb er zunächst die Sonate. Der Wiener Klassiker, dessen 225. Todestag in die- Ein Konzert aus dem Patenschaftsprogramm sem Jahr gefeiert wird, befand sich auf dem Gipfel der ENSO Energie Sachsen Ost AG seiner Karriere als Pianist und führte in der Musik- metropole ein Klavierkonzert nach dem nächsten auf. Aus diesem Grund hatte er sich seit längerem eher der Konzertform als den Sonaten zugewandt und dementsprechend unterscheidet sich die Sonate von

42 17. Konzert Dohna, Ev. Kirche Vorprogramm „Klavier und Orchester“

Sonntag Johann Sebastian Bach (1685-1750) 28. August 2016 Klavierkonzert f-Moll BWV 1056 Allegro 17:00 Uhr Largo 17 Presto Wie Mozart war auch Johannes Brahms ein ausge- Dohna. Aus einer Siedlung an der Burg wurde zeichneter Pianist, zeigte jedoch zunächst weniger 1445 zunächst ein Städtchen, 1590 schließlich die Interesse für Klavierkompositionen. Von Bach ausge- Stadt Dohna. Seit der Vertreibung der Burggrafen von Ausführende hend lässt sich eine Traditionslinie über Mozart und Dohna 1402 gehörten Burg und Stadt zur Mark Maximilian Gräfe (Klavier) Meißen. Die heutige Stadtkirche, als St. Petrus und Beethoven bis hin zu Brahms nachzeichnen. Oder, an- Schüler der Musikschule Sächsische Schweiz St. Marien geweiht, entstand als spätgotische, drei- ders gesagt: Es sind Einflüsse der älteren Generation schiffige Hallenkirche. Die östliche Chorwand trägt Streicher des Musikschul-Orchesters auf die jeweils jüngere deutlich spürbar. Auch im die Jahreszahl 1489. Der dreiseitig geschlossene Chor Leitung: Wolfgang Behrend 19. Jahrhundert sind die klassischen Formen wie die und der untere Teil des Turms an der Südostecke Sonate und das Rondo für Brahms noch von großer des Langhauses dürften bereits Anfang des Bedeutung. Zunächst lässt der Titel „Rhapsodie“ 15. Jahrhunderts entstanden sein. 1833 bis 1841 wur- zwar eher eine freie Form vermuten. Schaut man de St. Marien nach Plänen von Joseph Thürmer und Programm jedoch genau hin, sind ebendiese Strukturen der nach dessen Tod unter Mitwirkung von Gottfried Sem- Sonate und des Rondos deutlich zu erkennen. Beide per restauriert. Bedeutendstes Ausstattungsstück ist Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) der Marienaltar von 1518 geblieben. Eine reizvolle, Rhapsodien sind vor allem durch leidenschaftliche Sonate D-Dur KV 576 offene Freitreppe von 1684 führt zum Turm. Die äuße- und kräftige Akkorde und Rhythmen, weniger durch Allegro re Architektur des Langhauses wurde 1980/81 wie- Adagio lange Melodiebögen gekennzeichnet. Die erste stellt derhergestellt. ein Spiegelrondo mit drei Themen dar, während Allegretto Brahms in der zweiten letztmalig die Sonatenform Fantasie und Sonate c-Moll KV 475/457 anwendet. Fliegende 16tel-Triolen werden von stam- Komponisten beeindruckt und Hector Berlioz sogar Molto allegro pfenden Akkorden unterbrochen und rumpelnde zu einer ebenso bekannten Orchestrierung inspiriert. Adagio Sprünge im Bass untermalen zügige Läufe durch die Die Abfolge von vielen kleinen Walzern ist ein Allegro assai Oktaven. Beide Rhapsodien sind ein ständiges Auf- Prototyp für die Konzertwalzer der späteren Walzer- bäumen und Fallenlassen, geprägt von kleinen Zwi- könige. Aus der ehemals nur funktional verstande- Pause schenschlüssen. Mysteriös und fulminant zugleich nen Tanzmusik schuf Weber eine eigenständige bringt uns Brahms durch ein wahres Wechselbad der Kunstform: Den Konzertwalzer. Johannes Brahms (1833-1897) Gefühle. Die Tanzstücke erzählen eine kleine Geschichte von Zwei Rhapsodien op. 79 Es lässt sich nur erahnen, was Brahms während einem Tänzer (tiefe Melodie), der sich höflich einer Rhapsodie h-Moll seines Urlaubs 1879 in Pörtschach (Österreich) durch Dame nähert (hohe Melodie), die er um einen Tanz Rhapsodie g-Moll den Kopf gegangen sein mag, während er diese bittet. In raschen Übergängen schwebt das Tanzpaar Carl Maria von Weber (1786-1826) Musik komponierte. Clara Schumann schrieb er, dass zu charmanten Melodien über die Tanzfläche. Neben Aufforderung zum Tanz op. 65 es Werke sind, an denen sie sich „austoben“ könne, einigen Melodien fürs Herz, stehen andere eher wozu die Rhapsodien reichlich Raum bieten. Clara ruppig und polternd da. Wir können gespannt sein, Rondo brillante op. 62 antwortete darauf, dass sie wahrscheinlich eine wie Peter Rösel das Paar zum Tanzen bringt. Weile brauchen wird, bis sie die beiden Rhapsodien Das „Rondo brillante“ hört sich so wundervoll leicht lieb gewonnen habe. Eine Bekannte, Elisabeth von und unbeschwert an, verlangt jedoch von jedem Spie- Ausführender Herzogenberg, der die Rhapsodien gewidmet sind, ler durch die Vielfalt der Ausdrücke (mal „espres- Peter Rösel (Klavier) empfand die g-Moll-Rhapsodie als ihren persönlichen sivo“, dann wieder „con grazia“) viel Flexibilität Liebling und beschrieb jene in h-Moll wiederum als neben all den virtuosen Anforderungen an die Spiel- „stachelige Schönheit“. Uraufgeführt hat sie Brahms technik. Geradezu rasant springen die Melodien von Konzertdauer ca. 2 Stunden inkl. Vorprogramm und Pause noch persönlich. der Höhe in die Tiefe, was den schwungvollen Glanz dieses Stücks ausmacht. Nur der Mittelteil stellt, Webers Aufforderung – ein Prototyp für den etwas dramatischer gefärbt, ein paar musikalische Konzertwalzer Fragezeichen auf. Der Schluss wiederum überhäuft uns mit eleganter Grazie und schließt in fulminantem Die „Aufforderung zum Tanz“ und das „Rondo bril- Rauschen. lante“ von Carl Maria von Weber sind 1819 in Hosterwitz bei Dresden entstanden. Beide sind in Rondoform und zeigen kleine Anleihen an der Sona- tenform. Ganz im Gegensatz zu Brahms setzt Weber weniger auf ausgefeilte Harmonik und im Gegensatz zu Mozart auch nicht auf polyphone Raffinessen, sondern ist vor allem anderen ein Meister der Melo- dien. Die Klavierliteratur von Weber umfasst keine großen Regale, jedoch sind die wenigen Stücke höchst anspruchsvoll und einige davon sehr berühmt. Die „Aufforderung zum Tanz“ hat viele Zuhörer und

43 Tanz auf dem Klavier – Sechs Hände erobern ein Instrument

Von Kathleen Goldammer

Viel Platz bietet ein Klavier nicht, wenn gleich drei Spieler(innen) sich dessen Tastatur teilen müssen. Doch Anne Salié, Alyana Pirola und Alina Pronina sind geübt darin, sich zu arrangieren. Mehr noch: Als deutsch-usbekisch- ukrainisches Klaviertrio „Some Handsome Hands“ begeistern sie seit einigen Jahren auf nationalen und internationalen Bühnen. Angefangen hat alles als studentischer Spaß, als Zeitvertreib zwischen den Vorlesungen an der Ber- liner Musikhochschule Hanns Eisler, an der die drei jungen Damen Klavier studierten. Schnell eröffneten sich ungeahnte Möglichkeiten, aber auch technische sowie musikalische Herausforderungen standen an. Denn das Zusammenspiel ist äußerst heikel. Spiel- abläufe müssen bis ins kleinste Detail präzisiert sein, was nur nach längerer Zeit des gemeinsamen Musi- zierens gelingt. Inspiriert von der Klangfülle und den vielfältigen Ausdrucksformen des sichtbaren musi- kalischen Miteinanders begaben sie sich auf die Suche nach geeignetem Repertoire. Mittlerweile veröffentlichten Some Handsome Hands nicht nur drei Alben. Sie blicken auch auf eine enge Zusammenarbeit mit erstklassigen Arrangeuren und Komponisten zurück, die ihnen quasi Stücke „in die Finger“ schrieben, darunter Manfred Schmitz, Arnold Ob dieses Konzert mit einem Tanz auf oder am Klavier endet, wird sich zeigen. Garantiert ist ein amüsanter, kurzweiliger und sehr Fritzsch, Martin Böttcher oder Sergei Slonimski. Denn unterhaltsamer Konzertabend mit den drei Damen von Some Handsome Hands. wenngleich die Tradition des sechshändigen Kla- vierspiels bereits zur Wende ins 20. Jahrhundert einsetzte, ist das vorhandene Repertoire bis heute sanft ziehen sich kantable Klänge durch das ruhige, und wurden vielfach rezipiert, unter anderem in übersichtlich geblieben. besinnliche Stück. einigen Filmen und Serien (Charlie Chaplins „Der Als eine recht moderne Interpretation eines russi- große Diktator“, „Bugs Bunny“). Die ursprünglichen Berauscht von „Figaros Hochzeit“ bis zur schen Tanzes gestaltet sich die darauf folgende Kom- Fassungen der Tänze für das „Klavier zu vier Händen“ „Zaubernuss“ position von Lidia Kalendareva, einer jungen Berliner entstanden in den Jahren 1858 bis 1869. Für einige Komponistin mit russischen Wurzeln. Das Stück ist schrieb Brahms in den folgenden Jahren Orches- Aus dem 19. Jahrhundert sind uns schätzungs- von perkussiven, treibenden Elementen geprägt, die terfassungen. Außerdem dienten sie vielen anderen weise 400 Kompositionen für sechshändiges Klavier- nur kurze Momente des Innehaltens erlauben. Wie Komponisten als Inspirationsquelle, sodass heute spiel überliefert, darunter viele Bearbeitungen von auch andere Werke der mit vielen Auszeichnungen zahlreiche Bearbeitungen der Tänze vorliegen. Some Ouvertüren oder von Auszügen aus Sinfonien und bedachten Komponistin besticht das Stück durch Handsome Hands interpretieren Arrangements von Opern, die für die Haus- und Salonmusik im engsten klangliche Frische und ausgeprägte kompositorische vier dieser Tänze, die der Musikverleger Robert Kreis angedacht waren. Auch das Damen-Trio eröff- Individualität, die das Trio mit einer ebenso durch- Keller (1828-1891) angefertigt hat. net das Konzert mit einem Opernausschnitt, der Ou- dachten Choreographie und beeindruckender Finger- vertüre zu „Figaros Hochzeit“ von Wolfgang Ama- fertigkeit überzeugend darzubieten weiß. Kostproben aus der „Zaubernuss“ deus Mozart. Entgegen der Tradition, in der Ouvertüre Tänzerisch geht es weiter mit Johannes Brahms. Motiven und Arien einzuführen, komponierte Mozart In seinen insgesamt 21 Ungarischen Tänzen verar- Gerade einmal zwei Monate standen dem 23-jähri- diese unabhängig von der folgenden Oper. Er stellte beitete Brahms Eindrücke ungarischer Folklore. Sie gen Gioachino Rossini zur Verfügung, um die Büh- sie erst kurz vor der Premiere am 1. Mai 1786 fertig. basieren jedoch nicht, wie teilweise fälschlich ange- nenmusik zum Schauspiel „Der Barbier von Sevilla“ Hermann Abert, der Herausgeber der Gesamtaus- nommen, auf originalem musikalischen Material, von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais zu kom- gabe, sah in dem im heiteren Presto gehaltenen sondern entwerfen vielmehr dessen volkstümlichen ponieren. Es handelte sich um ein Auftragswerk des Stück die „Entfesselung eines unbändigen Lebens- Grundcharakter neu. Einen Großteil der Melodien Herzogs Francesco Sforza-Cesarini, das zum Karne- dranges, eine Daseinsfreude, wie sie hinreißender lernte er vermutlich durch den befreundeten Geiger val in Rom am 20. Februar 1816 seine Uraufführung nicht zu denken ist“. Von der Lebensfreude hin zur Eduard Reményi (1828-1898) kennen. Zum Teil stam- feierte. Für das Libretto konnte er Cesare Sterbini Melancholie weist anschließend Sergej Rachmani- men die Themen von Reményi selbst, aber auch von (1784-1831) gewinnen, der für ihn den Originaltext nows Romanze, die er etwa 1890 komponierte. Die anderen Komponisten dieser Epoche. Die Ungari- „in neue Verse [fasste] und für das moderne italieni- Handschrift Rachmaninows ist unverwechselbar; schen Tänze zählen zu Brahms populärsten Werken sche Theater ein[richtete]“. Womöglich verwendete

44 18. Konzert Radebeul, Schloss Wackerbarth Programm

Samstag Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) 10. September 2016 Ouvertüre zur Oper „Figaros Hochzeit“

20:00 Uhr Sergej Rachmaninow (1873-1943) 18 Romance (Original) er aus Zeitgründen eine Ouvertüre, die ihm bereits Wackerbarth. Erbaut wurde das Schloss zum Ende bei zwei seiner Vorgängerwerke als Vorspiel gedient des Barock in der Zeit von 1727 bis 1730 nach Lidia Kalendareva (geb. 1982) hatte: 1813 zu „Aureliano in Palmira“ und 1815 zu Plänen des Landesbaumeisters Johann Christoph Russischer Tanz (Original) „Elisabeth, Königin von England“. Bemerkenswert ist Knöffel als Alterssitz für den Minister Augusts des Starken, Reichsgrafen Christoph August von Wacker- diese Praxis auch in Hinblick auf die Tatsache, dass Johannes Brahms (1833-1897) barth. Das Hauptgebäude wurde 1853 teilweise um- es sich bei den genannten Werken um ernste Opern Aus: Ungarische Tänze WoO 1 gestaltet. Hervorzuheben ist das achteckige Belve- (Arr.: Robert Keller) handelt. Wem die Ouvertüre mit ihrer gravitätischen, dere auf halber Höhe. Das mit dem Palais durch eine 7. Allegretto langsamen Einleitung also zu tiefsinnig für eine Freitreppe verbundene Gebäude wurde von Matthäus 8. Presto komische Oper erscheint, wird hier eine Erklärung Daniel Pöppelmann errichtet. Bis 1957 wurden hier 9. Allegro non troppo finden. Das Trio spielt eine Bearbeitung der Ouver- nur Weine gekeltert, 1958 begann auch die Herstel- 10. Presto türe, die aus der Feder Carl Burchards stammt. lung von Sekt. Schloss Wackerbarth ist insbeson- Mit Musik aus dem Ballett „Die Zaubernuss“ des dere bekannt für seine besonders mineralischen Ries- Gioachino Rossini (1792-1868) russischen Komponisten Sergei Slonimski endet der linge und Weißburgunder sowie den Traminer. Sek- Ouvertüre zur Oper „Der Barbier von Sevilla“ te werden nach der klassischen Flaschengärung her- erste Programmteil. Die drei dargebotenen Kompo- (Arr.: Carl Burchard) gestellt. 2002 wurde die historische Bausubstanz sitionen unterscheiden sich in ihrem Grundduktus schrittweise und mit großem Aufwand rekonstruiert Sergei Slonimski (geb. 1932) stark voneinander: Während das erste Stück trotz und das Schloss ausgebaut. Es wird heute vermark- Drei Stücke aus dem Ballett „Die Zaubernuss“ der fordernden Bassläufe, die offensichtlich die Liebe tet als das erste Erlebnisweingut Europas, das sich 1. Des Jünglings Liebe zur Prinzessin des verträumten, aber ungeduldigen Jünglings sym- der 800-jährigen sächsischen Weinbautradition genau- 2. Hofnarrentanz und Polka bolisieren, recht lieblich wirkt, ist das zweite – „Der so verschrieben hat wie dem zeitgemäßen Genuss 3. Bacchanal im Reich des Frohsinns Hofnarrentanz und Polka“ – verspielt und dishar- mit allen Sinnen. monisch. Das dritte Stück mit seinem düsteren Pause Beginn erscheint nicht zuletzt durch die eingescho- benen Gesangskantilenen, die sich auch mal zu ten Tempo vor versammelter Herrenrunde auf dem Tomislav Baynov (geb. 1958) einem Schreien steigern, ebenso wie durch perkus- Tisch tanzt. Chatschaturjan komponierte es für sein Metrorhythmia 1 (Original) sive Elemente äußerst reizvoll. Ballett „Gayaneh“, das ihm ebenso wie sein Klavier- konzert sowie sein Violinkonzert, Weltruhm ein- Rasim Ramazanov (geb. 1976) Vielfalt zwischen Minimalismus, Jazz und Romantik brachte. Spring Mood (Original) Ob nun auch dieses Konzert mit einem Tanz auf oder Salsa Rhythm (Original) „Metrorhythmia 1“, das erste Stück nach der Pause, am Klavier endet, wird sich zeigen. Garantiert ist erinnert stark an Minimal Music. Rasend schnelle neben einem hohen musikalischen Niveau ein Dimitri Tchesnokov (geb. 1982) Läufe verlangen den drei Spielerinnen Einiges ab. Der amüsanter, kurzweiliger und sehr unterhaltsamer Nalou – poème pour piano Komponist Tomislav Nedelkovic Baynov, ein gebürti- Konzertabend mit den drei Damen von Some Hand- ger Bulgare, zeigt hier einmal mehr sein Faible some Hands. Manfred Schmitz (1939-2014) für das mehrhändige Klavierspiel. Jazzige Klänge „Suite populare“ (Original) prägen anschließend sowohl die Kompositionen Bossa Nova Rasim Ramazanovs als auch in besonderem Maße Romantic Meditation die „Suite populare“ von Manfred Schmitz. Jazz-Toccata Vertraute, romantisierte Klänge ertönen schließlich bei Camille Saint-Saëns „Der Schwan“ aus dem Camille Saint-Saëns (1835-1921) „Der Schwan“ aus: „Der Karneval der Tiere“ „Karneval der Tiere“. In einem kleinen österreichi- (Arr.: Alina Pronina) schen Dorf verarbeitete Saint-Saëns im Januar 1886 seine musikalischen Skizzen, deren Entstehung gut Aram Chatschaturjan (1903-1978) zwanzig Jahre zurück lag. Sie stammten aus einer „Säbeltanz“ aus dem aus dem Ballett Zeit, als er selbst noch als Klavierlehrer tätig war. „Gayaneh“ (Arr.: Manfred Schmitz) Die gesamte Suite erschien posthum: Saint-Saëns fürchtete vermutlich um seinen Ruf. Denn er ließ nicht nur Tierlaute durch Instrumente imitieren, son- Ausführende dern parodierte zudem seine Berufskollegen, wie bei- Klaviertrio Some Handsome Hands: spielsweise Hector Berlioz beim „Elephanten“ oder Anne Salié Jaques Offenbach bei den „Schildkröten“. Der Alyana Pirola Alina Pronina „Schwan“ hingegen ist das einzige Stück, zu dem er bereits zu Lebzeiten stand. Energisch endet das Konzert mit dem „Säbeltanz“ von Aram Chatscha- Konzertdauer ca. 1 Stunde 50 Minuten inkl. Pause turjan. Dem ein oder anderen mag das Stück durch die Filmkomödie „Eins, Zwei, Drei“ von Billy Wilder bekannt sein, in welcher Liselotte Pulver im rasan-

45 Vom Erzgebirge in die Welt und zurück

Von Dorit Kreller und Jürgen Karthe

„Der Tango ist als Tanz das Schönste, was es gibt. Man muß ihn mit Kraft angehen, mit viel Zärtlichkeit und vielen Stunden Ar- beit.“ (Antonio Todaro)

Mit diesen Worten bringt der argentinische Tanzleh- rer Antonio Todaro auf den Punkt, was es heißt, sich dem argentinischen Tango zu verschreiben – einem Tanz voller Gefühl, Eleganz und verspielter Improvi- sation. Musik und Bewegung erzählen von Sehnsüch- ten, Illusionen und verpassten Gelegenheiten, also eigentlich kleine Geschichten. Darum ist der Tango weit mehr als ein Tanz, er ist Lebensgefühl. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den verarm- ten Gegenden Argentiniens und Uruguays – vor al- lem in den Hafendistrikten von Buenos Aires und den Slumgebieten am Río de la Plata – entstanden ist. Um 1910 war der Tanz aus den Vororten von Buenos Aires bis in die Cafés der Innenstadt vorgedrungen. In den Folgejahren gelangte er in Paris und London zu internationaler Anerkennung. F. Franck, Stadt und Festung Königstein, 1860 In Argentinien entwickelte sich der Tango bald zu ei- nem von allen Gesellschaftsschichten akzeptierten Nationaltanz, wodurch er zu einem wesentlichen von da an nicht mehr losließ. Das Studium des Tan- aus der Carlsfelder Concertina, deren Tonumfang um Symbol im Kampf um die nationale Identität des Lan- zes führte ihn um die halbe Welt – von den Straßen ein erhebliches Maß vergrößert wurde. Obwohl die des wurde. Aber auch in Europa und Nordamerika in Buenos Aires bis zum Musikkonservatorium in Rot- Idee dem Carlsfelder Instrumentenbauer Carl Zim- löste der Reiz des Exotischen in den ersten beiden terdam. Zurück in der Heimat hob der Musiker im Lauf mermann zuzuschreiben ist, hat ein gewisser Hein- Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine wahre Tan- der Jahre eine ganze Reihe von Tango-Formationen rich Band, seines Zeichens Musiklehrer und Musika- gomanie aus. aus der Taufe beziehungsweise er prägte sie ent- lienhändler, durch minimale Veränderungen dem scheidend mit. Instrument seinen Namen verpasst. Das Bandoneon: eher eine Persönlichkeit als ein rei- Wie der Musiker Jürgen Karthe stammt sein Instru- Carl Zimmermann verkaufte fatalerweise das Patent ner Tonerzeuger ment – zumindest in Abschnitten seiner Entwicklung seines Instrumentenmodells an die Familie Arnold, – aus Sachsen. Wenn auch die Anfänge heute nur die damit einen weltweiten Durchbruch erlangen Damit er für die europäischen Ballsäle gesellschafts- noch bruchstückhaft rekonstruierbar sind, belegt ist: sollte. So entstanden in Deutschland binnen kür- fähig wurde, musste der Tanz jedoch einigen Ver- Die ursprüngliche Bauform des Bandoneons geht auf zester Zeit zahlreiche Bandoneonvereine, die zu änderungen unterzogen werden. Auf diese Weise den Chemnitzer Instrumentenbauer Carl Friedrich Beginn des Zweiten Weltkrieges die Zahl 1000 er- wandelte er sich in Europa zum standardisierten Uhlig zurück. Dieser begann um das Jahr 1834, mit reichten. Gesellschaftstanz im 2/4-Takt mit den so typischen 20- und mehrtönigen Handzuginstrumenten einen Bis heute existieren zwei Systeme der Tonanordnung: ruckartigen Bewegungen. Während das goldene Vorläufer herzustellen, der zunächst „Accordion neuer die rheinische (= argentinische) und die deutsche. So Zeitalter des Tangos in Südamerika bis in die Art“ oder „Harmonika“, später „Konzertina“ genannt eigenwillig sein äußeres Erscheinen anmutet, so ist 1940er-Jahre anhielt, kam der Tanz in Europa schon wurde. es auch sein Klang, der das Bandoneon vom Akkor- um 1930 aus der Mode. Bis kurz vor die Jahrtausend- Wer weiß schon, dass das ehemals volkstümliche deon unterscheidet und berühmt gemacht hat. Daher wende kannte man hierzulande fast ausschließlich Balginstrument im deutschen Erzgebirge geboren ist es kein Wunder, dass sich die Argentinier dieses die europäische Variante als Bestandteil des Stan- wurde, um dann nach einem langen Umweg über Instrument für ihre klagenden Melodien des Tango dard- und Latein-Repertoires der Tanzschulen. Erst Argentinien als Kultinstrument des Tango zu uns auserkoren haben. Sieht man sich das kleine, kom- die Tangowelle, die Ende der 90er-Jahre einsetzte, zurückzukehren? Entwickelt wurde das Bandoneon pakte Kästchen mit seiner verwirrenden Anordnung etablierte auch das argentinische Original wieder in Europa. Seit 2009 gehört der Tango zum immateriel- len UNESCO-Weltkulturerbe. Dieses Konzert wird präsentiert von der Papierfabrik Louisenthal GmbH Einer der Künstler, die die Szene des argentinischen Tango in Dresden von Anfang an mitgeprägt haben, ist Jürgen Karthe. Mitte der 90er-Jahre entdeckte der Akkordeonist das Bandoneon für sich und kam über dieses Instrument zum Tango Argentino, der ihn

46 19. Konzert Königstein, Ev. Kirche Programm

Sonntag Steffen Heintze (geb.1972) 11. September 2016 Locacita 17:00 Uhr Agustín Bardi (1884-1941) 19 Lorenzo von Knöpfen und seinem gewaltigen, sich endlos aus- Königstein. In den Jahren 1720 bis 1724 errichtete einander ziehenden Balg an, so hat man eher das Ge- George Bähr in Königstein um die zu klein gewor- Antonio Sureda (1904-1951) fühl, es handele sich hier um eine extravagante Per- dene St. Marienkirche einen neuen Kirchenbau. A su memoria sönlichkeit als einfach nur um einen Tonerzeuger. So Nach dessen Fertigstellung wurde die alte Kirche abgetragen. 1810 fiel die Kirche einem Stadtbrand bezeichnete Astor Piazzolla es auch als seine „zweite Juan D’Arienzo (1900-1976) / zum Opfer, die Wiederherstellung erfolgte innerhalb Hector Varela (1914-1987) Frau“. der alten Umfassungsmauern und war 1823 abge- Carton Junao Der Klang des Bandoneons strahlt Kraft und Schön- schlossen. Die geräumige evangelische Kirche heit, Sehnsucht und Intimität aber auch das Leiden- enthält einen in drei Richtungen geschlossenen Astor Piazzolla (1921-1992) schaftliche und Gewaltige aus. Dafür ist unter ande- Saal, an dessen Flanken sich je zwei Emporen an- Made in USA rem seine Stimmung ausschlaggebend: jeder Ton schließen. Ein mächtiger Kanzelaltar schließt den wird durch eine Stimmzunge plus einer weiteren Raum nach Osten ab. Jürgen Karthe (geb. 1964) Stimmzunge in der Oktave erzeugt (im Gegensatz zum Milonga ushuaia Akkordeon: Tremolostimmung – zwei Stimmzungen sind leicht gegeneinander verstimmt). Dadurch ent- musik in ihren verschiedenen Facetten zur Blütezeit in Milonga 23 steht beim Bandoneon ein voller und klarer Klang, Buenos Aires näherzubringen. der es möglich macht, neben der Tangoliteratur auch So auch im heutigen Programm, einer Auswahl be- Bajo la luz de la luna klassisches Repertoire adäquat zu interpretieren. deutender Tango-Werke der „Goldenen Ära“, die Jür- Sergio Villar Aufgrund der weiten Verbreitung etwa in England, gen Karthe traditionell arrangiert hat. Neben drei La Donosa Argentinien, also über Sprachgrenzen hinweg, wird Eigenkompositionen des Orchestergründers finden das Bandoneon auch Bandonion oder Bandonium ge- sich in der Liste fast ausschließlich Stücke argenti- Dúo Tormo-Canales: schrieben. nischer Komponisten und Musiker. Antonio Tormo (1913-2003) / Bis Jürgen Karthe 2011 in Dresden das Gran Orque- Der mit Abstand bekannteste ist Astor Piazzolla. Da- Diego Benítez (Manuel Canales) sta de Tango Carambolage gründete, waren seine bei ist er eher schon der Revolutionär unter den Tan- Puentecito de mi río Ensembles eher kleinere Formationen, die in Bezug gomusikern. Denn seine Neuerungen gingen weit auf die Zahl der Musiker und die Auswahl der Instru- über Änderungen in der Ensemble-Besetzung hinaus. Pablo Ziegler (geb. 1944) mente den Ursprüngen der südamerikanischen Tradi- Piazzolla, der argentinische Bandoneonist, Arrangeur Rojotango tion Ende des 19. Jahrhunderts recht nahe sind. Denn und Komponist, der in New York aufwuchs, gilt als Ismael Spitalnik (1919-1999) die ersten Tango-Gruppen traten noch als Trios mit Begründer des Tango Nuevo, einer avantgardisti- Clara Violine, Klavier und Bandoneon auf. Später erweiter- schen Form, die ab den 50er-Jahren mit den gewohn- ten sich die „klassischen“ Tango-Ensembles zu Sex- ten Tangoklängen konkurrierte. Miguel Padula (1919-1960) tetten mit zwei Violinen, zwei Bandoneons, Klavier In dieser kaum mehr tanzbaren Variante verschmol- Amor y celo und Kontrabass. In den 40er-Jahren gab es in Argen- zen Elemente des Jazz, der modernen Balladenmu- tinien dann sogar ganze Tango-Orchester, soge- sik und der Kammermusik. Von seinen Verfechtern Pedro Laurenz (1902-1972) nannte Orquestas Típicas, die sich bereits zwischen als „Tango-Revolution“ bejubelt, fand der neue Stil Milonga de mis amores 1915 und 1920 in Argentinien und Uruguay zu ent- von Anfang an seine Anhänger eher in Europa und wickeln begannen. In der Regel war ein Orquesta Tí- den USA als in Argentinien oder Uruguay. Bei den al- Francisco Canaro (1888-1964) / Mariano Mores pica mit Piano, Gitarre, Violinen, gegebenenfalls ten „tangueros“ stieß der neue experimentelle (geb. 1918) / Ivo Pelay (1893-1959) Cello, Kontrabass und mehreren Bandoneons besetzt. Tango-Kompositionsstil auf Ablehnung, weshalb Pi- Adios pampa mia azzolla seinen Wohnsitz eine Zeitlang nach Europa Ein Gran Orquesta aus Profis und Schülern verlegte. Nach Argentinien kehrte er dennoch immer Ausführende wieder zurück. Gegen Ende der 80er-Jahre erlangte Gran Orquesta de Tango Carambolage: Das Gran Orquesta de Tango Carambolage will mit der Komponist endgültig internationalen Ruhm, der Jürgen Karthe, Frank Deutscher, Jim Tröster, Till originalen Instrumenten in der Art eines großen nach seinem Tod 1992 noch zunahm. Wallendorf, Torsten Pospischil, Cornelia Ginhold, Orquesta Típica den Klang dieser argentinischen Ein sächsisches Instrument schrieb argentinische Mu- Wolfgang Frin, Rainer Mann, Jochen Hilgenberg, Orchester wiederbeleben, ohne dabei die klassischen sikgeschichte. Nicht zuletzt durch Piazzolla ist das Mark Lemke (Bandoneon) Vorbilder einfach nur zu kopieren. Die Besetzung mit Bandoneon in seinem Herkunftsland wieder populär Cornelia Pfeil, Madeleine Grygar, Marius Marx, zehn Bandoneons, zehn Violinen, Klavier, Gitarre, Ge- geworden. Die Geschichte dieses Instruments von Johannes Partzsch, Christiane Korn, Juliane Rah- sang, Tuba und Kontrabass gibt es so kein zweites Dresden aus weiterzuerzählen, ist das Anliegen des loff, Detlef Hoffmann, Andrea Voigt, Myra Sequei- Mal. Besonders ist auch, dass Profi-Musiker und Ban- Gran Orquesta de Tango Carambolage – und damit ra, Angelika Wachs (Violine) Fabian Klentzke (Klavier) doneon-Schüler hier gemeinsam spielen und sich er- auch des heutigen Konzerts. Leandro Raszkewicz (Gitarre) gänzen. Denn das Ziel des Orchesters ist es, Nach- Saul Villao Crespo (Gesang, Percussion) wuchsspieler auszubilden, um mit dem gemeinsam Dietrich Zöllner (Tuba) entwickelten Orchesterklang den deutschen Einfluss Marc Schönfeld (Kontrabass) im Tango über das Bandoneonspiel zu erhalten und Leitung: Jürgen Karthe gleichzeitig die eigene Musikkultur zu bereichern. Dazu gehört, dem Publikum hierzulande die Tango- Konzertdauer ca. 1 Stunde 10 Minuten, keine Pause

47 Ein einziges Motiv kann zum Ereignis werden

Von Dr. Kornél Magvas

Johann Gottlieb Naumann (1741-1801) gehört zu jenen Komponisten, deren Schaf- fen für Jahrzehnte in Vergessenheit gera- ten war und seit dem Beginn der 1990er-Jahre in Folge eines zunehmendem wissenschaftlichen Inte- resses auch von den Musikern wiederentdeckt wurde. Der kurfürstlich-sächsische Hofkapellmeister war nicht nur die bedeutendste Persönlichkeit im Dresdner Musikleben des ausgehenden 18. Jahrhun- derts, sondern zu Lebzeiten im In- und Ausland hoch- geschätzt. Sein Aufstieg vollzog sich wie im Märchen. Als Sohn eines Kleinstbauern ohne eigenen Grund- besitz in Blasewitz bei Dresden geboren, hatte der begabte Knabe im Jahre 1757 seine Heimatstadt Dresden verlassen, um sich in Italien (Venedig, Pa- dua, Bologna, Neapel) künstlerisch zu bilden. Nach ersten kompositorischen Erfolgen erhielt er 1764 eine Stelle als kurfürstlich-sächsischer Kirchenkomponist am Dresdner Hof und kehrte nach Sachsen zurück. Die Ernennung zum Hofkapellmeister im Jahre 1776 sowie die Mitwirkung an den Opernreformplänen des schwedischen Königs Gustav III. (1777-1778) und des dänischen Königs Christian VII. (1785-1786) steigerte die Reputation des Dresdner Komponisten weit über die Grenzen des Landes hinaus.

Einer der produktivsten Liedkomponisten der Epoche

Als Kapellmeister zur Komposition von Opern und Kirchenmusiken verpflichtet, wurde Naumann lange Zeit vorrangig mit diesen Genres in Verbindung ge- bracht. Mit weit über 300 geistlichen und weltlichen Liedern zählt er aber auch zu den produktivsten Lied- komponisten seiner Zeit. Verblasste bald nach sei- Johann Gottlieb Naumann, porträtiert von Friedrich Gotthard Naumann (1750-1821). Johann Gottlieb hatte aufgrund seines nem Tode der Ruhm, den er sich insbesondere als inzwischen hohen Ansehens beim Sächsischen Kurfürsten bewirkt, dass dem jüngeren Bruder ein Studienaufenthalt in Rom beim dort weilenden Dresdner Hofmaler Anton Raphael Mengs bewilligt wurde. Das Ölbild entstand um 1780. Opernkomponist erworben hatte, so ist eine Anzahl seiner Lieder noch über mehrere Jahrzehnte hinweg lebendig geblieben. Nicht nur das Dutzend eigener Druckausgaben, sondern auch viele Lieder in diver- kreis gehen die folgenden beiden Lieder zurück. Sie lie, besingt heiter-empfindsam die Natur im Seifers- sen „Sammlungen vermischter Clavier- und Singe- erschienen in der Sammlung von „Liedern beym Cla- dorfer Tal. stücke“, in Musenalmanachen und „Taschenbüchern vier“ zu singen (1784). „Das Clavier“ von Justus Fried- „Nachtgesang“ und „Ich“ stammen (wie auch das zum geselligen Vergnügen“, in Zeitschriften und in rich Wilhelm Zachariä ist ein Lobpreis an das Tasten- vorletzte Lied des Programms, „Erinnerung“) aus den musikalischen Beilagen zu Anthologien, deren An- instrument und dient zugleich als Spiegelbild der „VI neuen Liedern mit Begleitung des Forte-Piano zahl und Popularität am Ende des 18. Jahrhunderts Emotionen des lyrischen Sprechers – ein generell oder der Harffe“ (1799), der letzten Liedersammlung stetig zunahm, machten den Namen Naumann in bür- häufig wiederkehrender Topos in der empfindsamen des Komponisten und einem Höhepunkt in seinem gerlichen Kreisen ganz Deutschlands bekannt. Auch Lyrik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Damit gesamten Liedschaffen. Während „Nachtgesang“ im eigenen Hause oder bei Freunden in geselliger liegt die musikalische Gestaltung nahe: Der an das von Gotthard Ludwig Theobul Kosegarten als zwei- Runde und bei Feierlichkeiten erklangen seine Lieder Instrument gerichtete Monolog des Sängers bzw. der strophiges, innig-schlichtes Abendlied gestaltet wird, und Kammermusik. Oft wurde z. B. in dem von Graf Sängerin („Du Echo meiner Klagen, / mein treues Sai- gehört „Ich“ von Johann Wilhelm Ludwig Gleim zu Moritz von Brühl und seiner Gattin Christina zu einem tenspiel“) ist als musikalisches Zwiegespräch umge- den wenigen durchkomponierten Lieder Naumanns Landschaftspark umgestalteten Seifersdorfer Tal bei setzt, indem das Klavier im ersten Liedteil Motive der und gefällt durch die differenzierte und harmonisch Radeberg musiziert. Melodiestimme imitiert, im Schlussteil diese aber reiche Begleitung. Den Liederabend eröffnet Naumanns „Cantatina an auch antizipiert. „An die Sonne“ von Johann Leopold Die beiden folgenden Lieder Naumanns wurden le- die Tonkunst“ (1799), ein großer hymnischer Lobge- Neumann, dem Herausgeber der Sammlung und diglich handschriftlich überliefert und in einer Neu- sang auf die Musik. Auf den Brühlschen Freundes- Freund Naumanns wie der gräflich-brühlschen Fami- ausgabe von Liedern (2013) erstveröffentlicht. „Nur

48 20. Konzert Großsedlitz, Barockgarten Programm

Samstag Johann Gottlieb Naumann (1741-1801) 24. September 2016 Lieder und Leben 17:00 Uhr 20 Cantatina an die Tonkunst (Dichter unbekannt) wer die Sehnsucht kennt“ gehört zu den Liedern, die Großsedlitz. Aus einem 1448 genannten Vorwerk Moderation Mignon singt, die „zwitterhaft-geschlechtslose, entwickelte sich das Kammergut, nachdem der Kur- vieldeutig-rätselhafte und geheimnisvoll fremde fürst es 1723 zusammen mit Kleinsedlitz und Heide- Das Clavier (Friedrich Wilhelm Zachariä) Kindfrau“ (Gero von Wilpert) in Johann Wolfgang nau vom Reichsgrafen von Wackerbarth gekauft hatte. Von 1719 bis 1723 wurde der Barockgarten von Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“. An die Sonne (Johann Leopold Neumann) durch Graf Wackerbarth angelegt, dann von August Über 70 musikalische Gestaltungen belegen die dem Starken erworben und weiter ausgebaut. Am Bau Moderation starke Anziehungskraft dieser Figur für die Musiker waren so bekannte Künstler wie Zacharias Longue- des 19. Jahrhunderts, darunter solche von Beetho- lune (1669-1748), Matthäus Daniel Pöppelmann (1662- Nachtgesang ven oder Schubert. Naumanns Komposition steht am 1736) und Johann Christoph Knöffel (1686-1752) betei- (Gotthard Ludwig Theobul Kosegarten) Anfang dieser Rezeption und ist 1785, noch vor Ver- ligt. Die Gartenanlage ist von Frankreich und Italien öffentlichung des Romans (1795/96) entstanden. An inspiriert. Obwohl unvollendet geblieben, ist sie Ich (Johann Wilhelm Ludwig Gleim) Naumanns „Sehnsuchtslied“ lassen sich die ver- eine der eigenwilligsten und vollkommensten Kom- schwimmenden Grenzen zwischen Ariette und Lied positionen im Bereich barocker deutscher Garten- Moderation kunst. konstatieren. Einteilige Textstruktur, deren Grund- affekt durch emotive Texteinschübe verstärkt wird, Nur wer die Sehnsucht kennt sowie eine dreiteilige Da-capo-Struktur stehen Das Stück ist – wenn man so will – auskomponierter (Johann Wolfgang von Goethe) einem geringen Gesamtumfang, einem bis auf Gesangsunterricht, den eine Mutter ihrer Tochter Moderation wenige Ausnahmen schlichten Gestus der Gesangs- erteilt. stimme und einer reduzierten instrumentalen Be- An die Freude (Friedrich Schiller) gleitstimme gegenüber. Dabei ist es Naumann ge- Intensive Empfindungen abseits der Klangstürme lungen, eine Melodie zu formen, die nuancenreich unserer Zeit Moderation den Text auslotet. Schillers Ode „An die Freude“ wurde berühmt als Die sechs letzten Lieder des Programms stammen aus Elegie von Hartmann für Wenige Herzstück der 9. Sinfonie Beethovens und avancierte der Feder von Elisa von der Recke, einer Freundin mit der Erhebung zur Europahymne im Jahre 1972 Naumanns, und wurden in der Sammlung „XXIV Neue Pause einmal mehr zu einem Teil unserer kulturellen Iden- Lieder verschiedenen Inhalts“ (1799) veröffentlicht. tität. Weniger bekannt ist, dass bereits vor Beetho- Recke war zunächst als Dichterin geistlicher Lieder Die Lehrstunde (Friedrich Gottlieb Klopstock) ven Dutzende Vertonungen die Textmelange aus hervorgetreten, erlangte durch ihre 1787 erschienene Moderation feierlicher Hymne und geselligem Lied popularisiert Entlarvungsschrift über den Hochstapler und vorgeb- haben. Die ersten vier Vertonungen stammen aus lichen Geisterseher Giuseppe Balsamo alias Graf Ca- Nahe Wiedersehen und baldige Trennung dem Leipzig-Dresdner Raum und gaben den Anstoß gliostro einige Berühmtheit und knüpfte ein weites (Elisa von der Recke) dafür, den Text je nach Bedarf als Bundes-, Trink-, Netz an Kontakten zu Persönlichkeiten des deutschen Studenten-, Revolutions- oder Freimaurerlied in An- Geisteslebens. Die Gedichte Reckes sind in Inhalt und An die Zeit (Elisa von der Recke) spruch zu nehmen. Die chronologisch vierte hat Nau- Form der religiösen Gebrauchslyrik pietistischer Prä- mann 1786 komponiert. Schiller schrieb darüber an gung nachempfunden und orientieren sich an gängi- Moderation seinen Freund Christian Gottfried Körner: gen Kirchenliedmodellen. Die Kompositionen der Lie- dersammlung zeigen zwar meist eine eher Meine Hoffnung (Elisa von der Recke) „[...] im ganzen Lied ist ein herzliches strömendes konventionelle strophische Geschlossenheit, doch be- Freudengefühl und eine volle Harmonie nicht zu ver- stechen die melodische Erfindungsgabe und harmo- Moderation kennen. Sonst dünkt es mich ein wenig zu leicht und nische Farbigkeit – ein deutlicher Verweis auf das Kleine Lehre (Elisa von der Recke) zu hüpffend.“ späte Liederwerk von Naumann. Besonders hübsch (Brief Schillers an Körner vom 5. Januar 1787) ist das durchkomponierte Lied „Meine Hoffnung“, das Erinnerung (Elisa von der Recke) den hymnisch-erhabenen Ton des Textes gut einzu- Naumanns Komposition wirkt in der Tat ambivalent: fangen vermag und dem Klavier eine größere Selb- Moderation Die von 16tel-Ketten im ersten Teil ausgehende tän- ständigkeit als üblich zugesteht. zerische Wirkung passt kaum zum kraftvoll-entschlos- Obwohl im Konzertprogramm einige größere Gesänge An den Schlaf (Elisa von der Recke) senen Duktus des Chorrefrains. erklingen, sollte deren Kunstfertigkeit und Anspruch Er komponierte die zehn Strophen der „Elegie“ indivi- an die Ausführenden nicht gegen die scheinbar klei- duell, um zu zeigen, „wie singbar die teutsche kraft- nen, schlichten Lieder ausgespielt werden. Wer sich Ausführende volle Sprache sey.“ (Elisa von der Recke, „Ueber Nau- darauf einlässt, wird auch heute noch etwas von dem Romy Petrick (Sopran) Sebastian Knebel (Hammerflügel) mann, den guten Menschen und großen Künstler“, nachvollziehen, was die Menschen im 18. Jahrhun- Jens Daniel Schubert (Moderation) 1803). Dass der Ausdruck sanfter Trauer das empfind- dert zu intensiven Empfindungen veranlasste und was same Lebensgefühl der Zeit ganz besonders traf, be- in den Klangstürmen unserer Zeit fast schon verloren legen zahlreiche Drucke und Abschriften des Werkes. gegangen ist: Durch eine bewusste Zurücknahme mu- Konzertdauer ca. 1 Stunde 30 Minuten inkl. Pause 1785 entstand das durchkomponierte Duett zu sikalischer Mittel kann ein einziges Motiv zum Ereig- Friedrich Gottlieb Klopstocks Ode „Die Lehrstunde“. nis werden.

49 Tierisches Vergnügen mit Flügelschlägern und Flossenschwimmern

Von Katharina Höhne

Faltenradio. Faltenradio? Wer diesen Be- griff das erste Mal liest oder hört, wird nicht umhin kommen zu fragen, wer oder was sich dahinter versteckt. Die Spekulationen reichen von einem zusammenklappbaren Radio für die Hosentasche bis hin zu absurden Bildern eines betagten Empfangsgerätes. „Faltenradio hat viele Bedeutungen“, erklärt Alexander Neubauer, Musiker des gleichnamigen österreichischen Ensembles und Klarinettist bei den Wiener Symphonikern. „Die wohl bekannteste liegt jedoch in der liebevollen Bezeich- nung für die steierische Harmonika“, die wiederum auf den ersten Blick für Verwirrung sorgt. Denn der Name für das dem Akkordeon sehr ähnliche Ins- trument hat nichts mit dem österreichischen Bundes- land Steiermark zu tun, sondern entstammt der öster- reichischen Mundart. Als Synonym verweist dieser Name auf die Herkunft der Musik, die mit der steierischen Harmonika gemacht wird: Alpenlän- dische Volksmusik. „Gerade im ländlichen Raum gibt es sehr viele Menschen, die Harmonika spielen“, sagt Alexander Koester, Enten auf einem kleinen Teich, 1917. Seit der Maler 1899 in Berlin seine ersten in die Landschaft eingebetteten Entenbilder präsentierte, kursierte der Name „Enten-Koester“. Zu Unrecht weniger gefragt sind seine Landschafts- und Genrebilder. Neubauer und ergänzt, dass es in den letzten Jahren unter österreichischen Jugendlichen ein regelrech- ter Trend geworden ist. uns. Sie zu spielen hat so viel Spaß gemacht, dass den klassischen Konzertkonventionen trotzt. „Egal ob wir noch mehr Stücke für diese doch recht außerge- im Konzerthaus in Wien, beim Rheingau Musikfesti- Flirten mit der Historie – im Konzerthaus wie im wöhnliche Formation arrangierten.“ Aus einem val oder im Wirtshaus, wenn die Musik, die wir spie- Wirtshaus bunten Quodlibet aus Volksmusik, Klassik, Jazz und len, gut ist, und das ist unser Anspruch, funktioniert Weltmusik und einer wiederum unvorhersehbaren sie überall“, sagt Neubauer. Dass sich Faltenradio alias Alexander Neubauer, Begegnung entstand das erste Programm. „Wir ha- Alexander Maurer, Stefan Prommegger und Matthias ben unseren Regisseur Lukas Beck getroffen“, erzählt „Oft wird bei uns gelacht, geklatscht, manchmal so- Schorn – vier ausgezeichnete Musiker, die in Öster- Neubauer, „den wir eigentlich als Fotografen enga- gar mitgesungen oder getanzt. Das stört uns aber reich bei namhaften Orchestern tätig sind oder an giert hatten. Lukas war irrsinnig begeistert von un- nicht, im Gegenteil. Wer mitmachen möchte, macht renommierten Musikhochschulen lehren – ebenfalls serer Zusammensetzung, dass er das erste Programm mit. Das ist es, was wir wollen.“ der Harmonika zuwandten, hatte weniger mit einer für uns schrieb“. (Alexander Neubauer) Modeerscheinung zu tun, sondern mehr mit einer 2009 standen die vier Musiker erstmals als Faltenra- Reihe glücklicher Zufälle. „Wir haben uns bei einem dio auf der Bühne. Die Premiere wurde ein so Mit ihren Auftritten überschreiten Faltenradio regel- Seminar für Bläser in Bad Goisern kennen gelernt“, großer Erfolg, dass sich das Ensemble im Anschluss mäßig musikalische Grenzen. Indem das Ensemble erzählt Neubauer. Er und Matthias Schorn seien da- vor Konzertanfragen kaum retten konnte. Kritiker Musik miteinander verbindet, die auf den ersten Blick mals Dozenten gewesen, die anderen beiden Studen- und Zuhörer waren gleichermaßen begeistert. „Mu- nicht zusammenpasst, entsteht ein ganz neues Mu- ten. Tagsüber habe man sich dem klassischen sikantentum im allerbesten und allerersten Sinne“, sikerlebnis. Auf virtuose Weise vereinen sich in den Klarinettenspiel gewidmet und beim gemütlichen schwärmten sie. Außerdem war zum ersten Mal von Programmen (denen ein Abdruck im Programmheft Zusammensitzen am Abend der Volksmusik. „Stefan einer Musik die Rede, „die in keine Schublade passt“ nicht vorgreifen soll) Mozart und Jazz, Okzident und und Alexander haben plötzlich ihre steierische Har- und einem „Flirt mit der Musikgeschichte, der anre- Orient, Volksmusik und Avantgarde. Sie werden kurz- monika herausgeholt und losgespielt“, erinnert sich gender nicht sein könnte“. Mittlerweile ist das öster- weilig, vor allem unterhaltsam moderiert. „Unsere Neubauer und lacht. Er habe lange, bevor er zur Kla- reichische Quartett eine bekannte Größe in der Erklärungen helfen dem Publikum zu verstehen, was rinette fand, Harmonika gespielt. Die Idee, sich zu ei- deutschsprachigen Musikszene, das mit seinen Pro- wir auf der Bühne machen und die Scheu vor Kon- nem Ensemble zusammen zu schließen, das sowohl grammen, viel Spaß und jeder Menge Kreativität ventionsbrüchen zu verlieren.“ Neben Informationen auf klassischen Instrumenten als auch der steieri- schen Harmonika musiziert, kam aber erst im Jahr Dieses Konzert wird präsentiert von darauf, so Neubauer weiter, als die vier Männer im Rahmen des Bläserseminars erneut aufeinander tra- fen. „Diesmal verabredeten wir uns und spielten ein paar Wochen nach dem Kurs das erste Mal gemein- sam auf. Da wir nicht nur Volksmusik machen woll- ten, bearbeitete Stefan eine Klezmer-Nummer für

50 21. Konzert Tharandt, Bergkirche Programm

Sonntag Faltenradio, der Privatsender aus dem 25. September 2016 Tiergarten ist die Stimme seines Volkes.

17:00 Uhr Raffiniert, wie die jungen Geparden Vogelstimmen 21 imitieren und damit – ohne mit der Wimper zu zucken zu Werk und Komponist erzählen Faltenradio Anekdo- Die Bergkirche „Zum Heiligen Kreuz“ wurde in den – ausgewachsene Löwen an der Nase herumführen. ten und lustige Geschichten, gespickt mit allerlei Jahren 1626 bis 1629 unter Verwendung des alten Ihre Hörer jedoch dürfen sich über die gewissenhaf- „Showeinlagen“. Neubauer, Maurer, Schorn und Mauerwerkes der Unterburg Tharandt und des Por- te Erfüllung des Bildungsauftrags freuen, der Falten- Prommegger sind nämlich nicht nur großartige Musi- tals der Burgkapelle (um 1250) erbaut und im Jahr radio mit Begeisterung nachkommt. Ungetrübter Hör- 1631 geweiht. ker. Sie können auch mimen, singen, jodeln, tanzen, genuss, verzichtet Faltenradio doch auch in schwierigen schuhplatteln und sogar Bodyperkussion. „Es ist uns Zeiten selbst auf versteckte Werbeeinschaltungen. ein großes Anliegen, dass durch die Musik und die die einander schätzen, sondern mittlerweile auch vier Das Stimmenspektrum soll angeblich sogar um eini- Art, wie wir sie machen, ein Funke auf das Publikum gute Freunde. „Es ist so, dass vier unterschiedliche ge Facetten reicher werden. Und wer weiß, viel- überspringt“, sagt Neubauer. „Unsere Konzerte sind Charaktere ein irrsinnig gutes Gesamtpaket ergeben. leicht verrät ein Tier aus dem Zoo im zweiten Pro- nie Konzerte im klassischen Sinne. Oft wird bei uns Der eine kann das besonders gut, der andere das. gramm des Faltenradios sogar die Bedeutung des gelacht, geklatscht, manchmal sogar mitgesungen Natürlich gibt es Momente, in denen wir unterschied- Namens „Faltenradio“? oder getanzt. Das stört uns aber nicht, im Gegenteil. licher Meinung sind, aber wir sind weit genug, dass Wer mitmachen möchte, macht mit. Das ist es, was wir alles ausdiskutieren, um gemeinsam herauszu- (Regisseur Lukas Beck über „ZOO“) wir wollen.“ finden, was das Beste für das Ensemble ist. Unser Mit „Zoo“ erwartet das Publikum beim Festival Sand- größtes Ziel ist es, dass wir uns weiterhin so gut stein und Musik, beim zweiten Auftritt des Faltenra- verstehen und Programme auf die Bühne bringen, mit Das Programm wird moderiert. dios, ein Kaleidoskop verschiedenster Musikstile. denen wir Spaß haben und viele Menschen errei- Dazu holen die vier Österreicher allerlei Vierbeiner, chen, die nach dem Konzert nach Hause gehen und Ausführende Flügelschläger und Flossenschwimmer auf die Bühne. einfach nur begeistert sind. Wenn wir das schaffen, Faltenradio: Egal ob tief unter dem Meer, zwischen zwei Käfig- haben wir alles erreicht, was uns wichtig ist.“ Alexander Maurer (Klarinette, Bassklarinette, stangen oder über den Apfelbäumen des heimischen Perkussion, Harmonika) Gartens – in diesem Programm geht es „tierisch“ ab. Alexander Neubauer (Klarinette, Bassetthorn, Faltenradio entpuppen sich als echte Tierfreunde und Bassklarinette, Harmonika) entführen auf höchst kreative Weise summend, Stefan Prommegger (Gesang, Klarinette, brummend, brüllend, blubbernd … in die Natur. Ge- Bassklarinette, Harmonika) naueres darf an dieser Stelle allerdings noch nicht Matthias Schorn (Klarinette, Perkussion, verraten werden, denn das Ensemble steht für das Harmonika) Unvorhersehbare, für Unterhaltung, die aus dem Mo- ment entsteht und immer wieder für Überraschun- Konzertdauer ca. 1 Stunde 40 Minuten inkl. Pause gen sorgt.

Steierische Harmonika – der Duft der Jugend

Die steierische Harmonika war nicht nur der entschei- dende Impuls für Alexander Neubauer, Alexander Maurer, Stefan Prommegger und Matthias Schorn, sich zu Faltenradio zusammenzuschließen. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch jedes ihrer Programme. „Die Harmonika hat einfach diesen ganz speziellen Klang“, schwärmt Neubauer, „der mit keinem an- deren Instrument vergleichbar ist. Er ist, wenn ich es blumig beschreiben darf, der Duft unserer Jugend. Wir sind alle mit dieser Musik aufgewachsen, und wenn wir als Faltenradio auf der Bühne stehen, dann sind wir wieder vier kleine Buben, die sich freuen Musik zu machen.“ Faltenradio, das sind vier Volksmusikanten aus Leidenschaft, denen 50 Konzerte als Grenzgänger neben 100 Konzerten, die sie als klassische Orches- termusiker im Schnitt jährlich spielen, nie zur Arbeit werden. Sie seien vielmehr ein Energiespender, sagt Neubauer, „ein Glücksmoment, der nicht nur unsere Arbeit mit Faltenradio beflügelt sondern unsere gesamte Arbeit. Wir lernen durch das Ensemblespiel wahnsinnig viel, weil wir frei sind und alles machen können.“ Zudem vereine sie nicht nur vier Musiker,

51 „Mit Musik geht alles besser, …“

Von Stephanie Hauptfleisch

„Mit Musik geht alles besser, mit Musik fällt alles leicht!“, verraten die Dresdner Salon-Damen, denn sie haben schon längst erkannt, dass die Kraft der Musik ein Geheimrezept ihres langjährigen, gemeinsamen Musizierens ist. Mit eben diesen Worten sang sich Rudi Schuricke im Jahr 1942 durch den Film „Sophienlund“. Dieser und andere Filme der 20er-, 30er- und 40er-Jahre wur- den im Fernsehen der DDR jeden Montagabend aus- gestrahlt. Die Bandbreite des gesendeten Programms war sehr gering; die benannten Filme hingegen be- zauberten durch ihre unverwechselbare Kamera- führung, durch ihre sentimentale Realitätsdarstellung und vor allem durch ihre Musik. Die Liebe zur Salon- musik und zur unverwechselbaren Bildsprache die- ser Filme versammelte vor reichlich 15 Jahren eine Gruppe Musikstudentinnen jeden Montagabend zur Sendezeit der Nostalgiker vor dem Fernsehgerät. Ein Teil der jungen Frauen fand sich zu diesem Zeitpunkt bereits zusammen, um Salonmusik auf ihren Instru- menten zu spielen. Doch fehlte hier noch der Gesang, die Einbettung der Texte, um die Salonmusik in ih- rem Wesen gänzlich zu charakterisieren. So waren es letztendlich fünf Musikerinnen, welche die Liebe zur Musik der alten Filme einte und die sich nun die Aufgabe stellten, diese scheinbar einfachen und so berührenden Melodien und Lieder musikalisch an- spruchsvoll darzustellen. Zuerst in der Kapelle Ole- ander versammelt, gründeten die musikbegeisterten Damen 1997 ihr eigenes Ensemble. Cécile Pfeiff, die von ihrem Vater – dem Leiter einer Blaskapelle – schon einiges an Veranstaltungsorganisation mitbe- kommen hatte, nahm dabei die leitenden Aufgaben in die Hand.

Freundschaft der Musikerinnen umschiffte manches Hindernis Zarah Leander, fotografiert 1937. Die Schauspielerin und Sängerin (bürgerlicher Name Sara Stina Hedberg) stieg im national- sozialistischen Deutschland zur bestbezahlten Kinodarstellerin auf. Selbst bezeichnete sie sich stets als unpolitische Künstlerin und Die Idee war geboren, die Faszination ebnete Wege, behielt ihre schwedische Staatsbürgerschaft. Das Lied „Von der Puszta will ich träumen“ (Musik: Lothar Brühne) sang sie im Spiel- film „Der Blaufuchs“ (1938). das Können der nun so benannten „Dresdner Salon- Damen“ belebte Melodien, die Kreativität und Be- geisterung überrannte Grenzen und die Freundschaft Die ersten Auftritte fanden wöchentlich ein Mal in Damen selbst. Auch die Programme werden gemein- der Musikerinnen umschiffte manches Hindernis. So der Gaststätte „Applaus“ im Zentrum Dresdens statt. sam erstellt. „Auf den ewigen Busreisen“, sagt Fran- gab beispielsweise die Aufteilung der Besetzung nie Hier konnten die Damen probieren, die Wirkungs- ziska Graefe, von Konzertort zu Konzertort werden Grund zu Unstimmigkeiten: Zwei Sängerinnen und weise verschiedener Lieder und Arrangements sowie Filme angeschaut, diskutiert; Lieder werden ange- zwei Cellistinnen teilen sich die Konzerte auf. Auf- ihre schauspielerischen Untermalungen testen und hört, ausgewählt, verworfen, neu erdacht und grund der Vielzahl an Konzerten wurden noch drei sich frei spielen und singen. Mit der Professionalität schließlich so zusammengestellt, dass sich eine weitere Damen zur Entlastung in das Ensemble ge- der Auftritte nahm auch der Anspruch an die Drama- Geschichte dazu erzählen lässt. Diese Geschichten holt. Aus diesem Grund wechselt die Besetzung und turgie und Gesamtgestaltung der Programme zu. Ka- handeln meist von den Höhen und Tiefen der mensch- auch, weil die Musikerinnen nicht nur bei ihrem er- barettistische Abläufe wurden eingebaut und lichen Leidenschaften, des Begehrens, der Hingabe, lernten Instrument bleiben, sondern ihre Zusatzbe- gemeinsam wurden erste Kostüme kreiert. Die nun der Eifersucht, des Leids und des Glücks, das durch gabungen ebenso gekonnt in Szene setzen. bei den Auftritten getragene Garderobe individuali- die Liebe erfahrbar wird. siert durch die unterschiedlichen Schnittmuster eine Die Führung durch die Programme liegt ebenso bei jede der Künstlerinnen, vereint aber durch gleiche den Salon-Damen. Ob hier eigenes Erfahren oder die Stoffe und Farben. Die Ideen hierzu kamen von den durch die Filme angeregte Fantasie zum Ausgangs-

52 22. Konzert Dürrröhrsdorf, Piano-Salon Programm

Samstag Eine reizende Entführung in die zauberhafte 22. Oktober 2016 Klangwelt der 1920er- bis 1940er-Jahre. 17:00 Uhr 22 Dabei erklingen unter anderem diese Titel: punkt der Geschichten gereicht, bleibt offen, was die Dürrröhrsdorf. 1989 gründet Bert Kirsten das „Piano- Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt Zuhörenden nur noch mehr fesselt. Die Lieder wer- haus Kirsten“ in Dürrröhrsdorf. den von Silke Krause so arrangiert, dass sie für die Zunächst besteht das Unternehmen aus einer Werk- Ich hab Dich und Du hast mich Besetzung passend sind, und dass sie der Zielset- statt, die im elterlichen Gut beheimatet ist. In dieser werden Flügel und Klaviere restauriert und general- zung der Salon-Damen entsprechend auf einem mu- Julischka aus Budapest überholt. In unmittelbarer Nähe zur Werkstatt des sikalisch sehr anspruchsvollen Niveau dargestellt DRESDNER PIANO SALON in Dürrröhrsdorf befindet Von der Puszta will ich träumen werden können, dabei die Vorzüge eines jeden In- sich unser Festsaal im Gründerzeit-Stil, der in liebe- strumentes widerspiegeln und auf den stimmlichen voller Kleinarbeit und mit großartiger Unterstützung Haben Sie den neuen Hut von Fräulein Molly schon Umfang der Sängerin abgestimmt sind. Die kabaret- der Künstlerin Leonore Thielemann restauriert wur- geseh’n tistischen Untermalungen verdeutlichen dabei den de. Er bietet ein stilvolles Ambiente für Ausstel- Inhalt, verflechten die einzelnen Werke mit Heiter- lungen, Konzerte sowie andere Festivitäten und steht Warum brauchen denn die Männer so viel Liebe keit und Farbigkeit und runden so jede einzelne Auf- für Veranstaltungen auf Anfrage zur Verfügung. führung zu einem Gesamtkunstwerk ab. Caprifischer Dabei ist es den Salon-Damen äußerst wichtig, „nie zu wiederholen“, so Franziska Graefe, sondern Text eingängigen, berührenden und kurzweiligen Musik- Sei mal verliebt und Musik in einer Weise zu interpretieren, die die In- beiträgen. spiration des Augenblicks hören und fühlen lässt. Nach dem Ersten Weltkrieg fand sich die Salonmusik Eins und Eins das macht zwei Doch natürlich proben die Damen auch zusammen. in öffentlichen Caféhäusern und Ballsälen wieder. Da alle Beteiligten Familie und Beruf haben, hat es Wachsender Größe der Örtlichkeiten entsprechend Die Damen moderieren ihr Programm. sich als sinnvoller erwiesen, ein projektweises Pro- zog die Salonmusik nunmehr als mondäne Unterhal- ben den regelmäßigen Treffen vorzuziehen. Laut Fran- tungskultur nach. Mit der Entwicklung von Grammo- ziska Graefe sind sowohl Proben, Konzerte und die phon und Radio avancierte die Salonmusik zur Unter- Ausführende Tourneen nur durch die verständnisvolle Hilfe und haltungsmusik, die vielfältig eingesetzt wurde. Zu Dresdner Salon-Damen: Unterstützung der Partner der Damen möglich. dieser Zeit entstand der Film – damals noch ohne Karolina Petrova (Gesang, 2. Violine) Ton. In diesen sogenannten Stummfilmen wurde die Franziska Graefe (1. Violine, Backgroundgesang, Zauber der Musik lindert erfahrenes Leid Salonmusik zur Untermalung eingesetzt. Mit Aufkom- Besen) men des Tonfilms in den 20er-Jahren diente die Sa- Cécile Pfeiff (Klarinette, Saxofon, Doch woher kommt die Inspiration und Begeisterung, lonmusik nicht mehr nur zur Untermalung, sondern Backgroundgesang) Beate Hofmann (Violoncello, Kontrabass) die ständig neue Ideen hervorbringt, die die Freund- wurde zum grundlegenden Bestandteil der Filme. Da- Silke Krause (Klavier, Akkordeon) schaft der Damen erhält und intensiviert und die seit bei wurde die Musik während der Filmvorstellung live nunmehr 19 Jahren die Konzerte der Salon-Damen von einem Klavier gespielt. Im Zuge der Erholung von stets einzigartig und individuell erscheinen lässt? den Kriegsfolgen und einer politischen Beruhigung Konzertdauer ca. 2 Stunden inkl. Pause Der Ursprung dieser Inspiration ist die Musik, die in setzte in Deutschland allmählich wieder das Inter- der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Aus- esse für Amüsement ein. gangspunkt in Frankreich, in den Pariser Salons hat. Im Erblühen der „Goldenen Zwanziger“ erlebten Diese Salons etablierten sich bereits seit dem Kunst und Kultur einen enormen, zuvor nicht dage- 18. Jahrhundert als Orte der Heiterkeit und Gesellig- wesenen Aufschwung: Zahlreiche Theater, Kinos und keit. Hier fanden sich zunächst der Adel und wenig Ballhäuser entstanden; Kunst und Kultur erblühten später das gehobene Bürgertum zusammen, um und verschafften den Menschen Ablenkung. Ange- Lesungen zu folgen, Diskussionen zu Politik, Kunst, sichts des Männermangels nach dem Krieg emanzi- Wissenschaft und Literatur zu führen und Musik pierte sich das Selbstbewusstsein der Frauen. Dies anzuhören. Junge Schriftsteller, Künstler und Musi- wird hörbar in den Liedern von Marlene Dietrich, Za- ker erhielten hier die Möglichkeit zur Darstellung rah Leander und vielen anderen. und Bewertung ihrer Werke. Der Zauber dieser Musik, der die Menschen von dem Die in den Salons gespielte Musik war dabei vorerst tief erlebten Leid des ersten Weltkrieges ablenkte, nur Verbindungsglied von einzelnen Programmpunk- der neuen Lebensmut und -freude, neue Heiterkeit ten, oder sollte erlahmte Gespräche und Diskussio- und Glaube entfachte, verströmt noch immer die un- nen erneut entfachen. Später erhielten die musikali- sagbare Kraft und Tiefe eines Augenblicks. Auch am schen Beiträge den gleichen Stellenwert wie die heutigen Abend wird dieser Zauber erfahrbar durch anderen Programmpunkte. die Authentizität der Dresdner Salondamen: Sie sin- Die Tradition der Pariser Salons verbreitete sich in gen und spielen uns davon, dass Musik eine Medi- ganz Europa; der Grundgedanke der Salons wandelte zin gegen nahezu jeden Schmerz sein kann, denn: Mit sich, indem allmählich Entspannung und Ablenkung Musik geht alles besser, mit Musik fällt alles leicht! gegenüber den bis dahin geführten Diskussionen wis- senschaftlicher und politischer Themen im Vorder- grund stand. Das Publikum verlangte folglich nach

53 Schwarz-Weiß-Denken ist hinderlich

2Hot – ein Selbstversuch

Beim Festival Sandstein und Musik sind wir erstmals zu Gast: Mario Meusel und Christian Schöbel, besser bekannt als 2Hot. Was wir spielen? – Jazz. Aber was ist eigentlich Jazz und welchen spielen wir? Vorsicht ist geboten beim Versuch, Jazz zu definie- ren. Jazz ist sehr komplex. Die Grenzen sind fließend. Es wird improvisiert. Wo Noten vorkommen, dienen sie als gedankliche Stütze. Schon in seiner Entste- hung trug der Jazz Impulse der Revolte und des Auf- begehrens, verkörperte Wildheit und Verführung, Sehnsucht und Melancholie, Exzess und Ekstase. Seit etwa 100 Jahren haben sich Ragtime, Stride und Boogie Woogie ihren Charme bewahrt. Sie basieren auf der ursprünglichen Kraft des Blues. Die Mischung aus Tempo, Tricks und swingender Rhythmik ist ein- zigartig. Wir zelebrieren unsere Konzerte nimmermüde und in beständiger Duo-Besetzung seit über 20 Jahren. Wenn der Piano-Deckel aufgeklappt ist und die kleine Trommel zischt, wenn Füße wippen, Finger schnip- pen und Köpfe freundlich wackeln, wenn Leute wie auf Knopfdruck bessere Laune bekommen und ihre Steifheit ablegen, dann wirkt der Jazz.

Zwei oft gestellte Fragen

Man fragt uns in Interviews oft zuerst nach der Herkunft des Bandnamens und nach der Art unserer Musik. Wir antworten mit einem Schwenk in die Anfänge des Jazz. Gerade die frühen populären For- men der Klaviermusik lebten von der Nähe zum Publikum. Auditorium und Bühne verschmolzen. Eine Überhöhung des Künstlers ist weder nötig noch ge- wollt. Ob in Saloons, Kneipen, Trinkhallen, Spelun- ken oder Etablissements, der Mann am Piano spielte 2Hot – das sind die Dresdner Mario Meusel und Christian Schöbel. Swing, Ragtime und Blues kreuzen sich in ihrer Musik mit inmitten des Treibens, illustrierte den Trubel. heutigen Strömungen. Balladen gehören ebenso zum Programm. Boogie Woogie ist die wichtigste Zutat im „heißen Topf“. Einen konkreten Anfang der Geschichte, ein erstes Konzert oder ähnliches gibt es nicht. Aber deutliche Indizien, dass die aus Afrika verschleppten Sklaven Melodien der europäischen Einwanderer nahmen und seine Brassband waren die erste verbriefte At- den Blues im Gepäck hatten, den sie in ihren Ge- sie spielerisch auf, phrasieren sie aber grundsätz- traktion und versetzen die Stadtteile in helle Aufre- sängen pflegten und mit Wanderinstrumenten be- lich anders. Afrikanische Rhythmen bildeten einfach gung. Boldens „Jass“-Musik sorgte für Überschwang. gleiteten. Hinzu kam eine blühende Ragtimekultur um bessere Möglichkeiten der freien melodischen Aus- Wer ein Blas- oder Schlaginstrument hatte, musste die Jahrhundertwende. Pianisten griffen auf, was ge- schmückung. hin! Ob „Jass“ aus einem Sprachgag mit den Wör- fiel: Themen und Versatzstücke wurden mit Druck und Der Pianist Jelly Roll Morton behauptete zwar gerne, tern „Jam“ und „Brass“ entstand, kann nur vermutet fast polkaartiger Bassbegleitung versehen. Auf die er habe den Jazz erfunden, doch in New Orleans gilt werden. ganzen Zählzeiten konnten nunmehr mit der rechten noch heute Buddy Bolden als Urvater dieser Musik. Er Hand wirksame Triller und synkopierte „Fetzen“ ge- setzt werden. Ragtime bedeutet wortwörtlich „zer- Ein Konzert aus dem Patenschaftsprogramm rissene Zeit“. Danach haben wir auch unsere vor- der ENSO Energie Sachsen Ost AG letzte CD betitelt: „Ragged Times“. Während in den Häusern ein treibender Pianosound entstand, erfuhr die Musik auf der Straße einen neuen Impuls. In New Orleans zogen befreit aufspie- lende Brassbands durch die Straßen. Märsche und

54 23. Konzert Pirna, Tom-Pauls-Theater Vorprogramm „Schlagfertig“ Sonntag Daft Punk (Band) 23. Oktober 2016 „Get Lucky“, Arr.: Dana Leichsenring 17:00 Uhr / 20:00 Uhr Sascha Möller (geb. 1999) 23 „A Ribble“ Wenig später wurde daraus Jazz. Das Wort klang Pirna. Das Peter-Ullrich-Haus, in dem heute das wie die Musik: Anrüchig und unmoralisch. Dämme in Tom-Pauls-Theater seinen Sitz hat, war das Wohn- Chaka Khan (geb. 1953) „Ain’t Nobody“, Arr.: Felix Jaehn den Köpfen und Beinen der Menschen begannen haus Peter Ullrichs, jenes Baumeisters, der die zu brechen. Rassenschranken sollten sich als beschä- Marien-Kirche entwarf und bauen ließ. Tom Pauls rettete das älteste Baumeisterhaus Deutschlands, mend und hinderlich entlarven. denn es war in den vergangenen Jahren leider dem Ausführende Doch können wir als Europäer authentischen Blues Verfall preisgegeben. Percussionensemble „Schlagfertig“ und Early Jazz spielen? Einen Swing des Weißen Das Tom-Pauls-Theater ist eine moderne Spiel- der Musikschule Sächsische Schweiz: Mannes – gibt es den wirklich? bühne für Theater, Kabarett, Lesungen, Konzerte Gesa Marie Frisch, Justus Frisch, Wir sagen: Ja! Man kann es sich wie beim Einzug und Gesprächsrunden. Sascha Möller, Julius Humboldt ins Paradies vorstellen: Schwarze Musik auf den In- Leitung: Friedrich Steinke strumenten der Weißen. Inklusive aller Kuriositäten wie Schminken. Daraufhin dachten die Schwarzen Die Schallplatte trug immens zum Siegeszug des Boo- wiederum, sie müssten ihrerseits die geschminkten gie Woogie bei. Clarence Pine Top Smith schuf in der Weißen nachahmen. So entstanden die Minstrel- ersten Genre-Aufnahme jenen legendären Titel, der Programm Shows. Schwarz-Weiß-Denken ist ja immer hinder- fortan prägend war: „Pine Tops Boogie Woogie.“ Fol- „2Hot“ – eine pikante, kaum „zu heiß“ lich – hier ganz besonders. gerichtig ist dieser auch Teil eines jeden 2Hot-Kon- servierte Dresdner Mischung aus Boogie, zerts. Jeder Boogie-Spieler beschäftigt sich mit dem Blues, Dixieland und Jazz der 1920er-Jahre Vom Hot-Jazz zum Swing Stück, das ist eine Art Verpflichtung. Alle haben eine eigene Version davon. Wir nicht. Wir haben viele. Das Programm wird moderiert. Louis Armstrong war zunächst ein kleiner Junge, der Welche im Konzert erklingt, machen wir immer von schlicht Trompeter werden sollte. Einige Jahre spä- der jeweiligen Situation abhängig. Das gilt übrigens ter sollte er mit seiner heißen Spielweise einen Stil bei uns für alle Klassiker, egal ob Maceo Merrywe- Ausführende namentlich prägen: Hot Jazz. Die Bezeichnung „Hot“ athers „Chicago Breakdown“ oder den „Honky Tonk 2Hot – Mario Meusel und Christian Schöbel brachte es auf den Punkt. Draußen marschierten Train Blues“ von Meade Lux Lewis. Jazzkapellen und drinnen begannen die Pianisten Konzertdauer ca. 2 Stunden inkl. Vorprogramm mehr Bewegung in ihr Spiel zu bringen. Sie mar- Swing als Rebellion und Pause schierten aber nicht. Sie schritten. Die Musik hierzu war der Stride, bei dem die Protagonisten gedank- Interesse an der Musik war bei uns, Meusel und lich entlang der Straßen von Chicago und New York Schöbel, bereits im Kindesalter vorhanden. Der eine spazierten. trommelte im Kindergarten auf Eimern und Schüs- Stride Piano ist bis heute die hohe Schule. Es stellt seln, der andere bekam mit fünf Jahren ersten ge- allerhöchste Ansprüche an körperliche Verfassung strengen Klavierunterricht. Für ihre späteren Lehrer, und Konzentration. Mentor und Ikone war James Professor Siegfried Ludwig und Gert Hausmann, war P. Johnson. Pianisten, egal ob spezialisiert auf Re- der Swing Rebellion und Kraftquell zugleich. Ihre vue oder Schlager oder modernen Jazz, waren stets Songs haben sie teilweise im amerikanischen Rund- gute Stride-Pianisten: Fats Waller, Earl Hines, Willie funk beim Hören auf Mittelwelle mitgeschrieben. Wir „The Lion“ Smith, Art Tatum und Thelonious Monk. haben besonders bei ihnen, aber auch bei guten Hot Music ist sehr nahe am Ursprung, darum haben Freunden und Kollegen wie Axel Zwingenberger, bereits Armstrongs Besetzungen oft das „Hot“ im Na- Vince Weber oder Christian Willisohn genau jene men. Da wir es im Duo betreiben, nannten wir uns Lust am Schürfen in der Jazz-Geschichte erleben und kurz und bündig „2Hot“. Diese kleine Reminiszenz mitnehmen dürfen. Für all die Inspiration kann man soll daran erinnern, warum wir überhaupt Musik – nur dankbar sein. und nix anderes machen. Aus Hot Music wurde bald In den Westen gegangen, trafen sich Mario Meusel der Swing. und Christian Schöbel in Stuttgart. Es war in den ver- Stride als Musik der Zeit mündete in weiteren Spiel- rückten 1990ern. Alles schien zu gehen. Sämtliche weisen. Eine davon sollte die Musikwelt auf den Kopf Entscheidungen fielen ohne Sicherheitsdenken. stellen: Boogie Woogie. War in einem Haushalt die „Auch, die, es mit der Musik als Beruf und einem Le- Kasse knapp, wurde zur Feier geladen. Alle brachten bensmittelpunkt in Dresden zu versuchen“, so Meu- etwas mit und spendeten eine Kleinigkeit. Immer sel. Dazu gehören selbst organisierte Festivals, Ra- waren Pianisten aus dem Viertel zugange, Tickler dioshows, etwas Fernsehen und Kino. Vor allem genannt (aufgrund ihres Umgangs mit Frauen und Konzerte. Über 2300 mittlerweile. Und immer wieder Tasten). Shouter waren die Vorboten späterer Ge- schöne Begegnungen, etwa mit Tom Pauls und des- sangskunst, die ihre Botschaften und Refrains fast sen Theater. Dort gibt es nun die Festival-Premiere riefen. Die Boogie Men trieben sich zu Höchstleis- von 2Hot. – Let’s Boogie! tungen an und spielten sich um Kopf und Kragen.

55 Wald.Horn.Lied

Von Holger Schneider

Dass eine gut dreieinhalb Meter lange konische Messingröhre und die dem menschlichen Wesen eigenen Organe zur Tonerzeugung hervorragend miteinander harmo- nieren würden, wussten vermutlich schon jene jauchzenden Menschen, welche Metallröhren die ersten Töne entlockten. Dass die Musikgeschichte Beispiele für die besonders geglückte Kombination von Männerstimmen und Hörnern bereithält, ist nützlich, aber noch längst nicht das Ende vom Wald.Horn.Lied. Neben Schuberts „Nachtgesang“ und den „Jagdliedern“ von Schumann entführt das Programm in neue alte Gefilde. Die Reise führt nach Leipzig und Dresden, nach Wien und Berlin. Zurück in die Zeit zwischen 1823 und 1893. Sie bedeutet, aufmerksam zu sein gegen- über Verborgenem, Gerüchen, Bildern. Vor allem aber: Zu jeder Musik gibt es Menschen, die sie zum ersten Mal gerochen und gehört haben. Sieben kleine Geschichten sind hier aufgeschrieben, für und über sieben Menschen, deren Leben untrennbar verbun- den ist mit Musik. Bernhard Mühlig, Blick in die Sächsische Schweiz, um 1900. Bernhard Mühlig, geboren 1829 in Eibenstock, gestorben 1910 in Dresden, war Landschafts-, Tier- und Genremaler, Bruder des Malers Meno und Vater von Albert Ernst Mühlig. „Das Waldhorn menschlich gedacht, ist ein guter ehr- licher Mann, der sich eben nicht als Genie, sondern als empfindsame Seele fast allen Gesellschaften diese oft deutschtümelnde, patriotistische „Lieder- gebracht hat“. Ferdinand Hummel, Berliner Harfenist, empfiehlt.“ (Christian Friedrich Daniel Schubart) tafelei“ suspekt. Doch statt zu fliehen, geht Mendels- Pianist, Dirigent und Komponist, Sohn eines Flötisten, sohn hin, bereichert das Genre mit den besten Wunderkind … Als Komponist engagierte er sich für 1. Der kleene Horn – „Der kleene Horn macht sei Männerchören und holt dazu große Dichter an seine Männerchorgesang. Die „Waldwanderung“ für zwei Stückchen“, sagen die Sachsen, wenn der Februar Seite. Zum Beispiel Goethe für das gesellige, weil bis vier Hörner und vierstimmigen Männerchor op. 48 besonders kalt ist. So lehrt es ein Leipziger Unter- kanonisch angelegte „Türkische Schenkenlied“. Und erscheint 1887. Wenngleich sein Eintrag in den mei- richtsbuch von 1897. Einem ganz anderen „kleinen Eichendorff, dessen „Der Jäger Abschied“ („Wer hat sten Filmmusik-Lexika fehlt: Ferdinand Hummel zählt Horn“ widmet sich die Jubiläumsschrift „Das Kö- dich, du schöner Wald“) in romantische Welten zu den ersten Filmkomponisten. nigliche Conservatorium der Musik zu Leipzig entführt – erst recht in Begleitung von vier Hörnern. 4. Magische Töne – Anfang der 1860er-Jahre macht 1843-1893“, die Studenten „der ersten Stunde“ nä- Mendelssohns Lieder op. 50 sind allerdings die in Wien ein Mann mit einer Musik von sich reden, her vorstellt, darunter „August Horn aus Freiberg, der einzigen, die zu Lebzeiten gedruckt werden. Seine die in ihrer faszinierenden Melange den Zeitge- ‚kleine Horn’, erst vor mehreren Monaten in Leipzig anderen Männerchöre sollten erst aus dem Nachlass schmack der vorrevolutionären habsburgischen verstorben, ein liebenswürdiges Original, der treffli- neu entdeckt werden. Metropole offenbar ins Herz trifft: Karl Goldmark, ein che Arrangeur und Partitur-Bearbeiter für den 3. Großes Kino – „Schreiben Sie doch, wer und was Autodidakt, der sich aus ärmlichen Verhältnissen bis- Breitkopf & Härtel‘schen Verlag“. ist eigentlich Ferd. Hummel?“, erkundigt sich Brahms lang nur mühsam als Theatergeiger heraushangelt, Unter den vortrefflichen, beliebten Arrangements beim Verleger Simrock. Offenbar hat Brahms nicht ist auf dem besten Weg, „vielleicht der größte August Horns finden sich Wagnerwerke und eine hinreichend wahrgenommen (oder vergessen), dass Zauberer des Orchesterklanges“ zu werden, so der vierhändige Klavierbearbeitung der Bachschen Mat- jener „Ferd. Hummel“ ihm seine vierhändige Suite österreichische Schriftsteller Richard Specht zum thäus-Passion! Horn hegt offenbar eine Vorliebe für op. 15 1877 als Zeichen großer Verehrung mit der hundertsten Geburtstag von Goldmark. Niemand bläserbegleiteten Männersang; unter seinen weite- Bitte um Widmungserlaubnis und der Anmerkung sonst habe „dieses silbern Tropfende, Harfende und ren Opera finden sich eigenwillige Besetzungen bis überlassen hat, „dass Ihre, von Gott begnadete Muse, Psalmende der magischen Töne und des berauschen- hin zu vollem Bleche! Das Eröffnungsstück dieses mich erst zur Kenntniß von erhabenerem Schaffen den Duftes einer Tonsprache“. Zahlreiche Werke, Konzerts erscheint 1867 als „Waldlied für Männer- chor mit Begleitung von 4 Ventilhörnern [!] (ad libi- Ein Konzert aus dem Patenschaftsprogramm tum)“ op. 26, hier zu hören in einer 2008 in Leipzig der ENSO Energie Sachsen Ost AG neu herausgegebenen Fassung. 2. Flucht nach vorn – Er könne „schlechte Witze und schlechte Musik“ auch alleine machen, winkt Geiger Ferdinand David beim Stichwort Männerchor ab. Auch seinem Freund Felix Mendelssohn Bartholdy ist

56 24. Konzert Lohmen, Ev. Kirche Aus: Sechs Lieder für vierstimmigen Männerchor op. 50 MWV SD 22 Samstag 1. Türkisches Schenkenlied (Johann Wolfgang von Goethe) 26. November 2016 5. Liebe und Wein (Julius Mosen) 17:00 Uhr 2. Der Jäger Abschied (Josef von Eichendorff), für Männerchor 24 und vier Hörner darunter das zweiteilige „Meeresstille und Glückli- Lohmen. Erbaut 1786 bis 1789. An der Kirche wirkte che Fahrt“ op. 16 für Herrenchor und 4 Hörner nach von 1797 bis 1823 Pfarrer Carl Heinrich Nicolai, der Goethe, gehen auf Goldmarks schaffensreiche 1801 den ersten Wanderführer über die Sächsische Ferdinand Hummel (1855-1928) Aus: „Waldwanderung“ Phase als Chormeister zurück. Schweiz schrieb. Im Inneren ist die Kirche als letzter barocker Zentralbau in der Nachfolge George Bährs Sechs Lieder und Gesänge für vierstimmigen 5. Habet acht! – Robert Schumann übernimmt im gestaltet. Die farbige Ausgestaltung in Weiß mit Männerchor mit zwei, drei und vier Hörnern op. 48 November 1847 die Leitung der Dresdner Lieder- zarter Goldverzierung zeigt bereits Merkmale des Klas- 1. Sehnsucht nach dem Walde (Volkslied) tafel, gründet jedoch bald darauf einen eigenen sizismus. Mit 835 Sitzplätzen ist sie die größte Dorf- 3. Waldlied (Wilhelm Kritzinger) gemischten Verein für Chorgesang (ein Vorläufer der kirche in der Sächsischen Schweiz. 4. Waldrast (Peter Johann Willatzen) 1884 entstandenen Singakademie). Einige Monate 5. Das Waldhorn (Volkslied) später flieht die Familie vor den Wirren und Schreck- 6. Abschied vom Wald (Volkslied) nissen der Mai-Aufstände über Maxen nach Kreischa. horns, und sein Bruder Eduard Constantin – finden Mag wohl eines Hornes ferner Klang über den Lock- als Wiener Musiker später selbst noch bei Richard Karl Goldmark (1830-1915) witzgrund geschwebt sein und mögen Schumann die Wagner höchste Anerkennung. Der Rezensent der „Meeresstille und Glückliche Fahrt“ Texte aus dem Jagdbrevier des mit ihm bekannten Wiener Allgemeinen Theaterzeitung ist mit der Ba- für Männerchor und Hörnerbegleitung op. 16 (Johann Wolfgang von Goethe) Heinrich Laube als besonders reizvoll aufgrund lance zwischen den Gesangsstimmen und vier Hör- ihrer musikalischen Anweisungen erschienen sein nern recht zufrieden, meint aber, dieses „Tonge- Pause („Ein Lied zu Waldhörnern“ steht über dem ersten mälde, in einem passenderen Lokale, im Freien, bei Gedicht): Die Schilderung deutschen Jägerbluts im einer Nachtmusik aufgeführt, müßte von entzücken- Robert Schumann (1810-1856) letzten Lied befremdet und auch nationalistische der Wirkung sein.“ Fünf Gesänge aus Heinrich Laubes „Jagdbrevier“ Töne sind unüberhörbar: „Bei der Flasche!“ (Die Geschichten sind ausführlicher zu lesen im Boo- für vierstimmigen Männerchor mit Begleitung von Die Hörner sind ad libitum gedruckt, sicher aber klet der aktuellen CD, d. Red.) vier Hörnern op. 137 („Jagdlieder“) obligat gedacht; romantische Jagdmotivik zieht sich 1. Zur hohen Jagd wie ein roter Faden durch Schumanns Werk. In den 2. Habet acht! Jagdliedern findet sich neben anderen musikalischen Vorprogramm „Barock, Barock“ 3. Jagdmorgen Feinheiten ein subtiler zyklischer Bezug in Verände- 4. Frühe 5. Bei der Flasche rung der Textvorlage: Am Ende der Nr. 4 („Frühe“) Georg Philipp Telemann (1681-1767) intonieren die Waidmänner auf die von Schumann Aus: Suite Nr. 1 für Trompete und Klavier, Arr.: Peter Wastall (1932-2003) Aus: Sechs Lieder für vierstimmigen Männerchor ergänzten Worte „Auf zur Jagd!“ das gleiche Motiv Allegro – Siciliano –Presto op. 33 wie am Beginn der Nr. 2 („Habet acht!“) – vom 5. Rastlose Liebe ersten Tenor jedoch von Moll nach Dur gewandelt. Johann Christoph Pepusch (1667-1752) (Johann Wolfgang von Goethe) 6. Wer? Wie? Was? – Ein wundersames Hornquar- Triosonate F-Dur für Altblockflöte, Violine 3. Die Lotosblume (Heinrich Heine) tett gibt seit seiner Wiederentdeckung hartnäckige und Basso Continuo Rätsel auf: Das 1893 in Leipzig veröffentlichte Quar- Largo Constantin Homilius (1813-1902) tett B-Dur op. 38 in F eines gewissen Constantin Allegro Quartett B-Dur für vier Waldhörner in F op. 38 Homilius. Schon dessen Ankündigung in Hofmeisters Adagio Alla Marcia Monatsbericht vom November 1893 genügte zur Allegro molto Andante Presto ersten Verwechslung: der Verlag ist ein anderer: Carl Merseburger. Sodann fand sich wohl auf den ersten Ausführende Lea Viertel, Altblockflöte Franz Schubert (1797-1828) Blick kein Komponist dieses Namens, woraufhin man Adele Richter, Trompete „Nachtgesang im Walde“ den einzigen bekannten Homilius (neben Gottfried Lieselotte Bistry, Violine für vier Männerstimmen mit Begleitung von vier August) hernahm und ihm kurzerhand den Namen Nina Viertel, Violoncello Hörnern D 913 (Johann Gabriel Seidl) verdrehte. Ein Kuddelmuddel umso mehr, da das Leon Zheng, Klavier Werk in der Tonart B-Dur betitelt ist, aber eindeutig Paul Schwermer, Cembalo Ausführende nach Es klingt. Aufklärung tut Not … Schüler der Musikschule Sächsische Schweiz amarcord: 7. Entzückende Wirkung – Über 100 Kompositionen Wolfram Lattke, Robert Pohlers (Tenor) für und mit Männerchor, Fragmente eingeschlossen, Frank Ozimek (Bariton) zählt das Werk Franz Schuberts. Alle Spielarten mehr- Programm Daniel Knauft, Holger Krause (Bass) stimmigen vokalen Musizierens sind vorhanden, bis August Horn (1825-1893) german hornsound: hin zu völlig neuartigen Besetzungen mit Hornquar- „Waldlied“ (Wilhelm Dunker) Christoph Eß tett. Für das „Privatkonzert Josef Rudolf Lewys des für Männerchor mit Begleitung von vier Ventil- Sebastian Schorr Jüngeren, Waldhornisten am Kärntnertor-Theater, hörnern op. 26 Stephan Schottstädt am 22. April 1827 zur Mittagsstunde im Musikver- Timo Steininger einssaale“ komponiert, wird der „Nachtgesang im Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) Walde“ an siebter Stelle des Programms zum Besten Aus: „Ein Sommernachtstraum“, Konzertdauer: ca. 1 Stunde 40 Minuten inkl. Pause gegeben. Zwei der Hornquartettvirtuosen – der Auf- Bühnenmusik op. 61 MWV M 13 traggeber Josef Rudolf Lewy, ein Pionier des Ventil- 6. Notturno. Con moto tranquillo, bearbeitet für vier Hörner

57 Weihnachten der Kulturen

Von Thomas Hendel

„Barrierefreie Volksmusik“ – unter diesem Motto steht dieses Weihnachtsprogramm des Festivals Sandstein und Musik. Der erste Titel führt an die Atlantikküste Frankreichs. Der „An Dro“, ein in der Bretagne kultivierter Hirtentanz, wird auf zwei Schalmeien vorgetragen. Wie könnte es auch anders sein? So gilt die Schalmei – ein Vor- gänger unserer heutigen Oboe – im Volksmund als das Hirteninstrument des Mittelalters. Aus dem Mit- telalter stammt auch das nächste Lied von Walther von der Vogelweide. Der Künstler dürfte vielen als große Gestalt des Minnesangs bekannt sein. Im „Pa- lästinalied“ offenbart sich aber auch eine politische Seite. Neben der Minne, der werbenden Verehrung einer Frau, zählten auch das Herrscherlob und die Idealisierung der christlichen Religion zum Sujet der höfischen Literatur um 1200. An den Höfen der Zeit zelebrierte man eine regelrechte Importkultur und übernahm aus Frankreich Ideen aus Literatur und Mode. Auch die Melodie des Liedes spiegelt diese Tatsache wider, denn sie ist als Kontrafaktur eines französischen Motivs zu sehen.

Die ethnographische Karte Europas ist komplex

„Daphne“ stammt aus der Feder des Blockflöten- Simone Martini und Lippo Memmi, Verkündigungstriptychon, Tempera auf Holz,1333. Die Mitteltafel stellt Maria Verkündigung dar. virtuosen Jacob van Eyck. Die Blockflöte war wäh- rend der Renaissance- und Barockzeit beliebt, verlor in den anschließenden Jahrhunderten aber an Be- Industrialisierung wurden auch die Grenzen zwischen romantisch verklärt und ein bedeutender Teil der Hip- deutung. Ihre Wiederbelebung ist Peter Harlan zu ver- dem ländlichen und dem städtischen Raum verwischt. pie- und Friedensbewegung ab 1969; auch in danken, der 1921 im vogtländischen Musikwinkel So fand die Volkskultur langsam ihren Weg in die Deutschland. In den folgenden Jahrzehnten wich die eine vereinfachte Griffweise entwickelte. Die Block- Mitte der Gesellschaft. politische Motivation hinter dieser Musik einer Art flöte wurde zu einem oft gewählten Einstiegsinstru- Man erkannte auch den hohen Stellenwert des Wanderlust, die in den 1990er-Jahren ihren Höhe- ment für Kinder. europäischen Volkstanzes, der insgesamt vier Funk- punkt fand. Das millionenfach verkaufte Album Dem weithin bekannten Weihnachtslied „Als ich bei tionen in der Gesellschaft erfüllt: Tanz als spirituelle „Buena Vista Social Club“ ist ein Zeuge für den Über- meinen Schafen wacht“ folgt eine Vielzahl europäi- Erfahrung, als Ausbildung einer Gruppenidentität, als gang der Weltmusik in die Popkultur. scher Volkstänze. Eine Jig aus Irland, eine Ratsche- soziale Interaktion oder auch als Wettbewerb. nitza aus Bulgarien sowie ein Tanz aus Serbien. Die Die zweite Hälfte des Konzertes steht im Zeichen der Das Genre Weltmusik bleibt aktuell ethnographische Karte Europas ist weitaus komple- Weltmusik. Bereits in der Zeit des Impressionismus xer als eine politische Karte. Seit jeher unterlagen entwickelte sich ein reges Interesse an den Kulturen Die Titel „Altkötzscheck“, „Jouluppuu on rakennettu“ die einzelnen Volkskulturen zwei Wandlungsprozes- anderer Länder; Claude Debussy wurde 1889 auf der und „Juokse sinä humma“ im heutigen Konzert be- sen. William C. Reynolds beschreibt diese in seinem Weltausstellung in Paris von javanischer Gamelan- weisen die Aktualität des Genres Weltmusik. So Artikel „European Traditional Dance“ 1998 als Evolu- Musik inspiriert. Seine Kompositionen sind stoffli- erklingen nach dem orientalischen Tanz Weihnachts- tion; sozialer Wandel hat Auswirkungen auf die Stel- ches Substrat dieser exotischen Musizierpraxis. Die lieder aus dem finnischen und russischen Raum. lung von Kunst und die Absorbierung der Einflüsse Werke scheinen beinahe ohne Grundton auszukom- Orlando di Lassos „Audite Nova“ führt noch einmal in von außerhalb. Diese Wandlungsprozesse erklären men, basieren auf Ganztonleiter und Pentatonik. In die Renaissance zurück. Das Werk wurde 1573 in die vielseitige Volkskultur in Europa. den 1960er-Jahren etablierte sich in Deutschland zu- München veröffentlicht. Ungewöhnlich erscheint die Trotzdem spielte die Volkskultur und speziell der nehmend der Begriff Weltmusik. Während in den derbe Bildsprache des Textes und auch die Laut- Volkstanz lange Zeit nur eine marginale Rolle in anglophonen Ländern dieses Wort als eine Art Wer- malerei „gyri gyri gaga Gans“. Europa, nur selten wurden volkstümliche Tänze auf- beslogan diente, bemühte man sich in Deutschland Unter Zuhilfenahme solcher rhetorischer Mittel ver- gezeichnet. Erst im 19. Jahrhundert kam ein Interesse seiner Kommerzialisierung mit einem hohen künstle- sucht Lasso den Alltag des Bauern aus „Eselskirchen“ an dieser Art Kultur auf. Die aufblühende urbane Ge- rischen Anspruch entgegenzutreten. zu parodieren. Ähnlich wie sein Zeitgenosse Hans sellschaft und die soziale Elite, die sich als Welten- Nach dem Zweiten Weltkrieg fühlten sich besonders Sachs greift er religiöse Themen auf – hier den Mar- bürger sahen, haben die Volkskultur Stück für Stück Jazzer und Avantgardisten in der Pflicht, einen Kultur- tinstag – und nutzt sie zur satirischen Anspielung. Es als eine Parallelwelt begriffen. Mit der einsetzenden austausch voranzutreiben. Weltmusik wurde beinahe zeigen sich starke Parallelen zu der literarischen Gat-

58 25. Konzert Schmiedeberg, Ev. Kirche Altkötzscheck Musik: traditionell Sonntag Orientalischer Knabentanz vom Radebeuler Weinberg

27. November 2016 Jouluppuu on Rakennettu 17:00 Uhr Musik und Text: traditionell 25 Exkursion ins Land des Weihnachtsmannes tung des Fastnachtspieles, das auch in der Renais- Schmiedeberg. Die Stadtkirche, die in ihrem Äuße- sance zur Belustigung in der Fastnachtszeit diente. ren ein griechisches Kreuz mit zentralem Glocken- Juokse sinä Humma Letztendlich ist auch die Verwendung der deutschen türmchen aufweist wurde 1713 bis 1716 von dem Musik und Text: traditionell Russische Teddybären und finnische Pferdeschlitten in Sprache, also die Entdeckung der Volkssprache, ein Dresdner Ratszimmermeister George Bähr als eine seiner frühesten Saalkirchen gebaut. Die Kanzel schuf stockdunkler Nacht wichtiger Punkt, den dieses Musikstück unterstreicht. Benjamin Thomae 1716 aus Sandstein mit vollplas- tischen Engeln am Fuß in den reichen Formen des Weihnachten im Erzgebirge Von Katalanien zurück zu Goethe und Zelter Barock. Musik und Text: Michael Praetorius (1571-1621) Im barocken Orgelprospekt von 1716 ist heute eine Erzgebirgisches Liedgut auf praetorianischer Bourrée Erich Langs Lied vom „Raachermannl“ stammt aus Orgel aus dem Jahre 1967 von der Firma Rühle ein- dem Jahr 1937. Es verweist auf die Tradition der gebaut. Insgesamt ist die Schmiedeberger Kirche Audite Nova Räuchermännchen und Schwibbögen aus dem Erz- ein sehr schöner, lichter, fröhlicher, bergender, Musik und Text: Orlando di Lasso (1532-1594) gebirge. Bereits im 19. Jahrhundert war das Deko- erhebender Raum. Tafellied. Gans in Weiß. Wo aber liegt Eselskirchen? rieren zur Weihnachtszeit ein fester Brauch. E. T. A. Hoffmanns Kunstmärchen „Nussknacker und Mäu- God Rest Ye Merry Gentlemen Musik und Text: traditionell sekönig“ beschreibt dies auf beeindruckende Weise. Weihnachtsprogramm der Kulturen. Karlheinz Stock- Wirbelante Bearbeitung eines englischen Chorals „Wirbeley in Katalanien“ entführt in die andalusische hausen forderte 1973 in einem Aufsatz: „von den an- Tanztradition. Diese ist eng verbunden mit dem Kul- deren Kulturen so viele kristallisierte Formen in ih- Wenn es Raachermannl nabelt turaustausch zwischen Arabern und Spaniern. rem jetzigen Zustand zu erhalten, wie überhaupt nur Musik und Text: Erich Lang (1895-1940) Den Abschluss markiert Goethes Gedicht „Die Heili- möglich.“ Mit diesem vielseitigen Konzert wird die- Erzgebirgischer Exportschlager gen Drei Könige“. Es wurde bereits 1810 von dem ser Forderung sicherlich nachgekommen. ihm befreundeten Carl Friedrich Zelter vertont. Kein Wirbeley in Katalanien anderer Name lässt sich so gut mit den Begriffen Musik und Text: traditionell Volkslied und Volkskultur in Verbindung bringen. Der Maurische Stimmungskatalone Komponist gilt zusammen mit Johann Gottfried Her- der als großer Verfechter des Volkslied-Ideals. Beide Die Heiligen Drei Könige Musik: Carl Friedrich Zelter (1758-1832), standen in der Tradition der Berliner Liederschulen Text: Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) des 18. Jahrhunderts und forderten Textverständlich- Spottlied vom Altmeister der Faust-Kunst keit und leicht singbare Melodien. Liedgut sollte für jedermann zugänglich sein. Damit endet dieses Ausführende Wirbeley: Programm Kommet, ihr Hirten Oda alias Anna Katharina Schumann (Flügelhorn, Musik und Text: traditionell Waldhorn, Bockshorn, Baritonhorn, Stiller Zink, Block- „Wirbeleynachten“ – Sechs Spielleute aus Irische Jig mit böhmischer Kunde flöten, Schalmei, Duduk, Gesang) der sächsischen Residenz verwirbeln zu Her- Erkentrud alias Cornelia Schumann (Viola, Gesang) zen gehende, freche, sinnliche, tänzerische Das Schiff Siegmunda alias Eike Geier-Tautenhahn (Trompete, Musik vieler Länder zum Thema Weihnach- Musik: Michael Sapp (geb. 1968) Zink, Blockflöten, Gesang) ten Ratschenik (7/8) nach einem Choral des Ali alias Bjarnhard, der Schläfer von Konstantinopel Andernacher Gesangbuches von 1608 alias Michael Sapp (Davul, Daf, Tammorra, Esraj, Bretonischer Hirtentanz mit zwei Schalmeien Gesang) Andro Rieu Ich steh an deiner Krippen hier Doktor Liborius alias Georg Arthur Schumann (Akkor- Musik: traditionell Musik: Johann Sebastian Bach (1685-1750), deon, Singende Säge, Lyra, Gesang) Text: Paul Gerhardt (1607-1676) Giovanni della Montagna alias Yamato Hasumi (Laute) Palästinalied Bach macht dem Christuskind seine Aufwartung Musik: traditionell, Text: Walther von der Vogelweide (1170-1230) Erfreue dich, Himmel Bearbeitungen Ausflug an den Originalschauplatz der Weih- Musik: traditionell Eike Geier-Tautenhahn, Michael Sapp, Anna Katharina nachtsgeschichte zur Kreuzfahrerzeit mit Duduk, Lobpreis im 6/8-Rhythmus nach dem Schumann, Cornelia Schumann und Georg Arthur Esraj und Laute Strassburger Gesangbuch 1697 Schumann

Daphne Sehr bie nous Konzertdauer ca. 1 Stunde 40 Minuten inkl. Pause Musik: Jacob van Eyck (1590-1657) Musik: traditionell Walzer aus Amsterdam mit Myrrhe und würzigem Erzgebirgische Einsiedler tanzen auf serbischer Lorbeer auf dem Haupt eines Renaissancetänzers Sause

Als ich bei meinen Schafen wacht Pause Musik und Text: traditionell Froh! Froh! Froh! Den Hirten wird’s verkündigt.

59 Fröhlich soll mein Herze springen

Von Karsten Blüthgen

Traditionell endet ein Festivaljahrgang bei „Sandstein und Musik“ in der dunklen Jahreszeit. Diese heißt die Klänge der Blechbläser sehr willkommen. Als „Sonnenstrahl in der Finsternis“ beschrieb der französische Gelehrte Marin Mersenne (1588-1648) den alten Zink, der wie eine Trompete geblasen wird und mit ihr klangver- wandt ist. Für das auf modernen Instrumenten musi- zierende Blechbläserensemble Ludwig Güttler hat „Bläserweihnacht“ einen festen Platz im Konzertjahr. Die farbige Folge von Sätzen ist erlesen und drama- turgisch sorgsam gewählt. Güttler, Musiker, Dirigent und Forscher, gliedert sein Programm in mehrsätzige, inhaltlich geschlossene Abschnitte (Partiten). Es stellt so bedeutende Lieder und Choräle wie „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ aus verschiedenen Perspek- tiven vor. Die Lesarten reichen vom schlichten Cho- ral bis zur prachtvollen Canzona. Dabei wird bewusst, wie weich, wandlungsfähig und wärmend Blechblä- ser klingen. Einen Höhepunkt bildet das Lied „Es ist ein Ros entsprungen“, eines der am meisten verbrei- teten Weihnachtslieder.

Partiten von Festlichkeit und abgerundeter Form Jacopo da Ponte, genannt Bassano (um 1510-1592), „Adorazione dei Magi“ („Anbetung der Könige“), um 1563-1564

Johann Heinrich Schmelzers Suite in C-Dur für zwei Blechbläserchöre eröffnet klangprächtig eine Reise Einer eröffnenden Sinfonia folgen in dieser Partita Fritz Busch komponierte und arrangierte im amerika- durch mehrere Jahrhunderte und Regionen. Instru- der berühmte vierstimmige Satz von Michael Praeto- nischen Exil einige Spirituals für Chöre. Ludwig mentalsätze aus Europa und Nordamerika erzählen rius, später ein Kanon für vier Posaunen von Melchior Güttler wurde durch den Brüder-Busch-Kreis e. V. in Episoden der biblischen Weihnachtsgeschichte nach. Vulpius. Eine Paduane von William Brades lauscht Hilchenbach darauf aufmerksam und bat seinen Sohn Andere korrespondieren auf der Ebene musikalischer der eben verklungenen Weihnachtsweise nach. Die Bernhard, einige dieser reizenden Madrigale für Motive, was interessante Bezüge aufdeckt. So ent- Spuren ihrer Melodie, einer der bekanntesten des Blechbläser zu arrangieren. puppt sich Johann Sebastian Bach „Magnificat-Kon- Weihnachtsfestes überhaupt, führen weit zurück – Was macht Weihnachten so groß und zeitlos? Wie zert, das Ludwig Güttler aus Bach-Sätzen zusammen- wenigstens bis zum „Speierischen Gesangsbuch“, feiern wir das Fest nach 500 Jahren Reformation? stellte, als stimmige Abrundung des ersten Pro- das 1599 in Köln erschien. Praetorius (eigentlich Was schenkt man? Was lässt uns im ungünstigen Fall grammteils. Der Begriff „Partita“ entstammt wie eine Schultheiss oder Schultze), 1571 bei Eisenach gebo- enttäuscht zurück? „Da haben wir die Bescherung“ Vielzahl der Werke dem Zeitalter des Barock, wo er ren, gilt als der vielseitigste und einflussreichste ist eine wohlbekannte Redewendung, mit der sich Er- für eine Folge eigenständiger und ebenso zusammen- deutsche Komponist seiner Zeit. Sein erwähnter Kan- wachsene zu allen Zeiten ihrem Ärger über Unange- gehöriger Sätze steht. Bekannte Weisen erscheinen tionalsatz, enthalten in der bedeutenden Sammlung nehmes Luft machen. Eine Enttäuschung kann das aus verschiedenen Perspektiven vollkommener und „Musae Sioniae“ (die in neun Teilen zwischen 1605 Geschenk des heutigen Abends nicht sein. Es lässt zeigen kaum gehörte Facetten. und 1611 erschien), ist vermutlich der erste mehr- an Martin Luther denken, dem Musik eine Schöp- Eine dieser Partiten ist „Es ist ein Ros entsprungen“ stimmige Satz, in den dieses Lied gekleidet wurde. fungsgabe war – von höchstem erzieherischen Po- gewidmet – einem Lied, dessen Text ein Rätsel Historische Leistungen wie die von Praetorius ließen tenzial: „Musica ist eine halbe Disziplin und Zucht- aufgibt: Mitten im Winter und in tiefer Nacht bringt über die Jahrhunderte einen umfangreichen Werk- meisterin, so die Leute gelinder und sanftmütiger, ein Ros (Reis) ein Blümlein hervor. Doch es ist Heilige bestand wachsen. Das Blechbläser-Programm be- sittsamer und vernünftiger machet.“ Nacht und in der zweiten Strophe wird das Rätsel dient sich aus einen Füllhorn an Möglichkeiten, aufgelöst: „Das Röslein, das ich meine“ ist Maria, Lied-Melodien zu bearbeiten, fügt ihm weitere Satz- Die Lieder umspannen eintausend Jahre das Blümlein ist Christus. Diese Allegorie hat einen varianten und instrumentale Konstellationen hinzu, biblischen Hintergrund. Als Sohn des Isai lässt sich stellt Intraden und sinnenfrohe Tänze der Renais- Advent und Weihnachten sind untrennbar mit Musik Christi Abstammung bis zum König David zurückver- sance zeitgenössischen Kompositionen gegenüber. verbunden. Die frühesten überlieferten Weihnachts- folgen (Matthäus 1,16). Jesus gehe als „Reis“ aus Die Allemande und Courante für zwei Pauken schrieb lieder, die wir heute kennen, haben lateinischen Text dem „Stumpfe Isais“ hervor. Das zunächst nur zwei- Ludwig Güttler in den 1990er-Jahren, um die Weih- und entstanden etwa vor eintausend Jahren. Ein strophige Lied erfuhr erst im 19. Jahrhundert eine nachtskonzerte der Blechbläser zu bereichern. Eine Großteil entstammt der frühen Neuzeit. Andere sind Erweiterung: Christus vertreibt die Finsternis, rettet fast exotische Komponente bringen die Sätze von deutlich jüngeren Datums: „Stille Nacht“ wurde von Sünd und Tod. Adolf Busch ein. Der Bruder des Dresdner Dirigenten erst im 19. Jahrhundert erfunden. Abermals fällt

60 26. Konzert Pirna, Stadtkirche St. Marien Partita über „Fröhlich soll mein Herze Samstag / Sonntag springen“ 10. / 11. Dezember 2016 Giovanni Gabrieli (um 1553-1612) Canzon IX achtstimmig für Blechbläser 17:00 Uhr Michael Praetorius 26 „Jubilate Domino“, neunstimmige Motette für der Name Michael Praetorius. Von ihm ist die be- Informationen zur Stadtkirche St. Marien zu Pirna fin- den Sie auf Seite 11. Blechbläser, Nr. 45 aus: „Musarum Sioniarum kannteste deutsche Fassung des Quempas überlie- motectae et psalmi latini“, Nürnberg 1607 fert. Im Quempas verbinden sich zwei lateinische Weihnachtslieder: „Quem pastores laudavere“ (Den Ludwig Güttler die Hirten lobeten sehre) sowie „Nunc angelorum glo- verteilten Rollen. In der zwölften Strophe ist das Allemande und Courante für zwei Pauken ria“ (Heut sein die lieben Engelein). Geschehen bereits tief in der Huldigung des Heilands Johann Crüger Dem Lied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ ist angekommen. Ihre Worte halten uns wach: „Fröhlich soll mein Herze springen“, Choral die abschließende Partita gewidmet. Entstanden vierstimmig mit zwei hohen Trompeten und 1535, gehört es zu den bekanntesten Luther-Liedern. „Das hat also gefallen dir,/Die Wahrheit anzuzeigen Pauken, Berlin 1657 In 15 Strophen erzählt der Reformator die Weih- mir:/ Wie aller Welt Macht, Ehr und Gut/ Vor dir Partita über „Kommet ihr Hirten“ nachtsgeschichte in Form eines Krippenspiels mit nichts gilt, nichts hilft noch tut.“ Michael Praetorius „Den die Hirten lobeten sehre“ („Quem pastores laudavere“), Quempas für vier Blechbläserchöre, aus: „Musae Sioniae“, 5. Teil, 1607 Programm Ludwig Güttler Intrada Partita für Blechbläser im Advent „Kommet ihr Hirten“ „Wie soll ich dich empfangen“ für vier Blechbläsergruppen und Pauken Johann Heinrich Schmelzer (um 1623-1680) Suite in C-Dur für zwei Blechbläserchöre Valerius Otto (1579-nach 1612) Bastian Chilese (17. Jahrhundert) Intrada – Allemande – Bourrée – Intrada in Es für Blechbläser und Pauken, Canzon Nr. 31 für zwei Blechbläserchöre „in Echo“ Sarabande – Allemande Prag 1611 Adolf Busch (1891-1952) Partita über Marias Wiegenlied Ludwig van Beethoven (1770-1827) Aus: „Seven Madrigals on Negro Sprituals“ op. 58b „Joseph, lieber Joseph mein“ Fünf Variationen über „Tochter Zion“ (Bearbeitung: Bernhard Güttler) für Blechbläser und Pauken Gwine up – Mary an’ Martha jes’ Johann Walter (1496-1570) gone – ’long – I’m troubled in mind „Uns ist geborn“ für fünfstimmigen Bläserchor Antonio Vivaldi (1685-1759) Allemanda für zwei Blechbläserchöre Walther Hensel (1887-1956) Ausklang: Partita über „Singt und klingt“ für drei Posaunen Johann Crüger (1598-1663) „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ „Wie soll ich Dich empfangen“ Gisbert Näther (geb. 1948) für vierstimmigen Bläserchor und Pauken Michael Praetorius „Singt und klingt“ für drei Trompeten und Choral – Choral mit zwei hohen – Canzona fünfstimmig für Blechbläser und Pauken Basstuba Trompeten und Pauken Johann Sebastian Bach Horst Karl Hessel (1916-2006) Costanzo Antegnati (1549-1624) Choralbearbeitung für Blechbläser „Singt und klingt“ für alle Blechbläser Canzon IX „La battera“ für Blechbläser Johann Eccard (1553-1611) Walther Hensel/Ludwig Güttler (geb. 1943) Choral fünfstimmig für Blechbläserchor, Postludium Partita über Königsberg 1597 „Es ist ein Ros entsprungen“ Michael Praetorius Orindio Bartolino (17. Jahrhundert) Michael Praetorius (1571-1621) Choralbearbeitung für Trompete, Waldhorn und Canzon Nr. 30 für zwei Blechbläserchöre Sinfonia für Solotrompete und vier Posaunen Posaune, aus: „Musae Sioniae, vierdter Theil“, Helmstedt 1607 Michael Praetorius Choral, aus: „Musae Sioniae, sechster Theil“, Choralcanzon für zwei Blechbläserchöre und Wolfenbüttel 1609 Pauken, aus: „Musae Sioniae“, 9. Teil, Wolfenbüttel 1610 Melchior Vulpius (1560-1650) Kanon für vier Posaunen Ausführende William Brade (1560-1630) Blechbläserensemble Ludwig Güttler: Paduane für vier Corni da caccia, Horn, Ludwig Güttler, Sven Barnkoth, Volker Stegmann, vier Posaunen und Basstuba Thomas Irmen, Johann Clemens (Trompete, Hohe Trompete, Corno da caccia) Erich Markwart (Waldhorn) Johann Sebastian Bach (1685-1750) Olaf Krumpfer (Alt- und Tenorposaune) Concerto C-Dur aus BWV 1056/661/733 Nicolas Naudot (Tenorposaune) „Magnificat-Konzert“ Guido Ulfig (Tenor-Bassposaune) Allegro – Choral – Fuga Christoph Auerbach (Bassposaune) Hans-Werner Liemen (Tuba) Christian Langer (Pauken und Schlagzeug) Pause Leitung: Ludwig Güttler

Konzertdauer ca. 1 Stunde 55 Minuten inkl. Pause

61 Biografien

2Hot Swing, Ragtime und Blues kreuzen sich bei 2Hot mit heutigen Strömungen. Balladen gehören ebenso zum Programm wie stampfende Boogies. Mario Meusel und Christian Schöbel lernten sich 1994 kennen. In der Anfangszeit wurden Clubs und Kneipen in und um Stuttgart zum Tummelplatz, bald kamen Spielstät- ten entlang der Route Stuttgart – Dresden dazu. Mitt- lerweile spielt das in seine Dresdner Heimat zurück- gekehrte Duo deutschlandweit und gastiert bei Nachbarn. Seine musikalische Herkunft verrät es im Namen: Es ist die Zeit des Early Jazz. Christian Schöbel bekam mit fünf Jahren zunächst klassischen Klavierunterricht. Später lernte er seinen musikalischen Mentor, den Dresdner Jazzpianisten Gert Hausmann kennen. Er ließ sich inspirieren von New Orleans-Pianisten, von Mary Lou Williams und Vince Weber. Boogie Woogie ist bis heute die wich- tigste Zutat im „heißen Topf“ 2Hot. Mario Meusel 2Hot begann bereits als Kind mit dem Schlagzeugspiel. Seine wichtigsten Lehrer waren Siegfried Ludwig in Dresden und Andy Witte in Stuttgart. Erfahrungen amarcord und Leipziger Streichquartett, Lautten Compagney, sammelte er in Rockbands der späten DDR. 2Hot Unverwechselbarer Klang, atemberaubende Homo- Swedish Chamber Orchestra, Klazz Brothers, Rag- veröffentlichte ein Dutzend Tonträger; zuletzt erschien genität, musikalische Stilsicherheit und eine gehöri- na Schirmer, Per Arne Glorvigen, Hille Perl, Daniel „Wundertüte“. Schöbel und Meusel sind zudem als ge Portion Charme und Witz sind die besonderen Hope und jüngst mit german hornsound. Festivalorganisatoren und Radiomacher in Erschei- Markenzeichen von amarcord. Das äußerst facet- Das Vokalensemble ist Preisträger zahlreicher inter- nung getreten. Dazu zählen der Boogie Woogie tenreiche und breit gefächerte Repertoire umfasst nationaler Wettbewerbe und gewann 2002 den Deut- Sommer und die Hofmusik in Pieschen, eigene Kon- Gesänge des Mittelalters, Madrigale und Messen der schen Musikwettbewerb, nachdem es bereits zwei zertreihen sowie die Blaue Stunde auf Apollo Radio. Renaissance, Kompositionen und Werkzyklen der euro- Jahre zuvor mit dem Stipendium und der Aufnahme Auftritte mit Vince Weber, Axel Zwingenberger, Chri- päischen Romantik und des 20. Jahrhunderts sowie in die Bundesauswahl Konzerte junger Künstler des stian Rannenberg und Christian Willisohn folgten. A-cappella-Arrangements weltweit gesammelter Deutschen Musikrates ausgezeichnet worden war. Mehrmals vertraten 2Hot die heimische Region mit Volkslieder und bekannter Songs aus Soul und Jazz. 2004 wurden die Sänger als erstes Vokalensemble mitreißenden Auftritten auf „The Hamburg Boogie Dem Neuen gegenüber aufgeschlossen, legen die mit dem Ensemblepreis der Festspiele Mecklen- Woogie Connection“, Europas größtem Boogie-Festi- Sänger großen Wert auf die Pflege und Förderung burg-Vorpommern ausgezeichnet. Neben dem Ge- val, das jährlich am 8. 8. stattfindet. zeitgenössischer Musik. So schrieben Bernd Franke, wandhausorchester und dem Thomanerchor zählt Steffen Schleiermacher, Ivan Moody, James MacMil- amarcord zu den wichtigsten Repräsentanten der lan, Sidney M. Boquiren, Siegfried Thiele und Dimi- Musikstadt Leipzig im In- und Ausland. Regelmäßig tri Terzakis und andere Werke für amarcord. Wenn- gastiert die Gruppe bei den bedeutenden Musikfesti- gleich reine A-cappella-Programme im Mittelpunkt vals. Zahlreiche Konzerttourneen führten die Sänger stehen, gibt es regelmäßig Projekte mit namhaften in über 50 Länder und auf nahezu alle Kontinente der Ensembles und Künstlern wie Gewandhausorchester Erde. Das 1997 von amarcord initiierte und künstle-

amarcord und german hornsound

62 te 2001 das Ensemble Baroccolo und ist an einer Viel- wo er seit 2000 als Studienleiter tätig ist. Von 1995 zahl von Projekten beteiligt. 2011 organisierte sie den bis 2001 war Johannes Wulff-Woesten zudem Assi- Musikmarathon „65-Stunden Musik non stopp“. 2012 stent von Giuseppe Sinopoli. Ab 1996 wird er regel- erstellte sie Aufführungsmaterial der Oper „La casa mäßig als Solorepetitor und musikalischer Assistent disabitata“ von Prinzessin Amalie von Sachsen für bei den Bayreuther Festspielen engagiert. Seit 1984 eine konzertante Aufführung zu den Dresdner Musik- kommen seine Kompositionen zur Aufführung: Unter festspielen. Petra Andrejewski musiziert bei den Vir- anderem Kammermusik, eine Sinfonie, ein Klavier- tuosi Saxoniae, den Dresdner Kapellsolisten, im Ensem- konzert, drei Kammeropern, zwei an der Staatsoper ble Baroccolo sowie bei den Dresdner Sinfonikern. Dresden uraufgeführte Kinderopern, eine Fantasie für Orgel und Orchester „Heiliges Licht“, das Oratorium Bensento „Buen camino – Die Tänzerin auf dem Jakobsweg“ Das Ensemble Bensento fand sich durch die Richard- sowie das Weihnachtsoratorium „Jedem leuchtet ein Wagner-Spiele in Graupa zusammen. Es gastiert Stern“. Als Pianist, Liedbegleiter, Organist, Kammer- seit 2015 mit verschiedenen Programmen in Deutsch- musikpartner sowie Leiter eines Salonorchesters tritt land. Zum Ensemble gehören die Mezzosopranistin Wulff-Woesten rege in Erscheinung, dirigiert er Fami- Ewa Zeuner, der Pianist und Komponist Johannes lienkonzerte sowie Opernvorstellungen. Wulff-Woesten sowie Autor und Sprecher Johan- Johannes Gärtner, 1979 in Dresden geboren, gründe- nes Gärtner. te 1999 das „ta:ltheater loschwitz“, dessen Leitung Ewa Zeuner wurde in Zabrze (Polen) geboren. Gesangs- er bis 2003 übernahm. Sein Schauspielstudium absol- Petra Andrejewski ausbildung erhielt sie an der Hochschule für Musik viert er an der Theaterakademie Vorpommern bei Carl Maria von Weber in Dresden bei Christian Elss- Frido Solter, Astrid Bless und Joachim Siebenschuh. risch geleitete Festival „a cappella“ hat sich zu einem ner. Kirchenmusikalische Konzerte führten sie mit vie- Schon während des Studiums wurde er als Autor der wichtigsten internationalen Festivals für Vokal- len deutschen und internationalen Orchestern und und Co-Regisseur tätig, etwa bei Jürgen Kern und musik entwickelt. Zahlreiche CDs dokumentieren ein- Ensembles zusammen, darunter Sächsische Staats- Joachim Siebenschuh, mit denen er mehrere musi- drucksvoll die Facetten des Repertoires und werden kapelle, Dresdner Kreuzchor, Gächinger Kantorei und kalische Theaterinszenierungen erarbeitete. Mit vielfach mit Preisen ausgezeichnet. Capella Cracoviensis. Sie gab zahlreiche Liederaben- seinem Seminar „Theater als Weg“ ist er bei verschie- Auf amarcords erster DVD-Produktion „The Book of de in Deutschland und im europäischen Ausland und denen theaterpädagogischen Einrichtungen als Gast- Madrigals“ bei Accentus Music (Koproduktion mit nahm Engagements an Opern wie in Breslau und Dres- dozent tätig. Er war an verschiedenen Theatern enga- dem ZDF und ARTE) interpretieren die fünf Sänger vor den wahr. Ihr Konzertrepertoire umfasst die großen giert. Diverse Filmrollen ergänzen seine Arbeit. Ein malerischer Kulisse der Villa Godi in Venetien Kom- Werke von Bach über Mozart und Verdis Requiem Schwerpunkt sind literarisch-musikalische Abende positionen der wichtigsten Vertreter der Renaissance. bis zu Neuer Musik. Sie arbeitete mit Andrew Par- über Komponisten der Klassik und Romantik. Zudem rott, Christophe Rousset, Erik Nielsen, Helmut Rilling, arbeitet Gärtner als Autor und Dramaturg. Zahlreiche Petra Andrejewski Helmut Branny, Hans-Christoph Rademann, Andre- seiner Produktionen sind auf CD und DVD erhältlich Petra Andrejewski, geboren in Berlin, studierte Kla- as Spering, Krzysztof Penderecki und anderen Diri- und haben Auszeichnungen erhalten. Seit 2013 lei- vier, Orgel und Chordirigieren an der Hochschule für genten zusammen. tet er die Richard-Wagner-Spiele. Kirchenmusik Dresden, danach Oboe bei Andreas Johannes Wulff-Woesten wurde 1966 in Jena (Thü- Lorenz an der Dresdner Musikhochschule Carl Maria ringen) geboren. Er studierte Klavier, Dirigieren und von Weber. 1990 wechselte sie vom Sinfonieorche- Komposition an der Musikhochschule Franz Liszt in ster Riesa zum Orchester der Landesbühnen Sachsen, Weimar und wurde im Fach Komposition in die Meis- wo sie bis 2012 die Position der stellvertretenden terklassenabteilung aufgenommen. Seit 1991 arbei- Solo-Oboistin begleidete. Petra Andrejewski gründe- tet er als Solorepetitor an der Semperoper Dresden,

Ensemble Bensento: Ewa Zeuner, Johannes Wulff-Woesten und Johannes Gärtner (von links)

63 Biografien

Blechbläserensemble Ludwig Güttler Das Blechbläserensemble Ludwig Güttler vereinigt großartige Solisten der Sächsischen , der Dresdner Philharmonie, des Gewand- hausorchesters Leipzig und der Robert-Schumann- Philharmonie Chemnitz. Bereits 1978 formiert, konn- te das Ensemble schnell mit lebendigem und nuan- cenreichem Musizieren brillieren – nicht zuletzt dank der Fähigkeit seines Leiters, durch kammermu- sikalisches und solistisches Spiel erworbene Erfah- rungen auf die Blechbläserbesetzung zu übertragen. Jedes Konzert bietet immer wieder ein neues Er- lebnis, denn die Musiker eint der Anspruch, dem Publi- kum beständig bisher unbekannte oder selten gespiel- te Werke zu präsentieren. Meist hat Ensembleleiter Güttler sie ausgegraben oder für die jeweilige Beset- zung eingerichtet. Das Blechbläserensemble Ludwig Güttler, das meist auf modernen Orchesterinstrumen- ten deutscher Bauart spielt, hat sich schnell über- Blechbläserensemble Ludwig Güttler regional und international einen Namen erarbeitet. Konzertreisen führten durch Europa sowie nach Asien. Häufig wird der Klangkörper zu offiziellen, höchst be- se an der Musikhochschule in München bei Helga Außerdem ist er Mitglied des Kammerorchesters Vir- deutsamen Festakten als adäquater Musizierpartner Storck sowie einen mehrmonatigen Studienaufent- tuosi Saxoniae. Im Jahr 2001 wurde ihm der Fritz- angefragt. CD-, Rundfunk- und Fernsehproduktionen halt bei Susann Mc Donald in Bloomington/Indiana. Busch-Preis der Stiftung zur Förderung der Semper- dokumentieren die Arbeit eindrucksvoll. Astrid von Brück ist Preisträgerin der internationalen oper verliehen. Neben dem Dienst in der Staatska- Wettbewerbe Louise Charpentier Paris 1988 und pelle Dresden unterrichtet er auch in den Fächern Astrid von Brück Soka/Japan 1995. Im Alter von 23 Jahren wurde sie Violoncello und Kammermusik an der Dresdner Musik- In Leipzig geboren und in einer Musikerfamilie in Soloharfenistin der Sächsischen Staatskapelle hochschule Carl Maria von Weber. Weiterhin ist er Berlin aufgewachsen, erhielt Astrid von Brück im Alter Dresden, wo sie seitdem tätig ist. Als Solistin und Mitglied des Bayreuther Festspielorchesters. von sechs Jahren den ersten Klavierunterricht. Sie Kammermusikerin arbeitet die mit dem Fritz-Busch- besuchte die Spezialschule, dann die Hochschule für Preis der Semperoper Dresden ausgezeichnete Musi- Dresdner Salon-Damen Musik Hanns Eisler in Berlin und absolvierte ihr Stu- kerin stetig an der Erweiterung ihres Repertoires Die Geburtsstunde der Dresdner Salon-Damen schlug dium in den Fächern Harfe (bei Siegfried Weinberger) und tritt vielerorts, unter anderem beim Moritzburg 1997. Und noch heute vereint die Damen der Grün- und Klavier. Daneben absolvierte sie die Meisterklas- Festival, auf. Astrid von Brück unterrichtet an der dungszeit ihre unstillbare Liebe zur Musik der 1920er- Musikhochschule Dresden, wo sie 2012 zur Profes- bis 1940er-Jahre. Kennen gelernt und gefunden haben sorin ernannt wurde, und war mehrere Jahre Gast- sie sich an der Musikhochschule Carl Maria von Weber professorin beim Pacific Music Festival in Sapporo. Dresden, wo alle dereinst studierten. Aufgrund der Mehrere CD-Einspielungen liegen vor. großen Vielzahl an Konzerten sind zur Entlastung drei weitere Damen in den Kreis der Band getreten: Die Johann Clemens Sängerin Karolina Petrova, die Cellistin Beate Hof- Johann Clemens, Jahrgang 1983, stammt aus Herrn- mann sowie die Pianistin Natalia Posnova. Ihr ganz hut in Sachsen, wo er im Alter von acht Jahren erst- persönlicher Stil, geprägt durch eigene Arrangements mals Trompetenunterricht an der örtlichen Musik- und ein vielfarbiges Instrumentarium, gibt den Inter- schule erhielt. 2001 wurde er Schüler von Tobias pretationen der Dresdner Salon-Damen eine unver- Willner, einem Solotrompeter der Sächsischen Staats- wechselbare Note. So begeisterten die Damen regel- kapelle Dresden. Es folgte ein Studium von 2004 bis mäßig auf dem Traumschiff „MS Deutschland“. Zu 2011 an der Hochschule für Musik und Theater Felix den Höhepunkten zählen die Auftritte bei der Musik- Mendelssohn Bartholdy in Leipzig bei Peter-Michael woche Hitzacker, beim Festival Sandstein und Musik Krämer. Johann Clemens ist seit 2007 im Gewand- sowie ein Konzert beim „Braunschweig Classix Festi- hausorchester Leipzig engagiert. val“. Darüber hinaus gastierten die Damen auf vielen Bühnen in ganz Deutschland, in Luxemburg und in der Friedwart Christian Dittmann Schweiz. Geboren in Zwickau, erhielt Friedwart Christian Ditt- Wer ihre Auftritte bislang verpasst hat oder wem mann im Alter von neun Jahren an der Musikschule sie nicht genug sind, dem seien die CDs ans Herz Dresden seinen ersten Cellounterricht. Er studierte gelegt: „Merci mon ami“, „Frauen sind keine Engel“, an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ und „Das gibt’s Dresden und nahm an internationalen Wettbewer- nur einmal“. Zum Festival Sandstein und Musik keh- ben und Seminaren teil. Das erste Engagement als ren die Dresdner Salon-Damen mit ihrer fünften CD Solocellist erhielt er 1984 am Theater Bautzen. Seit „Mit Musik geht alles besser“ zurück und spielen in 1985 ist er Mitglied der Sächsischen Staatskapelle der Besetzung Karolina Petrova (Gesang, Violine), Sil- Dresden, seit 1989 auf der Position des Solocellisten. ke Krause (Klavier, Akkordeon), Franziska Graefe (Vio- Astrid von Brück und Florian Mayer

64 Johann Clemens Friedwart Christian Dittmann Isang Enders line, Background-Gesang), Beate Hofmann (Violon- 2007 erschien mit großem Erfolg sein heiter-biogra- (Festival Heidelberger Frühling) und kehrt zurück cello, Kontrabass) und Cécile Pfeiff (Klarinette, Saxo- fisches Buch „Ich wollte mich mal ausreden lassen zum Orchestre Philharmonique nach Paris sowie fon, Background-Gesang). ...“, 2010 das zweite Buch „ZUGABE – Anekdoten, mehrfach zum Seoul Philharmonic Orchestra. Ansichten und anderes“. 2014 erschien sein erster 1988 in Frankfurt am Main geboren, nahm Isang Enders Gunther Emmerlich Kurz-Krimi im Band „Mords-Musik“. bereits im Alter von zwölf Jahren ein Jungstudium Gunther Emmerlich studierte zunächst an der Inge- Die Premiere seines neuen Programms „Die Welt und bei Michael Sanderling auf. Starken Einfluss hatten nieurschule für Bauwesen in Erfurt, ehe er 1972 die ich – 70 Jahre Emmerlich“ zusammen mit der Micha- daraufhin Gustav Rivinius, Truls Mørk und besonde- Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar in der el-Fuchs Band wurde begeistert gefeiert (Foto Gun- res die Mentorschaft des amerikanischen Cellisten Fachrichtung Operngesang absolvierte. 20 Jahre ther Emmerlich: siehe Michael-Fuchs Band). Lynn Harrell. Isang Enders spielt auf einem Instrument agierte der Künstler als festes Ensemblemitglied der von Jean Baptiste Vuillaume, Paris 1840, und ist Küns- Semperoper Dresden, wo er als Bass große Erfolge Isang Enders tler der Labels Berlin Classics und Sony. verbuchen konnte. Zu seinen Paraderollen zählen Sir Der Cellist Isang Enders hat im letzten Jahr zahlrei- John Falstaff („Die lustigen Weiber von Windsor“), che Debüts um den ganzen Globus feiern können. So Sarastro („Die Zauberflöte“), der Milchmann Tevje brachte er Unsuk Chins Cellokonzert mit Christian Vas- („Anatevka“), Doolittle („My Fair Lady“) und Sallah quez nach Stavanger und mit Kwamé Ryan zum Orches- Shabati (gleichnamiges Musical von Ephraim Kishon). tre Philharmonique de Radio France nach Paris. Mit Solisten der Sächsischen Staatskapelle gibt Emmer- Darüber hinaus war er erstmals zu Gast beim Bach lich Kirchenmusik-Konzerte, mit der Semper House Festival in Montreal und im Australischen Melbourne. Band musiziert er Swing und Dixieland. Sein Pianist Den Sommer verbrachte Isang Enders beim Marlbo- Klaus Bender begleitete ihn jahrelang bei Liederaben- ro Music Festival in den USA und schloss mit einer den und Programmen mit Duettpartnerin Deborah Sas- Tournee in Südkorea und dem Beethoven-Zyklus mit son. Mit Eva Lind und Ensemble gibt Emmerlich seit dem Pianisten Sunwook Kim ab. Isang Enders kam oft 2010 das sehr erfolgreiche gemeinsame Programm in den Genuss, mit großen Dirigenten und Kammer- Frühling im Herzen, mit beiden genannten Sopranis- musikpartnern auf den wichtigen Bühnen zu stehen. tinnen außerdem große Klassik- und Opern-Galas. Er arbeitete mit Zubin Mehta, Christoph Eschen- Gunther Emmerlich gastierte in fast allen europäi- bach, Myung-Whun Chung oder Eliahu Inbal und schen Ländern, in Asien, Nord- und Südamerika (so war als Solist im Wiener Musikverein, im Prager Ru- in der Carnegie Hall in New York). Er lebt in Dres- dolphinum und im Konzerthaus Berlin, bei den gro- den, ist verheiratet und hat zwei Kinder. ßen Festivals von Rheingau, Schleswig-Holstein, Paris Emmerlich ist Moderator von beliebten Fernseh- und Montreal. Besonders inspirierend sind die lang- sendungen verschiedener Genres, Botschafter der jährigen Bindungen zu den Pianisten Igor Levit, Kit Carreras Leukämie-Stiftung, Ehrenbürger seiner Ge- Armstrong und Sunwook Kim. burtsstadt Eisenberg, Wein-Botschafter des Weinan- Hören wird man Isang Enders 2016 zum ersten Mal baugebietes Saale-Unstrut und wurde unter anderem in der Royal Festival Hall in London mit dem Philhar- mit dem Bambi und dem Bundesverdienstkreuz geehrt. monia Orchestra. Sein Weg führt zu Debüts nach Tokyo 2013 wurde er Schirmherr der Sanierung der Stadt- und Osaka mit dem Zyklus der Bachsuiten, nach Ljublja- kirche Wittenberg zum 500. Jahrestag der Reforma- na und Tongyeong, der Geburtsstadt von Isang Yun, tion 2017. wo er ein Cellokonzert von Bruno Mantovani unter Mehr als ein Dutzend CDs verschiedener musikali- Leitung von Christoph Eschenbach interpretiert. Dar- scher Richtungen sind bislang veröffentlicht. über hinaus trifft Isang Enders erneut auf Igor Levit Dresdner Salon-Damen

65 Biografien

Faltenradio Kritiker und Zuhörer geraten bei Auftritten von Fal- tenradio gleichermaßen ins Schwärmen. Von „Musi- kantentum im allerbesten und allerersten Sinne“ ist die Rede, von „Musik, die in keine Schublade passt“ oder von einem „Flirt mit der Musikgeschichte, der anregender nicht sein hätte können“. Wieso hat das österreichische und deutsche Publikum über Jahr- zehnte warten müssen, bis sich vier junge Burschen all den Themen, die Bildungspolitikern und Feuille- tonjournalisten seit vielen Jahren unter den Nägeln brennen, annehmen? Zum Glück sind sie jetzt ja da, die vier Multiinstrumentalisten aus Salzburg und der Steiermark: Alexander Maurer, Stefan Prommeg- ger, Alexander Neubauer und Matthias Schorn. Mit ihren bisher zwei Bühnenprogrammen „Faltenradio“ (2009) und „ZOO“ (2012) setzen sie Maßstäbe. Die Instrumente werden gewechselt wie Hemden. Die vier sind alles: Kabarettisten, hochbegabte, gut aus- gebildete Musikanten, in Volkstänzen bewanderte Akrobaten und Comedians, die für eine gute Show die seltsamsten Positionen einnehmen. Ihre Debüt CD „Faltenradio“ und die DVD „Faltenra- dio live“ verkauften sich mehrere Tausend Mal. Gefeierte Auftritte führten die Musiker in den Wie- ner Musikverein, ins Wiener Konzerthaus und ins Wiener Radiokulturhaus. Faltenradio gastierte bei renommierten internationalen Musikfestivals wie Rheingau, Lucerne Festival und Festspiele Mecklen- burg-Vorpommern. Das Quartett versteht es, Volks- musik in neuer Wertigkeit auf die Bühne zu bringen. Musik ist nicht weniger wichtig, nur weil sie aus der Tradition stammt. Und klassische Musik wird durch- aus befruchtet und neu beleuchtet, wenn sie sich neben Jazz oder Klezmer platzieren kann. In diesem Faltenradio Sinne ist Faltenradio im wahrsten Sinne des Wortes ein Ensemble aus vier Global Playern, die an das Schreier, Ludwig Güttler und Helmuth Rilling verpflich- und Lars Kutschke an der Gitarre vervollständigen das Phänomen Musik glauben. teten ihn zu Konzerten und Aufnahmen. Als Solist Quintett. Alle Musiker sind Absolventen der Musik- musiziert der „Ausnahme-Gambist“ (Leipziger Volks- hochschule in Dresden. Ab 1990 wurde die Band im Thomas Fritzsch zeitung) mit Klangkörpern wie dem Gewandhaus- Bereich Musical und Theater in Dresden und weit dar- Thomas Fritzsch, in Zwickau geboren, zählt zu orchester Leipzig, Thomanerchor Leipzig, Dresdner über hinaus aktiv. Zu den Stücken, bei denen sie den weltweit renommierten und gefeierten Gam- Kreuzchor, Das Kleine Konzert und Collegium Musi- mitwirkte, zählen „Rocky Horror Show“ (Staatsschau- bisten. Seine intensive Auseinandersetzung mit den cum 90. In den europäischen Konzertsälen ist Fritzsch spiel Dresden), „Der kleine Horrorladen“ und „Mar- Quellen – von der Fachpresse als „brillant und ebenso zu hören wie auf den Podien von New York, lene“ (Landesbühnen Sachsen), „West Side Story“ meisterhaft“ gerühmt – fand ihren Niederschlag in Boston, Tokio, Seoul, Abu Dhabi, Dubai, Havanna, (Theater der Jungen Generation), „Fame“, „Jesus einer Vielzahl von Rundfunk- und Fernsehproduktio- Hongkong, Jerusalem und Tel Aviv. Er lehrt und lei- Christ Superstar“ und „Ganz oder gar nicht“ (Oper nen sowie einer umfangreichen, mit Auszeichnungen tet Seminare und Interpretationskurse in Europa und Chemnitz), „Nonnsens“und „Chess“ (Staatsoperette bedachten Diskographie (Preis der deutschen Schall- den USA und wurde – in Würdigung seines Enga- Dresden), „Elvis“, „Romeo und Julia“ sowie „Sie spie- plattenkritik, Supersonic Award). Thomas Fritzsch gements für Bach und Abel – 2014 zum Kulturbot- len unser Lied“ (Komödie Dresden). In der Oper Hal- ist Herausgeber Alter Musik und Autor musikwissen- schafter der Stadt Köthen ernannt. Thomas Fritzsch le gastierte die Band mit „Dracula“, am Theater Gör- schaftlicher Beiträge. Mit Leidenschaft und brillan- spielt Violen da gamba von Johann Casper Göbler litz war sie an den Produktionen „City of Angel“, tem historischem Wissen sucht und entdeckt er ver- (Breslau 1784) und Samuel Gilkes (London 1812) sowie „Diana“, „Hair“ und „Two by Two“ beteiligt. Bei den schollene Werke der Gambenliteratur, die zur Spät- die Viola da gamba Lady Amber (Holleschau 1774). Freilichtspielen Schwäbisch Hall waren die Musiker blütezeit des Instrumentes an der Schwelle vom im „Weißen Rössel“ und im „Schwarzwaldmädel“ zu 18. zum 19. Jahrhundert entstanden. Michael-Fuchs-Band erleben und traten mit verschiedenen Orchestern Immer wieder gelingen ihm spektakuläre Funde. Die Michael-Fuchs-Band existiert seit 1985 und außerdem konzertant auf. Seit 2014 ist die Michael- Zur Gambenkarriere des Künstlers trat die Beschäf- wurde als Begleitband des Schlagerfestivals in Fuchs-Band sehr erfolgreich mit Gunther Emmerlich tigung mit dem historischen Violoncello. Dirigenten Dresden gegründet. Die Stammbesetzung bildet auf Tour. wie Gewandhauskapellmeister , das Michael-Fuchs-Trio mit Roger Goldberg, Bass, Thomaskantor Georg Christoph Biller, Hermann Max, Volkmar Hoff, Drums, sowie dem Komponisten und Hans-Christoph Rademann, Michael Schönheit, Peter Pianisten Michael Fuchs. Ive Kanew am Saxofon

66 Michael-Fuchs-Band mit Gunther Emmerlich Patrick Grahl german hornsound dest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ unter- Gran Orquesta de Tango Carambolage Das Hornquartett german hornsound, gegründet 2009 wegs. Eine Sinfonia concertante für vier Hörner und „Der Tango ist als Tanz das Schönste, was es gibt. von ehemaligen Studenten der Hornklasse Christian Orchester, Auftragswerk an den norwegischen Kom- Man muss ihn mit Kraft angehen, mit viel Zärtlich- Lamperts an der Hochschule für Musik und Darstel- ponisten Trygve Madsen, kam 2013 zur Uraufführung. keit und vielen Stunden Arbeit.“ – Dieses Zitat von lende Kunst Stuttgart, hat sich durch sein außerge- Die Hornisten besetzen heute Positionen bei der Antonio Todaro verdeutlicht die Grundeinstellung wöhnliches Profil einen Namen gemacht. In den ver- Württembergischen Philharmonie Reutlingen, der eines Dresdner Orchesters, welches sich dem argen- gangenen Jahren debütierte es bei nahezu allen Staatsoper Hannover, im Konzerthausorchester tinischen Tango verschrieben hat. Es handelt sich deutschsprachigen Musikfestivals. Das Repertoire Berlin sowie bei den Bamberger Symphonikern. Die um einen Tanz und vor allem um eine Musik voller beinhaltet sämtliche Epochen der Musikgeschichte, CDs von german hornsound sind beim Leipziger Label Gefühl, Eleganz und verspielter Improvisation. Sie Originalwerke sowie eigene Arrangements. Beson- Genuin classics erschienen. (Foto: siehe amarcord und erzählt von Sehnsüchten, Illusionen und verpassten ders zeichnet sich das Ensemble durch die Entwick- german hornsound) Gelegenheiten. Diese kleinen Geschichten musika- lung eigener Projekte aus. So hat german hornsound lisch auszudrücken ist eines der vielen Talente des 2013 in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Schrift- Patrick Grahl Gran Orquesta de Tango Carambolage. Unter der steller Herbert Rosendorfer und dem Berliner Drama- Patrick Grahl wurde in Leipzig geboren und war Mit- Leitung von Jürgen Karthe, einem Dresdner Urgestein turgen Karl-Dietrich Gräwe zu Ehren Richard Wag- glied des Thomanerchors. Nach einem Gesangstudi- in der Tangoszene, entwickelte das Orchester eine ners und Giuseppe Verdis das dreiaktige Opernfrag- um bei Berthold Schmid, das er 2013 an der Leip- originale Klangfarbe nach klassischen Vorbildern des ment „Siegfried und Violetta“ für vier Hörner und Spre- ziger Hochschule für Musik und Theater Felix Men- argentinischen Tangos der 1940er-Jahre, ohne die- cher entwickelt. 2015 war german hornsound mit dem delssohn Bartholdy mit Diplom abschloss, studiert se jedoch zu kopieren. Programm „Pictures“ für acht Hörner und Schlagzeug er dort zurzeit in der Meisterklasse. Solistisch tritt er Im erzgebirgischen Carlsfeld entstanden zwischen mit Werken russischer Komponisten rund um Mo- im gesamten Bundesgebiet als Oratorien- und Kon- 1925 und 1945 etwa 30.000 Bandoneons, ausschließ- zertsänger in Erscheinung und arbeitet mit Dirigen- lich bestimmt für den Export nach Südamerika. Eini- ten wie Hermann Max, Konrad Junghänel und Lud- ge Exemplare existieren bis heute. Doch kaum jemand wig Güttler sowie Ensembles wie Thomanerchor weiß, dass das typische Handziehinstrument des Tan- und Gewandhausorchester, Dresdner Kreuzchor und gos ursprünglich aus Deutschland kommt. Kaum ein Dresdner Philharmonie zusammen. Seit 2002 singt Musiker beherrscht noch das Bandoneonspiel, was der Tenor im Männerquintett Thios Omilos, mit dem aber unerlässlich ist, um den 2009 zum UNESCO-Welt- er erfolgreich in Deutschland und im Ausland auf- kulturerbe erklärten Tango am Leben zu erhalten. Dies tritt und zahlreiche Preise errungen hat. Patrick bewog Jürgen Karthe, 2011 das Gran Orquesta de Grahl war in Hochschulproduktionen mit Partien wie Tango Carambolage in Dresden zu gründen. Mit ori- Alfred (Die Fledermaus), Tamino (Die Zauberflöte) und ginalen Instrumenten in der Besetzung des großen Albert (Benjamin Britten, Albert Herring) zu erleben „Orquesta Típica“. Ziel ist es, mit Nachwuchsspie- und von 2010 bis 2013 Stipendiat der Friedrich-Ebert- lern den speziellen Orchesterklang zu entwickeln. Ein Stiftung (Bonn). Mit dem Trio Barockwerk Ost ist er Konzert des Gran Orquesta de Tango Carambolage ist zudem 1. Preisträger des Förderpreises Alte Musik durch einen präsenten und intensiven Klang geprägt. 2014 des SR und der Akademie für Alte Musik im Er ist mitreißend, gar einnehmend, zugleich weich, Saarland. Rundfunkübertragungen sowie CD-Aufnah- zärtlich und absolut tanzbar. Und so vermag es Ca- men dokumentieren seine Arbeit. rambolage selbst an kühlen Tagen, die Tanzflächen einer Open-Air-Veranstaltung zu füllen. Sind keine

Thomas Fritzsch

67 Biografien

Gran Orquesta de Tango Carambolage Matthias Jung

Tangotänzer unter den Zuhörern, kann der Klangkör- um hat er mit dem Diplom abgeschlossen. Vielseitig wurde an zwei renommierte deutsche Knabenchöre per auf Tänzer aus den eigenen Reihen zurückgrei- besetzte er Rollen in Opernproduktionen der Hoch- verpflichtet: Zunächst an den Tölzer Knabenchor, da- fen und ein Showtanzpaar präsentieren. schule, des Bachfests Leipzig, im Goethe-Theater nach an den Dresdner Kreuzchor. 1994 bis 1996 wirk- Die Besetzung mit zehn bis zwölf Violinen, ebenso Bad Lauchstädt, am Stadttheater Gera sowie in Selia- te er als amtierender Kreuzkantor, produzierte ex- vielen Bandoneons, Klavier, Kontrabass, wahlweise nitika/Griechenland. Zu seinem Oratorienrepertoire klusiv für die Deutsche Grammophon Gesellschaft. Tuba, Gitarre und Gesang ist einmalig. Die Bando- gehören die Passionen und das Weihnachtsoratori- Werke der mitteldeutschen Musiklandschaft, insbe- neon-Reihe bildet das Glanzstück des Orchesters und um von Bach, Händels „Messiah“, „Die Jahreszeiten“ sondere jene der Dresdner Hofkirchenmusik sowie verleiht dem Tango seine Seele. Von ihr geht die raum- und „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn, Mozarts Kompositionen aus den Beständen der Fürsten- und füllende Intensität aus, die das Publikum fasziniert. Requiem, Werke Mendelssohns und Rossinis. Landesschule St. Augustin Grimma wurden durch ihn Profi-Musiker und Bandoneon-Schüler bilden das Seit der Spielzeit 2014/15 ist er Mitglied des Opern- erschlossen und wiederaufgeführt. Mit gleichem Enga- Orchester und ergänzen sich hervorragend. studios der Staatsoper Stuttgart, wo er in verschie- gement setzt sich Matthias Jung für die Aufführung denen Produktionen kleinere Partien seines Fachs zeitgenössischer Vokalmusik ein. Neben dem Säch- Dominic Große übernimmt. sischen Vocalensemble ist er ständiger Dirigent des Der Bariton Dominic Große wurde 1988 in Leipzig dresdner motettenchors sowie des Knabenchores Dres- geboren. Er erhielt seinen ersten Gesangsunterricht Matthias Jung den und gefragter Juror nationaler und internationa- im Jahr 2004 bei Susanne Krumbiegel an der Musik- Matthias Jung, 1964 in Magdeburg geboren, begann ler Wettbewerbe. Renommierte Ensembles ver- schule Johann-Sebastian-Bach Leipzig. 2007 hat er seine musikalische Ausbildung an der Spezialschule pflichteten ihn, so die Rundfunkchöre in Berlin, NDR ein Gesangstudium an der Hochschule für Musik für Musik und im Rundfunkjugendchor in Wernigero- und WDR. Er gastierte erfolgreich in Europa, den und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig de. Er studierte Chor- und Orchesterdirigieren an der USA und Japan. Seine zahlreichen CD-Produktionen bei Friedemann Röhlig aufgenommen und studierte Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Dort grün- wurden etwa mit dem Cannes Classical Award und seit 2009 in der Klasse Berthold Schmids. Das Studi- dete er das erfolgreiche Vocal Consort Weimar. Er dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausge-

Dominic Große Jürgen Karthe Friedrich Kircheis

68 certs. Seine umfangreiche solistische Tätigkeit mach- te ihn als Cembalist, Organist und Hammerflügelspie- ler bekannt. Konzertreisen führten ihn unter anderem nach Frankreich, Polen, Tschechien, England, in die Schweiz, in die USA und nach Mexiko. Er spielte meh- rere CD-, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen ein.

Annekathrin Laabs Die Mezzosopranistin Annekathrin Laabs stammt aus Erfurt und studierte in Dresden bei Christiane Jung- hanns. Direkt im Anschluss erlangte sie internationa- le Aufmerksamkeit als Bachinterpretin in Los Ange- les (H-Moll-Messe), Luxembourg (Weihnachtsoratorium) und in der Münchner Philharmonie (Matthäuspas- sion). Wichtige Impulse erhielt sie in Zusammenar- beit mit den Dirigenten , Hans-Chris- toph Rademann, Wolfgang Katschner, Matthias Jung, Ludwig Güttler und Rudolf Lutz. Opernengagements führten sie ans Nationaltheater Prag, zu den Herren- Sebastian Knebel Annekathrin Laabs chiemsee-Festspielen, zum Bachfest Leipzig, nach Bad Lauchstädt, Gotha und Bad Hersfeld. Sowohl für zeichnet. Matthias Jung erhielt den Förderpreis für mersolisten. 1972 war er Preisträger beim IV. Inter- Alt- als auch Mezzosopranpartien des Konzert- und Kunst und Kultur der Landeshauptstadt Dresden. nationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb Oratorienfachs wurde sie von namhaften Orchestern Leipzig. Seit 1979 musiziert Friedrich Kircheis als und Chören zu Festivals eingeladen, darunter in Öster- Jürgen Karthe Partner von Ludwig Güttler sowie bei den Virtuosi reich, Tschechien, Italien, Polen, Spanien, Frankreich, Jürgen Karthe stammt wie das Bandoneon aus Saxoniae und dem Leipziger Bach-Collegium. Dänemark und Russland. Mehrere Hörfunkmitschnit- Sachsen. 1964 in Leipzig geboren, erlebte er eine te und CDs liegen vor. Jüngst gastierte sie bei der musikalische Kindheit. Sein Großvater spielte be- Sebastian Knebel Bachstiftung St. Gallen und beim Bachfest Schaffhau- geistert Mandoline. Mit zehn Jahren erlernte Jür- Sebastian Knebel ist einer der meistgefragten mittel- sen (Schweiz), den Dresdner Musikfestspielen, in der gen das Akkordeon, später weitere Instrumente. Nach deutschen Spezialisten für Orgel und Cembalomusik Philharmonie Wroclaw, in Kaliningrad und mehreren einer technischen Berufsausbildung und abgebro- des 17. und 18. Jahrhunderts. Er absolvierte zunächst deutschen Städten wie Hamburg und wiederholt Leip- chenem Kultur-Studium machte er sein Hobby zum eine Lehre als Orgelbauer. Ein Studium an der Dresdner zig. Kammermusikalische Projekte, Kantaten des Barock Beruf und wurde Musiker. Sein Interesse für das Ban- Kirchenmusikschule setzte er an der Hochschule für und Liederabende führten Annekathrin Laabs in der doneon ließ ihn seit 1994 nicht mehr los. 1995 stu- Musik Franz Liszt in Weimar fort. Anschließend stu- Spielzeit 2015/16 nach Luzern, München, Berlin und dierte er am Konservatorium in Rotterdam Tango dierte er Cembalo und Historische Tasteninstrumen- Dresden. Argentino, 1997 reiste er für eine Fernsehproduktion te bei Ludger Rémy. Sebastian Knebel ist Organist nach Buenos Aires. Neben Straßenmusikern lernte er und Cembalist der Cappella Sagittariana Dresden, des Leipziger Bach-Collegium bei Meistern aus Argentinien und Uruguay, darunter Telemannischen Collegium Michaelstein, des Colle- Das Leipziger Bach-Collegium gehört zum erlesenen Marino Rivero, Nestor Vaz und Nestor Marconi. Als gium Marianum Prag und arbeitet als künstlerischer Kreis jener Kammermusik-Ensembles, in welchem Musiker und Solist arbeitete Karthe im klassischen Leiter des Vocalconsorts labia vocalia. Er ist der künst- Trompete und Corno da caccia ihre Virtuosität in den Tangobereich mit der Semperoper Dresden, dem Phil- lerische Mittelpunkt des Dresdner Instrumental-Con- Dienst der Kammermusik stellen. Das Ensemble hat harmonischen Orchester des Staatstheaters Cottbus und den Münchner Symphonikern zusammen. Bis 2006 spielte er im Sexteto Andorinha. Neben dem Duo Tan- go Amoratado, das zuletzt beim Festival Sandstein und Musik gastierte, ist Jürgen Karthe in weiteren Tango-Formationen zu erleben – diesmal mit einem einmaligen Orchester: Dem Gran Orquesta de Tango Carambolage.

Friedrich Kircheis Friedrich Kircheis, geboren in Aue/Erzgebirge, trat schon als Schüler seine erste Kantorenstelle an. Er studierte an der Hochschule für Musik in Leipzig bei Wolfgang Schetelich, Robert Köbler und Hannes Käst- ner und begann als Kirchenmusiker und Chordirektor. 1971 wurde er Kantor und Organist der Diakonissen- hauskirche Dresden und trat als Organist und Cem- balist verschiedener Kammermusikvereinigungen auf, darunter von 1975 bis 1982 bei den Dresdner Kam-

Leipziger Bach-Collegium

69 Biografien

Andreas Lorenz Johanna Mittag Marion Nogaro sich 1976 auf Anregung von Ludwig Güttler gebildet, Blastradition und konzertiert mit zahlreichen Ensem- Johanna Mittag um eine spürbare Lücke im Bereich der historischen bles und Orchestern, darunter mit den Virtuosi Saxo- Johanna Mittag wurde in Radebeul bei Dresden ge- Musikpflege schließen zu helfen und sich dabei mit niae. Als Kammermusiker initiierte er viele Ensem- boren. Mit fünf Jahren erhielt sie ihren ersten Gei- heute gebräuchlichem Instrumentarium den histori- bles und arbeitet mit Eckart Haupt, Ludwig Güttler genunterricht. Nach dem Besuch der Spezialschule schen Spielweisen, der Farbigkeit der Klänge, einer und Helmut Branny zusammen. für Musik studierte sie bei Karl Unger an der Hoch- differenzierten Artikulation und rhetorischen Dekla- schule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden mation zu nähern. Das Repertoire des Leipziger Bach- Florian Mayer und spielte schon währenddessen als Substitutin in Collegiums konzentriert sich auf die Zeit Johann Seba- Der Geiger Florian Mayer absolvierte sein Studium in der Sächsischen Staatskapelle, bevor sie dort im Jahr stian Bachs und greift Werke der Frühklassik auf. Dresden bei Heinz Rudolf und Wolfgang Hentrich. 1984 als festes Mitglied engagiert wurde. Seit 1989 Wesentliches Anliegen ist es, das vielfältige über- Stets nach musikalischen Herausforderungen such- ist Johanna Mittag zudem Mitglied der Virtuosi Saxo- lieferte, noch schlummernde Erbe des 17. und 18. end, konzentrierte er sich zunehmend auf eine eige- niae. Neben ihrer Musikertätigkeit beschäftigt sie Jahrhundert lebendig zu halten, indem es zu zeigen ne solistische Laufbahn. Seine derzeitigen Arbeiten sich seit Jahren aktiv mit den bildenden Künsten. Vie- versucht, dass und wie die Musik dieser Zeit als „Frei- mit Transkriptionen nach George Gershwin, selbst le ihrer Arbeiten wurden in Ausstellungen mit gro- heit des spielenden Geistes“ verstanden werden kann. komponierten Präludien (CD 2014), die langjährige ßem Erfolg präsentiert. Das Leipziger Bach-Collegium, das auch sehr gern mit Auseinandersetzung mit dem Virtuosen Niccolò Paga- Vokalsolisten arbeitet, präsentiert sich bei Sandstein nini, gipfelnd im Erscheinen des Albums „Mein Paga- Marion Nogaro und Musik in der Besetzung Ludwig Güttler (Trom- nini“ Ende 2015 sowie aktuell die Wiederaufnahme Marion Nogaro wurde 1987 in Pau (Südfrankreich) pete und Corno da caccia), Karl-Heinz Passin (Flöte), seines Nationalhymnen-Projektes bilden einen der- geboren. Mit dem Klavierspiel begann sie im Alter Bernd Schober (Oboe), Roland Straumer (Violine), zeitigen, wenn auch bei weitem nicht vollständigen von sieben Jahren und zwei Jahre später mit dem Michael Pfaender (Violoncello), Sławomir Rozlach Stand seiner Aktivitäten ab. Mit der Weltmusik-Ka- Unterricht bei Germaine Devèze in Paris. Am Pariser (Kontrabass) und Friedrich Kircheis (Cembalo). pelle „Das Blaue Einhorn“ tourte Florian Mayer Conservatoire National Regional wurde Marion viele Jahre im deutschsprachigen Raum und gestal- Andreas Lorenz tete mit etwa 800 Konzerten und sechs CD-Veröffent- Andreas Lorenz wuchs in einem erzgebirgischen Kan- lichungen bis 2013 die letzten sieben Jahre der Band- torenhaus in der jahrhundertealten Musiktradition geschichte mit. Seit 2007 lädt er in seiner eigenen des südlichen Sachsens auf. Früh erlernte er unter- Veranstaltungsreihe „Mayer trifft …“ Künstler zu schiedliche Instrumente, studierte später an der Hoch- Gespräch und gemeinsamer Aktion ein. Auf der The- schule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden aterbühne seit Kindertagen zu Hause, ist er heute bei Alfred Tolksdorf und ging aus dem Internationa- ebenso gefragter musizierender Darsteller, so in „Ana- len Instrumentalwettbewerb Markneukirchen als tevka“ (Fiedler) oder „Gräfin Mariza“ (Zigeunergei- Preisträger hervor. Sein erstes Orchesterengagement ger). Florian Mayer begeistert seit Jahren durch führte Andreas Lorenz als Solo-Oboist 1974 in die Originalität und charismatische Bühnenpräsenz ein Meininger Hofkapelle, 1975 kam er zur Staatskapel- ständig wachsendes Publikum. Als leidenschaftlicher le Berlin und 1977 zur Dresdner Philharmonie. Seit Initiator von Konzertprogrammen sucht er stets den 1982 ist er Mitglied der Sächsischen Staatskapelle Schulterschluss zwischen Fordern und Unterhaltung und war von 1982 bis 2008 deren Solo-Oboist. Als des Publikums wie auch den Anspruch, musikali- Pädagoge betreute Andreas Lorenz darüber hinaus sche Darbietung und dramaturgischen Bogen als ein- von 1975 bis 2005 einen Lehrauftrag an der Dresdner heitliches Ganzes zu präsentieren. Musikhochschule. Als Solist pflegt er die Dresdner

Masako Ono

70 Romy Petrick Mirella Petrova Katrin Le Provost

Nogaro 2003 in die Klavierklasse von Brigitte Bout- magia“ von Manfred Trojahn debütierte. Zu ihren namhaften Festivals auf, darunter in Riga, Schleswig- hinon-Dumas aufgenommen. Dort studierte sie Partien zählen Blonde („Die Entführung aus dem Holstein sowie beim Klavierfestival Ruhr. Zahlreiche unter anderem Musikgeschichte, Musiktheorie und Serail“), Gretel („Hänsel und Gretel“), Waldvogel Rundfunk- und Fernsehaufzeichnungen dokumentie- Kammermusik. Nach ihrem Diplom 2006 begann sie („Siegfried“), Musetta („La Bohème“), Adele („Die ren ihr Wirken. Als Solistin begeistert sie unter Diri- ihr Aufbaustudium und lernte parallel dazu in den Fledermaus“), Nanetta („Falstaff“), Fiakermilli („Ara- genten wie Jörg-Peter Weigle, Naoshi Takahashi, Fächern Korrepetition und Liedgestaltung. Ab 2010 bella“), Susanna („Figaro“), Gilda („Rigoletto“) und Ivan Wulpe und Aleksej Izmirliev. Neben ihrer solisti- studierte Marion Nogaro an der Hochschule für Musik Zerbinetta („Ariadne auf Naxos“). Sie gastierte an schen Konzerttätigkeit widmet sich Mirella Petrova und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig Theatern in Karlsruhe, Weimar und Erfurt. 2011 debü- der Kammermusik unterschiedlichster Besetzungen, Korrepetition bei Phillip Moll und Hartmut Hudezeck tierte sie an De Nederlandse Opera in Amsterdam als dem Klavierduo und Lied. Konzertreisen führten sie und erhielt 2012 ihren Bachelor-Abschluss. Paul Hermione in der Uraufführung von Trohjans Orest und nach Griechenland, Polen, Bulgarien, Tschechien, Spa- Weigold, Anne Champert und Justus Zeyen sind seit sang diese Rolle auch in der deutschen Erstauffüh- nien, Japan und in die Türkei. 2014 nahm sie als 2013 ihre Lehrer an der Hochschule für Musik, Thea- rung 2013 am Staatstheater Hannover. Die gebürti- Solistin der Elbland Philharmonie Sachsen die CD „Ein ter und Medien in Hannover. ge Bautznerin studierte an der Dresdner Musikhoch- Wagner-Abend in Graupa“ auf und wurde mit dem schule Gesang und schloss ihr Solistenexamen „Mit Orchester sowie den Solisten Sayako Kusaka (Violi- Masako Ono Auszeichnung“ ab. Sie war Studentin der Liedklasse ne) und Peter Bruns (Violoncello) für die Darbietung Masako Ono wurde in Yokohama (Japan) geboren. von Olaf Bär sowie bei Andreas Scholl an der Scho- von Beethovens Tripelkonzert gefeiert. 1988 erhielt sie ihren ersten Klavierunterricht und la Cantorum Basiliensis. Die mehrfach, unter ande- studierte bei Makito Hara an der Universität Tama- rem mit dem Carl Maria von Weber-Stipendium aus- Katrin Le Provost gawa (Tokio). Nachdem sie 2003/2004 an der Gold- gezeichnete Künstlerin war von 2006 bis 2008 En- Die deutsch-französische Sopranistin Katrin Le Pro- smiths University of London studierte, setzte sie semblemitglied der Landesbühnen Sachsen. Nach vost lebt in Berlin und ist dort seit Juni 2014 als Chor- später ihre Ausbildung an der Hochschule für Musik Zweitstudium der Musikwissenschaft und Philoso- solistin an der Komischen Oper engagiert. und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy (HMT) Leip- phie an der TU Dresden promovierte sie über ein The- Darüber hinaus arbeitet sie als Stimmbildnerin der zig fort, wo sie im Sommer 2013 ihr Masterstudium ma Dresdner Musikgeschichte. 2012 erschien ihre Berliner Vokalhelden und beim Education-Programm bei Phillip Moll sowie 2015 ihr Meisterschülerstu- erste CD mit Liedern Dresdner Komponisten. 2013 der Berliner Philharmoniker. An der Hochschule für dium bei Alexander Schmalcz abschloss. Als Kla- und 2015 gastierte Romy Petrick mit Wagners „Wesen- Musik Mainz studierte sie zunächst Gesang und erhielt vierbegleiterin ist sie unter anderem bei der Interna- donck-Liedern“ und Mozart-Arien in Seoul. dort ihr Diplom als Gesangspädagogin. 2014 absol- tionalen Sängerakademie Torgau tätig. Im Sommer vierte sie ihren Master of Music (Operngesang künst- 2009 erhielt sie gemeinsam mit einem Bassisten Mirella Petrova lerisch) an der Hochschule für Musik und Theater Felix den Nordfriesischen Liedpreis und trat in Japan, Die Pianistin Mirella Petrova begann ihre musika- Mendelssohn Bartholdy in Leipzig. Deutschland, Frankreich, Spanien und Schweden auf. lische Ausbildung in ihrer bulgarischen Heimatstadt Gemeinsam mit der Pianistin Marion Nogaro ist Kat- Mehrere Meisterkurse prägten ihre musikalische Russe. 1992 führte ihr Weg nach Dresden, wo sie an rin Le Provost Stipendiatin des Vereins Live Music Arbeit. Heute ist die Pianistin an der HMT Leipzig der Hochschule für Musik bei Detlef Kaiser studier- Now e. V. Sie nahm an internationalen Gesangswett- als Solorepetitorin tätig. te. Aufbaustudien in den Fächern Klavier und Kam- bewerben wie Competizione dell’Opera in Linz, Con- mermusik folgten; zudem empfing sie wichtige Impul- cours International Nadia et Lili Boulanger Paris und Romy Petrick se im Bereich der Liedgestaltung. Mirella Petrova Bundeswettbewerb Gesang in Berlin teil, wo sie stets Die Sopranistin Romy Petrick gehörte von 2009 bis wurde bei mehreren nationalen und internationalen die Finalrunden erreichte. 2015 zum Solistenensemble der Sächsischen Staats- Wettbewerben mit Preisen sowie mit Stipendien wie oper Dresden, wo sie im Mai 2008 im hohen Kolora- dem Carl Maria von Weber-Stipendium für Musik der turfach als Amelia in der Uraufführung „La grande Stiftung Kunst und Kultur ausgezeichnet. Sie trat bei

71 Biografien

Marie Henriette Reinhold Heinz-Dieter Richter Peter Rösel

Erik Reike sie Gesangsunterricht bei Kammersänger Roland Frank Richter Erik Reike, 1963 geboren, begann seine musikalische Schubert. Dadurch sowie durch die Chorarbeit wuchs Frank Richter, geboren 1945, lebt seit 1966 in Dres- Ausbildung am Klavier. Er studierte Fagott und Kom- ihre Liebe zum Singen und der Wunsch, das Hobby den. Während seines Elektronikstudiums begann er position an der Hochschule für Musik Carl Maria von zum Beruf zu machen. Seit 2011 studiert sie klassi- in der Sächsischen Schweiz zu klettern und bald auch Weber Dresden. 1983 begann er als Substitut im schen Gesang bei Elvira Dreßen an der Leipziger intensiv zu fotografieren. Viele Jahre begleitete er Gewandhausorchester Leipzig und wurde später erster Hochschule Felix Mendelssohn Bartholdy. Solistische den Hohnsteiner Spitzenkletterer Bernd Arnold bei Fagottist. Seit 1988 ist er Solo-Fagottist der Sächsi- Auftritte führten Marie Henriette Reinhold bereits seinen Erstbegehungen mit der Kamera. 1991 wech- schen Staatskapelle Dresden und trägt seit 1999 in die Leipziger Thomaskirche, Dresdner Kreuzkirche selte er den Beruf und verantwortete bis zur Pensio- den Ehrentitel Kammervirtuos. Erik Reike lehrt an sowie in das Leipziger Gewandhaus. 2014 war sie nierung 2007 die Öffentlichkeitsarbeit im neu gegrün- der Dresdner Hochschule für Musik, reist als Solist beim Leipziger Bachfest und in der Kammeroper Rheins- deten Nationalpark Sächsische Schweiz. Als exzellenter und musiziert in den Kammerensembles Besozzi-Con- berg zu hören. Sie sammelte erste Opernerfahrungen. Kenner der Sächsischen Schweiz veröffentlichte er sortium, Virtuosi Saxoniae und Dresdner Kapellsoli- Meisterkurse gaben ihr entscheidende Impulse im eine Reihe von Bildbänden über das Elbsandsteinge- sten. Bereich der Liedinterpretation. Marie Henriette Rein- birge (Landschaft und Klettern), Sachsen und Dres- hold wurde erste Junior-Preisträgerin des Bundes- den und hielt viele Dia-Vorträge. In den letzten Jah- Marie Henriette Reinhold wettbewerbes Berlin 2012, zudem im vergangenen ren beschäftigte er sich intensiv mit der künstlerischen Marie Henriette Reinhold, 1990 in Leipzig geboren Jahr Preisträgerin der Kammeroper Schloss Rheins- Darstellung der Sächsischen Schweiz. So erschienen und durch ein musikalisches Elternhaus geprägt, berg sowie der Internationalen Sächsischen Sänger- von ihm seit 2006 Bücher über den historischen Maler- studierte an der Landesschule Pforta Musikwissen- akademie Torgau, Schloss Hartenfels. weg, Caspar David Friedrich und dessen Malerfreund schaften sowie Kulturmanagement in Weimar und Carl Gustav Carus. 2012 erschien der Bildband „Das Jena. Die Künstlerin ist Gründungsmitglied des Lan- Elbsandsteingebirge, wie es Maler sahen“. Frank Rich- desjugendchores Sachsen. Ab dem Jahr 2008 erhielt ter ist Kurator einer Kunstausstellung des National-

Erik Reike Frank Richter Michael Schöne

72 dem Kunstpreis der Landeshauptstadt Dresden aus- gezeichnet. Er ist Ordentliches Mitglied der Sächsi- schen Akademie der Künste.

Sächsisches Vocalensemble 1996 in Dresden gegründet, avancierte das Sächsi- sche Vocalensemble in kürzester Zeit zu einem in Deutschland und international geschätzten Klangkör- per. Stilistische Sicherheit, artikulatorische Präzisi- on, intonatorische Souveränität, Virtuosität und emo- tionale Tiefe sind zum Markenzeichen geworden. Dem Kammerchor gehören überwiegend in Sachsen be- heimatete Sängerinnen und Sänger an. Musik zwi- schen Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach bildet einen Schwerpunkt, wobei die Aufführung unbe- kannter oder selten erklingender Kompositionen der Dresdner Hofmusik besonderes Anliegen ist. Gründer und Chorleiter Matthias Jung erschließt dafür Wer- ke der mitteldeutschen Musiklandschaft. Daneben Sächsisches Vocalensemble verschreibt sich das Sächsische Vocalensemble mit besonderem Engagement der Moderne. Mit der 2010 parks auf der Bastei, in der rund 250 Bilder des Elb- Peter Rösel etablierten Robert-Schumann-Ehrung in und um sandsteingebirges aus drei Jahrhunderten zu sehen Peter Rösel, in Dresden als Sohn eines Dirigenten und Dresden hat das Ensemble sein Repertoire um bedeu- sind. einer Sängerin geboren, erhielt mit sechs Jahren tende Werke der Romantik erweitert. Es wird von Seine jüngste Buchveröffentlichung widmet sich ersten Klavierunterricht. Am Moskauer Tschaikow- Rundfunkanstalten verpflichtet und gastiert auf den steinernen Pflanzendarstellungen des Naum- sky-Konservatorium absolvierte er ein fünfjähriges renommierten Festivals. Tourneen führten nach Frank- burger Meisters in den Domen von Naumburg und Studium bei Dmitri Baschkirow und Lew Oborin. In reich, Tschechien, Polen, Italien, Österreich sowie Meißen. dieser Zeit wurde er erster Deutscher Preisträger des wiederholt nach Japan. Die Einspielung der Bach- Tschaikowsky-Wettbewerbes Moskau und des Kla- Motetten wurde mit dem bedeutendsten internatio- Heinz-Dieter Richter vierwettbewerbes Montreal und begann eine inter- nalen Preis für klassische Musik, dem Cannes Clas- Heinz-Dieter Richter, geboren in Görlitz, ist Absolvent nationale Karriere, die ihn bis heute in die Musik- sical Award ausgezeichnet. Die Weltersteinspielung der Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von zentren aller Kontinente führt. Seine Auftritte bei von Ernst Peppings Chorzyklus Heut und Ewig gewann Weber. 1972 wurde der Geiger an die Sächsische internationalen Festivals in Dresden, Salzburg, Prag den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Zahlrei- Staatskapelle Dresden engagiert. Seit 1988 ist er dort (Prager Frühling), La Roque d’Anthéron, Edinburgh, che weitere CDs mit Werken von Schütz bis Petr Eben Konzertmeister der 2. Violinen. Zudem musiziert Heinz- London, Perth, Hollywood Bowl und Hongkong wur- liegen vor. Dieter Richter in Kammerensembles innerhalb und den von Publikum und Presse begeistert aufgenom- außerhalb Deutschlands. Er gehört dem Eckoldt-Quar- men. Michael Schöne tett sowie der Cappella Sagittariana Dresden an Peter Rösel ist gern gesehener Gast bedeutender Michael Schöne wurde 1946 im sächsischen Klein- und zählt zu den Gründungsmitgliedern der Virtuosi Orchester wie New York und Los Angeles Philhar- röhrsdorf geboren. Sein Violastudium absolvierte er Saxoniae. 1983 übernahm er einen Lehrauftrag an der monic, Detroit Symphony, Philharmonia Orchestra und an der Musikhochschule Carl Maria von Weber in Dresdner Musikhochschule. Royal Philharmonic, Berliner Philharmoniker, Rund- Dresden. 1968 führte ihn ein erstes Engagement ans funk-Sinfonieorchester Berlin, Sächsische Staatska- Hans-Otto-Theater nach Potsdam. Von 1972 bis 1976 pelle Dresden und Dresdner Philharmonie, Gewand- war er Mitglied der Bratschengruppe in der Dresdner hausorchester Leipzig sowie zahlreicher weiterer Philharmonie, von 1976 bis 1978 deren Solobratscher. Klangkörper Europas, Asiens und Amerikas. Seit 1978 gehört Michael Schöne zur Sächsischen 2013 und 2014 folgte Peter Rösel Wiedereinladun- Staatskapelle Dresden. gen nach Japan, im Mai letzten Jahres gab er Kon- zerte im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele, im Michael Schönheit November und Dezember erneut in den USA, Japan Michael Schönheit, geboren in Saalfeld, erhielt sei- und Taiwan. ne erste musikalische Ausbildung bei seinem Vater Für Mai 2016 folgte eine Einladung des NHK Sympho- Walter Schönheit und war Mitglied der Thüringer Sän- ny Orchestra Tokyo. Er musizierte mit namhaften gerknaben. Er studierte Dirigieren, Klavier und Orgel Dirigenten wie Herbert Blomstedt, Charles Dutoit, an der Hochschule für Musik Felix Mendelssohn Bart- Vladimir Fedosseyev, Hartmut Haenchen, Bernard holdy in Leipzig. 1984 wurde er dort Preisträger des Haitink, Daniel Harding, Günter Herbig, Marek Janowski, Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerbs. Rudolf Kempe, Dmitrij Kitajenko, Kyrill Kondraschin, Von 1985 bis 1991 war er als Organist und Kantor in , Kurt Sanderling, Stefan Sanderling, Horst Saalfeld tätig. 1986 wurde er zum Gewandhaus- Stein, Yuri Temirkanov, Klaus Tennstedt und Walter organisten berufen. Weller. Für sein langjähriges und herausragendes Aus Anlass des 300.Todestages von Dieterich Bux- Schaffen als Pianist wurde Peter Rösel 2009 mit tehude gestaltete er mit dem von ihm gegründeten,

Michael Schönheit

73 Biografien

Some Handsome Hands Frank Sonnabend auf Instrumenten alter Mensur musizierenden Ensem- 2010 ein weiteres Instrument, das Franz Beyer 1820 Spiel schon traditionsbedingt einen gewissen Show- ble Merseburger Hofmusik und namhaften Solisten in Wien erbaute. Rundfunk-, Fernseh- und zahlreiche charakter. Doch nicht deswegen ist ‚Some Handso- die Gesamtaufführung der Kantaten und Orgelwerke CD-Produktionen ergänzen sein vielseitiges künstle- me Hands’ ein Erlebnis, sondern da man schnell dieses Meisters im Gewandhaus. risches Wirken. bemerkt: Diese drei Damen können bei aller Spiel- Seit 1994 ist Michael Schönheit künstlerischer Leiter agogik und Mimik, den publikumswirksamen Show- der Merseburger Orgeltage, seit 1996 zudem Dom- Jens Daniel Schubert elementen, hervorragend Klavier spielen.“ (Carsten organist in Merseburg. Er betreute dort die umfang- Jens Daniel Schubert studierte Theaterwissen- Dürer, Piano News) – Das ungewöhnliche Klavier- reiche Restaurierung der einzigartigen, von Friedrich schaften in Berlin und arbeitete hauptsächlich am trio vereint mit Anne Salié, Alyana Pirola und Alina Ladegast 1853-1855 erbauten Domorgel. Deutsch Sorbischen Volkstheater Bautzen als Drama- Pronina drei Pianistinnen mit Mut zur Nähe an einem Schönheit leitet an der Musikhochschule Nürnberg turg und Regisseur. Neben seiner jetzigen Tätigkeit Flügel. Mit Spaß und Spielfreude wird alles von Klas- eine Orgelklasse, ist Juror internationaler Wettbe- als Musikkritiker wirkt er als freischaffender Autor sik bis Unterhaltungsmusik auf die Tasten gebracht, werbe und ein gefragter Gastorganist über die euro- und verfasste unter anderem das Libretto zum Musi- was sich nicht wehren kann. Neben zahlreichen päischen Länder hinaus bis in die USA und nach Japan. cal „Der Erwählte“ von Liana Bertók. Er engagiert Konzerterfolgen in Deutschland, den Vereinigten Ara- Als Solist gastierte er mit dem Gewandhausorches- sich in mehreren Vereinen und ist Vorsitzender des bischen Emiraten, der Schweiz, Österreich, Griechen- ter, der Sächsischen Staatskapelle Dresden, den Freundeskreises der Dresdner Kapellknaben e. V. land und China kann sich das energetische Trio auch Münchner Philharmonikern und dem New York mit einem Stipendium der DOMS-Stiftung in Basel, Philharmonic Orchestra. Neben seiner Tätigkeit als Some Handsome Hands dem 1. Preis beim einzigen internationalen Wett- Organist und Ensembleleiter widmet sich Schönheit „Wer einmal dieses Trio live erleben durfte, wird eines bewerb für mehrhändiges Klavierspiel in Marktober- seit vielen Jahren dem historischen Hammerklavier. mit Sicherheit feststellen: Mehr Agitation und mehr dorf, Live-Mitschnitten beim Bayerischen Rundfunk Er spielt seit 2006 einen historischen Hammerflügel Spielwitz und -spannung wird nur selten an einem und bei Deutschlandradio Kultur sowie TV-Auftrit- von John Broadwood aus dem Jahre 1805 und seit Flügel erreicht. Selbstverständlich hat ein solches ten bei rbb, MDR, ARD und ZDF (Goldene Henne 2011,

Jens Daniel Schubert Oliver Stechbart Volker Stegmann

74 sen (Thüringen) tätig, eine der ersten Wirkungsstät- ten Johann Sebastian Bachs. Oliver Stechbart kann neben CD- und Rundfunkproduktionen auf zahlrei- che Orgelkonzerte als Solist und mit verschiedenen Ensembles zurückblicken. 2009 war er künstleri- scher Leiter des 84. Bachfestes der Neuen Bachge- sellschaft Leipzig in Mühlhausen.

Volker Stegmann Volker Stegmann wurde im sächsischen Zwickau geboren. Nach seiner Ausbildung zum Gitarrenbauer in Markneukirchen studierte er an der Musikhoch- schule in Leipzig. Ein Engagement als Solotrompeter erhielt er 1989 an der Robert-Schumann-Philharmo- nie Chemnitz, 1994 wechselte er zur Sächsischen Staatskapelle Dresden, wo er heute die Position des stellvertretenden Solotrompeters innehat. Kammer- musikalisch wirkt er in den Ensembles Virtuosi Sax- oniae, im Blechbläserensemble Ludwig Güttler, beim Roland Straumer Annika Thiel Dresdner Trompeten Consort und im Ensemble Frau- enkirche Dresden. CD-, Rundfunk- und Fernsehpro- MoMa 2012) schmücken. Zahlreiche Werke wurden engagiert. Frank Sonnabend konzertiert regelmäßig duktionen dokumentieren sein Wirken, Konzertreisen Some Handsome Hands in die Finger geschrieben – bei den Virtuosi Saxoniae, beim Leipziger Bach-Col- führen ihn in weite Teile Europas, nach Nord- und von den Komponisten Jiannis Antonopoulos, Thomas legium, er gastiert bei der Sächsischen Staatskapel- Südamerika sowie nach Asien. Herrmann, Dmitri Pavlov, Sergei Slonimski, Arnold le, an Opernhäusern in Hamburg und München und Fritzsch, Martin Böttcher und Manfred Schmitz. CDs im Weimarer Bläsertrio. Regelmäßig tritt er solis- Roland Straumer des Ensembles sind 2011, 2012 und 2014 im AMA- tisch auf und hat bereits zahlreiche Aufnahmen ein- Roland Straumer, 1958 in Dresden geboren, erhielt Verlag erschienen. Some Handsome Hands, der Ein- gespielt. ersten Violinunterricht mit vier Jahren bei Anne- samkeit eines klassischen Konzertpianisten überdrüs- marie Dietze. Sie blieb seine Lehrerin bis zum Studi- sig geworden, haben einen Weg gefunden, Klassik, Oliver Stechbart um an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Moderne und Unterhaltungsmusik zu verbinden und Oliver Stechbart wurde 1977 in Kyritz geboren. Schon in Dresden, das er bei Manfred Scherzer abschloss. bereiten dem Zuhörer mit einer einmaligen Besetzung früh begann er mit dem Klavierunterricht und wech- Erfolgreiche Teilnahmen an nationalen und interna- einen Genuss für Auge und Ohr. selte 1991 auf das Evangelische Gymnasium nach tionalen Violinwettbewerben (mehrfach 1. Preisträ- Potsdam/Hermannswerder, um an der Friedenskirche ger des Bach-Wettbewerbs für Schüler und Jugend- Frank Sonnabend Schloss Sanssouci seinen ersten Orgelunterricht bei liche in Leipzig, Internationaler Tschaikowsky-Wett- Frank Sonnabend wurde in Pirna geboren. Er besuch- dem dortigen Organisten Matthias Jakob zu erhalten. bewerb, Internationaler ARD-Wettbewerb) wurden te die Spezialschule für Musik in Dresden. Hier 1996 begann er in Halle/Saale ein fünfjähriges Kir- 1980 mit dem ersten Preis und der Goldmedaille beim wie beim anschließenden Studium an der Dresdner chenmusik-Studium in den Hauptfächern Klavier/Or- Wettbewerb Maria Canals in Barcelona gekrönt. 1982 Musikhochschule Carl Maria von Weber wurde er von gel sowie Chor-/Orchesterleitung. Hier sammelte wurde er zum 1. Konzertmeister der Staatskapelle Andreas Lorenz unterrichtet. 1982 kam Sonnabend er gleichzeitig Erfahrungen im Opernchor und am Dresden berufen. Soloaufgaben bei verschiedenen als Substitut zur Dresdner Philharmonie und wurde Neuen Theater. Seit September 2001 ist er als Kan- Orchestern in Europa und Japan sowie Konzerte, Tour- 1985 als Solo-Oboist bei der Staatskapelle Weimar tor und Organist an der Divi-Blasii-Kirche Mühlhau- neen und Aufnahmen führten ihn mit namhaften Dirigenten zusammen. 1986 wurde Roland Straumer Gründungsmitglied und Konzertmeister der Virtuosi Saxoniae. Er wirkte bei zahlreichen CD-Einspielungen mit Orchester-, Opern- und Kammermusik mit. Dabei entstanden Aufnahmen von Violinkonzerten der Barock- zeit (Telemann, Graun, Vivaldi und Pisendel), von Bachs „Brandenburgischen Konzerten“ sowie Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ mit den Virtuosi Saxoniae unter Lud- wig Güttler.

Tangente Quattro Als Streichquartett Tangente Quattro gönnen sich die vier Dresdner Musiker Anja Krauß, Franz Schubert, Heiko Mürbe und Ulrich Rüger ein einmaliges musi- kalisches Vergnügen. Die gebürtige Dresdnerin Anja Krauß, Violine, stu- dierte an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden bei Reinhard Ulbricht, konzertierte schon während ihrer Ausbildung sowohl im solis- Tangente Quattro und Peter Ufer (links)

75 Biografien

tischen als auch im kammermusikalischen Bereich. 1998 erhielt sie ihr Engagement in der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Für ein Jahr nach Paris (2003/ 2004) beurlaubt, sammelte sie neue künstlerische Erfahrungen bei Ivry Gitlis und im Orchestre Philhar- monique de Radio France. Franz Schubert, 1974 in Dresden geboren, begann mit Haus- und Kirchenmusik auf der Blockflöte; kam als Achtjähriger mit der Violine in Berührung. Nach der Zeit an der Spezialmusikschule Dresden begann er sein Studium in Leipzig und konzertierte dort schon erfolgreich sowohl solistisch als auch kammermusi- kalisch. Die Staatskapelle Dresden engagierte ihn als 23-Jährigen; bis heute gehört er zu deren Gruppe der 1. Violinen. Heiko Mürbe, 1963 in Dresden geboren, studierte 1984-1989 Bratsche an der Musikhochschule Dres- den bei Joachim Zindler sowie Erich Krüger und mach- te 1991/1992 ein Aufbaustudium in Cincinnati/USA bei Masao Kawasaki. Seit 1989 ist er Mitglied der Dresdner Philharmonie und geht einer regen Kam- mermusiktätigkeit nach. Er ist Gründungsmitglied der Dresdner Kapellsolisten, mit denen er zahlreiche Kon- zerte und CD-Aufnahmen und Tourneen bestreitet. Der ebenfalls in Dresden geborene und lebende Virtuosi Saxoniae Cellist Ulrich Rüger studierte bei Peter Bruns an der Hochschule seiner Heimatstadt. Nach dem Konzert- programm, das seit Eröffnung des Tom Pauls Thea- Hamburger. In seinem neuesten Buch „Deutschland examen ergänzten private Studien bei Robert Witt in ters in Pirna gespielt wird. Dort arbeitet Ufer heute einig Lachland“ beschreibt er den unterschiedlichen Italien seine Ausbildung. Ulrich Rüger konzertiert als als Dramaturg und ist zugleich Autor bei der Sächsi- Witz der Deutschen, es entstand eine Geografie des Mitglied verschiedener Streichquartette, war mehr- schen Zeitung, für die er unter anderem seit acht Jah- deutschen Humors. fach Gast des Rastrelli Cello Quartetts sowie des ren eine Kolumne schreibt. Aus den Erlebnissen mit Peter Ufer gestaltet eigene Programme, liest mit an- Leipziger Bach-Collegiums. Diverse Erstausgaben seiner Nachbarin und der sächsischen Sprache ent- deren Autoren oder in Begleitung von Musikern und edierte er bei renommierten Verlagen und hat sich stand das Buch „Meine närrsche Nachbarin“. Der schreibt Programme für den Schauspieler Tom Pauls. als Arrangeur für verschiedene Besetzungen einen gebürtige Dresdner sammelt zudem Witze und stu- Namen gemacht. diert seit Jahren den Humor der Sachsen, aber auch der Bayern, der Berliner, der Rheinländer und der Annika Thiel Die in Paderborn geborene Geigerin Annika Thiel studierte an der Hochschule der Künste in Berlin bei Uwe-Martin Haiberg und Rainer Kussmaul. Seit 2002 ist sie 1. Geigerin in der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Für ihr kammermusikalisches Wirken erhielt sie mehrere Preise. Als Solistin war sie Preisträgerin der „Carl-Flesch-Akademie“ Baden- Baden. Seit 2004 ist sie 1. Geigerin des Bayreuther Festspielorches- ters.

Peter Ufer Peter Ufer ist promovierter Journalist und Autor. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit der Kultur, der Mentalität und dem Charakter der Sachsen, schrieb Bücher über das Meissner Porzellan, über den Wie- deraufbau des Dresdner Schlosses und über das Elbsandsteingebirge. Seit Jahren sammelt er säch- sische Wörter. Einmal im Jahr vergibt er gemeinsam mit einer Jury, der auch Tom Pauls angehört, das säch- sische Wort des Jahres. Aus dieser Aktion entstan- den inzwischen drei Wörterbücher der Sachsen mit dem Namen „Der Gogelmosch“. Außerdem schrieb Ufer gemeinsam mit Pauls das Buch „Deutschland, Deine Sachsen“. Daraus entstand auch ein Bühnen- Ines und Anna Walachowski

76 Wirbeley – Barrierefreie Volksmusik „Musikantisch und putzmunter bläst die Wirbeley Grenzen fort, seien sie regional oder national, histo- risch oder sozial. Hochkultur mischen die studierten Spielleute mit Marktmusik, Tradition mit Experiment. Was zu Herzen geht, wird vergeigt, profan oder sakral, verschieden verhauen oder verzückend verspielt auf Instrumenten vieler Damen und Herren Länder. Ein musikalischer Basar. Musizierfreude trifft Folklore, kammermusikalischer Feinsinn das Gesellige der Volksmusik – und alles den Nerv unserer wirbelden Zeit.“ (Dr. Susanne Schulte) – Die Wirbeley sind: Anna Katharina Schumann alias Oda (Luftsäuleninstru- mente, Gesang, Hornistin bei der Mittelsächsischen Philharmonie), Cornelia Schumann alias Erkentrud (Bratsche, lehrt an der Dresdner Musikhochschule und spielt bei den Dresdner Kapellsolisten), Michael Sappgen. Ali alias Bjarnhard der Schläfer von Kon- stantinopel (Schlagwerk, Esraj, rheinländischer Klang- wandler), Yamato Hasumi alias Giovanni Della Mon- tagna (Laute, spielt mit Gürzenich-Orchester und Concerto Köln), Eike Geier-Tautenhahn alias Sieg- munda (Trompete, Flöten, Zink, Schalmei, Gesang, lehrt am Heinrich-Schütz-Konservatorium Dresden) Wirbeley und Georg Arthur Schumann alias Dr. Liborius (Akkor- deon, Lyra, Singende Säge, Gesang, Komponist und Virtuosi Saxoniae chowski. Längst gehören sie zu den führenden Kla- Lehrer). Mit den Virtuosi Saxoniae gründete Ludwig Güttler vierduos der Gegenwart. Seit zwei Jahrzehnten be- Die Wirbeley gründete sich Ende des Jahres 2010 1985 ein Kammerorchester, das ihm durch die Viel- geistern sie ihr Publikum auf internationalen Konzert- in Dresden und wurde seither zu namhaften Festi- seitigkeit und Qualität der instrumentalen Beset- podien wie Berliner Philharmonie, Gewandhaus vals und Konzerten eingeladen. Bisherige Höhe- zung mannigfaltige Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Leipzig, Liederhalle Stuttgart, Stadtcasino Basel, KKL punkte waren Auftritte im Hörfunk (Deutschlandradio Das Ensemble, vor allem aus führenden Mitgliedern Luzern und der Philharmonie Wrocław. Das Duo erhielt Kultur), beim Musikfest Erzgebirge 2012, Festival der Sächsischen Staatskapelle Dresden bestehend, Einladungen zu renommierten Festivals wie Rheingau Mitte Europa Burg Loket/Tschechien, auf Schloss hat es sich zur Aufgabe gemacht, Werke aus der Musik Festival, Schleswig-Holstein Musik Festival, Lenzburg/Schweiz, beim TFF Rudolstadt und beim Blüte der europäischen Musikkultur des 18. Jahrhun- Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, Dresdner Internationalen Holzbläserfestival „Summerwinds“. derts zu pflegen, wie sie sich vornehmlich in der Ka- Musikfestspiele, Europäisches Musikfest Stuttgart Nach seinem Debüt 2013 gastiert das Ensemble zum pelle, am Theater und in der Kirchenmusik Dresdens und Ludwigsburger Schlossfestspiele. Beim Harbin zweiten Mal bei „Sandstein und Musik“. Der CD „Wir- widerspiegelt. Das Ensemble spielt auf modernen Music Festival (China) und dem Bangkok Music Festi- beleynachten“ folgt 2016 das zweite Album „Barrie- Instrumenten, ist jedoch in Fragen der Aufführungs- val ist es regelmäßig zu Gast. refreie Volksmusik“ bei Westpark Music. praxis historischen Kriterien angenähert. Seit ihrem Anna und Ines Walachowski wurden in Polen gebo- Debüt 1986 anlässlich der Dresdner Musikfest- ren. 1983 übersiedelte die Familie nach Deutschland, spiele haben die Virtuosi Saxoniae im In- und Aus- die Geschwister absolvierten ihre Studien an der land neue Maßstäbe gesetzt. Eine stattliche Zahl Musikhochschule Hannover und am Mozarteum Salz- erfolgreicher CDs belegt dies. Die Virtuosi Saxoniae burg. Wesentliche Impulse erhielten sie von Karl Heinz treten auch als Solistenensemble auf. Nahezu alle Kämmerling und Alfons Kontarsky. Von der vitalen Solokonzerte werden aus der Stammbesetzung des Spielweise der beiden Pianistinnen war auch der Kammerorchesters realisiert. Namentlich die Grup- legendäre amerikanische Musikkritiker und „Kla- penkonzerte von Antonio Vivaldi, Georg Philipp Tele- vierpapst“ Harold C. Schonberg höchst angetan, er mann, Johann Friedrich Fasch, Jan Dismas Zelenka schwärmte von der Technik und dem außergewöhn- und besonders jene Johann Sebastian Bachs sorgen lichen Temperament. Erfolgreiche Kooperationen mit für eine unverwechselbare Programmvielfalt. Einen Rufus Beck, Norbert Blüm, Juliane Köhler und Roger weiteren Akzent setzt das kammermusikalische Spiel Willemsen erweitern das künstlerische Spektrum des der Werke Wolfgang Amadeus Mozarts. Bei groß Klavierduos Walachowski, dessen breit gefächerte besetzten Werken treten weitere Mitglieder der Säch- Diskographie mittlerweile neun CDs umfasst – Auf- sischen Staatskapelle hinzu. nahmen von Mozart, Chopin, Brahms, Tschaikowski, Doppelkonzerte von Mendelssohn und Poulenc sowie Anna und Ines Walachowski Werke von Rachmaninow, Ravel und Gershwin. „Den beiden Pianistinnen fehlt es an nichts, weder an Temperament, zündender rhythmischer Gestal- tung, noch an Wärme oder klanglicher Sensibilität“, schreibt „Klassik heute“ über Anna und Ines Wala-

77 „Es ist selten zu früh und niemals zu spät“

Unser Ausbildungs-Angebot: Der Besuch des Instrumental- und Vokalunterrichts Unser Unterrichtsprogramm umfasst im Rahmen des Strukturplanes und eines Ensemblefaches verbindet von Anfang an das des Verbandes deutscher Musikschulen: individuelle Lernen mit der gemeinsamen Musizierpraxis „Es ist selten zu früh ...“ und stellt mit den Veranstaltungen und Projekten - Musikalische Früherziehung (MFE) ein besonderes Merkmal unserer Musikschularbeit dar. - Musikalische Grundausbildung (MGA) - Instrumentenkarussell „... und niemals zu spät“ - Instrumental- und Vokalunterricht in 30 Fächern - Breitgefächertes Angebot von Tanzunterricht Kurse für Erwachsene zum Erlernen - Ergänzungsfächer eines Instruments oder Auffrischen - Vielfalt von Ensemblefächern unterschiedlicher Besetzungen des Spielvermögens und Stilistiken, Korrepetition Behindertenarbeit - Musikpädagogische Angebote als Projekte, Exkursionen Leihinstrumente stehen zur Verfügung und Schülervorspiele

Mehr unter: Musikschule Sächsische Schweiz e. V. An der Gottleuba 1 01796 Pirna Tel.: 0 35 01/71 09 8-0 Fax: 0 35 01/71 09 86 [email protected] Junge Künstler beim Festival Schüler der Musikschule Sächsische Schweiz

Lohmen, Landhaus Nicolai Bogensporthalle Sonntag 17. April 2016 17:00 Uhr Nachwuchsorchester

Das Nachwuchsorchester gestaltet unter Leitung von Katerina Czeslik-Tajovska (im Bild rechts) nach 2013 zum zwei- ten Mal ein Vorprogramm beim Festival Sandstein und Musik. Das auf rund 20 Streicherschüler angewachsene Ensemble bedient ein Repertoire von der Barockzeit bis zur Gegenwart (auch in Bearbeitungen). Es bereitet sich außerdem auf ein Kinderorchesterfestival vor, das am 12. Juni im Klosterpark Altzella stattfindet.

Sebnitz, Ev. Kirche Samstag 25. Juni 2016 17:00 Uhr „Zart besaitet“

Gesa Marie Frisch ist eine sehr vielseitige Schülerin. Nach Merle-Sophie Schneider belegt das Fach Harfe im mehrjährigem Gitarrenunterricht wechselte sie zur Man- 3. Unterrichtsjahr bei Aline Khouri. Ihr Auftritt in doline und wird von Tomas Najbrt unterrichtet. Zudem Sebnitz ist der erste große der zehnjährigen Schülerin. spielt sie Klavier und E-Gitarre und ist Mitglied im Per- cussionensemble der Musikschule.

Nick Heilfurth zählt zu den äußerst begabten Schülern der Musikschule. Schon bei verschiedenen Anlässen überzeugte er mit seinem Gitarrenspiel. Im April bewarb er sich als Förderschüler des Freistaates Sachsen.

79 Junge Künstler beim Festival

Dohna, Ev. Kirche Sonntag 28. August 2016 17:00 Uhr „Klavier und Orchester“

Maximilian Gräfe ist Klavierschüler im 8. Unterrichts- Begleitet werden die zwei jungen Pianisten von den Strei- jahr. Vor zwei Jahren legte er den Mittelstufenabschluss chern des Orchesters der Musikschule Sächsische Schweiz. mit dem Prädikat „Ausgezeichnet“ ab und tritt bei allen Dieses Sinfonieorchester mit insgesamt etwa 50 Schülern großen Konzerten der Musikschule auf. Er erhält Unter- probt wöchentlich und konnte sich in den vergangenen richt bei Lilli Schmidt. Jahren ein abwechslungsreiches Repertoire erarbeiten. Geleitet wird es vom freischaffenden Dirigenten Wolf- gang Behrend.

Pirna, Tom-Pauls-Theater Sonntag 23. Oktober 2016 17:00 Uhr „Schlagfertig“

Percussionensemble „Schlagfertig“: Sascha Möller, Justus Frisch, Gesa Marie Frisch und Julius Humboldt (von links). Das Ensemble wurde im April 2014 von Dana Leichsenring gegründet, um sich auf den Wettbewerb „Jugend musiziert“ 2015 vorzubereiten. Schon diese erste Teilnahme bei einem Regionalwettbewerb verlief sehr erfolgreich und führte zur Nominierung für den Landes- wettbewerb. Bereits im vergangenen Jahr gastierte „Schlag- fertig“ unter Leitung von Friedrich Steinke beim Festi- val Sandstein und Musik. Im Mai 2016 folgt ein nächster, überregionaler Wettbewerb.

80 Lohmen, Ev. Kirche Samstag 26. November 2016 17:00 Uhr „Barock, Barock“

Die jungen Talente Adele Richter und Leon Zheng überzeugten im Januar als Duo beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ und wur- den mit einem Ersten Preis und der Weiterleitung zum Landeswettbewerb belohnt. Adele ist Trompeten-Schülerin von Christoph Reiche, Leon erhält Klavierunterricht bei Almut Kaven. Beide haben sich um eine Förderung des Freistaates Sachsen beworben.

Ein viel versprechendes Barockensemble aus Einzeltalenten: Lieselotte Bistry, Lea Viertel und Nina Viertel (linkes Foto, von links) sowie Paul Schwermer. Diese Formation wurde extra für den Auf- tritt bei Sandstein und Musik gegründet. Lieselotte Bistry, Violine, zählt zu den hoffnungsvollsten Talenten. Die Schülerin von Uwe Ulbrich ist Mitglied des Nachwuchsorchesters. Lea Viertel spielt (Alt-)Blockflöte und erhält Unterricht bei Berit Chahbani. 2015 gewann sie einen Ersten Preis bei „Jugend musiziert“ in der Solowertung. Nina Viertel, Celloschülerin von Margret Vetter, nahm in diesem Jahr zum ersten Mal beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ teil und gewann gleich einen Ersten Preis in der Solowertung. Paul Schwermer, Cembalo, hatte mehrere Jahre Blockflötenunterricht und wechselte dann zum Klavier. Seit etwa 2 Jahren spielt er auch Cembalo. Unterrichtet von Judith Iszak, ist Paul derzeit der einzige Cembaloschüler der Musikschule.

81 Zwei Jubiläen – ein Konzert

Die Nachwelt, auch unser Festival, würdigt den Kirchenbaumeister George Bähr anlässlich seines 350. Geburtstags. Das Sächsische Vocalensemble und sein Leiter Matthias Jung – immer wieder und auch 2016 zu Gast bei „Sandstein und Musik“ – fei- ern ihr 20. Jubiläum. Die Frauenkirche Dresden, das Hauptwerk von George Bähr, ist der prädestinierte Ort, um diesen Doppelgeburtstag zu begehen.

Von Matthias Jung 1996 in Dresden gegründet, avancierte das Sächsische Vocalensemble in kürzes- ter Zeit zu einem in Deutschland und international geschätzten Klangkörper. Maßstabsetzende Auffüh- rungen Alter Musik, stilistische Sicherheit, artikula- torische Präzision, intonatorische Souveränität, Virtuosität und emotionale Tiefe sind zum Marken- zeichen des Ensembles geworden.

Mehr zu George Bähr lesen Sie auf Seite 3 in diesem Katalog. Informationen zum Sächsischen Vocalen- semble und Matthias Jung finden Sie auf den Seiten 68 und 73.

Termin Frauenkirche Dresden Samstag, 13. August 2016, 20:00 Uhr

Programm „Und Gott sprach“

Georg Friedrich Händel Dixit Dominus

Johann Sebastian Bach Magnificat

Antonio Lotti Dixit Dominus

Mitwirkende Cornelia Samuelis, Barbara Christina Steude (Sopran) David Erler (Altus) Patrick Grahl (Tenor) Tobias Berndt (Bass) Sächsisches Vocalensemble Batzdorfer Hofkapelle Leitung: Matthias Jung

Veranstalter: Stiftung Frauenkirche Dresden Ticketservice: Georg-Treu-Platz 3, 01067 Dresden Öffnungszeiten: Mo bis Fr 9:00-18:00 Uhr · Sa 9:00-15:00 Uhr Tel. (0351) 656 06 701 [email protected]

82 Meisterwerke mit Ludwig Güttler

Im Jahr des 350. Geburtstags des Kirchenbaumeis- ters George Bähr erhalten auch die Konzerte Ludwig Güttlers 2016 in der Dresdner Frauenkirche einen be- sonderen Stellenwert. Am Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten, 2005 wiedergeweih- ten Hauptwerks George Bährs hat der Künstler maß- geblichen Anteil.

Mehr zu George Bähr lesen Sie auf Seite 3 in diesem Katalog. Informationen zu Ludwig Güttler und den Vir- tuosi Saxoniae finden Sie auf den Seiten 7 und 77.

Termine Frauenkirche Dresden

Samstag, 21. Mai 2016, 20:00 Uhr Solisten, Sächsisches Vocalensemble, Virtuosi Saxoniae, Leitung: Ludwig Güttler

Samstag, 20. August 2016, 20:00 Uhr Blechbläserensemble Ludwig Güttler, Friedrich Kircheis (Orgel), Leitung und Solist: Ludwig Güttler

Samstag, 1. Oktober 2016, 20:00 Uhr Frauenkirchen-Bachtage Solisten, Sächsisches Vocalensemble, Virtuosi Saxoniae, Leitung: Ludwig Güttler

Freitag/Samstag, 16./17. Dezember 2016, jeweils 20:00 Uhr Weihnachtsoratorium Solisten, Sächsisches Vocalensemble, Virtuosi Saxoniae, Leitung: Ludwig Güttler

Dienstag, 27. Dezember 2016, 20:00 Uhr Bläserweihnacht Blechbläserensemble Ludwig Güttler, Leitung und Solist: Ludwig Güttler

Veranstalter: Stiftung Frauenkirche Dresden (siehe gegenüberliegende Seite)

83 Nationalparkregion Sächsisch-Böhmische Schweiz www.lanu.de

Zeit für Entdecker

• Informationen und Ausstellungen rund um den Nationalpark • Spiele und Experimente zum Entdecken der Natur • außergewöhnliche Multivisionen • Nachtgang mit Tierstimmen • spannender Ameisenzoo • Vorträge, Seminare rund um den Nationalpark Dresdner Straße 2 B • Natur-Shop mit regionalen Produkten 01814 Bad Schandau • Restaurant der Jahreszeiten Infotelefon 035022 502-40 • Außengelände mit Spielelementen www.lanu.de und gemütlichen Sitznischen Anne-Sophie Mutter Daniel Hope Tölzer Knabenchor Musici di Roma Pekka Kuusito Albrecht Mayer Iveta Apkalna Musik Frauenkirchenkantor Matthias Grünert Thomas Hampson in der Kammerchor der Frauenkirche Frauenkirche Frauenkirchenorganist Samuel Kummer Amsterdam Sinfonietta Dresden Nicolas Altstaedt Elke Heidenreich Joachim Król Ludwig Güttler 2016 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Elemente – Schöpfung – Welt The King’s Singers Thomanerchor Leipzig London Philharmonic Orchestra Herbert Schuch Preisträger des ARD-Musikwettbewerbs u.v.m

Tickets & Informationen: 0351.65606-701 | www.frauenkirche-dresden.de/kalender 85 RICHARD WAGNER SPIELE 2016 Open-Air-Theater mit Dresdner Schauspielern, Sängern und der Nordböhmischen Philharmonie Teplice EIN STÜCK VOM HIMMEL ODER WENN ICH ERST EWIG BIN von Johannes Gärtner Foto: Tobias Richter | www.oe-grafik.de Tobias Foto:

Richard-Wagner-Stätten Graupa | 1., 2., 8. und 9. Juli 2016, 20 Uhr und vorher gern zum WAGNER SALON | 18:30 Uhr 86 www.richard-wagner-spiele.de Herzlicher Gruß an den Nachbarn

Die Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch 7. Internationale Schostakowitsch Tage Gohrisch finden vom 24. bis 26. Juni 2016 bereits zum sieben- ten Male statt. Termin 24. bis 26. Juni 2016 Einiges verbindet die Internationalen Schostako- Nicht zuletzt das wachsende Publikum bestätigt: witsch Tage Gohrisch und das Festival Sandstein und Beide Festivals ergänzen sich und bereichern die kul- Schirmherren: Musik. Beide setzen musikalische Akzente in einer turelle Landschaft auf je eigene Weise. Region, die durch landschaftliche Reize besticht, die Dr. Matthias Rößler Erholung bietet und die Künstler – nicht nur Maler – Programm unter Präsident des Sächsischen Landtags inspiriert. „Schostakowitsch in Gohrisch“ – diese Ge- schichte begann 1960, als der russische Komponist www.schostakowitsch-tage.de Irina Antonowna Schostakowitsch Dmitri Schostakowitsch, eine der Leitfiguren der Mu- sik des 20. Jahrhunderts, bei seinem Aufenthalt im Herzen der Sächsischen Schweiz sein achtes Streich- quartett op. 110 komponierte. Kontakt: Schostakowitsch in Gohrisch e.V. Neue Hauptstraße 116b Hier kommt ein anderer, verbindender Aspekt ins 01824 Kurort Gohrisch Spiel: Sowohl bei „Sandstein und Musik“ (das im kommenden Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feiert), Telefon: 035021 59025 als auch bei den Schostakowitsch Tagen (initiiert 50 Telefax: 035021 66155 Jahre nach dem ersten Besuch des Komponisten in Gohrisch) konnte niemand ahnen, dass aus den Im- E-Mail: [email protected] pulsen Erfolgsgeschichten werden würden. www.schostakowitsch-tage.de

24.–26.6.2016 7.INTERNATIONALE SCHOSTAKOWITSCHTAGE GOHRISCH

, , MIT ANNA VINNITSKAYA, MICHAIL JUROWSKI, DEM QUATUOR DANEL, PETER RÖSEL SEMPER WINDS DRESDEN GE.DE DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN U.V.A.

WWW.SCHOSTAKOWITSCH-TA IN KOOPERATION MIT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

87 Nach intensiver Bauphase eröffnet im Juni 2016 das 5 Sterne Hotel an der Therme Elbresidenz Bad Schandau. Die Verbindung von Glück und Gesundheit, Wohlergehen und Kultur macht das Hotel an der Therme Elbresidenz zu einem Ort der Erholung und Entspannung.

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Seit 2014 im Handel:

Musik an der Dresdner Frauenkirche

Jubiläumsedition zum 300. Geburtstag von Gottfried August Homilius mit freundlicher Unterstützung des Festivals Sandstein und Musik (erschienen beim Carus-Verlag)

90 Tombolapreise zum 24. Festival Sandstein und Musik

Jeder ausgefüllte Eintrittskartenabschnitt der Sandstein und Musik-Konzerte 2016 nimmt an einer Auslosung teil. Nach dem Abschlusskonzert des 24. Festivals werden unter Ausschluss des Rechtsweges die Gewinner der Preise ermittelt.

Die von verschiedenen Förderern unseres Festivals in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz gestifteten Preise Tombola-Preise Sponsoren

1 Wochenendreise in ein deutsches „Mercure“-Hotel Mercure-Hotel Dresden

10 Programmhefte 2016 (handsigniert) Sandstein und Musik e. V.

5 Musik-CDs mit Künstlern des Festivals Sandstein und Musik e. V.

3 x 2 Freikarten für das Eröffnungskonzert 2017 Sandstein und Musik e. V.

10 Überraschungspreise Ostsächsische Sparkasse Dresden

1 Bildband „Faszination Sächsische Schweiz“ Klaus Brähmig, MdB Luftaufnahmen und Essays von Peter Schubert und Peter Ufer

2 Bildbände „Sächsische Gastlichkeit im historischen Gewand“ A. & R. Adam, Verlag + Agentur, Dresden

2 Bildbände „Geschichte und Geschichten aus dem Dresdner Gastgewerbe“ A. & R. Adam, Verlag + Agentur, Dresden

1 Reisegutschein Reisebüro „die ferieninsel“ Dresden

Die Preise der Konzertkarten liegen 2016 Geschäftsbedingungen zwischen 13,- und 26,- Euro. 1. Wie schon in den Vorjahren wird auch 2016 keine Vorverkaufsgebühr Eintrittskarten für die Konzerte: erhoben (aufgrund von ehrenamtlichem Engagement). · Burg Stolpen 2. Karten können vom Veranstalter nicht zurückgenommen werden. · Schloss Weesenstein 3. Bestellte Karten werden per Vorkasse verschickt. · Barockgarten Großsedlitz Versandkosten trägt der Empfänger. · Rammenau 4. Im Ausnahmefall besteht auch die Möglichkeit der Direktabholung in den besitzen auch für den Besuch dieser Museen bekannten Vorverkaufsbüros (bis 14 Tage nach Benachrichtigung). ab eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn Gültigkeit. 5. Karten, die kurzfristig zur Abholung an der Abendkasse bestellt werden, müssen bis eine Stunde vor Konzertbeginn abgeholt werden oder zu 50 % angezahlt sein. Kartenbestellungen erbitten wir schriftlich an: 6. Film-, Bild- und Tonaufnahmen bedürfen der ausdrücklichen Geschäftsstelle Sandstein und Musik e. V. Genehmigung des Veranstalters. Maxim-Gorki-Straße 1 · 01796 Pirna 7. Auch mit Genehmigung sind Blitzlichtaufnahmen nur bei evtl. Tel. 0 35 01/44 65 72 · Fax 0 35 01/44 64 72 Zugaben erlaubt. http://www.sandstein-musik.de 8. Bei Erscheinung der neuesten Publikationen verlieren alle bisherigen ihre [email protected] Gültigkeit. Zimmerreservierungen und Informationen erhalten 9. Bei Ausfall des Konzertes erstattet der Veranstalter gegen Rückgabe der Sie über: Buchungsservice Sächsische Schweiz Eintrittskarte das Geld zurück. Sächsische Schweiz Informations-, 10. Ermäßigungen von jeweils 10 % auf alle Preiskategorien werden für Reservierungs- und Buchungsservice berechtigte Besuchergruppen, mit Ausnahme der Inhaber der Gästekarte Bahnhofstraße 21 · 01796 Pirna des Tourismusverbandes „Sächsische Schweiz“ nur im Vorverkauf zu den Tel. 0 35 01/47 01 47 · Fax 03 50 1/47 01 48 Konzerten des Festivals Sandstein und Musik gewährt. Ermäßigungsbe- rechtigt sind Schwerbehinderte, Schüler, Auszubildende, Studenten, www.saechsische-schweiz.de Arbeitslose sowie Inhaber der Gästekarte des [email protected] Tourismusverbandes Sächsische Schweiz und die Erwerber von mindes- tens 20 Karten. Auch beim Zutreffen von mehreren Ermäßigungskriterien Für Dresden Reisebüro „die ferieninsel“ kann nur eine Ermäßigung gewährt werden. Keplerstraße 32 · 01237 Dresden 11. Bei Reklamation bzw. sonstigen Anfragen setzen Sie sich bitte Tel. 03 51/2 84 10 43 · Fax 03 51/2 84 10 44 umgehend mit der Geschäftsstelle des Vereins in Verbindung.

91 Seien Sie dabei beim 25. Festival im kommenden Jahr!

25. Festival Sandstein und Musik 25. März bis 10. Dezember 2017

Schirmherr: Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Künstlerische Leitung: Ludwig Güttler Zu den Wurzeln

Das Festival Sandstein und Musik wird präsentiert von:

Gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und Kulturraum Meißen – Sächsische Schweiz – Osterzgebirge

Impressum

Autoren: Hehnen: 82 (Frauenkirche) | Frank Höhler: 68 (Matthias Jung), Herausgeber: Sandstein und Musik e. V. Die Einführungstexte und Interviews von 2Hot, Karsten Blüth- 73/82 (Sächsisches Vocalensemble) | Martin Jehnichen: 62 Idee: Klaus Brähmig, MdB gen, David Buschmann, Thomas Fritzsch, Kathleen Goldam- (amarcord und german hornsound) | Familie Kaden: 8 (Bären- Grundlayout: www.oe-grafik.de mer, Stephanie Hauptfleisch, Thomas Hendel, Katharina stein) | Taeuk Kang: 65 (Isang Enders) | Mario Kühn/Sebas- Titelfoto: A. & R. Adam, Verlag Höhne, Dr. Hans-Joachim Jäger, Dorit Kreller, Dr. Ortrun tian Willnow: 44 | Kulturzentrum Parksäle, Dippoldiswalde: Redaktion: Karsten Blüthgen Landmann, Claudia Lubkoll, Dr. Kornél Magvas, Meinhardt 9 | Kunsthalle Hamburg: 38 | Kunsthistorisches Museum Redaktionsschluss: 09. März 2016 Möbius, Katharina Pitt, Lukas Schergaut, Holger Schnei- Wien, Bilddatenbank: 60 | Lamettanest Dresden: 77 | Gerd Gesamtherstellung: A. & R. Adam, Verlag + Agentur, Dres- der und Veronika Weber sind Originalbeiträge bzw. für Mothes: 67 (Thomas Fritzsch), 73 (Michael Schönheit) | San- den diesen Katalog zugeschnittene Versionen. dra Neuhaus: 65 (Dresdner Salon-Damen) | Kirsten Nijhof: 65 (Johann Clemens) | Juliane Njankouo: 7, 69 (Leipziger Hergestellt mit Fördermitteln des Freistaates Sachsen Ein Großteil der Autoren studieren oder studierten am Lehr- Bach-Collegium), 76 (Virtuosi Saxoniae), 83 | Sven Pausti- im Rahmen des Förderplans Tourismus 02. März 2016 stuhl Musikwissenschaft der TU Dresden. Für die Konzert- an: 76 (Ines und Anna Walachowski) | Svetoslav Popov: 68 einführungen wurden einschlägige Literatur- und Online- (Gran Orquesta de Tango Carambolage, Jürgen Karthe) | Erik Für die finanzielle Unterstützung bei der Herstellung Quellen verwendet. Reike: 63 (Andrejewski) | Johannes G. Schmidt: 69 (Anne- dieses Kataloges bedanken wir uns beim Tourismusverband kathrin Laabs) | Wolfgang Schmidt: 72 (Peter Rösel) | Sächsische Schweiz e. V. Bildnachweise: SLUB/Deutsche Fotothek: 14 | Staatliche Schlösser, Burgen Peter Adamik: 74 (Some Handsome Hands) | Agentur Emmer- und Gärten Sachsen, Schloss Weesenstein, Bildarchiv: 3, Nachdruck auch auszugsweise verboten. lich: 34, 67 | Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin: 26, 28, 8 | Städtische Galerie Dresden: 48 | Leonhard Straumer: 75 Änderungen vorbehalten. 40 | Arnoldius, Wikipedia: 18 | Atelier Oppitz: 74 (Frank Sonn- (Roland Straumer) | Uffizien, Florenz: 58 | Wikimedia: 52 abend) | Hans-Ludwig Böhme: 64 (Astrid von Brück und Titel 2017, Bernd Grundmann: 92 Florian Mayer) | Klaus Brähmig: 11, 22, 34, 42, 46, 50, 56 | Matthias Creutziger: 65 (Friedwart Christian Dittmann), 70 Urheber, die trotz Bemühungen nicht ermittelt bzw. erreicht (Andreas Lorenz, Johanna Mittag, 72 (Heinz-Dieter Richter, werden konnten, werden gebeten, sich zur Abgeltung etwai- Michael Schöne), 74 (Volker Stegmann), 75 (Annika Thiel) | ger Rechte an den Verein Sandstein und Musik e. V. zu wen- Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Dresden-Loschwitz: den. 8 | Thomas Fritzsch: 12 | Gallica Digital Library, Wikimedia: 24 | Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden: 20 | Susann

92 Energie fürs Leben. ENSO bringt Kultur ins Programm.

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