Studia Austriaca VIII
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In collaboration with the Austrian Cultural Forum in Milan _____________________________________________________ Studia austriaca VIII Marianne Fritz • Thomas Bernhard norbert conrad kaser • Arthur Schnitzler • Paul Celan Franz Ferdinand • Hugo von Hofmannsthal Peter Handke • Alfred Kolleritsch edidit Fausto Cercignani Studia austriaca An international journal devoted to the study of Austrian culture and literature Published annually in the spring ISSN 1593-2508 Editor: Fausto Cercignani Electronic Edition (2012) of Vol. VIII (2000) Studia austriaca Founded in 1992 Published in print between 1992 and 2011 (vols. I-XIX) On line since 2012 under http://riviste.unimi.it Online volumes are licensed under a Creative Commons Attribution- NonCommercial-NoDerivs 3.0 Unported License. The background image of the cover is elaborated from the first page of a manuscript by Peter Handke entitled “Der Donnerblues von Brazzano in Friaul” (Robert Musil-Institut der Universität Klagenfurt / Kärntner Literaturarchiv – Bestand Edizioni Braitan). _| |_ Istituto Austriaco di Cultura di Milano ___________________________________________ Sezione di Germanistica del DI.LI.LE.FI Università degli Studi di Milano Studia austriaca VIII Marianne Fritz • Thomas Bernhard norbert conrad kaser • Arthur Schnitzler • Paul Celan Franz Ferdinand • Hugo von Hofmannsthal Peter Handke • Alfred Kolleritsch edidit Fausto Cercignani _ _ | | _| |_ Proprietà letteraria originaria dell’Università degli Studi di Milano Sezione di Germanistica del DI.LI.LE.FI _ _ | | _| |_ Premessa Grazie all’accordo concluso con il Console Mario Erschen nel 1994, anche questo nuovo volume di Studia austriaca esce per iniziativa congiunta dell’Istituto Austriaco di Cultura e della Sezione di Germanistica (già Isti- tuto di Germanistica) del Dipartimento di Studi Linguistici, Letterari e Filologici (DI.LI.LE.FI) dell’Università degli Studi di Milano. I compiti redazionali sono stati svolti con l’aiuto di Gabriella Rovagnati, che desidero qui ringraziare per la fattiva e paziente collaborazione. F. C. _ _ | | _| |_ Indice dei saggi Bettina Rabelhofer – Von Steinen, Schmerz und Sprache. Das Textbegehren der Marianne Fritz p. 9 Luigi Reitani – Cronaca di un congedo. «Estinzione» di Thomas Bern- hard p. 37 Stefan David Kaufer – Einsam in Bernhards Welt. Gestörter Nar- zißmus bei Thomas Bernhard p. 51 Maria Luisa Roli – norbert conrad kaser. Il “poeta maledetto” della letteratura sudtirolese p. 73 Thomas Rothschild – Schnitzler und Čechov. Ein Vergleich p. 93 Fausto Cercignani – L’ideale eroico e la sua negazione nell’«Ariadne auf Naxos» di Hofmannsthal p. 105 Eva Reichmann – Franz Ferdinand als literarische Figur p. 135 Rosalba Maletta – Paul Celan: “Maikäfertraum” e luogo delle origini p. 149 Leopold R. G. Decloedt – Krieg um Peter Handke. Handke und seine Haltung zu Serbien p. 189 Riccarda Novello – «Die Pfirsichtöter» di Alfred Kolleritsch. Tra autobiografia e formalizzazione letteraria p. 209 _ _ | | _| |_ Sezione curata dall’Istituto Austriaco di Cultura di Milano L’Istituto Austriaco di Cultura di Milano p. 231 Manifestazioni varie organizzate dall’Istituto Austriaco di Cultura di Milano nel 1999 p. 243 _ _ | | _| |_ Studia austriaca VIII (2000), 9-35 Bettina Rabelhofer (Graz) Von Steinen, Schmerz und Sprache Das Textbegehren der Marianne Fritz Wie sich nähern? Wie sich einüben in eine Sprache, die erste Lesever- suche stottern macht, die die Tastbewegungen ersten Orientierens zu tol- patschigen Vorläufigkeiten geraten läßt? Textemigration? Pathologisierung? Da schreibt eine Autorin, weitab von soziokulturellem und marktwirt- schaftlichem Konsens; da schreibt eine Exilantin in bezug auf die Macht – ausgesetzt einer Literaturkritik, die den Diskurs der Marianne Fritz mit der zwielichtigen Beweiskraft und unter dem Vorwand herrschender Syntagmen hinterlistig diskreditiert. War noch 1978 der Schwerkraft der Verhältnisse1 wohlwollende Medien- öffentlichkeit zuteil geworden, so stellen 1980 «irritierte» Berufsleser die perfide Frage, «ob der deutschen Sprache noch zuzumuten ist [...], was [der] mächtige[ ] Gestaltungswille [dieser Autorin] der Sprache auf- zwingt»2. Stein des (national)sprachlichen Anstoßes ist Marianne Fritz’ zweiter Roman Das Kind der Gewalt und die Sterne der Romani3, dem zugleich 1 Marianne Fritz, Die Schwerkraft der Verhältnisse (Frankfurt am Main: S. Fischer, 1978). 2 Harry Neumann, «Mundart wie von Da-Da. Bauern und Zigeuner. Ein Roman aus Österreich», in Saarbrücker Zeitung, 6.2.1981. – Vgl. auch Hansjörg Graf, «Pandämonium auf Stelzen. Marianne Fritz’ Roman “Das Kind der Gewalt”», in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.2.1981. 3 Marianne Fritz, Das Kind der Gewalt und die Sterne der Romani, (Frankfurt am Main: S. Fischer, 1980). _ _ | | _| |_ 10 Bettina Rabelhofer mit abnormer Privatcodierung auch ein «neue[r] Irrationalismus»4 und die «Gefahr der Remythisierung»5 unterschoben werden. Im übrigen hat der Literaturbetrieb vom Kind der Gewalt wenig Notiz genommen. In die vollständige Textemigration schließlich gehen die Rezensenten anläßlich des Erscheinens von Dessen Sprache du nicht verstehst6. Die Bezie- hung der Interpreten zum Text erweist sich als prekär: Uneingeschränktes Lob und polemische Ablehnung zeugen von der Gegensätzlichkeit ästhe- tischer Normvorstellungen einer (zahlenmäßig wohl kleinen) Rezipien- tengemeinde. Die meist krampfhafte Fixierung auf Materialphänomene kommt der Kapitulation vor dem Phänomen “Text” als hochkomplexem Sinngebilde gleich: «3.392 Seiten hat das Ding – das sind drei voluminöse Bände mit extrem dünnem Papier oder zwölf Bände mit Normalpapier»7. «Welch eine Anmaßung! Das Elf-Zentimeter-Konvolut macht mir erst- mals bewußt, daß ein Buch auch ein Angriff auf die Zeit des Lesers ist»8. «Über sieben Millionen Buchstaben zählt dieser Roman [...]»9. «Das einzig Bemerkenswerte: die drei Bände bringen es auf sage und schreibe 3392 Seiten und wiegen 2,8 Kilo»10. – Die auf “Küchenwaagen-Niveau” herun- tergekommene “Literaturkritik” demonstriert recht eindrücklich die Un- zulänglichkeit ihrer Instrumente. Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft einiger Rezensenten beschränken sich somit auf die «Exaktifizierung»11 des Werk-Umfangs und -Gewichts. Durch die Ausblendung jener Aspekte ihres Objektbereichs, die sich dem Zugriff von Maßband und Waage ent- ziehen, schrumpft der Roman notgedrungen in seine quantifizierbaren, materiellen Dimensionen zusammen. Die Autorin unterwirft ihre Texte nicht den Mechanismen des Mark- 4 Sibylle Cramer, «Das Nirgendwohin-Wollen vom Überall-Sein. Marianne Fritz: “Das Kind der Gewalt und die Sterne der Romani”», Frankfurter Rundschau, 21.2.1981. 5 Hansjörg Graf, (= Anm. 2). 6 Marianne Fritz, Dessen Sprache du nicht verstehst, (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986). 7 hair, «Wer hat die Fritz zum Bahnhof gerollt?», in: M. Das Magazin 2 (1986), S. 70. 8 Wolfgang Nagel, «2,8 Kilogramm Weltliteratur», in: Der Spiegel 39 (1985), S. 150. 9 Ebda. 10 Horst Hartmann, «2,8 Kilo Wortsalat auf 3392 Seiten für 450 Mark», in: Spandauer Volksblatt, 12.1.1986. 11 Hans Günther, «“Exakte” Literaturwissenschaft und Kultursemiotik – zwei Ten- denzen im sowjetischen Strukturalismus», in: Textsemiotik als Ideologiekritik. Hrsg. von Peter V. Zima (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1977), S. 120. _ _ | | _| |_ Von Steinen, Schmerz und Sprache. Das Textbegehren der Marianne Fritz 11 tes, ästhetische Qualität und Absatz kongruieren nicht ... Wenn «einen Text hervorbringen, bedeutet, eine Strategie zu verfolgen, in der die vor- hergesehenen Züge eines Anderen miteinbezogen werden»12, so selektiert Marianne Fritz ihre Leser. Der «vorhergesehene Andere» ist wohl jener Leser, dessen Erwartungssysteme nicht ausschließlich auf den Vorrat be- reits gesellschaftlich kodifizierter Zeichen gerichtet sind, dessen ideologi- sche Prädispositionen Rezeption auf möglichst vielen Ebenen zulassen und dessen Kompetenz den fiktionalen Kontext und seine poetische “Verschriftung” als differenzierte Negation bestehender Macht- und Herrschaftsdiskurse begreift. Ebenso wie der empirische Autor den hy- pothetischen Modell-Leser in seine eigene literarische Strategie übersetzt, entwirft der empirische Leser einen hypothetischen Modell-Autor, den er aus den Daten der Textstrategie deduziert. Obgleich die Hypothese des empirischen Lesers über den Modell-Autor eher abgesichert scheint als jene Hypothese, die der empirische Autor von seinem Modell-Leser ent- wirft13, sind die textuell umrissenen Konturen des Modell-Autors nicht immer eindeutig zu erkennen. Der Rezipient klammert sich dann nicht selten an Informationen, die er über den empirischen Autor schon besitzt, und gleicht den «Schriftzug» des Modell-Autors an die empirische Infor- mationsvorgabe an14. Im Falle der Marianne Fritz gestaltet sich diese Form der textuellen «Mitarbeit» auf seiten der Rezipienten mitunter recht abenteuerlich: Da die Autorin selbst der Öffentlichkeit keine Auskunft über sich gibt, und die kolportierte Biographie nur ein karges Gerüst an Lebensdaten – 1948 in Weiz in der Steiermark geboren, Bürolehre, an- schließend zweiter Bildungsweg, heute in Wien lebend – freigibt, versu- chen eifrige (meist bezahlte) Leser die biographische Leere erträglicher zu gestalten, indem sie durch “Details am Rande” auf die «Schreib-Besessen- heit» der Marianne Fritz aufmerksam machen: So lebt die Autorin «klaus- nerisch in Wien [...] in der ratternden Gesellschaft zweier Kugelkopf- Schreibmaschinen (eine als Reserve), schreibt vierzehn Stunden am Tag. Eine wahrlich asketische Lebensführung»15. Und ein anderer