Aspekte Landtagsgeschichte
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Sächsischer Landtag Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte Varianten der Moderne (1868–1952) Zum Geleit Josef Matzerath Von Landtagspräsident Erich Iltgen Die 86 Jahre zwischen dem Beitritt Sachsens zum Norddeut- tete aber auch nicht nach demokratischem Regelement. Nicht schen Bund und dem Ende des DDR-Landtages gehören zu die kontroverse Debatte, nicht der Widerstreit der Konzepte, den turbulentesten der sächsischen Landtagsgeschichte. Schon sondern eine schon vor dem Plenum hergestellte Harmonie bis zum Ende des Deutschen Kaiserreiches wandelten sich bestimmte die Reden dieses Parlaments. Alle Parteien und das Wahlrecht und die Zusammensetzung des Parlamentes Gruppierungen des Landtages waren gehalten, sich im antifa- dreimal. Mit der Revolution von 1918 stürzte in Sachsen nicht schistischen Block zu arrangieren, bevor ihre Redner im Plenum nur die Monarchie, auch die Erste Kammer des Landtages das gemeinsame Ergebnis bekannt gaben. Trotzdem vermoch- wurde abgeschafft. Zu Beginn der Weimarer Republik trat ten einzelne Parlamentsmitglieder der CDU und LDP noch eine Aspekte dann zunächst eine »Sächsische Volkskammer« zusammen. zeitlang ihre Position für humanitäre Zwecke zu nutzen. Dies Sie war zum ersten Mal nach freiem und gleichem Wahlrecht gelang vor allem bis zum Jahresbeginn 1950, als eine »Säube- gewählt. Frauen durften erstmals ihre Stimme abgeben, und rungswelle« die CDU-Fraktion überrollte. Seit den Neuwahlen die ersten weiblichen Abgeordneten gehörten diesem Parla- im November 1950 funktionierte das Landesparlament dann ment an. Der Nachfolger dieser Volkskammer trug schon ab so sehr als Akklamationsorgan des kommunistischen Partei- 1920 wieder den Namen »Sächsischer Landtag«. Dies war willens, dass es auf seiner letzten Sitzung am 25. Juli 1952 sächsischer zweifellos ein Zeichen dafür, dass Sachsen wie die gesamte nicht einmal gegen seine eigene Auflösung protestierte. Weimarer Republik einen demokratischen und keinen sozia- Nimmt man die zeitliche Abfolge der sächsischen Landes- Landtagsgeschichte listischen Weg einschlug. parlamente in den knapp neun Jahrzehnten zwischen 1866 Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts sollten zwei und 1952 als Entwicklung in den Blick, läßt sich nicht ver- Dik taturen die Jahrhunderte alte Tradition der sächsischen kennen, dass mehrere Modelle der parlamentarischen Reprä- Varianten der Moderne 1868 bis 1952 Landtage über lange Zeiträume beseitigen. Die Nationalsozi- sentation miteinander konkurrierten. Mit dem Entwicklungs- alisten, die sich schon am Ende der Weimarer Republik rüpel- strang, der kontroverse Parteimeinungen zuließ, konkurrierten haft in den Parlamentssitzungen aufgeführt hatten, setzten im Konzepte, die den offenen Disput unterdrücken und durch Jahre 1933 die Wahlergebnisse außer Kraft, untersagten den vereinheitlichte Meinungen ersetzen wollten. Die National- kommunistischen und zunehmend auch den sozialdemokra- sozialisten haben die Landesparlamente als Agitations bühne tischen Abgeordneten die Teilnahme am Landtag. Die Nazis mißbraucht und rasch zerschlagen. Die SED hat mit Unter- Mit Beiträgen von Andreas Denk, schickten gar Schlägertrupps in die Fraktionsräume des Dresd- stützung der sowjetischen Militärmachthaber zwar Lan des- Silke Marburg und Mike Schmeitzner ner Ständehauses. Schließlich wurde der sächsische Landtag par lamente in der SBZ eingerichtet, diesen Landtagen aber noch im selben Jahr seiner verfassungsrechtlich verbrieften keine Chance zu einer demokratischen Entwicklung gelassen. Rechte beraubt, als politischer Akteur ausgeschaltet und am Der heutige Sächsische Landtag sieht sich in der Tradition der Ende gänzlich beseitigt. freien Rede und der öffentlichen Konkurrenz um den richtigen Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gestattete die sow- Weg. Damit steht er in der Folge einer Entwicklung, die in Sach- jetische Besatzungsmacht, erneut einen sächsischen Landtag sen mit der konstitutionellen Verfassung von 1831 be gann, zu konstituieren. Doch bereits die Wahlen des Jahres 1946 die durch das Wahlrecht des Jahres 1868 einen wesentlichen waren massiv manipuliert, um der SED die Mehrheit zu si chern. Schritt vorankam, als im Parlament Parteien zugelassen wur- Kandidaten der christlich-konservativen und der liberalen den, und die in der Wei marer Republik zum ersten Mal einen Partei wurden teils mit weniger Wahlkampfmaterial ausge- von Männern und Frauen gemeinsam gewählten Landtag mit stattet, teils nicht zugelassen, teils unter Druck gesetzt. Trotz den Rechten einer Volkssouveränität erreichte. Die friedliche aller Machenschaften erreichte die SED eine Mehrheit der Revolution des Jahres 1989 ebnete den Weg, um zu dieser in Mandate nur mit Unterstützung der Bauernhilfe und des Kul- Sachsen seit langem heimischen Variante des modernen Par- turbundes. Der sächsische Landtag in der SBZ/DDR ar bei- lamentarismus zurückzukehren. Sächsischer Landtag 2003 Inhalt Vorwort »Schneller Frieden« versus »Siegfrieden« Seite 5 Der sächsische Landtag debattiert über Kriegsziele im Ersten Weltkrieg Seite 49 Einleitung Seite 6 »Dem kleinen Manne weitestgehende Hilfe« Sachsens Zweikammerparlament am Ende des Ersten Weltkrieges Kaiserreich Seite 53 »Die Thronrede war diesmal keine leichte Aufgabe.« König Johann spricht zur Landtagseröffnung Weimarer Republik am 15. November 1866 und zum Landtagsschluss am 30. Mai 1868, »Auf der Bahn der Demokratie und des Sozialismus« Silke Marburg Vom konstitutionellen Zweikammerparlament Seite 9 zur sächsischen Volkskammer Seite 56 Tanzen im Kaiserreich Petitionen und Debatten zu »Tanzbelustigungen« 1871 bis 1918 Einheitsfront oder Große Koalition? Seite 13 Der sächsische Landtag 1923/24, Mike Schmeitzner »Sachsen zweiter Classe« Seite 60 Die Rechtsgleichheit der Schönburgischen Rezessherrschaften mit Sachsen im Jahre 1878 »Von Staats wegen die Hand auf die Besitztümer« Seite 18 Die Vermögenstrennung zwischen dem Freistaat Sachsen und den Wettinern 1924 Das sächsische Dreiklassenwahlrecht von 1896 Seite 67 Eine paternalistische Variante parlamentarischer Repräsentation Seite 23 »Wie konnte eine solche Katastrophe entstehen?« Der sächsische Landtag debattiert die Unwetterkatastrophe Zwei Fassaden im Dienste der Reichsidee vom 8./9. Juli 1927 Das Dresdner Ständehaus und der Berliner Reichstag Seite 72 Seite 29 Nicht »besonders wesensfremde Gerüche« Eine Frage des nationalen Ausdrucks Vorzeichen des NS-Terrors im sächsischen Landtag Raumdisposition und Innenausstattung von Paul Wallots Seite 77 Dresdner Ständehaus, Andreas Denk Seite 36 SBZ/DDR Erste Kammer des Sächsischen Landtages im Jahre 1910 »Einstimmigkeit ... als Symbol für unsere Politik« Fotodokumentation Charakteristika des sächsischen Landtages 1946–1952 Seite 44 Seite 80 2 3 Vorwort »Immer bereit!« Der zeitliche Zuschnitt des vorliegenden Sammelbandes mag leitung, diesem Defizit in aller Kürze und auf dem Stand der Sondersitzung des sächsischen Landtages zur Erziehung auch den mit der sächsischen Geschichte Vertrauten zunächst gegenwärtigen Forschung abzuhelfen, indem sie Perspek tiven am 29. September 1950 vielleicht verwundern. Denn das Jahr 1868 gilt ansonsten einer Landtagsgeschichte aufweist. Für tiefergehende Einzel- Seite 88 nicht als Epochenwende für die Geschichte Sachsens. Für die analysen sei auf die weiterführende Literatur im Anhang sächsische Landtagsgeschichte markiert es jedoch einen rele- sowie am Ende der einzelnen Beiträge verwiesen. vanten Einschnitt. Als Folge von Sachsens Beitritt zum Nord- Die Beiträge dieses Bandes der »Aspekte sächsischer Land- Alltägliches deutschen Bund kam im Jahre 1866 eine Debatte über das tagsgeschichte« sind durchweg zunächst für den Landtagsku- Wahlrecht zum Landesparlament in Gang, die noch auf dem rier des Freistaates Sachsen bzw. den Jahresspiegel des Säch- Dresdner Häuser – Dresdner Parlamente ungewöhnlich langen Landtag bis zum Frühjahr 1868 zum si schen Landtages geschrieben. Sie wurden überarbeitet und Parlamentariertypen, Fassaden und Sitzordnungen Abschluss kam. Seit der sächsische Landtag sich Ende Sep- um eine Fotodokumentation der Ersten Kammer des Landta- Seite 92 tember 1869 wieder konstituierte, konnten sich in der zweiten ges ergänzt, die die Mitglieder dieses Hauses im Jahre 1910 Kammer die Parteien dauerhaft als Fraktionen etablieren. zeigt. Der Anhang bietet weiter führende Literatur zur säch- »Hierauf ward kalt soupiert und zum Schluss Punch servirt« Zwar waren die Landtage des Jahres 1849 und 1849/50, die sischen Landtagsgeschichte. Außer dem ist jeweils im An- Sächsische Parlamentarier außerhalb des Parlaments nach dem liberalen Wahlrecht vom November 1848 zusammen schluss an den Text die Quellen- und Literaturbasis für jeden Seite 100 kamen, ebenfalls schon Parteienparlamente gewesen. Mit dem Artikel aufgeführt. Der zweite Band der »Aspekte sächsi- Rollback des Sommers 1850 blieb diese Neuerung aber eine scher Landtagsgeschichte« mit dem Unter titel »Umbrüche Episode. Für fast zwei Jahrzehnte kehrte zunächst der Typ des und Kontinuitäten 1815 bis 1868« strebte be reits eine zeitli- Anhang Honoratiorenpolitikers zurück, der zwar persönliche weltan - che Geschlossenheit an. In dem nun vorgelegten vierten Band schauliche Vorlieben mitbrachte, sich aber nicht an eine partei- der Reihe soll dies fortgeführt werden. Deshalb sind drei Auswahlbibliografie politische Organisation band bzw. binden durfte, weil derartige Artikel aus dem ersten Band der »Aspekte sächsischer Land- Seite 108 Vereinigungen nicht zulässig waren. Obwohl bis zum Ende tagsgeschichte«, der noch keinen Untertitel trug,