HEFT 261 – MÄRZ 2006 45. JAHRGANG

Stadtschloss in Fulda: Pfeilermauer mit schmiedeeisernen Gittern zum Abschluss des Ehrenhofes von Johann Dietzenhofer um 1710; Sandsteinstatuen und Vasen von Johann Neudecker dem Älteren

»Europäische Einheit – Chancen für eine neue Friedenspolitik« Dokumentation: 10. Seminar der GKS-Akademie „Oberst Helmut Korn“ Seite 4 – 53 50 Jahre katholische Militärseelsorge Seite 90 – 102

www.katholische-soldaten.de HEFT 261 – MÄRZ 2006 AUFTRAG 45. JAHRGANG

INHALINHALINHALTTT editorial ...... 3 KIRCHE UND GESELLSCHAFT Botschaft zum Weltfriedenstag 2006: In der Wahr- DOKUMENTATION: 18 JAHRE GKS-AKADEMIE heit liegt der Friede (I) www.dbk.de ...... 69 OBERST HELMUT KORN: „EUROPÄISCHE EINHEIT – CHANCEN FÜR Weltfriedenstag 2006 in Köln: In der Wahrheit EINE NEUE FRIEDENSPOLITIK“ liegt der Friede (II) von Andreas M. Rauch ...... 70 Papst Benedikt XVI. an das diplomatische Korps: 1987-2005 – Zehn Seminare zum Selbstverständnis Die Lage im Heiligen Land (bt/DT) ...... 73 der Soldaten von Paul Schulz ...... 4 Zur Enzyklika „Deus caritas est“: Papst erklärt in >www.kmba.de< berichtete: Enzyklika Geheimnis christlicher Liebe (KNA) ... 76 “Katholische Soldaten diskutieren über Christenverfolgung heute von Andreas Rauch .... 77 Chancen für eine neue Friedenspolitik“...... 6 Die Anfänge des Christentums in Serbien „aktuell“ berichtete: „Spannungsfeld Leben“ ...... 7 von Stefan Nüßle ...... 79 Einladung zum 10. Seminar und Programm ...... 8 Serbien: 80 Jahre lateinische Erzdiözese Einführung und Seminarauswertung (PS) ...... 9 Belgrad (KNA) ...... 80 Ist Europa Gott-los? Zum Christlichen in der Ökumene: Die Kirchen und die so genannten Europäischen Verfassung von Frank Ronge ...... 11 neuen Heiden von Barbara Just ...... 81 Europa – woher und wohin? Die Themen der Weltjugendtage 2006,2007 von Johannes Michael Schnarrer ...... 14 und 2008 (ZENIT) ...... 81 Der Stand der europäischen Integration nach Janis Emmanoulidid ...... 16 BLICK IN DIE GESCHICHTE Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik 50 Jahre Bundeswehr: , der Europas im Zusammenspiel der Sicherheits- dritte Bundespräsident und die Bundeswehr organisationen von Sven Gareis ...... 20 von Dieter Kilian ...... 82 Das strategische Konzept der EU (I) Ausstellung: Barock im Vatikan Stichworte zum Vortrag von Frank Geldmacher u. Andreas Rauch ...... 88 von Brigadegeneral Gerhard Kemmler...... 23 KIRCHE UNTER SOLDATEN (I) Das strategische Konzept der EU (II) www.eu-vertretung.de ...... 26 50 JAHRE KATHOLISCHE MILITÄRSEELSORGE Führung durch Dom und Michaelskirche ...... 32 Wir wollen dienen? von Harald Oberhem ...... 90 www.bundeswehr.de: Kirche unter Soldaten. Empfang im Stadtschloss ...... 32 Katholische Militärseelsorge 1956 bis 2006 ...... 92 Empfang des Militärgeneralvikars und Übergabe Minister Jung gegen Votum der Bischöfe zur von Schirmherrschaft und Akademieleitung ...... 33 Inneren Führung (KNA) ...... 93 Europa und andere sicherheitspolitische Akteure Buchvorstellung: 50 Jahre Katholische Militär- von Peter Schmidt ...... 35 seelsorge in der Bundeswehr 1956 – 2006 (bt) .... 94 Die Zukunft im Visier – Neue Aufgaben der GKS: Erklärung aus Anlass 50 Jahre Bundeswehr vorgestellt von GM Wolfgang Korte .. 51 Militärseelsorge ...... 97 PERSONELLE VERÄNDERUNGEN IM KMBA SICHERHEIT UND FRIEDENSPOLITIK Militärdekane Weihmayer und Kestel Dem Recht Stärke verleihen von Ludwig Jacob . 54 aus der Militärseelsorge verabschiedet ...... 103 DBK: Soldaten als Diener des Friedens – Erklärung Laien in der Militärseelsorge verabschiedeten zur Stellung und Aufgabe der Bundeswehr ...... 58 sich von Militärdekan Georg Kestel ...... 104 Eine persönliche Einführung zur Erklärung der deutschen Bischöfe von Karl-Heinz Lather ...... 59 KIRCHE UNTER SOLDATEN (II) Die Schieflage der Friedenskonsolidierung in AUS DEN STANDORTEN UND GKS-KREISEN Afghanistan von Klaus Liebetanz ...... 61 Aus der Arbeit des Bundesgeschäftsführers ...... 105 Humanitäre Hilfe in Afghanistan Seminar für Funktionsträger der GKS: ...... 107 von Klaus Liebetanz ...... 63 GKS-Kreis Augustdorf ...... 108 Darfur – Bürgerkrieg und/oder „Schleichender GKS-Kreis Köln-Wahn ...... 109 Genozid“? von Klaus Liebetanz ...... 67 GKS Bereich Rheinland-Pfalz/Hessen/Saarland . 111

2 45. JAHRGANG AUFTRAG HEFT 261 – MÄRZ 2006

KURZ BERICHTET: ...... 57,75, GKS-Kreis Ingolstadt...... 112 GKS-Kreis Dornstadt ...... 113 PERSONALIA ...... 103 Internat. Jugendfreizeit 2005 in Kärnten: Anfängliche Skepsis vor dem Unbekannten wich BUCHBESPRECHUNGEN ...... 94, 117 heller Begeisterung ...... 114 TERMINE ...... 118 Ausschreibung für 3. internat. Sommercamp ..... 116 AUTOREN UND FOTONACHWEIS ...... 119

editorial Liebe Leserschaft! Dieses Heft ist wieder einmal recht umfangreich ge- Beigefügt ist dieser Ausgabe wieder die Jahres-CD worden. In der Redaktion wurde diskutiert, ob es wegen mit der digitalisierten Form der Zeitschrift des letzten der zahlreich vorliegenden Beiträge und zu berücksich- Jahres im PDF-Format. Da auf einer CD viel Speicher- tigenden Themen ein Doppelheft hätte werden sollen. platz vorhanden ist, wurde auch noch der Inhalt der CD Wir haben entschieden, uns auf 120 Seiten zu be- des Jahres 2004 mit aufgenommen. Sie finden also zwei schränken, dazu durchaus interessante Artikel fallen zu Jahrgänge auf der CD mit den Heften 252-256/2004 lassen und andere, nicht zeitgebundene in das nächste und 257-260/2005, ergänzt um die Titelseiten und In- Heft zu verschieben. Alle Einsender von Beiträgen, die haltsverzeichnisse ab Heft 238/2000 bis 251/2003. sich nicht berücksichtigt finden, bitten wir um Ver- Die Dateien können mit dem aktuellen Acrobat Rea- ständnis. der geöffnet, gelesen, kopiert und auch nach Stichwörtern durchsucht werden. Einzelheiten dazu finden Sie auf der CD in der Datei >Hinweise zur Heft CD.doc<.

Nun wünscht Ihnen die Redaktion aus dem noch immer tief ver- schneiten Oberbergi- schen, dass es bald Frühling wird, dass Sie Ihre persönliche Jahres-CD 2004-2005 Fastenaktion erfolgreich zu Ende führen und AUFTRAG 252-260 dabei auch etwas zur Ruhe und Besinnung kommen.

Für das Osterfest – das höchste Fest der Christenheit – wünschen wir Ihnen Gottes reichen Segen und nehmen Sie den traditionellen Ostergruß ernst: „Christus ist wirklich auferstanden!“*)

*) Es soll praktizierende Christen geben, die das nicht mehr glauben.

3 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ 18 Jahre GKS-Akademie Oberst Helmut Korn 1987-2005 – Zehn Seminare zum Selbstverständnis der Soldaten

VON PAUL SCHULZ Zum Gründungszeitpunkt war freundlich aufgenommen hat – was die Akademie-Idee allerdings schon nicht zuletzt die regelmäßigen Emp- 30 Jahre alt. Engagierte katholische fänge im Stadtschloss durch die Soldaten hatten bereits in den ersten Oberbürgermeister (OB Dr. Wolf- Jahren der Bundeswehr sich zusam- gang Hamberger, OB Dr. Alois Riehl, mengeschlossen, um gemeinsam OB Gerhard Möller) bewiesen haben. über den Dienst als christliche Sol- daten nachzudenken. Sie wollten den Was ist nun die GKS-Akademie Dienst gegenüber dem Staat und ih- Oberst Helmut Korn? Sie ist eine ren Mitbürgern entsprechend den berufsethische Bildungsveranstal- Normen ihrer Kirche gestalten. Ant- tung der GKS, die alle zwei Jahre worten auf die gemeinsamen berufs- Anfang November in Seminarform ethischen Fragen wollten sie im durchgeführt wird. Sie ist nach dem Kreis Gleichgesinnter bei jährlichen geistigen Vater und Mitbegründer Akademieveranstaltungen finden. der GKS, Oberst Dr. Helmut Korn Die Entwicklung führte dann (*1924 †1983), benannt. Ohne den aber – nicht zuletzt unter dem Ein- unermüdlichen, beispielhaften und fluss des II. Vatikanischen Konzils prägenden Einsatz von Oberst Dr. Anfang der 60er Jahre und der 1975 Helmut Korn gäbe es diese Gemein- beendeten Gemeinsamen Synode der schaft des organisierten Laien- Bistümer in der Bundesrepublik apostolats in der „Kirche unter Sol- Deutschland – zur Gemeinschaft daten“ in ihrer heutigen Form wohl Katholischer Soldaten (GKS). Aller- nicht. Deshalb ist sein Name uns dings war der Akademiegedanke Heutigen Erbe und Verpflichtung. niemals ganz verstummt. In den Seminaren sollen Vorträ- Als ich im April 1987 überra- ge von hochrangigen Fachleuten aus schend zum Bundesvorsitzenden der Kirche, Politik, Gesellschaft, Wis- GKS gewählt wurde, kamen sehr senschaft und Militär Informationen bald mein Vorgänger Oberst a.D. aus erster Hand vermitteln sowie Georg Heymen (*1933 †1991) und durch die Möglichkeiten für Rück- der Geistliche Beirat der GKS, fragen und Aussprachen der persön- Militärdekan Prälat Walter Theis, lichen Meinungsbildung, Stand- auf mich zu, um mir die Akademie- punktfindung und Horizonterweite- Idee nahe zu bringen. Da beide kon- rung dienen. Damit bietet die GKS krete Vorstellungen davon hatten, Offizieren und Unteroffizieren Orien- enn im Rheinland etwas wurde noch im gleichen Jahr die tierungshilfen an und gibt ihnen Ant- zweimal stattgefunden hat, Akademie gegründet. worten auf die Fragen nach dem Sinn Wsagt man, es habe Tradition. Als Ort wurde das Bonifatius- des soldatischen Dienstes in der heu- In unserer kurzlebigen, von Wech- haus in Fulda gewählt. Es bot günsti- tigen Zeit. seln, Neuerungen und Reformen ge- ge infrastrukturelle Voraussetzungen In den 18 Jahren seit Akademie- prägten Zeit hat damit ein Projekt, und wissenschaftliche Unterstüt- gründung wurden zehn Seminare dass seit 18 Jahren alle zwei Jahre – zung. Im Bonifatiushaus hat die GKS durchgeführt, an denen insgesamt und im Jahr 2005 zum zehnten Mal – einen in Deutschland zentral gelege- mehr als 600 Offiziere und Unteroffi- stattgefunden hat, schon eine wirkli- nen Ort der Begegnung gefunden, der ziere aller Ränge und Altersstufen che und fast lange Tradition. durch die vom „Apostel der Deut- teilgenommen haben. Immer ging es Als am 29. Oktober 1987 im Bo- schen“ begründete christliche Tradi- um den Soldat im Spannungsfeld nifatiushaus, dem Haus der Weiter- tion und die damit verbundene geis- ethischer und sicherheitspolitischer bildung der Diözese Fulda, in einem tig-geistliche Aufgeschlossenheit be- Fragen, wobei auch die persönlichen feierlichen Festakt die GKS-Akade- stimmt ist. Das gilt nicht nur für das Lebens- und Interessensbereiche mie „Oberst Helmut Korn“ gegrün- Bonifatiushaus, sondern ebenso für nicht außer Acht gelassen wurden. det wurde, wusste niemand, ob das die recht verkehrsgünstig mitten in Die einzelnen Seminare standen zarte Pflänzchen auch überlebens- Deutschland gelegene Stadt Fulda, unter einem spezifischen, zeitorien- und entwicklungsfähig sein würde. die uns Soldaten immer offen und tierten Leitthema und umfassten eine

4 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

Exkursion unter dem Motto „Blick Übergabe der Schirmherrschaft über den Zaun“: und der Akademieleitung im 1. 1987: „Grundwerte leben – Rahmen eines Festaktes. Soldat im Spannungsfeld ethi- Der hl. Bonifatius scher und sicherheitspolitischer • Mit der Akademiegründung weist den Weg. Fragen“. übernahmen hochrangige, Bonifatius (Winfrid), Fahrt zur Innerdeutschen Grenze katholische Generale die Erzbischof, Apostel im Raum Hünefeld, Rasdorf, Schirmherrschaft über die Deutschlands, Philippsthal. Akademie; es waren: Märtyrer OSB, Patron der Diözese Fulda; 2. 1989: „Christliches Menschen- – General Dieter Clauß *672 oder 673 in Devon bild und Menschenführung in (1987-1993, Seminare 1-4) England, † 05.06.754 den Streitkräften“. – Generalleutnant Edgar Trost in Dokkum, Niederlande. Fahrt zur Innerdeutschen Grenze (1993-2001, Seminare 5-7) Bronzeplastik von im „Fulda Gap“ (Point „A“). – Generalleutnant Karl-Heinz Heinrich Söller (1963) 3. 1991: „Europäische Friedens- Lather an der Außenwand ordnung. Unser Beitrag zur ge- (2001-2005, Seminare 9-10) der Kapelle des meinsamen Werteordnung“. – Generalmajor Wolfgang Korte Bonifatiushauses in Fulda. Fahrt nach Erfurt mit Vortrag (seit 2005) von Diözesanbischof Joachim • Drei Militärbischöfe haben ihre Wanke: „Der Beitrag der Kirche Wertschätzung für die Akademie schaft und persönlichem Gewinn ge- zur Wende“. sowohl durch eigene Vorträge zu macht. Nach zehn Seminaren in 18 4. 1993: „Soldat der Einheit. Zum den kirchlich-ethischen Aspek- Jahren war es aber nun an der Zeit, Selbstverständnis katholischer ten der Seminarthemen als auch das Amt des Leiters der Akademie Soldaten“. durch Empfänge unter Beweis einem Nachfolger zu übergeben. Die- Fahrt nach Weimar, Besuch des gestellt: ser fand sich in Oberst a.D. Karl-Jür- KZ Buchenwald. – Erzbischof Dr. Elmar Maria gen Klein, den die Bundeskonferenz 5. 1995: „50 Jahre nach Kriegs- Kredel, Bamberg (1987-1989), bei der 45. Woche der Begegnung im ende – Krisen überwinden, – Dr. Johannes Dyba, Fulda September des Jahres zu ihrem Verständigung finden“. (1991-1999), Ehrenbundesvorsitzenden berief. Fahrt nach Eisenach mit Besich- – Dr. Walter Mixa, Eichstätt, Klein hatte wegen seiner Zurruhe- tigung der Wartburg. heute Augsburg (seit 2001). setzung den Vorsitz nach zehn Jahren 6. 1997: „Soldat im internatio- • Drei Militärgeneralvikare haben an Oberstleutnant Paul Brochhagen nalen Friedensdienst: die Akademie-Idee mitgetragen übergeben. Sinn – Identität – Ethik“. und die materiellen Vorausset- Ein herzliches „Vergelt’s Gott“ Besuch bei den Franziskanern in zungen für die Durchführung der allen, die seit 1987 der Akademie- Schmalkalden Seminare geschaffen: Idee zum Erfolg verholfen und sie 7. 1999: „In Verantwortung vor – Protonotar Dr. Ernst Niermann tatkräftig unterstützt haben. Dank al- Gott und den Menschen! – Wel- (1987-1993), len Referenten, den Schirmherren, ches Leitbild prägt den Soldaten – Prälat Jürgen Nabbefeld den Direktoren des Bonifatiushauses an der Jahrtausendwende?“ (1995-1999), Dr. Antonius Gescher (wissenschaft- Ausflug zum Benediktinerkloster – Prälat Walter Wakenhut licher Begleiter der Seminare 1-9) Münsterschwarzach, zur ökume- (2001-2005). und seinem Nachfolger Gunter Gei- nischen Kommunität Schwanen- • Zwei Geistliche Beiräte der GKS ger (ehem. SaZ 12 und Major der berg und nach Theilheim. haben bisher die Seminare spiri- Res.), der Leitung des Katholischen 8. 2001: „Das Recht und die Frei- tuell und beratend betreut: Militärbischofsamtes, den Geistli- heit tapfer verteidigen! – Militärdekan Prälat Walter Theis chen Beiräten der GKS und natürlich Soldatsein – ein Beruf wie von 1987 bis 1999 und dem Bundesvorstand der GKS, aber jeder andere?“ – Militärdekan Msgr. Georg Kestel auch den pflegeleichten und im All- Besichtigung des VW-Werkes von 2001 bis 2005. gemeinen gut motivierten Teilneh- Baunatal, Gespräche mit Werks- mer an den Seminaren. leitung und Betriebsrat zum Als ich 1992 nach dem Wehr- Unter der neuen Leitung und mit Thema „Wirtschafts- und Unter- strukturgesetz vorzeitig aus der Bun- Gottes Hilfe möge die Akademie nehmensethik“. deswehr ausschied und damit das Oberst Helmut Korn weiterhin ein 9. 2003 „Soldat – Ehe – Familie – Amt des Bundesvorsitzenden satzungs- sympathisches und anspruchsvolles Partnerschaft“. gemäß aufgab (der Bundesvor- Aushängeschild des Verbandes sein. Fahrt zum Kreuzberg/Rhön, sitzende der GKS ist immer ein akti- Die GKS beabsichtigt, die ersten Besichtigung der Klosterkirche, ver Soldat), meinte MD Theis: „Ein zehn Seminare der Akademie in ei- Geschichte des Klosters und Ehrenbundesvorsitzender muss eine ner Broschüre zu dokumentieren und seine Bedeutung für die Region. fordernde Aufgabe habe: Er soll die voraussichtlich Ende des Jahres 10. 2005: „Europäische Einheit – Akademie leiten.“ Das habe ich 2006 zu veröffentlichen. Zunächst Chancen für eine neue Friedens- dann auch weiterhin bis zum Jahr aber folgen Beiträge zum 10. Semi- politik“. 2005 mit großer Freude, Leiden- nar 2005. ❏

AUFTRAG 261 5 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

>www.kmba.de< BERICHTETE ÜBER DIE GKS-AKADEMIE: Katholische Soldaten diskutieren über Chancen für eine neue Friedenspolitik Gemeinschaft Katholischer Soldaten in der Akademie „Oberst Korn“ in Fulda Beim 10. Seminar der Akademie „Oberst Helmut Korn“ im Bonifatiushaus in Fulda befasste sich die Gemeinschaft Katholischer Soldaten vom 07.-11. Novem- ber 2005 mit Themen zur Europäischen Einheit. In Vorträgen und Arbeitsgruppen wurden Fragen zum europäischen Verfassungsvertrag und der Europäischen Union unter dem Aspekt der Friedens- und Sicherheitspolitik erörtert sowie über neue Aufgaben der Bundeswehr und die Veränderungen im Bild des Soldaten diskutiert. Militärgeneralvikar Walter Wakenhut würdigte in seinen Eröffnungsworten an- lässlich des 10. Jubiläums die Akademie als Institution zur Weitergabe ethischer Gedanken und zur Hilfestellung für die Arbeit des Soldaten im Spannungsfeld des täglichen Lebens. Das Spannungsfeld trage in der Bundeswehr von heute den Na- men „Transformation“. Die Tatsache des Wandels sei nicht zu umgehen und müs- se vorausschauend und aktiv mitgestaltet werden, betonte Wakenhut. Umso wich- tiger seien klare Zielvorstellungen auf dem Weg und geistig-religiöse Haltepunkte, die Orientierung schafften. Die Gemeinschaft Katholischer Soldaten habe wichtige Knotenpunkte erkannt und versuche durch Fragestellungen wie das Aufzeigen der Notwendigkeit einer religiösen Bindung, die Aktualisierung von Grundpositionen der christlichen Friedenslehre und die Verdeutlichung des Wertes der Inneren Führung ihr Profil deutlich zu machen. Generalvikar Wakenhut stellte besorgt fest, dass die Zahl der Militärseelsorger, aus Sparmaßnahmen des Staates, immer deutlicher reduziert wird. Das umfassende Angebot an Seelsorge, das die Mili- tärseelsorge im Sinne der Inneren Führung als Wertevermittlung verstanden habe, werde so nicht mehr aufrecht zu hal- ten sein. Gleiches gelte für den Lebenskundlichen Unterricht, der ja für alle Soldaten – auch die nicht kirchlich gebun- denen – eingerichtet sei. MGV Wakenhut bat die Soldaten ausdrücklich um Solidarität und Unterstützung zur Fortfüh- rung des „Projekts Militärseelsorge“ zu den bisherigen bewährten und vertrauten Bedingungen. Eine besondere Ehre wurde Generalleutnant Karl-Heinz Lather zuteil. In Anerkennung seiner Verdienste als Schirmherr der Akademie Oberst Korn wurde ihm vom Bundesvorsitzenden der GKS, Oberstleut- nant Paul Brochhagen das große Kreuz der GKS verliehen. General Lather habe sich durch seine Menschlichkeit und praktizierte Ge- schwisterlichkeit ausgezeichnet. Bei den Vorbereitungen und der Be- gleitung der Seminare habe er sich mit all seinen reichen Erfahrungen eingebracht. Lather beteuerte, weiterhin seine Verbundenheit zur GKS und zur Zentralen Versammlung aufrecht zu halten. In einer immer mehr säkular werdenden Bundeswehr brauche man überzeugende Christen, sagte der General. Lather, der weiterhin dem ZdK angehört, übergab sein Amt der Schirmherrschaft an Generalmajor Wolfgang Korte. OTL Brochhagen dankte General Korte für seine Bereitschaft dieses Ehrenamt anzunehmen. Korte sprach seine Freude über seine neue Aufgabe aus. „Man muss auch mal etwas zurückgeben, wenn man all die Jahre von der guten Arbeit der Militärseelsorge profitiert hat.“ Auch die Leitung der GKS-Akademie erfuhr einen Wechsel: OTL a.D. Paul Schulz, der diese Aufgabe als Bundesvorsitzender 1987 übernommen und nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst 1992 als Ehrenbundesvorsitzender der GKS weitergeführt hatte, übergab die Leitung der Akademie an den neuen Ehrenvorsit- zenden Oberst a.D .Karl-Jürgen Klein. OTL Brochhagen dankte Paul Schulz für seinen langjährigen unermüdlichen Einsatz, für seine Pflichterfüllung und Loyalität zur GKS. Mit der Jubiläums- veranstaltung abzutreten sei ehrenvoll, wie es einem Ehrenbundes- vorsitzenden gebühre, sagte P. Brochhagen. Auch wenn eine Ära zu Ende gehe, hieße die Devise der GKS: Traditionen pflegen – das Gute und Bewährte weitertragen. (M. Beyel, PrSt KMBA)

6 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

Fotos von der Website des KMBA: Oberstleutnant Brochhagen überreicht Generalleutnant Lather das Große Kreuz der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (links). Oberstleutnant a.D. Schulz übergibt seinem Nachfolger als Leiter der GKS-Akademie Oberst a.D. Klein eine CD mit der Dokumentation der zehn bisher durchgeführten Seminare (Mitte). Fototermin nach der Akademieübergabe (v.l.): Der ehemalige Leiter der Akademie Paul Schulz, der neue Schirmherr Generalmajor Wolfgang Korte, der neue Leiter der Akademie Karl-Jürgen Klein, Militärgeneralvikar Walter Wakenhut, Generalleutnant Karl-Heinz Lather und der Bundesvorsitzende der GKS, Oberstleutnant Paul Brochhagen (rechts).

AUFTRAG 261 7 GKS-AKADEMIE „OBERSTEinladung HELMUT KORN“ zum 10. Seminar und Programm

ie Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) • Wie werden Führer und Soldaten darauf mental und führt in Zusammenarbeit mit dem Bonifatiushaus durch qualifizierte Ausbildung vorbereitet? Fulda vom 7. bis 11. November 2005 das 10. D Die Akademie Oberst Helmut Korn ist eine 1987 ge- Seminar ihrer AKADEMIE OBERST HELMUT KORN durch. gründete berufsethische Bildungsveranstaltung der GKS, Das Thema lautet: die alle zwei Jahre Anfang November in Fulda stattfindet. „EUROPÄISCHE EINHEIT – Sie ist nach dem geistigen Vater und Mitbegründer der CHANCEN FÜR EINE NEUE FRIEDENSPOLITIK“ GKS, Oberst Dr. Helmut Korn (*1924 †1983), benannt. Das Seminar befasst sich u.a. mit den Fragen: Die Vorträge von Fachleuten dienen der Information, Aussprachen und Diskussionen mit ihnen der Meinungs- • Ist die Europäische Union (EU) mehr als eine Wirt- bildung und Standpunktfindung. Damit will die GKS schafts- und Währungsunion? Offizieren und Unteroffizieren Orientierungshilfen anbie- • Können der europäische Verfassungsvertrag und die ten und ihnen Antworten auf die Fragen nach dem Sinn EU als ein Modell für Sicherheit in Frieden, Freiheit der soldatischen Dienstes in der heutigen Zeit geben. und Gerechtigkeit in anderen Weltregionen gelten? Im Bonifatiushaus, dem Haus der Weiterbildung der • Ist Europa darauf vorbereitet, wenn es als globaler Diözese Fulda, hat die GKS einen in Deutschland zentral Akteur gefordert wird? gelegenen Ort der Begegnung gefunden, der durch die • Sind die Streitkräfte in der Lage, im Auftrag der Ver- vom „Apostel der Deutschen“ begründete christliche einten Nationen und der OSZE Friedensmissionen Tradition und die damit verbunde geistig-geistliche Auf- auch außerhalb Europas durchzuführen? geschlossenheit bestimmt ist. Ablauf des Seminars Montag, 7. November 16.00h Empfang beim Oberbürgermeister der Stadt bis 15.00h Anreise Fulda, Gerhard Möller, im Stadtschloss mit 16.00h Begrüßung und Einführung ins Seminar, Führung (Dokumentation S. 32) Vorstellung des Hauses und des Veran- 19.30h „Zehn Seminare der GKS-Akademie stalters, Organisation Oberst Helmut Korn 1987-2005“ 19.00h „Ist Europa gott-los? Zum Christlichen in Empfang des Kath. Militärgeneralvikars der Europäischen Verfassung“; Offener Prälat Walter Wakenhut zum Wechsel bei Akademieabend mit Vortrag u. Aussprache: • der Schirmherrschaft der Akademie Dr. Frank Ronge, Deutsche Bischofskon- von Generalleutnant Karlheinz Lather, ferenz, Bonn, Geschäftsführer der Kom- Stv. Befehlshaber Joint Command NATO mission für gesellschaftliche und soziale in Heidelberg zu Generalmajor Fragen (Dokumentation S. 11 ff.) Wolfgang Korte, Amtschef Heeresamt anschl. gesellige Kennenlern-Runde in Köln • der Leitung der GKS-Akademie Dienstag, 8. November vom Ehrenbundesvorsitzenden der GKS, 07.30h Hl. Messe Oberstleutnant a.D. Paul Schulz, zum bis 09.00h „Der Stand der europäischen Integration. Sept. 2005 amtierende Bundesvorsitzenden, Der europäische Verfassungsvertrag unter Oberst a.D. Dipl.Ing. Karl-Jürgen Klein dem Aspekt der Friedens- und Sicher- (Dokumentation S. 33 f.) heitspolitik“; Referent: Janis A. Emmanou- ilidis, Dipl.Kfm., Centrum für angewandte Donnerstag, 10. November Politik (C·A·P) (Dokumentation S. 16 ff.) 07.30h Hl. Messe 15.00h „Die Gemeinsame Außen- und Sicher- 09.00h „Europa und andere sicherheitspolitische heitspolitik Europas im Zusammenspiel der Akteure“; Referent: Prof. Dr. Peter Schmidt, Sicherheitsorganisationen“; Referent: Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Dr. Sven Gareis, Sozialwissenschaftliches Berlin (Dokumentation S. 35 ff.) Institut der Bundeswehr (Sowi), Strausberg 15.00h „Neue Aufgaben der Bundeswehr“; (Dokumentation S. 20 ff.) Referent: Generalmajor Wolfgang Korte, Amtschef Heeresamt in Köln Mittwoch, 9. November (Dokumentation S. 51 ff.) 08.00h Morgenlob 17.00h Arbeitsgruppen zum Thema 09.00h „Das strategische Konzept der Europä- „Veränderungen im Bild des Soldaten“ ischen Union“; Referent: Brigadegeneral 19.00h Fortsetzung der Arbeitsgruppen Gerhard Kemmler, LtrArbBereich MilPol 20.00h Vortrag der Ergebnisse der Arbeitsgruppen an der EU-Botschaft, Brüssel (Dokumentation S. 23 ff.) Freitag,11. November ab 14.00h Führung zum Bonifatiusgrab, durch Dom 08.00h Hl. Messe, und Michaelskirche Schlusswort und Verabschiedung

8 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ 10. Seminar der GKS-Akademie Oberst Helmut Korn „EUROPÄISCHE EINHEIT – CHANCEN FÜR EINE NEUE FRIEDENSPOLITIK“

1. Einführung Als frühzeitig im Jahr 2005 das Thema des 10. Semi- Teilnehmer-Gruppen nars der GKS-Akademie Oberst Helmut Korn „Europäi- sche Einheit – Chancen für eine neue Friedenspolitik“ festgelegt wurde, ging das Vorbereitungsteam noch davon 5% aus, dass der vom Verfassungskonvent vorgelegte Entwurf Offiziere einer Europäischen Verfassung von den Mitgliedsländern gebilligt und ratifiziert würde. Mit dem Scheitern der Re- ferenden in Frankreich und in den Niederlanden ist Euro- Unteroffiziere pa in eine tiefe Krise gestürzt. Eine Wieder- oder Neu- 42% 53% belebung der europäischen Idee scheint nur möglich, wenn den Bürgern Vorbehalte, Sorgen und Ängste vor ei- Angeh. nem fernen, unnahbaren und undurchschaubaren Moloch MilSeelsorge genommen und die vorhandenen Fragen der Menschen of- fen und wahrhaftig beantwortet werden. Dazu gehören auch die Schaffung von Arbeitsplätzen, Fragen nach dem europäischen Sozialmodell, nach den Grenzen Europas wie auch nach der Tragfähigkeit einer europäischen – 13 der 60 Teilnehmer gehörten dem Bundesvorstand Friedensvision. der GKS an. Mit den Referenten waren sich die Seminarteilnehmer Das Durchschnittsalter betrug 41 (32) Jahre. Offensicht- darin einig, dass es Auswege aus der gegenwärtigen Krise lich waren anders als bei früheren Seminaren vor allem der Europäischen Union (EU) zu finden gilt. Dies ist nicht lebensältere Soldaten am Seminar interessiert. allein Aufgabe der Regierungen. Die Denkpause solle von allen gesellschaftlichen Gruppen genutzt werden, um eine 4. Seminarauswertung notwendige Debatte um die Weiterentwicklung und Festi- gung der europäischen Idee zu führen, gegen eine sich Das 10. Seminar fand wieder zum gewohnten Termin verstärkende Europa-Skepsis und gegen eine Haltung na- Anfang November statt. Der zum 9. Seminar gewählte tionaler Egoismen. Um es positiv auszudrücken: Europa Zeitraum (28.04.-02.05.2003) hatte sich nicht bewährt. braucht eine Verfassung, welche die Wirksamkeit und Von der Möglichkeit, sich anhand eines zu Beginn Transparenz seiner Institutionen sichert und eine Beteili- verteilten „Fragebogens zur Auswertung“, zum Seminar gung der Bürger am Leben der Union garantiert. „Europa zu äußern und Vorschläge zu Verbesserung zu machen, (muss) die Aufgaben wahrnehmen, die seiner Berufung haben 50 % der Teilnehmer Gebrauch gemacht. entsprechen: wirtschaftlichen Fortschritt, sozialen Zu- • Zufriedenheit: sammenhalt und Schutz der Umwelt auf dem gesamten Mit dem Seminar waren „sehr zufrieden“ 72,4 %, Kontinent voranbringen, Gerechtigkeit und Solidarität „zufrieden“ 27,6 %. Niemand äußerte „nicht (ganz) zu- fördern, und - auf europäischer wie internationaler Ebene frieden“ gewesen zu sein. - sich um die Festigung des Friedens und der Gerechtig- • Gründe für die Teilnahme keit im aktuellen Kontext der Globalisierung bemühen.“ (Mehrfachnennung möglich): (aus: Abschlusserklärung des Treffens von Bratislava vom – Interesse am Thema 80 %, 09.10.2005; an dem Treffen nahmen Vertreter von kath. – thematischer Bezug zu christl. Werten 30 %, Organisationen aus 13 europäischen Ländern teil). – Gewinn neuer Erkenntnisse 7 %, – Empfehlung von Kameraden 7 %, 2. Idee und Verlauf des Seminars – Verbundenheit mit GKS 7 % s.S. 8 „Einladung zum 10. Seminar und Programm“ • Erwartungen Die Erwartungen wurden 3. Teilnehmer – übertroffen 31 %, – erfüllt 69 % Das 10. Seminar verzeichnete 60 (80) ständige Teil- • Atmosphäre im Seminar nehmer*, davon Die Atmosphäre wurde bewertet als – 32 (35) Offiziere, unter ihnen 2 Generale und – sehr gut 62 %, – gut 38 % 5 Offz a.D. • Themenauswahl – 25 (42) Unteroffiziere, davon 2 a.D. und 1 d.Res. Besonders wichtig waren den Teilnehmern die The- – 3 Angehörige der Militärseelsorge men „Stand der europäischen Integration“ sowie „Neue (2 Pfarrer, 1 Ang. KMBA) Aufgaben der Bundeswehr“ mit den anschließenden

* Im Vergleich dazu in Klammern gesetzt die Angaben des 9. Seminars 2003. Die Zahlen bei allen Seminaren haben sich immer zwischen 55 und 80 Teilnehmern bewegt.

AUFTRAG 261 9 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

Arbeitsgruppen zu „Veränderungen im Bild des Solda- und die Zielsetzung, Thematik und das Programm des 10. ten“; hingegen fanden mehrere das Thema „Die Gemein- Seminars auf dem Dienstweg bekannt gemacht werden same Außen- und Sicherheitspolitik Europas“ als schwie- konnten. Wiederum hat sich gezeigt, dass die effektivste rig. Die Themenauswahl wurde zu 86 % als sehr gut, gut, Werbung die persönliche Ansprache möglicher Interes- zeitgemäß und aktuell bewertet. 14 % übten Kritik, weil senten durch Standortpfarrer, Vorgesetzte, GKS-Mitglie- sie die Auswahl für teilweise überzogen hielten, die kirch- der oder durch Kameraden erfolgt, die bereits an einem liche Position zu kurz kam oder der Militärseelsorge kein Seminar teilgenommen haben und positiv darüber berich- eigenes Thema eingeräumt war. Einige hätten gern mehr ten (s. neben stehendes Diagramm). über die Interessenlage Deutschlands innerhalb Europas • Häufigkeit der Teilnahme und die ethische Bewertung bzw. Legitimation von Aus- – 83 % gaben an erstmals an einem Seminar der landseinsätzen der Bundeswehr erfahren. GKS-Akademie teilgenommen zu haben; • Referenten, Lernerfolg und – 69 % wollen sicher und Äußerungsmöglichkeiten – 31 % vielleicht an einem weiteren Seminar Die Referenten wurden durchweg als gut ausgewählt, teilnehmen. kompetent und überzeugend empfunden. Auch das Ver- • Gesamtwertung und Verbesserungen hältnis von Referat zur Aussprache wurde als ausgewogen Die letzte Frage nach einer abschließenden Bewer- bewertet, wenn gleich 20 % sich mehr Zeit für Gespräche tung und/oder nach Verbesserungsvorschlägen kann hier gewünscht hätten. im Einzelnen nicht wiedergegeben werden. Die sehr un- Alle Teilnehmer bestätigen, dass sie im Seminar viel terschiedlichen Ansichten müssen vom Vorbereitungs- Neues gelernt und bisher durchaus Bekanntes besser ver- team für das nächste Seminar 2007 ausgewertet werden. stehen gelernt hätten. Zwei Aussagen seien aber exemplarisch zitiert: Auf die Frage, ob man sich am Gespräch beteiligen – „Hätte ich gewusst, welch’ herausragende Qualität konnte, antworteten mit diese Akademie bietet, wäre ich nicht erst 2005 zum – “soviel, wie ich wollte“ 86 %, ersten Mal gekommen und hätte noch mehr Werbung – nur 7 % bemängelten, dass sie sich nur wenig am Ge- dafür betrieben.“ spräch beteiligen konnten; – „Ich war angenehm überrascht … Danke für eine her- – ebenso gaben 7 % keine Antwort. vorragende Bildungswoche!“ (PS) • Gottesdienstangebot Die Frage nach dem Gottesdienstangebot wurde mit (sehr) gut, richtig, angemessen oder unverzichtbar bewer- tet; nur zwei Teilnehmer hielten das tägliche Angebot für zu hoch. • Werbung Zur Werbung wurden ab dem ersten Quartal 2005 Faltblätter mit Einzelheiten zum Seminar über alle GKS- Kreise und Ansprechpartner sowie die Dienststellen der katholischen Militärseelsorge verteilt. Bei den Bundes- konferenzen und über die Verbandszeitschrift AUFTRAG wurden zusätzliche Informationen gegeben. Außerdem er- möglichte es der Schirmherr, dass die Idee der Akademie

Wie haben Sie vom Seminar erfahren

60% pers. Gespräch (StOPfr, Vors GKS, 52% Kameraden 50% Prospekt/Plakat/Aushang 41% 40% AUFTRAG 34%

30% Vorgesetzte/Dienstweg

20% 14% eig. Initiative

10% 3,5% Plakat von Helmut Jermer im Format A3 und A4 0% zum Aushang in den Schaukästen der Militärseelsorge

10 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ Ist Europa Gott-los? Zum Christlichen in der Europäischen Verfassung

VON FRANK RONGE m die geistige Verfasstheit der Die gemeinsame europäische Europäischen Union zu erah- Währung war auch gedacht als ein Unen, lohnt ein Blick auf ihr Identifikationsmoment, durch das Geld. Zunächst mag man sich freuen: die Bürger sich als Europäer verste- Die bedeutendste europäische politi- hen sollten. Sicher wird die Tatsa- sche Einheit weiß um ihre Kultur. che, dass man an vielen Enden des Von ionischen Kapitellen über goti- Kontinents mit demselben Geld be- sche Kirchenfenster bis hin zur mo- zahlen kann, auf längere Sicht Wir- dernen Architektur des 20. Jahrhun- kung zeigen. Vorerst aber hat die so- tegration ihre Legitimation aus dem derts reicht die Palette europäischer genannte „Teuro“-Diskussion dazu Willen zum Frieden und zu einer Ab- Baukunst, die auf den Euro-Schei- geführt, dass viele mit der Europäi- wehr aller Totalitarismen bezogen. nen die kulturellen Leistungen und schen Union erneut Negatives assozi- So heißt es in der Präambel des ers- das Können dieses wahrhaft alten ieren. Im Übrigen haben die Bürger ten europäischen Vertrages, des Ver- Kontinents repräsentieren. Auf der überhaupt keine Erwartungen an die trages über die Gründung der Euro- Rückseite finden sich Brücken, das Europäische Union. Wenn in einer päischen Gemeinschaft für Kohle Symbol der Verbundenheit auch über repräsentativen Umfrage 83 % der und Stahl von 1951, dass diese Ge- Gräben hinweg. Anders dürfte das Deutschen der Meinung sind, dass meinschaft gegründet wurde „in der Urteil ausfallen, wenn man bedenkt, Deutschlands Zukunft davon ab- Erwägung, dass der Weltfriede nur was hier nicht dargestellt ist: Die hängt, „wie sich die Wirtschaft bei durch schöpferische, den drohenden Brücken beginnen im Nichts und en- uns entwickelt“, 63 % Deutschlands Gefahren angemessene Anstrengun- den im Nichts, als sei Niemand da, Zukunft von den Entscheidungen der gen gesichert werden kann.“ Den der sich hier begegnen wollte. Sie Bundesregierung abhängig sehen, Weg, den der französische Außen- schweben eigentümlich und erzeu- aber nur 15 % „davon, dass die euro- minister Robert Schuman und sein gen höchstens ihr eigenes Spiegel- päische Einigung vorankommt“, 14 damaliger Berater Jean Monnet ein- bild in einer imaginären Wasser- % von den Entscheidungen der Eu- schlugen, war ein pragmatischer, ein fläche. Die Fensterbögen auf den ropäischen Kommission und ganze auf die wirtschaftliche Integration Vorderseiten gehören zu keinem Ge- 10 % von den Inhalten der zukünfti- bezogener: „Europa lässt sich nicht bäude und lassen ins Nichts blicken. gen europäischen Verfassung, dann mit einem Schlage herstellen und Vor allem aber: Diese Beispiele der deutet das zum Einen auf ein krasses auch nicht durch eine einfach Zu- Architektur sind nicht real. Es gibt Missverständnis des tatsächlichen sammenfassung: Es wird durch kon- diese Fenster und Brücken nicht Einflusses der Europäischen Union krete Tatsachen entstehen, die zu- wirklich in Europa. Sie sind Abstrak- auf das Leben des Einzelnen hin, nächst eine Solidarität der Tat schaf- tionen europäischer Kultur ohne jede aber besonders auch darauf, wie we- fen“, wie es in der Schuman-Erklä- Konkretion, ohne Lebendigkeit. Auf nig sich die Menschen von der Euro- rung von 1950 heißt. Jeder Integra- konkrete Bauwerke, auf eine „Rang- päischen Union erwarten. Vielen er- tionsschritt in den vergangenen 50 folge“ unter ihnen und damit auch scheint die Europäische Union als Jahren war ein Mittel zur Sicherung auf eine gemeinsame Deutung ge- ein System, das sich nur mit sich des Friedens. Das ist die grandiose meinsamer europäischer Geschichte selbst befasst und aus sich selbst Erfolgsgeschichte der Europäischen konnte man sich nicht verständigen. heraus neue Aufgaben sucht. Zu die- Union. An die Abbildung für Europa bedeut- ser Sicht trägt bei, wenn in der EU Zugleich sollte jeder pragmati- samer Persönlichkeiten, wie sie auf auf politische Fragestellungen je- sche Integrationsschritt im Bereich vielen nationalen Währungen zu fin- weils institutionell geantwortet wird. der Wirtschaft aber eine tiefere poli- den waren und sind, von Benedikt Damit wird hier eine Methode tra- tische Einheit quasi aus sich heraus von Nursia über Karl den Großen bis diert, die in der europäischen Inte- hervorrufen. Auch die Währungsuni- hin zu Robert Schuman mag man gration nach dem Zweiten Weltkrieg on sollte schließlich die politische dabei gar nicht denken. Die Europäi- ihre Berechtigung hatte, aber heute Union erzwingen, was sie bisher aber sche Union kann sich auf Formen nicht mehr recht passt: die Methode nicht leisten konnte. Der Weg der verständigen, bleibt dabei aber ei- Monnet. pragmatischen Wirtschaftsintegra- gentümlich inhaltsleer. Dass diese tion ist mit dem Euro an ein Ende ge- abstrakte Europäische Union keine Der erste europäische Vertrag langt. Weitere substantielle wirtschaft- ist, die die Menschen wirklich in ih- von 1951 liche Integrationsschritte scheinen ren Bann zieht, kann kaum verwun- Nach den Schrecken des Zweiten kaum mehr möglich. Zugleich ist die dern. Weltkrieges hat die europäische In- Urmotivation der europäischen Eini-

AUFTRAG 261 11 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ gung, der Wille zum Frieden – ob- Geschichte, zu der neben dem grie- stitutionelle Debatten zu flüchten. schon nach wie vor von größter Be- chisch-römischen, der aufkläreri- Und sie muss ihr Handeln an Ge- deutung – nicht mehr wirklich in den sche, aber eben auch zentral der jü- schichte und Kultur rückbinden, und Köpfen und Herzen der Menschen disch-christliche Traditionsstrang das bedeutet daran, wo diese zu- verankert und damit motivierend. gehören. Es ist nicht zu leugnen, kunftsprägend aktuell werden: an Nachdem die Methode Monnet an ih- dass Europa nachhaltig vom Chris- Werte. Auch für den Bezug auf das rem Ende angelangt ist, bedarf die tentum geprägt wurde. Eine politi- jüdisch-christliche Erbe gilt: Er ist Europäische Union einer geistigen sche Identität Europas ist ohne diese notwendig, um zu wissen, woher Eu- Neubegründung. Als die europäische konkrete kulturelle Identität nicht ropa kommt. Entscheidend aber ist, Integration nach dem Zweiten Welt- vorstellbar. Nur in einer Überwin- dass er durch eine wertbezogene eu- krieg von Politikern wie Schuman, dung des rein Formalen kann Europa ropäische Politik zur Geltung kommt. Adenauer und De Gasperi auf den gelingen, was Papst Johannes Paul Es besteht Bedarf an einer christlich Weg gebracht wurde, war ihre kultu- II. im Juni 2003 in seinem grundle- orientierten europäischen Politik. relle Verwurzelung den europäischen genden europäischen Schreiben „Ec- Der Entwurf, den der Konvent ausge- Bürgern klar bewusst und nicht we- clesia in Europa“ für das Momentum arbeitet hat, bietet hierfür einige nige dieser Akteure haben ihre der Verfassungsgebung eingefordert vielversprechende Ansätze – ganz in Europapolitik als christlich motiviert hat: „Im Prozess seiner derzeitigen dem Sinn, in dem Papst Johannes verstanden. So konnte der Weg zu- Neugestaltung ist Europa vor allem Paul II. in „Ecclesia in Europa“ Eu- nächst ein pragmatischer, auf Wirt- aufgerufen, seine wahre Identität wie- ropa bewegt sehen will: „Um der ei- schaftsintegration bezogener sein. derzuerlangen. Es muss nämlich, genen Geschichte neuen Schwung zu Heute aber, da die Europäische Uni- auch wenn es inzwischen eine sehr verleihen, muss es mit schöpferi- on mehr und mehr auch eine politi- vielgestaltige Wirklichkeit darstellt, scher Treue jene grundlegenden schen Einheit darstellt, muss sie sich ein neues Modell der Einheit in der Werte anerkennen und zurückgewin- bewusst machen, dass der Mensch Vielfalt aufbauen, eine für die ande- nen, zu deren Aneignung das Chris- mehr ist als ein ökonomisches We- ren Kontinente offene und in den ak- tentum einen entscheidenden Beitrag sen, dass die Gesellschaft mehr ist tuellen Globalisierungsprozess ein- geleistet hat und die sich in der Beja- als eine Versammlung zur ökonomi- bezogene Gemeinschaft versöhnter hung der transzendenten Würde der schen Nutzenmaximierung. Diesen Nationen.“ Denn, so macht der Papst menschlichen Person, des Wertes Zusammenhang hatte Jacques Delors deutlich, „eher als ein geographi- der Vernunft, der Freiheit, der De- bereits bei Gründung der Europäi- scher Raum lässt sich Europa als ein mokratie, des Rechtsstaates und der schen Union vor Augen. Mit der Dis- vorwiegend kultureller und histori- Unterscheidung zwischen Politik und kussion um einen Verfassungsvertrag scher Begriff bestimmen, der eine Religion zusammenfassen lassen.“ für die EU hat die Frage nach der po- Realität kennzeichnet, die als Konti- Diese Ansätze sollen im Folgenden litischen Identität erneut an Brisanz nent auch Dank der einigenden Kraft näher betrachtet werden. gewonnen. Dies gilt, auch wenn nach des Christentums entstanden ist, das dem negativen Ausgang der Referen- es verstanden hat, unterschiedliche So hat der Konvent die Grund- den in Frankreich und den Nieder- Völker und Kulturen in gegenseitiger rechtecharta in den Verfassungsent- landen im Moment nicht absehbar Ergänzung zusammenzuführen, und wurf integriert, wodurch sie rechts- ist, ob, wann und auf welche Weise das eng mit der gesamten europäi- verbindlich würde. Ihre Aufnahme der von einem Konvent erarbeitete schen Kultur verbunden ist“. unterstreicht die Wertgebundenheit und im Sommer 2004 vom Europäi- der Europäischen Union und wurde schen Rat angenommene Vertrag Europa bedarf deshalb etwa auch von den Kirchen über eine Verfassung für Europa in neuer Legitimation gefordert, trägt die Charta doch „im Kraft treten wird. Am Beispiel der Euronoten ist Grundsatz dem christlichen Men- deutlich geworden, dass die Europäi- schenbild Rechnung“, wie es die Vor- Der Entwurf einer sche Union einer neuen Legitimation sitzenden der Deutschen Bischofs- Europäischen Verfassung bedarf. Dabei kann hier nicht weiter konferenz und des Rates der Evange- Es ist das wesentliche Ziel des auf die Frage demokratischer Ver- lischen Kirche in Deutschland, Kar- Versuchs, der Europäischen Union fahren, auf den Einfluss des Europa- dinal Lehmann und Präses Kock, in eine Art Verfassung zu geben, ihre parlaments, auf Abstimmungsver- einer Stellungnahme zu Beginn der politische Identität neu und klar zu fahren und Mehrheitsregeln im Rat Arbeiten des Konvents ausgedrückt definieren. Es ist deshalb völlig un- eingegangen werden – wenn auch haben. Dies gilt, auch wenn manches verständlich, dass der Entwurf einer dies nicht allein Macht-, sondern in der Grundrechtecharta deutlich Präambel für diese europäische Ver- Legitimationsfragen sind. Um wirk- klarer hätte formuliert werden müs- fassung ähnlich wie die Architektur- lich Anerkennungswürdigkeit und sen. So bleibt der Text der Charta beispiele auf den Banknoten inhalt- Anerkennung und damit Legitimität und mithin des Teils II der Verfas- lich unkonkret, abstrakt, bleibt, zu erlangen, sollte die Europäische sung in seiner Blickrichtung viel zu wenn es da heißt, „schöpfend aus Union bald die Strukturdebatten hin- sehr auf die Europäische Union fi- den kulturellen, religiösen und hu- ter sich lassen, indem sie die europä- xiert und ist viel zu wenig von der manistischen Überlieferungen Euro- ische Verfassung beschließt. Sie unhintergehbaren, stets nur in Ge- pas“ käme die Verfassung zustande. muss effizient handeln, und das heißt meinschaft mit anderen lebbaren Europa hat eine unaustauschbare politisch handeln, ohne je neu in in- personalen Freiheit des Menschen

12 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ her formuliert. Auch wären deutlich Dr. Frank Ronge, Geschäfts- klarere Formulierungen bei einigen führer der Kommission für Bestimmungen der Charta nötig ge- gesellschaftliche und soziale wesen. Das hier in der Charta zwar Fragen bei der deutschen durchaus Angedeutete, aber nicht Bischofskonferenz, im Ge- Ausformulierte bedarf nun der rech- spräch mit StFw Alfred Berg- mann, Mitglied im BV GKS, ten Ausgestaltung durch die Politik. vor einer von Fritz Brockmeier Zwei Beispiele: In Artikel II-63 wird gestalteten Ausstellungswand in einer für eine Grundrechtecharta der GKS. erstaunlich ausführlichen Form be- schrieben, was im Rahmen von Me- dizin und Biologie hinsichtlich des rechteren kinderfreundli- Rechts auf geistige und körperliche chen Politik, einer gerech- Unversehrtheit eines jeden Menschen teren ehe- und eltern- besonders zu beachten ist. Darunter freundlichen Politik, eines findet sich auch das Verbot des re- besseren Generationenaus- produktiven Klonens von Menschen. tauschs oder einer besseren Warum aber nicht auch das Verbot Repräsentanz von Familien eines sogenannten therapeutischen im öffentlichen Leben. Klonens, lassen sich doch beide Ar- ten nicht wirklich voneinander unter- Kirchen und Europäi- scheiden? Sollen hier Menschen sche Union lediglich zum Mittel gemacht wer- Die ComECE als zentraler funktion auch die Entwicklung und den? Diese letzte Frage stellt sich Dialogpartner europäischer Politik Verbreitung einer christlich orien- etwa auch, wenn die EU-Kommission auf katholischer Seite hat bereits zu tierten Politik unterstützen. Fragen die Forschung mit Embryos und em- vielen Themen europäischer Politik gibt es zuhauf, im Kern sind es wohl bryonalen Stammzellen mit EU-Mit- Orientierungen erarbeitet. Die Kir- – ausgehend von den Sozialprinzipi- teln fördern will. chen sehen es nämlich als ihre Auf- en – folgende drei, die immer wieder Ein zweites Beispiel: Artikel II- gabe in Europa an, im Sinne ihres durchscheinen: 93 gewährleistet den rechtlichen, politisch-diakonischen Auftrags • Was bedeutet Solidarität ange- wirtschaftlichen und sozialen Schutz nicht nur eine wertbezogene Politik sichts einer, die vielfach national der Familie. Dies ist eine Formulie- anzumahnen, sondern auch eine definierten Sozialraster und Soli- rung, die sicher einzufordern sein christliche Orientierung europäi- daritätsgemeinschaften transzen- wird. Klärungsbedürftig aber bleibt: scher Politik zu unterstützen und dierenden politischen Ordnung? Warum findet sich dieser Schutz der diese auch im Dialog mit den europä- • Wie kann das Subsidiaritätsprin- Familie unter der Überschrift „Fami- ischen Institutionen weiterzuentwi- zip immer wieder neu ausbuch- lien- und Berufsleben“? Warum wird ckeln. Deshalb war es ihr Anliegen, stabiert werden und dabei nicht dieses Thema einsortiert unter die den bisherigen informellen Dialog nur, wie in den europäischen Ver- Artikel zum Recht auf Kollektivver- zwischen Kirchen und EU-Organen trägen, zwischenstaatlich formal handlungen, zum Zugang zum Ar- in einer europäischen Verfassung verstanden werden, sondern je- beitsvermittlungsdienst oder gerech- verankert zu sehen. Dass dies nach weils die personale Freiheit des te und angemessenen Arbeitsbedin- dem Konventsentwurf in Artikel I-52 Menschen ins Spiel bringen? gungen? Geht es auch hier vielleicht Absatz 3 in „Anerkennung der Iden- • Wie können wirtschaftliche Effi- gar nicht um die Familie als wich- tität und des besonderen Beitrags“ zienz und soziale Gerechtigkeit tigster sozialer Gemeinschaft des Di- der Kirchen und unabhängig von ei- auf europäischer Ebene zusam- alogs, des Unterhalts, des gegenseiti- nem Dialog der EU-Institutionen mit men gedacht werden? gen Beistands und des Zusammenle- der Zivilgesellschaft geschieht, bens, sondern womöglich mehr um macht den besonderen Charakter der Grundrechtecharta und Dialog das reibungslose Funktionieren des Kirchen deutlich. Sie wollen nicht zwischen Kirche und EU-Institutio- Einzelnen im Bereich der Wirt- die Interessen einer bestimmten Kli- nen schaffen Räume für eine christli- schaft? Eine christlich orientierte entel vertreten, sondern die Domi- che Orientierung europäischer Poli- Politik drängt hier auf Korrektur. Ei- nanz der Partikularinteressen gerade tik. In die gleiche Richtung wirken nige Vorschläge für eine Familien- durchbrechen und das Gemeinwohl die Verpflichtung der Union zur Ach- strategie der Europäischen Union, zur Geltung bringen. Bei der Bestim- tung der Vielfalt der Kulturen, Reli- die den Vorrang der nationalen Ebe- mung dessen, was als europäisches gionen und Sprachen, wie sie im ne in diesem Bereich durchaus ernst- Gemeinwohl verstanden werden Grundrechte-Artikel II-82 formuliert nimmt, hat die Kommission der Bi- kann, hat insbesondere auch die wis- ist, oder die Verpflichtung der Ach- schofskonferenzen der Europäischen senschaftliche Sozialethik einen tung des Status von Kirchen und reli- Union (ComECE) entwickelt. Dazu wichtigen Beitrag zu leisten. Sie giösen Vereinigungen oder Gemein- gehören etwa die Förderung der Inte- muss sich verstärkt des Themas Eu- schaften in den Mitgliedsstaaten (Ar- gration älterer Menschen in die Ge- ropa annehmen und dabei im Sinne tikel I-52). Aller Artikulation des sellschaft, die Förderung einer ge- einer Beratungs- und Dienstleistungs- Christlichen in der Politik liegt das

AUFTRAG 261 13 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

Recht eines jeden Menschen auf Re- die Zukunft gefordert. Der Europäi- gegen Totalitarismen“, darauf weist ligionsfreiheit zugrunde. Diese sche Verfassungsvertrag, für den der Präsident der ComECE, Bischof grundlegende Errungenschaft euro- Verständnis und Zustimmung zu mo- Homeyer, immer wieder hin. Ein päischer kultureller und politischer bilisieren sich alle politischen und Gottesbezug sichert den europäi- Tradition ist nunmehr im Grundrech- gesellschaftlichen Kräfte mühen soll- schen Bürgern einen Freiheitsraum, te-Artikel II-70 verankert. ten und der hoffentlich trotz aller weil er Grenzen der Politik offenbar Probleme bald in Kraft tritt, schafft macht. Für Formulierungen, die die Gottesbezug eine notwendige Raum für eine christliche Orientie- Menschen nicht ausschließen, die Selbstbeschränkung rung europäischer Politik. Dies ist nicht an Gott glauben, gibt es dabei Die Europäische Union braucht Chance und Verpflichtung für die gute Beispiele. Ein Verweis auf das die historische, kulturelle, normative Kirchen, für die Sozialethik – und für christliche Erbe Europas und auf ei- und politische Konkretion, so hat es die Politik. Bei all dem aber muss ei- nen Gottesbezug geben der Europäi- eingangs geheißen. Sie muss den nes bewusst bleiben: Politik ist nicht schen Union zugleich die Konkretion Übergang schaffen, von einem Prag- absolut. Deshalb braucht die europä- die Freiheit, die Europa dringend matismus hin zu einer Wertbezo- ische Verfassung einen Verweis auf braucht, um auch von seinen Bürgern genheit ihrer Politik. Hier ist das die menschliche Verantwortung vor akzeptiert zu werden. Nur im Wissen Christentum, die prägende Kraft Eu- Gott. „Der Gottesbezug einer Verfas- um seine Herkunft und um seine Be- ropas über Jahrhunderte, auch für sung ist für pluralistische und säku- grenztheit kann Europa seine Zu- lare Gesellschaften eine Bürgschaft kunft gestalten. ❏

THEMATISCHER EINSCHUB 1: Europa – woher und wohin?

VON JOHANNES MICHAEL SCHNARRER aclav Havel schneidet eine staatliche Bedeutung gewannen, wie Reformation und katholischer Er- der wichtigsten Fragen der z.B. das Gegenübertreten von geistli- neuerung, von Absolutismus und Vheutigen EU an, wenn er sich cher und weltlicher Autorität, die Ständetum, von Fürsten- und Volks- Sorgen macht, dass die Demokratie Herausbildung von Städtewesen und souveränität. verkümmere ... das ist ein typisches Bürgertum, Humanismus und Refor- Die geographische Ausdehnung Phänomen für eine Gesellschaft, wo mation, die Durchsetzung des souve- wurde unterschiedlich bestimmt; in sich der Gewöhnungsfaktor einge- ränen Staates, Aufklärung und bürger- der klassischen Epoche des europäi- stellt, weil das Bedürfnis nach relati- lich-naturrechtliche Gesellschafts- schen Staatensystems galt Russland ver Freiheit und Demokratie erfüllt und Politikauffassung (samt den ent- als europäische Macht, oft sah man wird. Aber Europa ist mehr als ein sprechenden Revolutionsbestrebun- den Ural als Ostgrenze Europas an, Schlagwort, eine Ideologie, es ist gen), Liberalismus und Nationalis- jedoch gab es in der Diskussion um eine bunter Völkergemeinschaft mit mus, Industrialisierung und Massen- den „Europa-Gedanken“ auch Stim- einer sehr langen Geschichte und ei- demokratie, Sozialismus und faschis- men, die das russische Imperium ner „Seele“, die aber zu verkümmern tische Bewegungen. Auch die ge- nicht ohne weiteres dem europäi- droht, wie die Demokratie. meinsame, parallele oder rivalisie- schen Kulturbereich zurechneten. Im „Europa“, schon das Wort hat in rende Verfolgung außereuropäischer 20. Jahrhundert gewinnt der Begriff den letzten Jahren einen fast inflatio- Interessen (wie z.B. im Überseehan- zunehmend politische Bedeutung, nären Gebrauch gefunden, für die ei- del, Kolonialismus etc.) ließ Zusam- d.h. aber, dass sein Gehalt von wech- nen Hoffnung auf Wohlstand, für die mengehörigkeit bewusst werden, selnden politischen Intentionen mit- anderen ein Kontinent mit vielen häufig freilich in einem europazentri- bestimmt wird. verschiedenen Völkern; wieder an- schen Sinne derart, dass man sich als Jahrhunderte hindurch sind eu- dere sehen in Europa die Fortfüh- den zivilisierten Erdkreis verstand ropäische Ideen, Lebensweisen und rung abendländischer Wert- und (z.B. bei Überlegungen zu einer Strukturmodelle bis hin zu Technolo- Kulturgemeinschaften. Staatenunion von außereuropäischen gie und Staatsverfassung in der au- Europa ist von griechischem und Mächten von vornherein absah, was ßereuropäischen Welt wirksam ge- römischem Kulturerbe sowie von auch damit zusammenhing, dass für worden. Im 20. Jh. kommt es in vie- christlichem Ideengut geprägt wor- solche Vorhaben geistige Gemein- len außereuropäischen Gesellschaf- den, all dies wurde von germani- samkeit als unerlässlich galt). ten zu bewusster Distanzierung von schen, romanischen, slawischen u.a. Immer wieder ist Europa als Ein- den europäischen Einflüssen und zu Gesellschaften aufgenommen. Das heit in Verschiedenheit verstanden einem dem Europäertum bzw. dem Einheitsbewusstsein der Christen- worden, Pluralitäten und Polaritäten Westen entgegengestellten Identi- heit gab dem europäischen Kultur- gehören mit zum Europabild; zu ver- tätsstreben, was umgekehrt Anlass raum im Mittelalter auch weltliche weisen wäre u.a. auf das Gegenüber zur Neubesinnung über die europäi- Identität. Einheitsstiftend wirkten von lateinischem und griechischem sche Identität gibt. sich Ereignisse und Bewegungen Christentum, von karolingischer und Europa wächst zusammen, aber aus, die transnationale und über- nichtkarolingischer Prägung, von wie schnell ist die eine Frage; eine

14 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ andere die nach der berühmten euro- mit der Türkei. Rein geographisch ist nale öffentliche Aufmerksamkeit. päischen Identität. Nach der größten die Türkei zu 20 Prozent auf europäi- Aus diesem Grunde haben Politi- Erweiterungsrunde der EU am 1. Mai schem Boden, aber 80 Prozent sind ker und Journalisten den Prozess 2004, wo gleich zehn neue Staaten bereits in Asien. Wann die Türkei der europäischen Integration nur aufgenommen wurden, weist die EU tatsächlich Mitglied werde, das kann punktuell wahrgenommen, als un- nun 25 Mitglieds-Länder auf. In we- heute keiner vorhersagen; und auch, sympathisch und inkohärent. Ver- nigen Monaten werden auch Rumä- ob sie es jemals wird, ist schwer ab- stärkt wird dieser Wahrnehmungs- nien und Bulgarien dazugehören. zuschätzen. Aber dass die Türkei das effekt heute durch zwei Stolper- Aber das Wachsen Europas bringt von ihnen besetzte EU-Land Zypern steine des zeitgenössischen Jour- auch eine Reihe von Problemen mit nicht anerkennt, lässt auf langwierige nalismus: die Selbstinszenierung sich, nämlich die Reform der Institu- und schwierige Verhandlungen der Medien und Personalisierung tionen und der Verwaltungsapparate schon jetzt schließen. von Sachfragen. Beides führt zur tut not. Und letztlich wird das Grund- Aber Spannungen gibt es nicht Verengung des Blickwinkels und gefühl vieler Menschen in Europa nur zwischen den Beitrittskandidaten, zur Verschattung der Realitäten. nicht einfach europäischer, weil das sondern auch innerhalb der EU selbst (3) Der Auswuchs der Europäischen eigene Land Mitglied dieser EU ist. genug. Nach wie vor gelten z.B. die Union zu ihrer heutigen Bedeu- Eines der wichtigsten Identifikati- Benesch-Dekrete, auch wenn der da- tung im Schatten der öffentlichen onsmerkmale der Europäischen Uni- malige EU-Kommissar Verheugen für Wahrnehmung wird uns bei nä- on ist die gemeinsame Währung, der Erweiterungsfragen bei der Aufnahme herer Betrachtung den Blick öff- Euro. Doch Kritiker bemängeln nicht Tschechiens und der Slowakei ver- nen auf eine dritte Ursache. Es zu unrecht, dass Europa und seine sprochen hatte, dass sie aufgrund ih- hat sich in unserer Gesellschaft Union keine rein ökonomische Verei- rer menschenrechtsverletzenden Art eine tiefe Kluft geöffnet zwischen nigung von verschiedenen Ländern in der EU aufgehoben würden. Außer- den Realitäten dieser Welt und sein soll, denn auch die kulturellen dem gibt es Schwierigkeiten zwischen der Belastbarkeit und Verantwor- und sozialen Dimensionen sollten den alten und den neuen Mitglieds- tungsfähigkeit der Bürger aufge- nicht vergessen werden. Gerade im staaten, nicht nur im Bereich der tan. Das Drama unserer Zeit be- Angesicht von vielen Millionen Ar- Förderungen, sondern auch um das steht darin, dass das kulturelle beitslosen in dieser Gemeinschaft ist Selbstverständnis in einem immer Durchschnittsniveau in unserer es notwendig, auch gemeinsame größer werdenden EU-Raum. Bezüg- Gesellschaft umgekehrt proporti- Strategien zu entwickeln, die helfen lich der Bedeutung der Europäischen onal zum Stand unseres Wissens die schwierigen Sozialprobleme ge- Union und ihrer öffentlichen Wahr- in Wissenschaft und Technik ist. meinsam zu lösen. nehmung sind drei Spannungsfelder Goethes Gedicht vom „Zauber- Beim Versuch dieser Europäi- auszumachen: lehrling“ trifft unsere Lage ziem- schen Union, sich selbst eine Verfas- (1) Die Europäische Gemeinschaft lich genau. Die Folge ist Steuer- sung zu geben, haben die Befürwor- war und ist eine politische Inno- losigkeit ... ter einen Dämpfer bekommen, denn vation, die erfolgreichste des 20. Selbstbesinnung und die genaue die Franzosen und die Niederländer Jahrhunderts. Diese politische In- Definition der Ziele einer Union, die stimmten dagegen, mit „Non“ und novation wird von der Mehrzahl ständig in Veränderung ist, wären „Nee“. Über die Gründe für das ne- an nationalen Parametern orien- heute notwendiger denn je. Dabei gative Votum gehen die Meinun- tierten Politikern und Journalisten hilft es wenig weiter, wenn die Politi- gen weit auseinander, aber in den noch immer nicht durchschaut. ker gute Arbeit verrichten in den EU- Zentralen der EU, in Brüssel und Das ist gefährlich, weil wir heute Zentralen. Was es heute braucht, das Strassbourg, wurden plötzlich die inmitten eines Prozesses der ist das Hineinnehmen der Bürger mit Bürokraten hellhörig und verstanden Erarbeitung und Neuschreibung ins Boot dieser EU, ansonsten blei- die Welt nicht mehr. Für dieses einer europäischen Verfassung ben sie, wie unbeteiligte Zuschauer „Nein“ zur europäischen Verfassung stehen. Im Brüsseler Verfassungs- im Theater, am Rande des Prozesses hat man in den neuen EU-Staaten konvent gibt es eine Mehrheit, die stehen, der sie selbst und ihr Leben Ostmitteleuropas hingegen nur wenig eine weitere Marginalisierung der eigentlich aber am meisten betrifft. Verständnis. Musste man sich selbst Europäischen Gemeinschaft an- Deshalb benötigt diese EU nicht nur nach dem Ende des Kommunismus strebt. Die Öffentlichkeit sollte kluge Politiker und weise Funktionä- unter Schock neuen Realitäten an- verstehen, was dort geschieht. re, sondern auch offene und tolerante passen, erkennt man in der Verwei- (2) Ein Grund für das Spannungs- Menschen, damit das große Projekt gerung eine Hang zur Trägheit in den verhältnis zwischen der wirt- Europa im Prozess des Wachsens und etablierten EU-Staaten. schaftlichen und der politischen Gedeihens nicht doch zum Stillstand Mit jedem neuen Land, das der Bedeutung der Europäischen kommt oder gar ganz „abstürzt“. In EU beitritt, ändert sich auch die EU Union und der öffentlichen Wahr- diesem Sinne hat die EU tatsächlich selbst ein Stück. Dabei geht es nicht nehmung hängt mit der National- Zukunft, aber nur dann, wenn immer nur um das Außenbild dieser Ge- staatbildung im Europa des 19. mehr Europäer begreifen, dass es ei- meinschaft, sondern auch die innen- und beginnenden 20. Jhs. zusam- gentlich um sie selbst geht! ❏ politischen Gewichtungen werden men. Wir haben keine europäi- 1 Anm. d. Red.: Beitrag außerhalb der Aka- andere. Und so tut man sich wohl mit sche Öffentlichkeit, sondern wir demie, aber zum Seminarthema EUROPA keinem anderen Land so schwer wie haben immer noch nur eine natio- passend und deshalb hier eingefügt.

AUFTRAG 261 15 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ Der Stand der europäischen Integration

er Referent Janis A. Emmanouilidis – seit 1999 Projektleiter am Centrum für angewandte Politikforschung (C•A•P) mit den DSchwerpunkten: EU-Erweiterung, EU-Sicherheitspolitik, EU-Reform- prozess, EU-Institutionen und u.a. Berater der Europaabteilung des Aus- wärtigen Amtes – hat das ihm gestellte Thema insbesondere unter dem Aspekt der „Zukunft des europäischen Verfassungsvertrages nach den ge- scheiterten Referenden“ betrachtet. Zuerst gibt er einen Überblick über den Stand des Verfassungsprozesses. Desweiteren bewertet den nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden zunächst gescheiterten Verfassungsentwurf und zeigt dann anhand möglicher Alternativen (Nachbesserungen, Plan B, Verfassung II) auf, wie die Europäische Verfas- sung doch noch gerettet werden kann. Der Vortrag liegt nicht im Wortlaut vor. AUFTRAG dokumentiert des- halb stichwortartig die vom Referenten verwendete Präsentation. Für eine Detailinformation verweist die Redaktion auf Publikationen zum Thema Europa auf der Hompage von C•A•P (www.cap-lmu.de), Link „Europano- rama“, z.B. Downloads: • www.cap-lmu.de/download/CAP-Analyse-2005-02.pdf; „Nach den gescheiterten Referenden: Die Zukunft des Verfassungsvertrages“ von Bettina Thalmaier • www.cap-lmu.de/download/2004_eu_emmanouilidis.pdf; „Die institutionellen Reformen in der Verfassung – die neue Machtarchitektur der Europäischen Union“ von Janis A. Emmanouilidis (PS)

1. Chronologie des Fragen in vier Blöcken „Vertrag über eine Verfassung Verfassungsprozesses – Einberufung des für Europa“ • Regierungskonferenz von Konvents unter Vorsitz von (Gliederung des VVE Abb. 2, Nizza(Dezember 2000) Giscard d’Éstaing Bewertung Abb. 3 und die insti- • Vertrag von Nizza • Arbeit des Verfassungskon- tutionelle Architektur der EU • „Erklärung zur Zukunft der vents von Februar 2002 bis Abb. 5) Union“ Juli 2003 (Abb. 1) => Post-Nizza-Prozess • Vorlage des Konventsentwurf 2. Zentrale Neuerungen im • Europäischer Rat in Laeken (Juli 2003) Bereich der Außen-, (Dezember 2001) • Regierungskonferenz von Sicherheits- und – „Erklärung von Laeken“: 57 Oktober 2003 bis Juni 2004: Verteidigungspolitik • Einführung eines Europäischen Abb. 1: Die Zusammensetzung des Europäischen Konvents Außenministers Konvent zur Vorbereitung der Regierungskonferenz (Doppelhut-Modell) • insgesamt 105 Mitglieder und ihre Stellvertreter • Etablierung eines Europ. Auswärtigen Dienstes (Abb 4) Präsident Vizepräsident Ministerrat Europ. Parlament Europ. Kommission Nation. Parlamente • Einführung der 3 Vertreter der gegenseitigen Valery Giscard Giuliano Arnato Regierungen, die Beistandspflicht d’Estang und während des Konvents den 2 Vertreter 2 Vertreter 2 Vertreter

Jean-Luc Dehaene Ratsvorsitz inne haben • Schaffung einer Präsidium Präsidium Europäischen Verteidigungs- agentur • Neue Differenzie- 15 Vertreter der Staats-und rungsinstrumente Regegierungschefs 16 Mitglieder 2 Mitglieder 30 Mitglieder (1 pro Mitgliedsland) (2 pro Mitgliedsland) in der Sicherheits- und Verteidigungs- 13 Bewerberländer • sind in der gleichen Weise im Konvent vertreten wie die Mitgliedsländer; je 1 Vertreter der Staats und Regierungschefs sowie je 2 Verteter der nat. Parlamente politik • 1 Vertreter im Konventspräsidium • Keine Ausweitung • werden umfassend an den Beratungen des Konvents beteiligt, dürfen jedoch einen Konsens nicht verhindern. Beobachter von Mehrheitsent- • 3 Vertreter des Witschafts- u. Sozialausschusses (WSA) • 3 Vertreter der europ. Sozialpartner • 6 Vertreter des Ausschusses der Regionen (AdR) scheidungen!

16 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

Abb. 2: Gliederung des VVE

Präambel

Teil I: Grundbestimmungen, Zuständigkeiten und Teil II: Grundbrechtscharta Teil III: Politikbereiche und Teil IV: Allgemeine und Schluss- Organe der Union 54 Artikel in 7 Titeln Arbeitsweise der Union bestimmungen 60 Artikel in 9 Titeln 322 Artikel in 7 Titeln 12 Artikel

1. Definition und Ziele Eigene Präambel 1. Allgemeine Bestimmungen • Aufhebung der früheren Verträge 2. Grundrechte 1. Würde des Menschen 2. Diskriminierungsverbot • Rechtliche Kontinuität und Unionsbürgerschaft 2. Freiheiten 3. Interne Politikbereiche • Übergangsbestimmungen 3. Zuständigkeiten der Union 3. Gleichheit (Binnenmarkt, WWU, • Territoriale Geltung 4. Organe der Union Einzelpolitiken, Innen u. Justiz, 4. Solidarität ergänzende Bereiche) • Regionale Zusammenschlüsse 5. Ausübung der Zuständigkeiten 5. Bürgerrechte 4. Assoziierung • Geltung der Protokolle 6. Demokratisches Leben 6. Justitielle Rechte 5. Auswärtiges Handeln • Änderung des Vertrags über 7. Finanzen 7. Bestimmungen über die (GASP, Handel, ...) die Verfassung 8. Union und ihre Nachbarn Auslegung und Anwendung 6. Arbeitsweise • Annahme, Ratifikation u. 9. Zugehörigkeit zur Union (Organe, Finanzen, VZ) Inkrafttreten 7. Gemeinsame Bestimmungen • Geltungsdauer • Sprachen plus 36 Protokolle und 50 Erklärungen

Abb. 3 Bewertung des VVE

POSITIV NEGATIV

• Zusammenführung der bisherigen Verträge • Kein knappes verständliches und übersichtliches Verfassungsdokument • Verleihung einer Rechtspersönlichkeit • Auslagerung wichtiger Bestimmungen in Protokolle Transparenz • Rechtsverbindliche Integration der Grundrechtscharta • Mangelnde Systematik und Trennschärfe bei Aufgabenkategorien • Etablierung der Kompetenzkategorien • Keine klare Trennung zwischen Gesetzgebungsrat und anderen Ministerräten

• Mitentscheidungsverfahren als Regelverfahren in der Gesetzgebung • Vorschlagsrecht des Europäischen Rates bei der Wahl des • Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens Kommissionspräsidenten • Ausdehnung der EP-Rechte im Haushaltsverfahren => keine „echte“ Wahl Demokratie • „Frühwarnmechanismus“ (gelbe-Karte-Verfahren). • Abschluss des Ernennungsverfahrens der Kommissare durch Beschluss des Einführung einer „europäische Volksinitiative“ Europäischen Rates und nicht durch das EP • Stärkerer EP-Einfluss bei Wahl des Kommissionspräsidenten • Keine konsequente Umsetzung des Prinzips der degressiven Proportionalität bei EP-Abgeordnetenzahl

• Einführung der „doppelten Mehrheit“ im Ministerrat • Einführung zusätzlicher Kriterien bei der „doppelten Mehrheit“ • Ausweitung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen • Nicht-Einführung von Mehrheitsentscheidungen in bestimmten Bereichen Effizienz und • Einführung eines Präsidenten des Europäischen (u.a. in der Handel, Umwelt- und Einwanderungspolitik) Politische Rates. Etablierung eines EU-Außenministers • Unklare Arbeitsteilung zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates, Führung Verringerung der Zahl der Kommissare dem Kommissionspräsident und dem EU-Außenminister. (2/3 der Mitgliedstaaten) Verkleinerung der Kommission erst ab 2014 • Stärkung des Kommissionspräsidenten

• Reform des Differenzierungsinstruments der • Unklarheit bei Scheitern der Ratifikation der Verfassung. „verstärkten Zusammenarbeit“ Künftige Verfassungsreformen erfordern Ratifikation aller EU-Staaten • Neue Flexibilitätsinstrumente im Bereich Sicherheit und • Keine Zweiteilung der Verfassung in konstitutionelle und Fortentwicklung Verteidigungspolitik Detailbestimmungen • Vereinfachte Änderung der Details der internen Politiken • Verstärkte Zusammenarbeit in der GASP erfordert Einstimmigkeit • Vereinfachte Änderung der Entscheidungsverfahren

AUFTRAG 261 17 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

4. Ratifizierung des Abb. 4: Verfassungsvertrages – Stand der Dinge • Verfassungsvertrag muss in allen EU-Ländern ratifiziert werden. • 14 EU-Staaten haben Verfassung verabschie- det (235 von 454Mio. Bürger / 51,8 %) • Aber: „Nein“ in Frank- reich / Niederlande => Analyse: – „Nein“ richtet sich nicht gegen konkrete Inhalte der Verfassung – Denkzettel für Regie- rungen (F) – Widerstand gegen ein neo-liberales Europa (F) 3. Neue Differenzierungsinstrumente in der – Verlust der nationalen Souveränität und Identität (NL) Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Wachsende Erweiterungsskepsis • Bisher keine vertragskonforme Differenzierung mög- (EU-25 / EU-25+) (F/NL) lich – Allgemeine Legitimations-, Vertrauens- und • Ständige Strukturierte Zusammenarbeit: Diejenigen Orientierungskrise + Krise des Politischen Mitgliedstaaten, die „anspruchsvollere Kriterien“ in • EU-Regierungen verordnen „Denkpause“ Bezug auf ihre militärischen Fähigkeiten erfüllen, • Aussetzung der Ratifizierung in den meisten EU- können laut Verfassung eine Ständige Strukturierte Staaten (militärische) Zusammenarbeit gründen. • Politische Rhetorik aus den Hauptstädten • Missionen im Namen der EU: Mitgliedstaaten, die (Ausnahme Luxemburg!) über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen und • „Plan-D“ der Europ. Kommission; Initiativen zum sich beteiligen wollen, können mit der Durchführung Bürokratieabbau einer EU-Mission beauftragt werden. • Initiativbericht des Europ. Parlaments • Kooperation in der Rüstungsagentur: Innerhalb der neu gegründeten Rüstungsagentur können EU-Mit- 5. Perspektiven für den Verfassungsvertrag gliedstaaten verschiedene Gruppen bilden und ge- • Ratifizierung des Verfassungsvertrages droht zu meinsame Rüstungsprojekte durchführen. scheitern. • Verfassungsvertrag liegt in einem „tiefen Koma“ Abb. 5: Institutionelle Architektur gemäß Verfassungsvertrag – geringe Heilungs- chancen. Gründe: – Fehlende Unterstüt- zung in Brüssel und in den Mitgliedstaate – Keine Initiative aus dem „Ja-Lager“ – Kein politisches Sig- nal aus den 9 verblei- benden EU-Ländern – Schwierigkeiten eines zweiten Referendums • Keine Alternativen zu einer Ratifizierung in allen EU-Staaten • => Suche nach Plan- B-Alternativen

6. Plan-B-Alternativen • Null-Option: Beibehal- tung des Nizza-Vertrags;

18 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

Abb. 6: Stand der europäischen Integration

• Option 1: Ratifizierungs- -pause und Wiederauf- nahme der Ratifizierung in 2007; • Option 2: Marginale Veränderung des Verfas- sungsvertrags, danach Fort- führung der Ratifizierung; • Option 3: „Nizza-Plus“: Übernahme zentraler Reformen in gierung würden bei einer neuen Abstimmung politischen die politische Praxis bei Beibehaltung des Nizza- Selbstmord begehen. Der Vorwurf des Ignorierens des Vertrags; Wählerwillens wäre allenfalls dann überwindbar, wenn • Option 4:Änderungsvertrag zum Vertrag von Nizza; das unbedingte Festhalten am Verfassungsvertrag inner- • Option 5:„Verfassung II“-Erarbeitung einer neuen halb der EU eine breite Unterstützung fände. Diese ist Verfassung auf Basis des Verfassungsvertrags. derzeit weder auf EU-Ebene noch in den Mitgliedstaaten auszumachen. Zudem ist insbesondere in Großbritannien 7. Zentrale Charakteristika einer „Verfassung II“ ein „Ja“ nicht zu erwarten. Folglich gilt es über mögliche • Konstitutionelle Vereinfachung: Zweiteilung des Alternativen nachzudenken. Primärrechts Es wird eine ganze Reihe von Plan B-Optionen disku- (1) Kurzes, lesbares und übersichtliches Verfassungs- tiert: eine umfassende Neuverhandlung, der cherry- dokument => modifizierte Teile I, II und IV picking-Ansatz (sog. Nizza-Plus), ein Zusatzvertrag zum des Verfassungsvertrages; geltenden Vertrag von Nizza in der Form eines Ver- (2) Abtrennung der Detail- und Ausführungsbestim- fassungsvertrages light oder eines Änderungsvertrages, mungen => überarbeiteter Teil III des ein Europa der zwei Geschwindigkeiten mit den beiden Verfassungsvertrages; Optionen eines freiwilligen Austritts der Nichtratifizierer • Neues Ratifizierungsverfahren: Möglichkeit eines oder der Gründung einer neuen Union, die Beibehaltung Inkrafttretens der Verfassung auch ohne Ratifizie- des primärrechtlichen Status quo sowie die erneute Re- rung durch alle EU-Länder; form der europäischen Verträge in einigen Jahren im Sin- • Politisierung des EU-Systems: Etablierung des ne einer „Verfassung II“. Einige der Alternativvorschläge Oppositionsprinzips in der Europapolitik; stellen keine reelle Option dar. Aber auch die Übrigen • „Verfassung II“erfordert „Laeken II“ plus einen können nur second-best-Lösungen anbieten, da sie stets erneuten Konvent. mit gewissen Einschränkungen oder Hindernissen ver- bunden sind. Welcher der diskutierten Plan B-Optionen 8. Ausblick auch immer zum Tragen kommt, die Ratifikation des VVE Nach dem Scheitern der Referenden in Frankreich sollte nur gestoppt werden, wenn eine klare Alternative und den Niederlanden ist von Seiten der Staats- und vorhanden ist, die ambitioniert genug ist, die EU-25 de- Regierungschefs über das Schicksal des Verfassungs- mokratischer und effizienter zu gestalten. Der Ausgang vertrages noch nicht entschieden worden. Obgleich sich der Referenden belegt ein „So geht es nicht weiter!“. Ein viele Politiker, Kommentatoren und Wissenschaftler für schlichtes Einstellen der Bemühungen um Reformen und eine „Rettung“ des Vertrages aussprechen, ist sein ein Weitermachen wie bisher kommen nicht in Betracht. Inkrafttreten derzeit realistischerweise sehr unwahrschein- Den Verfassungsvertrag zu „begraben“, ist daher keine lich. Sowohl die französische wie die niederländische Re- Option. ❏

AUFTRAG 261 19 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ Europas Außen-und Sicherheitspolitik Absicht der Themenstellung war es zu ergründen, ob die Europäische Union als größte Vorkswirtschaft in der Welt ihrer globalen Rolle außen- und sicherheitspoli- tisch gerecht wird und wie sie mit anderen Sicherheitsorganisationen zusammen- wirkt. Nach einem kurzen historischen Rückblick erläutert Dr. Sven Gareis, Wissenschaftlicher Direktor am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr in Strausberg und Lehrbeauftragter an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, die Instrumente und Organe der Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicher- heitspolitik und geht vor allem auf die Zusammenarbeit und Rollenverteilung mit der NATO ein. Deutlich wird, dass die EU gerade erst dabei ist, sich zu einem globalen Akteur zu entwickeln.

VON SVEN BERNHARD GAREIS tion zurückblickt, waren zahlreiche Staaten eher zögerlich, wenn es um ie lange vergeblichen Versu- sten europäischen Politikfelder etab- die Zusammenarbeit in Fragen von che der Europäer, sich zu liert hat. Sicherheit, Verteidigung und Militär Deiner auch international hand- ging. Die im Maastricht-Vertrag lungsfähigen Einheit zusammenzu- Strukturen, Instrumente und angelegte Europäische Sicherheits- schließen, reichen zurück bis in die Kapazitäten und Verteidigungsidentität (ESVI) frühen 1950er Jahre. Nachdem es Trotz wiederkehrender Bemü- sollte daher zunächst an die – zu die- 1950 durch die Initiative Robert hungen etwa des früheren Bundes- sem Zwecke wiederbelebte – West- Schumans gelungen war, in der Euro- kanzlers Gerhard Schröder oder des europäische Union (WEU) über- päischen Gemeinschaft für Kohle französischen Staatspräsidenten Jac- tragen werden, auf die die EU dann und Stahl (EGKS) die früheren Kriegs- ques Chirac, die GASP weiter zu hätte zurückgreifen können. Bereits gegner Deutschland und Frankreich, vergemeinschaften, hat sich ihr strikt ab 1992 erklärte sich die WEU im die Benelux-Staaten und Italien zu- intergouvernementaler, auf der Ab- Rahmen der „Petersberg-Aufgaben“ sammenzuführen, sollten auch die stimmung zwischen den Regierungen zur Übernahme militärischer Funkti- Bereiche „Verteidigung“ und „Poli- beruhender Charakter nicht verän- onen in einem breiten Spektrum von tische Zusammenarbeit“ in europäi- dert. Aber die in den zurückliegen- humanitären Hilfseinsätzen bis hin sche Strukturen überführt werden. den Jahren entwickelten bzw. modifi- zu Kampfeinsätzen bereit. Mit der Nationale Vorbehalte vor allem in zierten Instrumente und Mechanis- schließlichen Eingliederung der Frankreich sorgten jedoch dafür, men haben sich gleichwohl bewährt. WEU und der meisten ihrer Funktio- dass die ambitionierten Unterneh- Insbesondere auf dem Balkan tritt nen in den EU-Vertrag entwickelte mungen Europäische Verteidigungs- die EU mit ihrem Stabilitätspakt, der sich die EU schrittweise zu einem gemeinschaft (EVG) und Europäi- Assoziierungs- und Herausführungs- sicherheitspolitischen Akteur mit ei- sche Politische Gemeinschaft (EPG) strategie für die Nachfolgestaaten Ju- nem weltweiten Aktionsradius. 1954 ein jähes Ende erfuhren. goslawiens und mit ihren Ordnungs- In diesem Prozess bildete die Ebenfalls im Sande verliefen Anfang funktionen in Mazedonien und Bos- weitgehende Passivität der Europäer der 1960er Jahre die maßgeblich von nien-Herzegowina sehr aktiv, kohä- in der Kosovo-Krise 1999 ein bedeu- Deutschland und Frankreich inspi- rent und auch erfolgreich auf und ist tendes Schlüsselerlebnis. Noch unter rierten sog. Fouchet-Pläne zur Schaf- damit zu einem unersetzlichen Ak- der deutschen Präsidentschaft wurde fung einer Europäischen Politischen teur in der südosteuropäischen Regi- auf dem Europäischen Rat in Köln Union (EPU). Deutlich bescheidener on geworden. Auch in anderen Berei- das Startsignal für die Ausgestaltung waren daher die Ziele der ab 1970 chen ist die EU aktiv, im Israel-Pa- einer eigenen, über die ESVI hinaus- begonnenen Europäischen Politi- lästina-Konflikt agiert sie als Teil des gehenden Sicherheits- und Verteidi- schen Zusammenarbeit, die bis zu sog. Nahost-Quartetts (mit Russland, gungspolitik gegeben. Diese ESVP ihrer vertraglichen Fixierung in der den USA und den Vereinten Natio- sollte nicht in Konkurrenz zur NATO Einheitlichen Europäischen Akte nen), vermittelt im Atomstreit mit stehen, wohl aber den Europäern (1986) im Wesentlichen ein infor- dem Iran, führt Dialoge in der asiati- Mittel und Möglichkeiten zu komple- melles Konsultationsforum der sechs schen Staatenwelt und tritt im Rah- mentärem Handeln geben, wenn eu- EG-Staaten blieb. Im Zuge der men internationaler Foren wie den ropäische Anliegen betroffen waren. Schaffung der Europäischen Union VN als eine durchaus geschlossene Noch im Dezember 1999 wurde in wurde die Gemeinsame Außen- Gemeinschaft auf. Andererseits hat Helsinki als European Headline und Sicherheitspolitik (GASP) der tiefe Riss durch die GASP in der Goal formuliert, bis 2003 ein militä- zum integralen Bestandteil der Uni- Irak-Frage 2002/03 auch gezeigt, wo risches Fähigkeitsprofil zu schaffen, on. Beginnend ab 1999 schließlich die Grenzen gemeinsamer Außenpo- welches die EU in die Lage versetzt, wurde bei dieser zweiten Säule der litik liegen. weltweite Militäreinsätze durchzu- EU die Europäische Sicherheits- und Während die EU-Abstimmung in führen. Damit sollte kein europäi- Verteidigungspolitik angesiedelt, die den außenpolitischen Angelegenhei- sches Heer geschaffen werden, viel- sich seither als eines der dynamisch- ten also schon auf eine längere Tradi- mehr handelt es sich um die Zusagen

20 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ der Mitgliedstaaten, für gemeinsame werden müssen, sowie auf strengthe- gonnen, an denen Deutschland in al- Einsätze ausgebildete und ausgerüs- ning missions, in denen – etwa im len Fällen teilnahm bzw. teilnimmt. tete Kräfte bereitzuhalten und diese Rahmen von Bemühungen zur Kon- So wurde im Jahr 2003 die VN-Mis- erforderlichenfalls in ein European fliktprävention – noch bestehende sion in Bosnien-Herzegowina in die Rapid Reaction Corps zu entsenden. Strukturen gestärkt werden sollen. EU Polizeimission (EUPM) über- Dieses Ziel wurde deutlich über- Die für die politische Praxis der führt. Ihre Aufgabe ist es, die bosni- erfüllt, die Zusagen belaufen sich auf ESVP erforderlichen Strukturen und schen Sicherheitskräfte zu beraten rd. 100.000 Soldaten, von denen Institutionen wurden im Dezember und auszubilden. Ebenfalls im Jahr Deutschland etwa ein Drittel zu stel- 2000 in Nizza beschlossen und dann 2003 führte die EU ihre erste – von len bereit ist. Allerdings bestehen im zügig aufgebaut. Sie bestehen im der NATO übernommene – militäri- Bereich der strategischen Transport- Einzelnen aus sche Operation „Concordia“ durch, kapazitäten, der Strategischen Auf- • dem Politischen und Sicher- in deren Rahmen sie mit rd. 350 Sol- klärung sowie im Bereich der Füh- heitspolitischen Komitee (PSK), daten die Umsetzung des Friedens- rungssysteme weiterhin erhebliche das durch die EU-Botschafter abkommens zwischen den Bevölke- Defizite. Im Rahmen des European der Mitgliedstaaten gebildet rungsgruppen in Mazedonien über- Capabilities Action Plans (ECAP) wird und für die Fragen der wachte. Für diese Operation griff die sowie im 2004 verabschiedeten GASP sowie die politische Kon- EU auf Strukturen der NATO zurück, Headline Goal 2010 werden daher trolle und strategische Leitung die ihr auf der Grundlage des Berlin- Schritte zur gezielten Beseitigung von EU-Einsätzen zuständig ist; Plus-Verfahrens zur Verfügung ge- von Defiziten festgelegt – etwa in der • dem EU-Militärausschuss stellt wurden. Damit war der deut- Rüstungszusammenarbeit durch die (EUMC), der aus den General- sche Admiral Rainer Feist als stell- Schaffung einer Europäischen Ver- stabschefs der Mitgliedstaaten vertretender NATO-Oberbefehlsha- teidigungsagentur oder zur Verbes- bzw. deren Bevollmächtigten be- ber für die militärische Führung die- serung der Einsatzfähigkeit durch steht und das PSK in militäri- ser EU-Operation verantwortlich. Im die Aufstellung gemeinsamer battle schen Fragen berät; gleichen Jahr engagierte sich die EU groups. • dem Europäischen Militärstab mit einem Militäreinsatz zur Unter- Bei diesen battle groups handelt (EUMS), der fachlich dem stützung der VN-Mission in der De- es sich um Einsatzverbände in der EUMC untersteht und Operatio- mokratischen Republik Kongo. Die- Stärke von rd. 1.500 Soldaten, die nen sowie Übungen plant; se Operation „Artemis“ wurde als binnen fünfzehn Tagen für Einsätze • dem Ausschuss für die zivilen eigenständige EU-Mission ohne im gesamten militärischen Spektrum Aspekte des Krisenmanage- Rückgriff auf NATO-Mittel durch an jedem Punkt der Erde zur Verfü- ments (CIVCOM), der aus zivi- nationale Einrichtungen in Frank- gung stehen sollen. Insgesamt sollen len Spezialisten und Diplomaten reich geführt. Deutschland beteiligte bis 2007 dreizehn solche Kampf- besteht und das PSK in Fragen sich mit Lufttransport- und Sanitäts- verbände aufgestellt sein, Deutsch- des zivilen Krisenmanagements kräften. Noch im Jahr 2003 hat die land wird sich an vier battle groups berät. EU dann ihre militärische Operation beteiligen. in Mazedonien in die Polizeimission Ein besonderes Kennzeichen der Bei der Durchführung von Ein- „Proxima“ überführt, die mit rund ESVP ist indes, dass sie den zivilen sätzen kann die EU im Rahmen des 120 Beamten bis heute besteht. Seit Dimensionen des Krisenmanagements sog. Berlin-Plus-Prozesses auf Dezember 2004 setzt die EU im Rah- einen hohen Stellenwert einräumt. Führungseinrichtungen der NATO men der EUFOR „Althea“ die von Dazu hat der Europäische Rat im oder auf nationale Hauptquartiere der NATO-Truppe SFOR übernom- Juni 2000 in Feira ein eigenes (wie das deutsche Einsatzführungs- mene Friedenssicherung in Bosnien- Civilian Headline Goal über die kommando in Potsdam) zurückgrei- Herzegowina fort. Mit 7.000 einge- Aufstellung von 5.000 Polizeibeam- fen. Im Einsatzland selbst führen setzten Soldaten (davon 1.000 Deut- ten beschlossen. Dieses Programm dann multinational zusammengesetz- sche) ist dies die bislang größte Ope- wurde zwischenzeitig weiterentwickelt te, verlegbare Hauptquartiere. Im ration der EU, sie ist zugleich ein und umfasst nunmehr auch Kräfte für Dezember 2004 billigte der Europäi- Bewährungstest für die künftige Über- den Katastrophenschutz (5.000), sche Rat zudem die Einrichtung ei- nahme weiterer komplexer Mandate Rechtsstaat-Experten (631), Verwal- nes kleinen EU-Operationszentrums wie etwa im Kosovo. Seit 2004 hat tungsfachleute (565) und weitere beim Ratssekretariat. Mit diesen In- die EU zudem damit begonnen, sog. Spezialisten. Damit hat die EU einen strumenten und Kapazitäten ist die Rechtsstaatsmissionen einzusetzen, Pool von Kräften geschaffen, die für EU in der Lage, eigene Operationen etwa in Georgien oder im Irak, wo die komplexen Missionen zur Frie- aber auch solche im Auftrag der Ver- 700 Richter ausgebildet werden. In denskonsolidierung zu Beginn des einten Nationen bzw. in Zusammen- der DR Kongo wurde 2004 eine EU- 21. Jhs. unverzichtbar sind. Die kon- arbeit mit anderen Organisationen Polizeimission eingesetzt, die 2005 zeptionellen Überlegungen zum Ein- durchzuführen. dann in Mission zur Unterstützung satz dieser zivilen Kräfte beziehen der Sicherheitssektorreform im Land sich im Wesentlichen auf substitu- Friedensoperationen der EU (EUSEC) erweitert wurde. tion missions, in denen zusammenge- Bereits wenige Jahre nach ihrer Mit dieser breiten Palette von brochene Strukturen etwa in failed Implementierung hat die EU mit der Einsätzen hat die EU durchaus deut- states ersetzt und wiederaufgebaut Durchführung von Operationen be- lich gemacht, dass sie zur Bewälti-

AUFTRAG 261 21 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ gung auch anspruchsvoller Aufgaben weiter Rechnung getragen, nachdem stand größte Volkswirtschaft der im internationalen Krisen- und Kon- US-amerikanische Bedenken über- Welt bildet, bleibt ihr auch keine an- fliktmanagement befähigt ist. Vor al- wunden wurden konnten. So hatten dere Wahl. Den möglichen Rahmen lem aber hat sich das Zusammenwir- die USA gefordert, dass die ESVP zu von EU-Einsätzen und Engagements ken mit der NATO auf der Grundlage keiner Abkopplung von der NATO, hat die Union in ihrer im Dezember der 2002 in Kopenhagen vereinbar- zu keiner Duplizierungen von Kapa- 2003 vorgelegten Europäischen ten Verfahren bewährt. Die NATO zitäten und zu keiner Diskriminie- Sicherheitsstrategie abgesteckt. unterstützte nicht nur mit Haupt- rung von Nicht-EU-Mitgliedern des Unter dem Titel A Secure Europe in a quartier- und Führungsstrukturen, Bündnisses führen dürfe (no decoup- Better World analysiert sie die we- sondern hielt während der Operatio- ling, no duplication, no discrimina- sentlichen Risiken und Bedrohun- nen auch die erforderlichen Reser- tion). Die Vereinbarungen zwischen gen, die auf den Kontinent einwir- ven für eine mögliche Herausziehung NATO und EU gehen denn auch ken, insbesondere die globale Armut der europäischen Kräfte bereit. davon aus, dass die EU nur aktiv und Ressourcenwettstreite, aber werden kann, wenn die Interessen auch den Terrorismus, die von den Partner oder Rivalen – der NATO als Ganzes nicht tangiert failed states ausgehenden Probleme Gratwanderungen zwischen sind. Zur Vermeidung von Dupli- und nicht zuletzt die Proliferation EU und NATO zierungen hat die NATO der EU den von Massenvernichtungswaffen. Für Der Aufbau von EU-eigenen jederzeitigen Zugriff auf ihre Kapazi- ihre künftige Politik leitet sie daraus sicherheitspolitischen Instrumenten täten zugesichert (Berlin-Plus), was drei strategische Ziele ab, nämlich und Kapazitäten vollzog sich einer- der EU den Aufbau einer eigenen die konkrete Bedrohungsabwehr, die seits in enger Anlehnung an die Ent- Kommandostruktur erspart. Bezüg- präventiv ausgerichtete Stabilisie- wicklung der NATO von der westli- lich der verfügbaren Truppen greifen rung der europäischen Peripherie vor chen Verteidigungsallianz hin zu ei- beide Organisationen auf ein single allem im Mittelmeer-/Nahostraum ner global tätigen Sicherheitsagentur set of forces zurück. Insgesamt dürfte und schließlich den Aufbau einer – sie war aber auch stets von Irritati- das Bestreben beider Organisatio- multilateralen Weltordnung. Gerade onen auf beiden Seiten des Atlantik nen, sich in den schwierigen und teu- um zu letzterem Ziel beizutragen begleitet, die sich aus dem gegensei- eren Bemühungen um Sicherheit und wird sich die EU auf die ebenfalls in tigem Misstrauen zwischen einigen Stabilität in Europa und der Welt ge- ihrer Strategie niedergelegten zentra- europäischen Staaten (voran Frank- genseitig zu verstärken, deutlich aus- le Handlungsanforderung besinnen reich) und den USA ergeben, und die geprägter sein als ein mögliches müssen: eine aktivere und kohären- insbesondere während der Polarisie- Konkurrenzverhältnis. Schließlich tere Zusammenarbeit zwischen den rung im Irak-Konflikt 2002/03 deut- nimmt die Zahl der Staaten, die so- Partnern. In den zurückliegenden lich zutage getreten sind. wohl der EU als auch der NATO an- sieben Jahren hat sich die EU auf Dabei wurde bereits seit 1996 gehören, immer weiter zu. dem Gebiet der Sicherheits- und eine in Berlin begonnene Planung Verteidigungspolitik „mit Lichtge- fortentwickelt, nach der die ESVI ein Ausblick schwindigkeit“ (Javier Solana) ent- trennbarer, aber nicht getrennter Be- Die EU ist mit ihrer GASP und wickelt, jedenfalls wenn man ihre ge- standteil der NATO-Architektur ist, ESVP dabei, sich zu einem globalen wohnten Prozesse als Maßstab an- und so der komplementäre Ansatz Akteur zu entwickeln – angesichts legt. Mit der dynamischen Fort- der Fähigkeiten beider Institutionen einer Mitgliedschaft von 25 und bald entwicklung der ESVP hat sie zudem unterstrichen. Mit der Entwicklung mehr Staaten, einer Bevölkerung von gezeigt, dass sie auch Rückschläge der Beziehungen zwischen ESVP rd. 450 Millionen Menschen und der wie das Scheitern der Europäischen und NATO wurde diesem Bestreben Tatsache, dass die EU die mit Ab- Verfassung verkraften kann. Wenn vor allem in Afrika (ein weiterer Militäreinsatz zeichnet sich in der DR Kongo für das Jahr 2006 ab) aber auch anderenorts weitere schwierige Herausforderungen auf die Europäer warten, werden sie ihre gegenseitige Solidarität und Verlässlichkeit je- doch weiter ausbauen müssen, damit diese den zu erwartenden Belastun- gen auch standhalten. ❏

Besonders wichtig war den Seminar- teilnehmern das Gespräch mit den Ex- perten für europäische (Sicherheits-) Fragen. Gerade Pausen wurden für Ver- ständnisfragen an die Referenten und zur Vertiefung der Themen genutzt. In der Bildmitte Referent Dr. Sven Gareis vom SOWI in Stausberg.

22 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ Das strategische Konzept der Europäischen Union (I) Stichwortzusammenfassung eines Vortrags von Brigadegeneral Gerhard Kemmler n den Anfang seines Referates digungsministertreffen der EU „Das strategische Konzept der – Erarbeiten und Abstimmen von AEuropäischen Union“ stellte Beiträgen zu militärpolitischen Brigadegeneral Gerhard Kemmler Themen persönliche Eindrücke, die er in der – Betreuung von Besuchergruppen europäischen Hauptstadt Brüssel und insbesondere in der „Ständigen BG Kemmler erläuterte in seinem Vertretung der Bundesrepublik powerpointgestützten Vortrag die Deutschland bei der EU“ (StV EU) 1. Entwicklung der ESVP gewonnen hat. In der von einem Bot- (europäische Sicherheits- und schafter geleiteten größten Auslands- Verteidigungspolitik) vertretung Deutschlands, welche die 2. Sicherheitsstrategie der EU deutschen Interessen vor Ort wahr- 3. Fähigkeiten und Mittel / Berlin Die Schlussfolgerung müsste sein: nimmt, sind rund 170 Mitarbeiter Plus – Hohe Interessengleichheit in aus allen Ministerien beschäftigt. 4. Entscheidungsträger / Führung Sicherheitsfragen in beiden Or- BG Kemmler ist Leiter des Be- 5. Einsätze ganisationen reichs „Militärpolitik in der Abtei- – Ansporn zur Integration lung Politik der StV EU (Gliederung Zu 1.: Die Ausgangslage für – Strategische Partnerschaft und der StV EU s. Abb 1). eine ESVP nach erfolgter Interoperabilität müssen ge- Der Arbeitsbereich Militärpolitik Erweiterungsrunde meinsames Thema sein hat im Juni 2001 seine Arbeit inner- – 19 der 25 Mitgliedsstaaten der Dem stehen unveränderte halb der StV aufgenommen. Er wird EU sind auch Mitglied in der nationalstaatliche und kontroverse geführt von einem Brigadegeneral, NATO (Abb. 3) Partikularinteressen entgegen, z.B.: der in der Sacharbeit von drei Stabs- – Bulgarien und Rumänien wer- – FRA = Abgrenzung gegenüber offizieren unterstützt wird. den voraussichtlich 2007 der USA, Der Leiter des Arbeitsbereichs NATO beitreten – TUR = Nutzung NATO für EU Militärpolitik und seine Mitarbeiter – In allen Mitgliedsstaaten sind Vollmitgliedschaft, beraten den Ständigen deutschen die Ressourcen knapp, damit – GRC = Ausgrenzung TUR Vertreter bei der Europäischen Uni- herrscht überall der Zwang zur on und den deutschen Vertreter im Sparsamkeit Schritte zu einer Gemeinsamen Politischen und Sicherheitspoliti- – Alle Staaten haben nur „single Außen- und Sicherheitspolitik schen Komitee der EU (PSK) in set of forces“, d.h. ein einziges • 1951/52 Paris-EG für Kohle und sicherheits- und allen militärpoliti- Streitkräftedispositiv Stahl (Montanunion) schen Fragen. Er ist zugleich der Stellvertreter des Deutschen Militäri- schen Vertreters im Militärausschuss Abb. 1 der EU (DMV EU), der in dieser Ei- genschaft den Generalinspekteur der Bundeswehr innerhalb der EU ver- tritt. Der Arbeitsbereich Militärpolitik nimmt in enger Abstimmung mit der Leitung des Hauses, dem deutschen Vertreter im PSK, dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium der Verteidigung folgende Aufgaben wahr: – Bi- und multilaterale Abstim- mung innerhalb der Gremien und Arbeitsgruppen der EU – Abstimmung mit den Institutio- nen der EU – Militärpolitische Vorbereitung, Begleitung und Beratung bei Ta- gungen und Sitzungen der EU- Gremien – Vorbereitung informeller Vertei-

AUFTRAG 261 23 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

zu 2.: Die Sicherheitsstrategie Abb. 2: der EU

Grundlage für eine EU-Sicher- heitsstrategie ist das knappe und präzise sog. SOLANA-Papier vom Dezember 2003: (1) EU als Global Player: – Begründung durch „globales Gewicht“ ( 25 Staaten, 450 Mil- lionen Menschen, Produktivkraft 25 % des Weltbruttosozial- produkts), – Faktisch bereits jetzt weltweites Engagement der EU (Afghanis- tan, Ost-Timor, Freie Republik KONGO, SUDAN, politische Befassung auch: MOLDAVIEN), – Notwendig auf Grund weltweiter Risiken.

(2) Herausforderungen und • 1954 Gründung WEU • 2000 Feira-Definition ziviler Bedrohungsanalyse (Abb. 2) (Beistandspflicht/ keine milit. Fähigkeiten Am Beginn des 21. Jahrhunderts Organisation) • 2000 Brüssel -Erste stehen wir gemeinsam mit Alliierten • 1992 Maastricht -Gemeinsame „Commitment Conference“ zum und Partnern vor völlig neuen sicher- Außen- u. Sicherheits-Politik Headline Goal heitspolitischen Herausforderungen. (GASP) • 2000 Nizza – Grundzüge Orga- Die Anschläge des 11. September • 1999 Köln -Beginn des Aufbaus nisation und Verfahren ESVP + 2001 in New York und Washington der ESVP (Petersberg-Aufgaben) Politisch-Sicherheitspolitisches und des 11. März 2004 in Madrid ha- • 1999Helsinki -European Head- Komitee + EU-Militärstab, EU- ben mit der Illusion aufgeräumt, dass line Goal (HLG) – Streitkräfte- Militärausschuss (zum Nizza-Ver- unsere westlichen Gesellschaften kei- ziele trag s. Kasten S. 26) ner Bedrohung mehr ausgesetzt seien. • 2000 Übertragen der operativen • 2003 Erste Operationen der EU Der internationale Terrorismus, Funktion WEU an EU (Mazedonien und Kongo) die Organisierte Kriminalität, die • 2000 Lissabon -Komitee für zi- • 2004 EU Operation Althea in Weiterverbreitung von Massenver- viles Krisenmanagement Bosnien nichtungswaffen und Trägermitteln sowie die Folgen auch weit entfernter regionaler Krisen und Konflikte be- einträchtigen unsere Sicherheit und Abb. 3: die unserer Partner. Asymmetrische Szenarien sind in den Vordergrund unseres Bewusstseins gerückt. Der gemeinsame Kampf gegen diese neu- en Gefahren verlangt nach einer Neuausrichtung unserer Sicherheits- politik und nach einer Anpassung unserer sicherheitspolitischen und somit auch unserer militärischen In- strumente. Die internationale Staatenge- meinschaft ist bestrebt, Lösungen in einem breiten sicherheitspolitischen Ansatz zu erzielen. Streitkräfte sind in diesem Kontext nur ein Aspekt, allerdings ein wesentlicher. Oft genug müssen Streitkräfte erst die Voraussetzungen schaffen, um nicht- militärische Werkzeuge aus dem In- strumentarium der Sicherheitspolitik wirksam werden zu lassen.

24 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

(3) Strategische Zielsetzung: – Schaffung eines Ringes sicherer Abb. 4: Nachbarschaft (konkret: Stabili- sierung des Balkans, Kaukasus- Region, Mittelmeerregion im weiteren Sinne.) – Effektiver Multilateralismus, d.h. Förderung stabiler Staaten durch internationale Organisati- on, vorrangig VN, aber auch z.B. ASEAN, Afrikanische Union (4) Militärische Umsetzung: aktiver – fähiger - kohärenter – Erweiterung Aufgabenspektrum verlangt von EU mehr als bishe- rige Petersberg-Aufgaben: (Ab- rüstung, militärische Bera- teraufgaben, Konfliktvorsorge, Stabilisierung nach Krisenende) – Intervention, Krisenreaktion – Terrorismusbekämpfung – Stabilisierung – Überwachung Waffenstillstand – Reform der Sicherheitskräfte – Abrüstung sam sind im VVE im Geiste der Solidarität, wenn ein Damit werden auch konzeptio- – Artikel I - 28: Mitgliedstaat von einem Terroran- nell neue Anforderungen an die deut- Europäischer Außenminister schlag, einer Naturkatastrophe oder schen Streitkräfte gestellt, wie leich- – Artikel I - 41: einer vom Menschen verursachten te, schnell verlegbare Kräfte, strate- Gemeinsame Sicherheits- und Katastrophe betroffen ist. Die Union gischer Lufttransportraum oder Verteidigungspolitik mobilisiert alle ihr zur Verfügung RSOM (Reception, Staging, Onward (2) Gemeinsame Sicherheits- u. stehenden Mittel, einschließlich Movement). Verteidigungspolitik (GSVP) der ihr von den Mitgliedstaaten der Union bereitgestellten militärischen Mit- Zu 3.-5.: (3) Verpflichtung zur schritt- tel, um Im weiteren Verlauf seines Vor- weisen Verbesserung der – terroristische Bedrohungen im trages erläuterte BG Kemmler die militärischen Fähigkeiten Hoheitsgebiet von Mitgliedstaa- konkrete militärische Planung und (u.a. durch Europäische ten abzuwenden; Umsetzung, Kräftegliederung, Kom- Verteidigungsagentur) – die demokratischen Institutio- mandostrukturen und ging auf in (6) Strukturierte Zusammen- nen und die Zivilbevölkerung letzter Zeit unter NATO oder EU- arbeit vor etwaigen Terroranschlägen Kommando durchgeführte Operatio- – Artikel I – 43: zu schützen; nen ein. Diese sind z.T. so komplex, Solidaritätsklausel (bei Terroran- – im Falle eines Terroranschlags dass sie im Rahmen dieser Doku- schlägen, Naturkatastrophen) einen Mitgliedstaat auf Ersu- mentation nicht wiedergegeben wer- chen seiner politischen Organe den können. Das heißt: Die Union und ihre innerhalb seines Hoheitsgebiets Das deutsche Heer wird auf ab- Mitgliedstaaten handeln gemeinsam zu unterstützen; (...) (PS) sehbare Zeit in sieben Einsätzen, EUFOR, KFOR, OEF, ISAF, UNO- MIG, UNMEE, und UNMIS gebun- den sein und dabei weiterhin die Hauptlast der Einsätze zu tragen ha- Nein, die Ähnlichkeit mit ben. Ca. 14.000 Soldaten des Heeres einem bedeutenden Kunst- und damit etwa jeder neunte Soldat werk von Anfang des 16. ist mit Einsatz einschließlich Vor- Jhs. ist nicht beabsichtigt und Nachbereitung befasst. und rein zufällig. Es wäre auch vermessen anzuneh- Ausblick men, BrigGen Gerhard Kemmler weise hier auf die besondere Bedeutung Was sagt der Entwurf des Euro- der GKS hin. Er erläutert päischen Verfassungsvertrags zur „nur“ einen wichtigen ESVP? Punkt im Strategischen Für die ESVP besonders bedeut- Konzept der EU.

AUFTRAG 261 25 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

Der Vertrag von Nizza Der Vertrag von Nizza vom 26. Februar 2001 enthält u.a. folgende neue Bestimmungen zur GASP:

• Die durch die Entwicklung der ESVP obsolet gewordenen Bezüge auf die WEU sind ent- fallen, die Verteidigungspolitik ist nunmehr als eigenständige Politik der Union ausge- staltet (Art. 17 EUV), wobei auf die enge Verbindung zur NATO hingewiesen wird.

• An die Stelle des Politischen Komitees (PK) ist das ständig in Brüssel tagende Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK) getreten; der Rat kann dem PSK operative Entscheidungsbefugnisse für die Leitung von Krisenmanagementoperationen über- tragen (Art. 25 EUV).

• EU-Sonderbeauftragte können mit qualifizierter Mehrheit ernannt werden (Art. 23 Abs. 2 iVm Art. 18 Abs. 54 EUV).

• Die sog. „verstärkte Zusammenarbeit“ – d.h. eine Kooperation einiger Mitglied- staaten mit dem Ziel, bestimmte Dossiers voran zu bringen – ist unter bestimmten Bedingungen nunmehr auch in der GASP möglich (Art. 27a EUV). Fragen mit militä- rischen oder verteidigungspolitischen Bezügen sind hiervon allerdings ausgeschlossen (Art. 27b EUV).

Das strategische Konzept der Europäischen Union (II)

EIN PAPIER DER STÄNDIGEN VERTRETUNG DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND BEI DER EU1 ie zuvor ist Europa so wohl- Die Vereinigten Staaten haben – sozialprodukts (BSP) weltweit erwirt- habend, so sicher und so frei insbesondere im Rahmen der NATO schaften, ist die Europäische Union, Ngewesen. Die Gewalt der ers- – einen entscheidenden Beitrag zum der zudem ein umfangreiches Instru- ten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist europäischen Einigungsprozess und mentarium zur Verfügung steht, einer in der europäischen Geschichte zur Sicherheit Europas geleistet. Seit zwangsläufig ein globaler Akteur. Im beispiellosen Periode des Friedens dem Ende des Kalten Krieges sind vergangenen Jahrzehnt sind europäi- und der Stabilität gewichen. die Vereinigten Staaten der dominie- sche Streitkräfte in so entfernten Die Schaffung der Europäischen rende militärische Akteur. Gleich- Ländern wie Afghanistan, Osttimor Union steht im Mittelpunkt dieser wohl ist kein Land in der Lage, die und der DRK eingesetzt worden. Die Entwicklung. Sie hat die Beziehun- komplexen Probleme der heutigen zunehmende Konvergenz europäi- gen zwischen unseren Ländern und Zeit im Alleingang zu lösen. scher Interessen und die Stärkung das Leben unserer Bürger verändert. Was die Sicherheit Europas an- der gegenseitigen Solidarität haben Die europäischen Staaten haben sich belangt, so gibt es nach wie vor Be- die EU zu einem glaubwürdigeren verpflichtet, Streitigkeiten auf fried- drohungen und Herausforderungen. und handlungsstarken Akteur wer- lichem Wege beizulegen und in ge- Der Ausbruch des Konflikts auf dem den lassen. Europa muss daher bereit meinsamen Institutionen zusammen- Balkan hat uns wieder vor Augen ge- sein, Verantwortung für die globale zuarbeiten. Im Laufe der Zeit haben führt, dass der Krieg nicht von unse- Sicherheit und für eine bessere Welt sich Rechtsstaatlichkeit und Demo- rem Kontinent verschwunden ist. Im mit zu tragen. kratie mehr und mehr durchgesetzt letzten Jahrzehnt ist keine Region und aus autoritären Regimen wurden der Welt von bewaffneten Konflikten sichere, gefestigte und dynamische verschont geblieben. In den meisten I. Das Sicherheitsumfeld: Demokratien. Die aufeinander fol- Fällen waren diese Konflikte eher in- Globale Herausforderungen genden Erweiterungen lassen die Vi- nerstaatlicher als zwischenstaatli- und Bedrohungen sion eines geeinten und friedlichen cher Natur, und die meisten Opfer Kontinents Realität werden. waren Zivilisten. Globale Herausforderungen Kein Land ist in der Lage, die Als Zusammenschluss von 25 Durch die zunehmende Öffnung komplexen Probleme der heutigen Staaten mit über 450 Millionen Ein- der Grenzen seit dem Ende des Kal- Zeit im Alleingang zu lösen. wohnern, die ein Viertel des Brutto- ten Krieges ist ein Umfeld entstan- den, in dem interne und externe 1 „EIN SICHERES EUROPA IN EINER BESSEREN WELT – EUROPÄISCHE SICHER- Sicherheitsaspekte nicht mehr von- HEITSSTRATEGIE“, o. Verf.-Angabe, Brüssel, 12. Dezember 2003; gefunden auf auf einander zu trennen sind. Die Han- der Website >www.eu-vertretung.de/de/abteilungen_referate/politik/militärpolitik.php< dels- und Investitionsströme, die

26 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ technologische Entwicklung und die Reihe von Ländern und Regionen Anschlagziele. Logistische Stütz- Verbreitung der Demokratie haben bewegen sich in einem Teufelskreis punkte von Al Qaida-Zellen wurden vielen Menschen Freiheit und Wohl- von Konflikten, Unsicherheit und Ar- im Vereinigten Königreich sowie in stand gebracht. Aus der Sicht ande- mut. Italien, Deutschland, Spanien und rer jedoch steht die Globalisierung Der Wettstreit um Naturressour- Belgien entdeckt. An einer konzer- für Frustration und Ungerechtigkeit. cen – insbesondere um Wasser –, der tierten Aktion Europas führt kein Diese Entwicklungen haben auch für sich durch die globale Erwärmung in Weg vorbei. nichtstaatliche Gruppen mehr Spiel- den nächsten Jahrzehnten noch stei- Die Verbreitung von Massen- raum für eine Mitwirkung am inter- gern wird, dürfte in verschiedenen vernichtungswaffen (MVW)2 stellt nationalen Geschehen entstehen las- Regionen der Welt für weitere Tur- die potenziell größte Bedrohung für sen. Und sie haben die Abhängigkeit bulenzen und Migrationsbewegungen unsere Sicherheit dar. Die internatio- Europas – und somit auch seine An- sorgen. nalen Verträge und Ausfuhrkontroll- fälligkeit – von vernetzten Infrastruk- Die Energieabhängigkeit gibt regelungen haben die Verbreitung turen unter anderem in den Berei- Europa in besonderem Maße Anlass von MVW und ihrer Trägersysteme chen Verkehr, Energie und Informa- zur Besorgnis. Europa ist der größte verlangsamt. Nun jedoch stehen wir tion erhöht. Erdöl- und Erdgasimporteur der am Anfang eines neuen und gefährli- Seit 1990 sind fast vier Millionen Welt. Unser derzeitiger Energie- chen Zeitabschnitts, in dem es mögli- Menschen – zu 90 % Zivilisten – in verbrauch wird zu 50 % durch Ein- cherweise – insbesondere im Nahen Kriegen ums Leben gekommen. fuhren gedeckt. Im Jahr 2030 wird Osten – zu einem MVW-Wettrüsten Weltweit haben über 18 Millionen dieser Anteil 70 % erreicht haben. kommt. Fortschritte im Bereich der Menschen wegen eines Konflikts ihr Die Energieeinfuhren stammen zum biologischen Wissenschaften können Heim verlassen. größten Teil aus der Golfregion, aus die Wirkung von biologischen Waf- Russland und aus Nordafrika. fen in den kommenden Jahren ver- Jedes Jahr sterben 45 Millionen stärken; auch Anschläge mit chemi- Menschen an Hunger und Hauptbedrohungen schen Stoffen und radiologischem Unterernährung ... Aids ist Ursache Größere Angriffe gegen Mitglied- Material sind eine ernst zu nehmen- für den Zusammenbruch ganzer staaten sind nunmehr unwahrschein- de Gefahr. Die Verbreitung von Gesellschaften ... Sicherheit ist eine lich geworden. Dafür ist Europa mit Raketentechnologie sorgt für zusätz- Vorbedingung für Entwicklung. neuen Bedrohungen konfrontiert, die liche Instabilität und könnte Europa In weiten Teilen der dritten Welt verschiedenartiger, weniger sichtbar zunehmender Gefahr aussetzen. rufen Armut und Krankheiten unsäg- und weniger vorhersehbar sind. Am erschreckendsten ist der Ge- liches Leid wie auch dringende Terrorismus gefährdet Men- danke, dass terroristische Gruppie- Sicherheitsprobleme hervor. Fast schenleben, verursacht hohe Kosten, rungen in den Besitz von Massen- drei Milliarden Menschen und damit sucht die Offenheit und Toleranz un- vernichtungswaffen gelangen. Sollte die Hälfte der Weltbevölkerung müs- serer Gesellschaften zu untergraben dies eintreten, wäre eine kleine sen mit weniger als zwei Euro pro und stellt eine zunehmende strategi- Gruppe in der Lage, einen Schaden Tag auskommen. Jedes Jahr sterben sche Bedrohung für Gesamteuropa anzurichten, der eine Größenord- 45 Millionen Menschen an Hunger dar. Terroristische Bewegungen sind nung erreicht, die bislang nur für und Unterernährung. Aids hat sich in wachsendem Maße gut ausgestat- Staaten und Armeen vorstellbar war. zur verheerendsten Epidemie der tet, elektronisch vernetzt und gewillt, Regionale Konflikte: Proble- Menschheitsgeschichte entwickelt unbegrenzt Gewalt anzuwenden, um me, wie sie sich in Kaschmir, in der und ist Ursache für den Zusammen- in großem Maßstab Menschen zu tö- Region der Großen Seen und auf der bruch ganzer Gesellschaften. Neue ten. koreanischen Halbinsel stellen, ha- Krankheiten können sich rasch aus- Die jüngste Terrorismuswelle ist ben ebenso direkte und indirekte breiten und zu einer globalen Bedro- globalen Ausmaßes und mit gewalttä- Auswirkungen auf europäische Inter- hung werden. Die Armut im südlich tigem religiösem Extremismus ver- essen wie näher gelegene Konflikt- der Sahara gelegenen Teil Afrikas ist bunden. Die Ursachen für diese Ent- herde, vor allem im Nahen Osten. heute größer als vor zehn Jahren. In wicklung sind komplex. Dazu gehö- Gewaltsame oder festgefahrene Kon- vielen Fällen ist wirtschaftliches ren der Modernisierungsdruck, kul- flikte, wie sie auch an unseren Gren- Versagen mit politischen Problemen turelle, soziale und politische Krisen zen andauern, stellen eine Bedro- und Gewaltkonflikten verknüpft. sowie die Entfremdung der in frem- hung für die regionale Stabilität dar. Sicherheit ist eine Vorbedingung den Gesellschaften lebenden jungen Sie zerstören Menschenleben wie für Entwicklung. Konflikte zerstören Menschen. Dieses Phänomen tritt auch soziale und physische Infra- nicht nur Infrastrukturen (ein- auch in unserer eigenen Gesellschaft strukturen, bedrohen Minderheiten schließlich der sozialen), sondern zutage. und untergraben die Grundfreiheiten fördern auch Kriminalität, schrecken Europa ist sowohl Ziel als auch und Menschenrechte. Diese Konflik- Investoren ab und verhindern ein Stützpunkt dieses Terrorismus: Eu- te können Extremismus, Terrorismus normales Wirtschaftsleben. Eine ropäische Länder waren und sind und den Zusammenbruch von Staa- ten hervorrufen und leisten der orga- 2 Der letzte Einsatz von MVW erfolgte 1995 in der U-Bahn von Tokio durch die terroristische nisierten Kriminalität Vorschub. Re- Aum-Sekte. Durch das dabei verwendete Nervengas Sarin wurden 12 Menschen getötet und mehrere tausend verletzt. Zwei Jahre zuvor hatte die Aum-Sekte in einer Tokioter Stra- gionale Unsicherheit kann die Nach- ße Anthrax-Sporen freigesetzt. frage nach Massenvernichtungswaffen

AUFTRAG 261 27 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ schüren. Um den häufig schwer zu hen. Eine neue Dimension der orga- res Aktionsprogramm verabschie- definierenden neuen Bedrohungen nisierten Kriminalität, der in Zukunft det, das Maßnahmen zur Stärkung zu begegnen, ist es bisweilen das mehr Aufmerksamkeit zu schenken der Internationalen Atomenergie- nahe Liegendste, den länger zurück- sein wird, ist die um sich greifende Organisation, zur Verschärfung der liegenden regionalen Konflikten auf Seeräuberei. Ausfuhrkontrollen und zur Be- den Grund zu gehen. Bei einer Summierung dieser kämpfung illegaler Lieferungen Scheitern von Staaten: verschiedenen Elemente – extrem und der illegalen Beschaffung vor- Schlechte Staatsführung, d.h. Kor- gewaltbereite Terroristen, Verfügbar- sieht. Die EU tritt für die weltweite ruption, Machtmissbrauch, schwache keit von Massenvernichtungswaffen, Befolgung der multilateralen Institutionen und mangelnde Rechen- organisierte Kriminalität, Schwä- Vertragsregelungen sowie für eine schaftspflicht sowie zivile Konflikte chung staatlicher Systeme und Priva- Verschärfung der Verträge und ih- zersetzen Staaten von innen heraus. tisierung der Gewalt – ist es rer Kontrollbestimmungen ein. In einigen Fällen hat dies zu einem durchaus vorstellbar, dass Europa ei- • Die Europäische Union und ihre Zusammenbruch der staatlichen In- ner sehr ernsten Bedrohung ausge- Mitgliedstaaten haben Unterstüt- stitutionen geführt. Somalia, Liberia setzt sein könnte. zung zur Beilegung von regionalen und Afghanistan unter den Taliban Konflikten geleistet und zusam- sind die bekanntesten Beispiele aus II. Strategische Ziele mengebrochenen Staaten wieder der jüngsten Vergangenheit. Das auf die Beine geholfen, unter ande- Scheitern eines Staates kann auf of- Wir leben in einer Welt, die bes- rem auf dem Balkan, in Afghanis- fensichtliche Bedrohungen, wie orga- sere Zukunftschancen bietet, uns tan und in der DRK. Indem die EU nisierte Kriminalität oder Terroris- gleichzeitig aber auch größeren Be- auf dem Balkan auf die Wiederher- mus, zurückzuführen sein und ist ein drohungen aussetzt als dies in der stellung der verantwortungsvollen alarmierendes Phänomen, das die glo- Vergangenheit der Fall war. Die Zu- Staatsführung und die Förderung bale Politikgestaltung untergräbt und kunft hängt zum Teil auch von unse- der Demokratie hinwirkt und die die regionale Instabilität vergrößert. rem Handeln ab. Wir müssen dortigen Behörden in die Lage ver- Organisierte Kriminalität: zugleich global denken und lokal setzt, gegen die organisierte Krimi- Europa ist ein primäres Ziel für orga- handeln. Um ihre Sicherheit zu ver- nalität vorzugehen, wird in wirk- nisierte Kriminalität. Diese interne teidigen und ihre Werte zur Geltung samster Weise zur Bekämpfung der Bedrohung für unsere Sicherheit hat zu bringen, verfolgt die EU drei stra- organisierten Kriminalität in der auch eine wichtige externe Dimensi- tegische Ziele: EU selbst beigetragen. on: Der grenzüberschreitende Han- Im Zeitalter der Globalisierung del mit Drogen, Frauen, illegalen Abwehr von Bedrohungen können ferne Bedrohungen ebenso Einwanderern und Waffen machen Die Europäische Union ist ein Grund zur Besorgnis sein wie nä- einen wichtigen Teil der Machen- bereits aktiv gegen die wichtigsten her gelegene. Nukleare Tätigkeiten schaften krimineller Banden aus, Bedrohungen vorgegangen. in Nordkorea, nukleare Risiken in und bisweilen bestehen Verbindun- • Die EU hat auf die Anschläge vom Südasien und Proliferation im Nahen gen zu terroristischen Bewegungen. 11. September 2001 mit einem Osten sind allesamt ein Grund zur Diese Formen der Kriminalität Maßnahmenpaket reagiert, das die Besorgnis für Europa. hängen oft mit der Schwäche oder Einführung eines Europäischen Terroristen und Kriminelle sind dem Versagen des Staates zusam- Haftbefehls, Maßnahmen zur Be- nunmehr in der Lage, weltweit zu men. In einigen drogenproduzieren- kämpfung der Finanzierung von operieren: Ihre Aktivitäten in Mittel- den Ländern hat sich die Schwä- terroristischen Gruppierungen und oder Südostasien können eine Bedro- chung der staatlichen Strukturen un- ein Rechtshilfeabkommen mit den hung für die europäischen Länder ter dem Einfluss der Drogengelder Vereinigten Staaten umfasst. Sie ist oder ihre Bürger darstellen. Zugleich beschleunigt. Einkünfte aus dem weiterhin um eine stärkere Zusam- hat die globale Kommunikation regi- Handel mit Edelsteinen, Holz und menarbeit in diesem Bereich und onale Konflikte und humanitäre Tra- Kleinwaffen schüren Konflikte in an- verbesserten Schutz bemüht. gödien - wo auch immer sie sich er- deren Teilen der Welt. All diese eignen - stärker in das Bewusst- Tätigkeiten untergraben sowohl sein der europäischen Öffent- die Rechtsstaatlichkeit als auch Im Zeitalter der Globalisierung können lichkeit gerückt. die soziale Ordnung als solche. ferne Bedrohungen ebenso ein Grund zur Unser herkömmliches Kon- In Extremfällen kann das organi- Besorgnis sein wie näher gelegene. ... Die zept der Selbstverteidigung, das sierte Verbrechen einen Staat erste Verteidigungslinie wird oftmals im bis zum Ende des Kalten Krie- beherrschen. 90 % des Heroins Ausland liegen. Die neuen Bedrohungen ges galt, ging von der Gefahr ei- in Europa stammt von Mohn aus sind dynamischer Art. ... Konflikten und ner Invasion aus. Bei den neuen Afghanistan, wo vom Drogen- Bedrohungen kann nicht früh genug vor- Bedrohungen wird die erste handel Privatarmeen unterhalten gebeugt werden. Verteidigungslinie oftmals im werden. Der Drogenvertrieb fin- Ausland liegen. Die neuen Be- det überwiegend über kriminelle drohungen sind dynamischer Netze auf dem Balkan statt, auf deren • Die EU verfolgt schon seit vielen Art. Die Proliferationsrisiken neh- Konto auch 200.000 der weltweit Jahren eine Nichtverbreitungs- men immer mehr zu; ohne Gegen- 700.000 Fälle von Frauenhandel ge- politik. Sie hat unlängst ein weite- maßnahmen werden terroristische

28 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

Netze immer gefährlicher. Staatli- Durch die Erweiterung dürfen in zugehen. Die Europäische Union cher Zusammenbruch und organi- Europa keine neuen Trennungslinien muss ihr Engagement aufrechterhal- sierte Kriminalität breiten sich aus, entstehen. Die Lösung des israelisch- ten und weiterhin bereit sein, bis zur wenn ihnen nicht entgegengewirkt arabischen Konflikts ist für Europa Lösung des Problems Kräfte und Mit- wird - wie in Westafrika zu sehen eine strategische Priorität. tel zu investieren. Die Zweistaatenlö- war. Daher müssen wir bereit sein, sung, für die Europa seit langem ein- vor Ausbruch einer Krise zu handeln. Die Integration der beitretenden tritt, findet inzwischen breite Zustim- Konflikten und Bedrohungen kann Staaten erhöht zwar unsere Sicher- mung. Die Durchsetzung dieser Lö- nicht früh genug vorgebeugt werden. heit, bringt die EU aber auch in grö- sung wird geeinte und kooperative Im Gegensatz zu der massiv er- ßere Nähe zu Krisengebieten. Wir Anstrengungen seitens der Europäi- kennbaren Bedrohung zur Zeit des müssen darauf hinarbeiten, dass öst- schen Union, der Vereinigten Staa- Kalten Krieges ist keine der neuen lich der Europäischen Union und an ten, der Vereinten Nationen, Russ- Bedrohungen rein militärischer Na- den Mittelmeergrenzen ein Ring ver- lands und der Länder der Region, al- tur und kann auch nicht mit rein mi- antwortungsvoll regierter Staaten len voran jedoch seitens der Israelis litärischen Mitteln bewältigt werden. entsteht, mit denen wir enge, auf Zu- und der Palästinenser selbst erfor- Jede dieser Bedrohungen erfordert sammenarbeit gegründete Beziehun- dern. eine Kombination von Instrumenten. gen pflegen können. Der Mittelmeerraum ist generell Die Proliferation kann durch Aus- Wie wichtig dies ist, lässt sich weiterhin mit ernsthaften Problemen fuhrkontrollen eingedämmt und mit am besten anhand des Balkans ver- wirtschaftlicher Stagnation, sozialer politischen, wirtschaftlichen und deutlichen. Dank der gemeinsamen Unruhen und ungelöster Konflikte sonstigen Druckmitteln bekämpft Anstrengungen der EU, der Vereinig- konfrontiert. Es liegt im Interesse der werden, während gleichzeitig auch ten Staaten, Russlands, der NATO Europäischen Union, den Mittel- die tieferen politischen Ursachen an- und anderer internationaler Partner meerpartnern durch effizientere Ge- gegangen werden. Zur Bekämpfung ist die Stabilität der Region nun staltung der wirtschafts-, sicherheits- des Terrorismus kann eine Kombina- nicht mehr durch den Ausbruch ei- und kulturpolitischen Zusammenar- tion aus Aufklärungsarbeit sowie po- nes größeren Konflikts bedroht. Die beit im Rahmen des Barcelona-Pro- lizeilichen, justiziellen, militäri- Glaubwürdigkeit unserer Außenpoli- zesses weiter beizustehen. Ferner schen und sonstigen Mitteln erfor- tik hängt von der Konsolidierung der muss eine stärkeres Engagement ge- derlich sein. In gescheiterten Staaten in dieser Region erzielten Erfolge ab. genüber der arabischen Welt ins können militärische Mittel zur Wie- Die europäische Perspektive ist ein Auge gefasst werden. derherstellung der Ordnung und hu- strategisches Ziel und zugleich ein manitäre Mittel zur Bewältigung der Anreiz für Reformen. Eine Weltordnung auf der Notsituation erforderlich sein. Regio- Es liegt nicht in unserem Interes- Grundlage eines wirksamen nale Konflikte bedürfen politischer se, dass durch die Erweiterung neue Multilateralismus Lösungen, in der Zeit nach Beilegung Trennungslinien in Europa entstehen. In einer Welt globaler Bedrohun- des Konflikts können aber auch mili- Wir müssen die Vorteile wirtschaftli- gen, globaler Märkte und globaler tärische Mittel und eine wirksame cher und politischer Zusammenarbeit Medien hängen unsere Sicherheit Polizeiarbeit vonnöten sein. Wirt- auf unsere östlichen Nachbarn aus- und unser Wohlstand immer mehr schaftliche Instrumente dienen dem weiten und uns zugleich mit den poli- von einem wirksamen multilateralen Wiederaufbau, und ziviles Krisen- tischen Problemen dieser Länder be- System ab. Daher ist es unser Ziel, management trägt zum Wiederauf- fassen. Wir müssen nun ein stärkeres eine stärkere Weltgemeinschaft, gut bau einer zivilen Regierung bei. Die und aktiveres Interesse für die Proble- funktionierende internationale Insti- Europäische Union ist besonders gut me im Südkaukasus aufbringen, der tutionen und eine geregelte Weltord- gerüstet, um auf solche komplexen einmal ebenfalls eine Nachbarregion nung zu schaffen. Situationen zu reagieren. sein wird. Wir sind der Wahrung und Wei- terentwicklung des Völkerrechts Stärkung der Sicherheit in verpflichtet. Die Charta der Ver- unserer Nachbarschaft Unsere Sicherheit und unser Wohlstand einten Nationen bildet den Selbst im Zeitalter der Globa- hängen immer mehr von einem wirksa- grundlegenden Rahmen für die lisierung spielen die geografi- men multilateralen System ab. Wir sind internationalen Beziehungen. schen Aspekte noch immer eine der Wahrung und Weiterentwicklung des Dem Sicherheitsrat der Verein- wichtige Rolle. Es liegt im Inter- Völkerrechts verpflichtet. Die Charta ten Nationen obliegt die Haupt- esse Europas, dass die angren- der Vereinten Nationen bildet den grund- verantwortung für die Wahrung zenden Länder verantwortungs- legenden Rahmen für die internationa- des Weltfriedens und der inter- voll regiert werden. Nachbarlän- len Beziehungen. nationalen Sicherheit. Die Stär- der, die in gewaltsame Konflikte kung der Vereinten Nationen verstrickt sind, schwache Staaten, und ihre Ausstattung mit den zur in denen organisierte Kriminalität ge- Die Lösung des israelisch-arabi- Erfüllung ihrer Aufgaben und für ein deiht, zerrüttete Gesellschaften oder schen Konflikts ist für Europa eine effizientes Handeln erforderlichen explosionsartig wachsende Bevölke- strategische Priorität. Andernfalls Mitteln ist für Europa ein vorrangiges rungen in Grenzregionen sind für Eu- bestehen geringe Aussichten, die an- Ziel. ropa allemal Probleme. deren Probleme im Nahen Osten an-

AUFTRAG 261 29 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

Wir wollen, dass die internatio- antwortungsvoll geführter demokrati- region und anderswo bewiesen ha- nalen Organisationen, Regelungen scher Staaten. Die geeignetsten Mit- ben. Wenn wir aber einen unserem und Verträge Gefahren für den Frie- tel zur Stärkung der Weltordnung Potenzial entsprechenden Beitrag den und die Sicherheit in der Welt sind die Verbreitung einer verant- leisten wollen, dann müssen wir noch wirksam abwenden, und müssen da- wortungsvollen Staatsführung, die aktiver, kohärenter und handlungsfä- her bereit sein, bei Verstößen gegen Unterstützung von sozialen und poli- higer sein. Und wir müssen mit ande- ihre Regeln zu handeln. tischen Reformen, die Bekämpfung ren zusammenarbeiten. Schlüsselinstitutionen des inter- von Korruption und Machtmiss- nationalen Systems, wie beispiels- brauch, die Einführung von Rechts- Aktiver bei der Verfolgung un- weise die Welthandelsorganisation staatlichkeit und der Schutz der serer strategischen Ziele. Dies gilt (WTO) und die internationalen Fi- Menschenrechte. für die gesamte Palette der uns zur nanzinstitutionen, haben mehr Mit- Handelspolitik und Entwicklungs- Verfügung stehenden Instrumente glieder aufgenommen. China ist der politik können wirkungsvolle Instru- der Krisenbewältigung und Konflikt- WTO beigetreten, und über den Bei- mente zur Förderung von Reformen verhütung, einschließlich unserer tritt Russlands wird verhandelt. Wir sein. Die Europäische Union und Maßnahmen im politischen, diplo- müssen uns darum bemühen, die ihre Mitgliedstaaten sind als weltweit matischen, militärischen und zivilen, Mitgliedschaft solcher Einrichtungen größter öffentlicher Hilfegeber und handels- und entwicklungspolitischen unter Aufrechterhaltung ihrer hohen größte Handelsmacht bestens in der Bereich. Es bedarf einer aktiveren Standards auszuweiten. Lage, diese Ziele zu verfolgen. Politik, um den neuen, ständig wech- Die transatlantischen Beziehun- Die Förderung einer besseren selnden Bedrohungen entgegenzu- gen zählen zu den tragenden Ele- Staatsführung durch Hilfsprogram- wirken. Wir müssen eine Strategie- menten des internationalen Systems. me, Konditionalität und gezielte han- Kultur entwickeln, die ein frühzeiti- Dies ist nicht nur im beiderseitigen delspolitische Maßnahmen bleibt ges, rasches und wenn nötig robustes Interesse, sondern stärkt auch die in- eine wichtige Komponente unserer Eingreifen fördert. ternationale Gemeinschaft in ihrer Politik, die wir noch weiter verstär- Als eine Union mit 25 Mitglied- Gesamtheit. Die NATO ist ein beson- ken müssen. Eine Welt, die als ein staaten, die mehr als 160 Mrd. Euro derer Ausdruck dieser Beziehungen. Ort der Gerechtigkeit und der Chan- für Verteidigung aufwenden, sollten Regionale Organisationen stär- cen für alle wahrgenommen wird, ist wir mehrere Operationen gleichzeitig ken ebenfalls die verantwortungsvol- sicherer für die Europäische Union durchführen können. Die Union le Staatsführung weltweit. Für die und ihre Bürger. könnte einen besonderen Mehrwert Europäische Union sind Stärke und Eine Reihe von Staaten hat sich erzielen, indem sie Operationen Wirkungskraft der OSZE und des von der internationalen Staatenge- durchführt, bei denen sowohl militä- Europarates von besonderer Bedeu- meinschaft abgekehrt. Einige haben rische als auch zivile Fähigkeiten tung. Andere regionale Organisatio- sich isoliert, andere verstoßen be- zum Einsatz gelangen. nen wie ASEAN, MERCOSUR und harrlich gegen die internationalen Die EU muss die Vereinten Nati- die Afrikanische Union leisten einen Normen. Es ist zu wünschen, dass onen in ihrem Kampf gegen Bedro- wichtigen Beitrag zu einer besseren diese Staaten zur internationalen Ge- hungen des Friedens und der Sicher- Weltordnung. meinschaft zurückfinden, und die heit in der Welt unterstützen. Die EU Es ist eine Bedingung für eine EU sollte bereit sein, sie dabei zu un- fühlt sich verpflichtet zu einer inten- geregelte Weltordnung, dass das terstützen. Denen, die zu dieser Um- siveren Zusammenarbeit mit den VN Recht mit Entwicklungen wie Proli- kehr nicht bereit sind, sollte klar bei der Hilfe für Länder, die Konflik- feration, Terrorismus und globaler sein, dass sie dafür einen Preis be- te hinter sich haben, und zu verstärk- Erwärmung Schritt hält. Wir haben zahlen müssen, auch was ihre Bezie- ter Unterstützung der VN bei kurz- ein Interesse daran, bestehende In- hungen zur Europäischen Union an- fristigen Krisenbewältigungseinsät- stitutionen wie die Welthandelsorga- belangt. zen. nisation weiter auszubauen und neue Wir müssen fähig sein zu han- Einrichtungen wie den Internationa- III. Auswirkungen auf die deln, bevor sich die Lage in Nach- len Strafgerichtshof zu unterstützen. europäische Politik barländern verschlechtert, wenn es Unsere eigene Erfahrung in Europa Anzeichen für Proliferation gibt und hat gezeigt, dass Sicherheit durch Die Europäische Union hat Fort- bevor es zu humanitären Krisen Vertrauensbildung und Rüstungs- schritte auf dem Weg zu einer kohä- kommt. Durch präventives Engage- kontrollregelungen gesteigert werden renten Außenpolitik und einer wirk- ment können schwierigere Probleme kann. Diese Instrumente können samen Krisenbewältigung erzielt. in der Zukunft vermieden werden. auch einen wichtigen Beitrag zu Si- Wir verfügen inzwischen über Instru- Eine Europäische Union, die größere cherheit und Stabilität in unserer mente, die wirksam eingesetzt wer- Verantwortung übernimmt und sich Nachbarschaft und darüber hinaus den können, wie wir in der Balkan- aktiver einbringt, wird größeres poli- leisten. tisches Gewicht besitzen. Die Qualität der Staatenge- meinschaft hängt von der Quali- Wir müssen eine Strategiekultur entwi- Mehr Handlungsfähigkeit tät der sie tragenden Regierun- ckeln, die ein frühzeitiges, rasches und Ein handlungsfähigeres Europa gen ab. Der beste Schutz für un- wenn nötig robustes Eingreifen fördert. liegt in greifbarer Nähe, obwohl sere Sicherheit ist eine Welt ver- es Zeit brauchen wird, um unser

30 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ gesamtes Potenzial zu entfalten. Die Mehr Kohärenz wendigkeit. Wir müssen unsere Ziele laufenden Maßnahmen – vor allem Entscheidend bei der Gemeinsa- sowohl im Rahmen der multilatera- die Einrichtung einer Rüstungs- men Außen- und Sicherheitspolitik len Zusammenarbeit in den internati- agentur – führen uns in die richtige und der Europäischen Sicherheits- onalen Organisationen als auch Richtung. und Verteidigungspolitik ist, dass wir durch Partnerschaften mit wichtigen Damit wir unsere Streitkräfte zu stärker sind, wenn wir gemeinsam Akteuren verfolgen. flexibleren, mobilen Einsatzkräften handeln. Über die letzten Jahre hin- In gemeinsamem Handeln kön- umgestalten und sie in die Lage ver- weg haben wir eine Reihe verschie- nen die Europäische Union und die setzen können, sich den neuen Be- dener Instrumente mit jeweils eige- Vereinigten Staaten eine mächtige drohungen zu stellen, müssen die ner Struktur und Logik geschaffen. Kraft zum Wohl der Welt sein. Mittel für die Verteidigung aufge- Die Herausforderung besteht Die transatlantischen Beziehun- stockt und effektiver genutzt werden. nun darin, die verschiedenen Instru- gen sind unersetzlich. In gemeinsa- Durch einen systematischen mente und Fähigkeiten, darunter die mem Handeln können die Europäi- Rückgriff auf zusammengelegte und europäischen Hilfsprogramme und sche Union und die Vereinigten Staa- gemeinsam genutzte Mittel könnten den Europäischen Entwicklungs- ten eine mächtige Kraft zum Wohl Duplizierungen verringert, die Ge- fonds, die militärischen und zivilen der Welt sein. Unser Ziel sollte eine meinkosten gesenkt und mittelfristig Fähigkeiten der Mitgliedstaaten und wirkungsvolle, ausgewogene Partner- die Fähigkeiten ausgebaut werden. andere Instrumente zu bündeln. All schaft mit den USA sein. Dies ist ein Bei nahezu allen größeren Ein- diese Instrumente und Fähigkeiten weiterer Grund, warum die EU ihre sätzen ist auf militärische Effizienz können von Wirkungen für unsere Fähigkeiten weiter ausbauen und ziviles Chaos gefolgt. Wir brauchen Sicherheit und die Sicherheit von ihre Kohärenz verstärken muss. eine verstärkte Fähigkeit, damit alle Drittländern sein. Sicherheit ist die Wir müssen uns weiter um enge- notwendigen zivilen Mittel in und wichtigste Voraussetzung für Ent- re Beziehungen zu Russland bemü- nach Krisen zum Tragen kommen. wicklung. hen, das einen wichtigen Faktor für Verstärkte diplomatische Fähig- Die diplomatischen Bemühun- unsere Sicherheit und unseren Wohl- keiten: Wir brauchen ein System, gen sowie die Entwicklungs-, die stand bildet. Die Verfolgung gemein- das die Ressourcen der Mitgliedstaa- Handels- und die Umweltpolitik samer Werte wird die Fortschritte auf ten mit denen der EU-Organe verbin- müssen derselben Agenda folgen. In dem Weg zu einer strategischen Part- det. Der Umgang mit Problemen, die einer Krise ist eine einheitliche Füh- nerschaft bestärken. weiter entfernt und uns fremder sind, rung durch nichts zu ersetzen. Wir haben historische, geografi- erfordert besseres Verständnis und Eine bessere Abstimmung zwi- sche und kulturelle Bande mit jedem bessere Kommunikation. schen dem außenpolitischen Han- Teil dieser Welt, mit unseren Nach- Gemeinsame Bedrohungsanaly- deln und der Justiz- und Innenpolitik barn im Nahen Osten, unseren Part- sen sind die beste Grundlage für ge- ist von entscheidender Bedeutung nern in Afrika, in Lateinamerika und meinsame Maßnahmen. Dies erfor- bei der Bekämpfung des Terrorismus in Asien. Diese Beziehungen sind ein dert einen besseren Austausch von und der organisierten Kriminalität. wichtiges Fundament. Insbesondere Erkenntnissen zwischen den Mit- Einer stärkeren Kohärenz bedarf müssen wir danach streben, strategi- gliedstaaten und mit den Partner- es nicht nur zwischen den EU-Instru- sche Partnerschaften mit Japan, Chi- ländern. menten, sondern auch in Bezug auf na, Kanada und Indien sowie mit all Mit dem Ausbau der Fähigkeiten das außenpolitische Handeln der jenen zu entwickeln, die unsere Ziele in den verschiedenen Bereichen soll- einzelnen Mitgliedstaaten. und Werte teilen und bereit sind, ten wir an ein breiteres Spektrum von Eine kohärente Politik ist auch sich dafür einzusetzen. Missionen denken. Hierzu könnten auf regionaler Ebene gefragt, gemeinsame Operationen zur Ent- besonders im Umgang mit Konflik- Fazit waffnung von Konfliktparteien, die ten. Probleme lassen sich selten für Unterstützung von Drittländern bei ein Land allein und ohne regionale Wir leben in einer Welt mit neu- der Terrorismusbekämpfung und Unterstützung lösen, wie die Erfah- en Gefahren, aber auch mit neuen eine Reform des Sicherheitsbereichs rung sowohl auf dem Balkan als auch Chancen. Die Europäische Union be- zählen. Der letztgenannte Punkt wäre in Westafrika lehrt. sitzt das Potenzial, einen wichtigen Teil eines umfassenderen Aufbaus Beitrag zur Bewältigung der Bedro- von staatlichen Institutionen. Zusammenarbeit mit den hungen wie auch zur Nutzung der Die Dauervereinbarungen zwi- Partnern Chancen zu leisten. Eine aktive und schen der EU und der NATO, ins- Es gibt wohl kaum ein Problem, handlungsfähige Europäische Union besondere die Berlin-Plus-Vereinba- das wir allein bewältigen können. Bei könnte Einfluss im Weltmaßstab rung, verbessern die Einsatzfähigkeit den oben beschriebenen Bedrohun- ausüben. Damit würde sie zu einem der EU und bilden den Rahmen für gen handelt es sich um gemeinsame wirksamen multilateralen System die strategische Partnerschaft zwi- Bedrohungen, die auch alle unsere beitragen, das zu einer Welt führt, schen beiden Organisationen bei der engsten Partner betreffen. Internatio- die gerechter, sicherer und stärker Krisenbewältigung. Dies spiegelt un- nale Zusammenarbeit ist eine Not- geeint ist. ❏ sere gemeinsame Entschlossenheit wieder, die Herausforderungen des neuen Jahrhunderts anzugehen.

AUFTRAG 261 31 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ Empfang imimEmpfang Stadtschloss ur GKS-Akademie Oberst Helmut Korn gehört auch ein Empfang, den der Oberbürgermeisters der Stadt Fulda im Stadtschloss der Z ehemaligen Fuldischen Fürstäbte für die Seminarteilnehmer gibt. Heute ist das barocke Schloss Sitz von Rat und Verwaltung der Stadt Fulda (Foto l.). Obwohl die Stadt nie Standort für Truppenteile der Bundeswehr, wohl aber zur Zeit des Ost-West-Konflikts ein großer US- Heeresfliegerstützpunkt war, sind Soldaten immer willkommene Gäste. Oberbürgermeister Gerhard Möller (Mi.r.) richtet ein Grußwort an die Soldaten, die anschließend das Stadtschloss besichtigen. (v.l.) Militär- generalvikar Prälat Walter Wakenhut, Schirmherr Generalleutnant Karl-Heinz Lather, GKS-Bundesvorsitzender Oberstleutnant Paul Brochhagen, Akademieleiter Paul Schulz und (r. von OB Möller) der Direktor des Bonifatiushauses Gunter Geiger. Führung durch Dom und Michaelskirche

Beherrscht wird das ba- rocke Fulda vom Dom, in dem sich die Gräber des heiligen Bonifatius, des Gründers und ersten Bi- schofs von Fulda (l.), und des Kath. Militärbischofs von 1990 bis 2000, Erz- bischof Dr. Johannes Dyba (r.), befinden.

Auch ein wenig Werbung ge- hört zum Geschäft. Auf reges Interesse stießen die von Friedrich Brockmeier ge- fertigten Informationstafeln zu Idee, Entwicklung, Aktivi- täten und handelnden Perso- nen der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS)

32 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ Empfang des Militärgeneralvikars Übergabe von Schirmherrschaft und Akademieleitung

ilitärgeneralvikar Prälat Walter Wakenhut (Foto o.l.) begrüßt die Teilnehmer am 10. Seminar der GKS-Akademie „Oberst MHelmut Korn“ sowie die Gäste aus den Bereichen Politik, Gesellschaft, Kirche, Bundeswehr und Polizei im Raum Fulda (u.l.). Zugleich würdigt er das Engagement der GKS, mit ihrer Akademie zur ethischen Fundierung des Soldatenberufes wesentlich beizutragen. Der Bundesvorsitzende der GKS, Oberstleutnant Paul Brochhagen, dankte dem Schirmherrn der Akademie der Jahre 2001-2005, Gene- ralleutnant Karl-Heinz Lather. Für seinen dauerhaft beispielhaften Ein- satz im Laienapostolat der Katholischen Militärseelsorge überreichte er dem General das Große Kreuz der GKS als selten verliehene Aus- zeichnung (Foto o.r.). Nach 18 Jahren und 10. Seminaren gab der Ehrenbundesvorsitzende Oberstleutnant a.D. Paul Schulz die Leitung der Akademie an den

Bundesvorstand zurück. Als äußeres Zeichen übergab er dazu die Sitzungs- glocke dem Bundesvorsitzenden, der sie an den Nachfolger und Ehrenbundes- vorsitzenden Oberst a.D. Dipl.-Ing. Karl-Jürgen Klein mit der Beauftragung, die Akademie zu leiten, weiterreichte. Die Sitzungsglocke ist eine Miniatur der großen „Pummerin“ aus dem Geläut des Wiener Stephansdomes; sie ist ein Geschenk der AKS (Arbeitsgemein- schaft Katholischer Soldaten) Öster- reichs zum 25-jährigen Jubiläum des AMI im Jahr 1990.

AUFTRAG 261 33 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ Empfang des Militärgeneralvikars Übergabe von Schirmherrschaft und Akademieleitung eneralleutnant Lather (l.), der hier seinem Nachfolger gratuliert, ist zu danken, dass er wiederum einen hoch- Grangigen und einflussreichen Soldaten für die Schirmherr- schaft der Akademie gewonnen hat. Generalmajor Korte betonte in einer kurzen Ansprache, er habe in seinem bisherigen Dienst viel Gutes von der Militärseelsorge empfangen und hoffe durch die

Schirmherrschaft für die Akademie nun etwas davon zurückgeben zu können. Unvermeidlich war der Fototermin vor der Fahne der GKS für die Analen (in Kurzfassung v.l.: Schulz, Korte, Klein, Wakenhut, Lather u. Brochhagen). Umso wohltuender dann das entspannte Ge- spräch bei Bier und Wein (Foto u.). Umrahmt wurde die Feierstunde von einem Streichquartet vom Musikkorps der Bw in Siegburg (o.r.). Der frühere Geistliche Beirat der GKS, MD a.D. Prä- lat Walter Theis (u.r.) war eine treibende Kraft bei der Gründung der Akademie, die er von 1987 bis 1999 begleitete hat- te. Neben ihm OTL a.D. Helmut Jermer, der als Pressesprecher der GKS an allen zehn Seminaren teilgenommen hat.

34 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ Europa und andere sicherheitspolitische Akteure

ür das Thema „Europa und andere sicherheitspolitische Akteure“ wurde Prof. Dr. phil. Peter Schmidt gewonnen. Er ist Mitglied der FForschungsgruppe EU-Außenbeziehungen des SWP*. Die Forschungsgruppe EU-Außenbeziehungen befasst sich mit folgenden Politikfeldern: · Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, · Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik, · Beziehungen zu internationalen Organisationen und Regionalgruppen, · Handels- und Entwicklungspolitik der EU, · Westlicher Balkan. land, EU und Vereinte Nationen), in Ihre aktuellen Schwerpunkte sind die UN-EU-Beziehungen. der Krisenregion Sudan ist die Grup- pe der Akteure wiederum anders zu- VON PETER SCHMIDT sammengesetzt, auch wenn in allen Fällen wichtige EU-Staaten bzw. die I. Einleitung EU als Organisation, Russland sowie die Vereinigten Staaten im Krisen- m Folgenden wird zunächst ver- Im Anschluss daran wird die Zu- management in der einen oder ande- Isucht, einige grundlegende Struk- sammenarbeit zwischen EU und ren Form beteiligt sind. Dies stellt turmerkmale der neuen sicherheits- NATO sowie EU und Vereinte Natio- die EU vor eine große Herausforde- politischen Situation nach dem Zu- nen (VN) näher beleuchtet. Die Be- rung: Sie muss ihre Rolle jeweils neu sammenbruch des kommunistischen deutung dieser Schwerpunktsetzung bestimmen und mit anderen Part- Blocks mit Blick auf die Außen- und liegt darin, dass der „neue Multilate- nern, wie z.B. die Vereinigten Staa- Sicherheitspolitik der EU, aber auch ralismus über die Zusammenarbeit ten, koordinieren. Sicherheitspolitik anderer sicherheitspolitischer Ak- von Gruppen von Nationen in einer steckt, so könnte man sagen, in einer teure zu skizzieren. Dies geschieht in sicherheitspolitischen Organisation Komplexitätsfalle. Dies betrifft so- Form von vier Thesen. Mit ihnen wird hinausgeht. Vielmehr wird eine Zu- wohl die politische als auch die mili- beabsichtigt, einige Spezifika der sammenarbeit von Internationalen tärische Ebene. neuen strategischen Verhältnisse, Organisationen angestrebt, die in der denen sich die EU, aber auch die an- Atlantischen Allianz als ein System These 2: Die EU als revisionis- deren sicherheitspolitischen Akteure sich „gegenseitig verstärkender tische Macht gegenübersehen, näher zu beleuch- Sicherheitsinstitutionen“ bezeichnet Eine weitere Komplikation für ten. Im vorgegebenen Rahmen kann wird. Diese Bezeichnung stellt je- die internationale Sicherheitspolitik das keine umfassende Analyse sein, doch eine politische Wertung dar, und die Rolle spezifischer Akteure sondern nur Hinweise auf einige die die Realität nur partiell wider- ist, dass die Machtbeziehungen nicht wichtige Rahmenbedingungen geben. spiegelt. stabil sind. Vielmehr tritt die EU z.B. in den Beziehungen zu den USA als revisionistische Macht auf, auch II. Strukturmerkmale der neuen sicherheitspolitischen Situation wenn sie ihre Kräfte aufgrund der Er- weiterung der Union und der inter- These 1: Moderne Krisen sind beantworten lässt. Jede Krise hat nen Strukturprobleme vornehmlich – „Unikate“ eine spezifische Konstellation, eine wenn auch keinesfalls ausschließlich Heutzutage ist es kein Großkon- jeweils eigene Gemengelage von – auf das unmittelbare Umfeld der flikt, der für die internationale Poli- möglichen Gewalt- und Konfliktfor- Union und die „innenpolitische“ tik strukturbestimmend ist. Vielmehr men, die jeweils eigene Konstellatio- Umstrukturierung konzentriert bzw. sind die verschiedenen Krisen quasi nen von Akteuren auf den Plan rufen. konzentrieren muss. Die besondere Unikate, für die sich keine flächen- Typischerweise hatte die Bosnien- Betonung des Begriffs des „effekti- deckende, allgemeingültige Strategie Kontaktgruppe eine andere Struktur ven Multilateralismus“ als Gegen- festlegen lässt. Dieses Merkmal der als das Nahostquartett (USA, Russ- begriff zur Wahrnehmung der ameri- modernen strategischen Verhältnisse führt dazu, dass sich die Frage nach * Das „Deutsche Institut für Internationale Politik und Sicherheit“ der Stiftung Wissenschaft einer politischen und militärischen und Politik (SWP) ist eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung, die auf der Grundla- Strategie für die EU und andere Ak- ge eigener, praxisbezogener Forschung den Deutschen und die Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik berät. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter teure nicht generell, sondern nur der SWP tragen durch Analysen und Veröffentlichungen sowie ihre Mitwirkung an nationa- spezifisch, anhand konkreter Krisen len wie internationalen Fachdialogen zur Meinungsbildung in ihrem Arbeitsgebiet bei.

AUFTRAG 261 35 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ kanischen Politik als „unilateralis- angewiesen. Die EU stellt aufgrund die Nationalstaaten verfügen. Die EU tisch“, die Fokussierung von EU- ihres Potentials prinzipiell einen stellt deshalb die Vereinten Nationen Gipfeltreffen der EU mit anderen Re- sehr wichtigen Partner dar. Auch (VN) in den Mittelpunkt ihrer Strate- gionen und Staaten auf diesen hier gilt das „Gesetz des Wiederse- gie des „effektiven Multilateralis- Gegenbegriff zur amerikanischen Po- hens“ (Niklas Luhman), d.h. ein ko- mus“. Die VN verfügen jedoch im litik sowie der Versuch, die Bezie- operatives Verhalten der Vereinig- Verhältnis zu den weltpolitischen hungen zu den Vereinten Nationen ten Staaten zahlt sich längerfristig Problemen nur über beschränkte systematisch zu stärken, tragen diese auch positiv für Washington aus. Mittel, um wichtige Krisen anzuge- revisionistische Handschrift. Der • Der amerikanischen Öffentlichkeit hen. Vor allem bei anspruchsvollen Versuch eine eigene, europäische fehlt im Prinzip die politische Ge- Operationen bleiben sie von den „strategische Kultur“ in Abgrenzung duld und der imperiale Impuls, um Streitkräften der großen Staaten, von der amerikanischen zu schaffen, eine in vielerlei Hinsicht kosten- insbesondere der Vereinigten Staa- ist ein weiterer Hinweis, sowohl auf trächtige Außen- und Sicherheits- ten, abhängig. die Abgrenzungsabsichten gegenü- politik langfristig ohne eine ber Amerika als auch Ausdruck des möglichst breite weltpolitische Un- These 4: Bipolarisierung der Versuchs Gegenkräfte gegen die terstützung, vor allem von Seiten transatlantischen Bezie- amerikanische Politik zu mobilisie- der Europäer, zu akzeptieren. hungen als Problem ren. Man kann sogar Anzeichen dafür • Die in jüngerer Zeit zu beobach- Eine wesentliche Frage der inter- erkennen, dass eine amerikakriti- tende Fokussierung der amerika- nationalen Sicherheitspolitik ist, wie sche Sichtweise Teil des – derzeit nischen außenpolitischen Rhetorik die alten Partner Europa und Ameri- allerdings in Schwierigkeiten ste- auf eine Liberalisierung und De- ka ihre Zusammenarbeit weiterent- ckenden – Integrationsprozesses ge- mokratisierung diktatorisch bzw. wickeln. Eigentlich haben die Euro- worden ist. Dies schließt natürlich autoritär geführter Regime ist päische Union und die Vereinigten Kooperation, ja Partnerschaft mit den letztlich Ausdruck dieser im letz- Staaten in den grundsätzlichen Fra- USA nicht aus, ja sie ist sogar ten Punkt beschriebenen Lage. Sie gen eine gemeinsame Interessenlage: durchaus gewünscht. Die Partner- kann als Versuch verstanden wer- Es geht um funktionsfähige und welt- schaft soll jedoch eine „Partnerschaft den, durch Demokratisierung eine offene Märkte, um Zugang zu Roh- unter Gleichen“ sein, in der die Eu- Reihe krisengeschüttelter Regio- stoffen, regionale Stabilität und – so- ropäer sich quasi „auf Augenhöhe“ nen in stabileres Fahrwasser zu weit möglich – Demokratisierung au- mit Washington auseinandersetzen. bringen, damit stabilere internati- toritärer und diktatorischer Staaten. Eine solche Politik der Machtverän- onale Beziehungen zu etablieren Auch wenn die Vereinigten Staaten derung durch die Europäer kompli- und schließlich die amerikanische aufgrund ihres Streitkräftepotentials ziert natürlich die transatlantischen Außen- und Sicherheitspolitik zu stärker als die Union auf militärische Beziehungen und kann in Washing- entlasten. Erste Wirkungen, die Lösungen setzen, ruhen die trans- ton nur dann ohne Widerstand ak- allerdings keinesfalls eine Erfolgs- atlantischen Beziehungen also auf ei- zeptiert werden, wenn die Europäer garantie darstellen, lassen sich z.B. nem gemeinsamen Fundament. Leistungen erbringen, die im ge- im Libanon, in Ägypten sowie in Neben dem oben erwähnten meinsamen Interesse liegen. Saudi-Arabien feststellen. Anti-Amerikanismus als identitäts- Die USA zeigen dagegen – und Zieht man die Abgrenzungs- stiftendem Element muss man aller- das ist nicht nur für die europäisch- tendenzen der EU gegenüber Ameri- dings Zweifel haben, ob die von euro- amerikanische Zusammenarbeit, ka, wie sie sich z.B. auch in der jüng- päischer Seite vielfach geforderte sondern auch für die NATO von Be- sten Weigerung Frankreichs zeigten, Transformation der transatlantischen deutung – in jüngerer Zeit ein koope- Unterstützungsleistungen für die Beziehungen in ein bipolares EU- rativeres Verhalten gegenüber der Afrikanische Union im Rahmen der USA-System, die Beziehungen auf EU, ohne dass jedoch davon ausge- Atlantischen Allianz zu unterneh- neue, feste Grundlagen stellt. gangen werden kann, dass der Impe- men, so hat die Vermutung eine ge- Als Gründe kann man folgende tus zu einer unilateralistischen Poli- wisse Plausibilität, dass mittelfristig Punkte anführen: tik völlig verschwunden ist. Es lässt die Kooperationsbereitschaft auf eu- • Die europäische sicherheitspoliti- sich jedoch nicht übersehen, dass ropäischer Seite sinkt, während sie sche Kultur entwickelt sich in Ab- Washington sich nach dem Krieg ge- auf amerikanischer Seite steigt. grenzung zur amerikanischen. Die gen Saddam Hussein der eigenen, zentralen Begriffe der ESS: „effek- machtpolitischen Beschränkungen These 3: Internationale Organi- tiver Multilateralismus“ sowie bewusster geworden ist, was auf eine sationen als Akteure „präventives Engagement“ sind, Reihe von strukturellen Faktoren zu- Ein wesentliches Problem mo- wie oben erwähnt, Konzepte, die rückzuführen ist: derner Sicherheitspolitik ist darüber sich bewusst von amerikanischen • Auch die amerikanische Außen- hinaus, dass der Charakter vieler Vorstellungen abgrenzen. und Sicherheitspolitik verfügt nur Probleme bzw. Krisen transnational • Die EU entwickelt ihr ökonomi- über beschränkte Ressourcen. ist und versucht wird sie im Rahmen sches und technologisches Potenti- Überall dort, wo es darum geht, von Internationalen Organisationen al in Rivalität zu den Vereinigten Regionen zu stabilisieren bzw. re- zu bewältigen, über die Mittel zum Staaten. Man kann vermuten, dass gionale Konflikte zu lösen, bleiben Krisenmanagement jedoch vielfach – sich diese Rivalität in einer bipola- die Vereinigten Staaten auf Partner vor allem auf militärischem Gebiet – ren Struktur auch auf die Sicher-

36 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

Trotz der anspruchsvollen Vorträge mit ihrer großen Informationsdichte bleibt auch Zeit für unbeschwerten Gedankenaustausch und Miteinander der Teilnehmer.

heitspolitik ausdehnt. Die Ausein- auf einem andersetzungen zwischen EU und Gebiet die NATO um die Frage, wer die Afri- Zusammenar- kanische Union bei ihrem Peace- beit in keeping-Einsatz in Darfur unter- anderen stützt, ist ein Anzeichen für diesen erschwert. Faktor. • Bipolare • Organisationstheorien verweisen Strukturen regelmäßig darauf, dass bipolare machen Allianzen weniger stabil sind als notwendiger- Allianzen mit einer Führungs- weise die macht. Frage, wer • Die komplizierte Entscheidungs- denn die struktur der EU gestaltet die Koo- Führung hat zu einem Dauerpro- • Die Mitgliedstaaten in der NATO – perationsprozesse mit den Verei- blem. aber auch in GASP/ESVP – sind nigten Staaten schwierig, da ein Insofern bin ich skeptisch, dass nach wie vor die tragenden Pfeiler EU-intern erreichter Kompromiss die erkennbaren Tendenzen zu ei- der Entscheidungsprozesse. Da- nur schwer in Verhandlungen zur nem bipolaren transatlantischen Ver- durch entsteht eine paradoxe Situ- Disposition gestellt werden kann. hältnis die Beziehungen tatsächlich ation: Einerseits kooperieren die • In einer bipolaren Struktur besteht – wie vielfach angenommen – die Si- Mitgliedstaaten der EU – soweit sie die Gefahr, dass die Konflikte dif- tuation im transatlantischen Verhält- zugleich Allianzmitglieder sind – fundieren, d.h., dass ein Konflikt nis verbessern. in den gemeinsamen Gremien von EU und NATO gewissermaßen mit sich selbst, andererseits treten sie III. NATO und EU: Auf dem Weg zu einer sich – vermittelt über die Instituti- strategischen Partnerschaft? onen und Einrichtungen von NATO und EU – als getrennte Akteure ge- 1. Gemeinsamkeiten und „strategischen Partnerschaft“ hat.1 genüber. Die Tatsache, dass nur Unterschiede Dabei darf nicht übersehen wer- sechs der 25 EU-Mitglieder nicht ie Irak-Krise zog sowohl für die den, dass es sich bei NATO und gleichzeitig der Allianz angehören DNATO als auch für die EU er- EU sowohl mit Blick auf die inter- und nur fünf europäische NATO- hebliche interne Spannungen nach ne Struktur als auch die Fähigkei- Staaten nicht in der EU sind,3 kann sich. Dies hinderte beide Organisati- ten um ungleiche Organisationen zwar einerseits als verbindendes onen nicht daran, weit reichende Be- handelt und sich hinter der Ab- Element betrachtet werden, das schlüsse für die weitere Entwicklung sicht, eine „strategische Partner- Konkurrenzkonflikte abzumildern der jeweiligen Organisation zu tref- schaft“ zu etablieren, durchaus pa- hilft, andererseits fördert die Exis- fen und die bereits 2002 vereinbarte radoxe Züge vermerken lassen: tenz der EU eine bilaterale EU- Zusammenarbeit – zumindest formell • Hinsichtlich der internen Struktur USA-Beziehung, deren Verknüpfung – fortzusetzen und auszubauen: sind NATO und EU unterschied- mit der Zusammenarbeit in der Al- • Die NATO entwickelte zum Bei- lich organisiert: Die EU ist im lianz schwierige Koordinations- spiel mit den Prager Beschlüssen vergemeinschafteten Teil der Euro- und Kompetenzfragen aufwirft. kurz vor dem Irak-Krieg das Strate- päischen Gemeinschaften (EG) gische Konzept des Bündnisses aus eine supranationale Einrichtung Ein so vielschichtiges Projekt dem Jahre 1999 fort und konkreti- und praktiziert ein System rotieren- wie das der „strategischen Partner- sierte es durch den Beschluss, eine der Präsidentschaften, die NATO schaft“4 zwischen EU und NATO schnelle Eingreiftruppe (NATO Re- stellt indessen ein rein zwischen- bringt in einem solchen Kontext sponse Force, NRF) aufzustellen; staatlich organisiertes Bündnis mit zwangsläufig Unstimmigkeiten und • der EU-Rat verabschiedete im De- einem Generalsekretär dar.2 Schwierigkeiten mit sich. Um vor zember 2003 in Brüssel mit der • Hinsichtlich der Fähigkeiten handelt diesem Hintergrund die Reichweite Ausarbeitung: „Ein sicheres Euro- es sich bei der Allianz im Kern um und Grenzen der Zusammenarbeit pa in einer besseren Welt“ eine Art eine Militärorganisation, während abzuschätzen, sollen im Folgenden sicherheitspolitisches Leitbild der die EU als Ganzes über ein – zunächst (2.) der Fundus an gemein- EU; schon ein Jahr zuvor konnten allerdings in komplexer Weise auf samen Bedrohungsvorstellungen, sich EU und NATO auf ein die drei Pfeiler: GASP/ESVP, EG/ Strategien und Konzepten und an- Rahmenpapier für das NATO-EU- Euratom, polizeiliche und justizielle schließend (3.) die Themen und Pra- Verhältnis einigen, dessen Credo Zusammenarbeit verteiltes – politi- xis der Zusammenarbeit analysiert lautet, dass das Verhältnis von sches, ökonomisches und diploma- werden. Ersteres geschieht anhand NATO und EU den Charakter einer tisches Kompetenzspektrum verfügt. der zentralen Dokumente beider Or-

AUFTRAG 261 37 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ ganisationen zu diesen Fragen: dem Strategiedokumente, die nur zum dem Warschauer Pakt vor. Dies war Strategischen Konzept der Allianz Teil in den größeren Zusammen- möglich, weil man einem identifizier- vom Jahre 1999 und dessen Fortent- hang von NATO und EU einflie- baren Gegner mit einem grundsätz- wicklung auf dem Prager Gipfel vom ßen. So ist zum Beispiel sowohl in lich bekannten Potential gegenüber Dezember 2002 sowie der so genann- der amerikanischen National Secu- stand. Im Kontext der neuen, vielfäl- ten Europäischen Sicherheits- rity Strategy als auch im entspre- tigen und vielgestaltigen Bedrohun- strategie (ESS), die im Dezember chenden französischen Dokument gen fehlt diese Klarheit. In dieser Si- 2003 vom Europäischen Rat verab- davon die Rede, dass es in be- tuation können sich NATO und EU/ schiedet wurde. Letzteres analysiert stimmten Fällen notwendig sein ESVP nur mit generischen Planun- die Entwicklung der Konsultations- kann, einer Gefahr präemptiv mit gen auf mögliche Operationen ein- und Kooperationsbeschlüsse, wie sie militärischen Mitteln zu begegnen: stellen. Jeder Krisenfall, der den auf dem EU-Gipfel von Nizza gefasst Sowohl im Strategischen Konzept Einsatz von Streitkräften erfordern worden sind. der Allianz als auch in der ESS könnte, hat einen eigenen Charakter sind keine eindeutigen Aussagen und erfordert jeweils eigene Anstren- 2. Bedrohungsvorstellungen, zu einer solchen Vorgehensweise gungen, um zu einem gemeinsamen Strategien und Konzepte zu finden. politischen und militärischen Kon- • Weiterhin unterscheiden sich das zept zu kommen. Die Beispiele Af- 2.1 Zum Charakter der NATO-Konzept und das EU-Papier ghanistan, Bosnien-Herzegowina, Strategiedokumente sowohl im Umfang als auch in der Kosovo und Irak bieten dazu ausrei- Weder das Strategische Konzept Intensität der Vorbereitung5 sowie chendes Anschauungsmaterial. der NATO aus dem Jahre 1999 noch Breite und Tiefe der Argumentati- Wenn in der grundsätzlichen Vorbe- seine Weiterentwicklung auf dem on, so dass sie nicht einfach gleich- reitung Gemeinsamkeiten bestehen, Prager Gipfel 2002 oder das im De- zusetzen sind. dann sind die Voraussetzungen für zember 2003 verabschiedete EU-Pa- • Schließlich ist festzuhalten, dass gemeinsames Handeln in konkreten pier sind umfassende Strategiepapie- ähnliche oder gar deckungsgleiche Situationen zwar besser als bei vor- re, die fest umrissene Anhaltspunkte allgemeine Bedrohungsvorstellun- herrschenden Divergenzen, doch ein für die von den Mitgliedstaaten ge- gen, Strategien und Konzepte keine gemeinsamer Pool von Vorstellungen teilten Bedrohungen und Risiken, Gewähr für gemeinsames Handeln und Konzepten stellt nur eine not- Strategien, Konzepte und Vorgaben in konkreten Situationen darstel- wendige, aber keine hinreichende für das Verhalten in konkreten Situa- len. Dies kann schon aufgrund der Voraussetzung für gemeinsames tionen liefern. Sie lassen sich eher teilweise abstrakt gehaltenen Aus- Handeln mehr dar. Es muss die Be- als Leitbilder beschreiben, die zwar sagen nicht der Fall sein. Zwar reitschaft hinzukommen, in konkre- einige strategische Elemente enthal- kann man auch in dieser Hinsicht ten Krisensituationen ein gemeinsam ten, jedoch im Wesentlichen ledig- die Voraussetzungen für gemeinsa- abgestimmtes Vorgehen zu vereinba- lich dafür geeignet sind, bestimmte mes Handeln verbessern, den poli- ren. Beide Organisationen agieren Aktivitäten zu bündeln. Darüber hin- tischen Prozess der Konsens- damit in einem im Vergleich zur Zeit aus bleibt Folgendes festzuhalten: bildung in konkreten Krisenfällen der Blockkonfrontation komplexer • Ein wichtiger Zweck der ESS war jedoch keinesfalls vollständig vor- gewordenen Umfeld. es, politische Gemeinsamkeit zu wegnehmen. Mögliche Gemeinsamkeiten und demonstrieren und weniger die Or- Trotz dieser Einschränkungen Unterschiede von EU und NATO las- ganisation auf konkretes Handeln gehen wir davon aus, dass die beiden sen sich an einer Reihe von Faktoren in Krisensituation vorzubereiten. verabschiedeten Papiere Hinweise festmachen: Weite Teile des Dokuments haben und Anhaltspunkte für Gemeinsam- (1) an der Wahrnehmung der prinzi- Appellcharakter: Die Mitglieds- keiten und Unterschiede enthalten, piellen Bedrohungen und Risi- staaten werden zu größerer Ge- die sich aus der unterschiedlichen ken, gegen die man sich wapp- schlossenheit und zu einer „robus- Mitgliedschaft, der jeweiligen Ge- nen muss, ten“ Außen- und Sicherheitspolitik schichte sowie den ungleichen Kom- (2) an der Frage möglicher geogra- aufgerufen. Ähnliches gilt für das petenzen und Ressourcen der beiden phischer Beschränkungen eines Strategische Konzept der Allianz, Organisationen ergeben, die die Zu- Militäreinsatzes, das vor allem den Rahmen für mili- sammenarbeit erschweren oder er- (3) an der – völkerrechtlich und po- tärisches Handeln beschreibt, die leichtern können. litisch äußerst umstrittenen – Allianz in das sicherheitspolitische Frage militärischer Präemption, Institutionengefüge einordnet und 2.2 Die neue strategische (4) an der prinzipiellen Bereitschaft, die Mitgliedsstaaten auffordert, Lage: Konsequenzen für die nur im multilateralen Rahmen ihre Streitkräfte den modernen Er- Zusammenarbeit von EU oder auch unilateral zu handeln, fordernissen anzupassen. und NATO (5) an den grundsätzlichen politi- • Zugleich beschreiben diese Doku- Zu Zeiten des Kalten Krieges schen Strukturvorstellungen, die mente nur einen Teil der Wirklich- schuf die Allianz nicht nur Mecha- mit einem möglichen Militär- keit. Sowohl in der NATO als auch nismen für die Zusammenarbeit der einsatz beabsichtigt sind und der EU bestehen neben den ge- Allianzpartner im Krisenfall, sondern (6) an den Zwecken, die mit der Er- meinsamen Konzepten mehr oder bereitete sich durch konkrete militä- weiterung beider Organisationen weniger ausgearbeitete nationale rische Planung auf einen Krieg mit primär verfolgt werden.

38 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

2.2.1 Bedrohungen und kann. Jede dieser Bedrohungen er- Beim Krieg gegen Jugoslawien Risiken fordere eine Kombination von Instru- hat die Allianz ohne Beschluss des In Bezug auf die ESS lässt sich menten. Dagegen wird der NATO oft Sicherheitsrates mit der selbstlegiti- feststellen, dass sie den Blick auf unterstellt, dass sie nicht wie die EU matorischen Formel einer „humani- existierende und mögliche Bedro- einen breiten, sondern (zwangsläu- tären Intervention“ militärisch ein- hungen wie Terrorismus, Verbreitung fig) einen engen, auf das Militärische gegriffen. Allerdings ist dies kein von Massenvernichtungswaffen, regi- beschränkten Sicherheitsansatz pfle- ausreichender Grund, der NATO onale Konflikte, Scheitern von Staa- ge. Tatsächlich betont die NATO je- deswegen eine stärkere Neigung zu ten, organisierte Kriminalität, aber doch das Gegenteil: „Das Bündnis solchen Interventionen als der EU zu auch auf die Energieabhängigkeit ist einem breit angelegten sicher- unterstellen: Immerhin stimmten Europas lenkt. Zieht man noch die heitspolitischen Ansatz verpflichtet, damals alle NATO-Mitgliedstaaten, Aussage heran, dass Terrorismus der die Bedeutung politischer, wirt- die gleichzeitig der EU angehörten, eine „zunehmende strategische Be- schaftlicher, sozialer und umwelt- dieser Operation zu. Zwar gibt es in drohung“ darstelle, so sind erstaunli- politischer Faktoren neben der un- der EU eine Gruppe ehemals neutra- che Parallelen zu der Bedrohungs- verzichtbaren Verteidigungsdimen- ler Staaten, die der Allianz nicht an- und Risikoanalyse der NATO auszu- sion anerkennt.“6 Der wesentliche gehören und stärker als andere auf machen. Eine Ausnahme stellt der Unterschied zwischen EU und NATO die völkerrechtliche Legitimation mi- Hinweis auf die Energieabhängigkeit besteht also nicht im Sicherheits- litärischer Operationen achten, so dar, der sich in den NATO-Doku- begriff, sondern in der organisatori- dass man in der EU einen größeren menten nicht finden lässt. Dies darf schen Umsetzung des von beiden Or- Skeptizismus gegenüber solchen Ak- man jedoch nicht als wesentlichen ganisationen geteilten, breiten Ver- tionen vermuten muss,8 doch es wäre Unterschied interpretieren, sondern ständnisses von Sicherheitspolitik in falsch, von einer grundsätzlichen Di- muss dies als ein Überbleibsel einer einem multilateral angelegten vergenz zwischen EU und NATO in Haltung betrachten, die vermeiden Sicherheitssystem. dieser Frage auszugehen. wollte, die NATO als eine (potenzi- In einem gewissen Spannungs- ell) global handelnde Organisation Multilateralismus verhältnis zur Forderung der EU, ei- anzusehen, die auch für die Sicher- Die Allianz hat sich, wie die EU, nen „effektiven Multilateralismus“ heit der Energieversorgung – insbe- einem funktionierenden Multilatera- zu pflegen, steht der Anspruch, poli- sondere mit Öl – zuständig ist. lismus verschrieben. Für das Bünd- tisch autonom handeln zu können. Allerdings sind die Bedrohungen nis ist dieser Multilateralismus in Denn dieser macht deutlich, dass die so heterogen und vielfältig, dass es Form der Zusammenarbeit mit ande- Union sich gegenüber anderen Inter- schwierig ist, sie in eine kohärente ren Organisationen Teil der umfas- nationalen Organisationen möglichst Bedrohungs- und Risikoanalyse mit senden Vorstellung eines Systems unabhängig machen will. Dies schließt einer identifizierbaren Prioritäten- der interlocking institutions, die sich Zusammenarbeit mit und Rückgriff ordnung umzusetzen. Diese Hetero- zwangsläufig aus dem breiten Sicher- auf die Organisation und Ressourcen genität schafft – trotz prinzipieller heitsbegriff und der militärischen der Allianz nicht aus. Im Gegenteil, Gemeinsamkeit – zwangsläufig viel- Kernaufgabe der Allianz ergibt: „Un- zumindest heute gilt, dass der Rück- fältige Möglichkeiten für unter- ser gemeinsames Ziel ist es, eine eu- griff der EU auf NATO-Ressourcen schiedliche Schwerpunktsetzungen ropäische Sicherheitsarchitektur auf- gemäß den so genannten Berlin-plus- und Prioritäten. Trotzdem kann man zubauen, in deren Rahmen der Bei- Vereinbarungen für die meisten Mit- sagen, dass die verwandte Perzeption trag des Bündnisses zu Sicherheit gliedstaaten vor allem bei gewichti- von Bedrohungen und Risiken und Stabilität des euro-atlantischen geren Operationen die bevorzugte durchaus eine Grundlage bildet, auf Raums und der Beitrag dieser ande- Option darstellt.9 die sich eine „strategische Partner- ren internationalen Organisationen Festzustellen ist jedoch, dass die schaft“ stützen kann. Wichtiger ist einander ergänzen und gegenseitig Union sich gegenüber der Allianz zu- jedoch die Frage, ob in beiden Orga- verstärken, sowohl bei der Vertiefung nehmend mit dem Argument profi- nisationen auch der Umgang mit die- der Beziehungen zwischen den euro- liert, sie sei aufgrund ihrer breiten sen Bedrohungen und Risiken auf atlantischen Staaten und bei der Be- Fähigkeitspalette für die modernen eine ähnliche, identische oder unter- wältigung von Krisen.“7 Das Engage- Sicherheitsgefahren besser gewapp- schiedliche Weise vorbereitet wird. ment der Allianz auf dem Balkan, wo net als die NATO, was deutlich die Allianz vor allem mit den Verein- macht, dass das Verhältnis nicht nur 2.2.2 Sicherheitspolitisches ten Nationen, der OSZE und der EU kooperative, sondern auch kompetiti- Leitbild zusammenarbeitet, ist ein Beispiel ve Züge trägt. Offensichtlich wird für dieses Konzept. Die Unterschiede dies in der Funktionsbeschreibung Sicherheitsbegriff zur EU sind auf diesem Gebiet ge- der Allianz in der ESS. Dort wird vor In der ESS wird hervorgehoben, ring. Allerdings hebt die Union etwas allem die Nützlichkeit des Bündnis- dass im Gegensatz zu der massiv er- stärker als die NATO die normative ses im Rahmen der Berlin-plus-Ver- kennbaren Bedrohung zur Zeit des Zielvorstellung eines „wirksamen einbarungen, also als Werkzeug- Kalten Krieges keine der neuen Be- Multilateralismus“ und die zentrale kasten der ESVP, hervorgehoben. Da drohungen rein militärischer Natur Verantwortung des Sicherheitsrates dies jedoch nur mit Zustimmung der sei und auch nicht mit rein militäri- für den Weltfrieden und die Weiter- NATO geschehen kann, bleibt die schen Mitteln bewältigt werden entwicklung des Völkerrechts hervor. EU auf die Partnerschaft der Allianz

AUFTRAG 261 39 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ bei Berlin-plus-Operationen ange- NATO-Unterscheidung in area und politische Konkurrenz lässt, wie die wiesen. Allerdings ist die EU auf- out of area ist, wie in der Praxis des jüngsten Auseinandersetzungen um grund ihrer breiteren Fähigkeits- Afghanistan-Einsatzes belegt, zu den die Frage, ob die Allianz oder die palette tendenziell in der Lage, die Akten gelegt worden. Die Prager ESVP die Operation der Afrikani- NATO dort zurückzudrängen und Gipfelerklärung (Dezember 2002) schen Union in Darfur unterstützt, teilweise zu ersetzen, wo der Konflikt stellt dazu lapidar fest: „Um das vol- belegt.14 mit dem militärischen Potential der le Spektrum ihrer Aufgaben zu erfül- Union zu bewältigen ist (siehe die len, muss die NATO in der Lage sein, 2.2.4 Vorbeugendes Handeln Beispiele Mazedonien und Bosnien- Streitkräfte einzusetzen, die schnell und militärische Präemption Herzegowina). dorthin verlegt werden können, wo Der präemptive Gebrauch militä- sie nach Entscheidung durch den rischer Macht ohne Zustimmung des Darüber hinaus besteht für die Nordatlantikrat benötigt werden und Sicherheitsrates ist sowohl von der EU ein Zwang zur Partnerschaft mit die Fähigkeit besitzen, Operationen EU als auch von der NATO nicht ex- der Allianz vor allem in den Fällen, über Zeit und Raum zu führen [...] plizit vorgesehen. Die Diskussion um • wo das größere militärische Poten- und ihre Ziele zu erreichen.“ Der das Solana-Papier zeigte jedoch, dass tial der Allianz ins Spiel kommt ESVP waren von Anfang an keine in der EU gegenüber jeder Form mi- und der militärischen Herausfor- räumlichen Begrenzungen, wie ur- litärischer Präemption starke Beden- derung besser gerecht werden kann sprünglich der Allianz, auferlegt. ken bestehen. Dieser Begriff wird in als die in diesem Bereich (derzeit Dadurch, dass die EU die so genann- der ESS nur in einem nicht-militäri- noch) weniger leistungsfähige ten Petersberg-Aufgaben der West- schen Zusammenhang – in der For- ESVP; europäischen Union (WEU)11 über- mel: „vorbeugendes Engagement“ – • wo das Interesse am Erhalt der Al- nahm, übernahm sie auch die – po- benutzt. Allerdings muss man fest- lianz Kompromisse nahe legt, wie tenziell weltweiten – Krisenmanage- stellen, dass einzelne Mitgliedstaa- jüngst deutlich wurde, als der deut- mentaufgaben der WEU. ten beider Organisationen in ihren sche Verteidigungsminister sich Grenzen für den geographischen nationalen Strategiedokumenten un- bereit zeigte, dem Bündnis eine Einsatz der ESVP ergeben sich ter bestimmten Umständen auch ein Rolle im israelisch-palästinensi- lediglich aus den technischen Mög- präemptives militärisches Handeln schen Konflikt zuzugestehen, um lichkeiten und dem Umfang des Ein- vorsehen. Darüber hinaus kann man amerikanischen Interessen in der satzes. Während man bei der NATO feststellen, dass eine Art Wettlauf in Allianz entgegenzukommen,10 – vor allem aufgrund des Potentials der Reaktionszeit für Streitkräfte • wo gemeinsame, militärische Ope- der USA – keine geographischen zwischen NATO und EU entstanden rationen europäischer Staaten mit Grenzen für den Einsatz feststellen ist,15 der andeutet, dass man sowohl den USA die bevorzugte Operati- kann, gilt dies für die ESVP – was in der Allianz als auch in der ESVP onsform ist. das volle Spektrum der so genannten Gefahren auf sich zukommen sieht, Aufgrund dieser vermengten und Petersberg-Aufgaben angeht – vor al- die unter Umständen ein sehr wechselseitigen Abhängigkeiten be- lem aufgrund beschränkter Trans- schnelles Handeln erfordern. Ob in steht an und für sich ein starker portmöglichkeiten noch sehr be- allen Fällen in solchen Situationen Druck zur Zusammenarbeit und grenzt. Humanitäre Einsätze sind je- die Zeit dazu besteht, eine legitimie- „strategischen Partnerschaft“ der doch schon heute weltweit möglich. rende Sicherheitsratsresolution zu- beiden Organisationen. In der politi- Gemäß dem Headline Goal 2010 soll stande zu bringen, kann man schen Praxis muss sich dieses Erfor- allerdings eine weltweite Dislozie- durchaus bezweifeln. Somit lässt sich dernis jedoch nicht nur im kontinu- rung von Truppen möglich gemacht davon ausgehen, dass sowohl die ierlichen Geschäft, wie zum Beispiel werden.12 NATO als auch die ESVP Schwierig- bei der Abstimmung über Streitkräf- Langfristig werden somit nicht keiten haben, präemptive Militärope- teplanung, bewähren, sondern es nur die NATO, sondern auch die rationen als eine Handlungsmöglich- muss auch in jedem Krisenfall neu ESVP bei Einsätzen begrenzter Grö- keit zu akzeptieren, dass jedoch in bestimmt werden, welchen Beitrag ßenordnung über eine globale Reich- wichtigen Mitgliedsstaaten das Ver- zur Krisenbewältigung jede der bei- weite verfügen und es wird sich da- ständnis existiert, dass in Notfällen den Organisationen jeweils leisten mit die Abhängigkeit der ESVP von eine solche Vorgehensweise nötig muss, eine Aufgabe, die viel Spiel- der NATO vermindern. Die Grenze sein könnte. Der Entschluss, 1999 raum für Rivalitäten und Ab- setzen allerdings bisher noch die – im Falle Jugoslawiens präemptiv mi- stimmungsprobleme mit sich bringt. im Vergleich zur Allianz – sehr ein- litärisch zu intervenieren, um die geschränkten Führungsfähigkeiten weitere Vertreibung von Kosovaren 2.2.3 Geographische und zersplitterten Militärpotentiale zu verhindern, kann als ein Beleg für Reichweite der Verteidigung der EU für Militäroperationen.13 Bei diese Bereitschaft gelten. Eine prin- Nicht nur die EU, auch die Alli- einer Vielzahl von möglichen Einsät- zipielle Differenz zwischen NATO anz versteht sich prinzipiell als glo- zen begrenzten Umfangs wird sich je- und ESVP besteht bei diesem Thema baler Akteur, ohne dass damit doch in Zukunft die Frage stellen, nicht, obwohl beide Organisationen notwendigerweise ein Zwang zum welche Organisation für die militäri- erhebliche Probleme haben, einen Engagement in jeder Krise überall sche Operation verantwortlich zeich- Konsens für präemptive militärische auf der Welt bestünde. Die alte net – ein Tatbestand, der Raum für Operationen herzustellen.

40 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

2.2.5 Erweiterung als nen und die mögliche Abstimmung d.h. pro Halbjahr), doch durch die Stabilisierungsstrategie darüber, welche Organisation Maß- formale Notwendigkeit, für jedes ge- Die Allianz versteht ihren Er- nahmen ergreift. Weiterer wichtiger meinsame Treffen eine Tagesord- weiterungsprozess nicht als eine iso- Gegenstand der Konsultationen ist nung vorher festzulegen und lierte Maßnahme, sondern als in die der Rückgriff auf NATO-Ressourcen dadurch, dass keine Beschlüsse ge- Politik der anderen Sicherheitsinsti- für Planungen und Durchführung von fasst werden können, gelten die Zu- tutionen eingebunden. Insbesondere EU-Operationen, falls die EU diese sammenkünfte bei den Beteiligten die Erweiterung von EU und NATO nicht autonom durchführen will. Als als ziemlich unproduktiv. Das ist werden nicht in Konkurrenz zuein- drittes geht es um die Entwicklung auch deswegen nicht überraschend, ander, sondern als komplementäre europäischer militärischer Fähigkei- weil durch die weitgehende überlap- Prozesse betrachtet. Tatsächlich ten, die sich beide Organisationen pende Mitgliedschaft europäischer überlappen sich verschiedene Krite- zum Ziel gesetzt haben. Darüber hin- Staaten in beiden Organisationen ein rien, die, neben der Anpassung an aus haben beide Organisationen als Informations- und Meinungsaus- den jeweiligen spezifischen Entwick- Folge der Ereignisse vom 11. Sep- tausch zumindest für diejenigen lungsstand der Organisation, für den tember 2001 auch eine engere Zu- Staaten, die in beiden Organisatio- Erweiterungsprozess wesentlich wa- sammenarbeit in der Bekämpfung nen Mitglied sind, sehr unergiebig ren, wie: Demokratie und Menschen- des Terrorismus und der Verbreitung ist. Die Einlassungen anderer Staa- rechte, Minderheitenschutz und von Massenvernichtungswaffen zuge- ten, die nur einer Organisation ange- Funktionstüchtigkeit der Institutio- sagt. hören, beschränkten sich zumeist auf nen. Während bei der NATO natur- Stellungnahmen entlang bekannter gemäß auch militärische Leistungs- 3.1 Zum Charakter der Positionen.16 fähigkeit und Kompatibilität eine Zusammenarbeit Mit der Übernahme der ersten Rolle spielen, betont die EU daneben Die Grundsatzbeschlüsse zur militärischen EU-Operation Concor- insbesondere wirtschaftliche Kriteri- Konsultation und Kooperation zwi- dia als Nachfolge der NATO-Opera- en. Die ähnlichen Erweiterungs- schen EU und NATO, wie sie auf tion Allied Harmony in der vormals muster haben allerdings nicht dazu dem Gipfel in Nizza beschlossen jugoslawischen Republik Mazedoni- geführt, dass die Mitgliedschaft der wurden, sind sehr formal. Sie legen en wurde die Diskussion in den ge- Staaten in Zentral- und Südosteuropa die Mindestzahl gemeinsamer Tref- meinsamen Treffen intensiver, in Zukunft in beiden Organisationen fen auf Ministerebene, der ständigen ebenso in Vorbereitung der Übernah- deckungsgleich sein wird. Die Sche- Räte und der Militärausschüsse me der NATO-Operation SFOR in re der Mitgliedschaft hat sich mit der beider Organisationen fest, d.h. ein Bosnien-Herzegowina durch die EU- Erweiterung 2004 nicht geschlossen: Treffen pro Präsidentschaft in nor- Operation Althea. Ein wesentlicher Mit Zypern und Malta sind zusätzlich malen Zeiten und eine unbestimmte Einbruch erfolgte aber mit der EU- zwei – allerdings kleine – Länder nur Mehrzahl in Krisenzeiten. Ebenso Erweiterung im April 2004, konkret der EU, nicht aber der Allianz beige- sind Kontakte zwischen politischen durch die neue EU-Mitgliedschaft treten. Unter den neuen Nato-Mit- und militärischen Arbeitsgruppen von Zypern und Malta. Diese beiden gliedern ist für Rumänien und Bulga- und Stäben vorgesehen und Prozedu- Staaten haben bisher kein Sicher- rien eine EU-Mitgliedschaft erst für ren für den Rückgriff auf NATO-Mit- heitsabkommen17 mit der NATO un- das Jahr 2007 ins Auge gefasst; die tel und Fähigkeiten beschrieben. terzeichnet. Zumindest für Zypern ist europäischen Altmitglieder der Insbesondere auf Drängen Frank- ein solches Abkommen auch in naher NATO – Norwegen und die Türkei – reichs wurde dabei die Entschei- Zukunft nicht zu erwarten, da die bleiben, neben den nordamerikani- dungs-Autonomie der beiden Organi- Türkei, die (dem griechischen) Zy- schen Partnern, ebenfalls außerhalb sationen besonders unterstrichen. pern die Anerkennung als Staat der Union. Dies bedeutet, dass solche gemeinsa- weiterhin verweigert, dem nicht zu- Diese Divergenzen in der Mit- men Treffen ausschließlich dem In- stimmen wird. Als Folge sind Zypern gliedschaft werden allerdings sowohl formations- und Meinungsaustausch und Malta von den wichtigen Tages- seitens der EU als auch der Allianz dienen, mögliche resultierende Be- ordnungspunkten zu Althea oder durch Kooperationsregeln für Nicht- schlüsse und Entscheidungen aber auch zu militärischen Operationen mitglieder abgeschwächt. Spannun- nur getrennt in EU und NATO durch der NATO (z.B. ISAF in Afghanistan) gen, wie sie sich aus dem griechisch- die entsprechenden Gremien gefasst ausgeschlossen. Dies hat auch nega- türkischen Verhältnis oder dem der werden können. tive Konsequenzen für die gemeinsa- Türkei zum EU-Mitglied Zypern er- men Sitzungen der beiden Rats- geben, behalten allerdings weiterhin 3.2 Konsultation Arbeitsgruppen, die für die Vor- und ihre Wirkung, was die Zusammenar- In den praktischen Umsetzungen Nachbereitung der gemeinsamen beit beider Organisationen erheblich der Konsultationsvereinbarungen Ratssitzungen zuständig sind. erschwert. wurde diese Formalität stringent ein- Konsultationen zwischen EU und gehalten. Zwar hat sich die Zahl der NATO sollten alle Aspekte des Kri- 3. Themen und Praxis Treffen zwischen dem Politisch- senmanagements umfassen. Eine der Zusammenarbeit Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) Aufteilung der Tagesordnung, in der Wichtige Themen für die Zusam- der EU und dem Nordatlantikrat militärische Aspekte nur mit einer menarbeit sind zunächst die Krisen- inzwischen deutlich erhöht (in der EU-23, sonstige Aspekte mit der EU- entwicklungen in bestimmten Regio- Regel drei pro EU-Präsidentschaft, 25 diskutiert werden, stellt eine

AUFTRAG 261 41 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ deutliche Behinderung des ohnehin Tervuren den Kern eines EU-eige- Durchführung und schließlich die sehr formalen Mechanismus dar. Um nen, ständigen Hauptquartiers zur Beendigung der Operation am diesen Zustand zu überwinden, ist Planung und Führung von militäri- 15.12.2003 verlief ohne größere die Normalisierung des türkisch-zyp- schen EU-Operationen einzurichten, Schwierigkeiten in der Zusammenar- riotischen Verhältnisses notwendig. verursachte einen Aufschrei – beit der Organisationen. Nach ähnli- Allerdings ist dies erst in einer spä- insbesondere in den USA –, weil da- chem Muster erfolgte auch die Über- ten Phase der türkischen Beitritts- rin der Anfang der Duplizierung der nahme der SFOR durch die EU, die verhandlungen mit der EU zu erwar- NATO-Kommandostruktur gesehen in der Durchführung, schon wegen ten, die einige Jahre in Anspruch wurde. Insbesondere durch briti- der Größenordnung von etwa 7.000 nehmen werden. Es ist somit zu er- schen Einfluss wurde dieser Vor- Soldaten, eine wesentlich größere warten, dass die Zusammenarbeit schlag dann so umgewandelt, dass im Herausforderung darstellt. Die Kon- noch etliche Jahre mit diesem Manko EU-Militärstab eine kleine civil/ struktion der Kommandostruktur für zurechtkommen muss. military cell eingerichtet werden soll, diese Operation entspricht der von Treffen des Hohen Repräsentan- die im Bedarfsfall durch nationale Concordia. ten der GASP mit dem NATO-Gene- Verstärkungen zu einem operations Die Abstimmung und die Verfah- ralsekretär finden dagegen häufig center mit 90 Personen anwachsen ren zum Rückgriff auf NATO-Mittel statt. In der Pressekonferenz nach kann, um kleinere zivil-militärische gemäß Berlin-plus zu überprüfen, dem PSK/Nordatlantikrat-Treffen am oder militärische Einsätze von der war Inhalt der ersten und bisher ein- 21.03.04 erklärte der Hohe Reprä- maximalen Größenordnung der Ope- zigen gemeinsamen EU/NATO-Übung sentant für die GASP und Generalse- ration Artemis zu leiten.18 Gleichzei- im Krisenmanagement (Übung CMX/ kretär des Ministerrats Solana: „… tig – um die operative Zusammenar- CME 03). Beteiligt waren alle rele- we meet just about every other day.“ beit zwischen EU und NATO zu er- vanten Gremien und Stäbe sowie die Diese Treffen haben sicherlich einen leichtern – soll ein EU-Verbindungs- Delegationen aller Mitgliedsländer sehr hohen Wert für den Informa- element bei SHAPE (Supreme beider Organisationen. Ein Erkennt- tionsaustausch und die Abstimmung Headquarters Allied Powers Europe) nisgewinn war die Verbesserungs- von Vorhaben und Konzepten, auch und umgekehrt ein SHAPE-Element würdigkeit der Prozeduren und die wenn – oder vielleicht gerade weil – im EU-Militärstab eingerichtet wer- Notwendigkeit, in der EU die zivilen sie nicht in einem festen formalen den. Damit war die zum Teil heftige und militärischen Instrumente besser Rahmen stattfinden. Duplizierungsdebatte beendet und zu koordinieren. Soll die politische ein positives Zeichen für die Zusam- Praxis den Begriff der „strategischen 3.3 Kooperation menarbeit gesetzt worden. Partnerschaft“ widerspiegeln und 3.3.1 Operationen und Die erste militärische Operation auch der Bedeutung gerecht werden, Übungen unter Berlin-plus der EU, Concordia, fand unter Rück- den der Rückgriff auf NATO-Res- Die Berlin-plus-Vereinbarungen, griff auf NATO-Mittel und -Fähigkei- sourcen bei EU-Operationen in vie- die im Dezember 2002 auf den Weg ten statt. Vom Umfang und der Zeit- len Mitgliedsstaaten hat, so bedarf es gebracht wurden, sind als wesentli- dauer her war diese Operation eher gerade auf diesem Gebiet erhebli- ches Scharnier der Zusammenarbeit bescheidenen Zuschnitts.19 Wesent- cher Anstrengungen, um in Krisen- zwischen den beiden Organisationen lich war, dass für diese erste militäri- zeiten die Zusammenarbeit mög- zu betrachten. Im Wesentlichen geht sche Aktion der EU, die die Funkti- lichst reibungslos vonstatten gehen es darum, dass die NATO ihre um- onsfähigkeit der ESVP unter Beweis zu lassen. fangreiche kollektive Kommando- stellen sollte, auch von Frankreich struktur mit ihren sechzehn inte- ohne Schwierigkeiten akzeptiert wur- 3.3.2 Entwicklung europä- grierten Hauptquartieren der EU zu- de, dass das NATO-Hauptquartier ischer militärischer gänglich macht, um dadurch den fi- SHAPE die Operation militärisch Fähigkeiten nanziell und politisch kostspieligen leitete (mit dem DSACEUR, dem In der Streitkräfteplanung von Aufbau solcher kollektiver Kapazitä- stellvertretenden Oberbefehlshaber EU und NATO gibt es ein großes ten in der EU zu vermeiden. Dies ge- der NATO in Europa,20 als Opera- Feld der Überschneidung. Für die schieht in Anwendung des Prinzips tions Commander), das ihm unter- EU umfasst der Aufgabenbereich für der EU, unnötige Duplizierungen zu stellte NATO Joint Forces Command Streitkräfte, die durch das Helsinki vermeiden. Mit ihrem Personalum- in Neapel eine wesentliche Zwi- Headline Goal21 abgedeckt werden fang von etwa 10.000 Offizieren stellt schenstation in der Kommandokette sollen, alle Stufen des Krisenma- die NATO-Kommandostruktur nicht darstellte (mit einer kleinen EU-Zel- nagements bis hin zur Friedenser- nur die Führungsfähigkeit für militä- le darin) und erst das sogenannte zwingung (peace enforcement). Das rische Operationen, sondern auch Force Headquarters vor Ort in Maze- Gleiche gilt für die NATO, allerdings ausreichende Ressourcen für jede donien unter EU-Flagge fungierte. umfasst ihr Auftrag auch die kollekti- Art militärischer Planung sicher. Im Die politische Kontrolle und ve Verteidigung des Bündnisgebiets. Vergleich dazu ist der Militärstab der strategische Leitung der Operation, Die Initiativen beider Organisatio- EU mit seinen etwa 130 Offizieren die bei Allied Harmony durch den nen, die die Stärkung der europäi- äußerst klein und auf externe Nordatlantikrat durchgeführt wurde, schen militärischen Fähigkeiten zum Planungshilfe angewiesen. lag nun beim PSK. Der Operations Ziel haben, sind daher auch von In- Der Vorschlag des Brüsseler Vie- Commander DSACEUR erstattete halt und Zielsetzung nahezu de- rer-Gipfels im April 2003, in dem PSK regelmäßig Bericht, die ckungsgleich.

42 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

Die Streitkräfte, die von der Pla- sammenarbeit in der Streitkräfte- In der EU spielen militärische nung erfasst werden, sind die der je- planung durch die Praxis inzwischen Maßnahmen in diesen Feldern nur weiligen Mitgliedstaaten der beiden etwas entkrampft sind, ist der proze- eine untergeordnete Rolle. Der Organisationen. Für Staaten, die bei- durale Aufwand immer noch hoch. Aktionskatalog zum Terrorismus um- den Organisationen angehören, er- Da eine Trennung zwischen europäi- fasst in sieben Kapiteln etwa 150 gibt sich auch eine prozedurale schen militärischen Fähigkeiten in Einzelaktivitäten, vorwiegend politi- Überschneidung, weil sie, gemäß der NATO und solcher in der EU bei sche, rechtliche und wirtschaftliche dem Grundsatz des single set of der hohen Zahl der überlappenden Maßnahmen. Nur ein Kapitel ist dem forces, keine getrennte Planung für Mitgliedschaften ohnehin eher Schutz der Bevölkerung gegen die die NATO und EU durchführen kön- künstlich ist, sollte die Zusammenar- Auswirkungen von terroristischen nen. Dies wäre theoretisch aber beit einfacher gestaltet werden, um Angriffen gewidmet sowie dem von leicht lösbar, da die EU-Staaten bis effektiv zu sein. EU-Streitkräften im Einsatzgebiet. auf Frankreich, Zypern und Malta Dies sollte auch für die Arbeit Eine Einzelmaßnahme aus diesem entweder durch NATO-Mitglied- der im Aufbau befindlichen Euro- Kapitel sieht Möglichkeiten der Zu- schaft im Streitkräfteplanungsprozess pean Defence Agency gelten. Zwar sammenarbeit mit der NATO vor – des Bündnisses erfasst oder durch sieht der Arbeitsplan 2005 für die hauptsächlich durch Informations- das Programm „Partnerschaft für den Agentur die Schaffung von Administ- austausch. Frieden“ mit diesem verbunden sind, rative Arrangements vor, die sich Die EU-Strategie zur Proliferati- sodass ein adaptierter Nato-Prozess aber an den bisherigen Mechanismen on stellt die Bedeutung multilateraler für sie ausreichen würde. der Kooperation und Konsultation Kooperation in den Vordergrund. Mi- Das Problem ist Frankreich. Mi- zwischen EU und NATO orientieren litärische Maßnahmen werden nicht litärische Integration in der NATO sollen. Das bedeutet, dass diese Kon- genannt. Auch hier ist ein Informa- wird durch zwei Faktoren definiert, takte überwiegend ebenso formal tionsaustausch mit der NATO vorge- nämlich durch die Teilnahme an der bleiben werden. Ebenso soll ein sehen, mit dem ausdrücklichen Zu- integrierten Kommandostruktur und Consultative Committee den europäi- satz: „[...] within agreed framework an der kollektiven Streitkräfteplanung schen NATO-Staaten, die keine Mit- arrangements.“ Das heißt, dass sich des Bündnisses. Für Frankreich, das glieder der EU sind, als Dialogforum ein solcher Austausch an die relativ militärisch nicht in der NATO inte- offen stehen. Konsultation bedeutet starren, formalen Regeln halten griert ist, war es deshalb unabding- aber nicht Mitwirkung. muss. bar, für die EU einen gesonderten Der Überschneidungsbereich Planungsprozess zu etablieren. Wenig- 3.3.4 Bekämpfung des zwischen den Aktivitäten beider Or- stens war es auf Drängen Deutsch- Terrorismus und der Verbrei- ganisationen liegt daher insbeson- lands und Großbritanniens möglich, tung von Massenvernich- dere bei Schutzmaßnahmen für die bei dem resultierenden EU-Planungs- tungswaffen Zivilbevölkerung gegen nukleare, prozess, der unter der Bezeichnung In den Aufgabenfeldern Be- chemische, biologische und radiolo- Capability Development Mechanism kämpfung des Terrorismus und der gische Angriffe. Dazu wurde auch ein firmiert, Schritte der Transparenz Verbreitung von Massenvernich- Informationsaustausch durchgeführt. und Abgleichung mit der NATO- tungswaffen haben beide Organisati- Die Verschiedenheit der Ansätze in Streitkräfteplanung zu ermöglichen. onen weitgehend unterschiedliche beiden Organisationen kann man Als formales Gremium dafür fungiert Ansätze. Für die NATO liegt das auch als Ergänzung sehen oder als seit März 2003 die EU/NATO- Schwergewicht auf militärischen de-facto-Arbeitsteilung. Um sie opti- Capabilities Group. Abstimmungsge- Verteidigungs- und Schutzmaßnah- mal zur Geltung zu bringen, sollten spräche und der Austausch von Pla- men gegen terroristische Angriffe, Wege der Zusammenarbeit entwi- nungsdokumenten sind inzwischen auch gegen solche mit chemischen, ckelt werden, die möglichst nicht auf Routine. Da diese Arbeitsgruppe, biologischen und radiologischen Waf- den bisherigen, weitgehend formalen wie alle gemeinsamen EU/NATO- fen. Eine Raketenabwehr spielt dabei Mechanismen, sondern auf gemein- Gremien, keine Beschlussfassungs- ebenfalls eine besondere Rolle. sam getragenen Beschlüssen beruhen. kompetenz besitzt, ist eine beträcht- liche Doppelarbeit für die mit der Planung befassten nationalen und in- IV. Europäische Sicherheitspolitik und die Vereinten Nationen (VN) ternationalen Stäbe unvermeidlich. In der praktischen Planungsarbeit ie Beziehungen zwischen der EU zieller Unterstützungsleistungen auf wird jedoch teilweise Unterstützung Dund den Vereinten Nationen den Weg gebracht, und der Rat hat durch NATO-Stäbe geleistet. Ebenso (VN) haben in den letzten vier Jahren die Absicht bekundet, eine perma- ist die Mitwirkung in den so genann- merklich an Bedeutung gewonnen. nente Beziehung mit den VN mit dem ten ECAP-Projektgruppen der EU, in Dies betrifft nicht nur die Zusam- Zweck zu etablieren, die Weltorgani- denen Lösungen für bestehende De- menarbeit in Krisenregionen wie den sation auch bei kurzfristigen militä- fizite in europäischen militärischen Balkan, Afghanistan und neuerdings risch-zivilen Operationen zu unter- Fähigkeiten gesucht werden, auch dem Kongo: Die EU-Kommission hat stützen.23 Auf militärischem Gebiet für europäische NATO-Staaten mög- seit 2001 einen umfassenden Dialog wird dies u.a. durch die Absicht der lich, die nicht der EU angehören. über Gesundheitsfragen, humanitäre EU unterfüttert, bis 2007 sogenannte Auch wenn die Regeln der Zu- Themen und die Koordination finan- „Battlegroups“ aufzustellen. Sie sol-

AUFTRAG 261 43 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“ len in besonderer Weise geeignet und Äthiopien-Eritrea, 1,2% in der • Nationale Beiträge, die in manchen sein, kurzfristig anberaumte Militär- Demokratischen Republik Kongo so- Fällen, wie bei den Stand-by-Ar- operationen zur Unterstützung von wie 0,5% in Sierra Leone. Selbst bei rangements, den Bedürfnissen der VN-Operationen durchzuführen, wo- der wichtigsten UN-Operation auf VN entgegen kommen, sind weiter- bei Afrika als primäres Operations- europäischem Boden in Kosovo hin möglich. Die militärischen Ka- gebiet genannt wird, ein Kontinent, (MINUK) beträgt das Engagement pazitäten der Mitgliedsstaaten sind der im Zentrum der Operationen der der EU-Staaten am VN-Engagement keinesfalls alleine für Zwecke der VN steht. Die unter der Ägide der EU nur etwa 20 %.64 ESVP reserviert. und unter französischer Führung Dagegen sind die europäischen Die EU entwickelt damit ein Po- durchgeführte Operation Artemis in Staaten bei VN-mandatierten Missio- tential, das geeignet erscheint die der Demokratischen Republik Kongo nen im EU- oder NATO-Rahmen militärischen Schwächen der VN vor wird vielfach als ein Muster für diese oder in flexiblen Koalitionen, wie im allem auf den Gebieten des schnel- Form der Unterstützung genannt. Irak, sehr stark am Krisenmanage- len Truppeneinsatzes in einem ge- Neben diesem Politikstrang, der ment beteiligt. Darin drückt sich eine fahrvollen Umfeld, sei es zur Vorbe- die EU als Institution betrifft, steht Zurückhaltung oder gar Misstrauen reitung oder Unterstützung einer VN- das Problem einer Reform des Si- der Europäer gegenüber VN-Krisen- Operation in einem Krisengebiet, cherheitsrates, bei dem die EU keine management-Operationen aus. Dies auszugleichen. Des weiteren wird da- direkte Rolle spielt, auf der Tages- wirft die Frage auf, wie die VN in Zu- mit – wenn auch nur partiell – der ordnung. In dieser Frage geht es pri- kunft zu robusten Operationen befä- Vorwurf aus VN-Kreisen entkräftet, mär um nationale Politik und um die higt sein können, ohne dass sich ge- dass das „reiche Europa“ militärisch Frage, inwieweit sich die angestrebte rade regionale Organisationen wie riskante Einsätze primär nur im na- Reform – und vor allem die Forde- z.B. die EU beteiligen, die über die hen Umfeld unternehmen will und rung nach einem permanenten Sitz Mittel verfügen, komplexe Operatio- die bedürftigen Krisengebiete – vor Deutschlands im Sicherheitsrat - in nen erfolgreich durchzuführen. Aus allem in Afrika – den VN überlässt. die Politik der EU gegenüber den VN diesem Grunde sind die Mitglieds- Das Battlegroup-Konzept erlaubt einordnen lässt. länder aufgerufen, Anstrengungen zu darüber hinaus, ähnlich wie im Fall Vor diesem Hintergrund stellen unternehmen, die VN direkt oder in- Artemis, dass derjenige Staat (bzw. sich zwei zentrale Fragen: direkt bei anspruchsvollen Operatio- diejenigen Staaten) die militärische • Welche Reichweite und Grenzen nen zu stärken. Hauptlast trägt, der ein besonderes hat dieses Vorhaben der EU mit Auf erste Überlegungen dazu hat Blick auf den Bedarf der VN und sich der Europäische Rat im Sommer Interesse an einer bestimmten Kri- die Ressourcen, die die EU bereit- 2004 geeinigt. Sie verdeutlichen den senregion hat. Die Unterstützung stellen will? Spagat der EU, einerseits die strate- durch andere Mitgliedsstaaten und • Welche Verknüpfungen bestehen gische Autonomie zu wahren, ande- die Brüsseler Institutionen kann zwischen den Veränderungen im rerseits aber die VN auch auf militä- dabei flexibel gehandhabt werden, EU-VN-Verhältnis und der Reform rischem Gebiet zu unterstützen. was die Konsensfindung im Kreis der derzeit 25 Mitgliedsstaaten erleich- des Sicherheitsrates? Auch wenn das Schwergewicht weiterhin auf Operationen der EU tert. Gelingt es der EU darüber hin- 1. Reichweite und Grenzen der unter eigener Regie liegt, so lassen aus, flankierende Maßnahmen zu er- neuen EU-VN-Beziehungen sich Ansätze erkennen, die eine Öff- greifen, die das Umfeld der Operati- 1.1 Militärisches Engagement nung gegenüber den Interessen der on zu verbessern in der Lage sind Die massive Zunahme der VN- VN anzeigen: (z.B. durch die Unterstützung regio- Einsätze in den 90er Jahre hat vor al- • Es wird als denkbar bezeichnet, naler Organisationen oder durch hu- lem dazu geführt, dass es der VN an dass die EU – allerdings unter po- manitäre Leistungen), so kann der gut ausgebildeten Soldaten und Ein- litischer Kontrolle und strategi- Schulterschluss von EU und VN das heiten mit guter Ausrüstung, ausrei- scher Direktive der EU – sich an Potential der VN vor Ort deutlich chenden Transportmöglichkeiten einer VN-Operation beteiligt („mo- verstärken. und zufriedenstellender Logistik dularer Ansatz“). Dabei ist es positiv zu werten, fehlt. Im Gegenstrom dazu hat sich • Die Teilnahme an Stand-by-Vor- dass das EU-Konzept nationale Bei- die Beteiligung der EU-Staaten in kehrungen, die bisher von der EU träge zu VN-Operationen und auch den letzten sechs Jahren parallel zum sehr kritisch beurteilt worden sind, zum „Multi-National Stand-By High Aufbau der ESVP und des Engage- werden nicht mehr völlig ausge- Readiness Brigade for United Nati- ments zwar absolut leicht erhöht, der schlossen (allerdings ohne dass ons Operations“ (SHIBRIG)26 res Anteil am Gesamtumfang der VN- irgendwelche konkrete Maßnah- pektiert. Es ermöglicht nicht nur Operationen jedoch stark vermin- men genannt werden). denjenigen Mitgliedsstaaten der Uni- dert. 1998 stellten die EU-Staaten • Ein „bridging model“ in Anleh- on, die ein besonderes Interesse an noch 30,5 % der Truppen bei VN- nung an den Artemis-Fall und mit Peacekeeping haben, ihr Potential Operationen, im August 2004 betrug Blick auf die von der EU geplanten ins Spiel zu bringen, sondern relati- er nur noch 7,42 % der Soldaten und „Battlegroups“ wird als eine grund- viert auch die Klage der VN, dass die Polizisten.24 Besonders schwach ist sätzliche Option der Unterstützung EU nicht bereit ist, ihre Operationen das Engagement an Operationen in von VN-Operationen durch die EU als VN-Operation durchführen zu Afrika: weniger als 7% in Liberia ins Spiel gebracht. lassen.

44 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

Seminarteilnehmer diskutieren angeregt mit dem Referenten Prof. Dr. Peter Schmidt von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Auf diese Weise ist die geplante Zusammenarbeit zwischen der EU und den VN konzeptionell und von den Potentialen besser unterfüttert als bisher, was sowohl den VN als auch der EU nützen kann.

1.2 Finanzielles Engagement Die VN leiden unter einer per- manenten Finanzkrise, die die Ar- beitsfähigkeit der Organisation be- einträchtigt. Sie wird vor allem durch die Regelung für die Veto-Mächte • Parallel dazu unterstützt die EU- die mangelnde Zahlungsbereitschaft anfallen. Kommission bestimmte Aktivitäten vieler Mitglieder zum ordentlichen Für die Beiträge zu militärischen der VN aus dem 2001 eingerichte- Haushalt, der rund 40% aller Ausga- Operationen der VN gibt es einen ten „rapid reaction mechanism“ ben der VN ausmacht, hervorgeru- speziellen Etat und einen modifizier- der EU. fen: Mehr als die Hälfte der Mit- ten Verteilungsschlüssel der Ent- Wenn man von der realistischen gliedsstaaten zahlt die Beiträge nicht wicklungsländern Abschläge bis zu Prämisse ausgeht, dass die EU-Staa- vollständig oder nicht pünktlich. 90% einräumt. Die ständigen Mit- ten ihre finanziellen Beiträge zu Trotz einer von den USA durchge- glieder des Sicherheitsrates müssen Peacekeeping-Operationen nicht er- setzten Kappungsgrenze von 22 % dagegen Zuschläge auf ihre Basis- höhen werden und auch nicht – dem weist das Budget auch im Falle der sätze auf sich nehmen. Auch hier er- Autonomie-Gebot folgend – deutlich USA noch Zahlungsrückstände auf. kennen die USA für sich nur einen mehr Truppen für VN-Missionen zur Darüber hinaus stehen vor allem Anteil von 25 % an, der allerdings in Verfügung stellen,28 dann bleiben Brasilien und Argentinien sowie den letzten Jahren von der US-Admi- folgende Wege, um die Effektivität zahlreiche Entwicklungsländer auf nistration auf die Höhe der VN-Be- der VN-Operationen finanziell zu der Schuldnerliste. Die Mitglieds- rechnungen aufgestockt wurde. Die verbessern: staaten der EU kommen dagegen alle EU-Staaten und die EU-Kommission • Da 80 % der Ausgaben der VN für ihren Verpflichtungen nach und tra- erbringen hier Beiträge auf verschie- Friedensoperationen auf Afrika gen zu rund 37 % zum ordentlichen dene Weise, die nicht nur die Opera- entfallen ist die Unterstützung von Haushalt bei. tionen selbst betreffen, sondern ge- Regionalorganisationen in Afrika, Eine Verbesserung der Finanz- eignet sind, das zivile Umfeld solcher insbesondere der Afrikanischen situation und damit eine größere Ef- Aktionen zu verbessern: Union (AU)29, durch die EU und fektivität der Arbeit der VN könnte • Die 25 Mitgliedsstaaten tragen die Mitgliedsstaaten der entschei- vor allem erreicht werden, wenn es etwa 40% zum speziellen Etat der dende Hebel zur indirekten Ent- gelänge, die Schuldnerländer dazu Peacekeeping-Operationen bei. lastung der VN. Der integrierte An- zu bringen, ihren Verpflichtungen • Die EU hat im Dezember 2003 ei- satz der „African Peace Facility“, nachzukommen. Doch darauf hat we- nen speziellen Titel für die Unter- der Entwicklungshilfegelder zur der die EU noch die VN einen direk- stützung von Peacekeeping Missio- Unterstützung von Peacekeeping- ten Einfluss. Man kann nur die Hoff- nen in Afrika in Höhe von 250 Operationen nutzt, geht von der nung hegen, dass die angestrebte Mill. Euro geschaffen, der durch richtigen Prämisse aus, dass Stabi- breitere Repräsentation im Sicher- nationale Mittel ergänzt wird lität die Voraussetzung für Ent- heitsrat einige säumigen Länder dazu („African Peace Facility“27). wicklung ist und deshalb Priorität bringt, ihren Verpflichtungen besser • Speziell für die Beobachter-Missi- besitzen muss. nachzukommen. Dies könnte bei on der Afrikanischen Union in • Ebenso wäre es angebracht, dem Brasilien der Fall sein, das einen Darfour wurden z.B. im Oktober Ratschlag des High-level Panel zu ständigen Sitz im Sicherheitsrat an- 2004 zusätzliche 80 Mill. bereitge- folgen und eine direkte Unterstüt- strebt. Größere Leistungen der EU- stellt. zung von Regionalorganisationen Staaten zum ordentlichen Haushalt • Die EU finanziert ebenso ein Pro- durch die VN zuzulassen, wobei sind in dieser Situation nicht zu er- gramm in Höhe von 205 Mill. Euro eine Befassung durch den Sicher- warten. Sollte Deutschland zum per- aus dem Entwicklungsfonds zur heitsrat für diese Leistungen ange- manenten Mitglied ernannt werden, strategischen Unterstützung der bracht ist, damit auch eine Abstim- ist allerdings nicht auszuschließen, Republik Kongo im Kontext der mung mit Maßnahmen der EU (und dass erhöhte Lasten in Anlehnung an Artemis-Mission. anderen Staaten) erfolgen kann.

AUFTRAG 261 45 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

2. Die Reform des Sicher- sind: So deutete Japan kürzlich seine setzungsfähigkeit des Organs damit heitrates (SR) Bereitschaft zum Rückzug von den insgesamt gestärkt wird. 2.1 Reformpläne der VN G4-Staaten an, was China zur Aufga- Ohne Frage kann die Beteiligung und das EU-VN-Verhältnis be seiner bisherigen Blockade- an Entscheidungen auch die Bereit- Die Zusammensetzung des Si- haltung bewegen könnte. Darüber hi- schaft stärken, sie auch tatsächlich cherheitsrats entspricht nicht mehr naus könnte eine neue deutsche zu implementieren. Wie weit dieser den heutigen geopolitischen Realitä- Bundesregierung die zweifelnden Effekt trägt, ist allerdings schwer ten, was Rückwirkungen auf die Stimmen aus Washington mindern. einzuschätzen. Die schlechte Umset- Glaubwürdigkeit des Sicherheitsrats Die derzeitige Unsicherheit über die zung der Sicherheitsresolutionen zur - und damit indirekt auch auf seine weitere Entwicklung der Reform soll- Terrorismusbekämpfung seit 2001 Effektivität – hat. Der Bericht des te von Deutschland als Chance ver- auch in den Ländern, die an der Ent- „High-level Panel“ verweist auf den standen werden, in einem zweiten scheidung beteiligt waren, hält die wichtigen zusätzlichen Aspekt, dass Anlauf doch noch genügend Rück- Erwartungen in Grenzen. Ebenso die Absicht, die Effektivität, Glaub- halt für einen ständigen Sitz im Si- dürfte sich das finanzielle Engage- würdigkeit, Kapazität und den politi- cherheitsrat zu erlangen. ment der möglichen zukünftigen Mit- schen Willen des Sicherheitsrates zu Was die institutionelle Ausge- glieder kurzfristig kaum verändern, stärken, ferner eine größere Beteili- staltung eines permanenten deut- da es sich in den wichtigen Fällen gung derjenigen Staaten erfordert, schen Sitzes anbelangt, so wird Deutschland und Japan ohnehin die am meisten zur Implementation Deutschland im Falle einer Durch- schon auf hohem Niveau bewegt: Die von Sicherheitsrats-Entscheidungen setzung wohl – wie auch im bisher 2003 festgelegte neue Beitragsskala beitragen, eine Argumentation, die präferierten Reformmodell A – auf der VN zum regulären Haushalt weist sich auf Art. 23 I der VN-Charta eine vollständige Gleichstellung hin- – obwohl Deutschland einen stützt30 und vor allem auch Deutsch- sichtlich eines Veto-Rechts bei 10%igen Abschlag zugestanden be- land (und Japan) nutzte, um ihren Sicherheitsratsentscheidungen ver- kam – Deutschland immer noch nach Anspruch auf einen ständigen Sitz zu zichten müssen. Damit erführe das den USA mit 22 und Japan 19,5 mit untermauern. Gestützt wird dieses Gremium, abgesehen von einer Ver- 8,662% als drittgrößten Beitrags- Argument von der gewachsenen größerung, keine grundlegende Än- zahler aus, Mehrbelastungen durch Reichweite der Sicherheitsratsent- derung bzw. Beeinträchtigung seiner die von den Vereinigten Staaten er- scheidungen, die ihm im Kontext der Funktionsmechanismen, tatsächlich wirkte Kappungsgrenze von 22% Anti-Terrorresolutionen schon den haben die beiden Reformvorschläge nicht mitgerechnet. Was den allge- Vorwurf einbrachte, er entwickele im Hinblick auf die Machtverteilung meinen Haushalt betrifft, dürften sich durch die ständige Schaffung zwei wichtige Merkmale gemeinsam: keine höheren Leistungen erwartet neuer völkerrechtlicher Pflichten • Obwohl die Veto-Option der fünf werden. Das gleiche dürfte für den zum „Ersatz-Konventions-Geber“, Staaten als „anachronistisch“ an- Titel „friedenserhaltende Missio- über deren Erfüllung er auch noch gesehen wird32, tasten sie die Son- nen“ zutreffen. Denkbar ist nur, dass selbst urteile. derstellung der fünf Veto-Mächte der eine oder andere säumige Zahler Aus dem Blickwinkel der EU- im Sicherheitsrat nicht an.33 Selbst seine Rückstände reduziert. VN-Beziehungen stellen sich damit die neuen permanenten Mitglieder Allerdings darf nicht übersehen zwei Fragen: haben nicht die gleiche Stellung werden, dass ein permanenter Sitz im • Inwieweit lassen die derzeit vorlie- wie die traditionellen Veto-Mächte. Sicherheitsrat die Position der VN- genden Alternativen zur Reform Damit wird auch eine reformierte Akteure in den nationalen Entschei- des Sicherheitsrates und die deut- VN, die ansonsten auf dem Gebiet dungsstrukturen der neuen perma- sche Forderung nach einem perma- der Sicherheitspolitik als „kollekti- nenten Mitglieder festigen wird. Dies nenten Sitz die gewünschte Stär- ves Sicherheitssystem“ konstruiert kann sehr wohl helfen, einen Prozess kung des Gremiums tatsächlich er- ist, den Charakter einer kollektiven in Gang zu setzen bzw. zu fördern, warten? Hegemonie beibehalten, da der dazu führt die Verantwortung und • Welche Rückwirkungen hat die Blockadehaltungen der fünf Veto- Folgekosten einer permanenten Mit- Wiederaufnahme der Forderung Mächte weiterhin möglich bleiben. gliedschaft ernster zu nehmen als von 1992 nach einem permanenten • Beide Vorschläge erhöhen die Zahl bisher. deutschen Sitz auf die Struktur der der Mitglieder um jeweils neun Entscheidender als die Frage, ob EU-Außenbeziehungen und damit Staaten, was zwar die Repräsen- die diskutierte Sicherheitsrats-Re- auch auf das EU-VN-Verhältnis? tativität des Sicherheitsrates stei- form die Effektivität dieses Gremi- gert, die Entscheidungsfindung je- ums stärken kann, dürfte daher die Mit der letztendlichen Weige- doch erschweren dürfte. Frage sein, inwieweit sich ein perma- rung der African Union (AU), die G4- nenter Sitz für Deutschland auf die Staaten zu unterstützen, bleiben die Damit beschränkt sich die mögli- Struktur der EU Außen- und beiden Alternativvorschlage des che Wirkung dieser Reform auf die Sicherheitspolitik und damit auch Highlevel Panel31 vorläufig als Orien- Erwartung, dass eine größere Reprä- auf das EU-VN-Verhältnis auswirkt. tierungsrahmen für erneute Verhand- sentativität des Organs auch ein stär- Dies liegt darin begründet, dass die lungen bestehen. Tatsächlich spricht keres Engagement einer größeren zukünftige Rolle der VN wesentlich einiges dafür, dass noch nicht alle Zahl von Mitgliedern mit sich bringt davon abhängen wird, ob das Ver- Spielräume vollständig ausgenutzt und die Glaubwürdigkeit und Durch- hältnis zu regionalen Organisationen

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– und hier insbesondere zur EU – genstandslos zu machen. Sicherlich möglichst das Gewicht der ganzen wirkungsvoll organisiert werden wäre auch Widerstand gegen eine Union ins Spiel zu bringen. kann. solche Dreiergruppe zu erwarten. Die prinzipiellen Zweifel seitens Doch der „Charme“ dieses Schrittes der USA am Sinn einer Erweiterung 3.2 Deutschland als mögli- wäre, dass er die Entscheidungs- des Sicherheitsrates sind Ausdruck ches permanentes Mitglied strukturen innerhalb der EU unver- einer gewissen Besorgnis, mit einem – Rückwirkungen auf die ändert lässt und damit weniger an- weiteren Europäer im Sicherheitsrat EU-VN-Beziehungen greifbar ist.34 an Einfluss in den Vereinten Natio- Die Debatte im Vorfeld des Der Argumentation einiger Kriti- nen zu verlieren. Dies zielt insbeson- Reformgipfels, ob Deutschland einen ker eines permanenten deutschen dere auf die Europäische Sicher- permanenten Sitz im Sicherheitsrat Sitzes, dass dieser in einem Span- heitsstrategie ab, welche „strategi- haben solle, oder statt dessen einem nungsverhältnis zu dem im Verfas- sche Partnerschaften“ der Europäer EU-Sitz der Vorzug zu geben sei, ist sungsvertrag vorgesehenen Außen- mit Ländern wie China und Russland exemplarisch für das inner- minister der EU stehe, ist mit dem vorsieht. Die Gefahr, dass dieser europäische Ringen um Macht und Scheitern der Referenden in Frank- Konkurrenzgedanke die transatlanti- Einfluss in Sicherheitsfragen. Ein reich und den Niederlanden vorerst sche Partnerschaft gefährden könnte, europäischer Sitz stünde für einen die Grundlage entzogen. Bestehen impliziert aber eine einheitliche Po- integrativen Ansatz in der Gemeinsa- bleibt die Kritik, dass der deutsche sition Großbritanniens, Frankreichs men Außen- und Sicherheitspolitik Sitz nicht nur den Verzicht auf eine und Deutschlands gegenüber den (GASP), während ein deutscher Sitz einheitliche europäische Repräsen- USA, die sich in der Realität auf- die Idee eines ambitiösen Kerne- tation bedeutet, sondern die mehr- grund der unterschiedlichen Vorstel- uropa verkörpert. Der deutsche stimmige Vertretung der EU-Interes- lungen von einer EU-Sicherheits- Standpunkt ist in diesem Zusammen- sen in den VN fortsetzt, ja sogar ver- politik als unwahrscheinlich erwei- hang eindeutig. Während sich stärkt. Dem steht jedoch nicht nur sen dürfte. Obwohl die EU mit Deutschland vormals zu pluralisti- entgegen, dass ein gemeinsamer Sitz Frankreich und Großbritannien schen Entscheidungsprozessen be- aufgrund des gemeinsamen franzö- bereits massiv vertreten ist, könnte kannte, sieht es sich heute als sisch-britischen Widerstandes nicht Deutschland vielmehr eine nützliche Befürworter einer europäischen erreichbar ist und auch der Ver- Vermittlungsrolle zwischen den bei- Avantgarde mit Vorbild- und Füh- fassungsvertrag eine solche Rege- den Staaten einnehmen, besonders in rungscharakter gegenüber anderen lung ohnehin nicht in Betracht gezo- Fragen, die die Beziehungen zu den EU-Mitgliedstaaten. Der italienische gen hätte, sondern auch die Grund- USA betreffen und somit zur Angriff auf die G4 im Verlaufe der satzfrage, wie anders als mit einer Harmonisierung einer europäischen Verhandlungen sorgte nicht zuletzt Kerngruppe die Außenpolitik der Position beitragen. für das Scheitern der deutschen Initi- Union mit 25 und mehr Mitglieds- Falls eine Reform des Sicher- ative. staaten gestaltet werden kann. heitsrates im Sinne der deutschen Was den Sicherheitsrat betrifft, Darüber hinaus handelt es sich bei Position auf den Weg gebracht wer- haben Großbritannien und Frank- diesen drei Kernstaaten um diejeni- den kann, ist somit zu erwarten, dass reich, die die Stimmabgabe tatsäch- gen Mitgliedsstaaten, die sowohl mit sich auch die EU als Ganzes stärker lich vornehmen, auch dann entschei- Blick auf ihr Potential als auch ihrer für VN-Belange engagiert und eine denden Einfluss auf die Entschei- weltpolitischen Orientierung am größere Bereitschaft zeigt, den VN dungen, wenn die Präsidentschaft ehesten bereit und fähig sind, die die nötigen Ressourcen zur Erfüllung oder der Generalsekretär/Hohe Re- Verantwortung, die mit der Aufgabe ihrer Aufgaben zur Verfügung zu präsentant die Position der EU vor- des Sicherheitsrats verknüpft ist, zu stellen. trägt. Dies würde sich durch eine tragen (wobei Deutschland sicherlich permanente Präsenz Deutschlands in diesen Fragen einen Nachholbe- nicht entscheidend verändern, da da- darf zu verzeichnen hat). Dies dürfte V. Schlussbemerkungen mit kein Vetorecht verbunden sein sich vor allem dann positiv auf den wird. Trotzdem würde eine kontinu- Zusammenhalt in der EU auswirken, ATO und EU besitzen vielfältige ierliche Präsenz eines dritten EU- wenn die deutsche Politik, wie betont NGemeinsamkeiten in den Bedroh- Staates die Tendenz zu einem euro- wird, darauf abzielt, der Politik der ungsvorstellungen, Strategien und päischen Dreierverbund und damit EU in den VN – mehr als bisher Leitbildern, sind aber auch den Wi- zu einer Art „informellem Kerne- Frankreich und Großbritannien be- dersprüchen zwischenstaatlicher und uropa“ in allen Fragen, die den Si- reit waren – durch „enge Abstim- sich dynamisch erweiternder Organi- cherheitsrat betreffen, stärken. Groß- mung mit den EU-Partnern eine eu- sationen ausgesetzt. Daneben verfü- britannien und Frankreich alleine ropäische Ausrichtung zu geben.“35 gen beide über unterschiedliche haben nicht das Gewicht, um eine Diese Absichtserklärung der deut- Stärken und Schwächen im Krisen- solche Führungsstruktur zu etablie- schen Regierung dürfte insofern kei- management: Die Stärke der EU sind ren. Die Dreier-Konstellation hat ne bloße Rhetorik darstellen, als der die vielfältigen Ressourcen zum zivi- darüber hinaus den großen Vorteil, im Vergleich zur Größe und wirt- len Krisenmanagement, ihre Schwä- die Widerstände in der EU gegen ein schaftlichen Gewicht Deutschlands che das Fehlen einer über den klei- deutsch-französisches à deux in der relativ bescheidene Verteidigungs- nen Militärstab hinausgehenden mi- Außen- und Sicherheitspolitik ge- beitrag die Neigung stärken dürfte, litärischen Struktur. Die Stärke der

AUFTRAG 261 47 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

NATO sind insbesondere ihre kol- So ist der Charakter der Zusam- management und der High-level Pa- lektiven militärischen Mittel und Fä- menarbeit über die praktischen Fälle nel-Bericht der VN vom Dezember higkeiten, während ihr eben jene zi- der Übernahme von NATO-Operatio- 2004 vorgezeichnet haben, kann man vilen Mittel fehlen, über die die EU nen durch die EU (wie im Falle von geltend machen, dass die Vorausset- verfügt. Insofern könnten sich beide Condordia in Mazedonien oder der zungen für eine größere Effektivität Organisationen ideal ergänzen, eine praktischen Umsetzung der Berlin- der VN und der EU-VN-Zusammen- Vorstellung, die im Bündnis bereits Plus-Vereinbarungen im Falle der arbeit besser geworden sind. Auf Sei- zu Beginn der 1990er Jahre mit dem Übernahme von SFOR durch die EU) ten der EU zeichnet sich mit dem Begriff der interlocking institutions hinaus weitgehend formal geblieben: Konzept der Battlegroups und dem eine wichtige Rolle spielte.35 Seit der Die gemeinsamen Gremien haben Versuch der Bundesregierung für Gründung der ESVP auf dem Kölner keine Entscheidungsautonomie, son- Deutschland, einen permanenten Gipfel 1999 versprechen sich beide dern müssen sich jeweils mit ihren Sitz im Sicherheitsrat zu erlangen, Organisationen tatsächlich auch Weisungsgebern rückkoppeln. Die eine Flexibilisierung der Struktur der immer wieder eine enge und vertrau- Zusammenarbeit in der Streitkräfte- EU-Sicherheitspolitik ab, die die ensvolle Zusammenarbeit, die als eu- entwicklung wird dadurch wesent- Entscheidungsfähigkeit gerade im ropäischer Pfeiler auch die Vitalität lich erschwert, dass Frankreich nicht militärischen Krisenmanagement in des Bündnisses steigern soll und in in der Militärintegration der Allianz einer Union der 25 und mehr Mit- der Zielvorstellung einer „strategi- mitarbeitet und deshalb sehr sche- gliedsstaaten fördern dürfte. Falls schen Partnerschaft“ gipfelt. In der matisch auf getrennten Planungs- diese Reform umgesetzt wird, wird Praxis jedoch steht eine komplemen- prozessen besteht. sich die EU stärker als bisher auf täre Zusammenarbeit im Konflikt mit Auf Grund dieser Rahmen- eine Kerngruppe von Staaten der Suche der EU-Europäer nach ei- bedingungen schöpfen die EU und (Deutschland Frankreich, Vereinig- ner möglichst eigenständigen Rolle die Allianz die Möglichkeiten einer tes Königreich) abstützen, was man in der Außen- und Sicherheitspolitik, „strategischen Partnerschaft“ nur ebenso als wichtiges Element dieses die – vor allem aus dem Blickwinkel sehr beschränkt aus. Inwieweit die Flexibilisierungsprozesses verstehen Frankreichs – es nicht erlaubt, der jüngste transatlantische Annäherung kann, wie das weiter bestehende – EU irgendwelche Grenzen der in der zweiten Bush-Administration und hilfreiche – Engagement von Handlungsmöglichkeiten aufzuerle- diese Lage verbessern wird, bleibt Mitgliedsstaaten z.B. im Rahmen von gen. Vielmehr hat sich die EU for- abzuwarten. Sicher ist, dass wesentli- SHIRBRIG. Auch ist erkennbar, mell immer mehr Optionen, inklusi- che Hemmnisse, insbesondere die dass die Kommission eine stärkere ve des Rückgriffs auf NATO-Res- formelle Beschlussunfähigkeit der sicherheitspolitische Fokussierung sourcen und natürlich auch das gemeinsamen Gremien und die der Mittel der EU-Kommission ge- Recht auf eigenständige Militär- Spannungen mit der Türkei wegen mäß der Maßgabe: „Erst eine siche- operationen, gesichert, während eine der Zypernfrage, die Zusammenar- res Umfeld ermöglicht ökonomische umgekehrte Form der Zusammenar- beit in der nahen Zukunft bestimmen Entwicklung“, vornimmt. beit, nämlich der des Rückgriffs der werden. Insofern ist damit zu rech- Diese Entwicklungen sind an ei- Allianz auf die zivilen Mittel der EU, nen, dass der Begriff der „strategi- nige wichtige Voraussetzungen ge- bisher nicht abzusehen ist. schen Partnerschaft“ zwischen EU bunden. Eine der Voraussetzungen Darüber hinaus wird die Zusam- und NATO eine Formel bleibt, die in ist, dass die Reform des Sicherheits- menarbeit bzw. Partnerschaft in der der Realität nur eine relativ beschei- rates, möglichst gemäß Modell A des Praxis durch weitere politische und dene Entsprechung findet. High-level Panel (auf Dauer sechs formale Beschränkungen zum Teil Was die Zusammenarbeit von zusätzliche permanente Mitglieder einschneidend behindert. Politisch EU und VN angeht – sie wird sich vor ohne Vetorecht), gelingt. Eine weite- prekär wird die „strategische Part- allem in Afrika bewähren müssen, ei- re, dass Deutschland diesen Sitz nerschaft“ durch Irritationen und di- nem Kontinent, den ein langjähriger dazu nutzt, seine weltpolitische Ori- vergierende sicherheitspolitische Beobachter als „sterbenden Konti- entierung zu stärken und in der prak- Zielsetzungen im transatlantischen nent“ bezeichnet und mit dem die tischen Politik im Sicherheitsrat Verhältnis (siehe Irak-Krieg) und europäischen Staaten bisher allen- enge Verbindung mit der EU hält. den Auswirkungen anderer inner- falls mittelbare sicherheitspolitische Des Weiteren ist zu beachten, dass europäischer Spannungen (Grie- Bedrohungen verbanden. Die Frage mit der engeren Kooperation von EU chenland-Türkei, Türkei-Zypern). ist jedoch, wieviel politisches Kapi- und VN Afrika automatisch weitaus Sowohl die EU als auch die NATO tal sowie militärische und finanzielle stärker als bisher ins Zentrum der lassen sich nicht von den Interessen- Ressourcen die EU-Staaten und die Sicherheitspolitik der EU-Staaten divergenzen und unterschiedlichen EU bereit sind, für diese Ziele zu in- und der EU rückt. Die Zusammenar- politisch-strategischen Kulturen der vestieren. Diese Frage bleibt offen. beit zwischen EU und VN muss sich Mitgliedsländer abtrennen. Dies gilt Geht man davon aus, dass die damit auf einem besonders schwieri- umso mehr für die Zusammenarbeit Vorhaben der EU, was die Beziehun- gen Kontinent bewähren, den viele beider Organisationen. Die EU – und gen zur VN angehen als auch die Re- Mitgliedsstaaten bisher eher in hu- noch mehr die Allianz – ist nicht form des Sicherheitsrates in denjeni- manitäre als in sicherheitspolitische mehr als die Summe der politischen gen Bahnen verlaufen wird, die vor Kategorien eingeordnet haben. In Konvergenzen der wachsenden Zahl allem der EU-Rat im Juni 2004 zur dieser Lage ist die schon vor zehn der Mitgliedsländer. Kooperation im militärischen Krisen- Jahren von Großbritannien und

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Frankreich geforderte Unterstützung sen können, mögen aber in der Lage 18 Etwa 2.020 Soldaten beteiligten sich an von und Abstützung auf afrikanische sein, die Voraussetzungen dafür zu der EU-Operation Artemis. Im Prinzip Regionalorganisationen, gekoppelt schaffen, dass andere Organisatio- handelte es sich allerdings um eine fran- nen, wie die VN oder die AU und zösische Operation. Von den rund 1.200 mit selektiven Interventionen, der of- Soldaten am Ort des größten Risikos in fensichtlich allein gangbarere Weg. auch die EU mit ihren längerfristigen Bunia (Kongo) waren 1.100 französi- Sie werden die Stabilitätsprobleme in Programmen, bessere Erfolgsaus- scher Herkunft. In den Hauptquartieren vielen afrikanischen Staaten nicht lö- sichten haben. Paris und Entebbe waren 134 von 180 Solddaten französischer Herkunft; siehe Leo Michel, NATO and the EU. Stop the Minuet; it’s Time to Tango!, in: Anmerkungen Eurofuture, Winter 2004, S. 90. 19 Die Operation dauerte vom 31.03.03 bis 1 Siehe die gemeinsame Erklärung von eng ausgelegten Art. 51 der VN-Charta zum 15.12.03 und umfasste etwa 400 NATO und EU vom 16.12.2002 (http:// fallen, ein klares Mandat des VN- Soldaten im Einsatzgebiet. Sie wurde am www.nato.int/docu/pr/2002/p02- Sicherheitsrats gegeben sein muss. 15.12.03 durch die EU-Polizeimission 142e.htm). 9 Siehe die Ausführungen in Abschnitt Proxima abgelöst. 2 Auch wenn der Verfassungsvertrag in 3.3.1 Operationen/Übungen unter Berlin 20 Der Deputy Supreme Allied Commander Kraft treten sollte, wird sich – trotz plus. in Europe (DSACEUR) ist im Gegensatz 10 der Institution eines Außenministers – Rede des Bundesministers der Verteidi- zum Oberbefehlshaber (SACEUR) an dieser Struktur prinzipiell nichts gung, Dr. Peter Struck, am Inter Disci- immer ein Europäer. ändern. Allerdings wird angestrebt, die plinary Center in Herzliya anlässlich 21 Das sogenannte Headline Goal wurde Koordinierung zwischen den Säulen der seines Besuchs in Israel am 7. Juni 1999 in Helsinki vom Europäischen Rat EU-Struktur zu verbessern. Dies drückt 2004: http://www.bmvg.de/redaktionen/ als Zielvorgabe für einen europäischen sich vor allem darin aus, dass der vorge- bwde/bmvgbase.nsf/CurrentBaseLink/ Streitkräftepool beschlossen. Es sah ur- sehene Außenminister sowohl Mitglied N264X9QG892MMISDE. sprünglich vor, dass die EU fähig wer- der Kommission als auch des Rates ist. 11 Die Petersberg-Aufgaben wurden beim den soll, innerhalb von 60 Tagen 50.000 3 Zurzeit gehören 19 europäische Staaten Gipfel des Ministerrats der Westeuropäi- bis 60.000 Soldaten bis zu einem Jahr beiden Organisationen an. Sechs euro- schen Union (WEU) 1992 definiert und lang entsenden zu können päische EU-Staaten (Finnland, Irland, umfassten humanitäre Aufgaben und 22 Dies ist abhängig davon, ob sich diese Malta, Österreich, Schweden, Zypern) Rettungseinsätze, friedenserhaltende NATO-Staaten an konkreten Projekten sind nicht Mitglied der Allianz, fünf eu- Aufgaben und Kampfeinsätze bei der beteiligen. Krisenbewältigung, inklusive friedens- ropäische NATO-Staaten (Bulgarien, 23 In Afghanistan arbeitet die EU mit schaffender Maßnahmen. Eine räumli- Island, Norwegen, Rumänien, Türkei) UNAMA und UNDP zusammen. sind nicht in der EU. Kompliziert wird che Begrenzung wurde nicht genannt. 12 In Bosnien-Herzegowina übernahm die die Lage noch dadurch, dass ein wichti- Das so genannte Headline Goal der EU EU die Polizei-Mission von den VN und ger Mitgliedsstaat in EU und NATO, ist ein Planungsdokument für die Ent- im Kosovo ist sie integraler Teil der VN- Frankreich, nicht an der Militärintegra- wicklung der militärischen Fähigkeiten Mission. der ESVP. Das Headline Goal 2010 tion der Allianz teilnimmt. 24 Siehe die gemeinsame Erklärung von 4 findet sich unter: http://ue.eu.int/uedocs Der Begriff der „strategischen Partner- EU und VN vom 24.9.2003. /cmsUpload/2010%20Headline%20 schaft“ wird heute inflationär gebraucht 25 Siehe Ranking of Military and Civilian und drückt vielfach eher eine Zielvor- Goal.pdf. In diesem Dokument wird zu Beginn schlicht festgestellt: „The Police Contributions to UN Operations, stellung für eine ferne Zukunft als eine Month of Report: 31-Aug-04. vorhandene Praxis aus. Vielfach ver- European Union is a global actor [....].“ 13 Die Gesamtzahl der Polizisten und Sol- weist der Begriff auch einfach darauf, Siehe die Ausführungen in Abschnitt 3.3.1 Operationen/Übungen unter Berlin daten in UN-Operationen betrug im dass einer bestimmten Beziehung zwi- Monat August 2004 60.745, die EU- schen Staaten bzw. Staatengruppen eine plus. 14 Staaten hatten einen Anteil von 4509. besondere Bedeutung zugemessen wird. Washington und Ottawa wollen die Un- 26 Besonders deutlich wird der inflationäre terstützung im Rahmen der NATO orga- Das Konzept der sogenannten „Battle- Gebrauch in der Europäischen Sicher- nisieren, Paris besteht auf der EU. groups“ wurde 2004 von Frankreich, Großbritannien und Deutschland der EU heitsstrategie, wo von „strategischen 32 Die ersten Einheiten der NATO Res- vorgeschlagen und hat eine rasche Ent- Partnerschaften“ mit einer ganzen Reihe ponse Force (NRF) sollen im Opera- wicklung genommen. Ende 2004 beab- so unterschiedlicher Staaten wie Russ- tionsgebiet nach 5-7 Tagen eintreffen, sichtigten die Mitgliedsstaaten, z.T. zu- land, Kanada, Indien, Japan und die der Battlegroups innerhalb von 10 sammen mit anderen Staaten, 13 solche schließlich den Vereinigten Staaten ge- Tagen. Einheiten aufzustellen. Bereits Ende sprochen wird (siehe Anhang unter der 15 Zur NATO-Politik siehe Peter Schmidt, 2005 soll es möglich sein eine Battle- Überschrift: „Andere strategische Part- Die nächste Runde der NATO-Erweite- nerschaften“). Mit Bezug auf das EU- group-Mission durchzuführen, zwei si- rung. Ziele, Kandidaten, Bedingungen, multane Operationen 2007. Sie sollen NATO-Verhältnis lässt sich der Begriff Berlin: SWP, 2001 (SWP-Studie), S 31. der „strategischen Partnerschaft“ am eine Stärke von rd. 1500 Mann haben, Zur EU-Politik siehe insbes. Heinz innerhalb von 10 Tagen im Einsatz sein besten als eine geplante, wechselseitige Kramer, Die Türkei und die Kopenha- Unterstützung zur Erreichung gemeinsa- und sind auf eine Mission von 30 , bei gener Kriterien, Berlin: SWP, 2002 Unterstützung bis 120 Tagen, ausgelegt. mer (strategischer) Ziele bezeichnen. (SWP-Studie), S 29. 27 Bei SHIBRIG handelt es sich um eine 5 Für die ESS haben die Autoren z.B. nur 16 Dies betrifft insbesondere die USA und eine Bearbeitungszeit von sechs Wochen multinationale Brigade, die den VN als die Türkei. schnell einsetzbare Peacekeeping-Trup- zur Verfügung gehabt. 17 D.h. ein Abkommen, in dem sich die 6 pe zur Verfügung gestellt werden kann. Siehe im Anhang den Abschnitt: Staaten verpflichten, NATO-Standards Ihr gehören derzeit 16 Nationen hat, „Sicherheitspolitisches Leitbild“. für den Umgang mit klassifizierten Infor- darunter die EU-Mitgliedsländer Öster- 7 ebd. mationen und Dokumenten einzuhalten. reich, Dänemark, Finnland, Italien, Ir- 8 Dies gilt vor allem für Schweden, das in Vgl.: Declaration of the Council Meeting land, Litauen, Niederlande, Norwegen, den Verhandlungen über die ESVP in Copenhagen on 12 December 2002; Polen, Portugal, Spanien und Schweden. immer darauf bestanden hat, dass bei in: Presidency Conclusions-Copenhagen, Sie operiert unter Artikel VI der VN- Militäroperationen, die nicht unter einen 12 and 13 December 2002, Annex II. Charta, d.h. ist nicht dazu gedacht, Frie-

AUFTRAG 261 49 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

den mit militärischen Mitteln zu erzwin- Protokoll ratifiziert haben mit 2/3-Mehr- mit von 15 auf 24 Staaten erweitert wird. gen. Entsprechend wurde die Brigade heit gewählt werden. Der PSC soll bis Europa soll dabei einen zusätzlichen zum ersten Mal im Rahmen der VN-Mis- zum Jahr 2010 u.a. eine Stand-by-Force permanenten Sitz erhalten. sion in Äthiopien und Eritrea (UNMEE), von 15.000 Mann besitzen und verfügt Im Reformmodell B umfasst der Sicher- in einer Situation eingesetzt, in der bei- auch über einen Militärausschuss und heitsrat ebenfalls 24 Staaten, jedoch de Konfliktparteien dem Einsatz zu- ein Lagezentrum. Neben fehlenden Mit- werden acht zusätzliche Mitglieder – stimmten. teln und einer noch im Aufbau befindli- ebenfalls ohne Vetomöglichkeit – auf 28 Die „African Peace Facility“ ist eine von chen Organisation ist das Problem der vier Jahre (wobei Wiederwahl möglich der EU finanzierte afrikanische Einrich- AU die Tatsache, dass eine ganze Reihe ist), elf weitere Mitglieder wie bisher nur tung, die auf drei Prinzipien beruht: Auf von Staaten Grundkriterien der Demo- auf zwei Jahre gewählt. kratie, Menschenrecht und Rechtsstaat- dem Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ 33 High-level Panel, Ziffer 256. und der Absicht, die Autorität der Afri- lichkeit nicht erfüllen. So wurden z.B. Bei der Kritik am Veto-Recht wird aller- kanischen Union zu stärken; auf der Ab- im März mit Algerien, Äthiopien und dings eine positive Funktion dieses sicht, die Solidarität der Afrikaner zu Gabun Staaten in den PSC gewählt, die Rechts übersehen: Es verhindert, dass stärken und auf dem Ziel die Vorausset- keine Demokratien sind. Vgl. dazu die Interessen von großen Mächten, mit zungen für Entwicklung dadurch zu ver- Siegmar Schmidt, Prinzipien, Ziele und u.U. ernsten Konsequenzen für den bessern, dass Ausgaben für Entwick- Institutionen der Afrikanischen Union, Weltfrieden, übergangen werden. Dies lungshilfe für Peacekeeping-Operatio- in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 4/ betrifft zwar aufgrund der Machtver- nen verwendet werden (siehe Security 2005, 24. Januar 2005, bes. S. 29f. schiebungen nach dem 2. Weltkrieg im and Peace and Stability for Africa. 31 „Artikel 23, 1 der VN-Charta lautet: Wesentlichen nur noch die USA, in eini- The EU-fundet African Peace Facility „Der Sicherheitsrat besteht aus fünfzehn ger Zeit mögen jedoch wieder China und und Rory Keane, The EU’s African Mitgliedern der Vereinten Nationen. Die Rußland dazustoßen. Peace Facility Uncovered: Better late Republik China, Frankreich, die Union 34 than never?, in European Security Re- der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Dies verändert sich auch nicht grund- view, Number 24, October 2004). das Vereinigte Königreich Großbritanni- sätzlich durch den Vorschlag eines Sys- 29 Die EU hat auch 2004 festgestellt, dass en und Nordirland sowie die Vereinigten tems einer „öffentlichen Probeabstim- die primäre Verantwortung für Präventi- Staaten von Amerika sind ständige Mit- mung“ bei der es keine Veto-Möglich- on und Konfliktmanagement bei den Af- glieder des Sicherheitsrats. Die General- keit gibt, die jedoch auch keine rechtli- rikanern selbst liegt. versammlung wählt zehn weitere Mit- che Wirkung hat (siehe High-level Pa- nel, Ziffer 257). 30 Bei der AU handelt es sich um die si- glieder der Vereinten Nationen zu nicht- cherheitspolitisch wichtigste afrikani- ständigen Mitgliedern des Sicherheits- 35 In gewisser Weise würde sich damit – sche Regionalorganisation. Ihr Auftrag rats; hierbei sind folgende Gesichts- quasi automatisch – eine Art „EU ist es Frieden Sicherheit und Stabilität punkte besonders zu berücksichtigen: Security Council“ etablieren, wie er vom auf dem afrikanischen Kontinent zu för- in erster Linie der Beitrag von Mitglie- Oxford Council on Good Governance – dern. Alle afrikanischen Staaten, mit dern der Vereinten Nationen zur Wah- allerdings unter Einschluß von zwei zu- Ausnahme Marokkos, sind Mitglieder. rung des Weltfriedens und der interna- sätzlichen EU-Mitgliedern – vorgeschla- Sie gründet sich zwar auf den Prinzipien tionalen Sicherheit und zur Verwirkli- gen wurde (siehe Joachim Alexander der Souveränität und Nicht-Einmi- chung der sonstigen Ziele der Organisa- Koops, ‘Effective Multilateralism’: The schung in die inneren Angelegenheiten tion sowie ferner eine angemessene geo- Future of the EU’s External Identity in a eines Staates, doch hat sie seit dem graphische Verteilung der Sitze.“ System of Trilateral Security Gover- Jahr 2000 sich die rechtliche Möglich- 32 Reformmodell A sieht neben den bishe- nance, unpublished paper, (http:// keit geschaffen, im Falle von Kriegsver- rigen fünf ständigen Mitgliedern auf www.tukkk.fi/pei/NewEurope/SessionC3/ brechen, Genociden oder Verbrechen Dauer weitere sechs ständige Mitglieder Koops.pdf) S. 16). gegen die Menschheit zu intervenieren vor. Im Unterschied zu den Fünf sollen 36 Siehe Karl Kaiser, Der Sitz im Sicher- (siehe www.africa-union.org). Mit dem sie jedoch über kein Veto-Recht verfü- heitsrat. Ein richtiges Ziel deutscher Rat für Frieden und Sicherheit (Peace gen. Dreizehn nichtständige Mitglieder Außenpolitik, in: Internationale Politik, and Security Council, PSC) besitzt sie vervollständigen das Gremium, das da- 8/2004, S. 67. ein permanentes Organ mit um- fassenden Zuständigkeiten, zu denen auch die Entsendung von Friedensmissionen und die Emp- fehlung von Zwangsmaßnahmen gehört. Entscheidungen werden im Konsens getroffen, falls dies nicht möglich ist, genügt jedoch eine 2/3-Mehrheit der anwesen- den Mitglieder. Ein Vetorecht existiert nicht. Analog zum Si- cherheitsrat besteht der PSC aus 15 Mitgliedern, von denen fünf für drei Jahre und die übrigen zehn für jeweils zwei Jahren gemäß einem Regionalproporz von den AU-Staaten die das PSC-

Blick in das Plenum während eines Vortrags. Vorn am ersten Tisch Schirmherr General- leutnant Karl-Heinz Lather (r.) und GKS-Bundesvorsitzender Oberstleutnant Paul Brochhagen.

50 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“ Die Zukunft im Visier Neue Aufgaben der Bundeswehr vorgestellt von Generalmajor Wolfgang Korte, Amtschef Heeresamt, Köln

eneralmajor Wolfgang Korte, der neue Schirmherr der Akademie, stellte in den Mittelpunkt senier Ausführungen den Transforma- Gtionsprozess für die Bundeswehr, der mit den Verteidigungspoli- tischen Richtlinien (VPR) vom 21. Mai 2003 in Gang gesetzt wurde und bis zum Jahr 2010 abgeschlossen werden soll. Der Bericht folgt in groben Zügen und stichwortartig dem Powerpoint gestützen Vortrag, dem auch die beigefügten Grafiken entnommen sind, ohne alle vom Referenten an- gesprochenen Aspekte berücksichtigen zu können. (PS)

Was heißt Transformation – Unterstützungskräfte. der Bundeswehr Diese werden für ihre jeweiligen Rahmenbedingungen „Um künftigen Gefahren mit in- Einsätze zielgerichtet ausgebildet und Zunächst erläuterte GM Korte ternationalen Partnern dort zu begeg- ausgerüstet. Die Entfaltung der Ge- die veränderten Rahmenbedingen nen, wo sie entstehen, passt sich die samtfähigkeit entsteht im streitkräfte- ausgehend von der „alten“ Bundes- Bundeswehr mit dem Prozess der Trans- gemeinsamen Handeln von Heer, wehr zur Zeit der Ost-West-Konfron- formation an die neuen sicherheitspo- Luftwaffe, Marine, Streitkräftebasis tation, deren Hauptauftrag die klas- litischen Herausforderungen an. und Zentralem Sanitätsdienst. sische Bündnisverteidigung und de- Ziel der Transformation der Bun- Die Bundeswehr wird jetzt konse- ren Fähigkeiten auf eine eindimensi- deswehr ist die nachhaltige Verbesse- quent auf die Verbesserungen ihrer onale Bedrohung aus dem Osten aus- rung ihrer Fähigkeit in dem Einsatz- Fähigkeiten ausgerichtet. Dies ge- gerichtet war (Abb. 1). spektrum, das in den VPR vorgegeben schieht mit Masse ab dem Jahr 2007 Mit der deutschen Wiederverei- wird. Dieses sind vor allem multinati- und findet seinen Ausdruck in neuen nigung begann eine Übergangsphase, onale Einsätze zur Konfliktverhütung Strukturen, einer angepassten Materi- die zu ersten Friedenseinsätzen im und Krisenbewältigung. Was diesem al- und Ausrüstungsplanung und ei- Ausland (Iran/Kambodscha, Soma- Ziel nicht dient, ist nachrangig. Struk- ner bedarfsgerechten Stationierung. lia) führten und die Mitwirkung turen, Organisationsabläufe und Aus- Die so neu gestaltete Bundeswehr Deutschlands an internationalem Kri- bildung werden hieran angepasst, wird besser in der Lage sein, den Her- senmanagement erforderlich machte. Material- und Ausrüstungsplanung ausforderungen des 21. Jahrhunderts Spätestens mit der Frieden stabilisie- auf diesen Schwerpunkt konzentriert gerecht zu werden und den Schutz der renden Operation auf dem Balkan und an den finanziellen Möglichkei- Bürgerinnen und Bürger sicherzustel- zeigte sich, dass die Sicherheitslage ten ausgerichtet. 1 Für den zwar unwahrscheinli- len.“ diffuser und unberechenbarer und chen, aber nicht grundsätzlich auszu- Abb. 1: schließenden Fall einer herkömmli- chen Landesverteidigung gegen einen Angriff mit konventionellen Kräften wird die Rekonstitution konzeptionell vorbereitet. Die grundsätzliche Befä- higung hierzu wird durch die allge- meine Wehrpflicht erreicht. Der beginnende Transformations- prozess zielt auf einen ganzheitlichen sicherheitspolitischen Ansatz zur Be- wältigung der Herausforderungen des 21. Jhs. und zur Lösung der Frage, welchen Beitrag Streitkräfte und Bundeswehrverwaltung dazu leisten können. Kern der Transformation ist die Schaffung von drei Kräftekategorien: – Eingreifkräfte, – Stabilisierungskräfte und

1 Zitat entnommen der Website >www. bundeswehr.de – Link „Transformation“

AUFTRAG 261 51 GKS-AKADEMIE „OBERST HELMUT KORN“

Das „Neue Heer“ verliert 30.000 Abb. 2: Dienstposten und wird von ggw. 134.000 Dienstposten auf 104.000 verkleinert. Einsatzkräfte werden nur noch durch längerdienende Soldaten gestellt, von denen 40 % Mannschaften SaZ sein sollen.

und führt Spezialisierte Kräfte. Spezialkräfte als Mittel der politisch- militärischen Führung erfüllen ihren besonderen Auftrag in der asymmet- rischen Gefahrenabwehr. Speziali- sierte Kräfte haben die Befähigung zu Evakuierungsoperationen und eine Grundbefähigung für Operatio- nen gegen irreguläre Kräfte. Die anderen Kräfte werden durch drei weitere Divisionskommandos, darunter die Division Luftbewegliche Operationen (DLO), geführt. Eines davon ist personell so auszuplanen, die Aufgaben für die Streitkräfte viel- Bundeswehr sind als Auslöser der dass es für Stabilisierungsoperationen schichtiger und mehrdimensionaler Transformation zu sehen, welche die als Leitdivision eingesetzt werden geworden waren. Hinzu kamen nachfolgenden Sachzwänge erfüllen kann. – globale Entwicklungsfaktoren: soll: Luftbewegliche Kräfte ergänzen o Zusammenbruch von Staatswesen, – Einsatzaufgaben bestimmen das neue Fähigkeitsprofil. Das o Terrorismus, Fähigkeiten und Struktur Heeresführungskommando führt ne- o Proliferation von Massenver- – Konzeption und Wirklichkeit sind ben den Divisionen auch die deut- nichtungswaffen (MVW) sowie in Einklang zu bringen schen Anteile an den multinationalen o Nebeneinander von Krieg, – Balance zwischen Auftrag, Fähig- Korps, ist für Ausbildung, Übungen Stabilisierungsoperationen und keiten, Ausrüstung und Struktur und die Einsatzvorbereitung verant- humanitären Hilfeleistungen sind herzustellen. wortlich und stellt den jeweiligen sowie die Beitrag des Heeres für Einsätze be- – Notwendigkeit den Schutz der Zur Optimierung der Aufgaben- reit. eigenen Soldaten fern der Heimat erfüllung wird die klassische Teil- Das neue streitkräftegemeinsame sicher zu stellen. streitkräftegliederung zugunsten ei- Kommando Operative Führung Ein- D.h., die Realität hat den Streitkräf- nes gemeinsamen Verbundes von greifkräfte ist für den Einsatz dem ten einen neuen Handlungsrahmen Heer, Luftwaffe, Marine, Streitkräf- EinsFüKdoBw unterstellt. Es wird gesetzt, auf den reagiert werden tebasis (SKB) und Sanitätsdienst auf- bis Ende 2006 im Heer aufgestellt. musste. gegeben. In der SKB werden alle Das Heeresamt ist für die Kon- Nach den VPR von 2003 leitet Unterstützungsleistungen (Fernmel- zepte zur Weiterentwicklung verant- sich aus den veränderten Rahmen- deverbindungen, Logistik, Transport, wortlich, legt die Grundsätze für die bedingungen und der notwendigen Feldjäger und Operative Informati- Ausbildung und Lehrgänge fest und Anpassung an die veränderte Sicher- on) unter einem Dach zusammenge- führt die Schulen. heitslage das Aufgabenspektrum fasst. Trotz spürbarer Reduzierungen der Bundeswehr ab: sollen aber Handlungsspielräume ge- Fähigkeitsgewinn – Internationale Konfliktverhütung wonnen und eine Stärkung und Ausführlich ging der Amtschef und Krisenbewältigung, ein- Flexibilisierung der Einsatzkräfte er- des Heeresamtes dann auf den schließlich des Kampfes gegen zielt werden. „Fähigkeitsgewinn im Neuen Heer“ den internationalen Terrorismus, ein. „Nicht jeder müsse alles kön- – Unterstützung von Bündnis- Das „Neue Heer“ nen“, meinte er, deshalb werde das partnern, Das Heer verfügt künftig über Heer konsequent auf die Verbesse- – Schutz Deutschlands und seiner fünf Divisionskommandos. Es stellt rung der Fähigkeiten ausgerichtet. Bürgerinnen und Bürger, eine mechanisierte Division mit drei Dies finde seinen Ausdruck in neuen – Rettung und Evakuierung, Manöverelementen für die Eingreif- Strukturen, einer angepassten Mate- – Partnerschaft und Kooperation, kräfte, die vorrangig für streitkräfte- rial- und Ausrüstungsplanung, einem – Hilfeleistungen (Amtshilfe, Natur- gemeinsame vernetzte Operationen geänderten Ausbildungskonzept und katastrophen, besonders schwere hoher Intensität vorgesehen ist. einer bedarfsgerechten Stationie- Unglücksfälle). Die Division Spezielle Operatio- rung, so der Amtschef des Heeres- Diese neuen Hauptaufgaben der nen (DSO) stellt Spezialkräfte bereit amtes.

52 AUFTRAG 261 10. SEMINAR 2005 „EUROPÄISCHE EINHEIT“

Teilnehmer nutzen die ungezwungene Atmosphäre des Seminars für das Ge- spräch mit dem hohen General und Amtschef des Heeresamtes.

darfsgerechten Stationierung. Die so neu gestaltete Bundeswehr wird besser in der Lage sein, den Herausforderun- gen des 21. Jhs. gerecht zu werden und den Schutz der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.“3 GM Korte ist überzeugt, dass der Transformationsprozess vorankommt. Allerdings blieben Risiken und Un- wägbarkeiten, weil die Transformati- on nicht zum Nulltarif zu erhalten sei. Das Heer habe einen Anteil von Die Truppen des Heeres werden GM Korte ging dann noch auf 60 % bei den Einsätzen, aber nur 40 nach Aufgabenschwerpunkten drei Einzelheiten ein, wie Personalum- % Anteil an den Investitionen. Weit- Kräftekategorien zugeordnet: fang, Einsatzrhythmus, Ausstattung gehender Konsens bestehe bei der (1) Eingreifkräfte: für Konflikte und Ausrüstung des „Neuen Hee- Beibehaltung der Wehrpflicht. Die hoher Intensität, Befähigung zur res“.2 Innere Führung sei ein nicht aufgeb- Gefechtsführung im Rahmen der barer Bestandteil der Führungskultur vernetzten Operation Zusammenfassung, Ausblick in den Streitkräften. Mit diesem Hin- (joint, combined, vernetzt): „Kern der Transformation ist die weis leitete der u.a. für die Ausbil- – friedenserzwingende Maßnah- Schaffung von drei Kräftekategorien: dung im deutschen Heer zuständige men gegen militärisch organi- Eingreifkräfte, Stabilisierungskräfte General auf Arbeitsgruppen zum sierte Gegner, und Unterstützungskräfte. Diese wer- Thema „Veränderungen im Bild des – Kräfte für Rettung und den für ihre jeweiligen Einsätze rich- Soldaten“ über. Hierzu führte er aus: Evakuierung, tig ausgebildet und ausgerüstet. Die Die Aufgaben im „Neuen Heer“ – modulares Prinzip, organische Entfaltung der Gesamtfähigkeit ent- stellten hohe Anforderungen an den Führungs- und Kampfunter- steht im streitkräftegemeinsamen militärischen Führer. Offiziere und stützung, Handeln. Unteroffiziere müssten sich auf einen – Bei Bedarf auch Stabilisie- Die Bundeswehr wird jetzt konse- regelmäßigen Austausch zwischen rungsoperationen. quent auf die Verbesserung ihrer Fä- Einsatzkräften und Stabilisierungs- – leisten Beiträge für: higkeiten ausgerichtet. Dies geschieht kräften einstellen. Kernfaktoren für o Schnelle Eingreifkräfte mit Masse ab dem Jahr 2007 und fin- die Einsatzfähigkeit der Führer seien NATO NRF, det seinen Ausdruck in neuen Struktu- Persönlichkeit, Können, Fähigkeit o EU-Battle Groups, ren, einer angepassten Material- und zum Führen, Zusammenhalt der o Early Entry Forces. Ausrüstungsplanung und einer be- Truppe, Legitimität des Einsatzes (2) Stabilisierungskräfte: und die Überzeugung von der Leis- für Aufgaben mittlerer und tungsfähigkeit der eigenen Truppe. niedriger Intensität, was etwa Jeder Führer müsse die Fähigkeit dem breiten Spektrum heutiger zum Handeln auch unter stärkstem Einsätze entspricht: Druck behalten. Das Bild des Solda- – Durchführung multinationaler, ten werde durch eine hohe Flexibili- streitkräftegemeinsamer tät geprägt, er müsse sein Operationen längerer Dauer, Retter – Helfer – Schützer – was im worst case heißt: Diplomat – Spezialist – Kämpfer. – Anwendung von Waffengewalt: Gute Ausbildung, gute und ge- o gegen einen teilweise militä- rechte Behandlung, Bindung an die risch organisierten Gegner. eigene Truppe, Erleben des Führers o gegen asymetrisch kämpfen- als Mensch und Vorbild, selbst als den Feind, Person ernst genommen werden, das o geringe Verluste, ergebe den verantwortlich handeln- den Soldat, so Generalmajor Wolf- o Durchsetzungsfähigkeit. ❏ (3) Unterstützungskräfte: gang Korte. Unterstützung in Vorbereitung 2 Wer mehr zur materiellen Ausstattung wissen möchte, wird auf die Informationen im Inter- und Durchführung der Einsatz- net auf die Website >www.bundeswehr.de<, weiter klicken auf „Streitkräfte“ – „Transfor- aufträge in Deutschland und im mation“ – „Transformation des Heeres“, verwiesen. Einsatzgebiet. 3 aus: BMVg, „Grundzüge der Konzeption der Bundeswehr“; Berlin, Aug. 2004, S. 50.

AUFTRAG 261 53 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Dem Recht Stärke verleihen Ethische Herausforderungen für Soldaten in internationalen Einsätzen

VON LUDWIG JACOB

Weltfriedensorganisation – Mit der Gründung der VN 1945 zu konstituieren, stellt die Charta der Vereinte Nationen nach der Katastrophe des II. Welt- Vereinten Nationen die internationa- Dem Recht Stärke verleihen. Das krieges wurde eine neue Tradition le Politik und die Fortentwicklung war auch die Absicht, die mehr als der politischen Kultur begründet, bei des Völkerrechts unter den Anspruch 170 Staats- und Regierungschefs der erstmalig ein globales Regelwerk eines internationalen Ethos, dessen zum 60. Weltgipfel der UNO am 13. für das friedliche Zusammenleben Kernelemente das allgemeine Ge- September 2005 in New York zusam- der Völker in der Welt geschaffen waltverbot, die Respektierung einer mengeführt hat. Dieses Treffen sollte wurde. Friede ist nach heutigem Ver- rechtlich gebundenen Souveräni- der große Reformgipfel für das im ständnis mehr und umfassender als tät der Staaten, grundlegende Men- Jahre 2000 beschlossene Millenni- die Sicherung menschlichen Über- schenrechtsnormen sowie ein koo- umsprojekt sein, mit dem die UNO lebens: das Wort „Frieden“ bezeich- perativ ausgestaltetes internationa- für die Herausforderungen des 21. net eine bestimmte Qualität mensch- les Sozialstaatsprinzip sind. Jhds. aktionsfähiger gemacht werden lichen Lebens, die durch drei We- So heißt es zum Beispiel im zwei- sollte. Unsere Erwartungen waren zu sensmerkmale gekennzeichnet ist: ten Absatz der Präambel zur Charta hoch gesteckt. Das magere Gipfel- Vermehrung von Gerechtigkeit, Ab- der Vereinten Nationen, die Völker Ergebnis bleibt in fast allen Punkten bau von Not und Gewalt sowie Ver- der Vereinten Nationen „bekräfti- hinter den Reformzielen zurück: es minderung von Unfreiheit und gen“ ihren „Glauben an die Grund- hat keine über das schon zugesicher- Zwang. rechte des Menschen, an Würde und te Maß hinausgehende Verpflichtung Ein Recht zum Krieg gibt es Wert der menschlichen Persönlichkeit der Staaten zur Halbierung der Hun- nicht mehr; nur noch Zwangsmaß- [...].“ gernden in der Welt bis 2015 gege- nahmen des Sicherheitsrates (SR) Das Prinzip der Souveränität der ben, die Reform des Sicherheitsrats und eng begrenzte Ausnahmen zuläs- Staaten macht das Völkerrecht for- ist nicht behandelt worden, die Instal- siger Gewalt, dazu gehört z.B. das mal zu einem zwischenstaatlichen lierung eines Menschenrechtsrates an Recht jedes Staates, sich gegen einen positiven Vertragsrecht. Von seinem Stelle der diskriminierten Men- bewaffneten Angriff auch militärisch Ursprung her aber ist das Völker- schenrechtskommission ist nicht voll- verteidigen zu können, solange der recht vorstaatliches Recht, weil es endet und besonders schwerwiegend: SR der VN nicht die erforderlichen die kodifizierten Menschenrechte der VN-Gipfel hat sich nicht zu den Maßnahmen ergriffen hat. einschließt. Daher geht es in dem drängenden Fragen von Abrüstung Im Anbetracht der im Zuge der Bemühen um eine internationalen und Nonproliferation von Massenver- Globalisierung immer enger werden- Ordnung in entscheidender Weise nichtungswaffen geäußert. Eine Kon- den weltweiten Verflechtungen wer- um die Frage, ob diese Ordnung auf vention gegen den Terrorismus ist den die VN sogar immer wichtiger. der Anerkennung einer für die zwar in Arbeit, aber über die vorge- Hierauf hat der vormalige Papst Jo- Staatsführungen unverfügbaren Norm, schlagene Definition von Terrorismus hannes Paul II. in seiner Botschaft nämlich der Würde und Recht des konnte keine Einigkeit erzielt werden. zum Weltfriedenstag am 1. Jan. 2004 Individuums gründet oder auf dem Vor allem die großen und mäch- hingewiesen: „Die Menschheit wankelmütigen Willen der Mit- tigen Staaten haben sich den Re- braucht ... einen höheren Grad inter- glieds-Staaten zur Vertragstreue. formvorstellungen nicht angeschlos- nationaler Ordnung“ eine Ordnung sen, zum Teil, weil sie an einer Wirk- die „sich (von) einer ... administrati- Menschenrechte samkeitssteigerung der VN nicht ven Institution zu einem moralischen Der Schutz der dem Völkerrecht sehr interessiert sind, oder weil sie Zentrum erhebt“. zugrunde liegenden Menschenrechte andere nationale Interessen über das Der Sicherheitsrat darf jedoch ist seit der Gründung der VN durch Völkergemeinwohl gestellt haben. nicht nur dort zum Konsens finden, ein Netzwerk von Konventionen und Für die überwältigende Mehrheit wo die strategischen Interessen der vergleichbaren Texten rechtsver- der 191 Staaten der Völkergemein- Großmächte miteinander überein- pflichtend ausgebaut worden (z.B. schaft ist jedoch unbestritten, dass stimmen, sondern sein Handeln Menschenrechtspakte über zivile nur die Vereinten Nationen (VN) der muss ausgerichtet sein an der Grund- und soziale Grundrechte 1976). Ort sein können, wo internationale idee der Völkergemeinschaft und da- Im Schreiben der deutschen Bi- Konflikte bearbeitet werden sollten mit an dem Ziel, Recht, Gerechtig- schöfe „Gerechter Friede“ (GF) vom und der jetzt wieder stärker in Er- keit und Unparteilichkeit zu stärken. 27.09.2000 heißt es: „Im Schnitt- scheinung tretenden Gewalt Einhalt Die Charta der Vereinten Natio- punkt ... steht der Respekt gegenüber geboten werden kann. Nur die VN nen (VNC) ist die normative Grund- der Würde des Menschen“ (GF 58). besitzen die Legitimation zu präven- lage des Friedensbemühens in der Für ein Menschenrechtsver- tivem Handeln, auch mit militäri- heutigen Welt. In ihrer Grundinten- ständnis, das für bestimmte Kultur- scher Gewalt. tion, den Frieden als Rechtsordnung kreise einzelne Rechte für nach-

54 AUFTRAG 261 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK geordnet oder gar hinfällig erklärt, internationalen Verpflichtung, Schutz Einlösung von Solidaritätspflichten gibt es seit der Erklärung der Wiener zu gewähren“. unabdingbar ist. Gewaltärmere Mittel Welt-Menschenrechtskonferenz von und Maßnahmen, die weniger Leid 1993 keine Grundlage mehr. Dort Frieden und Gerechtigkeit und Zerstörung mit sich bringen, sind heißt es: Die kath. Kirche hat sich in die- immer vorzuziehen.“ (155) „Alle Menschenrechte sind allge- sem Ringen um die richtige Frie- Wer sich für Recht und Gerech- meingültig, unteilbar, bedingen ein- denspolitik deutlich zu Wort gemel- tigkeit einsetzt, erhält ohne Zweifel ander und bilden einen Sinnzusam- det. keinen Freibrief für eigene Unrechts- menhang. ... Es ist die Pflicht der Erst 1983 mit dem Hirtenwort handlungen, sondern er bleibt an Staaten, ohne Rücksicht auf ihr jewei- „Gerechtigkeit schafft Frieden“ Recht und Gesetz gebunden. Das gilt liges politisches, wirtschaftliches und (GsF) vom 18. April 1983 und dann für jeden Bürger wie auch für jede kulturelles System alle Menschenrech- im September 2000 mit dem Wort Staatsführung. Das gilt für Polizei te und Grundfreiheiten zu fördern und der Bischöfe „Gerechter Friede“ und besonders auch für Streitkräfte. zu schützen.“ (GF), bei dem es den Bischöfen um Kein noch so legitimer Zweck erlaubt Schwere Völkerrechtsverletzun- eine tief greifende Analyse der ge- ein minder legitimes Mittel oder der gen sind daher heute keine innere samten Friedensproblematik und um Zweck heiligt nicht die Mittel, Angelegenheit souveräner Staaten eine umfassende ethische Orientie- jedenfalls nicht aus der Sicht des mehr; die Wahrung der Menschen- rung der Friedenspolitik sowie des christlichen Glaubens. rechte wird als internationale Aufga- kirchlichen und gesellschaftlichen be heute von fast allen Staaten ak- Handelns geht. Schon der Titel des Das Recht im Kriege zeptiert und betrifft daher immer die bischöflichen Wortes „Gerechter Damit komme ich zum zweiten ganze Völkergemeinschaft. Friede“ verweist auf das Fundament, großen Problemkreis ethischer Fra- Dieser sich zunehmend manifes- auf dem Friede aufbaut und auf das gen, den Fragen nach dem „ius in tierende Übergang von einer „Kultur sich gerade heute wieder in besonde- bello“, d.h. nach dem im Kriege gel- der souveränen Straflosigkeit“ zu ei- rer Weise besonnen werden muss. tenden Völkerrecht – das bis 1949 ner „Kultur der nationalen und inter- In der christlichen Tradition ist Kriegsvölkerrecht und seitdem als nationalen Rechenschaftspflichtig- die Gerechtigkeit dem Frieden vor- Humanitäres Völkerrecht bezeichnet keit“ („sovereignty under law“) geordnet. Der Frieden gilt als Frucht wird. Das Humanitäre Völkerrecht deutet einen nicht hoch genug einzu- der Gerechtigkeit. Die Überwindung setzt die völkerrechtlichen Grenzen schätzenden Paradigmenwechsel in von Ungerechtigkeit und die Partei- für jeden militärischen Einsatz; es der internationalen Rechtssituation nahme für diejenigen, denen Recht umfasst die Gesamtheit aller Rechts- an. vorenthalten wird, gehören zu den normen, die dem Schutz der Men- In seiner Ansprache an die wichtigsten Zielsetzungen christli- schen, Güter und der Umwelt in be- Militärbischöfe am 11. März 1994 cher Friedensethik. Frieden ist mehr waffneten Konflikten dienen. Den hat Papst Johannes Paul II. nach- als die Einhegung von Gewalt; Frie- Kern dieses modernen humanitären drücklich auf die sich aus der Ver- den zielt auf die Ermöglichung eines Völkerrechts bilden die vier Genfer pflichtung zum Schutz der Men- menschenwürdigen Lebens für jeden Abkommen vom 12. August 1949, schenrechte für Streitkräfte für Sol- und überall. auf die sich die dann 1977 zur Er- daten ergebenden Folgerungen hin- Vor allem drei Felder zur Beför- gänzung geschaffenen zwei Zusatz- gewiesen mit den Worten: „Das derung eines solchen Friedens wer- protokolle ausdrücklich beziehen. Prinzip der Nichtgleichgültigkeit – den in den Dokumenten einer einge- Diese Abkommen sind bis zum Jahr oder, positiv ausgedrückt, des huma- henden Betrachtung unterzogen: die 2000 von 189 Staaten ratifiziert. wor- nitären Eingreifens – angesichts der Achtung und die Förderung der den; das bestätigt die weltweit aner- Dramen der Völker weist dem Solda- Menschenrechte, das Bemühen kannte Notwendigkeit humanitärer ten und den Streitkräften eine neue um größere internationale Ge- Rechtsvorschriften in bewaffneten und wichtige Rolle zu, für die das rechtigkeit und schließlich der Auf- Konflikten. Evangelium stärkere und entschei- bau einer Weltfriedensordnung, Obgleich das moderne Völker- dendere Motive bieten kann als alle wozu u.a. eine Stärkung der Verein- recht zwischen einer rechtswidrigen politischen und wirtschaftlichen Ver- ten Nationen und die Weiterentwick- Aggression und einer nach Art. 51 nunftsgründe.“ lung der internationalen Rechtsord- VN-Charta rechtmäßigen Verteidi- In klarer Weise legt der Bericht, nung, einschließlich der Einrichtung gungshandlung des Angegriffenen „The Responsibility to Protect“, der eines Weltgerichtshofes, gehören unterscheidet, steht den Streitkräf- hochrangigen Axworthy-Komission sollten. ten, die sich gegen einen bewaffneten der VN vom Dez. 2001 die Prinzipi- Die Bischöfe knüpfen Gewaltan- Angriff verteidigen oder für die Wie- en und Regeln dar für den Schutz der wendung zugunsten der Menschen- derherstellung der Menschenrechte Bevölkerung gegen schwere Men- rechte gleichzeitig an die strengen kämpfen nicht alle Möglichkeiten schenrechtsverletzungen, es heißt Bedingungen einer Ethik der und Mittel zur Niederkämpfung des dort: „wenn der betreffende Staat Gewaltminimierung: „Auch die aus Gegners offen, sondern jede militäri- nicht fähig oder nicht willens ist, ein Gründen der Notwehr und Nothilfe sche Aktion verlangt die angemesse- Ende herbeizuführen oder das Un- ausgeübte Gewalt bleibt ein Übel. Der ne Einbeziehung humanitärer recht abzuwenden, dann weicht der Einsatz von Gewalt muss sich daher Grundsätze. Grundsatz der Nicht-Intervention der auf jenes Maß beschränken, das zur Einer der wichtigsten Grundsät-

AUFTRAG 261 55 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK ze des Humanitären Völkerrechts (II. lem der Kampf gegen den internatio- missionen deutlich. Der Soldat von Genfer Zusatzprotokoll von 1977, nalen Terrorismus werfen schwer- heute muss lernen, wie er mit unter- Art. 35) besagt, dass „die am Konf- wiegende Fragen nach den Auswir- schiedlichen Werthaltungen umge- likt beteiligten Parteien kein un- kungen auf das Humanitäre Völker- hen kann. Das setzt zunächst einmal beschränktes Recht in der Wahl recht als Rechtsordnung der Welt- Kenntnisse verschiedener Kultur- der Methoden und Mittel der gemeinschaft auf. formen voraus. Darauf basierend gilt Kriegsführung“ haben. So ist z.B. die Unterscheidung es dann Standards für internationale Das betrifft insbesondere das zwischen Kombattanten und Nicht- Verhaltensnormen zu entwickeln – Verbot der Verwendung von Waffen, Kombattanten bis heute eines der be- ähnlich den Regelungen militäri- Geschossen und Material sowie For- sonderen Problemfälle des Völker- schen Verhaltens, den „rules of men der militärischen Operations- rechtes – auch weil diese Frage in engagement“. Diese rechtlich-ethi- führung, die geeignet sind, den Zusatzprotokollen (Art. 44, ZP I) schen, an der Würde und Unverletz- – unnötige Leiden und überflüssi- nicht zufriedenstellend gelöst wer- barkeit des Menschen ausgerichteten ge Verletzungen zu verursachen den konnte. Verhaltensmuster müssen noch in sowie Sicher ist nur, dass den Terroris- stärkerem Maße Eingang in die – militärische Ziele und Zivilper- ten nicht der Status eines Kombat- Führungslehre finden. sonen oder zivile Objekte unter- tanten im Sinne des Kriegsvölker- Die Soldaten der Bundeswehr schiedslos zu schädigen und als rechts zuerkannt werden darf. Die sind sich bewusst, dass der Primat neue Bestimmung Kombattanteneigenschaft ist ein pri- des Rechts und des Gewissens noch – ausgedehnte und langanhaltende vilegierter Status, der das Recht zu wichtiger sind als der Primat der Po- und schwere Schäden an der Tötungs- und Schädigungshand- litik. Es gibt auch keine Sonder- Umwelt zu verursachen. lungen in bewaffneten Konflikten formen von Legitimität oder Ethos in einschließt. den Streitkräften, die nicht durch das Auch in „Gerechter Friede“ wei- Auch beim Kampf gegen irregu- allgemeine Recht gedeckt wären. Je- sen die Bischöfe auf diesen Punkt läre Kämpfer ist immer ein Kernbe- der Vorgesetzte hat sich daran zu ori- hin: „... deshalb muss das Maß der stand von humanitären Völkerrechts- entieren. Gewaltanwendung so kalkuliert wer- regeln zu beachten. Zu diesem in Art. Die Freiheit des Gewissens (Art. den können, wie es der Grundsatz der 3 der Genfer Konventionen aufge- 4 Abs. 1 GG) steht auch Soldaten zu. Verhältnismäßigkeit gebietet“ (GF zählten Kernbestand gehört der Diese gewährleistete Gewissensfrei- 156). Diesem Prinzip der völker- Grundsatz, dass Personen, die nicht heit ist ein eigenständiges Grund- rechtlichen, ethischen und auch mi- unmittelbar an den Feindseligkeiten recht. litärischen „Verhältnismäßigkeit“ teilnehmen, sowie Verwundete und Insofern ist die Befehls- und oder „Proportionalität“ sind alle Gefangene ,,unter allen Umständen Kommandogewalt unter einem ver- militärischen Operationen unterwor- mit Menschlichkeit behandelt“ wer- fassungsrechtlichen Ausübungsvor- fen. den müssen. behalt gestellt. Insbesondere dürfen Die zu humanitären oder frie- die sich aus der Verfassung ergeben- denspolitischen Zwecken eingesetz- Streitkräfte den strikten Bindungen an „Recht ten militärischen Mittel dürfen nicht Für die Streitkräfte und die in ih- und Gesetz“ (Art 20 Abs. 3 GG) so- mehr Schaden anrichten, als sie an nen dienenden Soldaten bedeutet wie an die „allgemeinen Regeln des positiver Wirkung haben können. das, die neue Perspektive militäri- Völkerrechts“ (Art. 25 GG) und an Dabei geht es nicht allein um soge- schen Handelns aufzunehmen, näm- die Grundrechte (Art 1 Abs. 3 GG) nannte „Kollateralschäden“ sondern lich ihr Handeln unter die Maxime nicht zur Seite geschoben werden, auch um die weitere Destabilisierung zu stellen. „Friede muss möglich auch wenn dies politisch oder militä- einer Region durch die Zerstörung bleiben.“ risch im Einzelfall zweckmäßig er- der lebensnotwendigen Infrastruktur. Das Zentrum für Innere Führung scheinen mag. Es darf heute in den Bemühun- spricht in diesem Zusammenhang gen nicht nachgelassen werden, die von der „Einheit von Operations- Anforderungen an Soldaten Kampfführungsregeln – auch in den führung und Recht“, d.h. die Anwen- und Missionen „neuen“ Kriegen – auf die drei dung des Einsatzrechts und dazu ge- Das Ziel des militärischen grundlegenden Prinzipien des huma- hört insbesondere auch das Humani- Auftrages ist heute auch nicht nitären Völkerrechtes abzustellen: täre Völkerrecht sind integraler Be- mehr der militärische Sieg über – dem Prinzip der Verhältnis- standteil der militärischen Führung. eine andere Streitmacht, sondern mäßigkeit, Geht man davon aus, dass das je- die Beendigung von Gewalt und – dem Prinzip der Unterscheidung weilige kulturelle Orientierungs- die Öffnung eines Weges zur poli- zwischen zivilen und militäri- system ein Netzwerk von Normen, tischen Lösung der dem Konflikt schen Zielen und Regeln und Wegen darstellt, um in zugrunde liegenden Probleme. – dem Prinzip der militärischen einer bestimmten Umwelt sich zu- Ganz wichtig dabei ist, durch den Verantwortlichkeit. Das ist im rechtzufinden und zu überleben, zurückhaltenden Einsatz militäri- Kosovokrieg nicht immer in aus- dass es Wahrnehmen, Denken, Wer- scher Mittel auch den Weg zur reichendem Maße geschehen. ten und Handeln bestimmt, so wird Versöhnung ebnen zu helfen, die Bedeutung interkultureller Kom- denn ohne Versöhnung kann es Die „neuen“ Kriege, aber vor al- petenz für den Erfolg von Friedens- keinen dauerhaften Frieden ge-

56 AUFTRAG 261 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

ben, sondern allenfalls einen mit den Führungskulturen, geprägt den konkret erfahrenen Nöten und Waffen gesicherten Zustand des durch andere Wertestandards. Wie Schwierigkeiten. In seiner Friedens- Verharrens in Trauer, Leid und in jüngster Zeit erlebt, bestehen auch enzyklika „Pacem in terris“ hat das Hass. Auch diese Situation gehört unter Bündnispartnern – sei es in II. Vatikanische Konzil schon vor 40 zu den wichtigen Erfahrungen, NATO oder EU – teilweise beträcht- Jahren den Dienst des Soldaten die Soldaten in einer Stabilisie- liche Differenzen im Verständnis le- nicht nur als Dienst an Sicherheit rungsmission, sowohl im Kosovo, gitimer außenpolitischer Interessen- und Freiheit des eigenen Landes, wie auch in Afghanistan, immer wahrnehmung, menschenrechtlich- sondern immer auch zugleich als wieder machen. humanitärer Bindungen und der Dienst an der Sicherheit und Freiheit Der Einzelne handelt, wenn er in Funktion von Streitkräften in der aller Völker verstanden. diesen Missionen militärisch agiert, Terrorismusbekämpfung. Soldaten sind heute mehr als politisch. Der Soldat braucht demzu- Wirkliche Interoperabilität zwi- jemals in der Geschichte auf die folge ungleich mehr als in klassi- schen den verschiedenen Armeen Sicherheit und Freiheit der Völ- schen taktischen Einsätzen ein eige- wird in naher Zukunft über operativ- ker, auf die Achtung der Men- nes Urteil über die Anwendung des technische Kriterien hinausgehende schenrechte und auf das interna- Rechts, die Adäquatheit der Ziel- gemeinsame Standards im Hinblick tionale Recht verpflichtet... Mittel-Relation, die moralische Di- auf eine Sozial- und Rechtsordnung Die Erkenntnis, dass „Soldat mension seines Handelns. europäischer Streitkräfte bedingen - sein“ ein Beruf ist, der neben fachli- Die Einbindung deutscher Trup- ein erkennbar anspruchsvolles und chem Können eine eigene moralische pen in multinationale Strukturen bei schwieriges Unterfangen. Urteils- und Handlungsfähigkeit ver- Auslandseinsätzen führt zur inneren Die Militärseelsorge gehört in langt, bildet die Basis eines zeitge- und äußeren Konfrontation unserer den Alltag der Soldaten, also zu den mäßen Selbstverständnisses des Offi- Soldaten mit ungewohnten, z.T. frem- von ihnen erlittenen Widersprüchen, ziers. ❏

KURZ BERICHTET: Kreative Selbstverteidigung und die Mehr gewaltsame Konflikte weltweit falsche Erziehung von Christen zu Opfern ie Zahl gewaltsamer Konflikte in der Welt ist im Jahr 2005 gestie- Benediktiner ist für Selbstverteidigung Dgen. Gegenüber dem Vorjahr nahmen aber die Auseinandersetzun- gemäß der Bergpredigt gen mit „hoher Gewaltintensität“ ab, wie aus einer am 16. Dez. 2005 ie Bergpredigt gilt weithin als eine Art vorgestellten Bilanz des Heidelberger Instituts für Internationale DManifest der wehrlosen Nächstenliebe. Konfliktforschung hervorgeht. Laut „Konfliktbarometer 2005“ sank die Dabei hat Jesus etwas ganz anderes gemeint, Zahl der „ernsten Krisen“ von 35 auf 22 und die der Kriege von 3 auf 2. glaubt der Münsterschwarzacher Benediktiner- Insgesamt könne demnach von einer Deeskalation gesprochen werden, pater Jonathan Düring, Autor des Buchs „Der so das Institut. Wie das Institut an der Universität Heidelberg mitteilte, Gewalt begegnen“. Die bisher übliche Ausle- nahmen die gewaltsamen Konflikte gegenüber dem Vorjahr um 10 auf gung der Bergpredigt erzieht nach Meinung des 98 zu. 24 davon seien mit „hoher Intensität“ ausgetragen worden. Der Paters Christen zu Opfern. Jesus habe aber die Anstieg liege in der Zunahme von 50 auf 74 Krisen begründet, „das Menschen dazu aufgefordert, mit kreativen Vor- heißt Konflikten mittlerer Intensität, in denen Gewalt nur sporadisch schlägen und unerwarteten Antworten auf zum Einsatz kommt“. Weiter habe es 151 „Interessengegensätze“ ohne schwierige Situationen zu reagieren und ihre Einsatz physischer Gewalt sowie 3 Putsche gegeben. Damit sei die Würde als Mensch zu unterstreichen, sagte Gesamtzahl gewaltsamer und nicht gewaltsamer Konflikte im Ver- Düring Anfang Januar in einem Interview der gleichszeitraum von 243 auf 249 gestiegen. Das Institut beobachtet nach Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). eigenen Angaben neben gewaltsamen auch nicht gewaltsame Auseinan- Menschen dürften sich deshalb im Notfall auch dersetzungen, um nationale und internationale Spannungen schon vor ei- mit Gewalt verteidigen: „Wenn sie aus Respekt ner möglichen Eskalation in die Analyse mit einzubeziehen. vor dem anderen eingesetzt wird, ist sie er- Schauplatz der Kriege waren nach Angaben des Instituts mit der laubt.“ sudanesischen Darfur-Region Afrika und mit dem Irak der Vordere Düring forderte dazu auf, gerade jungen und Mittlere Orient. Beide Konflikte seien auch 2004 schon mit Menschen Respekt vor ihren Nächsten und vor höchster Intensität ausgetragen worden. Ein dritter Krieg mit Rebellen- Dingen zu vermitteln. Es gehe um die sinnvolle gruppen im Kongo sei zu einer ernsten Krise deeskaliert. Anders als Entfaltung ihrer Kraft. Gewalt sei erst mit Zer- in den vergangenen Jahren stelle inzwischen der Vordere und Mittlere störung verbunden, wenn sie von einem re- Orient mit 8 Krisen die Region mit den meisten Auseinandersetzungen spektlosen Menschen eingesetzt werde. Zudem hoher Intensität dar, gefolgt von Asien und Ozeanien mit 7 ernsten kritisierte der Ordensmann die Dogmatisierung Krisen. Afrika südlich der Sahara rangiere nach einer deutlichen Dees- der Worte Jesu. Besonders junge Männer wür- kalation von 13 auf 5 hoch gewaltsame Konflikte an dritter Stelle. den sich deshalb von der Kirche entfernen: „Sie In Amerika sind laut Studie 3 Konflikte auf diesem zweithöchsten merken, dass sie zu Opfern erzogen werden sol- Intensitätsniveau beobachtet worden, in Europa mit dem Tschetsche- len.“ Die Bergpredigt sei dagegen ein Plädoyer nien-Konflikt einer. Asien sei bereits 2004 die Region mit den meis- für die Menschenwürde. „Jesus hat gesagt: ten Konflikten gewesen. In diesem Jahr seien dort mit 79 die meisten Hey, du bist Mensch – auch wenn es dir noch so gewaltsamen Konflikte registriert worden. (KNA) schlecht geht.“ (KNA)

AUFTRAG 261 57 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Soldaten als Diener des Friedens Erklärung zur Stellung und Aufgabe der Bundeswehr

Die Erklärung der Inhalt deutschen Bischöfe kann als PDF-Datei Soldaten als Diener des Friedens von der Internetseite Erklärung zur Stellung und Aufgabe der Bundeswehr ... 5 >www.dbk.de< 1. Konzept der Inneren Führung ...... 6 heruntergeladen 1.1 Die ethischen Grundlagen ...... 6 werden. Hier nur 1.2 Die historischen Grundlagen ...... 7 die Einleitung und 1.3 Die rechtlichen Grundlagen ...... 8 der Schlussabschnitt sowie das Inhalts- 2. Herausforderungen an das Konzept verzeichnis zur der Inneren Führung ...... 10 Orientierung. 2.1 Das veränderte Aufgabenprofil der Bundeswehr 10 2.1.1 Auslandseinsätze ...... 10 2.1.2 Multinationalität / Interoperabilität...... 11 ie Bundeswehr hat sich in den fünf Jahrzehn- 2.1.3 Umstrukturierung / Ressourcenknappheit12 ten ihres Bestehens als ein integraler Bestand- 2.2 Das veränderte Verhältnis der Gesellschaft teil der rechtsstaatlichen und demokratischen zur Bundeswehr ...... 13 D 2.2.1 Die Wehrpflichtdebatte...... 13 Ordnung der Bundesrepublik erwiesen. Bei aller Vorsicht, die gegenüber dem Aufbau und dem Vor- 2.2.2 Rekrutierung ...... 14 2.2.3 Soldatisches Selbstverständnis angesichts halt von militärischen Gewaltmitteln grundsätzlich von Individualisierung und Pluralisierung geboten ist, kann gesagt werden: Die Bundeswehr der Wertorientierungen...... 14 hat sich bewährt. 3. Perspektiven ...... 16 In den letzten Jahren haben sich Auftrag und 3.1.Stärkung der Inneren Führung Umfang der Bundeswehr entscheidend verändert. in der Bundeswehr ...... 16 Bewährte Grundlagen werden durch die gravierend 3.2 Ethik und Führungskultur in den gemeinsamen veränderte friedens- und sicherheitspolitische Situa- europäischen und euroatlantischen Verteidigungs- tion in Frage gestellt. Auf neue Herausforderungen bemühungen. Innere Führung: kein Sonderweg, müssen adäquate Antworten gefunden werden. In sondern wegweisend ...... 16 dieser Situation wollen wir das Augenmerk auf eine 3.3 Kirchliche Mitverantwortung im Sinne der unverzichtbaren Grundlagen der Bundeswehr – der Inneren Führung ...... 18 das Konzept der Inneren Führung – legen. Dies ist uns umso mehr ein Anliegen, als die bewährten und zum Gelingen der Bundeswehreinsätze beigetragen. in vielerlei Hinsicht zukunftsweisenden Grundsätze Diese Erfahrungen sind uns Ansporn und Ermuti- der Inneren Führung gegenwärtig in der Gefahr ste- gung, auf diesem Weg nicht nachzulassen. Auch in hen, nivelliert zu werden. Wir unterstreichen damit Zukunft werden wir den Angehörigen der Streitkräfte ein Anliegen, das wir schon in unserem Friedenswort menschlich und geistlich beistehen und ein ethisch „Gerechter Friede“ (GF) im Jahre 2000 zum Aus- reflektiertes soldatisches Selbstverständnis – u.a. druck gebracht haben (vgl. Nr. 140– 144). Die le- durch den Lebenskundlichen Unterricht – fördern. bendige Weiterentwicklung des Konzepts der Inne- Die Kultur der Inneren Führung gehört dabei zu den ren Führung ist eine der entscheidenden Vorausset- unverzichtbaren Voraussetzungen unseres Engage- zungen für die friedensethische Legitimität der ments im Rahmen der Streitkräfte. Die Kirche hat Streitkräfte. ihre Stimme in den gesellschaftlichen Diskussionen ... um Frieden und Sicherheit in der Vergangenheit immer wieder zu Gehör gebracht. Davon werden wir 3.3 Kirchliche Mitverantwortung im Sinne auch zukünftig nicht ablassen. Wo wir den Eindruck der Inneren Führung gewinnen, dass die verschiedenen gesellschaftlichen In der Militärseelsorge ist die Kirche den Solda- und politischen Akteure ihrer Verantwortung für die ten der Bundeswehr seit Jahrzehnten nahe. Wir be- Wahrung und Mehrung des Gemeinwohls in dieser mühen uns um eine menschen- und sachgerechte Frage nur unzureichend nachkommen, werden wir Begleitung der Soldaten und ihrer Familien. Auf die- auch weiterhin verlässliche Anwälte eines Umgangs se Weise hat die Kirche nicht unwesentlich auch zur mit und in den Streitkräften sein, der dem tiefen Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft und Ernst der Sache gerecht wird. ❏

58 AUFTRAG 261 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Eine persönliche Einführung zur Erklärung der deutschen Bischöfe

VON KARL-HEINZ LATHER ie Erklärung der deutschen Bischöfe zur Stellung und Aufga- be der Bundeswehr „SOLDATEN ALS DIENER DES FRIEDENS“ vom D29. November 2005 liegt jetzt als Nr. 82 der Reihe „Die deutschen Bischöfe“ vor. Auf eine Exegese möchte ich hier verzich- ten, jedoch das Papier dem interessierten Leser als Lektüre anemp- fehlen, steht es doch in Konsequenz des Friedenswortes „Gerechter Friede“ aus dem Jahre 2000. – Gerne möchte ich meine persönli- che Meinung und einige ergänzende Aspekte zum Thema vorbrin- gen und zur Diskussion anregen. Dabei scheint mir sinnvoll, dies unter folgende Überschrift zu stellen: INNERE FÜHRUNG – nur ein deutscher Sonderweg oder wegweisend für die euroatlantischen Streitkräfte? worte wie interkulturelle Kompetenz, Fernbeziehungen als Folge von Ein- Nun, ein Offizier, der bald 40 • Die zunehmende Multinationali- satz aber auch Verzicht auf Wohnort- Jahre in dieser Bundeswehr gedient sierung unserer Strukturen, wechsel der Familien, geschlechter- hat, wird überwiegend Positives über schon in Friedenszeiten. Zwar spezifische Themen, Einsatzregeln das Konzept der Inneren Führung sa- war die Bundeswehr von Anfang (ROE) seien nur als Beispiele ge- gen; und das aus tiefster Überzeu- an als Armee im Bündnis inte- nannt. Die intime Kenntnis der Mili- gung. Ich gehöre zu den wenigen ak- griert und angelegt, aber die heu- tärkulturen unserer Partner im Frie- tiven Soldaten, die auf allen Füh- tige Multinationalität ist eine den wie im Einsatz sollte ebenso ein rungsebenen vom Trupp bis zum eher jüngere Entwicklung der Thema sein. Heereskorps, im Einsatz bei SFOR späten 80er und frühen 90er Jah- Was aber als entscheidende Er- und nun in einem NATO-Hauptquar- re. kenntnis Bestand hat, so stelle ich tier, dem Allied Land Component • Die Integration von Soldaten der fest, dass der Bezug zu Grund- und Command Headquarters (ALCC) früheren NVA in unsere Bundes- Menschenrechten, zu den Grundla- Heidelberg, Führungsverantwortung wehr; dies ist ein gelungenes gen unseres demokratisch verfassten tragen durfte. Letzteres entspricht Stück deutscher Geschichte. Staatswesens, zur Tradition der Bun- bei konservativer Betrachtungsweise • Die Normalität von Auslandsein- deswehr und zu unserem Selbstver- einer Armeegruppe. Nach meiner sätzen nach 1990; wir sprechen ständnis als Staatsbürger in Uniform Berufs- und Lebenserfahrung wird heute gar von einer Armee im sich in keiner Weise ändern muss. Innere Führung von unseren Solda- Einsatz. Wenn also Innere Führung in dieser ten nicht in Frage gestellt. Sie ist für • Die Präsenz von Frauen in unse- jüngsten Schrift ein Thema der Ka- den einzelnen Soldaten wie für unse- rer Bundeswehr, nicht mehr nur tholischen Bischöfe wurde, dann vor re Bundeswehr als Ganzes quasi kon- im Bereich des Sanitäts- und Ge- allem deshalb, weil es kritische stitutiv, und insofern im Grunde zu ei- sundheitswesens, sondern nahe- Stimmen und Beobachtungen gab, ner Selbstverständlichkeit geworden. zu flächendeckend und in allen die genannten vier Parameter könn- Natürlich muss sich die Innere Strukturen. ten den einen oder anderen veranlas- Führung, wie alles andere, der sich sen aus vermeintlicher Zweckmäßig- verändernden Wirklichkeit stellen Von all dem konnten die Väter keit, aus, wie ich meine, falsch ver- und bedarf der Anpassung an die der Bundeswehr und der Inneren standenem Pragmatismus oder auch sich entwickelnde Realitäten, also Führung in der ersten Hälfte der auf Grund persönlicher Nachlässig- der sicherheits- und verteidigungs- 50er Jahre des letzten Jahrhunderts keit die Prinzipien der Inneren Füh- politischen Gesamtlage genauso wie natürlich noch nichts wissen. Jedoch rung aufzugeben. Das wollen und der strategischen Situation, der unser war ihr Konzept nach meiner Beur- dürfen wir Soldaten nicht zulassen Land und seine Streitkräfte sich aus- teilung so grundlegend und hervorra- und von daher sind die warnenden gesetzt sehen. In ihren Grundzügen gend, dass es weitgehend unverän- wie die ermunternden Hinweise der aber muss sie konstitutiv bleiben, ge- dert Bestand hat. Weniger das Kon- Bischöfe eine gute Hilfe für die heu- rade so wie unser Grundgesetz als zept bedarf der Anpassung als die tige Bundeswehr, ihre politische und Verfassung für den gesamtstaatli- Methode und Intensität, mit denen militärische Führung sowie für den chen Bereich. wir es in der Erziehung und Ausbil- einzelnen Soldaten gleichermaßen. Es sind meines Erachtens die dung an den Mann und die Frau her- Innere Führung ist kein deut- folgenden vier Bereiche, die sich antragen, es im täglichen Dienst le- scher Sonderweg, wie manche ihrer grundlegend verändert haben, nach- ben, vor allem auch im multinationa- Kritiker gerne behaupten. Sie besitzt dem 1955/56 die Bundeswehr als len Umfeld und dort besonders in allerdings Merkmale eines besonde- Streitkraft in der Demokratie aus der den Einsatzgebieten. Natürlich gibt ren Weges vor allem, wenn sie mit Taufe gehoben wurde: es auch einige neue Inhalte. Stich- dem verglichen wird, was die deut-

AUFTRAG 261 59 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK sche Wehrmacht, die Reichswehr Armeen, mit denen wir zusammenar- gen Demokratien in Osteuropa und und die kaiserliche Armee als staats- beiten, einen demokratischen Hin- ggf. anderenorts. Konkret könnte ich bürgerliche Prinzipien formuliert tergrund haben; sie können zudem mir vorstellen, dass dies als Tages- hatten oder eben nicht! Nach dem meist auf eine deutlich längere Ge- ordnungspunkt der europäischen zweiten Weltkrieg wurde die Bun- schichte und ungebrochenere Tradi- Bischofskonferenz und von Treffen deswehr zwar aus dem Erbe unserer tionen zurückblicken als unsere der Militärbischöfe aufgenommen Vergangenheit und Tradition heraus Bundeswehr. Die Soldaten dieser Ar- würde. Im Laienbereich könnte sich entwickelt, aber bezüglich der Inne- meen stehen wie wir fest auf dem Bo- die Vereinigung Apostolat Militaire ren Führung als etwas in dieser Hin- den von Recht und Gesetz. Sie ver- International (AMI) mit der Thema- sicht ganz Neues. Darauf dürfen wir körpern vollständig das, was wir all- tik befassen. unverändert stolz sein. Die Innere gemein mit westlichem Wertesystem, Und natürlich dürfen wir in Aus- Führung hat sich, von einigen sehr Freiheitsliebe und Selbstbestim- bildung und Erziehung innerhalb der konservativen Interludien einmal ab- mung beschreiben und verinnerlicht Bundeswehr in allen Bereichen nicht gesehen, beim Aufbau der Bundes- haben. Sie stellen auch die allgemei- nachlassen, das Konzept der Inneren wehr und bis heute bewährt. Sie hat nen Menschenrechte, die Grund- zu lehren, anzuwenden und vor allem unsere Offiziere und Unteroffiziere rechte und das internationale Kriegs- zu leben. Vor dem Hintergrund der beim Aufbau der militärischen und völkerrecht nicht in Frage. Dennoch gesamtgesellschaftlichen Entwick- zivilen Strukturen in den neuen Bun- führen einige von ihnen nach Prinzi- lung in unserem Land und der zuneh- desländern nach der Wiedervereini- pien der Befehlstaktik und haben in- menden Einsatzerfahrung mag es gung ganz selbstverständlich ange- terne Traditionen, die in unserem notwendig sein, möglichst zeitnah ei- regt, als Staatsbürger im besten Sin- System mindestens den Wehrbeauf- nen Schwerpunkt auf die Aspekte ne des Wortes aktiv zu werden. Sie tragten auf den Plan rufen würden. Ethik und Moral des Soldatenberufes hat sich in allen Einsatzgebieten und Wir haben jedoch keinerlei An- zu legen. über alle Dienstgrade hinweg als ide- lass, von unserer Inneren Führung Dass unser Zentrum Innere Füh- elles und ideales Rückgrat unseres Abstand zu nehmen, sie etwa dem rung in Koblenz bei all diesen Din- militärischen Handelns erwiesen. Wertekanon der US Army oder ähnli- gen die Rolle eines Lordsiegelbe- Man darf sie aber gerne um etwas er- chen Codes of Conduct anzupassen. wahrers hat, das versteht sich von gänzen, was deutsches militärisches Im Grunde ist es doch so, dass Innere selbst. Dort und im Beirat Innere Denken stark auszeichnet und uns Führung uns frei macht für professio- Führung des Bundesministers der von manchem unserer Verbündeten nelles militärisches Handeln; denn Verteidigung ist sicher auch der Ort, deutlich unterscheidet: das ist unser der einzelne Soldat weiß genau, war- Veränderungen wahrzunehmen und Prinzip der Auftragstaktik oder des um, wofür, für wen und für was er ggf. in das Konzept zu integrieren. Führens durch Aufträge. Manchmal dient. Seine ethische, moralische habe ich den Eindruck, dass wir ei- und rechtliche Fundierung ist eine Plakativ gesagt: gentlich diese beiden Dinge und ihre feste Basis, auf der sich sein soldati- • Bleiben wir bei unserer Inneren konkreten Auswirkungen im tägli- scher Auftrag in aller Regel sicher Führung! chen Dienst miteinander vermischen erfüllen lässt. In Grenzbereichen ha- Wir sind froh und erkennen an, oder nicht genügend trennscharf be- ben wir Institutionen wie Vertrauens- dass auch die Bischöfe ein wach- werten. Wo allerdings Befehls- und personen, den Wehrbeauftragten, sames Auge auf mögliche gegen- Auftragstaktik in gleichen, integrier- aber auch Militärseelsorger, Ärzte, läufige Entwicklungen werfen. ten und multinationalen Kommando- Psychologen oder auch den Deut- Sie sollten dies von Zeit zu Zeit oder Truppenstrukturen aufeinan- schen Bundeswehrverband, die alle- mahnend und unterstützend dertreffen, dort generieren sie natür- samt gute Berater oder Helfer beim wieder tun. lich schnell und oft ein besonderes Erkennen oder Durchsetzen eigener • Kein Export im Sinne von Ver- Spannungsfeld. Positionen sind. kauf oder Aufdrängen! Da wir aber innerhalb und außer- Aber auch keine Preisgabe un- Sollten wir Wegweiser für halb der Bundeswehr häufig gefragt seres Selbstverständnisses als euroatlantische Streitkräfte werden, wie das eigentlich gehe mit „Staatsbürger in Uniform“ im sein? der Inneren Führung, sollten wir in- multinationalen Umfeld, ganz Nun, anfänglich hofften einige, haltlich und argumentativ gut darauf gleich ob in Stäben in Verbänden Innere Führung sei eine Art Export- vorbereitet sein, sie in ihrer Gänze oder in den Einsatzgebieten! artikel, könnte gar Exportschlager selbstbewusst beschreiben zu kön- • Behutsame, unaufgeregte An- werden. Aus meiner eigenen Erfah- nen. Wir sollten sie auch weiterhin in passungen, um etwa veränderte rung in vielen Stabs- und General- allen bilateralen Jahresprogrammen Aspekte oder neue Erkenntnisse stabsgesprächen möchte ich warnen. als Thema anbieten. Die Militärseel- in das Konzept zu integrieren, Die meisten Militärkulturen sind län- sorge könnte dies ergänzend auf eu- z.B. Frauen, multinationale ger und ungebrochener als die unsri- ropäischer Ebene und auf der Basis Strukturen, internationale Ein- ge. Schon von daher wird man Wi- der nun vorliegenden bischöflichen sätze etc, jedoch in dem Sinne, derstand erleben, wenn man in den Verlautbarung auch besonders inten- dass einzelne Artikel oder Para- Verdacht gerät, unser Konzept missi- siv tun, vor allem bei ihren guten grafen verändert oder ergänzt onarisch aufschwätzen zu wollen. Es Kontakten zu den im Aufbau befind- werden, nicht jedoch die Statik ist unbestreitbar, dass die meisten lichen Militärseelsorgen in den jun- des Gesamtgebäudes. ❏

60 AUFTRAG 261 KONSOLIDIERUNG IN AFGHANISTAN Die Schieflage der Friedenskonsolidierung in Afghanistan Eine Herausforderung für die „große Koalition“

VON KLAUS LIEBETANZ fangs notwendig sein, für einen Teil nlässlich einer Ergebnisprüfung von Projekten der humanitären Hilfe der afghanische Polizeispezialisten in Afghanistan hat der Fachberater für Katastrophenmanagement, zusätzliche Zahlungen vorzunehmen, A Major a.D. Klaus Liebetanz, mit zahlreichen Akteuren der Friedens- damit sie nicht vom organisierten konsolidierung in Afghanistan gesprochen. Darunter befanden sich Ver- Verbrechen abgeworben werden. Mit treter der deutschen und internationalen Streitkräfte, der Polizei, der diesen Feststellungen sollen die deutschen und internationalen Entwicklungshilfe und der Friedens- Leistungen der in Afghanistan einge- fachkräfte. Aus diesen Gesprächen folgert er, dass sich die deutsche setzten deutschen Polizeibeamten Friedenskonsolidierung in Afghanistan in einer Schieflage befinde, weil nicht geschmälert werden. Diese die finanzielle Ausstattung der militärischen Absicherung dreimal so hoch sind anerkannt gut. sei, wie der Beitrag zur zivilen Konfliktbearbeitung (Polizeieinsatz, Ent- wicklungs- und Demokratisierungshilfe). Der zivile Beitrag sei jedoch ent- Forderung nach einem neuen scheidend für die Friedensgestaltung und die Tragfähigkeit des Friedens- prozesses in Afghanistan. Diese Auffassung unterstreicht der Autor in ei- Gesamtkonzept für einen inter- nem zweiten Beitrag „Humanitäre Hilfe in Afghanistan – Lebensrettende nationalen Polizeieinsatz Hilfe deutscher Organisationen (s.S. 63) Nach der Fußballweltmeister- schaft in Deutschland mit ihrem ho- Fakten der Schieflage in der hen Bedarf an Polizisten sollte Bun- Deutsche Interessen Friedenskonsolidierung desinnenminister Wolfgang Schäuble Warum soll sich Deutschland an über ein Gesamtkonzept für den der Entwicklung eines sich selbst Deutschland muss den deutschen internationalen Polizei- tragenden Friedensprozess in Afgha- Polizeieinsatz verstärken einsatz nachdenken lassen, das auch nistan beteiligen? Nach Aussagen von Fachleuten genügend Anreize für geeignete Poli- 1. Weil die terroristischen Aktivitä- gibt es in Afghanistan immer noch zisten zum weltweiten Auslandsein- ten, die von Afghanistan ausgin- 150.000-200.000 ehemalige Kämp- satz schafft (u.a. Verbesserung der gen (Lager zur Ausbildung von fer, die ihre Waffen noch besitzen. Karrierechancen). In „zerfallenden Terroristen) und welche die west- Ein Teil dieser „Ehemaligen“ ver- Staaten“ kommt dem effektiven, liche Führungsmacht bekämpf- dient sein Geld mit Raub und Er- rechtstaatlichen Polizeieinsatz gene- ten (Zerstörung der Twintowers), pressung und bildet die Basis des or- rell eine ebenso große Bedeutung wie in der Konsequenz auch Deutsch- ganisierten Verbrechens. Ministerial- den Streitkräften zu, weil die noch land als Teil der westlichen Welt dirigent Hans-H. Dube (Regional- bewaffneten ehemaligen Kämpfer bedrohten. direktor der GTZ) hält diese Grup- den zu bildenden Staat systematisch 2. Weil Deutschland an einer ver- pierung für wesentlich gefährlicher durch organisierte Kriminalität un- stärkten Migration aus dem tradi- als die terroristischen Taliban. Damit terminieren und terrorisieren. Für tionell befreundeten und durch kommt dem Polizeieinsatz in Afgha- diese Maßnahmen muss im Etat des 25 Jahre Krieg verarmten Afgha- nistan eine ebenso große Bedeutung Bundesinnenministers ein angemes- nistan nicht interessiert ist. zu wie dem militärischen Engage- sen ausgestatteter Titel eingerichtet 3. Weil das organisierte Verbrechen ment. Dem wird die deutsche Unter- werden. Im Gegensatz zu den Deut- besser dort bekämpft werden stützungsleistung in Afghanistan schen setzen die US-Amerikaner er- sollte, wo es entsteht und nicht nicht gerecht. heblich mehr Polizisten in der Aus- erst, wenn es nach Deutschland Während für das deutsche Mili- bildung der afghanischen Polizisten gekommen ist. tär jährlich 319 Mio. Euro bereitge- ein. Dabei sind die Amerikaner nach 4. Weil ein befreundetes und entwi- stellt werden, sind es lediglich 13 ckeltes Afghanistan bessere Mio. Euro, die für den deutschen Aussagen von Polizeifachleuten we- Handelsbeziehungen zu Deutsch- Polizeieinsatz zur Verfügung stehen. nig wählerisch in der Auswahl ihrer land als exportorientierter Nation Dabei kommt es nicht so sehr darauf Ausbilder, teilweise sind es Pensio- verspricht. an, dass die Zahl der deutschen näre, die eine „Art Parkplatzwäch- 5. Weil die Bundesrepublik Deutsch- Polizeiausbilder wesentlich erhöht ter“ in den USA waren. Deutschland land in Jahren größter Not 1949 wird, sondern vielmehr die Leistun- kann es sich als „Leadnation für den in der Präambel des Grundgeset- gen für Infrastrukturmaßnahmen der Polizeieinsatz in Afghanistan“ nicht zes eine feierliche Selbstver- afghanischen Polizei entscheidend ein zweites Mal wie in Bosnien-Her- pflichtung zur weltweiten Frie- erhöht werden, um erfolgreich Kor- zegowina erlauben, nach gewaltigen densgestaltung „vor Gott und den ruption und organisiertes Verbre- Militärausgaben ein Land in den Menschen“ abgegeben hat und chen zu bekämpfen, die das Grundü- Händen des organisierten Verbre- diese auch und gerade in Zeiten bel in allen „zerfallenden Staaten“ chens zu hinterlassen (in BuH war des Wohlstands einhalten sollte. darstellen. Außerdem wird es an- Deutschland nicht „Leadnation“).

AUFTRAG 261 61 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

das einstmals gut funktionierende Bewässerungssystem zu. Vom Flug- zeug aus beobachtet gleicht Afgha- nistan größtenteils einer „braunen Mondlandschaft“. Am Boden befin- det sich alle zehn bis zwanzig Meter Die deutsche Gemeinde gedenkt ein distelähnliches, kleines Ge- am Volkstrauertag wächs, das auch in extremer Dürre 2005 auf dem ein- existieren kann. Es dient den Ziegen zigen christlichen als Nahrung. Große Teile des Landes Friedhof in Kabul haben nicht mehr als 30-40 cm Re- der für den Frieden genfall pro Jahr, so dass ohne Bewäs- in Afghanistan serung keine Landwirtschaft möglich gefallenen Solda- ist. Zu dem besitzt Afghanistan keine ten und der getö- nennenswerten Bodenschätze. Das teten zivilen Auf- einzige, was (mehr oder weniger bauhelfer. Die An- sprache hält heimlich) exportiert wird, ist Roh- Militärpfarrer opium, womit über 50% des Brutto- Andreas. nationaleinkommen erzielt werden kann. Der afghanische Staat ist zur Deutschland muss seine wirt- Auftrag des BMZ im Jahr 2002 wur- Zeit dabei, ein Steuersystem einzu- schaftliche Zusammenarbeit de nachgewiesen, dass Friedens- führen, um die öffentlichen Aufgaben mit Afghanistan verstärken fachkräfte in einer genügend starken zu finanzieren. Ohne internationale Der wirtschaftliche Auf- und Anzahl eingesetzt werden müssten, Hilfe kommt Afghanistan nicht auf Ausbau ist von entscheidender Be- um eine flächendeckende und nach- die Beine. Nach Aussagen eines lei- deutung für die weitere Stabilisie- haltige Wirkung zu erzielen, ansons- tenden Mitarbeiters der GTZ benötigt rung in Afghanistan. Solange u.a. ten würde die Arbeit der FFK „ver- das Land noch 20-25 Jahre um den Kabul nur alle zwei Tage für vier puffen“. Andererseits kann ein ge- Stand von 1970 zu erreichen. Stunden Elektrizität hat, werden sich sellschaftlicher Wandel nur von kaum Gewerbe und Industrie ansie- innen her den Friedensprozess auf Unverzichtbarer Einsatz der deln. Wenn es nicht gelingt, genü- Dauer erhalten. Militär ist für diese Bundeswehr in Afghanistan gend Arbeitsplätze zu schaffen, wird Aufgabe weniger geeignet. Die „gro- Die Bundeswehr leistet in Afgha- die politische Lage weiter instabil ße Koalition“ sollte daher die ver- nistan als ein Teil von ISAF (Interna- bleiben. mehrte Ausbildung und den Einsatz tional Security Assisstance Force) ei- Ein Beispiel aus der Landwirt- deutscher Friedensfachkräfte unter- nen unverzichtbaren Einsatz. Nach schaft: Vor dreißig Jahren war Afgha- stützen und sie schwerpunktmäßig Auffassung von Ministerialdirigent nistan noch weltweit der größte Pro- einsetzen, anstatt wie bisher weltweit Hans-H. Dube würde Afghanistan duzent von Trockenfrüchten. Heute im Gießkannenprinzip ohne nachhal- nach einem sofortigen Abzug der führt Afghanistan diese Früchte aus tige Wirkung. Bundeswehr/ISAF innerhalb von sie- Pakistan und dem Iran ein. Die o.g. ben Tagen im Chaos versinken. Seine Probleme lassen sich durch eine ver- Eigenverantwortung der afghanischen Freunde halten ihn je- stärkte wirtschaftliche Zusammenar- Afghanen doch für einen Optimisten. Das Cha- beit lösen. Auch hier gibt es eine Natürlich muss von der afghani- os würde nach deren Meinung schon Schieflage in der deutschen Unter- schen Regierung und Bevölkerung nach zwei Tagen eintreten. Insofern stützung. Deutschland verwendet nur auch eine eigene angemessene Leis- ist der Bundeswehreinsatz derzeit ein Viertel der Summe auf Entwick- tung erbracht werden. Dies geschieht eine „Conditio sine qua non“ für den lungshilfe für Afghanistan, die es auf nach Aussagen von Entwicklungs- Friedensprozess in Afghanistan. die militärische Absicherung ver- fachleuten in erforderlichem Maße, Andererseits darf nicht übersehen wendet. Das ist für eine deutsche zumal diese Eigenleistung unabding- werden, dass die Bundeswehr/ISAF Schwerpunktaufgabe zu wenig. Da- barer Bestandteil einer professionel- lediglich eine flankierende, absi- mit werden die deutschen Soldaten len Entwicklungshilfe ist. Ohne eige- chernde Maßnahme darstellt und in Afghanistan zu Lückenbüßer einer ne Anstrengung keine Hilfe. nur indirekt zur eigentlichen fehlenden Gesamtstrategie. Friedensgestaltung beitragen kann. Extrem schwierige Deutschland sendet zu wenige Aufbaubedingungen Unglückliche und missver- Friedensfachkräfte Darüber hinaus darf nicht ver- ständliche Formulierung Zur Zeit setzt der „Deutsche gessen werden, dass Afghanistan im Koalitionsvertrag Entwicklungsdienst“ (DED) ledig- nach dreißig Jahren verheerendem In diesem Zusammenhang muss lich vier Friedensfachkräfte (FFK) in Bürgerkrieg und zusätzlicher auslän- auf die unglückliche und missver- Afghanistan ein. Das ist eindeutig zu discher Intervention gründlich zer- ständliche Formulierung aus dem wenig. Nach einer ersten Evaluie- stört ist. Das trifft sowohl für alle Koalitionsvertrag vom 11.11. 2005 rung von Friedensfachkräften im staatlichen Institutionen als auch für hingewiesen werden, in dem es unter

62 AUFTRAG 261 KONSOLIDIERUNG IN AFGHANISTAN

Ziffer 6713-15 heißt: „Auslandsein- mus und dem „menschenverach- Das heißt im Klartext: sätze der Bundeswehr werden stets tenden“ Kapitalismus zur „sozia- Es ist notwendig, dass sich die von politischen Konzepten flankiert len Marktwirtschaft“ und zusam- verantwortlichen Politiker der „gro- und eng zwischen den beteiligten men mit der SPD ßen Koalition“ auch mit den Konse- Ressorts der Bundesregierung koor- – durch das Bilden der Synthese quenzen einer Friedenskonsolidie- diniert.“ Das ist bei Lichte besehen aus verbrecherischem Nationa- rung in Afghanistan auseinander- ein militaristischer Ansatz, der si- lismus und indifferenter Vater- setzen und dazu ein schlüssiges cher nicht gemeint war. Bei der landslosigkeit zur „europäischen Gesamtkonzept vorlegen. Notfalls Friedenskonsolidierung, bislang Einigung“ mit einer Friedenszo- muss Bundeskanzlerin Merkel von 99% der Bundeswehreinsätze, kann ne von Portugal bis St. Peters- ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch das Militär nur eine flankierende burg. machen. Schließlich handelt es sich Maßnahme sein und nicht umge- Nunmehr ist es an der Zeit, dass beim deutschen Friedenseinsatz in kehrt die zivilen Aktivitäten, weil das CDU/CSU zusammen mit der SPD Afghanistan nicht um beliebige Akti- Ziel eines sich selbst tragenden eine Synthese aus „national-egoisti- onen einzelner Ministerien sondern Friedensprozesses zivil ist und nicht schem Imperialismus“ (USA) und um eine Gesamtleistung der Bundes- durch militärische Mittel erreicht dem „fundamentalistischen“ Pazifis- republik Deutschland. Eine weitere werden kann. Daher muss der mus (Teile der Friedensbewegung) Schieflage bei der Friedenskonsoli- Schwerpunkt bei der Friedens- zur „Friedenskonsolidierung mit dierung in Afghanistan wird zwangs- konsolidierung auf den zivilen Akti- rechtstaatlicher Staatenbildung“ läufig bei den eingesetzten Soldaten vitäten mit dem entsprechenden per- schafft. Dafür ist die „große Koaliti- zu mehr Frust und Resignation füh- sonellen und finanziellen Aufwand on“ aus CDU/CSU und SPD in be- ren. Das Vertrauen in die politische liegen. sonderer Weise geeignet, weil in die- Führung steht auf dem Spiel. Man ser Frage zwischen führenden Politi- darf daher auf das neue Weißbuch Friedenskonsolidierung – kern beider Parteien Einigkeit be- zur Sicherheit der Bundesrepublik Eine Herausforderung für die steht, und die Bundesrepublik und zur Lage und Zukunft der Bun- „große Koalition“ Deutschland dazu die geeigneten deswehr am Ende des Jahres 2006 Die CDU/CSU hat als „Partei der Mittel besitzt. So können weltweit gespannt sein. Hier müssen die Auf- praktischen Befreiungstheologie“ weitere Friedensinseln geschaffen gaben und die Zusammenarbeit der bislang zweimal Weltgeschichte ge- werden. Profangeschichte ist nach verschiedenen Akteure zu einer schrieben und zwar jüdisch-christlichem Verständnis nachhaltigen Friedenskonsolidie- – durch das Bilden der Synthese immer auch Heilsgeschichte. rung neu definiert werden. ❏ aus „widernatürlichem“ Sozialis-

Humanitäre Hilfe in Afghanistan Lebensrettende Hilfe deutscher Organisationen

VON KLAUS LIEBETANZ n diesem Beitrag berichtet der Autor über seine Beobachtungen bei Ergebnisprüfungen von humani- Itären Projekten der ADRA (Adventistische Entwick- lungs- und Katastrophenhilfe) und der Johanniter-Un- fall-Hilfe e.V. (JUH) in der afghanischen Provinz Herat und in Kabul. ADRA sorgt für Sheberghan (150 sauberes Trinkwasser km westlich von Mazar e Sharif im Nach Angaben von UNICEF ha- Norden von Af- ben nur 13 % der afghanischen Be- ghanistan). völkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Kindersterblichkeit ist erschreckend hoch. Ein Viertel Sorgfältige Vorgehensweise Endphase einer Brunnenbohrung in der aller Kinder erreicht das fünfte Le- der ADRA Provinz Sheberghan durch eine lokale bensjahr nicht. Der Herstellung von Die Brunnenbauweise der ADRA Firma. Ingenieur Mohammed Gulbudin sauberen Trinkwasser kommt daher AFG zeichnet sich durch folgende (rechts im Bild) von ADRA eine hohe Priorität zu. Das Auswärti- besondere Sorgfalt und Nachhaltig- Afghanistan überwacht sorgfältig die ge Amt unterstützt das Brunnen- keit aus: Zunächst werden die Brun- Ausführung. Alle ca. 50 überprüften projekt von ADRA Deutschland in nenstandorte mit dem zuständigen Brunnen, die von der ADRA erstellt wurden, waren funktionsfähig. der Provinz Jowzjan im Dristrikt „Ministerium für ländliche Rehabili-

AUFTRAG 261 63 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Iran „untergebracht“ werden. Diese haben teilweise 15 Jahre lang mit ei- ner gewissen Alimentierung durch den UNHCR in Flüchtlingslagern im Fertige Brunnen- benachbarten Ausland gelebt und anlage mit besitzen zahlreiche Kinder. Diese Handpumpe Menschen werden jetzt auf Druck der Marke „India II“, bisherigen Gastländer in die „befrie- die relativ dete Heimat“ abgeschoben. Sie wer- wartungsarm ist und in Pakistan den einfach in einer unwirtlichen hergestellt wird. Landschaft (Sandsteppe mit alle 10 Alle Brunnen ha- Meter verstreuten dornigen Klein- ben ein Blech- gewächsen) abgesetzt oder in zerfal- schild, lenen Kriegsruinen „untergebracht“, aus dem hervor- die notdürftig mit Plastik oder Zelt- geht, dass die planen abgedeckt sind. Alle anderen Bundesrepublik noch gerade menschenwürdigen Be- Deutschland an hausungen sind bereits vergeben. der Finanzierung UNHCR und UNICEF erreichen beteiligt war. nicht alle diese versprengten Grup- tierung und Entwicklung“ (MRRD) lierten Brunnen, die vor vier Jahren pen. Diese „Returnees“ gehören zu festgelegt. Dann muss sich die Bevöl- von ADRA gebaut wurden. Dagegen den „most vulnerable persons“ in Af- kerung der geplanten Standorte an wurden auch Brunnen von anderen ghanistan, zumal der Winter mit 10- dem Aushub des Brunnenschachtes Organisationen gesehen, die nicht 20 Grad minus auch noch vor der Tür bis zur Wasser führenden Schicht funktionsfähig waren, weil der Brun- steht. Solche „Zeltstädte“ gibt es beteiligen. Dies kann auf zweifache nenschacht eingestürzt war und/oder auch in den Außenbezirken von Weise geschehen: Zum einen kann die Brunnen nicht tief genug ange- Kabul, wo im Winter bis zu 30 Grad die betroffene Bevölkerung das legt waren. Insgesamt hat ADRA 96 minus erreicht werden. Brunnenloch (Durchmesser 1,10 Me- neue Brunnen in 2005 erstellt. ter) selbst graben oder einen Spezia- Winterhilfsprogramm der ADRA listen für 4.000 Afghani (80 USD) = Notwendige ergänzende ADRA führt mit Unterstützung pro Familie 1,5 USD beauftragen. Hygieneausbildung des Auswärtigen Amtes ein „Winter- Fünf Orte haben diese Selbstbeteili- In Zusammenarbeit mit der ame- hilfeprogramm“ durch. Dabei arbei- gung abgelehnt und daher keinen rikanischen NGO „Crosslink Deve- tet sie sehr eng mit ARDA, einer lo- Brunnen erhalten. In einer zweiten lopment International“ (CDI) und kalen NGO, zusammen. Projektleiter Phase werden von einer professionel- der holländischen Organisation von ARDA ist Zahir Aslamy, ein len afghanischen Firma perforierte „ZOA“, die sich beide mit der Hygi- Tadschik-Afghane, der im Krieg als Stahlrohre so in den Boden getrie- eneerziehung im Distrkt Sheberghan Offizier unter Nadschibulla ein Bein ben, dass das Ende des letzte Stahl- beschäftigen, führt ADRA im Be- verloren hat. ADRA hat ihm eine rohres bis zur Kiesschicht vordringt reich der Brunnenstandorte eine funktionsfähige Prothese besorgt, mit und somit in der Wasser führenden wasserbezogene Hygieneausbildung der er unglaublich behände ist. Er ist Schicht liegt. Dann wird ein ca. drei durch. Bei Notmaßnahmen zur Ver- ein Organisationstalent. In Kabul be- Zentimeter dickes PVC-Rohr einge- sorgung mit sauberen Trinkwasser schäftigt er ca. 350 Frauen mit der führt und durch eine Elektropumpe sollte stets eine entsprechende Hygie- Herstellung von Steppdecken. Diese sichergestellt, dass mindestens 24 neausbildung durchgeführt werden. erhalten eine bestimmte Menge Stoff Stunden ständig Wasser fließt. Dies ergibt sich aus der wissen- und aufgelockerte Baumwolle und Danach wird der Brunnenschacht schaftlich erwiesenen Tatsache, dass haben dafür jeweils zehn Steppde- wieder mit Erde aufgefüllt, so dass die Versorgung mit sauberen Trink- cken abzugeben, bevor sie ihre Be- der Brunnenschacht nicht durch ex- wasser allein zu einer Verbesserung zahlung erhalten. So wird Humanitä- treme Witterungsschwankungen von der Gesundheit um 30% führen und re Hilfe auch zu einer dringend not- 45 Grad plus bis 30 Grad minus ein- die Hygieneerziehung allein einen wendigen Arbeitsbeschaffungsmaß- brechen kann. Außerdem wird so das Wert von 45 % erreichen kann. Bei- nahme für Frauen. eventuell kontaminierte Oberflächen- de Faktoren zusammen können eine wasser gefiltert. Abschließend wird Verbesserung der gesundheitlichen Verteilung in Mazar der Brunnenschacht durch eine Ze- Situation von bis zu 60 % bewirken. Am Stadtrand von Mazar e Sharif ment-Plattform abgeschlossen und kann der Prüfer eine gut organisierte mit einer Handpumpe mit Schwengel Prekäre Lage der Rückkehrer Verteilerorganisation miterleben. versehen. Im Zusammenhang mit den Zahir Aslamy ist mit seinen LKW’s Brunnenbesichtigungen kann man in auf dem Landweg von Kabul über Nachhaltigkeit der Brunnen den entferntesten Winkeln des Dis- den Salang-Pass schon in Mazar ein- Alle 50 überprüften Brunnen wa- trikts Sheberghan wahrnehmen, wo getroffen. Er ist pünktlich an der ver- ren funktionsfähig, auch die kontrol- die Rückkehrer aus Pakistan und abredeten Stelle und lotst den Prüfer

64 AUFTRAG 261 KONSOLIDIERUNG IN AFGHANISTAN zu den Verteilerstellen am Stadtrand. „Die letzten beißen Es regnet. Alles ist verschlammt. Die die Hunde“. Rückkehrer warten geduldig auf die Prekäre Lage der Verteilung der vier Steppdecken, Rückkehrer aus sechs verschieden großen Schuh- Pakistan und dem Iran. Sie werden paaren aus afghanischer Produktion teilweise wie hier und einer dicken Plastikplane (pro im Bild in zerfalle- Familie). Sie wurden bereits vorher nen Kriegsruinen in Zusammenarbeit mit dem Ministe- oder in primitiven rium für Rückwanderer und Binnen- Zelten unterge- vertriebene nach Bedürftigkeit aus- bracht. Alle ande- gewählt und haben einen Zuteilungs- ren noch gerade schein. Die Verteilung läuft rei- menschenwürdigen bungslos. Ein lokaler Vertreter des Behausungen sind UNHCR und des zuständigen Minis- bereits vergeben. teriums ist auch anwesend und über- Und im Winter sin- ken die Temperatu- wachen drei Verteilerstellen. Die ren auf minus Rückkehrer haben alle Papiere vom 20-30 Grad. UNHCR mit einem Foto der ganzen Familie. Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass sie zwischen 10 nicht ganz ungefährlichen Bordell- chen christlichen Gemeinschaften, und 20 Jahren im Ausland gelebt ha- besuchen (AIDS) und sog. Neben- von denen Benedikt XVI. in seinem ben. Die äußerst primitiven „Zelt- frauen, wie sie bei langjährigen „hu- Buch „Salz der Erde“ spricht. städte“ außerhalb von Mazar machen manitären Legionären“ nicht unüb- einen trostlosen Eindruck. Die Hilfe lich sind. Am Samstag treffen sich Johanniter unterstützen im kommt rechtzeitig vor dem harten Adventisten aus verschiedenen UN- Gesundheitsbereich Winter. Ein großes Transparent weist Organisationen zu einer Bibellesung auf die Spender aus Deutschland mit Aussprache. Die Inderin Jovitta Zur Lage im afghanischen hin. hat die Bibelauslegung vorbereitet. Gesundheitsbereich Das Thema lautet: „Das Christsein Nach 25 Jahren Krieg und Bür- Herz und Verstand von ADRA bricht die Mauern zwischen den ver- gerkrieg hat sich die humanitäre Afghanistan schiedenen Menschen“. Es geht um Lage in Afghanistan zwar in den letz- Das Schweizer Ehepaar Jaggi ist den Abbau von Vorurteilen, was von ten Jahren etwas verbessert, die Be- Herz und Verstand von ADRA Af- den Teilnehmern mit vielen persönli- völkerung ist jedoch immer noch ghanistan. Dr. Peter Jaggi (64 J.) ist chen Erfahrungen belegt wird. Für stark auf internationale Unterstüt- der Landeskoordinator von ADRA den Prüfer, einen Katholiken, fällt zung besonders im Bereich der medi- Afghanistan. Er ist von Beruf Kardio- auch ein Vorurteil: Adventisten sind zinischen Grundversorgung angewie- loge. Zusammen mit seiner Frau keine „weltfremden Sektierer“ son- sen. In diesem Bereich herrscht Verena haben beide drei Jahre in Ne- dern vorbildliche Christen, die sich immer noch eine erschreckend hohe pal, 12 Jahre in Malawi und vier Jah- an der Urgemeinde orientieren. An- Kindersterblichkeit von 257 auf re in Afghanistan gearbeitet. Sie le- schließend sind die Teilnehmer zum 1.000 Lebendgeburten und eine ben und arbeiten mit ihren Mitarbei- gemeinsamen Mittagessen eingela- hohe Müttersterblichkeit von 1.600 tern in einem kleinen Gebäudekomp- den. Das sind die kleinen, vorbildli- auf 100.000 Geburten. Es gibt 18,5 lex der ADRA, im Stadtteil Shar-i- Naw in Kabul. Das mit einer Außen- mauer versehene Gebäude ist nicht gekennzeichnet. Die Jaggis Verteilung der legen Wert auf „low profile“, den ADRA-Winterhilfe besten Schutz in Afghanistan. Als am Stadtrand von weitere arbeiten der international Mazar e Sharif an erfahrene Inder Vinod als Projekt- bedürftige bearbeiter und der junge Rumäne Rückkehrer. Jede Ovidio als Finanzbuchhalter im Familie erhält vier Team der ADRA. Verena Jaggi ar- Steppdecken, beitet zusätzlich als Projektbear- sechs verschiedene Paar Schuhe aus beiterin und „Mädchen für alles“. afghanischer Pro- Sie ist die Seele der kleinen Ge- duktion und eine meinschaft. Jovitta, die Frau von dicke Plastikplane. Vinod, ist bei der GTZ in Kabul Die Familien ha- beschäftigt. Die ADRA legt Wert ben einen Bezugs- auf den Einsatz von Ehepaaren schein und wurden und umgeht damit die Unsitte von vorher ausgewählt.

AUFTRAG 261 65 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

nischen Gesundheitsbereich durch Frauen mit der den Arbeitsstab Humanitäre Hilfe im Burka bekleidet Auswärtigen Amt unterstützt. warten in Kabul auf Arbeit. Sie Hoher Anteil von Rückkehrern erhalten eine be- Alle vier von der JUH betreuten grenzte Menge Stoff und aufgelo- Kliniken und Gesundheitsstationen ckerte Baumwolle. haben einen hohen Anteil an Dafür haben sie rückkehrenden Flüchtlingen aus Pa- jeweils zehn Stepp- kistan und dem Iran. Die Quote der decken abzulie- unterernährten Kinder liegt zwischen fern, bevor sie 20% und 30%. Die Mischung aus eine Bezahlung Unterernährung, schlechter Beklei- erhalten. So wird dung (Kinder zum Teil barfuß) und Humanitäre Hilfe dem derzeitigen Winter mit Tempe- auch zu einer raturen bis 30 Grad minus gefährdet dringend notwen- digen Arbeitsbe- die Gesundheit der Kinder in hohem schaffungsmaßnahme Maße. Aus diesem Grunde ist die für Frauen. Unterstützung der o.g. Gesundheits- stationen mit Medikamenten, Ver- Ärzte pro 100.000 Einwohner und ausstattung und Gehaltszuzahlungen brauchsmaterial und einzelnen me- nur 8% der Geburten werden medizi- für medizinisches Personal. Damit dizinischen Geräten durch die JUH nisch professionell betreut. Afgha- leistet die JUH einen substanziellen lebensrettend und sollte in jedem nistan hat nach Sierra Leone die Beitrag zur Funktionsfähigkeit und Fall weitergeführt werden. schlechtesten Gesundheitsstatistiken zum Erhalt dieser medizinischen der Welt. Einrichtungen. Eine dieser Kliniken Nachlassen des Spenden- liegt im noch heute ziemlich zerstör- aufkommens Johanniter unterstützen Klini- ten Stadtteil Khoshhal Mina im Wes- Wie bei allen Notlagen, die nicht ken und Gesundheitsstationen ten von Kabul, wo der Bürgerkrieg mehr im Fokus der Medien stehen, Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. mehrfach in erbitterten Häuser- hat das Spendenaufkommen bei den unterstützt in Abstimmung mit dem kämpfen die Fronten gewechselt hat. Johannitern für Afghanistan in den afghanischen Gesundheitsministeri- Die anderen Gesundheitsstationen letzten Jahren stark nachgelassen. um in Afghanistan vier Kliniken/Ge- befinden sich westlich von Herat in Hochkonjunktur haben zurzeit die sundheitsstationen mit Medikamen- kleineren Ortschaften auf dem fla- Erdbebenopfer in Kaschmir. In wei- ten, medizinischen Verbrauchsmate- chen Land. Die JUH wird bei ihren ser Voraussicht hat die Bundestags- rial, medizinischen Geräten, Labor- humanitären Bemühungen im afgha- abgeordnete Uta Titze-Stecher (SPD) im Jahr 2000 den völlig herunterge- kommenen Haushaltstitel „Humani- täre Hilfsmaßnahmen außerhalb der Vor dem Eingang Entwicklungshilfe“ gegen Wider- der Polyklinik in stand um 33% gesteigert. Dieses Ni- Koshhal Mina, veau konnte bis heute gehalten wer- einem Stadtteil den. Diese menschenfreundliche mit vielen Rück- Bundestagsabgeordnete gehört dem kehrern im Wes- Deutschen Bundestag leider nicht ten von Kabul. Die Mitarbeiterin mehr an. Sie war seinerzeit „Bericht- aus der Johanni- erstatterin für den Haushalt des Aus- terzentrale in wärtigen Amtes“ und stellvertretende Berlin, Kathrin Vorsitzende des Haushaltsauschus- Jungfer (2. v.r.) ses. Bei ihrer Initiative hatte sie die mit traditioneller vergessenen Katastrophen im Blick- Kleidung gehört punkt (Vgl. NV 4/2000 „Haushälte- zu den gut rin mit Herz und Verstand“). Ein er- ausgebildeten, neuter Absturz des Titels für „Huma- fähigen jungen nitäre Hilfsmaßnahmen außerhalb Frauen, die zunehmend in der Entwicklungshilfe“ im Bundes- Krisen- und Kata- haushalt 2006 würde zwangsläufig strophengebieten das Todesurteil für zahlreiche Men- anzutreffen sind. schen, besonders für Frauen und (Fotos aus Kinder und ältere Personen in den Afghanistan: „vergessenen Katastrophengebieten“ K. Liebetanz) bedeuten. ❏

66 AUFTRAG 261 KONSOLIDIERUNGZUM KRIEG IN DER IN DAFUR-REGION AFGHANISTAN Darfur – Bürgerkrieg und/oder „Schleichender Genozid“?

VON KLAUS LIEBETANZ Eine NGO zwingt den Sicher- Konvention über die Verhütung und (e) gewaltsame Überführung von heitsrat zum Handeln im Sudan Bestrafung des Völkermordes“ (Art. Kindern der Gruppe in eine an- Am 20. Juli 2004 hat die Men- 2) Untersuchungen vor Ort anstellen dere Gruppe schenrechtsorganisation Human sollten. Von dieser Untersuchungs- Rights Watch (HRW) an Hand von kommission wurden im Ost-Tschad Powell erklärt den Völkermord sudanesischen Regierungsdokumen- in 19 Flüchtlingslagern insgesamt in Darfur ten nachgewiesen, dass die Regie- 1.136 zufällig ausgewählte Personen US-Außenminister Powell er- rung in Karthum die Janjaweed-Mili- befragt. klärte am 9. September 2004 vor zen rekrutiert und bewaffnet hätten. dem Auswärtigen Ausschuss des US- Diese „bewachten“ auch die Flücht- Wesentliche Ergebnisse Senats den Genozid in Darfur und lingslager innerhalb von West-Darfur der Befragung machte die sudanesische Regierung und trieben weiter ihr Unwesen. Die Ca. 50% der Befragten gaben an, in Verbindung mit den Janjaweed- sudanesische Regierung hatte bis- dass reguläre sudanesische Streit- Milizen für den Völkermord an der lang vehement bestritten, dass sie kräfte zusammen mit den arabischen nichtarabische Bevölkerung in Dar- überhaupt etwas mit den paramilitä- Reitermilizen Janjaweed ihre Dörfer fur verantwortlich. Er forderte die rischen Janjaweed zu tun hätte. Als und Städte angegriffen hätten. Diese VN auf, den Völkermord in Darfur Folge der beweiskräftigen Aussagen Angriffe seinen in der Regel mit ei- vollständig aufzuklären und die ver- von HRW hat sowohl der amerikani- nem Luftbombardement eröffnet wor- antwortlichen Täter zu bestrafen. Die sche Kongress als auch das Reprä- den. Weitere 25% sagten aus, dass VN und die Afrikanische Union (AU) sentantenhaus einen Stop des Völ- nur sudanesische Streitkräfte ange- lehnen es ab, die Vorgänge in Darfur kermords in West-Dafur verlangt. griffen hätten, während 14% berich- offiziell als Genozid anzuerkennen. Der Sicherheitsrat (SR) konnte end- teten, es wären ausschließlich Janja- lich am 29.07.2004 eine Resolution weed-Milizen gewesen. Alle Angriffe Waffenstillstandsmission der gegen den Sudan verabschieden, in hätten zur Folge gehabt, dass ange- Afrikanischen Union dem dieser aufgefordert wurde, die griffene Dörfer und Städte mehr oder Mit der Resolution 1564 hat genozidären Umtriebe innerhalb von weniger komplett zerstört und das schließlich der SR den Sudan im 30 Tagen zu beenden. Der amerika- persönliche Eigentum der Bewohner September 2004 aufgefordert, eine nische Resolutionsantrag enthielt und deren Vieh von den Angreifern Truppe der A mit einer maximalen eine Sanktionsandrohung bei Nicht- geraubt worden wären. 61% der Be- Stärke von 7.000 Soldaten zur Über- befolgung. Dem haben 7 Mitglieder fragten berichteten, dass Mitglieder wachung des Waffenstillstandes zwi- des SR nicht zugestimmt. ihrer Familien ermordet und zahlrei- schen den beiden Rebellenbewegun- Im Sicherheitsrat gibt es unter- che Vergewaltigungen vorgenommen gen (Sudan Liberation Army – SLA schiedliche Interessen. Die Russi- worden wären. Die Angreifer hätten und Justice and Equality Movement sche Föderation sieht ihre Waffen- rassistische Parolen gerufen. – JEM) und den Janjaweed-Milizen lieferungen an den Sudan gefährdet, einschließlich der regulären sudane- China treibt intensiven Handel mit Artikel 2 der sichen Streitkräften zu zulassen. Die- dem Sudan und westliche Staaten UN-Genozidkonvention se Truppe wurde Ende 2004 und An- (vor allem Frankreich) sehen ihre In dieser Konvention bedeutet fang 2005 auf einem Gebiet von der Ölinteressen im Sudan in Gefahr. Völkermord eine der folgenden Hand- Größe Frankreichs disloziert und mit Hierzu passt die Auffassung des lungen, die in der Absicht begangen einem schwachen Mandat nach Ka- deutschen Generals a.D. Manfred wird, eine nationale, ethnische, rassis- pitel VI ausgestattet. Ein Scheitern Eisele, ehemaliger Assistent von Kofi tische oder religiöse Gruppe als solche war vorprogrammiert, weil die Leh- Annan im Peacekeeping Department ganz oder teilweise zu zerstören: ren des Brahimi-Reports aus dem der VN: „Die Vereinten Nationen (a) Tötung von Mitgliedern der Jahr 2000 nicht berücksichtigt wur- und speziell der Sicherheitsrat Gruppe; den. sind keine Gemeinschaft der gut- (b) Verursachung von schweren kör- willigen Menschen, sondern eine perlichen oder seelischen Schä- Unübersichtliche Gemengelage Zweckgemeinschaft von Staaten den an Mitgliedern der Gruppe; in West-Darfur zur Durchsetzung ihrer jeweiligen (c) vorsätzliche Auferlegung von Als Beispiel für die unübersicht- nationalen Interessen.“ Lebensbedingungen für die liche Gemengelage in West-Darfur Gruppe, die geeignet sind, ihre soll im Folgenden aus der Erklärung Untersuchung der USA vor Ort körperliche Zerstörung ganz des Präsidenten des SR vom 13. Ok- Aufgrund der beunruhigenden oder teilweise herbeizuführen; tober 2005 ausschnittsweise zitiert Meldung von Human Rights Watch (d) Verhängung von Maßnahmen, werden (5277. Sitzung des SR): setzte die amerikanische Regierung die auf die Geburtenverhinde- „Der Rat verurteilt nachdrücklich den im Juli 2004 ein Expertenteam ein, rung innerhalb der Gruppe ge- Berichten zufolge von der Befreiungs- dass nach den Kriterien der „UN- richtet sind; armee/-bewegung Sudans verübten An-

AUFTRAG 261 67 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

griff vom 8. Oktober auf Personal der melen und Pferden Dörfer an, töten zidgefährdung eine zunehmende Ak- Mission der Afrikanischen Union im dutzende Menschen und terrorisieren tualität. Dabei genügt es nicht, ein- Sudan (AMS) in Darfur, bei dem vier die übrigen, die fliehen.“ zelne Massaker zu dokumentieren, nigerianische Friedenssicherungskräfte sondern sie müssen in einen Gesamt- und zwei zivile Auftragnehmer getötet Ergebnisse der zusammenhang gestellt werden. Nur und drei weitere Personen in der Nähe Genozidforschung so können genozidäre Vorgänge er- von Menawasha verwundet wurden, so- Nach Auffassung des „Institut kannt werden. wie den Berichten zufolge von der Be- für Diaspora und Genozidfor- wegung für Gerechtigkeit und Gleich- schung“ an der Ruhr-Universität Deutschland muss mehr heit am 9. Oktober in Tine (Nord- Bochum seien die seit drei Jahren Verantwortung übernehmen Darfur) verübten Angriff, bei dem etwa anhaltenden massiven Gewaltmaß- Ausgehend von der Präambel des 35 Mitglieder der AMIS aus dem Hin- nahmen gegen die afrikanische Zivil- Grundgesetzes, in der sich die terhalt überfallen und gefangen ge- bevölkerung in Darfur nicht im Kon- Bundesrepublik Deutschland feier- nommen wurden. Der Rat spricht den text des Bürgerkriegs zu lesen bzw. lich verpflichtet, dem Frieden in der Angehörigen der Getöteten seine tiefe ausschließlich als Reaktionen der Welt zu dienen, muss der langjährige Anteilnahme aus. sudanesischen Zentralregierung auf Trend, die Ausgaben für militärische Der SR verurteilt außerdem den am 25. die Rebellion der „Sudan Liberation Sicherheit und für Entwicklungshilfe September von aus Sudan kommenden Army“ und des „Justice and Equality im Verhältnis zum Gesamthaushalt bewaffneten Gruppen verübten Angriff Movement“ in der Region zu erklä- ständig zu senken, gestoppt und um- in Modaina (Tschad), bei dem 75 Men- schen, zumeist Zivilpersonen, getötet ren. Vielmehr seien die Vertreibun- gekehrt werden. Wenn es der „Gro- wurden. Gemeinsam mit der Afrikani- gen und Massaker, an denen sich ne- ßen Koalition“ in den nächsten neun schen Union bekundet der Rat besonde- ben eigens gegründeten Milizen auch Jahren nicht gelingt, die Ausgaben re Abscheu über den von Rebellen in sudanesische Regierungstruppen be- für Entwicklungshilfe um jährlich Darfur verübten Angriff vom 19. Sep- teiligen, eingebunden in eine von der mindestens 3 % und die Ausgaben tember auf die Stadt Sheiara, den am Zentralregierung systematisch ver- für militärische Sicherheit um min- 28. September von Janjaweed-Milizen folgte Bevölkerungs- und Identitäts- destens jährlich 2 % zu steigern, verübten Angriff auf das Vertriebenen- politik, die sich seit mehr als einer kann das o.a. feierliche Versprechen lager von Aro Sharow, bei dem 29 Men- Dekade nachzeichnen lässt: Maß- – im Bewusstsein seiner Verantwor- schen getötet und viele verwundet wur- nahmen der Zwangsislamisierung tung vor Gott und den Menschen – den, und den am 29. September von su- seit den frühen 1990er Jahren und nicht eingehalten werden. Darüber danesischen Regierungstruppen verüb- die aktuelle gewaltsame Arabisie- hinaus würde Deutschland – wie es ten Angriff auf das Dorf Tawila. rung der Region Darfur, die mit der jetzt schon beginnt – außenpolitisch Der SR bekundet außerdem seine Be- Vertreibung und Vernichtung der marginalisiert und langsam aber si- sorgnis über die in dem Bericht des Ge- afrikanischen Bevölkerungsgruppen cher als aktiver Mitgestalter des neralsekretärs vom 19. September (S/ in der Region ihren Abschluss finden Weltfriedens ausscheiden. Die regel- 2005/592) enthaltene Feststellung, soll, zielen auf die Verwirklichung mäßige jährliche Steigerung dieser dass die Regierung (Sudans) keine einer islamisch-arabischen Identität beiden o.a. Budgets ist der Lackmus- sichtbaren Anstrengungen unternom- von Staatselite, Administration und test für die Ernsthaftigkeit der deut- men hat, um die Milizen zu entwaffnen Bevölkerung. Vor diesem Hinter- schen Friedensbemühungen und we- oder sie im Einklang mit früheren Ver- grund ist die Gewaltpolitik in Darfur sentlich wichtiger als ein ständiger einbarungen und den Resolutionen des nicht als Bürgerkrieg oder als ethni- Sitz im Sicherheitsrat. Dabei wäre es Sicherheitsrates zur Rechenschaft zu scher Konflikt zu bezeichnen son- sicher notwendig, dass dem Auswär- ziehen.“ dern zweifellos als Genozid zu cha- tigen Amt ein Haushaltstitel in Milli- rakterisieren. ardenhöhe zur Verfügung gestellt UN-Gesandter erklärt das wird, um internationale Friedensein- Scheitern der AU-Mission Genozid ist ein Ergebnis sätze im Rahmen der Vereinten Nati- Mitte Januar 2006 erklärte der der Moderne onen – wie in Dafur oder im Kongo – UN-Gesandte Jan Pronk die Bemü- Nach Auffassung der Bochumer tatkräftig zu unterstützen und ent- hungen um eine Entschärfung der Si- Wissenschaftler ist Genozid kein ata- sprechenden Einfluss zu nehmen. tuation in West-Dafur für geschei- vistischer, barbarischer Akt sondern Zur Zeit ist das Auswärtige Amt eher tert. Vor dem Sicherheitsrat in New durchaus etwas Modernes. Beim Ge- ein „zahnloser Tiger“ ohne Wei- York forderte er ein robusteres Man- nozid geht es um nationale Homoge- sungsbefugnis gegenüber dem Ver- dat und bis zu 20.000 Soldaten, um nisierung und um einen Vergemein- teidigungs- und dem Entwicklungs- die Milizen zu entwaffnen, die Er- schaftungsentwurf mit nationaler ministerium und hat selbst keinen mordungen und Vergewaltigungen Selbstbestimmung. Ein neuer Staat nennenswerten entsprechenden dort zu stoppen und den zwei Millio- soll entstehen. Minderheiten werden Haushaltstitel. In diesem Zusam- nen Flüchtlingen die Rückkehr zu als Störenfriede betrachtet und syste- menhang muss sich der Bundestag ermöglichen. Die marodierenden matisch beseitigt. Angesichts der als Budgetverteiler fragen, was aus arabischen Reitermilizen Janjaweed vielen „failing states“ nach 1990 und seiner jeweils am 27. Januar feierlich löschten ein Dorf nach dem anderen dem daraus resultierenden Stabili- verkündeten Erklärung „Nie wieder aus, ergänzte Pronk. „Mindestens sierungsversuchen erhält die Geno- Völkermord!“ geworden ist.1 ❏ einmal im Monat greifen Gruppen von 1 vgl. Liebetanz: „Deutscher Bundestag im Glashaus – Kein Grund zu moralischer Überheb- 500 bis 1.000 Milizionären auf Ka- lichkeit“; in: AUFTRAG Nr. 247/April 2002, S. 9).

68 AUFTRAG 261 WELTFRIEDENSTAG 2006

BOTSCHAFT ZUM WELTFRIEDENSTAG 2006: In der Wahrheit liegt der Friede (I) Presseinformation der Deutschen Bischofskonferenz zur Botschaft des Papstes

er sich von der Wahrheit eine korrekte Anwendung dieses leiten lässt, schlägt „fast Rechts zu gewährleisten, müsse es Wselbstverständlich den Weg durch genaue Vorschriften aktuali- des Friedens ein“. Diese Überzeu- siert werden, damit den veränderli- gung bringt Papst Benedikt XVI. in chen Gegebenheiten der modernen seiner Botschaft „IN DER WAHRHEIT bewaffneten Konflikte sowie der Ver- LIEGT DER FRIEDE“ zum Weltfriedens- wendung ständig neuer, immer tag am 1. Januar 2006 zum Aus- hochentwickelterer Waffensysteme sen sollten sich alle – auch jene, die druck. Friede sei eben nicht einfach entgegengetreten werden könne. bislang noch nicht über solche Waf- auf das bloße Nichtvorhandensein Ausdrücklich dankt der Papst nicht fen verfügen, sondern sie sich erst von Krieg zu reduzieren. Vielmehr nur den Internationalen Organisatio- verschaffen wollen – auf eine fort- müsse er als eine von Gott gestiftete nen für ihr Engagement, sondern schreitende Atomabrüstung ausrich- Ordnung von den Menschen verwirk- besonders auch den Soldaten, die zur ten. Die so eingesparten Gelder licht werden. Alle sind dazu aufgeru- Beilegung der Konflikte und zur könnten dann in Entwicklungs- fen, „fruchtbare und aufrichtige Be- Friedenssicherung eingesetzt sind, projekte investiert werden. ziehungen zu pflegen (…), die Wege sowie den Militärbischöfen und Besorgt äußert sich Benedikt der Verzeihung und der Versöhnung Militärseelsorgern, die „in jeglicher auch zum Anstieg der Militäraus- zu suchen und zu gehen sowie ehr- Situation und Umgebung treue Ver- gaben und zum Waffenhandel. Der lich zu sein in den Verhandlungen künder der Wahrheit des Friedens Internationalen Gemeinschaft sei der und treu zum einmal gegebenen Wort bleiben“. Mut und die Weisheit zu wünschen, zu stehen.“ Dann erscheine der Frie- Auch der Terrorismus gefährde dass sie wieder überzeugt und ver- de in neuer Weise „als Zusammenle- den Frieden dramatisch, so der Papst eint die Abrüstung propagiere. Profi- ben der einzelnen Menschen in einer weiter. Er werde zum einen vom Ni- tieren würden davon gerade auch die von der Gerechtigkeit geregelten Ge- hilismus – der Leugnung der Exis- armen Länder. Sie haben ein Recht sellschaft.“ tenz jeglicher Wahrheit – und zum auf Entwicklung. Dies haben auch Immer wieder habe sich gezeigt, andern vom Fundamentalismus – die Vereinten Nationen auf ihrer dass die Lüge verheerende Auswir- dem Anspruch, Wahrheit mit Gewalt jüngsten Generalversammlung wieder kungen im Leben Einzelner und gan- aufzwingen zu können – inspiriert. bestätigt. Die katholische Kirche zer Nationen verursache. Man denke Sei auch ihr Ursprung verschieden, vertraue dieser Organisation, wün- nur an das letzte Jahrhundert, „als ir- so stimmen doch beide Haltungen in sche ihr aber zugleich eine institutio- rige ideologische und politische Sys- einer gefährlichen Verachtung des nelle und operative Erneuerung, da- teme die Wahrheit planmäßig ver- Menschen und seines Lebens über- mit sie den veränderten Anforderun- fälschten und so zur Ausbeutung und ein. Bei der Analyse der Ursachen gen der heutigen, vom umfassenden Unterdrückung einer erschütternden des Terrorismus sollte man sich da- Phänomen der Globalisierung ge- Anzahl von Menschen führten, ja, her nicht nur politische und soziale kennzeichneten Zeit entsprechen sogar ganze Familien und Gemein- Gründe, sondern auch die kulturel- könne. schaften ausrotteten. Wie könnte len, religiösen und ideologischen Mit seiner ersten Botschaft zum man nach diesen Erfahrungen nicht Motive vor Augen halten. traditionellen Weltfriedenstag am 1. ernstlich besorgt sein angesichts der Wenn Autoritäten in ihren Bür- Januar knüpft Papst Benedikt aus- Lügen unserer Zeit, die den Rahmen gern feindselige Gefühle gegenüber drücklich an das Engagement von bilden für bedrohliche Szenerien des anderen Nationen schüren, setzen sie Papst Johannes Paul II. und Papst Todes in nicht wenigen Regionen der das sensible, in mühsamen Verhand- Paul VI. an und bestätigt den „festen Welt?“, so die besorgte Frage Papst lungen errungene Gleichgewicht aufs Willen des Heiligen Stuhls (…), Benedikts. Spiel und tragen dazu bei, die Zu- weiterhin der Sache des Friedens zu Selbst im Krieg gibt es die Wahr- kunft der Menschheit noch unsiche- dienen.“ heit des Friedens, weshalb die Ach- rer zu machen. Und Regierungen, die tung des Menschenrechts, das von sich auf Nuklearwaffen zur Sicher- Die Botschaft von Papst Benedikt der Internationalen Gemeinschaft heit ihrer Länder stützen, seien ei- XVI. zum Weltfriedenstag im Wortlaut aufgestellt wurde und auf dessen nem trügerischen Irrtum verfallen. sowie eine Arbeitshilfe der Deutschen Einhaltung auch der Heilige Stuhl „In einem Atomkrieg gäbe es näm- Bischofskonferenz zum Welttag des immer wieder drängt, allen Völkern lich keine Sieger, sondern nur Op- Friedens 2006 finden Sie im Internet als notwendige Pflicht erscheint. Um fer“, betont Papst Benedikt. Stattdes- unter www.dbk.de.

AUFTRAG 261 69 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

WELTFRIEDENSTAG 2006: In der Wahrheit liegt der Friede (II) Internationaler Soldatengottesdienst am 19. Januar im Kölner Dom

VON ANDREAS M. RAUCH lljährlich beginnen die Feiern gen sind, unerträgliche Ungerech- und Gesellschaft ergeht der Aufruf zum Weltfriedenstag, den die tigkeiten und Missverhältnisse zu er- des Heiligen Vaters, sich verstärkt ADiözesen in Deutschland mit leiden“, die Hoffnung auf Frieden im Kampf gegen den Waffenhandel den in ihrem Raum stationierten Sol- zerstört wird. Daher wendet sich der und Atomwaffen zu engagieren. Am daten begehen, mit dem Internatio- Papst in seiner Friedensbotschaft in- Ende seiner Botschaft bittet der nalen Soldatengottesdienst im Hohen tensiv gegen alle „Lügen unserer Papst nochmals intensiv darum, „das Dom zu Köln. Er fand am 19. Januar Zeit“, die in Vergangenheit und Ge- Gebet zu verstärken, denn der Friede 2006 zum 30. Mal statt. Am 1. Januar genwart als „irrige ideologische und ist vor allem ein Geschenk Gottes, 1968 feierte der damalige Papst Paul politische Systeme die Wahrheit das unaufhörlich erfleht werden VI. den ersten Weltfriedenstag. planmäßig verfälschen und so zur muss.“ Damals äußerte er den Wunsch, die- Ausbeutung und Unterdrückung ei- sen Tag immer zu Beginn des neuen ner erschütternden Anzahl von Men- Internationaler Jahres zu feiern; zudem sollte der schen führten“. Soldatengottesdienst Weltfriedenstag jeweils unter einen Im Gegensatz dazu fordert er das Die Veranstaltung eines Interna- Leitgedanken gestellt werden. Damit Bewusstsein ein, dass alle Menschen tionalen Soldatengottesdienstes geht sollen für katholische Christen und zu ein und derselben Familie gehö- auf eine Anregung des damaligen Mi- alle Menschen guten Willens die ers- ren und Wege des Verzeihens und litärgeneralvikars, Dr. Martin Gritz, ten Schritte in das neue Jahr immer der Versöhnung suchen müssen. In zurück. Seiner Zeit haben die Ge- darauf verweisen, den Weg des Frie- scharfer Form wendet sich der Papst, meinschaft Katholischer Soldaten dens zu gehen. in Kontinuität zu seinen Vorgängern, und das Apostolat Militaire Internati- Papst Benedikt XVI. setzt diese gegen jede Art von Terror und Ge- onal im Jahre 1975 in Rom an- Tradition seines Vorgängers fort. walt, die auf ganz dramatische Weise lässlich einer Soldatenwallfahrt wäh- Zum ersten Mal lädt er alle Gläubi- gerade in der Gegenwart den Frieden rend des Heiligen Jahres beschlos- gen und alle Menschen guten Wil- gefährden und die Welt im Zustand sen, zu Anfang eines jeden Jahres – lens in diesem Jahr dazu ein, sich für der Angst und der Unsicherheit hal- praktisch innerhalb des ersten Halb- Frieden, Gerechtigkeit und Versöh- ten. Als Keimzellen des heutigen jahres – Veranstaltungen zum Welt- nung einzusetzen und darum zu be- Terrorismus benennt das Oberhaupt friedenstag unter dem jeweils vom ten. Der jährliche Welttag des Frie- der römisch-katholischen Kirche den Heiligen Vater gewählten Motto dens wird in der gesamten Welt- Nihilismus und den Fundamentalis- durchzuführen. kirche begangen. Die Militärseelsor- mus. Der Nihilismus begünstigt das Den Internationalen Soldaten- ge als „Kirche unter den Soldaten“ Phänomen des Terrorismus, weil er gottesdienst in Köln gibt es seit greift dieses große Anliegen des die Existenz jeglicher Wahrheit leug- 1977. Dieser erste Soldatengottes- Papstes auf und lädt in den meisten net. Der Fundamentalismus in allen dienst in Köln feierte der damalige Diözesen Deutschlands zusammen Religionen bietet einen Nährboden Erzbischof von Köln, Joseph Kardi- mit den örtlichen Bischöfen zu für den Terrorismus, weil er den An- nal Höffner, mit rund 1.100 Soldaten Soldatengottesdiensten anlässlich spruch erhebt, die Wahrheit Men- aller im Erzbistum Köln stationierten des Weltfriedenstages ein. schen mit Gewalt aufzwingen zu kön- Nationen in der Apostelkirche zu Das Motto des Weltfriedenstages nen. Beiden Erscheinungen liegen Köln. Da die Apostelkirche nicht 2006 lautet „Der Friede gründet in eine gefährliche, tief liegende Men- groß genug war, fand der nächste der Wahrheit“. In seiner ersten Bot- schenverachtung, eine Herabwürdi- Soldatengottesdienst 1978 im Hohen schaft zum Weltfriedenstag stellt gung des menschlichen Lebens an Dom statt. In der Vergangenheit fei- sich Papst Benedikt XVI. bewusst in sich und im Ergebnis eine Negierung erten zeitweise bis zu 3.000 Soldaten die Reihe seiner Vorgänger und be- Gottes selbst zugrunde. mit dem Erzbischof von Köln diesen kräftigt seinen guten Willen mit der Angesichts dieser Erkenntnis Internationalen Soldatengottesdienst. ganzen Kirche, weiter der Sache des fordert der Papst eine Besinnung auf Am 30. Januar 1990 leitete der Friedens zu dienen. Der Heilige Va- die Grundwerte des Lebens ein und damals neue Erzbischof von Köln, ter weist darauf hin, dass überall ruft alle Katholiken auf, in allen Tei- Joachim Kardinal Meisner, zum ers- dort, wo die „ganzheitliche Entwick- len der Welt das „Evangelium des ten Mal den Internationalen Solda- lung der Person und der Schutz ihrer Friedens“ vermehrt zu verkündigen tengottesdienst. Im Anschluss an den Grundwerte behindert und verhin- und stärker Zeugnis dafür zu geben. Gottesdienst werden jeweils Abord- dert wird, wenn viele Völker gezwun- An die Verantwortlichen in Politik nungen der Soldaten zur Begegnung

70 AUFTRAG 261 WELTFRIEDENSTAG 2006 mit dem Bischof in das Maternus- Bundesminister der Verteidigung Dr. haus eingeladen. Hier besteht die Franz Josef Jung spricht beim Empfag Gelegenheit zum Gedankenaus- im Maternushaus zu den Soldaten und tausch zwischen politischer, militäri- Gästen aus Kirche und Gesellschaft. scher und kirchlicher Führung. Auf- grund der Enge des Raumes ist für den großen Teil der mitfeiernden Militärbischofs, Prälat Walter Waken- Soldatinnen und Soldaten auf der hut, zu sehen. Anwesend waren auch Domplatte ein Forum der Begegnung der Vorsitzende der Zentralen Ver- gegeben. Hierbei gibt es eine warme sammlung, Oberst Richard Schmitt Stärkung und das Angebot verschie- und der Bundesvorsitzende der GKS, dener Besichtigungsmöglichkeiten. Oberstleutnant Paul Brochhagen. 2006 gab es das Angebot für eine sprachenamtes in Hürth mit seinem Der Musikkorps der Bundeswehr kostenfreie Besichtigung des Rö- Präsidenten Maurer zugegen. Seitens wurde dirigiert von Hauptmann (w) misch-Germanischen Museums und der politischen Führung waren der Schütz-Knospe; der Chor der Militär- eine kostenfreie Stadtrundfahrt. Mili- Bundesminister der Verteidigung Dr. seelsorge Wahn wurde geleitet von tärgeistliche und Pfarrhelfer standen Franz-Josef Jung (Foto oben: Gruß- Hauptfeldwebel Wolters. dabei den teilnehmenden Soldat- wort beim Empfang im Maternus Friedliche Demonstranten der innen und Soldaten für Gespräche Haus), die Staatssekretäre Eicken- katholischen Friedensbewegung zur Verfügung. boom und Dr. Wichert zugegen sowie „Pax Christi“ sowie andere Pazifis- Am Internationalen Soldaten- weitere hohe Vertreter aus dem ten vor dem Kölner Dom wiesen an- gottesdienst 2006 nahmen rund BMVg, der Wehrverwaltung und den lässlich des Soldatengottesdienstes 1.500 Soldaten aus den Seelsorge- Bw-Ämtern zugegen. darauf hin, dass ein soldatischer Ein- bezirken Aachen, Nörvenich, Köln, In Vertretung von Ministerpräsi- satz vor dem Hintergrund des Evan- Bonn, Wahn, Siegburg, Düsseldorf dent Dr. Rüttgers war der Staatssek- geliums auch eine ethische Ambiva- und Brunssum (Niederlande) teil. retär des Innenministerium Nord- lenz in sich trage; gefordert wurde Diese Seelsorgebezirke spiegeln den rhein-Westfalen Brendel und für die seitens der Demonstranten, dass von Bereich des Katholischen Leitenden Stadt Köln Oberbürgermeister Fritz einem Bundeswehreinsatz im Inne- Militärdekans Köln-Wahn wieder, Schramma im Gottesdienst anwe- ren anlässlich der Fußballweltmeis- der flächenmäßig das Land Nord- send. terschaft abgesehen werden sollte. rhein-Westfalen umfasst und in zwölf Seitens der militärischen Füh- Seelsorgebezirke unterteilt ist, die rung waren der Generalinspekteur Die Friedensbotschaft mit einem Militärpfarrer oder Pasto- der Bundeswehr, General Schneider- von Papst Benedikt XVI. ralreferenten besetzt sind (Aachen, hahn, mit vielen hochrangigen Offi- eine Herausforderung Ahlen, Augustdorf, Bonn, Coesfeld, zieren aus dem Ministerium und den Weihbischof Manfred Melzer Düsseldorf, Emmerich, Köln, Müns- Teilstreitkräften erschienen. (Foto S. 72) trug in Vertretung des ter, Nörvenich, Rheine und Wahn). an Grippe erkrankten Erzbischofs Zusätzlich betreut ein Standort- von Köln vor, dass die Erfahrung pfarrer im Nebenamt die katholi- zeigt, dass Friedensgottesdienste schen Soldaten. In diesen Seelsorge- bezirken werden 17.400 katholische auch in Zukunft nicht überflüssig Soldaten und ihre Familienangehöri- werden, weil die Schaffung von Frie- gen betreut. Gegenwärtig gibt es in den unter den Menschen eine perma- der Bundesrepublik Deutschland 90 nente Aufgabe ist und bleibt. Bereits Dienststellen der Katholischen Mili- die weihnachtliche Botschaft der En- tärseelsorge. Davon sind 63 haupt- gel auf den Fluren von Bethlehem amtliche Militärpfarrer und 27 benennt den „Frieden auf Erden“ Pastoralreferenten. Zusätzlich sind (Lk 2,14) als möglich für die Men- neun Standortpfarrer im Nebenamt in schen seiner Gnade. In der Öffent- Unter den Gästen im Maternushaus der den neuen Bundesländern und sieb- lichkeit – so der Erzbischof von Köln Generalinspekteur der Bundeswehr zehn Standortpfarrer im Nebenamt in -– wurde vielfach der Einwand vor- General Wolfgang Schneiderhahn den alten Bundesländern in der Mili- gebracht, dass auch die Welt sich tärseelsorge tätig. durch das Kommen Jesu Christi und Der Hohe Dom zu Köln war beim Aus dem kirchlichen Bereich damit durch das Christentum nicht Internationalen Soldatengottesdienst waren in der Vertretung des erkrank- wesentlich zum Positiven verändert 2006 voll besetzt. Bei diesem Gottes- ten Erzbischofs von Köln Weihbi- habe, da insgesamt die Zahl der dienst waren Soldaten der britischen, schof Melzer die Katholischen Kriege und militärischen Konflikte belgischen, amerikanischen, kanadi- Militärbischöfe von Großbritannien nicht weniger geworden ist. Es ist je- schen und italienischen Streitkräfte und Ungarn, Reight Rev. M. Burns doch zu bedenken, dass die katholi- sowie Beamte der Bundespolizei und und Dr. Tamas Szabo, sowie der sche Kirche mit jedem Menschen bei Lehrgangsteilnehmer des Bundes- Militärgeneralvikar des Katholischen seiner Taufe wieder am Punkte Null

AUFTRAG 261 71 KIRCHE UND GESELLSCHAFT anfangen muss, denn Glaube, Hoff- Manfred Melzer, Weihbischof in Köln, nung, Liebe und Friedfertigkeit, Ge- vertrat den erkrankten Erzbischof von duld und Tapferkeit werden nicht bi- Köln nicht nur als Zelebrant des Inter- ologisch vererbt, sondern müssen be- nationalen Soldatengottedienstes, son- dern auch als Hausherr im Maternus- griffen und praktiziert werden. haus Der erkrankte Kölner Erzbischof ließ durch den ihn vertretenden Weihbischof auf die totalitären Ideo- keinen Sonderweg einschlagen, son- logien in Geschichte und Gegenwart dern wegweisend handeln soll – und verweisen, die eine Bedrohung für eine kirchliche Mitverantwortung im den Frieden beinhalten. Benannt Sinne der Inneren Führung. In dieser wurde die irrige Ideologie des Natio- Erklärung äußern die deutschen Bi- nalsozialismus, die der Auffassung ren und Religionen, um eine friedli- schöfe abschließend: „Die Kirche hat war, dass alles Unheil in der Rassen- chere Zukunft zu ermöglichen – so ihre Stimme in den gesellschaftlichen vermischung begründet sei. Auch die Bundesminister Dr. Jung. politische Ideologie des Sozialismus, Diskussionen um Frieden und Sicher- Weihbischof Melzer führte auf die einfach behauptete, alles Unheil heit in der Vergangenheit immer den Weltjugendtag und die Äuße- läge in der ungerechten Verteilung wieder zu Gehör gebracht. Davon wer- der Güter, irrte, wenn sie meinte, rung eines lateinamerikanischen Bi- den wir auch zukünftig nicht ablas- man brauche nur die Güter gerecht schofs Bezug nehmend aus: „Sagt sen. Wo wir den Eindruck gewinnen, zu verteilen, dann sei der Friede auf Eurem Gott, dass Ihr nicht nur Pro- dass die verschiedenen gesellschaftli- Erden gegeben. Der Bischof weiter: bleme habt, sondern auch, dass Ihr ei- chen und politischen Akteure ihrer „Dass sich aber der Mensch mit der nen starken Gott lebt.“ NRW-Staats- Verantwortung für die Wahrung und Befreiung von den Ausbeutern noch sekretär Karl-Peter Brendel äußerte, Mehrung des Gemeinwohles in dieser gar nicht von dem größten Ausbeuter dass es gegenwärtig viel verspre- Frage nur unzureichend nachkom- losgemacht hat, nämlich von sich chende Schritte zum Frieden gebe. men, werden wir auch weiterhin ver- selbst, ist völlig übersehen worden. Aufgabe der Politik sei es, keine lässliche Anwälte eines Umganges Und wir wissen alle, welch verheeren- kriegerischen Konflikte aufkommen mit und in den Streitkräften sein, der de Folgen der real existierende Kom- zu lassen. Brendel führte aus, dass in dem tiefen Ernst der Sache gerecht munismus über ganze Kontinente ge- Nordrhein-Westfalen nach dem wird.“ (s. 18) bracht hat.“ Wegfall von 9.000 Dienstposten Zusammenfassend lässt sich sa- noch 38.000 Dienstposten der Bun- gen, dass die deutschen Bischöfe mit Empfang im Maternushaus deswehr verbleiben. dieser Feststellung und alle Redner Beim Empfang im Maternushaus Militärgeneralvikar Walter Wa- mit ihren Äußerungen anlässlich des führte der Bundesminister der Ver- kenhut verwies auf die am 29. No- internationalen Soldatengottesdienst teidigung aus, dass er gerade vor vember 2005 veröffentlichte Erklä- in Köln ganz auf der Linie von Papst Weihnachten deutsche Soldaten in rung der deutschen Bischöfe zur Benedikt liegen, der im Schlussteil Kabul, Islamabad, Djibouti und im Stellung und Aufgabe der Bundes- seiner Botschaft zum Weltfriedenstag Kosovo getroffen und er dort wieder wehr (Sekretariat der DBK, Die äußert: „Dank der göttlichen Hilfe einmal erfahren habe, dass der Deutschen Bischöfe, Nr. 82) mit dem wird die Verkündigung der Wahrheit Dienst für den Frieden eine immer- Titel „SOLDATEN ALS DIENER DES FRIE- des Friedens und das Zeugnis für sie währende Aufgabe darstellt und der DENS. ERKLÄRUNG ZUR STELLUNG UND mit Sicherheit überzeugender und er- christliche Glaube sowie die Militär- AUFGABE DER BUNDESWEHR“. Inhalt- hellender erscheinen. Wenden wir ver- seelsorge Beiträge zur inneren Stär- lich geht es dabei um das Konzept trauensvoll und in kindlicher Hinga- kung der Soldaten leisten. Die Bot- der Inneren Führung unter der Be- be unseren Blick auf Maria, die Mut- schaft von Papst Benedikt XVI. zum rücksichtigung von ethischen, histo- ter des Friedensfürstens. Am Anfang Weltfriedenstag sieht der Bundesmi- rischen und rechtlichen Grundlagen, dieses neuen Jahres bitten wir sei, dem nister der Verteidigung als Ermuti- Herausforderungen an das Konzept gesamten Gottesvolk zu helfen, in je- gung für die risikoreiche Aufgabe der der Inneren Führung angesichts des der Lage Friedensstifter zu sein, in- Soldaten zur Sicherung des Friedens veränderten Aufgabenprofils der dem es sich erleuchten lässt von der weltweit. Die Militärseelsorger die- Bundeswehr und eines veränderten Wahrheit, die frei macht (vgl. Johan- nen als Ansprechpartner, um über Verhältnis der Gesellschaft zur Bun- nes 8,32). Möge die Menschheit auf das Religiöse und Gott nachzuden- deswehr und um das Aufzeigen von ihre Fürsprache hin eine immer grö- ken. Die Konflikte auf dem Balkan Perspektiven. Zum Thema „Pers- ßere Wertschätzung für dieses grund- und die Opfer terroristischer An- pektiven“ gehört eine Stärkung der legende Gut entwickeln und sich schläge werfen Fragen nach dem Inneren Führung der Bundeswehr, dafür einsetzen, sein Vorhandensein Sinn des Lebens und des christlichen eine Ethik und Führungskultur in in der Welt zu festigen, um den nach- Glaubens auf. Toleranz sei die Vor- den gemeinsamen europäischen und wachsenden Generationen eine unbe- aussetzung für die Auseinanderset- euroatlantischen Verteidigungsbe- schwertere und sichere Zukunft zu zung mit den verschiedenen Kultu- mühen – wobei die Innere Führung übergeben.“ (Fotos: www.kmba.de)

72 AUFTRAG 261 WELTFRIEDENSTAG 2006

PAPST BENEDIKT XVI. AN DAS DIPLOMATISCHE KORPS BEIM HL. STUHL: Die Lage im Heiligen Land – ein wunder Punkt Der Heilige Vater fordert für Israel und das palästinensische Volk Frieden in Freiheit und Wohlergehen

ie Konflikte im Nahen und hungen unter den Völkern zu för- zen zum Schutz der legitimen Inter- Mittleren Osten sowie die dern, wodurch der Frieden in Wirk- essen aller Seiten zeigten, die nicht D„humanitäre Not“ in vielen lichkeit genährt werde. Er habe sich überschritten werden dürften. Teilen der Welt hat Papst Benedikt in seiner diesjährigen Botschaft zur „Wenn diese unterschiedliche und XVI. beim traditionellen Neujahrs- Feier des Weltfriedenstages über- einander ergänzenden Aspekte – die empfang am 9. Januar 2006 für das zeugt gezeigt, „dass der Mensch, wo Verschiedenheit und die Gleichheit beim Heiligen Stuhl in Rom akkredi- und wann immer er sich vom Glanz – erkannt und anerkannt werden, tierte Diplomatische Korps angespro- der Wahrheit erleuchten lässt, fast dann können auf gerechte Weise chen. selbstverständlich den Weg des Frie- Probleme gelöst und Meinungsver- Er drückte seine Freude über die dens einschlägt.“ schiedenheiten beigelegt werden; Zusammenkunft nach der Feier von tiefes und dauerhaftes Einverneh- Weihnachten und Epiphanie aus, Der Einsatz für die Wahrheit men ist möglich,“ hob der Papst aus der heraus die Kirche noch lebe, ist die Seele der Gerechtigkeit hervor. Werde nur einer dieser As- denn sie gehe aus der Gegenwart des Angesichts der offenen, schwe- pekte nicht beachtet, käme es zu Un- Emmanuel – Gott-mit-uns – hervor, lenden oder nur scheinbar befriede- verständnis, Konflikten sowie zur doch sei es auch eine innere Freude. ten bewaffneten Konflikte auf der Versuchung der Gewalt und des Gleichzeitig handele es sich um eine Welt und der mutigen sowie beharrli- Machtmissbrauchs. wahre Freude, die mitgeteilt werden chen Bemühungen um den Frieden Dies scheine ihm besonders auf müsse, wenn sie nicht erlöschen sol- vieler Menschen und Organisationen das Heilige Land zu passen, das ein le. „Ihnen allen also, meine Damen möchte er, Benedikt XVI., im Sinne wunder Punkt auf der internationalen und Herren Botschafter, …, Ihren einer brüderlichen Ermutigung eini- Bühne bleibe. „Der Staat Israel muss lieben Familien und ihren Mitarbei- ge Gedanken vortragen: dort, entsprechend den Normen des tern spreche ich meine Wünsche internationalen Rechts friedlich exis- christlicher Freude aus. Möge es die 1. „Der Einsatz für die Wahrheit ist tieren können; gleichermaßen muss Freude der von Christus gebrachten die Seele der Gerechtigkeit. Derjeni- das palästinensische Volk dort auf universalen Brüderlichkeit sein, die ge, der sich für die Wahrheit ein- friedliche Weise seine demokrati- reich an wahren Werten ist und offen setzt, muss das Gesetz des Stärkeren schen Institutionen für eine Zukunft dafür, großzügig geteilt zu werden. ablehnen, das aus der Lüge lebt und in Freiheit und im Wohlergehen ent- Möge sie Euch begleiten und an je- das sowohl auf nationaler als auch in- wickeln können.“ dem Tag des soeben begonnenen ternationaler Ebene die Geschichte Der Pontifex ging dann auf die Jahres größer werden“, schloss Ben- der Menschheit häufig mit Tragödien Gefahr eines Zusammenstoßes der edikt XVI. seine Begrüßung. übersät hat. Die Lüge zeigt sich oft Kulturen hinsichtlich des organisier- Anschließend bedankte er sich im Gewand einer scheinbaren Wahr- ten Terrorismus auf internationaler für die vom Doyen, Giovanni Galassi, heit, doch in Wirklichkeit ist sie Ebene ein. Er habe an Schärfe zuge- überbrachten guten Wünsche des Di- immer selektiv und tendenziös sowie nommen und die Gründe dafür seien plomatischen Korps. Galassi hatte auf egoistische Weise auf eine zahlreich und miteinander verwoben. dabei auch die zahlreichen schweren Instrumentalisierung des Menschen Irrige religiöse Vorstellungen ver- Probleme in der Welt erwähnt. Der und schließlich auf seine Unterdrü- mischt mit ideologischen und politi- Heilige Vater unterstrich in seinen ckung hin orientiert.“ Dafür lieferten schen zählten nicht an letzter Stelle Dankesworten: „Wir fühlen uns … politische Systeme der Vergangen- dazu. Der Terrorismus greife un- wie in einer gemeinsamen Sendung heit aber auch der Gegenwart den schuldige Personen ohne Unterschie- vereint, die uns vor immer neue und bitteren Beweis. Demgegenüber de an oder erpresse Menschen, ver- ungeheure Herausforderungen stellt. führten die Wahrheit und Wahrhaf- setze damit ganze Bevölkerungs- Wir gehen dies jedoch vertrauensvoll tigkeit zur Begegnung mit dem ande- gruppen in panische Angst, um damit an, mit dem Willen, uns gegenseitig, ren, zu seiner Anerkennung und zum seine Absichten bei den politisch … den großen gemeinsamen Zielen Verständnis. Der splendor veritatis Verantwortlichen durchzusetzen. zugewandt, zu unterstützen.“ und die Liebe zum Wahren seien „Durch keinen Umstand können die- In seiner Rede sagte er dann, trotz aller Schwierigkeiten ganz auf se kriminellen Handlungen gerecht- Christus sei gekommen, den nahen ein unparteiisches und gerechtes fertigt werden, … und die umso nie- und fernen Frieden zu verkünden, Verständnis sowie auf Teilhabe aus- derträchtiger sind, da sie sich hinter wie der Apostel Paulus im Brief an gerichtet. Sie mit Ihren diplomati- dem Schutzschild einer Religion ver- die Epheser schreibt. Und die diplo- schen Erfahrungen werden diese Su- bergen und auf diese Weise die reine matischen Vertreter der Nationen che nach Wahrheit in den internatio- Wahrheit Gottes auf die Ebene ihrer hätten unter anderem die noble Auf- nalen Beziehungen bestätigen kön- Verblendung und ihrer moralischen gabe, die freundschaftlichen Bezie- nen, wobei sich aber auch die Gren- Verirrung hinunterziehen.“ Das

AUFTRAG 261 73 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

Oberhaupt der Katholischen Kirche rellen und religiösen Belangen ein- Kein Friede ohne Gerechtigkeit, appellierte an die Diplomaten für die geräumt wird, vorrangig bewertet keine Gerechtigkeit ohne Vergebung. Wahrheit auf bilateraler als auch auf werden,“ betonte der Papst. multilateraler Ebene einen wesentli- Der Heilige Stuhl setze sich na- 4. Die Bitte um Vergebung und das chen Beitrag zu leisten, um die nicht türlich besonders für die Religions- Geschenk der Vergebung seien uner- zu verleugnenden Unterschiede un- freiheit ein. Bedauerlicherweise wer- lässliche Bestandteile für den Frie- ter den Völkern verschiedener Teile de diese Freiheit in gewissen Staaten den. Für alle gelte die Mahnung un- der Welt und ihrer Kulturen abzu- – selbst mit einer über Jahrhunderte seres Herrn: “Wer von euch ohne bauen. „Im Laufe der vergangenen andauernden Kultur – nicht gewähr- Sünde ist, werfe als erster einen Jahrhunderte haben der kulturelle leistet, vor allem gegenüber Minder- Stein“ (Joh 8,7). Der Pontifex erin- Austausch zwischen Judentum und heiten schwer verletzt. Nach der All- nert hier an die erleuchtenden Worte Hellenismus, zwischen der Welt der gemeinen Erklärung der Menschen- von Johannes Paul II. – besonders Römer, der Germanen und der Sla- rechte sind die fundamentalen Men- bezogen auf die Nationen, in denen wen, sowie zwischen der arabischen schenrechte weltweit gültig, dabei die physischen und moralischen und europäischen Welt, die Kultur müsse dem Recht der Religionsfrei- Wunden der Konflikte besonders bereichert und die Entwicklung der heit ein vorrangiger Platz eingeräumt schmerzvoll seien und das Bedürfnis Wissenschaften und der Zivilisatio- werden, denn es sei die wichtigste nach Frieden am dringendsten sei: nen gefördert. So sollte es auch heute Beziehung des Menschen, die zu „Kein Friede ohne Gerechtigkeit, wieder sein – und zwar in einem noch Gott. Deswegen appellierte der Ben- keine Gerechtigkeit ohne Verge- größeren Ausmaß!“ Daher müsse je- edikt XVI. an alle Verantwortlichen bung“ (Botschaft zum Weltfriedens- des Hindernis bekämpft werden, das in den Nationen: „Wenn sie die tag, 01.01.2002). Benedikt XVI. ver- den Zugang zur Information durch Wahrheit nicht fürchten, brauchen wies in diesem Zusammenhang die Presse oder andere moderne Mit- sie die Freiheit nicht zu fürchten. besonders auf das Geburtsland von tel der Informatik beschränke. Außer- Der Vatikan, der überall wirklich Jesus Christus, den Fürst des Frie- dem müsse der universitäre Aus- freie Bedingungen für die Katholi- dens, die Staaten des Nahen und tausch zwischen Lehrern und Schü- sche Kirche fordert, fordert sie Mittleren Ostens sowie an Afrika mit lern der geisteswissenschaftlichen gleichermaßen für alle ein.“ seinen dramatischen Bruderkriegen Disziplinen zwischen den verschiede- aber auch auf die vielen blutigen nen Kulturregionen verstärkt werden. 3. Für das Oberhaupt der Katholi- Auseinandersetzungen in anderen schen Kirche öffnet der Einsatz für Teilen der Welt. 2. Für die Höchste Instanz der Kir- die Wahrheit den Weg zur Verge- Zu den großen Aufgaben der Di- che gibt der Einsatz für die Wahrheit bung und zur Versöhnung. Es erhebt plomaten zähle sicher, „allen in Aus- dem Recht auf Freiheit eine Grund- jedoch Einspruch angesichts des not- einandersetzungen stehenden Seiten lage und verleiht ihm Geltung. Der wendigen Zusammenhangs zwischen begreiflich zu machen, dass, wenn Mensch könne und wolle die Wahr- dem Einsatz für die Wahrheit und für sie die Wahrheit lieben, ihre Irrtü- heit erkennen, zu der man jedoch nur den Frieden: „Die verschiedenen mer zugeben müssen – und nicht nur in der Freiheit gelangen könne. Dies Ansichten über die Wahrheit führen die der anderen -, und es nicht ab- gelte in besonderer Weise für die geis- zu Spannungen, zu Unverständnis lehnen dürfen, sich der Bitte um Ge- tigen Wahrheiten, die Gut und Böse und Debatten, die umso heftiger währung von Vergebung zu öffnen. betreffen, die großen Finalitäten und sind, je tiefer diese Ansichten ver- Der Einsatz für die Wahrheit – die Ih- Perspektiven des Lebens, die Bezie- wurzelt sind. Im Laufe der Geschich- nen sicherlich am Herzen liegt – ruft hung zu Gott. „Und wenn man sich te haben sie zu gewaltsamem Wider- sie durch die Versöhnung zum Frie- diese Wahrheiten einmal zu Eigen ge- spruch, zu gesellschaftlichen und po- den.“ Das vergossene Blut fordere macht hat, benötigen sie Freiraum, litischen Konflikten und sogar zu Re- nicht Rache, sondern das Leben und um in allen Dimensionen des mensch- ligionskriegen geführt.“ Dies sei den Frieden zu respektieren. Möge lichen Lebens gelebt zu werden. wahr und könne nicht geleugnet wer- die kürzlich von den Vereinten Natio- Die derzeitige Entwicklung des den, doch es habe immer eine Reihe nen gegründete Kommission zur Kon- internationalen Rechts zeige deut- Begleitgründe gegeben, die sowohl solidierung des Friedens diesem fun- lich, dass keine Regierung ihren mit der Wahrheit als auch mit der damentalen Anspruch der Menschheit Bürgern angemessene Bedingungen Religion nichts oder nur wenig zu tun erfolgreich gerecht werden. der Freiheit vorenthalten könne, wol- hatten. Es sei von Mitteln Gebrauch le sie nicht ihre Glaubwürdigkeit als gemacht worden , die mit den Ziel- Menschen die Hunger leiden Ansprechpartner in internationalen setzungen der Wahrheit und der haben keinen Frieden Fragen verlieren. „Denn zum Schutz Achtung vor der Freiheit nicht zu 4.„Der Einsatz für den Frieden eröff- der den Personen als solche inne- vereinbaren waren. Die Katholische net neue Hoffnungen“, setzte Papst wohnenden, international garantier- Kirche verurteile die schweren Irrtü- Benedikt XVI. seine Ausführungen ten Rechte muss der Raum, der dem mer, die in der Vergangenheit sowohl fort. Der Frieden fördere die Bildung Recht auf Freiheit innerhalb eines von Teilen ihrer Mitglieder als auch von neuen Energien in den internati- jeden Staates sowohl im öffentlichen von ihren Institutionen begangen onalen Beziehungen zur Aufrechter- als auch im privaten Leben, sowohl wurden und habe nicht gezögert um haltung des Friedens, wenn diese der in den ökonomischen und politischen der Wahrheit willen, um Vergebung Wahrheit des Menschen und seiner Beziehungen als auch in den kultu- zu bitten. Würde entsprechen. Wenn Men-

74 AUFTRAG 261 WELTFRIEDENSTAG 2006 schen nicht das Notwendigste z.B. an onale Institutionen und Nicht-Regie- Mit der Geburt Christi verwirkli- Nahrung haben, um in Würde zu le- rungs-Organisationen durch Hilfe tä- che sich die Prophezeiung des Psal- ben, so könne man nicht von Frieden tig geworden. Verstärkt sollten sich misten: „Gnade und Wahrheit sind sprechen. „Unwillkürlich kommen jedoch die Diplomaten bemühen, die sich begegnet, Gerechtigkeit und einem die erschütternden Bilder gro- Hindernisse gegen wirksame und Frieden haben sich geküsst. Wahr- ßer Flüchtlings- und Vertriebenen- menschenwürdige Lösungen zu er- heit wird sprossen aus der Erde , Ge- lager in verschiedenen Teilen der kennen und wegzuräumen. Die rechtigkeit herniederschauen vom Welt in den Sinn, in denen Men- Wahrheit erfordere, dass sich alle Himmel“ (Ps 85,11 –12). Und der schen unter prekären Umständen wohlhabenden Staaten ihrer Verant- heilige Kirchenvater Augustinus aufgenommen werden, damit sie wortung sowie Pflicht zur Hilfe be- kommentiert diese Worte: „Die dadurch weitaus schlimmeren Be- wusst werden und großzügig ihre ei- Wahrheit ist aus der Erde gesprosst: dingungen entfliehen können, … genen Ressourcen dafür einsetzen. Christus der gesagt hat: Ich bin die Sind diese Menschen denn nicht un- Es würde schon ausreichen, weniger Wahrheit, ist aus der Jungfrau gebo- sere Schwestern und Brüder? Sind als die Hälfte der jährlichen weltwei- ren“. ihre Kinder nicht mit der gleichen le- ten Rüstungsausgaben umzulenken, Aus dieser Wahrheit lebe die gitimen Hoffnung auf Glück zur Welt um damit dauerhaft das Heer der Be- Kirche immer noch. Papst Benedikt gekommen wie die anderen?“ Es dürftigen der Armut zu entreißen. XVI. schloss seine Ansprache an die dürfe auch nicht die Schande des Dies gebiete das menschliche Gewis- Diplomaten mit den Worten: “Im Menschenhandels in unserer Zeit sen. Unser gemeinsamer Einsatz für Lichte dieser Wahrheit wollen meine vergessen werden, betonte der Ponti- die Wahrheit müsse diesen von Men- Worte vor Ihnen und für Sie, … ,so- fex. schen in die Not gedrängten Bevöl- wohl das Zeugnis ablegen als auch Angesichts solcher „humanitärer kerungsgruppen neue Hoffnung ge- den Wunsch zum Ausdruck bringen: Not“ in den unterschiedlichen For- ben, appellierte der Papst an das Di- In der Wahrheit liegt der Friede!“ men seien viele Menschen, internati- plomatische Korps. (bt, nach DT vom 12.01.2006)

KURZ BERICHTET: Heikle Fragen: amnesty debattiert über militärische Intervention Papst: Lebensschutz ist neues s geht um Grundsätzliches: Darf eine Organisation, die sich den Kernthema der Sozialen Frage Menschenrechten verschrieben hat, in Ausnahmefällen militärische EGewalt befürworten? Auf internationaler Ebene diskutiert amnesty in- apst Benedikt XVI. sieht im ternational (ai) derzeit über diese heiklen, das eigene Selbstverständnis her- Lebensschutz ein neues ausfordernden Fragen. Auch in der deutschen ai-Sektion gehen die Wogen PKernthema der sozialen Fra- hoch, wie sich in den letzten Ausgaben des Mitglieder-Rundbriefs „ai-in- ge. Der Einsatz für das Leben, wo tern“ nachlesen lässt. Mitglieder drohen mit Austritt oder haben den Schritt immer es bedroht und unterdrückt bereits vollzogen. wird, von der Empfängnis bis zum Ursache für die Aufregung ist die Internationale Ratstagung von ai im natürlichen Tod, sei oberste ethi- August 2006 in Mexiko: sche Pflicht, betonte er Ende Ja- Umstritten ist die Frage der Anwendung militärischer Gewalt in Fällen nuar vor Vertretern der Christli- von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlich- chen Arbeitervereinigung Italiens keit. Bislang hat sich amnesty in der Frage von „humanitären Interventio- ACLI. Dieses Engagement müsse nen“ für neutral erklärt. Doch Kritik an einer vermeintlichen Untätigkeit an- sich konsequent auch auf alle For- gesichts des Völkermords in Ruanda und in Srebrenica brachte diese Positi- men der Armut, Ungerechtigkeit on ins Rutschen: Nach heftiger Debatte verabschiedete die Internationale und Ausgrenzung ausweiten. Eine Ratstagung im vergangenen Jahr mit Zwei-Drittel-Mehrheit einen Beschluss, demokratische Gesellschaft kann nach dem sich ai in Ausnahmefällen für oder gegen militärische Interventio- nach den Worten des Papstes nicht nen aussprechen kann. Kriterien dafür müssen allerdings noch erarbeitet auf ethische Werte verzichten. werden. Eine Demokratie ohne Wert schla- Eine bittere Pille für die deutsche ai-Sektion, die in Mexiko für ein Fort- bestehen der Neutralitätsposition eingetreten war. Vorstandssprecherin Mihr ge, „wie die Geschichte zeigt, verweist darauf, dass ai Deutschland die demokratische Entscheidung ak- leicht in einen offenen oder unter- zeptieren müsse, wenn die Sektion Teil der internationalen ai-Bewegung schwelligen Totalitarismus um“. bleiben wolle. Zudem werde sich die deutsche Sektion für enge Kriterien Das Kirchenoberhaupt rief die ka- stark machen und habe erfolgreich dazu beigetragen, dass die Konfliktvor- tholischen Arbeiter zur Treue zur beugung bei ai stärker gewichtet werde. Manche Mitglieder sehen das Kirche und zur Achtung des Sonn- allerdings nicht ein: „Wie kann man jetzt noch begründen, dass man nur die tags als Feiertag auf. Dieser dürfe Freilassung politischer Gefangener fordert, die keine Gewalt angewendet nicht zu einem Tag wie jeder ande- oder gefordert haben“, fragt etwa ein Mitglied in „ai-intern“ und erklärt nach re gemacht werden. (KNA) 18 Jahren seinen Austritt. (KNA)

AUFTRAG 261 75 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

ZUR ENZYKLIKA „DEUS CARITAS EST“: in der gerechtesten Gesellschaft wer- Papst erklärt in Enzyklika de es materielle und menschliche Not geben. Die Lösung liege, so der Geheimnis christlicher Liebe Papst, nicht im Versorgungsstaat, der bürokratisch alles an sich reißt. Der apst Benedikt tholische Weltkirche, gelegentlich leidende Mensch brauche persönli- XVI. hat seine auch an „alle Menschen guten Wil- che Zuwendung. Nach dem Subsidia- Pmit Spannung lens“, also auch Nichtkatholiken, ge- ritätsprinzip sollte der Staat daher erwartete erste Enzyklika unter dem richtet. Enzykliken beanspruchen die freien Initiativen aus unter- Titel „DEUS CARITAS EST“ (Gott ist die ein hohes Maß an Verbindlichkeit. schiedlichsten gesellschaftlichen Liebe) veröffentlicht. Liebe sei die Auch wenn die darin vertretenen Bereichen anerkennen und unter- zentrale Dimension des Christentums; Meinungen keine unfehlbaren Lehr- stützen. Die Kirche stelle mit ihren Gottesliebe und die Liebe zum Nächs- entscheidungen des Papstes im dog- Hilfsdiensten eine solche aktive ten gehörten untrennbar zusammen, matischen Sinne darstellen, werden Kraft. Zum spezifischen Profil kirch- betont der Papst in dem am 18. Janu- sie in der katholischen Kirche als licher Hilfstätigkeit gehört nach den ar im Vatikan vorgelegten Lehr- Ausdruck seiner obersten Lehrgewalt Worten des Papstes die menschliche schreiben. Die Kirche dürfe auf Cari- verstanden. Zuwendung bei der Pflege, die über tas und auf ihren konkreten Dienst für berufliche Kompetenz und technisch Menschen in Not ebenso wenig ver- Profil kirchlicher Hilfstätigkeit korrekte Behandlung hinausgeht. zichten wie auf die Verkündigung des Ausführlich befasst sich die En- Zudem müsse die Caritas-Arbeit un- Evangeliums oder die Spendung der zyklika mit der christlichen Nächs- abhängig von Parteien und Ideologi- Sakramente. Allerdings verlangt tenliebe (lateinisch caritas). Die in en seien. Sie sei kein „Mittel ideolo- kirchliche Hilfsarbeit nach den Wor- der Gottesliebe verankerte Liebe gisch gesteuerter Weltveränderung ten Benedikt XVI. ein klares, vom zum Nächsten sei zunächst ein Auf- und steht nicht im Dienst weltlicher Glauben geprägtes Profil, das sie von trag an den einzelnen Gläubigen, be- Strategien“. anderen Wohlfahrtsaktivitäten unter- treffe aber die ganze kirchliche Ge- Das Kirchenoberhaupt warnte scheidet. meinschaft, führt der Papst aus. Die davor, Nächstenliebe als Mittel zur Mit Blick auf den Terrorismus Kirche sei „Gottes Familie in der Abwerbung von Gläubigen zu nut- heißt es, gerade in einer Welt, in der Welt“. In dieser Familie dürfe es zen, um anderen den Glauben der Gott und Religion mitunter für Ra- keine Notleidenden geben. Zugleich Kirche aufzudrängen. Das bedeute che, Hass oder Gewalt missbraucht reicht die Caritas nach den Worten freilich nicht, dass Gott und Christus würden, habe die christliche Bot- von Benedikt über die Grenzen der in der karitativen Kirchenarbeit schaft der Liebe hohe Aktualität und Kirche hinaus. beiseite gelassen werden müssten. praktische Bedeutung. Das 78-seiti- Ausdrücklich verteidigt er die Kirchliche Hilfsorganisationen müss- ge Dokument besteht aus einem phi- christliche Wohlfahrtstätigkeit gegen ten vielmehr „durch ihr Tun wie losophisch-theologischen Teil und den Vorwurf, sie beruhige mit Almo- durch ihr Reden, ihr Schweigen, ein aus konkreten Folgerungen aus dem sen nur das eigene Gewissen, zemen- Beispiel glaubwürdiger Zeugen Chris- Gebot der Nächstenliebe. Der Papst tiere aber Ungerechtigkeit. Natürlich ti sein“. Träger katholischer Hilfs- verweist auf die verschiedenen Di- müsse das Ziel ein gerechtes Ge- arbeit sei die Kirche, stellte der Papst mensionen von Liebe, die letztlich meinwesen sein. Die gerechte Ord- klar. Mitarbeiter katholischer Organi- aber „eine einzige Wirklichkeit“ bil- nung der Gesellschaft sei allerdings sationen müssten „mit der Kirche und deten. Wenn der Eros als Liebe von Sache des Staats, dessen Autonomie daher mit dem Bischof dafür arbeiten, Mann und Frau zu purem Sex degra- die Kirche respektiere. Als Aufgabe dass sich die Liebe Gottes in der Welt diert werde, werde er zu einer Ware, der katholischen Laien sieht der ausbreitet“. Dazu gehöre auch, dass zur bloßen „Sache“, die man kaufen Papst, sich dabei unmittelbar zu en- die Mitarbeiter inmitten von Stress und verkaufen könne. Zwischen der gagieren. Die Kirche selbst habe mit- und Säkularismus auch eine geistige Liebe Gottes und der menschlichen telbar die Pflicht, Vernunft und ethi- Rückkopplung hätten und im Gebet Liebe, zwischen schenkender und sche Richtlinien einzubringen, „da- neue Kraft schöpften. begehrender Liebe und zwischen mit die Ansprüche der Gerechtigkeit Geist und Leib bestehe eine innere einsichtig und politisch durchsetzbar Viel Lob für die erste Enzyklika Einheit. Im biblisch-christlichen werden“. Mit Nachdruck empfiehlt des Papstes Verständnis gehörten Eros und Ehe das Kirchenoberhaupt die katholi- Die erste Enzyklika von Papst zusammen, betonte Benedikt XVI. sche Soziallehre, die von der Ver- Benedikt XVI. hat in Deutschland Ausdrücklich verteidigt er das Chris- nunft und dem Naturrecht her argu- viel Zustimmung gefunden. Bischöfe, tentum gegen den Vorwurf der Leib- mentiere. Theologen und Vertreter kirchlicher feindlichkeit. Freilich sei auch die Organisationen werteten das Schrei- heute oft propagierte „Verherrli- Caritas bleibt immer notwendig ben als Ermutigung für soziales En- chung des Leibes“ trügerisch. Nächstenliebe und Caritas wird gagement und den Einsatz für Ge- Eine Enzyklika ist ein päpstli- nach Einschätzung Benedikt XVI. rechtigkeit. Der Mainzer Kardinal ches Lehrschreiben. Es ist an die ka- immer notwendig bleiben, denn auch Karl Lehmann würdigte die Enzyk-

76 AUFTRAG 261 KIRCHE UND GESELLSCHAFT lika „Deus caritas est“ als einen the- Als respektabel und differenziert das Dokument als wichtigen Ansporn ologisch und sozial tief angelegten lobte der Tübinger Theologe Hans für seine 35.000 ehrenamtlichen Impuls. Sie sei für die deutschen Ka- Küng die Enzyklika. Sie biete „in Helfer im Sanitäts- und Rettungs- tholiken eine Ermutigung im Bemü- sachlichem Stil solide theologische dienst. Es zeige, dass jede Hilfeleis- hen um Gerechtigkeit und Liebe, be- Kost“ über die Liebe, sagte er in tung eingebettet sei in den „großen tonte der Vorsitzende der Deutschen Tübingen. Viele Katholiken seien froh, göttlichen Gesamtentwurf des Le- Bischofskonferenz in Mainz. Das dass kein Manifest des Kulturpessi- bens“, erklärte der Geschäftsführen- Zentralkomitee der deutschen Ka- mismus oder leibfeindlicher kirchli- de Präsident, Johannes Freiherr tholiken (ZdK) nannte die Enzykli- cher Sexualmoral entstanden sei. Heereman, in Köln. Die Kirchen- ka einen „bewegenden Aufruf zur Der Präsident des Deutschen volksbewegung „Wir sind Kirche“ Mitmenschlichkeit“. Der Papst habe Caritasverbandes, Peter Neher, begrüßte, dass der Papst den Zusam- „ein kraftvolles Plädoyer für die Ge- sieht in dem Papst-Schreiben ein menhang von Gottes- und Nächsten- rechtigkeit als oberstes Ziel politi- Zeichen hoher Wertschätzung für liebe sowie deren unverzichtbare Be- schen Handelns“ abgelegt, erklärte alle, die im Dienst am Nächsten tätig deutung für den kirchlichen Auftrag ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer seien. Der Enzyklika komme gerade betont habe. Wenn dies bedeute, in Bonn. Es sei unmittelbare Aufgabe in einer Zeit hohe Bedeutung zu, in dass Benedikt XVI. statt Ge- und der christlichen Laien, sich für eine der viele Menschen mutlos seien und Verboten mehr Liebe und Vergeben gerechte Ordnung der Gesellschaft Angst vor der Zukunft hätten. Auch in den Mittelpunkt rücke, so wären einzusetzen. der Malteser Hilfsdienst würdigte dies hoffnungsvolle Zeichen, erklärte die Organisation in München. (KNA)

Christenverfolgung heute An die Verfolgung von Christen in zahlreichen Ländern hat die Internatio- nale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) erinnert. Über 200 Millio- nen der rund 2 Milliarden Christen müssten das Weihnachtsfest in „Be- drängnis oder Verfolgung“ begehen, etwa in Vietnam, Indonesien, Indien und Irak. Nach IGFM-Angaben sind Tausende Christen in Nordkorea we- gen ihres Glaubens in Konzentrationslagern inhaftiert. Über 1.700 Pro- testanten würden aus religiösen Gründen in Lagern und Militärcamps von Eritrea festgehalten. In China seien die römisch-katholischen Bischö- fe Su Zhimin und An Shuxin vom Bistum Baoding seit 1997 verschwun- den, und in Pakistan verbrächten die wegen angeblicher Blasphemie 2002 zur Hinrichtung verurteilten Christen Anwar Kenneth und Kingri Masih ihr viertes Weihnachtsfest in Todeszellen. (KNA)

VON ANDREAS M. RAUCH ei seinem Aufenthalt in aber dafür raffiniertere Strafen hin- Lourdes am 14. August 1983 zugekommen: nicht der blutige Tod, Bsagte Papst Johannes Paul II.: sondern eine Art zivilen Todes; nicht „Die Glaubensverfolgungen sind nur die Absonderung in einem Ge- manchmal denen ähnlich, die das fängnis oder Lager, sondern die stän- Martyrologium der Kirche schon in dige Einschränkung der persönli- vergangenen Jahrhunderten be- chen Freiheit oder die soziale Diskri- schrieben hat. Sie bestehen aus ver- minierung.“ Entbehrungen in den verschiedens- schiedenen Formen von Diskriminie- Es gibt heute viele Menschen, ten Gebieten der Erde. Vorwiegend rung der Gläubigen und der ganzen die zahlenmäßig in die Hundert- handelt es sich um Gläubige, die ge- kirchlichen Gemeinschaft, obwohl in tausende gehen, die als Glaubens- zwungen sind, heimlich zusammen der Gesetzgebung einzelner Staaten zeugen in der Welt wirken und doch zu kommen, weil ihre religiöse Ge- und in internationalen Dokumenten von staatlichen Einrichtungen ver- meinde nicht zugelassen ist. Es han- zur gleichen Zeit die Religions- und folgt werden. Meistens werden diese delt sich um Bischöfe, Priester und Gewissensfreiheit proklamiert wird. verfolgten Christen ignoriert und ver- Ordensmänner, denen die Ausübung Muss das noch genauer erklärt wer- gessen von der öffentlichen Meinung, ihres heiligen Amtes in Kirchen oder den? In den Verfolgungen der ersten deren Aufmerksamkeit völlig durch öffentlichen Versammlungen verbo- Jahrhunderte waren die üblichen andere Ereignisse beansprucht wird. ten ist. Verfolgte Christen können Strafen: der Tod, die Deportation und Hin und wieder werden Einzelfälle auch zerstreut lebende Ordens- die Verbannung. Heute sind zum Ge- durch Amnesty International, die Ge- schwestern sein, denen es nicht ge- fängnis, zum Konzentrationslager, zur sellschaft für Menschenrechte oder stattet ist, gemäß ihrer Berufung ein Zwangsarbeit und zur Vertreibung die Human Right Watch-Gruppen gottgeweihtes Leben zu führen. aus der Heimat weniger auffällige, bekannt. Verfolgte Christen ertragen Hierzu zählen junge Männer, die am

AUFTRAG 261 77 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

Eintritt in ein Priesterseminar oder giöser Toleranz. In Saudi-Arabien Kirche sich grundsätzlich in einer in ein Noviziat und somit an der Ver- kommt es grundsätzlich zu schweren besseren Lage befinden als andere wirklichung ihrer Berufung gehin- Menschenrechtsverletzungen in vie- christliche Religionsgemeinschaften. dert werden. lerlei Hinsicht; Muslime werden hier Schließlich gibt es eine Reihe Jesus hat seinen Jüngern Verfol- kontrolliert und Christen drangsa- von Staaten, in denen zwar grund- gung prophezeit, als er sie aussandte, liert. Im Irak findet sich eine relative sätzlich Religionsfreiheit garantiert die Botschaft vom Reich Gottes zu Religionsfreiheit auch für christliche wird, jedoch christliche Religionsge- verkünden. Bis heute ist die Verfol- Kirchen, doch ist ihre Zukunft eben- meinschaften zum Spielball regiona- gung von Christen weltweit Realität. so ungewiss wie die politische Zu- ler, ethnischer oder wirtschaftlicher Das Buch von Reinhard Backes mit kunft dieses Landes. Im Iran kann Interessen werden. In Indien müssen dem Titel „Sie werden euch hassen. festgestellt werden, dass im Alltag das sich christliche Religionsgemein- Christenverfolgung heute“ wirft ei- in der Verfassung garantierte Recht schaften in einem eigentlich säkula- nen Blick auf die Situation von auf Religionsfreiheit verweigert wird. ren Staat mit einem aggressiven Hin- Christen in fast 20 Ländern der Erde. Im autoritären Laizismus der Türkei du-Nationalismus auseinanderset- Der Autor hat im Auftrag des interna- ist kein Platz für religiöse Minderheit zen. Auf dem Weg zu einer Verfesti- tionalen katholischen Hilfswerks wie die Christen, die hier ständig um gung diktatorischer Strukturen in Ve- „Kirche in Not/Ostpriesterhilfe“ er- ihre Existenz kämpfen müssen, fort- nezuela bildet die katholische Kirche schütternde Beispiele von Intoleranz laufend diskriminiert sowie oftmals für die derzeitigen Machthaber ein gegen Christen und deren brutaler enteignet und entrechtet werden. ärgerliches Hindernis. In Guatemala Verfolgung in der Gegenwart zusam- Der Autor führt im zweiten Teil werden bis heute antichristliche Ver- mengestellt und um fundierte Hinter- aus, dass im nach wie vor kommunis- brechen der Vergangenheit ver- grundinformationen zu den konkre- tischen China die Staatsmacht auch tuscht. Serbische Aggressionen ge- ten Schauplätzen der Verfolgung er- von Christen absoluten Gehorsam gen lateinische Christen und gegen gänzt. Dieses Buch ist ein Schrei fordert. In Vietnam finden sich unter Muslime prägen den Alltag der Men- nach Religionsfreiheit und nach Soli- den christlichen Religionsgemein- schen in Bosnien-Herzegowina. darität mit der verfolgten Kirche in schaften seit Jahrhunderten Märty- Insgesamt gesehen legt Reinhard allen Teilen der Welt. Der Verfasser, rer. Gläubige Christen befinden sich Backes ein faszinierendes Buch vor, Jahrgang 1961, studierte in Köln in Laos in einer fragilen Situation das mit seinen Recherchen zur Sport und Geschichte und arbeitete zwischen Duldung und Repression. Christenverfolgung ein Thema außer- anschließend für die Deutsche Pres- In Nordkorea bestimmen Nahrungs- halb tagesaktueller Bahnen kritisch se-Agentur (dpa). Seit 1992 lebt er mittelknappheit und Menschenrechts- beleuchtet – ein wichtiges Buch für als freier Journalist in Bonn. Ab Mit- verletzungen den Alltag der Men- jeden, der sich mit der katholischen te der neunziger Jahre initiierte und schen, womit Christen auch aufgrund Weltkirche auseinander setzt. leitete er in Guatemala und Nicara- ausreichender Hilfe aus dem Aus- gua verschiedene Entwicklungshilfe- land sich insgesamt in einer schwie- Reinhard Backes: „Sie werden euch projekte. rigen Lage befinden. Unter dem auto- hassen. Christenverfolgung heute“. Der Verfasser hat sein Buch in ritären Regime von Fidel Castro in Herausgegeben von Kirche in Not/ drei Teile gegliedert: Kuba besteht eine bedingte Toleranz Ostpriesterhilfe. Sankt Ulrich Verlag – Kirche unter dem Halbmond von Christen, wobei die katholische Augsburg 2005, 256 S. (Christenverfolgung in islami- schen Ländern) – Kirche unter Hammer und Interview mit Reinhard Backes Sichel (Verfolgung in sozialisti- AUFTRAG: Wie sind Sie zum Thema rungen half und zahlreiche Osteuro- schen und kommunistischen „Christenverfolgung heute“ gekom- päer vor allem in religiösen Angele- Staaten) men? genheiten unterstützte. Nach dem – Kirche im Spannungsfeld der In- Ende des Ost-West-Konflikts 1989/ teressen (Verfolgung in Schwel- Backes: Ich bin seit vielen Jahren als freier Journalist in Bonn tätig und 90 wendet sich die Ostpriesterhilfe len- und Entwicklungsländern). weltweiten Aufgaben zu, weshalb sie Im ersten Teil legt der Verfasser dies war zunächst einmal eine Auf- tragsarbeit. Die Ostpriesterhilfe/Kir- nunmehr „Kirche in Not/Ostpriester- dar, dass im Sudan Christen und Af- hilfe“ heißt. rikaner wirtschaftlich benachteiligt che in Not versucht sich mit diesem und wegen ihres Glaubens und ihrer Buch zu positionieren, nachdem AUFTRAG: Inwieweit flossen Ihre Er- Herkunft verfolgt werden. In Nigeria derzeit kein anderes Werk zu diesem fahrungen aus Guatemala in Ihr Buch? leben Christen in einem gespaltenen, Thema auf dem Buchmarkt ist. Backes:Ich habe 1994 eine Initiative von Gewalt zerissenen Land. In AUFTRAG: Was macht die Ostpries- gegründet „Schule statt Straße“ und Ägypten findet eine Diskriminierung terhilfe? ich war deshalb mehrfach persönlich nicht-islamischer Religionsgemein- Backes:Die Ostpriesterhilfe wurde in Guatemala. Dabei bin ich mit schaft wie etwa christlicher Kirchen 1947 durch den belgischen Pater zahlreichen Menschenrechtsverlet- abseits der Touristenzentren statt. In Werenfried van Straaten gegründet, zungen konfrontiert wurden, etwa Syrien und dem Libanon existieren der auch als „Speckpater“ bekannt durch einen Berufsschüler, dessen christliche Glaubensgemeinschaften wurde, da er vielen Deutschen in den Vater abgeholt und ermordet wurde. zwischen Staatsterrorismus und reli- Nachkriegsjahren durch Speckliefe- Fortsetzung auf Seite 79 u.

78 AUFTRAG 261 KIRCHE UND GESELLSCHAFT Die Anfänge des Christentums in Serbien Herrscherdynastie der Nemanjiden und ersten Nationalheiligen

VON STEPHAN NÜß LE ereits seit dem 6. Jahrhundert Die jedoch wohl wich- siedeln Slawen auf dem Gebiet tigste Periode für die ser- Bdes heutigen Serbiens. Das bisch-orthodoxe Kirche und Kerngebiet ihrer Besiedlung wurde das serbische Nationalbe- Raszien genannt und lag im heutigen wusstsein begann im 12. Jh. südwestlichen Serbien, im östlichen unter Stephan Nemanja1, Bosnien, in der Herzegowina sowie welcher es in seiner Zeit als im nördlichen Montenegro, weshalb Groß-Zupan zum alleinigen die Serben jahrhundertelang auch als Herrscher über ein beacht- Raszier bezeichnet wurden. Haupt- liches Gebiet gebracht hat- stadt war damals Ras, eine Stadt te. Es gelang ihm, nach dem nahe der heutigen Stadt Novi Pazar, Tod des byzantinischen von der heute nur noch die Ruinen zu Kaisers Manuel I. dem by- sehen sind (Foto 1). Schon in dieser zantinischen Reich das Zeit kamen die serbischen Stämme südliche Kosovo um Prizren und die geweiht wurde, seinen Bruder ein mit dem Christentum in Kontakt, Gegend um Nies abzuringen.1 zweites Mal zum König, diesmal nach doch dauerte es noch bis zur Ära von Stephan Nemanja, der, um sich die orthodoxem Ritus. Zupan (Fürst) Vlastimir und seinen Anerkennung durch den Papst zu si- Einen wohl weitaus wichtigeren chern, zeitweise offiziell zum Katho- Nachfolgern (2. Hälfte des 9. Jhs.) Erfolg konnte Rastko aber bei einem lizismus übertrat, entsagte 1196 zu- bis alle Serben – wahrscheinlich un- Besuch des byzantinischen Patriar- gunsten seines mittleren Sohnes chen im Exil verzeichnen, da er von ter direktem Einfluss der Slawen- Stephan Nemanjic dem Fürsten- diesem das Recht erwirkte, die Auto- apostel Kyrillos und Methodios – thron. Er folgte seinem jüngsten kephalie der serbisch-orthodoxen endgültig christianisiert wurden. Sohn, Rastko Nemanjic2 als Mönch Kirche zu errichten. Diese national- Der Wandel vom staatenähnli- Simeon auf den auf der östlichen kirchliche Selbständigkeit und die chen Gebilde zu einem, in größerem Halbinsel der Chalkidike gelegenen beiden ersten aus Serbien stammen- internationalen Rahmen anerkann- Berg Athos, wo nun Sohn und Vater den Heiligen Simeon und Sava (vgl. ten Königtum, setzte dann im 11. Jh. Mönche im Kloster Vatoped waren Anm. 1 u. 2) bildeten besonders wäh- ein. Denn der Papst hatte nach dem und unter anderem das weltberühmte rend der langen Zeit der osmani- bis heute bestehenden Morgenländi- Kloster Hilandar erneuerten. schen Herrschaft ein Fundament für schen Schisma von 1054 (Trennung Rastko (Sava) ist es wohl auch zu das serbische Selbstbewusstsein. der vier ostkirchlichen Patriarchate verdanken, dass Papst Honorius III. Ferner hatte zu seiner Zeit der hl. Konstantinopel, Alexandria, Antio- seinen mittleren Bruder Stephan Sava durch den Erlass eines Rechts- chia und Jerusalem von der lateini- 1217 zum König krönte, womit dieser kodex (Nomokanon) die Grundlage schen Kirche) Interesse daran, die den Beinamen Provencani, der Erst- für eine enge Verbindung zwischen Herrscher an den Rändern seines gekrönte, erhielt. Somit wurde die Kirche und Staat geschaffen, die zu Einflussgebietes für sich zu gewin- von seinem Vater begründete Dynas- wichtigen Veränderungen in der sozi- nen. Er ernannte Mihailo von Zeta tie der Nemanjiden bestätigt und ge- alen Struktur des Staates führten. zum König und machte somit dessen stärkt. 1221 krönte Rastko, der vom Das Geschlecht der Nemanjiden Land zum ersten anerkannten serbi- Patriarchen Manuel 1219 zum ersten hinterließ aber nicht nur tiefe Spuren schen Königreich. orthodoxen Erzbischof von Serbien 1 Stephan Nemanja begründete (um 1167- 96) die serb. Dynastie der Nemanjiden, die unter Stephan Dušan (1331-55, seit Fortsetzung von Seite 78 gien vermischt wird. Dies betrifft 1346 Zar) den Höhepunkt ihrer Macht Länder wie Afghanistan, Sudan, Tür- erreichte. Stephan (Mönchsnamen AUFTRAG: Wo sind deutsche Solda- Simeon) und sein Sohn Rastko (vgl. ten im Ausland vom Thema Christen- kei und Bosnien-Herzegowina. Anm. 2) werden die ersten serb. verfolgung betroffen? AUFTRAG: Wo könnte sich die Bun- Nationalheiligen Simeon und Sava. Backes:Immer dort wo im Ausland desregierung beim Thema „Christen- 2 Rastko Nemanjic, * um 1175, die Menschenrechte verletzt werden. verfolgung“ engagieren? † 14.01.1236 in Tarnowo (heute Das sind vor allem islamische Staa- Backes:In ihren bilateralen Bezie- Weliko Tarniwo), seit 1208 Mönch auf hungen könnte die Bundesregierung dem Athos, Mönchsname Sava; ten. Der Islam als Religion ist hetero- 1208 Rückkehr nach Serbien; gen, aber es gibt auch ein Religions- durch diskretes Nachfragen Men- erreichte 1219 vom griech. Patriarchen verständnis, in dem der Islam mit po- schen helfen, die in Not sind. die Unabhängigkeit der serb. Kirche, litischen, mitunter totalitären Ideolo- (Interview Andreas M. Rauch) deren erster Erzbischof er wurde. Als heiliger Sava serb. Nationalheiliger,

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Kloster Studenica (Bild 3 u.), wel- verliehen hatte. Dadurch wurde das ches in den ersten Jahrzehnten der Kloster Studenica zum Kirchenzen- Herrschaft der Nemanjiden als Mau- trum Serbiens, in welchem Rastko soleum der Dynastie diente. auch „Tipik“ – die Regelung für das Dieses, in einem waldreichen Leben im Kloster Studenica – ver- Gebirgskessel am gleichnamigen fasste. Zeitgleich wurde das Ansehen Flüsschen gelegene Kloster, war von Studenica durch das Herrscher- alsbald das wohlhabendste aller ser- haus Nemanjic unterstützt, da der bischen Klöster. Stephan Nemanja, König selbst die Äbte des Klosters der ehem. Herr des vereinten Raska mit einem bestimmten Zeremoniell 2 und Zeta und Stammvater der Dynas- einsetzte. Diese wiederum empfingen tie der Nemajaden, bestimmte das am Tag von Sankt Simeon (dem größ- in der Geschichte seines Volkes. Es glänzendste Gebäude des serbischen ten Feiertag des Klosters) den Herrn prägte auch die Region um Novi Mittelalters – die Muttergotteskirche ihres Landes zu Gast. Pazar, welche als Heimat der Serben im Kloster Studencia – zu seiner Erst mit dem Untergang des (alt-) gilt und 1979 von der UNESCO in Grabstätte (Bild 4 r.). In dieser mit serbischen Staates im Jahre 1459 en- die Liste des Weltkulturerbes aufge- Fresken reich ausgeschmückten Kir- dete das goldene Zeitalter der Ge- nommen wurde. che ließ Rastko schichte von Studenica und das (Sava) seinen Vater Kloster erlebte das gleiche Schicksal nach dessen Tod wie auch die anderen Klöster, welche 1208 bestatten. als geistliche, kulturelle und nationa- Auch die beiden äl- le Brennpunkte eines versklavten teren Söhne Stephan Volkes der Ungnade der fremden und Vukan wurden Machthaber ausgesetzt waren. im Kloster beige- Doch weder die Zerstörungen setzt. Rastko, der und Plünderungen durch die vordrin- selbst im Kloster genden Eroberer, noch ein Erdbeben Mileseva bestattet im 17. Jh. und ein darauf folgender wurde und dessen Brand haben es geschafft, dass wohl Leichnam die Os- zurecht als „Wiege des serbischen manen 1594 ver- Königreiches“ bezeichnete Kloster brannten, blieb bis Studenica und seine Rolle bei der 3 1215 im Kloster und Verankerung des christlichen Glau- leitete es im Rang bens in seiner Existenz als Kirchen- Neben den bereits erwähnten eines Archimandrits (Abt einer Klos- zentrums Serbiens zu erschüttern. Überresten der mittelalterlichen teranlage oder eines Klosterverban- Dieses Primat behielt es bis heute Stadt Stari Ras, der ersten serbischen des), den ihm sein Bruder Stephan bei. ❏ Hauptstadt, befindet sich hier die äl- teste Kirche in Serbien und Monte- negro, die Petruskirche (in welcher Serbien: 80 Jahre lateinische Erzdiözese Belgrad Stefan Nemanja von einem griechi- schen Bischof ein zweites Mal, ie katholische Ortskirche von Belgrad im mehrheitlich orthodoxen diesmal nach orthodoxem Ritus, ge- DSerbien besteht seit 80 Jahren als Erzbistum. Das seit dem Jahr 2000 tauft wurde; Bild 2 o.). Dazu gibt es von dem Salesianer Stanislav Hocevar (60) als sechstem Erzbischof seit mehrere serbische Klöster, darunter der Gründung geleitete Hauptstadt-Bistum zählt rund 60.000 Katholiken auch das Kloster Sopocani und das (Stand: 2004). Anlässlich des Jubiläums empfing Serbiens Präsident Boris Tadic vergangene Woche Hocevar und eine Delegation der sieben in Serbi- en und Montenegro amtierenden katholischen Bischöfe. Die seinerzeit bereits seit längerem geplante Errichtung der Erzdiöze- se Belgrad konnte Papst Pius XI. (1922-1939) auf Grund des Ersten Welt- krieges (1914-1918) und seiner politischen Folgen erst am 29. Oktober 1924 vornehmen. Die Anfänge der Ortskirche liegen im 9. Jh. Unter der Vorherrschaft der Osmanen zwischen 1521 und 1918 litten Katholiken und Orthodoxe gleichermaßen unter der Islamisierung. Von Ende 1729 bis 1815 firmierte das Bistum unter dem Namen Beograd-Smederevo. Vorerst letzter Oberhirte war von Mai 1815 bis zur Übernahme der Diözese Kosice im Mai 1821 Bi- schof Stefan Csech (1762-1831). Im folgte dann als erster Erzbischof von 1924 bis 1936 der Franziskaner Giovanni Raffaele Rodic (1870-1954)) Die bislang höchste Katholikenzahl erreichte die Erzdiözese mit rund 80.000 in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945). (KNA) 4

80 AUFTRAG 261 KIRCHE UND GESELLSCHAFT

ÖKUMENE DER DRITTEN ART: Die Kirchen und die so genannten neuen Heiden

VON KNA-REDAKTEURIN BARBARA JUST 005 stand die katholische Kir- Dafür bedarf es aber der Offen- zu lassen mit magischen und quasi- che im Rampenlicht. Erst das heit aller Seiten. Denn zunehmende fernöstlichen Formen, sollte der Ka- 2öffentliche Sterben von Johan- Individualisierung bedeutet auch, tholizismus auf seine reiche Traditi- nes Paul II., dann die Wahl eines dass sich der Einzelne auch religiös on zurückgreifen, die auch Vorchrist- deutschen Papstes und schließlich emanzipiert, wie der an der Universi- liches einschließe. Schon Segens- der Weltjugendtag in Köln sorgten für tät Frankfurt an der Oder lehrende handlungen könnten helfen, Areligi- Schlagzeilen. Religiosität scheint Kultursoziologe Detlef Pollack be- öse anzusprechen, etwa mit einer wieder „in“, doch zugleich wächst in schrieb. Die Menschen seien nicht Gute-Wünsche-Feier für Neugebore- Deutschland auch die Zahl jener, die bereit, einfach nur Dogmen zu fol- ne. „religiös unmusikalisch“ sind – und gen, sondern wollten selbstständig Auch der Priester Tiefensee steht das nicht nur in Ostdeutschland. Wie über ihren Glauben entscheiden. Die solchen Gesten positiv gegenüber. Er also umgehen mit den „neuen Hei- Kirchen müssten sich deshalb kriti- spricht hier von einer „Ökumene der den“? sche Fragen gefallen lassen. dritten Art“. Beide Seiten sollten auf Auf einer Tagung der Katholi- Wichtig ist für Hafner, dass die gleicher Augenhöhe in den Dialog schen Akademie in Bayern bekannte Menschen in Berührung kommen mit treten und voneinander lernen: der Religionswissenschaftler Johan- Religion im Allgemeinen. Dazu ge- „Denn es steht keineswegs von nes Hafner am letzten Januar- höre es, den „religiösen Pool“ zu vornherein fest, auf welcher Seite der wochenende in München, er mache speisen. Anstatt ihn von außen füllen Heilige Geist sich befindet.“ ❏ seit bald zwei Jahren seine eigenen Erfahrungen mit dem „homo areli- giosus“ an der Universität in Pots- dam. „Interessieren tut mich das al- les sehr, aber glauben kann ich das Die Themen der Weltjugendtage 2006,2007 und 2008 nicht, denn ich bin in der DDR erzo- gen worden“, erklärte ihm jüngst Weltjugendtag 2011 in der spanischen Hauptstadt Madrid? eine 25-jährige Studentin. Vom Fach er Päpstliche Rat für die Laien hat die Leitworte für die kommen- Religion ist die junge Frau fasziniert, den Weltjugendtage bekannt gegeben, die Papst Benedikt XVI. sie hat jedoch nicht gelernt, religiös Dausgewählt hat. Dies gab das Weltjugendtagsbüro Mitte Dezem- zu sprechen oder zu hören. Ein Phä- ber 2005 in Köln bekannt. nomen nicht nur im Osten. Die „neuen Heiden“ lehnen das • Der XXI. Weltjugendtag wird 2006 auf diözesaner Ebene unter dem Christentum jedoch nicht gezielt ab. Motto „DEIN WORT IST MEINEM FUß EINE LEUCHTE, EIN LICHT FÜR MEINE Man möchte durchaus wissen, was es PFADE“ (Ps 119,105) begangen werden. mit dem Glauben auf sich hat. • Das Thema des XXII. Weltjugendtags 2007, der ebenfalls auf diözesa- Schließlich tauchen in der Werbung, ner Ebene stattfinden wird, gibt ein Wort aus dem Johannesevangelium in Romanen und Spielfilmen immer vor: „WIE ICH EUCH GELIEBT HABE, SO SOLLT AUCH IHR EINANDER LIEBEN“ (Joh wieder religiöse Andeutungen auf. 13,34). Die Aufmerksamkeit für christliche • Vom 15. bis zum 20. Juli 2008 wird in Sydney (Australien) wieder der Motive steige ständig, stellte Hafner nächste internationale Weltjugendtag stattfinden. Er steht unter einem fest, doch damit sei nicht automa- Leitwort, das der Apostelgeschichte entnommen ist: „IHR WERDET DIE tisch Engagement verbunden. KRAFT DES HEILIGEN GEISTES EMPFANGEN, DER AUF EUCH HERABKOMMEN Dennoch sollte die Bereitschaft, WIRD; UND IHR WERDET MEINE ZEUGEN SEIN“ (Apg 1,8). Alle Details über sich mit Religion zu beschäftigen, den australischen Weltjugendtag unter www.wyd2008.org. nicht unterschätzt werden, sagte Eberhard Tiefensee. Für Christen In der Nacht zum Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens bedeute dies, sich erst einmal als sol- (08.12.) erklärte Kardinal Antonio María Rouco Varela, Erzbischof von Madrid, dass er vorgeschlagen habe, den internationalen Weltjugendtag che zu outen, forderte der Erfurter 2011 in der spanischen Hauptstadt zu veranstalten. Daraufhin sagte der in Theologe und Philosoph. Er plädiert der spanischen Bischofskonferenz mit der Jugendseelsorge betraute Bi- deshalb dafür, ein Tabu zu brechen schof José Ángel Sáiz Meneses von Terrassa diesbezüglich: „Ich halte das und wieder über die so genannten für eine ausgezeichnete Idee. Von nun an werden wir uns mit aller Kraft letzten Fragen zu reden. Jüngst habe einsetzen, um sie zu verwirklichen.“ – Als Papst Johannes Paul II. im Mai ein Soziologe gespottet: „Über Gott 2003 nach Madrid kam, bereiteten ihm Hunderttausende junge Menschen wird ebenso wenig gesprochen wie einen begeisterten Empfang. (ZENIT) über den persönlichen Kontostand.“

AUFTRAG 261 81 BLICK IN DIE GESCHICHTE

50 JAHRE BUNDESWEHR: Der dritte Bundespräsident und die Bundeswehr Gustav W. Heinemann – eine nicht unbelastete Beziehung

VON DIETER KILIAN Weltkrieges war Gustav W. Heine- schen Stahlindustrie ... geringer als mann fünfzehn Jahre alt. Nach dem der von anderen Spitzenmana- Notabitur 1917 wurde er – wie gern.“5 Lübke, sein Vorgänger im Amt des Eine unkritische Bemerkung. Bundespräsidenten – ebenfalls zur Bei anderen deutschen Spitzen- Artillerie eingezogen und im Feld- politikern, z.B. dem lebensjüngeren artillerieregiment 22 in Münster zum Kurt-Georg Kiesinger (1904-1988), „besten“ Richtkanonier, wie er spä- wurden die Jahre unter Hitler akri- ter berichtete,2 ausgebildet. Doch bisch nach politischen Verstrickun- ur zwei Bundespräsidenten, wegen einer Herzklappenentzündung gen durchforstet. Bei Heinemann Heuss und Heinemann, wur- im selben Jahr kam er nicht mehr an hingegen unterblieb dies gänzlich. Nden bisher zu Namensgebern die Front. Heinemanns Aussage deu- Dabei plagten ihn selbst offenbar für Einrichtungen der Bundeswehr tet zwar daraufhin, dass er – wie die Zweifel: ausgewählt. Am 7. Juli 1978, dem meisten seiner Altersgenossen – gern „Mich lässt die Frage nicht los, wa- zweijährigen Todestag von Heine- Soldat und ein guter überdies war, je- rum ich im Dritten Reich nicht mann, erhielt eine Kaserne in Essen- doch war seine Militärzeit zu kurz, mehr widerstanden habe.“6 Kray auf Betreiben von Verteidi- um für spätere Soldatengenerationen Eine Antwort blieb er zwar gungsminister den Namen traditionsbegründend zu werden. schuldig, aber vielleicht liegt in die- des vormaligen Staatsoberhauptes. Nach dem Krieg studierte Hei- ser Aussage der Grund für sein spä- Nach dem Traditionserlass können nemann Volkswirtschaft, Rechtswis- ter akzentuiertes Gerechtigkeitsge- Kasernen und andere Einrichtungen senschaft und Geschichte und fühl und auch seine Ablehnung des der Bundeswehr nach Persönlichkei- schloss das Studium mit einer Soldatischen: Im Ersten Weltkrieg ten benannt werden, die sich durch Doppelpromotion (rer. pol. und jur.) hatte er keine Chance auf Helden- ihr gesamtes Wirken oder eine her- ab. Zunächst arbeitete er als Rechts- tum, und im Dritten Reich war es sei- ausragende Tat um Freiheit und anwalt, bevor er 1928 für acht Jahre ne Passivität, die er später vielleicht Recht verdient gemacht haben. Auf als Justitiar und Prokurist zu den als Feigheit empfand, denn als ande- diese Weise sollen Zeugnisse be- Rheinischen Stahlwerken in Essen re gelitten haben und gestorben sind, wahrt werden, um als ethische und wechselte. Zwischenzeitlich – von lebte er erfolgreich und in Sicherheit. rechtsstaatliche, freiheitliche und 1933 bis 1939 – lehrte Dr. Heine- Mit aller Vorsicht liegt darin mögli- demokratische Beispiele in der Erin- mann als Dozent für Berg- und Wirt- cherweise der Schlüssel seiner ei- nerung weiterzuleben. Welcher Ab- schaftsrecht an der Universität Köln. fernden, oft unerbittlichen Zerrissen- schnitt im Leben und Wirken Von 1936 bis 1949 arbeitete er als heit. Fehlte ihm unter Hitler der Heinemanns – so ist zu fragen – hat Bergwerksdirektor im Vorstand der Mut? Oder glaubte er, mit seinem ihn für die Bundeswehr traditions- Rheinischen Stahlwerke in Essen Schweigen mehr für die Arbeit in der würdig gemacht? und war während des Zweiten Welt- Bekennenden Kirche tun zu können? Gustav Walter Heinemann wur- krieges „unabkömmlich“ (u.k.) ge- Wie auch immer: Heinemanns Hal- de am 23. Juli 1899 im westfälischen stellt. Diese Zeit eines steilen beruf- tung im Dritten Reich bleibt diffus. Schwelm als Sohn eines Krankenkas- lichen Aufstiegs und einer leitenden Nach dem Zweiten Weltkrieg sen-Direktors geboren. Die Familie Stellung in der Stahlindustrie – da- wurde Heinemann durch die briti- blickt nur auf eine marginale militä- von die gesamten sechs Kriegsjahre sche Besatzungsmacht als Oberbür- rische Familientradition zurück. – bleibt im Dunkeln. Die „Aufforde- germeister von Essen eingesetzt. „Männer der urgroßväterlichen Ge- rung zum Eintritt in den Vorstand Nach seiner Wahl im Jahre 1946 lei- neration der mütterlichen Vorväter“1 des Rheinisch-Westfälischen Koh- tete er in dieser Funktion die Geschi- waren an der Revolution 1848 in lensyndikats (RWKS)3 soll zurückge- cke der Stadt bis 1949, wobei er von Elberfeld beteiligt und einer seiner zogen“4 worden sein, weil damit die 1947 bis 1950 als Abgeordneter der Uronkel war dabei durch preußische Verpflichtung verknüpft war, die Ar- CDU, die er mitbegründet hatte, so- Truppen getötet worden. Heine- beit in der Bekennenden Kirche, der wohl im Landtag von Nordrhein- manns Großvater Gustav hatte sich Heinemann seit 1933 aktiv angehör- Westfalen saß, als auch kurze Zeit – in den 60er Jahren des 19. Jhs. kurz- te, einzustellen. Günther Scholz (* 1947/48 – das Amt des Justiz- zeitig Giuseppe Garibaldi (1807- 1919), einer seiner Biographen, stellt ministers im Lande wahrnahm. Im 1882), dem Vorkämpfer der italieni- dazu lapidar fest: Jahre 1949 wurde er erster Bundes- schen Einigungsbewegung, ange- „Offenbar ist sein (= Heinemanns) minister des Inneren im Kabinett schlossen. Bei Ausbruch des Ersten Anteil an der Geschichte der deut- Konrad Adenauers. In dieser Zeit

82 AUFTRAG 261 50 JAHRE BUNDESWEHR wandte sich ein Oberst außer Dienst sowohl gegen die in der Bundes- lehnung jeglichen Opfers und (a.D.) an ihn als zuständigen Bun- republik Deutschland als auch in der Opferns zur Grundlage menschli- desinnenminister und bemängelte DDR. Doch seine Unterschriften- chen Handelns erhoben, dürfte nie- die Versorgung ehemaliger Soldaten. sammlung gegen Wehrpflicht und mand mehr sein eigenes Leben ein- Minister Heinemann belehrte den atomare Bewaffnung der Bundeswehr setzen, um andere zu retten und zu Bittsteller auf eine verwirrende, hatte wenig Erfolg. In seiner Rede in schützen. schroffe Weise: der Paulskirche vom 29. Januar 1955 Drei Jahre vor seiner Wahl zum „Ihre Frage nach der Verantwor- führte er aus: Bundespräsidenten bewies Heine- tung für das Elend der früheren „Sieht man wirklich nicht, dass die mann – er war zu dieser Zeit Bundes- Soldaten, ihrer Witwen und Kinder dominierende Weltanschauung un- justizminister in der Regierung der kann ich nur an Sie zurückgeben, ter uns nur aus drei Sätzen besteht: Großen Koalition – erneut seine de- indem ich Sie frage, was Sie beizei- Viel verdienen, Soldaten, die das monstrativ strikte Haltung gegen das ten persönlich gegen die Verwüs- verteidigen und Kirchen, die beides Militär: Im Oktober 1966 verweiger- tung des deutschen Volksvermögens segnen?!“9 ten die Pfarrer von St. Marien in und gegen die Auflösung aller öf- In der Rückschau eines halben Flensburg, Jastram, Krause und fentlichen Ordnung in Deutschland Jahrhunderts wird deutlich, dass Friedrich, Veteranen des Füsilier- bis in die bedingungslose Kapitula- Heinemanns Ablehnung der Wieder- Regiments 86 die Ehrung ihrer gefal- tion hinein getan haben.“7 bewaffnung letztlich falsch war, hat lenen Kameraden und die Niederle- Doch was hätte ein Oberst tun sie doch – neben der Garantie von gung von Kränzen an den in der Kir- können, wenn selbst weit ranghöhere Recht und Freiheit – auch dazu bei- che aufgestellten Ehrentafeln ihrer Militärs und Zivilisten machtlos ge- getragen, dass Deutschlands und Eu- Gefallenen. Im März 1967 schloss blieben waren? Und was hatte ropas Teilung überwunden wurde. Im sich Pastor Fast von St. Johannis dem Heinemann selbst in der Führungs- Jahre 1957 wurde die GVP aufgelöst Protest an und ließ das an der Süd- etage eines Rüstungskonzerns dage- und den Mitgliedern empfohlen, der wand der Kirche angebrachte Krie- gen getan? SPD beizutreten. Heinemann trat gerdenkmal entfernen. In einem Im November 1950 trat Heine- danach in die SPD ein; es war die Glückwunschschreiben an die Pasto- mann wegen der Wiederbewaff- dritte Partei, der er innerhalb von 12 ren schrieb Heinemann, er freue sich nungspolitik Adenauers zurück und Jahren angehörte. Heinemanns Ein- über die drei Flensburger Geistli- 1952 aus der CDU aus. Im Memoran- wand, dass ein chen und ermuntere sie, fest zu blei- dum vom 13. Oktober 1950 schrieb „deutscher Verteidigungsbeitrag ben. er dazu: ausgeschlossen sei, weil Gott den „Weite Kreise sind nach anfängli- „Nachdem es eines der vornehmsten Deutschen schon zweimal die Waf- cher Besinnung in den ersten Jah- Kriegsziele der Alliierten gewesen fen aus der Hand geschlagen habe ren nach 1945 wieder in die alten ist, uns zu entwaffnen und auch für und sie deshalb nie wieder Waffen Verquickungen von Thron und Altar die Zukunft waffenlos zu halten ..., in die Hand nehmen dürften, weil zurückgefallen.“12 das deutsche Militär verächtlich zu sie damit gegen den Willen Gottes Dieses Zeichen kam in linken machen ... und das deutsche Volk zu verstießen,“ Kreisen gut an, auch wenn das Gebot einer jedem Militärwesen abholden hatte Adenauer sehr aufgebracht.10 der christlichen Nächstenliebe dabei Geisteshaltung zu erziehen, haben Kein Wunder, klingt es doch mehr auf der Strecke blieb. Heinemann wir allen Anlass, auf gegenteilige nach sektenhafter Religiosität, denn wurde damit gleichsam zum Vater all Aufforderungen so zurückhaltend nach sachlich fundierter oder mora- jener, die soldatisches Opfer vehe- wie nur möglich zu reagieren.“ lisch nachvollziehbarer Position. In ment ablehnten, dafür aber später Ähnlich hatte Heinemann offen- der von Heinemann herausgegebe- vielerorts im Westen Deutschlands bar auch gegenüber Adenauer argu- nen „Stimme der Gemeinde“ vom Denkmäler für Deserteure errichte- mentiert, da dieser eine ähnliche 15. März 1958 ist zu lesen: ten – eine eigenartige Botschaft, die Wortwahl wiedergibt.8 Heinemann „Die radikale Ablehnung der Atom- Fragen nach dem christlichen Ver- begründet seine Ablehnung der waffen gilt für den Krieg selbst ständnis aufwirft, und die man in die- Wiederbewaffnung, in der ein belei- dann, wenn die äußere Freiheit und ser extremen Form wohl nur in digter Unterton ob dieser Behand- die Demokratie dabei zeitweilig ver- Deutschland antreffen kann. Dabei lung durchklingt, mit der Umerzie- loren gehen sollten. Denn sie kön- war Heinemann weder gegen Tradi- hung durch die Siegermächte. Die nen im Laufe der geschichtlichen tionspflege, noch war er ein „Bilder- Vorstellung einer Befreiung, die in Entwicklung wiedererlangt wer- stürmer“.13 Ihm ging es um die Aus- späteren Jahren in den Vordergrund den.“11 wahl, nach dem Motto des französi- rückte, findet hier keinen Raum. Heinemann weist hier auf den schen Philosophen und Pazifisten Heinemann gründete danach Widerspruch im Denkkonzept der von Jean Jaurès (1859-1914): eine eigene Partei, die Gesamtdeut- nuklearen Abschreckung hin, bei der „Nicht Asche verwahren, sondern sche Volkspartei (GVP). Doch bei in Kauf genommen wird, gerade das eine Flamme am Brennen hal- der Bundestagswahl 1953 erhielt zu zerstören, was bewahrt werden ten.“14 diese nur 1,6 % der Zweitstimmen soll. Doch diese Haltung drückt un- Heinemann – am 5. März 1969 und fiel damit unter die 5%-Klausel. terschwellig auch Anpassung und zum dritten Bundespräsidenten ge- 1956 wandte er sich gegen die Ein- Unterwerfung um jeden Preis aus. wählt – trat im Alter von 70 Jahren zu führung der Wehrpflicht, allerdings Würde diese „Philosophie“ der Ab- einer Zeit an die Spitze der Bundes-

AUFTRAG 261 83 BLICK IN DIE GESCHICHTE republik, als nicht nur die Bundes- Doch unterschwellig blieb Unbe- präziser dargestellt, so z.B. als er am wehr im Kreuzfeuer vielfältiger Kri- hagen in der Truppe. Einem aufrech- 1. September 1969 aus Anlass des tik der außerparlamentarischen Op- ten Mann, der für seine Überzeugung 30. Jahrestages des Ausbruchs des position stand. In der Rückschau auf nachhaltig eingetreten war, nahm Zweiten Weltkriegs ausführte: die Amtszeit Heinemanns stellte man in der Armee diesen Sinnes- „Der Krieg ist kein Naturgesetz, Bundespräsident Johannes Rau wandel nicht so recht ab und ordnete sondern Ergebnis menschlichen (1931-2006), der seinem Vor-Vor- dies eher der Rubrik „Pflichtübung“ Handelns. ... Auch der Frieden ist gänger in mehrfacher Hinsicht sehr zu. Heinemann führte ferner aus: kein Naturgesetz – das haben wir nahe stand, dreißig Jahre später fest: „Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in erlebt.“20 „Bundespräsident wurde Heine- dem der Mann sich zu bewähren Auch Bundespräsident Walter mann in einer bewegten Zeit. Es habe, wie meine Generation in der Scheel relativierte später die Worte war die Zeit, in der nahezu alle Au- kaiserlichen Zeit auf den Schulbän- seines Vorgängers, in dem er darauf toritäten in Frage gestellt wurden, ken lernte, sondern der Frieden ist hinwies, dass die Funktion der in der die Kritik an Staat und Insti- der Ernstfall, in dem wir alle uns zu Friedenssicherung nur erfüllt werden tutionen zu einer alltäglichen bewähren haben.“ kann, wenn die Armee – abgesehen Übung wurde.“15 Die Kurzform „Der Friede ist der von Ausrüstung und Ausbildung – Rau erwähnt hierbei jedoch Ernstfall“ wurde zum Schlagwort und auch im Bewusstsein der Soldaten nicht, dass diese alltägliche Kritik hat die geistige Verunsicherung der für diesen Auftrag gerüstet ist. Bun- nur von einer kleinen, aber lautstar- Soldaten, die in den 70er Jahren despräsident Rau hat später den Be- ken und oft militanten gesellschaftli- ohnehin vielfältigen Angriffen ausge- griff vom „Frieden als Ernstfall“ in chen Gruppe unter den Studenten setzt waren, verstärkt. Solche sibylli- „Ernstfälle des Friedens“ um- ausging. nischen Äußerungen trugen nicht zur benannt und mit zehn Bausteinen21 Der Amtsantritt Heinemanns war Versöhnung bei, sondern spalteten. versucht zu konkretisieren. Heine- hinsichtlich seines Verhältnisses zur Mit dieser Aussage verwirrte Heine- manns kritische Distanz zum eigenen Bundeswehr durch dessen Rücktritt mann viele Soldaten, junge wie alte. Staat und auch zur Bundeswehr trug im Jahre 1950 wegen der Wieder- Welche Aufgabe aber hat die Bun- ihm Beifall im linksintellektuellen bewaffnungspolitik Adenauers nicht deswehr, wurde gefragt, sollte jener Lager ein. Literatur-Nobelpreisträger unbelastet. Zwar waren seitdem fast Ernstfall, der Krieg, zum Ernstfall Heinrich Böll (1917-1985) nannte zwanzig Jahre vergangen, und die werden? Bundespräsident Rau stell- Heinemann einen „Radikalen im öf- Bundeswehr hatte zum Zeitpunkt der te dazu fest: fentlichen Dienst.“ Der CSU-Abge- Demission Heinemanns noch nicht „Dieser Satz Heinemanns steht ge- ordnete Dr. (1913- existiert, aber die Erinnerung daran gen europäische Geistesgeschichte. 1998) warf ihm vor, den Wehrdienst- war vor allem im älteren Offizier- Er steht gegen Heraklit. Er steht ge- verweigerern geistig näher zu stehen korps noch lebendig. Hinzukam die gen Schiller.“18 als den Soldaten, ein Eindruck, der ungenaue Wiedergabe eines Inter- Allerdings hatte ihn – zumindest durch seine Sympathie durchschim- views mit der Süddeutschen Zeitung sinngemäß – bereits fast fünfzig Jah- mernde Haltung zur Außerparlamen- im März 1969 kurz vor seinem Amts- re zuvor der französische Marschall tarischen Opposition (APO) verstärkt antritt, in dem der Eindruck entstan- Ferdinand Foch (1851-1929) im Mai wurde.22 den war, Heinemann sähe die Bun- 1921 – drei Jahre nach dem verhee- In seiner Rede am 20. Juli 1969, deswehr am liebsten abgeschafft, was renden Ersten Weltkrieg – im Invali- dem 25. Gedenktag an das geschei- Unruhe in die Truppe brachte und dendom am Grab des einhundert terte Attentat auf Hitler, erwähnte die alte Diskussion vom „notwendi- Jahre zuvor verstorbenen Kaisers Na- Heinemann den 1935 hingerichteten gen Übel“ wieder anfachte. Hein- poleon benutzt: Kommunisten und „Hamburger mann hatte damals geäußert: „Erhabener als der Krieg ist der Arbeiterführer Fiete Schulze, auf „Jede Bundeswehr muss grundsätz- Friede. Unrettbar gerät auch der be- dessen Namen die DDR übrigens ei- lich bereit sein, sich um einer besse- gabteste Mensch in die Irre, wenn er nes ihrer Schiffe getauft hat.“ Nicht ren politischen Lösung willen in bei den Auseinandersetzungen der wenige verstanden dies als Seiten- Frage stellen zu lassen.“16 Menschheit der Stimme in seiner ei- hieb auf die Bundesmarine die ihre Er präzisierte diesen Satz bei sei- genen Brust nicht achtet, wenn er drei Zerstörer auf die Namen von ner Antrittsrede im Bundestag am 1. von den Moralgesetzen der Gesell- Kriegshelden des Zweiten Weltkrie- Juli 1969 wie folgt: schaft abweicht, von der Achtung ges (Mölders, Rommel und Lütjens) „Auch die Bundeswehr ist nicht vor dem Individuum und von den benannt hatte. Die Abneigung Hei- Selbstzweck. Wir wissen, dass sie Prinzipien von Freiheit, Gleichheit nemanns gegenüber dem Militär war keine politischen Lösungen zu er- und Brüderlichkeit, welche zusam- dominierend. Allerdings lehnt Hel- zwingen vermöchte. Ihr Auftrag ist men den wesentlichen Inhalt unse- mut Schmidt es ab, ihn als Pazifisten es, zu verhindern, dass uns Gewalt- rer Zivilisation, ja sogar des ganzen zu bezeichnen; er nennt Heinemann lösungen von fremder Seite aufge- Christentums ausmachen.“ 19 einen „rigorosen Moralisten,“23 und zwungen werden. Darum setzen wir Damals war diese Aussage, die wird darin von Johannes Rau unter- unsere Verteidigungsanstrengungen das bisherige Weltbild auf den Kopf stützt.24 Doch es gab auch die andere fort. Darum gilt unsere Achtung al- stellte, ungehört verklungen. Heine- Seite der janusköpfigen Beziehungen len denen, die sich dieser Aufgabe mann hat diese Aussage zu Krieg und Heinemanns zum Militär, nämlich unterziehen.“17 Frieden in der Folgezeit mehrfach sein Interesse für die gesamte Band-

84 AUFTRAG 261 50 JAHRE BUNDESWEHR breite der menschlichen Aspekte des sen mit anschließendem Gespräch in Nord (AFNORTH), den britischen Soldatenlebens: die Villa Hammerschmidt, seinen General Sir Walter C. Walker (1912- „Kein Bundespräsident hat in sei- Amtsitz. Selbst im Urlaub pflegte der 2001) am 15. Oktober 1969 zu des- ner Amtszeit die Streitkräfte so häu- Präsident, so es sich anbot, diese sen Antrittsbesuch und Generalins- fig besucht wie Heinemann. Er liebt Kontakte. Während seines Urlaubs pekteur Ulrich de Maizière (* 1912) es, Gespräche mit Soldaten aller auf der Nordseeinsel Spiekeroog im am 23. März 1972 zum Abschiedsbe- Dienstgrade zu führen. Er interes- Sommer 1971 lud er eine Gruppe von such. Truppenbesuche, wie z.B. bei sierte sich kaum für strategisch-ope- 25 Kompaniefeldwebeln, die dort an der Schule für Innere Führung in rative Fragen, noch weniger für den einer Rüstzeit teilnahmen, zu einer Koblenz am 26. April 1972 oder der Bereich der Rüstung. Sein Augen- Diskussionsrunde ein.27 Seine Besu- Führungsakademie der Bundeswehr merk galt vor allem den Menschen che bei der Truppe hatten eher fami- in Hamburg am 27. April 1973, sind in den Streitkräften, dem täglichen liären Charakter. Heinemann lehnte – neben der Informationsvermittlung Leben des Soldaten, den Fragen der es ab, sich von einem Tross von – Ausdruck der Wahrnehmung der Fürsorge, der inneren Ordnung und Zwischenvorgesetzten begleiten zu Amtspflichten des Staatsoberhauptes der politischen Bildung. Regelmä- lassen, glaubte er doch nicht zu un- gegenüber den Streitkräften. Aller- ßig lud er Soldaten aller Dienstgra- recht, er würde auf diese Weise nur dings hat Heinemann die Kontakte de, einschließlich der Wehrpflichti- ein geschöntes Bild von den Soldaten zur Truppe nicht als Routinepflicht gen, zu Gesprächen in die Villa gezeichnet bekommen. Auf einer der angesehen. Nach jedem Besuch Hammerschmidt (= damals wie jährlichen Kommandeurtagungen schilderte er dem Verteidigungs- heute Amtsitz des Bundespräsiden- der Bundeswehr, d.h. bei der militä- minister schriftlich seine Eindrücke, ten in der Bundesstadt Bonn) ein. rischen Führungsspitze, war er nicht gab Anregungen und sparte auch Frau Heinemann nahm regen Anteil zu Gast. Allerdings bat er am 17. Ok- nicht mit Kritik – nicht immer zur an den Sorgen und Nöten der Ehe- tober 1972 eine Gruppe von Genera- Freude der Hardthöhe. So waren ihm frauen der Soldaten.“25 len, Admiralen und Obristen, darun- bei einem Truppenbesuch in Bundespräsident Rau bestätigte ter Generalinspekteur Zimmermann Munster am 22. Juli 1971 die langen, diese Feststellung de Maizières in (1917-1976), zu einem Abendessen zumeist ungepflegten Haare vieler seiner Rede anlässlich des 100. Ge- in die Villa Hammerschmidt. Dis- Soldaten unangenehm aufgefallen, burtstages von Heinemann: kussionsleiter war Generalmajor und er hielt mit seiner Meinung auch „Der entschiedene Gegner der Wie- Heinz-Georg Lemm (1919-1994), vor der anwesenden Presse – zum derbewaffnung (i.e. Heinemann), Kommandeur der 5. Panzerdivision Missfallen des damals amtierenden der nie Pazifist gewesen war, war und einer der Träger des Ritterkreu- Verteidigungsministers Schmidt – häufiger bei der Bundeswehr zu zes mit Eichenlaub und Schwertern. nicht hinter dem Berge. Gast als alle anderen Bundespräsi- Heinemann führte die Tradition sei- Heinemanns Amtsführung war denten vor ihm. Er achtete den nes Vorgängers Lübke fort und emp- von Pflicht und Schlichtheit geprägt, Dienst in der Bundeswehr genauso fing höchste deutsche und NATO-Of- Tugenden, die vorbildhaft sind, auch als Gewissensentscheidung wie den fiziere zu Antritts- und Abschiedsbe- für die Streitkräfte. Aber gleichzeitig Zivildienst.“26 suchen, so u.a. den Oberbefehlsha- hielt er Distanz zu protokollarischen In den fünf Jahren seiner Amts- ber der Alliierten Streitkräfte Europa militärischen Gepflogenheiten, d. h. zeit stattete Heinemann der Bundes- wehr insgesamt 14 offizielle Besuche ab und widmete dabei den Streitkräf- ten einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Zeit. Sein erster Besuch galt dem Herbstmanöver „Großer Rössel- sprung“ am 12. September 1969. Im Juni 1973 nahm er – zusammen mit seiner Ehefrau Hilda – an einer dreitägigen Ausbildungsfahrt des Segelschulschiffes „Gorch Fock“ in die westliche Ostsee teil. Daneben gab es eine Vielzahl von Begegnun- gen mit Soldaten aller Dienstgrade; so bat er allein dreizehn Mal Abord- nungen von Soldaten zum Abendes-

Abendeinladung für hohe Offiziere der Bundeswehr in der Villa Hammer- schmidt am 17.10.1972; v.l. u.a.: Bundespräsident Heinemann mit Ehefrau Hilda; Generalmajor Heinz-Georg Lemm und Generalinspekteur Zimmermann sowie Staatssekretär Berkhan (4. v.r.).

AUFTRAG 261 85 BLICK IN DIE GESCHICHTE jenen Ritualen, die das Gefühl der Schmidt (* 1918) und sidialamt durch Dietrich Spangen- Soldaten ansprechen. Militärisches (* 1920) das Verteidigungsressort. berg (1922-1990) – maßgeblich un- Zeremoniell blieb ihm, wie auch An der militärischen Spitze der Bun- terstützt. Hans Apel, einem seiner politischen deswehr stand General Ulrich de „Heinemann war ein kantiger, Ziehsöhne, im Herzen fremd. Auf die Maizière (* 1912) als Generalins- scharfsinniger, fanatisch gerechter, Frage des Journalisten Reinhard pekteur bis März 1972; ihm folgte menschlich ungewöhnlich toleran- Appel, wie „sein Kampf gegen un- Admiral Armin Zimmermann (1917- ter, hart arbeitender ‘alter Preuße’, nützes Protokoll und gegen Orden“ 1976). Schmidts Verhältnis zum we- dem jedes ‘Getue’ fremd war und stünde, hatte Heinemann geantwor- sentlich älteren Heinemann war von der schmückende Redensarten als tet: gegenseitigem Respekt geprägt, ‘gebackene Luft’ abtat.“33 „Das ist ein Gemisch von Sieg und blieb aber – anders als das zwischen In die Geschichte ist Heinemann Niederlage.“28 dem Parlamentarischen Staatssekre- als volksnaher, ausgleichender So wurde z.B. der Empfang neu tär Karl-Wilhelm Berkhan (1915- „Bürgerpräsident“ eingegangen. akkreditierter ausländischer Bot- 1994) und Heinemann – wohl eher Dieses Bild scheint zumindest in Be- schafter – durch Vorgänger Lübke kühl, auch wenn Schmidt in der zug auf die Bundeswehr überhöht. feierlicher gestaltet – wieder abge- Rückschau behutsam urteilt: Die Überbrückung der Kluft zwi- speckt: aus einem Ehrenzug und ei- „... ist ein persönliches Vertrauens- schen Bevölkerung und Armee zählte nem Musikkorps wurden zwei Posten verhältnis entstanden, das sich spä- nicht zu seinen Anliegen. Gruner unter Gewehr, sowie einem Pfeifer ter bewährt hat, als Gustav (inzwi- glaubt zu Recht, dass Heinemanns und einem Trommler.29 Heinemann schen waren wir längst bei den Vor- Verhältnis zur Bundeswehr am Ende wollte auch diese streichen – es sei namen und beim Du) Justizminister seiner Amtszeit besser war als zu Be- „zu friderizianisch.“ Doch wenigs- und dann Bundespräsident war.“30 ginn. Eine engere emotionale Bin- tens blieb der Trommler, der Pfeifer Als Verbindungsoffizier bei Bun- dung zur Bundeswehr jedoch dürfte hingegen verschwand während Hei- despräsident Heinemann diente wie eher unwahrscheinlich sein. Als nemanns Amtszeit. Vermutlich stan- beim Vorgänger Lübke – von Okto- Heinemann nach fünf Jahren aus den diese im Grunde marginalen ber 1969 bis September 1974 – ein dem Amte schied, wurde er durch Einsparungen in keinem Verhältnis Marineoffizier, der kriegsgediente Verteidigungsminister Georg Leber – zum ideelen Schaden in Bezug auf Werner Gruner (* 1923), der 1941 im Beisein von Generalinspekteur das Ansehen der Bundesrepublik. Es mit achtzehn Jahren in die Kriegsma- Zimmermann und aller Inspekteure – war Sparen am falschen Platze, denn rine eingetreten, als Leutnant zur See in Munster am 10. Juni 1974 offiziell spartanische protokollarische Wahr- mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse verabschiedet. Heinemann sagte nehmung wird im internationalen (EK II) ausgezeichnet heimgekehrt dabei, sein kritisches Verhältnis zu Verkehr eher als mangelnde Gast- und in der Bundeswehr zum Kapitän jeder Art von Macht habe ihm den freundschaft und nicht als Tugend zur See aufgestiegen war. Dass die Verdacht eingetragen, er misstraue ausgelegt. Mit dem Amtsantritt von Wahl Heinemanns auf einen partei- der Bundeswehr. „Das ist falsch,“ Scheel wurde das Protokoll dann losen Soldaten fiel, ist ein Ausdruck betonte der scheidende Präsident mit auch wieder hochgefahren, und bei der unparteiischen, integren Haltung Nachdruck und fuhr fort: Staatsbesuchen fand das militärische des Staatsoberhauptes Heinemann. „Ich kann bei aller Aufgeschlossen- Begrüßungszeremoniell durch das „Er hat sich das Vertrauen des Bun- heit für eine Politik der Verständi- Wachbataillon im Garten der Villa despräsidenten schnell erworben,“31 gung kein politisches Zeichen er- Hammerschmidt und nicht mehr auf schreibt General de Maizière. Gruner kennen, das in absehbarer Zeit die dem Flughafen Köln-Wahn statt. bezeichnet seine Aufgabe als „eine Streitkräfte als Teil unserer Sicher- Während der fünfjährigen Amts- missionarische Tätigkeit.“32 Die Ar- heitspolitik überflüssig macht.“34 zeit von Heinemann führten Helmut beit Gruners wurde durch die flankie- Am Ende seiner Amtszeit fand er rende Hilfe der zu der Einsicht in jene politische Staatssekretärs- Wirklichkeit, die er in den Anfangs- ebene beider jahren der Bundesrepublik nicht Seiten – im wahrhaben wollte. BMVg durch Beim Staatsakt für den verstorbe- Karl-Günther nen Amtsvorgänger Heinrich Lübke von Hase war Heinemann – zusammen mit (*1917) und Frau Wilhelmine Lübke (1885- danach Willy 1981) und dem Kölner Erzbischof Berkhan und Joseph Kardinal Höffner (1906- im Bundesprä- 1987) – am 13. April 1972 dem von

Besuch auf dem Zerstörer „Hamburg“ am 22. Juni 1970 in Kiel; im Maschinenraum v.l.: Geert Müller-Gerbes, Presse- sprecher, KzS Werner Gruner, VerbOffz, Bundespräsident Gustav Heinemann, Dietrich Spangenberg, Staatssekretär im Bundespräsidialamt (Bildmaterial: Privatarchiv K zS aD Werner Gruner)

86 AUFTRAG 261 50 JAHRE BUNDESWEHR hohen Offizieren eskortierten und ge- das Militär zähle zu den benachtei- digkeit für die Bundeswehr letztlich tragenen Sarg Lübkes aus dem Köl- ligten Randgruppen in der bundes- verschwommen. Überdies wurde er – ner Dom gefolgt. War dem asketi- deutschen Gesellschaft? Als Sarg- ungewollt und wohl auch stärker als schen Heinemann diese üppige Mi- träger hatte er sich Beamte des Bun- andere Bundespräsidenten – in par- schung aus katholischer Prunkent- desgrenzschutzes gewünscht und teipolitische Auseinandersetzungen faltung und militärischem Zeremoni- zwar mit der plausiblen Begründung, hineingezogen, so dass man sich ein ell zuviel? Hatte er deswegen – nur diese hätte ihn zu seinen Lebzeiten wenig an Schillers Satz erinnert fühlt: wenige Wochen später, am 11. Mai bewacht und mögen deshalb auch „Von der Parteien Gunst und Hass 1972 – für den Fall seines Ablebens den Sarg tragen. Heinemann starb verwirrt, schwankt sein Charakter- handschriftlich verfügt, dass am 7. Juli 1976 in Essen – zwei Jah- bild in der Geschichte.“35 „zu einem etwaigen Staatsakt re nach seinem Ausscheiden aus dem Dass die eingangs erwähnte Na- Schwerbehinderte, z.B. Blinde, Krie- Amt. Als einziger Soldat nahm sein mensgebung Heinemanns eigene Zu- gerwitwen, körperlich Behinderte, früherer Verbindungsoffizier, Kapitän stimmung gefunden hätte, bleibt Soldaten, Zivildienstler und Gast- zur See Gruner, an der Beisetzung auf fraglich. Aber wie sooft griff auch arbeiter eingeladen“ dem Essener Parkfriedhof teil. hier die Zeit als Schiedsrichter ein: werden sollten. Allerdings wirkt die- Blickt man auf die gesamte Le- im Jahre 2003 wurde die Kaserne ser Wunsch ein wenig gekünstelt. bensspanne Heinemanns, so bleiben von der Bundeswehr auf- und das Wollte Heinemann damit andeuten, die Konturen seiner Traditionswür- Gelände an die Stadt Essen zur zivi- len Nutzung zurückgegeben.

Anmerkungen: politik in Hamburg am 6. Januar 2000; – Beitrag in der Festschrift zum 50-jäh- in: Friede als Ernstfall; S. 229 rigen Jubiläum der Marine-Crew V/1941 1 Heinemann, Gustav: Ansprache bei der 19 Hesse, Kurt: Der Geist von Potsdam, 34 Heinemann, Gustav: Abschiedsrede am Schaffermahlzeit im Bremer Rathaus am S. 99 10.Juni 1974; in: „Bundeswehr aktuell“ 13. Februar 1970; in: Gustav W. Heine- 20 Heinemann, Gustav: Rundfunk – und 10/106 vom 11.6.1974 35 mann: Präsidiale Reden; edition suhr- Fernsehansprache am 1. September Schiller, Friedrich: Wallensteins Lager, kamp SV, S.130 Prolog 2 1969; in: Gustav Heinemann: Scholz, Günther: Die Bundespräsiden- Präsidiale Reden, S.91 f. ten; S. 211 21 3 Demokratie, Menschenrechte, Erinne- Literatur: Das RWKS – gegründet 1883 durch rung und Vergebung, Prävention, Soziale Adenauer, Konrad: Erinnerungen, Band 1, Emil Kirdorf (1847-1938) – war ein Marktwirtschaft, Entwicklung, Kultur- Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart Vertriebskartell zum Verkauf der Kohle dialog und gute Nachbarschaft, sowie Gerstenmaier, Eugen: Reden und Aufsätze, aus seinem Fördergebiet. 4 Föderation und Umwelt. Band 2; Hrsg. Evangelisches Verlags- Bundespräsidialamt Gustav W. Heine- 22 Allerdings verwundert der Vorwurf werk, Stuttgart 1962 mann: Reden und Interviews (II); hrsg. Jaegers insofern, als ihm selbst durch Gruner, Werner Kapitän zur See a.D.: Als vom Presse- & Informationsamt der seinen Parteivorsitzenden Franz Josef Verbindungsoffizier beim Bundespräsi- Bundesregierung; S. 170 5 Strauß „eine notorische Abneigung und denten, Artikel in der Festschrift zum Scholz, Günther; a.a.O., S. 219 ein eingewurzeltes Misstrauen gegen al- 50-jährigen Jubiläum der Marine-Crew 6 Heinemann, Gustav: Ansprache zum 25. les Militärische“ nachgesagt wurde. Sie- V/1941 Gedenktag des 20. Juli 1944; in: Gustav he: Strauß, Franz Josef: Die Erinnerun- Heinemann, Gustav W.: Reden und Inter- W. Heinemann: Präsidiale Reden; gen, S. 275 views (II), 1. Juli 1970 – 30. Juni 1971, edition suhrkamp SV; S. 99 23 Schmidt, Helmut: Weggefährten, S. 427 Bundespräsidialamt 7 zitiert in: Scholz, Günther: a.a.O., 24 Rau, Johannes: Rede zum 100. Geburts- Heinemann, Gustav W.: Präsidiale Reden, S. 227 edition suhrkamp, Frankfurt am Main, 8 Adenauer, Konrad: Erinnerungen, tag von Gustav Heinemann am 23. Juli 1999; in: Rau, Johanne: Friede als SV Bd. 790, 2. Aufl. 1977 Bd. 1, S. 374 Hesse, Kurt: Der Geist von Potsdam, v. Hase 9 zitiert in: Scholz, Günther: a.a.O., Ernstfall, S. 41 25 & Koehler Verlag, Mainz 1967 S. 237 Maizière, Ulrich de: Führen im Frieden, 10 S. 55 Maizière, Ulrich de: Führen im Frieden; Strauß, Franz Josef a.a.O. S. 246 f. 26 11 Rau, Johannes: Friede als Ernstfall, Bernard & Graefe Verlag für Wehr- zitiert in: Gerstenmaier, Eugen: Reden wesen, München 1974 und Aufsätze; Bd. 2, S. 381 S. 41 27 Rau, Johannes: Beitrag zum 100. Geburtstag 12 FAZ vom 17 März 1967; zitiert in: Interview „Zwei Jahre im Amt“ in der Süddeutschen Zeitung vom 2. Juli 1971; von Gustav Heinemann am 23. Juli 1999 Studnitz Hans-Georg von: Rettet die Rau, Johannes: Friede als Ernstfall. Anspra- Bundeswehr! S. 117 in: Heinemann, Gustav W. Reden und 13 Interviews (II) Bundespräsidialamt, che im Institut für Friedensforschung Heinemann, Gustav: Ansprache bei der und Sicherheitspolitik in Hamburg am Schaffermahlzeit im Bremer Rathaus am S. 165 28 6. Januar 2000; in: Reden und Beiträge 13. Februar 1970; in: Gustav W. Heine- Interview „Zwei Jahre im Amt“ in der Süddeutschen Zeitung vom 2. Juli 1971 des Bundespräsidenten – hrsg. von mann Präsidiale Reden; edition suhr- Dieter S. Lutz, Nomos Verlags- kamp SV S.128 in: Heinemann, Gustav W.: Reden und 14 Interviews (II);Bundespräsidialamt, gesellschaft, Baden Baden, Band 135, Ebenda 2001 15 Rau, Johannes: Beitrag zum 100. Ge- S. 166 29 Scholz, Günther: Die Bundespräsiden- Schmidt, Helmut: Weggefährten. Erinnerun- burtstag von Gustav Heinemann am gen und Reflexionen. Bertelsmann 23. Juli 1999 ten, S. 299 30 Club, Rheda-Wiedenbrück 1996 16 Bundespräsidialamt: Gustav W. Heine- Schmidt, Helmut: Weggefährten, mann, Reden und Interviews (II); hrsg. S. 426 f. Scholz, Günther: Die Bundespräsidenten – vom Presse- & Informationsamt der 31 Maizière, Ulrich de: Führen im Frieden, Biographien eines Amtes. Verlag Deck- Bundesregierung, S. 165 S. 55 er & Müller, Heidelberg 1990 17 zitiert in: Maizière, de Ulrich: Führen 32 Gruner, Werner gegenüber dem Verfas- Strauß, Franz Josef: Die Erinnerungen. Wolf im Frieden, S. 55 ser am 07.01.2006 Jobst Siedler Verlag, Berlin 1989 18 Rau, Johannes: Ansprache im Institut 33 Gruner, Werner KzS aD: Als Verbin- Studnitz, Hans-Georg von: Rettet die Bun- für Friedensforschung und Sicherheits- dungsoffizier beim Bundespräsidenten deswehr! Seewald Verlag, Stuttgart 1967 AUFTRAG 261 87 BLICK IN DIE GESCHICHTE

AUSSTELLUNG IN BONN UND BERLIN: Barock im Vatikan Kunst und Kultur im Rom der Päpste II (1572-1676) VON FRANK GELDMACHER UND ANDREAS M. RAUCH

heute beeindruckendes Wahrzeichen Weise Elemente der antiken, vor al- Roms, steht sinnbildlich für die Grö- lem der römischen Baukunst (Ton- ße und den Führungsanspruch der nengewölbe, Säulenordnungen), je- gegenreformatorischen Kirche. Der doch ohne direkte Übernahmen wie Petersdom ist in Stein gehauene Poli- im Klassizismus. In der italienischen tik und an seiner Gestaltung wirkten Malerei wurde durch die Entdeckung die größten Künstler jener Zeit mit: der Zentralperspektive um 1420 in Michelangelo, Bernini, Borromini, Florenz (Brunelleschi) die Flächen- Sacchi, Guercino und Reni. haftigkeit der mittelalterlichen Male- Michelangelo war bereits 72 Jah- rei überwunden. Form und Inhalt re alt, als Papst Paul III. ihn bat, die wandeln sich entsprechend dem neu- Bauaufsicht zu übernehmen, was er en Wirklichkeitssinn des Zeitalters. bis zu seinem Tod siebzehn Jahre Die aus dem Mittelalter übernomme- später tat. Von Michelangelo stammt ne religiöse Thematik wurde durch der Entwurf der berühmten Peters- mythologische Stoffe der Antike domkuppel. So steht auch im Mittel- (Botticelli) ergänzt und durch eine punkt der Ausstellung das fünf Meter realistische Erfassung der Umwelt hohe Holzmodell der Kuppel der erweitert. Peterskirche von Michelangelo und Der Begriff des Barock liegt im Giacomo della Porta, das nach der italienischen Wort barocco (schief, Michelangelo (1475-1564) und Ausstellung in Bonn jedoch leider eigenartig) oder im portugiesischen Giacomo della Porta (1532-1602): zurück nach Rom muss und nicht Wort barroca begründet, was eine Holzmodell der Kuppel von St. Peter, Außenansicht, 1588-1591; Fabbrica di weiter zur Ausstellung in Berlin zie- unregelmäßig schief gewachsene San Pietro in Vaticano. hen wird. Zu sehen ist auch Michel- Perle bezeichnet. Das französische angelos einzig erhaltene Handzeich- „Dictionnaire des Travaux“ von as 16. und 17. Jahrhundert, nung zur Kuppel. 1771 erklärt das Wort als „exzent- das ist die Zeit der Gegenre- Das päpstliche Rom des späten risch“ und „bizarr“, womit anfäng- Dformation, des 30-jährigen 16. und 17. Jhs. war das religiöse, lich eine negative Konutation zum Krieges, großer Naturwissenschaftli- künstlerische und wissenschaftliche Ausdruck gebracht wird. Der Begriff cher Entdeckungen und der größten Zentrum seiner Zeit. Die Kirche war des Barock weckt Assoziationen an Prachtentfaltung im päpstlichen Rom. ein großer Förderer der Künste, vor Prunk und Pracht, Kraft und Herr- Kepler, Galilei und Newton zerstören allem von sakraler Kunst. Angesichts lichkeit, tiefen Pathos und gewaltiger das christliche Weltbild: die Erde ist des schwindenden politischen Ein- Rhetorik, von weiten Sälen und küh- nicht mehr Mittelpunkt des Univer- flusses der römisch-katholischen nen Scheinarchitekturen, mit Orna- sums. Die Antwort der Päpste auf Kirche galt es als umso wichtiger, die menten geschmückten Räumen und diese fundamentale Krise ist eine geistige und künstlerische Führung Inszenierungen, von Illusion und Über- beispiellose Kulturoffensive, die man zu bewahren. Angesichts von Säkula- fülle, von einem Fest und Ansporn später Barock nennen wird. Es ist die risierung und Wertewandel sollten aller Sinne. Von Rom aus trat der Ba- letzte, grandiose Antwort der Päpste Architektur und Kunst im päpstli- rock seinen Siegeszug in ganz Italien, auf die heraufziehende Aufklärung chen Rom Zeugen und Medium dann Europa und schließlich die und Neuzeit, die Geburt eines Kunst- christlichen Glaubens sein. ganze Welt an. Der römische Früh- stils, der die Ganze Welt erobert. Der Begriff des Barock ist nicht barock wird auf das 16. Jh. angesetzt Die Ausstellung „Barock im Va- unproblematisch, da die Übergänge und durch Künstler wie Raffael und tikan“ bildet die Fortsetzung der zwischen der italienischen Spätre- Michelangelo geprägt. Caravaggio Ausstellung „Hochrenaissance im naissance, dem darauf folgenden Ma- überwand den Manierismus und Vatikan“, in der es im Jahre 1998/ nierismus und dem von Rom ausge- führte einen fast naturalistischen Stil 1999 auch um den aus dem Heiligen henden Barock fließend waren. Die des Hell-Dunkel ein. Seine Hochzeit Römischen Reich Deutscher Nation Kunst der Renaissance als Abkehr erreichte der römische Barock im 17. stammenden Hadrian VI. ging, der von der mittelalterlichen Kunst be- Jh., während der deutsche Barock der letzte deutsche Papst vor Ben- gann in Italien um 1420 als Frühre- zwischen 1650 und 1760 liegt. Der edikt XVI. war. In der Zeit des Ba- naissance, erreichte dort ihren Höhe- Barock findet sich vor allem in Kul- rock erlebte Rom die Vollendung der punkt als Hochrenaissance bis zur turlandschaften, die vom katholi- Peterskirche und des Petersplatzes. Wende des Manierismus. Die Archi- schen Glauben geprägt sind, da der Dieses Ensemble des Vatikans, bis tektur verwendete auf schöpferische Barock sich als gegenreformatorische

88 AUFTRAG 261 50 BAROCKJAHRE BUNDESWEHR IM VATIKAN

Kraft verstand. Zu seinen größten Unbekannter Künstler: Prozessions- Vertretern zählt der flämische Maler glocke des Kapitels von St. Peter, 17. Jh.; Peter Paul Rubens, der u.a. mit dem Fabbrica di San Pietro in Vaticano. Ölgemälde „Die Heiligen Gregor, Domitilla, Maurus und Papianus“ in der Ausstellung vertreten ist.

Ein Fest der Sinne und Besucher der Ausstellung zahlreiche des Glaubens Architekturentwürfe und Zeichnun- Gezeigt werden über 350 Objek- gen, etwa von „Daniel“ oder zur „Hl. te, die teilweise erstmals aus dem Theresia“ kennen lernt. Es werden Vatikan ausgeliehenen und durch wunderschöne Marmorarbeiten Ber- Leihgaben aus zahlreichen europäi- ninis gezeigt. schen Sammlungen ergänzt wurden. Ein wichtiger Teil der Ausstel- Getreu der Kunsttheorie der Epoche lung setzt sich mit dem Jesuitenor- wirken Wissenschaften und Kunst den als Patron der Künste und Wis- ähnlich: Sie sollten beim Betrachter senschaft im Rom des Barock stupore, Erstaunen und meraviglia, auseinander. Dazu gehört etwa die Verwunderung, erzeugen. So werde wurde gewahr, dass mit der konstan- Missionsarbeit des Jesuitenordens, die Neugierde angeregt, der Erkennt- tinischen Basilika, in den Katakom- die dokumentiert wird. Dargelegt nisprozess ausgelöst und gleichzeitig ben und anderen Einzelstücken sich werden auch die Schwierigkeiten des das Vergnügen gewahrt. Das hat sich auch die christliche Urgemeinde in Vatikans, auf die christliche Mission auch die Ausstellung „Barock im Va- Rom wieder findet. Des Weitern kam in den neuen Kolonialgebieten der tikan“ zum Ziel gesetzt. ein wachsendes Interesse an den mo- europäischen Mächte Einfluss zu Die Ausstellung beschäftigt sich numentalen und bildlichen Zeugnis- nehmen. Skizziert werden auch Bei- mit sieben päpstlichen Pontifikaten sen der römischen Antike auf. Viele spiele wissenschaftlicher Tätigkeit von 1572-1685: Gregor XIII., Sixtus Denkmäler, Mosaiken und Schriften im Rom jener Zeit, vor allem auf dem V., Paul V., Urban XIII., Innozenz wurden in die Vatikanischen Grotten Gebiet der naturwissenschaftlichen X., Alexander VII. und Clemens X., gebracht und sind dort bis heute auf- Fächer Astronomie, Physik und Ma- und zusätzlich mit den Sektionen: bewahrt. Zahlreiche Originalskizzen, thematik, bis hin zum wissenschaftli- „Orden und Heilige“ und „Wissen- Aquarelle und Gemälde dokumentie- chen Werk Isaac Newtons. Galileis schaft in Rom“. Durch die einzelnen ren die verschiedenen Bauphasen Romaufenthalte und seine Verurtei- Sektionen zieht sich die Bau- und von Neu-St. Peter. Zugleich wird in lung werden mit zahlreichen Doku- Ausstattungsgeschichte von St. Peter Architektur und Malerei deutlich, menten, Büchern und Skizzen doku- wie ein roter Faden. Daher wird zu dass Neu-St. Peter eben nicht nur die mentiert und hinterfragt: sie verdeut- der Ausstellung eine sehr beeindru- Kirche des Bischofs von Rom sein lichen den verzweifelten Versuch der ckende, 25-minütige Computer- sollte, sondern zugleich ein monu- römisch-katholischen Kirche, ihre animation „Vierzig Bauherren und mentales Bollwerk gegen den refor- Machtstellung angesichts von Gegen- vierzig Baumeister – eine Bauauf- matorischen Geist. reformation, Säkularisierung und gabe St. Peter in Rom“ über die Ent- Mit Hilfe von Malerei, Skulptu- Wertewandel in Zeiten des Barock, stehung des Peterdoms gezeigt und ren, Zeichnungen, Stichen, Wand- der Aufklärung und des Humanis- von einem „Cicerone“ erklärt. teppichen, Modellen, Schriften und mus so weit wie möglich zu halten. In der Ausstellung erhält der Be- Möbelstücken wird skizziert, dass Gerade in dieser Phase des Barock, sucher viele Informationen zur Bau- das Rom des 16. und 17. Jhs. ein der für die Kirche mit schmerzlichen geschichte von Neu-St. Peter. Die Zentrum kulturellen, künstlerischen Einschnitten verbunden war, wurden alte konstantinische Basilika wurde und wissenschaftlichen Schaffens besonders schöne, künstlerische im Prinzip „ausgeschlachtet“ und war. Es werden zahlreiche Beispiele Zeugnisse christlichen Glaubens ge- dann demontiert. Zahlreiche Bau- von Zeugnissen der Architektur, der schaffen. materialien wurden für Neu-St. Peter Radierkunst, der Bildhauerei und Katalog zur Ausstellung: Kunst- und wieder verwendet. Auch einzelne der Malerei jener Zeit in der Ausstel- Ausstellungshalle der Bundesrepublik Säulen, etwa einige spiralförmige, lung präsentiert. So beispielsweise Deutschland GmbH (Hg): „Barock im mit Weinlaubranken geschmückte das Ölbild die „Grablegung Christi“ Vatikan. Kunst und Kultur der Päpste Marmorsäulen, die der Legende nach von Michelangelo Merisi da Caravag- II 1572-1676“. Verlag E. A. See- aus dem salomonischen Tempel, tat- gio, das Ölbild von Nicolas Poussin mann: Leipzig 2005, 536 S., (bzw. di- sächlich wohl aus dem 2. Jh. nach „Das Martyrium des hl. Erasmus“ rekt in der Ausstellung. Chr. stammen, wurden ebenso wie ei- oder das Ausführungsprojekt des nige alte Grabplatten in Neu-St. Pe- bronzenen Hochaltarziboriums in Die Ausstellung ist bis 19.03.2006 in ter eingefügt. Erst kurz bevor der Anlehnung an die Marmorsäulen aus der Kunst- und Ausstellungshalle der konstantinische Bau fast abgerissen der konstantinischen Basilika. Her- Bundesrepublik Deutschland Bonn war, begann zu Mitte des 17. Jhs. ein ausragende Figur des römischen Ba- und vom 12.04. bis 10.06.2006 im Gespür auch für christliche Archäo- rock ist der Architekt und Bildhauer Martin-Gropius-Bau Berlin zu sehen. logie zu wachsen. Vielen Menschen Gianlorenzo Bernini, von dem der ❏

AUFTRAG 261 89 50KIRCHE Jahre UNTER SOLDATEN Wir wollen dienen?

VON HARALD OBERHEM

eschichte ist ohne Vorgeschichte nicht zu haben. So auch die der seelsorge nicht ohne Personal mit Militärseelsorge in der Bundeswehr nicht. Geschichte an der entsprechender Erfahrung. Georg GSchnittstelle von Kirche, Staat und Gesellschaft. Denn die Feld- Werthmann hatte sich schon früh- geistlichkeit in Uniform war, ist und bleibt ein Politikum. Die Armee- zeitig für eine Rolle als Planer und seelsorge lieferte 1932 Nuntius Eugenio Pacelli den formalen Ansatz, jen- Verhandlungsgehilfe in Stellung ge- seits der Länderkompetenzen ein Konkordat mit dem Reich vorzuschla- bracht. Nominell Beauftragter der gen. Der Vatikan akzeptierte das günstige Angebot der NS-Regierung Fuldaer Bischofskonferenz – die vom Juli 1933, das von demokratischen Partnern zuvor nicht zu haben Nuntiatur hielt sich in dieser Vor- war. Man meinte, damit zugleich hinreichende Sicherheiten für die insti- bereitungsphase gern zurück – war der von deren Vorsitzendem, seinem tutionellen Rechte der Kirche angesichts der weithin misstrauisch betrach- Kölner Erzbischof Joseph Frings, teten „Nationalen Revolution“ in Händen zu haben. In einem geheimen benannte Prälat Wilhelm Böhler, Anhang zum Konkordatstext wurde die zuvor eingeräumte „exemte“, das der in allen militärischen Fragen heißt von den deutschen Bischöfen unabhängige kirchliche Organisation ohne Kenntnisse war. Seine zentrale der Armeeseelsorge, gleich unter Aspekten der geplanten, friedensver- Vorgabe war die Sicherung des tragswidrigen „allgemeinen Heeresvergrößerung“ ausgeweitet. Mit dem Reichskonkordats von 1933, dessen Erlass zugehöriger Päpstlicher Statuten 1935 waren die kirchlichen Weitergeltung definitiv dann erst Rechtsgrundlagen der Heeresseelsorge vollendet. Der frisch ernannte durch Urteil des Verfassungsge- Standortpfarrer Berlin und spätere Feldgeneralvikar Georg Werthmann richts im Jahr 1957 bestätigt wurde. benannte im selben Jahr die zentralen Inhalte des katholischen Soldaten- Zu dem Zeitpunkt war die neue Mi- ethos in seiner kleinen Schrift „Wir wollen dienen“: Führer und Reich – mit litärseelsorge bereits längst etab- besonderem katholischem Opfermut – versteht sich. liert. Was aber ist neu an Als zu Beginn der 50er Jahre im Religion eher etwas für den „gemei- dieser Seelsorge? „Amt Blank“ über eine neue Wehr- nen Mann“ gewesen. Aber auch Po- Zuerst Organisation und Struk- macht nachgedacht wurde, stand die litik spielte eine Rolle. Die Anwe- tur. Der Militärbischof ist nicht mehr Notwendigkeit einer wirksamen Sol- senheit der Kirche in den Streitkräf- „eingebaut“, also als staatlicher Be- datenseelsorge außer Zweifel. Zu- ten bringt „Segen“. Wo die Geist- amter unmittelbar von staatlichen mal die Katastrophe des Russland- lichkeit ist, können die Grundlagen oder militärischen Weisungen ab- krieges hatte gezeigt, dass die Sol- nicht unethisch sein, denkt man hängig. Da nunmehr ein residieren- daten – zumindest sehr viele unter vielfach nach wie vor. Angesichts der Diözesanbischof dieses Amt „in ihnen – den Pfarrer in Uniform nicht des heftigen Streits um die Wieder- Zweitfunktion“ wahrnimmt, ist die missen wollten. Darunter auch hohe bewaffnung war die Adenauer-Re- kirchliche Unabhängigkeit gestärkt und höchste Dienstgrade, ein No- gierung darum bereit, den Wün- und die Einbindung in den Episko- vum in der preußisch-deutschen schen der Kirchen bei der Neuord- pat des Landes gewährleistet, der Militärgeschichte. Denn in monar- nung der Militärseelsorge so weit auch bei der Bestellung des Amts- chischen Zeiten war im Militär die wie möglich entgegenzukommen. inhabers wirksam Einfluss nehmen Seit November 1951 verhandel- kann. Die „Doppelgleisigkeit“ be- te man in vertraulicher Stille. Das ginnt erst mit dem Generalvikar des gilt übrigens auch für die evangeli- Militärbischofs, der mit dem (staatli- sche Kirche, die als Dritter mit am chen) Titel Militärgeneralvikar – als Tisch saß und sich – im Gegensatz staatlicher Beamter – an der Spitze zur öffentlich geäußerten Kritik an der militärbischöflichen Kurie steht, der „Aufrüstung“ – als sehr koope- deren Kern die dem Verteidi- rationsbereit erwies. gungsministerium unmittelbar nach- Wie bei der dann „Bundes- geordnete Bundesoberbehörde „Ka- wehr“ genannten neuen Wehrmacht tholisches Militärbischofsamt“ dar- ging es beim Neubau der Militär- stellt. Der Militärgeneralvikar erfreut sich – der Bischof residiert weitab von Bonn oder jetzt Berlin, von der Papst Pius XII. ernannte Joseph Kardinal Wendel mit Datum vom 4. Februar Welt der Politik und der Streitkräfte 1965 zum "Vicarius Castrensis entfernt – unter solchen Vorgaben ei- Reipublicae Foederalis Germaniae". nes großen Verantwortungsfeldes. (Foto aus : Kath. Militärseelsorge in der Georg Werthmann wird das bewusst Bundeswehr. Ein Neubeginn 1951- gewesen sein. Die nicht zuletzt auf 1957. KMBA (Hrsg.) 1986, S. 58) seine Darstellung zurückgehende Fi-

90 AUFTRAG 261 50 Jahre 50 JAHRE KATH. MILITÄRSEELSORGE xierung auf den Wehrmachtfeld- rer Führung“ als „Staatsbürger in Frieden“ mit seinem unvergessenen bischof Franz Justus Rarkorwski als Uniform“ für die neue deutsche Ar- Leiter Professor Ernst Nagel und die Negativbeispiel eines „hauptamtli- mee in der Demokratie gewollt, „Tage der Besinnung“, zu denen der chen“ Bischofs im Militär hat diesen machte auch eine neue Gestalt von Militärbischof die katholischen Ge- Aspekt der neuen Machtverteilung Militärseelsorge möglich. Der Mann, nerale und Admirale jedes Jahr ein- kaum in Erscheinung treten lassen. der das begriffen hat und umfassend lädt. Der Seele des Soldaten ist nicht Der Kirchlichkeit der Seelsorge gestaltete, war Martin Gritz, General- ohne Sorge um Herz und Verstand zu in der Bundeswehr dient auch die vikar von 1962 bis 1981. Der unge- dienen. Rechtsstellung der Militärgeistli- diente Schlesier, Kirchenhistoriker Die Militärbischöfe – von Joseph chen. Als „Standortpfarrer“ leiten sie und ursprünglich für eine akademi- Wendel über Franz Hengsbach, eine eigene Kleinst-Dienststelle, zu sche Laufbahn vorgesehen, verfügte Elmar Maria Kredel, Johannes Dyba der noch der ihnen unterstellte Pfarr- über klaren, analytischen Verstand, bis Walter Mixa – schlugen die Brü- helfer gehört. Sie sind nicht mehr in einen weiten Blick – und hatte ein cke zur Gesamtkirche. Und die er- militärische Stäbe integriert. Weil Herz für die Soldaten und „seine“ wies sich auch in schwierigen Zeiten nur auf Zeit von Diözese oder – Pfarrer. Er sah die Chance, die vom als sehr belastbar. Bei der „Gemein- immer seltener – Orden für diesen Zweiten Vatikanischen Konzil eröff- samen Synode der Bistümer“ (1971- Dienst freigestellt, entwickeln sie nete Gegenwart der „Kirche in der 1975) wurde der Dienst am Frieden, auch in der Regel nicht Bewusstsein Welt von heute“ in der Pastoral der den Soldaten leisten können, nicht und Gehabe eines berufsmäßigen Militärseelsorge Wirklichkeit wer- zugunsten der im damaligen Zeitgeist Militärklerus. Dass sie zudem – den zu lassen: Dienst des Soldaten dominierenden Kriegsdienstverwei- zumindest in der „alten Bundes- als Dienst am Frieden, „Seelsorge gerung abgewertet. Als wenige Jahre wehr“ vor 1989 – keine Uniform tru- am Arbeitsplatz“ Bundeswehr, Mit- später durch weltweit agierende gen, war dem zivilen Selbstverständ- verantwortung der Laien, Ökumene. „Friedensbewegungen“ der ethische nis zusätzlich förderlich. Und schließ- Die Bildungsreform in den Streitkräf- Kern der Nato- Verteidigungsdoktrin lich, nur selten erwähnt: Da der Mili- ten machte der ehemalige Ober- in Frage gestellt wurde, war eine tärbischof bzw. sein „alter ego“ über pfarrer an der „Schule für Innere wirksame Mitarbeit aus der Militär- zwei Drittel der – in Abweichung Führung“, Martin Gritz, auch für die seelsorge gewünscht und geleistet, vom Reichskonkordat – den katholi- Militärseelsorge fruchtbar. Dort, wo um das Bischofswort „Gerechtigkeit schen Soldaten abverlangten Kir- die Bundeswehr sich selbst geistig schafft Frieden“ (1983) vorzuberei- chensteuern verfügt, hat er gerade für gestaltete und ihren Führernach- ten. Bischofskonferenz und Bundes- Pastorales erhebliche, vom Staat un- wuchs ausbildete, war die Militär- regierung sorgten bei einer gesamt- abhängige Möglichkeiten. Der zahlt seelsorge durch Seelsorger, oft auch kirchlichen Neuordnung der Militär- de facto nur die Hälfte der Kosten durch Dozenten für Theologie und seelsorge dafür, dass der bewährte seiner Militärseelsorge. Ethik präsent – vor allem an den „deutsche“ Weg ihrer Organisation „Die Kirche kommt zu Ihnen!“ Offizierschulen, den Akademien und und Praxis seinen Platz im Gesamt Der Titel des Werbefilms der An- den bundeswehreigenen Universitä- der Weltkirche behalten konnte. Und fangszeit zeigt das damals auch in ten. - ein kleines Wunder – die katholi- der Soldatenseelsorge klerikal domi- Der Lebenskundliche Unter- sche Weite, gewährleistet durch das nierte Kirchenverständnis. Mit richt, das zweite Standbein für den bischöfliche Amt, machte nach der Werthmann, der wieder sein früheres Seelsorger in der Truppe, verlor Wiedervereinigung der deutschen Amt als Generalvikar eingenommen durch diese Ausrichtung den letzten Staaten nahezu bruchlos den Aufbau hatte, kamen von Anfang an nicht nur Hauch der früheren „Kasernen- einer Seelsorge unter und mit Solda- ehemalige Feldgeistliche, sondern stunden“. Für Gritz und seinen aus ten auch in den neuen Bundeslän- auch Jugend- und Männerseelsorger dem Aachener Bistum stammenden, dern möglich. in die Bundeswehr. Ihr bewusst zivi- durch und durch „zivilen“ Nachfol- Symbolisch vielleicht: zwei in die- les Outfit gab dieser Seelsorge von ger Ernst Niermann (1981-1995) war ser Wende-Zeit unternommene Ver- Anfang an ein neues Gesicht: Kirche es eine ausgemachte Sache, dass suche, die pastoralen Ziele der Mili- unter den Soldaten. Eben auch mit eine Militärseelsorge sich auch an tärseelsorge neu zu formulieren und ihnen. Zumal die nicht wenigen jun- die Bundeswehr als ganze wenden zeitgerechte Konzepte für ihre „Stra- gen Offiziere, die aus Mitglieds- musste. Soldatenseelsorge am Ein- tegien“ zu erarbeiten, führten nicht verbänden der katholischen Jugend zelnen, zumal in Not- und Ausnah- zum Erfolg. Dasselbe wurde dann, kamen, engagierten sich im König- mesituationen, ist wichtig, ja zentral. nach einer höchst turbulenten Verle- steiner Offizierkreis und später in Aber nicht losgelöst vom öffentlichen gung der militärbischöflichen Kurie der Gemeinschaft Katholischer Sol- Gottesdienst, von der Verkündigung von Bonn nach Berlin im Jahre 2001, daten (GKS), der sich dann auch Un- und der geistig-geistlichen Beglei- mit Hilfe einer Unternehmensbera- teroffiziere anschlossen. Die Laien- tung hoher Verantwortungsträger. tung in Angriff genommen. Doch wie bewegung war in den Streitkräften Dafür stehen die alljährlichen Feiern kann das gelingen in einer Bundes- angekommen. des Weltfriedenstags, zu denen zahl- wehr im Prozess der Transformation? Das setzt uneingeschränkte Ver- reiche Diözesanbischöfe „ihre“ Sol- Aufträge, Organisation, Ausbil- einigungsfreiheit auch für Soldaten daten einladen, die Gründung des dung und personelle Zusammenset- voraus. Der Soldat als Bürger – nicht kürzlich in Hamburgs Zentrum ver- zung der Bundeswehr haben sich umgekehrt – wie im Konzept „Inne- legten „Instituts für Theologie und zwischenzeitlich grundlegend verän-

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dert. Der Katholikenanteil liegt unter gegenwärtige Militärgeneralvikar Vormacht bei „Enduring Freedom“ 30 Prozent. Beide Kirchen zusam- Walter Wakenhut hat gerade darüber wurde nicht wiederholt. men drohen in eine Minderheiten- in den vergangenen Monaten in un- Schon während der Kosovo-Krise position zu geraten. Im öffentlichen gewohnter Deutlichkeit öffentlich wahrten Militärbischof Dyba und Bewusstsein, nicht zuletzt in der mehrfach Klage geführt. Bischofskonferenz ein beredtes Bundeswehr, geistert seit den Terror- Schweigen. Freimütig vorgebrachte anschlägen vom 11. September 2001 Wozu Militärseelsorge, politische Konzepte vom Umgang mit zunehmend die Vorstellung umher, wohin Militärseelsorge? Einsatzoptionen atomarer Waffen Religion überhaupt, ihr „natürlicher Diese Fragen stellen sich – seit blieben bisher kirchlich unkommen- Fundamentalismus“, sei eher Frie- Jahren – in neuer Weise. Der Rück- tiert. Die Liste ließe sich fortsetzen. dens gefährdend denn Dialog ermög- zug auf eine reine Soldatenseelsorge Ohne klare Positionen der Gesamt- lichend. Und auch bei der katholi- böte sich als Ausweg an; die evange- kirche wird auch die Militärseelsorge schen Minderheit wird das religiöse lischen Kirchen gehen, selbst per selbst in friedensethischen Kernfra- Grundwasser immer flacher. Ein Tat- Nomenklatur, auf diesem Weg voran. gen stumm bleiben. bestand, der militärischen Führern Auch der demokratische Staat hat of- 50 Jahre Katholische Militär- aller Ebenen nicht verborgen bleibt. fensichtlich politische Erwartungen seelsorge. Ein Grund zur Dankbar- Wen wundert es da, wenn einzig die an die Inhalte militärseelsorglicher keit? Ja. Ein Anlass zum Feiern? notwendige Anwesenheit des Pfar- Verkündigung und Seelsorgearbeit. Auch ja. Was aber über diese Daten rers im Auslandseinsatz unbestritten Bischof Walter Mixa könnte dazu hinaus bleibt, sind die zentralen Fra- ist. Was an militärseelsorglichem wohl einiges sagen. Seine vor Jahren gen und Aufgaben, denen sich diese Aufwand darüber hinausgeht, wird geäußerte, ethisch begründete Kritik Seelsorge stellen muss. Wie gestern immer begründungsbedürftiger. Der an der Kriegführung der westlichen und vorgestern. ❏

GEFUNDEN AUF DER WEBSITE >www.bundeswehr.de<: Kirche unter Soldaten – Katholische Militärseelsorge 1956 bis 2006

Beim Festgottesdienst Freiheit, Demokratie und Glaube Prominenz in der Das Konzept einer Militärseel- ersten Reihe:(v.l.) sorge wurde mit dem Aufbau der BMin Dr. Franz Josef Bundeswehr entwickelt. Ausgangs- Jung, Evang. Militär- punkt war der Wunsch nach einer in bischof Peter Krug, die demokratische Gesellschaft ein- Generalinspekteur gebettete Armee. Dem entsprach die Wolfgang Schnei- Philosophie der Inneren Führung mit derhahn, MinDir Alice Greyer-Wieninger, dem Leitbild des Bürgers in Uniform. Präsident des Zdk Dieser sollte die gleichen Grund- Prof. Dr. Hans rechte wie der zivile Bürger haben; Joachim Meyer. damit auch jenes auf Religionsfrei- heit und Ausübung des Glaubens. Am 26. Juli 1957 wird das Gesetz für die Militärseelsorge beschlossen. „Die Militärseelsorge als Teil der ie Katholische Militärseelsor- er. „Die Entscheidung war richtig.“ kirchlichen Arbeit wird im Auftrag ge feiert in diesem Jahr ihr Im Rückblick und auch mit Blick in und unter Aufsicht der Kirche ausge- D50. Jubiläum. Militärbischof die Zukunft. Bis heute laute der übt“, heißt es darin. In der entspre- Dr. Walter Mixa, Bischof von Augs- Grundsatz: Wir gehen mit unseren chenden Zentralen Dienstvorschrift burg, hat dazu zum Pontifikalgottes- Soldaten mit. für die Truppe wird dazu erläutert: dienst in die Sankt Johannes-Basili- Die vergangenen 50 Jahre waren „Die Militärseelsorge ist der von den ka in Berlin-Kreuzberg geladen und auch für die Seelsorger eine bewegte Kirchen geleistete, vom Staat ge- anschließend zum Festakt in die Ka- und bewegende Zeit. Am 4. Februar wünschte und unterstützte Beitrag zur tholische Akademie zu Berlin. 1956 wird der Erzbischof von Mün- Sicherung der freien religiösen Betäti- „Die Entstehung der Militärseel- chen und Freising, Joseph Kardinal gung in den Streitkräften.“ Die Mili- sorge war ein schwieriger Prozess“, Wendel, per päpstlichem Dekret, tärseelsorge bleibt damit Sache der sagt Militärbischof Mixa in seiner zum ersten katholischen Militär- Kirche und ist nicht in den militäri- Predigt zum Pontifikalgottesdienst. bischof ernannt. Acht Monate zuvor schen Apparat eingebunden. Schon die Gründung der Bundes- war der erste Bundesminister der wehr sei ja umstritten gewesen. Verteidigung, , verei- Nähe und Betreuung „Muss sich die Kirche da nun auch digt und nur einen Monat vorher wa- Das Konzept also stand. Aber wie noch einmischen?“, hätten sich viele ren die ersten freiwilligen Soldaten gestaltete man eine neue Militärseel- damals gefragt. „Ja, sie musste“, sagt einberufen worden. sorge in einer neuen Armee? Militär-

92 AUFTRAG 261 50 Jahre 50 JAHRE KATH. MILITÄRSEELSORGE bischof Bischof Wendel suchte von ger eine wichtige moralische Stütze. in die Zukunft. „Jubiläen haben ein Beginn an den Kontakt zu den Solda- Sie leisteten in den Einsatzgebieten doppeltes Gesicht“, sagt Militär- ten und ihren Vorgesetzten. Besuche einen unschätzbaren Dienst, der bischof Mixa. „Sie lenken den Blick bei Truppenteilen und Dienststellen auch für sie selbst nicht immer leicht in die Vergangenheit und schauen gehörten schnell zum festen Bestand- ist. „Das habe ich selbst in vielen Ge- voraus auf die Herausforderungen teil der seelsorgerischen Betreuung – sprächen vor Ort erfahren“, sagte er. der Zukunft“. Allem Wandel zum und sie sind es bis heute. Trotz habe sich am Grundsatz der Etwa 100 Militärgeistliche sind Kontinuität im Wandel Militärseelsorge nichts geändert: derzeit haupt- oder nebenamtlich für Zu ihrer Jubiläumsfeier richtet „Sie war und ist stets ‚Kirche unter die Seelsorge der Soldaten und ihrer die Militärseelsorge den Blick auch den Soldaten’“. ❏ Familien im Einsatz. Unterstützt werden sie von Pastoralreferenten und Pfarrhelfern. Ergänzt werden ihre Dienste durch die Laienorgani- sation der Gemeinschaft Katholi- scher Soldaten (GKS) und die Katho- lische Arbeitsgemeinschaft für Sol- datenbetreuung e. V. (KAS). Sie ist im Auftrag der Katholischen Militär- seelsorge zuständig für die Betreu- ung der Soldaten in ihrer Freizeit; Auch die Ziel- auch in den Einsatzländern. gruppe der Die Militärseelsorge versteht Militärseelsor- ge – Soldaten sich als „Kirche unter den Soldaten“. – waren zahl- Dieses Selbstverständnis ist in den reich zum Got- päpstlichen Statuten und im Militär- tesdienst ge- seelsorgevertrag zu Grunde gelegt. kommen. „Die Militärseelsorge ist ihrem Auf- trag, den Soldaten nahe zu sein, in all den Jahren treu geblieben“, sagt Militärbischof Mixa. Minister Jung gegen Votum der Bischöfe zur Inneren Führung Halt und Orientierung erteidigungsminister Dr. Franz multinationalen Einsätzen nicht rela- Dabei haben sich die Vorausset- Josef Jung (CDU) hat sich ge- tiviert werden. zungen inzwischen enorm geändert. Vgen Überlegungen der katholi- Neben der Wiedervereinigung schen Bischöfe gewandt, Grundzüge „Sinnvoll und gut“ Deutschlands haben auch die politi- der so genannten Inneren Führung Jung nannte die Militärseelsorge schen Veränderungen weltweit die gesetzlich festzuschreiben. Jung plä- eine sinnvolle Einrichtung für die Aufgaben und das Einsatzgebiet der dierte am 2. Februar in einem Inter- Bundeswehr. Er habe bei seinen Be- Bundeswehr neu definiert. Heute view der Katholischen Nachrichten- suchen an Auslandsstandorten ge- sind die Streitkräfte eine Armee in Agentur (KNA) dafür, sich stets neu spürt, welche wichtige Rolle Seelsor- Einsatz. In multinationalen Verbän- auf die Grundsätze der Inneren Füh- ger für Soldaten in schwierigen per- den leisten sie ihren Dienst in vielen rung zu verständigen. Zugleich lobte sönlichen Situationen spielten. Sie Krisenherden weltweit. Und überall der Minister nachdrücklich die seit wendeten sich nicht zuerst an die dort sind auch die Militärseelsorger 50 Jahren existierende Militärseel- Psychologen, sondern an die Geistli- und stehen den Soldatinnen und Sol- sorge in der Bundeswehr. Sie sei „ein chen. Zum Teil komme es bei Solda- daten zur Seite. sehr positiver Dienst“ und werde in ten im Auslandseinsatz sogar zu ei- Die Auslandseinsätze stellen die jüngerer Zeit stärker nachgefragt. ner neuen Hinwendung zum Religiö- Militärseelsorger vor neue Anforde- Die Bischofskonferenz hatte sich sen. Die Militärseelsorger hätten grö- rungen. Die Soldatinnen und Solda- im Herbst in einer Erklärung zur ßere Verantwortung, weil die Solda- ten brauchen mehr denn je ethische „Stellung und Aufgabe der Bundes- ten auch vor größeren Herausforde- Grundsätze, soziale Betreuung und wehr“ geäußert (siehe dazu S. 58 ff.). rungen stünden. geistlichen Beistand. „Die Einsätze Nun sagte der katholische Militär- Jung lehnte es ab, dass Geistli- verlangen nicht nur ein ethisch reflek- bischof Walter Mixa ebenfalls in ei- che bei Einsätzen in Krisengebieten tiertes Selbstverständnis, sondern nem KNA-Interview, zu prüfen sei, wie Afghanistan zu ihrem Schutz auch ein hohes Maß an moralischer „ob die Grundsätze der Inneren Füh- selbst Waffen tragen. „Das wäre das Urteilsfähigkeit im konkreten Tun“, rung nicht durch die Verankerung in falsche Signal“, mahnte er. Wer die- sagte Verteidigungsminister Dr. Franz einem Bundesgesetz gestärkt werden se Aufgabe glaubwürdig für die Josef Jung in seinem Grußwort zum könnten“. Die Innere Führung müsse christliche Botschaft und für Versöh- Festakt. immer auf einem gewissen Standard nung eintrete, sollte geschützt sein Der Verteidigungsminister a.D., stehen und dürfe auch durch Aus- und nicht selbst eine Waffe tragen. Dr. Peter Struck, nannte die Seelsor- landseinsätze und die Beteiligung an (KNA)

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BUCHVORSTELLUNG: 50 Jahre Katholische Militärseelsorge in der Deutschen Bundeswehr 1956 – 2006 nlässlich des 50-jährigen Bestehens der Katholischen Militär- seelsorge hat das Militärbischofsamt Berlin eine Festschrift her- ausgegeben. Militärseelsorge im Wandel ist das zentrale Thema. 30 Autoren beleuchten das Wirken der Militärseelsorger aus un- terschiedlichstenA Perspektiven. Sie veranschaulichen damit zugleich deren vielfältige Aufgaben. Zeitzeugen, zivile und militärische Begleiter, Wissen- schaftler und Theologen setzen sich mit der Geschichte und Entwicklung der Katholischen Militärseelsorge auseinander und beschreiben deren Grundlagen, Aufgaben und Herausforderungen. Katholisches Militärbischofsamt Berlin (Hrsg.): „Kirche unter Soldaten – 50 Jahre Katholische Militärseelsorge in der Deutschen Bundeswehr 1956 - 2006“; Verlag F.W. Cordier Heiligenstadt, 2006, 655 S. ie vorliegende Festschrift be- Soldaten und ihrer Familien. An die- am 23.11.1989. Bezugnehmend auf trachtet die Entwicklung der sem Tag wurde Joseph Kardinal das 50. Jubiläum der Katholischen DMilitärseelsorge von ihren Wendel, Erzbischof von München Militärseelsorge in Deutschland wies Anfängen in der Bundeswehr – als und Freising zum ersten Militär- der Kardinal darauf hin, dass vor 20 reine Verteidigungsarmee zur Zeit bischof für die Bundeswehr ernannt. Jahren am 21.04.1986 Papst Johan- des Kalten Krieges – bis heute als Vieles sei seitdem dem Wandel un- nes Paul II. die Apostolische Konsti- Armee im weltweiten Einsatz zur terworfen im gesellschaftlichen und tution „Spirituale Militum Curae“ Erzwingung und Stabilisierung des kirchlichen Leben sowie in den unterzeichnet habe. In diesem für die Friedens, Landesverteidigung sowie Strukturen und Aufgaben der Bun- Katholische Militärseelsorge grund- zur Katastrophenhilfe. Dabei wird deswehr. Die Militärseelsorger, die legenden Dokument heißt es, die von dem Neuansatz der Militärseel- Mitarbeiter und -innen in der Mili- Pastoralkonstitution „Gaudium et sorge in den 50er Jahren gegenüber tärseelsorge, nicht zuletzt aber die spes“ (n. 79) aufnehmend : „Diejeni- der praktizierten in den früheren engagierten Laien hätten stets im In- gen, die Militärdienst leisten, (müs- deutschen Armeen ausgegangen. Sie wie im Ausland die „Kirche unter sen sich) als Diener der Sicherheit sieht sich nicht als Militär-Seelsorge den Soldaten“ lebendig werden las- und Freiheit der Völker betrachten, sondern als Seelsorge der Kirche für sen. Diese 50 Jahre bewährte Praxis denn indem sie diese Aufgabe recht die Soldaten – unabhängig vom bilde einen soliden Grundpfeiler zur erfüllen, tragen sie wahrhaft zur Fes- Glauben – und ihre Familien. Diese Bewältigung der zukünftigen Aufga- tigung des Friedens bei.“ begleitende Seelsorge wirkt am Ar- ben, schreibt Dr. Mixa. beitsplatz Bundeswehr im Schnitt- Der Vorsitzende der Deutschen punkt vom kirchlichen Sendungsauf- Giovannni Battista Kardinal Re, Bischofskonferenz, Karl Kardinal trag und dem staatlichen Verfassungs- Präfekt der Kongregation für die Bi- Lehmann, weist darauf hin, dass die- gebot (GG Art. 4, „Glaubens- und schöfe, erklärt in seinem Grußwort se Festschrift zu 50 Jahren Militär- Bekenntnisfreiheit“). zum 50. Jahrestag, im Einvernehmen seelsorge in der Bundeswehr an das Dabei werden die staats-kirchen- mit den zuständigen Stellen sei eine Ringen um eine neue Gestalt der Ar- rechtlichen Grundlagen für die Mili- Katholische Militärseelsorge aufge- mee und um die sittlichen Grundla- tärseelsorge dargestellt. Die Seelsor- baut worden, die im kirchlichen Auf- gen soldatischen Selbstverständnis- ge unter Soldaten in ihrer 50-jähri- trag ausgeübt werde und im seelsorg- ses nach den Verheerungen des Nati- gen Kontinuität und ihrem Wandel lichen Bereich unabhängig von staat- onalsozialismus erinnere. Mit dem wird in vielen Beiträgen über ihre licher Weisung im Dienst der Solda- staats-kirchenrechtlichen Rahmen Konzeption, Bedeutung und Wirk- ten, der in die Streitkräfte integrier- werde allen Versuchen und Versu- samkeit geschildert. ten Zivilsten und ihrer Familien ste- chungen, die Kirche für den Staat in he. Die ersten Statuten für die Seel- Dienst zu nehmen, wirksam begeg- In seinem Geleitwort nennt der sorge in der Deutschen Bundeswehr net. Schon in der Zentralen Dienst- Bischof von Augsburg und Katholi- habe Papst Paul VI. am 31.07.1965 vorschrift des Bundesverteidigungs- scher Militärbischof für die Deutsche gebilligt und erlassen. Die jetzt gülti- ministeriums vom 28.08.1956 seien Bundeswehr, Dr. Walter Mixa, den 4. gen Statuten billigte und erließ Papst die bis heute gültigen Basisaussagen Februar 1956 als offiziellen Geburts- Johannes Paul II. mit dem Apostoli- beschrieben. Auch die theologischen tag für die Seelsorge katholischer schen Breve „Moventibus quidem“ und pastoralen Fundamente der Mi-

94 AUFTRAG 261 50 Jahre 50 JAHRE KATH. MILITÄRSEELSORGE litärseelsorge seit 1956 hätten sich gekommen, was für die Militärseel- einen Bildteil von 1956– 2005, eine weiterentwickelt vor allem durch die sorge zu einer Herausforderung wur- Chronologie mit Übersichten der Ka- friedensethischen und pastoralen de. Das gewandelte Aufgabenspek- tholischen Militärseelsorge seit 1949 Wegweisungen des Zweiten Vatika- trum der Bundeswehr mit den Aus- – der Teilung Deutschlands in die nischen Konzils mit den Folge- landseinsätzen verbunden mit langen Bundesrepublik Deutschland und dokumenten und den davon ausge- Trennungszeiten für die Soldaten- die Deutsche Demokratische Repu- henden Impulsen für die Seelsorge in familien hätten die Nachfrage nach blik – einem Autoren- und Bild- den Streitkräften. „Nicht zuletzt seelsorglicher Begleitung weiter stei- verzeichnis. Bei der Chronologie durch den Lebenskundlichen Unter- gen lassen, auch bei den Konfessi- wird in den Übersichten allerdings richt tragen die Seelsorger dazu bei, onslosen. Die Militärseelsorger der zumindest eine Aufstellung der dass das Konzept der Inneren Füh- beiden großen christlichen Kirchen Militärdekane wenn nicht schon eine rung mit seinen zentralen Maßstä- pflegten in vielen Fällen ein freund- Gesamtliste über die Militärgeistli- ben für die Entwicklung der Streit- schaftliches Verhältnis miteinander chen vermisst, da diese Festschrift kräfte in der Bundesrepublik verbunden mit engen Absprachen praktisch auch ein Nachschlagewerk Deutschland bis heute vital geblie- und Vertretungsregelungen ange- über die Katholische Militärseelsor- ben ist“, betont Kardinal Lehmann. sichts der Vielzahl der Aufgaben und ge sowohl von den behandelten The- Der demokratische Staat setze aus- der weiten Entfernungen in den men als auch vom Umfang darstellt. drücklich auf Soldaten, die sich in Seelsorgebezirken. „Das Bemühen Leider fehlt auch ein Stichwort- ihrem Handeln vom eigenen Gewis- der Pfarrer um gute Zusammenarbeit verzeichnis, was bei diesem Werk- sen bestimmen lassen. Und im Hin- in Gottesdienst, Seelsorge und umfang nötig ist. Die reichhaltigen blick auf die durch die veränderte Lebenskundlichem Unterricht stärkt Quellenhinweise befinden sich weltpolitische Lage gestellten neuen das Vertrauen der Soldaten in den jeweils auf der entsprechenden Seite, Herausforderungen für die Bundes- Dienst der Kirchen“, bilanziert der so dass ein ständiges Hin- und Her- wehr fragt Lehmann u.a.: „Wie kön- Evangelische Militärbischof. blättern vermieden wird. nen die Angehörigen der Bundes- wehr unter den Bedingungen militä- Das Grußwort des Bundesminis- Der erste Abschnitt behandelt rischer Einsätze im Ausland ange- ters der Verteidigung stammt noch die GRUNDLAGEN UND ENTWICKLUNG. Er messen seelsorglich betreut wer- von Dr. Peter Struck, dem heutigen beginnt mit dem Wandel der Militär- den?“ Viele der Fragen könnten Vorsitzenden der SPD-Bundestags- seelsorge aus kirchlicher Sicht und noch nicht abschließend beantwortet fraktion. Seit 50 Jahren sei die Ka- den auf sicherheitspolitischen, recht- werden. Die Erfahrungen der letzten tholische Militärseelsorge den Solda- lichen und gesellschaftlichen Ent- 50 Jahre ergäben jedoch einen ver- ten in der Bundeswehr eine Stütze im wicklungen beruhenden Verände- lässlichen Kompass, um Wege ver- Dienst. Auf Dauer könne dabei nur rungen einschließlich des interreligi- antwortungsvollen pastoralen Han- bestehen, wer sich an sittliche Werte ösen Dialogs in den Streitkräften. delns unter veränderten Bedingun- gebunden fühle. Der christliche Das nächste Kapitel – unter dem Ti- gen zu finden. Die Kirche werde ih- Glaube gebe hier Halt und Ordnung. tel im Dienst von Wahrheit und ren Beitrag leisten, damit dies ge- In den Einsatzgebieten würden unse- Nächstenliebe – beschäftigt sich mit linge, schloss der Vorsitzende der re Soldaten mit den Folgen kriegeri- Joseph Kardinal Wendel, dem Be- Deutschen Bischofskonferenz seine scher Auseinandersetzungen und mit gründer der Militärseelsorge und Grußworte. konkreten Gefahrensituationen für erstem Katholischen Militärbischof Leib und Leben konfrontiert. Dabei der Deutschen Bundeswehr. Dem Der Evangelische Militärbischof, tauchten neue Fragen auf, für deren schließt sich ein Beitrag zur Traditi- Bischof Peter Krug, gratulierte in sei- Beantwortung die Militärgeistlichen on und zum Neuanfang der Militär- nem Beitrag der katholischen Mili- gesuchte Gesprächspartner seien als seelsorge im Wirken ihres ersten tärseelsorge zu ihrem 50-jährigen Anker des Vertrauens und der inne- Militärgeneralvikars Georg Werth- Bestehen und stellte fest, die Ver- ren Orientierung. Sie hülfen vor Ort mann an, der mit ein Wegbereiter der handlungen zwischen Kirche und und zu Hause bei der Bewältigung Katholischen Militärseelsorge war. Staat begründeten eine vom Staat or- persönlicher und seelischer Belas- Es folgt der Abschlussbericht eines ganisatorisch und finanziell getrage- tungen. Außerdem sei die Militär- Befragungsobjekts aus Mitte der 90er ne Seelsorge. Ihre Inhalte würden seelsorge maßgeblich bei der Betreu- Jahre über mündliche Erfahrungs- aber allein kirchlich verantwortet ung der Familienangehörigen in berichte zur Katholischen Militär- werden. Die Militärseelsorge sei von Deutschland beteiligt. „Die seelsorg- seelsorge in den Anfängen der Bun- den Soldaten schnell akzeptiert wor- liche Betreuung ist ein Wesensmerk- deswehr. Ergänzt wird dies durch ei- den und habe sich im Alltag bewährt. mal für eine Armee in der Demokra- nen Beitrag über die Tätigkeit der Seit der Wiedervereinigung Deutsch- tie und für das Selbstverständnis des Katholischen Militärbischöfe zur Zeit lands habe sich die Bundeswehr ver- Staatsbürgers in Uniform“, unter- der großen sicherheitspolitischen ändert. Sei vorher die überwiegende strich Dr. Struck. und gesellschaftlichen Veränderun- Mehrzahl der Soldaten als Katholi- gen in der Zeit von 1989–2002. ken oder Protestanten konfessionell Der eigentliche Inhalt des um- Zwei weitere Kapitel befassen gebunden gewesen, so seien nun- fangreichen Sammelbandes gliedert sich mit der Geschichte der österrei- mehr als dritte nahezu gleichstarke sich in sieben Abschnitte ergänzt chischen Militärseelsorge in der Gruppe die Konfessionslosen hinzu- durch ein Abkürzungsverzeichnis, Zweiten Republik sowie mit der

AUFTRAG 261 95 50 KIRCHEJahre UNTER SOLDATEN

evangelischen Militärseelsorge in der Bundeswehr) und die Internatio- und NVA – Kirche in Deutschland Deutschland, die mit einem ge- nale Soldatenwallfahrt nach Lourdes. und Kath. Militärseelsorge – GKS schichtlichen Überblick beginnt. Aber auch die Kindergärten der Ka- nebeneinander gestellt. In dieser Zu- tholischen Militärseelsorge, die Ent- sammenschau, die das Zusammen- Der zweite Abschnitt geht auf wicklung eines kirchlichen Berufs- wachsen Deutschlands nachzeich- das STAATSKIRCHENRECHT ein. Im ers- bildes – die Pastoralreferenten und net, werden die Aktivitäten der GKS ten Kapitel werden dabei die rechtli- Pastoralreferentinnen in der Katholi- und ihre Synchronisierung mit der chen Grundlagen der Militärseelsor- schen Militärseelsorge – sowie die Militärseelsorge besonders deutlich. ge betrachtet, u.a. eine der Grundla- katholischen Soldatengesangbücher gen, das Reichskonkordat vom der Deutschen Bundeswehr im Der letzte Abschnitt dieser Fest- 20.07.1933 zwischen der deutschen Spannungsfeld von Religion und Po- schrift konzentriert sich auf die AUS- Reichsregierung und dem Hl. Stuhl. litik kommen zur Sprache. Außerdem LANDSSEELSORGE UND DIE INTERNATIONA- Das Konkordat hat nach dem Urteil werden fünf Jahrzehnte Unterstüt- LE ZUSAMMENARBEIT. Zunächst wird des Bundesverfassungsgerichts vom zung der Militärseelsorge durch die über die erfolgreiche Auslandseel- 26.03.1957 weiterhin Bestand, da es Katholische Arbeitsgemeinschaft für sorge mit Beispielen in den USA aus gültig zustande gekommen war und Soldatenbetreuung e.V. (KAS) und Laiensicht berichtet. Daran schlie- durch den Zusammenbruch der nati- die Finanzverwaltung des Katholi- ßen sich Ausführungen an, die die onalsozialistischen Gewaltherrschaft schen Militärbischofs unter die Lupe Entwicklung der internationalen Zu- seine Geltung nicht verloren hatte. genommen. sammenarbeit in der Militärseelsorge Damit war auch die neue Militärseel- aus kirchlichem Blickwinkel darstel- sorge vertragskirchenrechtlich abge- Im nächsten Abschnitt wird der len. Dabei wird unterschieden zwi- sichert. Das folgende Kapitel ver- LEBENSKUNDLICHE UNTERRICHT, seine schen den Aktivitäten vor und nach weist auf die völkerrechtlichen Son- Entwicklung seit 1956 und seine dem Zusammenbruch des Ostblocks. derbestimmungen zum Schutz des praktische Durchführung auch an Und das letzte Thema dieses Sam- Seelsorgepersonals in den Streitkräf- Ausbildungseinrichtungen der Deut- melbandes von Beiträgen zu 50 Jah- ten und erläutert dann einige Aspek- schen Bundeswehr an Beispielen er- ren Katholische Militärseelsorge in te dazu nach dem humanitären Völ- läutert. Ein weiterer Beitrag widmet der Deutschen Bundeswehr geht auf kerrecht. In einem weiteren Beitrag sich dem sozialistischen Schulwissen die von Laien organisierte internatio- wird das rechtliche und politische über Glaube und Kirche in Erzähl- nale Zusammenarbeit katholischer Ringen um die Verlegung der Kurie traditionen als Begleiterscheinung Soldaten für den Frieden im Aposto- des Deutschen Militärbischofs von des Lebenskundlichen Unterrichts in lat Militaire International (AMI) ein. Bonn nach Berlin behandelt. Bereichen der Neuen Bundesländer, Das ist ein internationaler katholi- Im ETHIK-Abschnitt wird zu- wobei sich diese selbst bei solchen scher Verband, in dem Organisatio- nächst aus Sicht von Pax Christi Soldaten noch auswirken, die nur nen und Vertreter aus über 40 mitar- Deutschland die Problematik von noch beschränkt DDR-Schulen be- beitenden und befreundeten Ländern Militärseelsorge – Soldatenseelsorge sucht haben. in Europa, Nord- und Südamerika, – Friedensdienst angesprochen. Da- Afrika und Asien mit einer bestehen- nach folgen Aussagen über die frie- Der Abschnitt LAIENAPOSTOLAT den katholischen Militärseelsorge densethische Debatte im deutschen befasst sich mit dem Werden und zusammengeschlossen sind. Katholizismus seit dem Ende des II. Wirken der Gemeinschaft Katholi- Weltkrieges. Ein Artikel über die In- scher Soldaten (GKS) als Laien- Abschließend wird festgestellt, nere Führung als Ethik für die Bun- organisation und kirchlichem Ver- dass das vorliegende Werk das Rin- deswehr mit ihrer Entwicklung und band innerhalb des Jurisdiktions- gen der Katholischen Militärseelsor- Bedeutung für die Zukunft schließt bereichs des Katholischen Militär- ge – sei es in den Anfängen, in den sich an. Im Beitrag Militärseelsorge bischofs. Die GKS sieht sich als Lob- vergangenen 50 Jahren oder in der und Katholische Jugendverbände by für den Frieden, was sie immer Zukunft – um die Vermittlung der wird auf Stellungnahmen des Bundes wieder durch ihre – auch kritischen christlichen und friedensethischen der Deutschen Katholischen Jugend – Veröffentlichungen zu friedens- Werte zur Gewissensbildung bei den (BDKJ) zu Fragen der Wieder- ethischen und sicherheitspolitischen Angehörigen der Bundeswehr gut wi- bewaffnung und Soldatenbetreuung Themen beweist. Ein weiterer Artikel derspiegelt. Gleichzeitig bildet es für eingegangen. dazu kommt zu dem Schluss, dass alle Interessierten aufgrund der zahl- sich der – sicher nur bescheidene – reichen Beiträge eine umfassende Der Abschnitt EINZELFRAGEN DER Einsatz der GKS für die Deutsche Zusammenschau der Katholischen PASTORAL thematisiert die Pastoral Einheit und ihr Engagement in der Militärseelsorge in der Bundeswehr, der Katholischen Militärseelsorge in „Armee der Einheit“ aus ihrer Sicht die von der Gliederung und Sprache den Umbrüchen von Kirche und Ge- gelohnt hat. In einer Synopse werden gut zu lesen ist. Man kann die Fest- sellschaft, die Militärseelsorge in Af- einige Ereignisse der Jahre 1989 bis schrift – die zudem für einen akzep- ghanistan, die Seelsorge an der 1993 nach den Bereichen Politik/ tablen Preis im Buchhadel zu bezie- „kleinen UNO“ (Führungsakademie Staat/Gesellschaft – Bundeswehr hen ist – nur weiter empfehlen. (bt)

96 AUFTRAG 261 50 Jahre GKS-ERKLÄRUNG 50 JAHRE MILITÄRSEELSORGE

ERKLÄRUNG DER GKS AUS ANLASS 50 Jahre Militärseelsorge Die Gemeinschaft Katholischer Soldaten im Spannungsfeld gewandelter Aufträge der Bundeswehr

ie Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) ist ein katholi- mitbestimmt, was wir – als Volk und scher Verband, der sich besonders der Sicherung und der als Staat – sind bzw. werden wollen.“ Förderung des Friedens verpflichtet weiß. Seine Mitglieder Vertrauensleute aus allen Wehr- D bereichen trafen sich nach Vorarbei- orientieren sich an christlichen Idealen und binden sich an sittliche ten in ihren jeweiligen Bereichen zu Normen, wie sie die katholische Soziallehre und die kirchliche einer Konferenz im Mai 1960. Dabei Friedensethik entwickelt haben. wurde Einvernehmen darüber erzielt, In der GKS treffen sich Soldaten, die gemeinsam ihren Glauben le- dass kein Verein gegründet werden ben wollen, füreinander einstehen, ihre Verantwortung als Christen sollte. Es sollten sich vielmehr Kern- in der Bundeswehr wahrnehmen und diese im soldatischen Alltag kreise in den Standorten bilden, die umsetzen. Sie sehen in den Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit – über Bezirksgruppen – Anschluss und Solidarität die Voraussetzung für Frieden, national und global. an andere katholische Vereinigungen suchen sollten. In den Wehrberei- Sie stehen für Völkerrecht und Menschenwürde. chen sollte bis Ende 1960 jeweils ein Die GKS leistet einen wesentlichen Beitrag im Rahmen der Militär- Seminar stattfinden; für die Bundes- seelsorge. Das erfolgreiche Wirken der GKS wäre nicht möglich ebene erwog man jährlich zwei „Kö- gewesen ohne die Begleitung der Militärseelsorger und die umfas- nigsteiner Wochen“. sende Unterstützung durch die Militärbischöfe. Ihnen gilt unser be- Bei der zweiten Akademietagung sonderer Dank. im März 1961 in Königstein wurde der „Königsteiner Kreis katholischer I. Entstehung der Gemeinschaft Katholischer Soldaten Offiziere“ gegründet, „als Gemein- schaft gleichgerichteten Wollens und ereits in den ersten Monaten des Feste Strukturen gab es jedoch noch Handelns“, wie der spätere Oberst BJahres 1956 kam es zu Gesprä- nicht. i.G. und erste Sprecher des KOK, Dr. chen katholischer Offiziere über die An der Schule der Bundeswehr Helmut Korn, vermerkte. Es wurden Frage, wie der Geist der neuen Trup- für Innere Führung in Koblenz wur- Grundsätze beschlossen, die am Ende pe so beeinflusst werden könnte, den Vorstellungen zur Errichtung ei- der Tagung von rund vierzig Offizie- dass er sich deutlich von dem der ner „Katholischen Akademie der Mi- ren unterschrieben wurden. Sie um- Wehrmacht unterschied. 1956/1957 litärseelsorge“ entwickelt, die dazu fassten im Wesentlichen: Bewusstes wurden die Gründung eines „Rings führten, dass sich im März 1960 in Leben in der Kirche, Pflege eines aktiver katholischer Soldaten“ sowie Königstein im Taunus zum ersten christlichen Familiengeistes, Pflege einer „Zentralstelle für Soldaten- Male Offiziere aller Teilstreitkräfte und Förderung von Kameradschaft betreuung“ diskutiert. Bei einem aus allen sechs Wehrbereichen mit und einfacher Geselligkeit, Mut zur Treffen der „Soldatengemeinschaft leitenden Militärseelsorgern und ei- Übernahme von Verantwortung. St. Gereon“ in Köln im Dezember nigen höheren Beamten zu einer 1956 wurde die Bildung einer „Akademietagung“ trafen. Militär- • Wachsen des KOK „Gebetsgemeinschaft von Offizie- oberpfarrer Dr. Martin Gritz kam in Um die Arbeit des KOK zu steu- ren“ erörtert, deren Leitmotiv sein seiner Zusammenfassung der Tagung ern, wurde ein Führungskreis gebil- sollte: „Gebet – Opfer – Dienst“. zu dem Ergebnis: „Es ist nicht nur det, der in engem Zusammenwirken möglich, als katholischer Christ Sol- mit dem Katholischen Militär- • Auf dem Weg zum „König- dat zu sein und als Offizier katholi- bischofsamt (KMBA) die jeweils not- steiner Offizierkreis“ (KOK) scher Christ zu bleiben. Es ist sogar wendigen Schritte besprach. Der Die im Zuge des Aufbaus der notwendig, dass katholische Christen Führungskreis verabschiedete im Bundeswehr an andere Standorte Offiziere werden und diese Offiziere Mai 1963 die „Königsteiner Ordnung versetzten Offiziere aus Köln bemüh- ... als katholische Christen ‚dienen‘. 1963“, in welcher der KOK be- ten sich, Gleichgesinnte zu sammeln. Denn davon wird die Qualität dessen schrieben, seine Absichten verdeut-

AUFTRAG 261 97 50KIRCHE Jahre UNTER SOLDATEN

licht und seine Grundsätze festgelegt Dennoch zeigte sich, dass die in Es- Die vielen strukturellen und or- wurden. sen getroffene Entscheidung richtig ganisatorischen Veränderungen in Trotz aller Schwierigkeiten, die war. In einer beachtlichen Anzahl der Bundeswehr blieben nicht ohne nicht zuletzt auch in den vielen Ver- von Standorten wurden örtliche Krei- Folgen für die Militärseelsorge. An- setzungen von Offizieren eine Ursa- se der GKS gebildet, die zwar in un- passungen wurden nötig, die sich che hatten, wuchs der KOK langsam, terschiedlicher Intensität die Arbeit auch zwingend auf die GKS auswirk- aber stetig. vor Ort leisteten, aber doch schon al- ten. Bei Auflösung von Standorten Die Dekrete des Zweiten Vatika- lein wegen der im Vergleich zum und Seelsorgebezirken mussten Krei- nischen Konzils (1962-1965) sowie KOK größeren Zahl von engagierten se aufgegeben, infolge der Verände- die Beschlüsse der Gemeinsamen katholischen Soldaten positiv die rungen der territorialen Organisation Synode der Bistümer in der Bundes- Laienarbeit in der Militärseelsorge Strukturen verändert werden. republik Deutschland (1971-1975) beeinflussten. Daraus entwickelten Seit dem Aufbau der Bundes- bestimmten in den folgenden Jahren sich im Laufe der Jahre Strukturen wehr und der Errichtung der Militär- die weitere Entwicklung entschei- auf Standort-, Wehrbereichs- und seelsorge in den neuen Bundeslän- dend mit. Bundesebene. dern ab 1990 wird angestrebt, auch dort Kreise der GKS zu gründen. • Die Gründung der GKS Obwohl bereits 1959 darüber ge- sprochen wurde, dass sich an den II: Konstanten in der Arbeit der GKS: Standorten Soldaten aller Dienstgra- de den Militärseelsorgern zur Mitar- • Eintreten für Sicherheit und Krieg im Irak die ethische und völ- beit zur Verfügung stellen könnten, Frieden – für Völkerrecht kerrechtliche Legitimität dieser mili- kam es zunächst nicht zu einer Betei- und Menschenwürde tärischen Einsätze in den Vorder- ligung von Unteroffizieren und Schon der KOK hatte sich inten- grund getreten. Mannschaften am KOK. siv mit der Frage nach dem Beitrag An dieser Diskussion hat sich Im April 1964 führte Militär- des Soldaten zur Sicherung des Frie- die GKS ebenso intensiv beteiligt wie bischof Franz Hengsbach im Verlau- dens beschäftigt. Die 8. Woche der an der Auseinandersetzung über die fe der 5. Woche der Besinnung in ei- Besinnung im April 1967 stand unter Berechtigung humanitärer Interven- nem Vortrag über das „Laien- dem Leitthema „Der Soldat als Die- tionen und über das angemessene apostolat“ aus, dass eine Zusammen- ner der Freiheit und Sicherheit der Verhältnis zwischen militärischer arbeit zwischen Unteroffizier und Of- Völker – Unser Beitrag zur Festigung Stabilisierung und ziviler Konflikt- fizier auf kirchlichem Gebiet uner- des Friedens“. Und auch die 9. Wo- bearbeitung bei Friedenseinsätzen. lässlich sei. Hierfür kämen die Pfarr- che der Besinnung im März 1969 – ausschüsse in Frage. Der KOK sei in ihr Thema lautete: „Soldat und Frie- • Die GKS als Anwalt der diesem Gesamtrahmen eine Arbeits- den, Soldat und Kirche“ – bemühte Inneren Führung gruppe. sich um Antworten auf die aktuellen Mit gleichem Nachdruck hat die An der 6. Woche der Besinnung Fragen. GKS darauf hingewirkt, dass die in 1965 nahmen auch einige Unteroffi- Nachdem die Rolle, das Selbst- Jahrzehnten bewährten, auf der Basis ziere teil. Dr. Korn sagte den Unterof- verständnis und die Aufgaben der des christlich-abendländischen Men- fizieren zu, die Erfahrungen des KOK Gemeinschaft Katholischer Soldaten schenbildes und der Rechtsordnung bei der Bildung ähnlicher Gemein- in den Streitkräften, in der katholi- unseres Staates entwickelten Grund- schaften zu Verfügung zu stellen. schen Kirche und in der Gesellschaft sätze der Inneren Führung in Folge Auf örtlicher Ebene kam es nach geklärt waren, hat die GKS, dieser der Auslandseinsätze und gesell- der Bildung von Pfarrausschüssen Linie folgend, zu grundsätzlichen schaftlicher Veränderungen nicht und Beratenden Ausschüssen zu en- Fragen der Inneren Führung, zu ausgehöhlt werden. ger und vertrauensvoller Zusammen- friedensethischen und sicherheits- Aus der Fülle der Stellungnah- arbeit von Soldaten aller Dienstgrad- politischen Themen, zu aktuellen men und Veröffentlichungen der gruppen, insbesondere von Offizieren Anlässen und zu Entwicklungen in GKS sollen nur einige stellvertretend und Unteroffizieren. Während der 9. der Bundeswehr im Sinne des Evan- für alle erwähnt werden: Woche der Besinnung wurde grund- geliums und aus der Sicht der katho- – Soldat für den Frieden, 1970 sätzlich beschlossen, den KOK für lischen Friedens- und Soziallehre – Grundsätze und Ziele der GKS, Soldaten aller Dienstgrade zu öffnen. Stellung bezogen und in der Öffent- 1976 Bei der 10. Woche der Besinnung lichkeit vertreten. – Zu „Gerechtigkeit schafft Frie- im März 1970 in Essen-Heidhausen In der Phase des Kalten Krieges den“, 1983 wurde dann die „Ordnung 70 der Ge- standen die Fragen der Landes- – Rüstungskontrolle und Abrüstung, meinschaft Katholischer Soldaten“ verteidigung im Rahmen des Atlanti- 1987 mit großer Mehrheit angenommen. schen Bündnisses im Vordergrund. – Fünfzigster Jahrestag des Aus- Damit war die GKS gegründet. Nach dem Ende der Ost-West-Kon- bruchs des Zweiten Weltkrieges, frontation ist in den letzten Jahren 1989 • Die Entwicklung der GKS mit dem erweiterten Aufgaben- – Die Verpflichtung des 20. Juli Der Übergang vom KOK zur GKS spektrum der NATO, den Auslands- 1944, 1994 verlief nicht ohne Schwierigkeiten. einsätzen der Bundeswehr und dem – Zum Friedenseinsatz der Bundes-

98 AUFTRAG 261 GKS-ERKLÄRUNG 50 JAHRE MILITÄRSEELSORGE

Feierlicher Einzug beim Gottesdienst zum 50-jährigen Jubiläum der Katholi- schen Militärseelsorge für die Bundes- wehr am 4. Februar 2006 in der St. Jo- hannes Basilika in Berlin.

wehr in Bosnien-Herzegowina, 1995 – Kampfeinsätze der Bundeswehr zum Schutz fundamentaler Men- schenrechte, 2000 – Innere Führung heute und morgen – Herausforderungen und Chan- cen, 2001 – Krieg gegen den Irak – ethisch zu verantworten?, 2003 – Der Friede ist möglich! Erklärung der GKS zu Friedenseinsätzen deutscher Kräfte, 2004 Richtschnur bei allen Stellung- nahmen und Erklärungen waren die Grundsätze der katholischen Frie- ße gegen das Völkerrecht zu been- kung der Vereinten Nationen gefor- dens- und Soziallehre und das in der den und eine friedliche Entwick- dert, um eine gerechte Friedensord- Pastoralkommission des II. Vatikan- lung in Gang zu setzen, nung auf der Basis des Völkerrechts ums „Gaudium et Spes“ festgelegte – andere Möglichkeiten erschöpft zu erreichen und zu verhindern, dass christliche Werteverständnis des sind oder aussichtslos erscheinen das im Völkerrecht niedergelegte Soldaten: „Wer als Soldat im Dienst und der Einsatz militärischer Ge- Selbstverteidigungsrecht im Falle ei- des Vaterlandes steht, betrachte sich walt als äußerstes Mittel den nes Angriffs exzessiv ausgelegt und als Diener der Sicherheit und Freiheit Frieden erzwingt. sogar für Präventivangriffe miss- der Völker. Indem er diese Aufgabe Die Grundsätze der Verhältnis- braucht wird. recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur mäßigkeit der Mittel und Metho- Zusätzlich zu den Erklärungen Festigung des Friedens bei.“ den und Hinlänglichkeit der Kräfte hat die GKS in Beiträgen ihrer Zeit- sowie des Schutzes von Nicht- schrift „AUFTRAG“, in Tagungen, • Ethische Kriterien für den Kombattanten sind zwingend zu be- bei Katholikentagen und in Gesprä- Einsatz militärischer Gewalt achten (Ius in bello). chen mit Politikern, vor allem mit Das Ziel eines anhaltenden und In diesem Sinne hat die GKS mit Angehörigen des Verteidigungsaus- wahren Friedens kann nur in einem großem Nachdruck darauf hingewie- schusses des Deutschen Bundesta- Rechtsrahmen verwirklicht werden, sen, dass Bundesregierung und Par- ges, ihre Auffassung zu aktuellen der sittlichen Werten verpflichtet ist. lament gegenüber den Soldaten als und grundsätzlichen wehr- und In ihren Erklärungen hat die Staatsbürgern in Uniform und gegen- sicherheitspolitischen Fragen einge- GKS mehrfach die ethischen Kriteri- über der Öffentlichkeit in der Pflicht bracht. In diesem Zusammenhang en herausgestellt, deren Einhaltung stehen, zweifelsfrei zu begründen, soll an den Brief des Bundesvor- zwingende Voraussetzung für eine le- dass Kampfeinsätze ethisch gerecht- sitzenden der GKS an den damaligen gitime Anwendung militärischer Ge- fertigt, nach nationalem Recht zuläs- Verteidigungsminister erinnert wer- walt ist. Ihre Beachtung wird einen sig und notwendig sowie völkerrecht- den, der im Vorfeld des Luftkrieges wesentlichen Beitrag zu einem fried- lich abgesichert sind. der NATO gegen Serbien eindring- lichen Zusammenleben der Völker lich die unsicheren völkerrechtli- leisten. Diese sind insbesondere: • Sicherheit als Voraussetzung chen Grundlagen thematisierte. Da- Krieg darf nur geführt werden für den Wiederaufbau rin forderte er – wenn auch vergeb- (Ius ad bellum), wenn Ausgehend von Erfahrungen lich – eine überzeugende Darlegung – ein gerechter Grund vorliegt, deutscher Soldaten bei Friedens- der Gründe, die den Einsatz rechtfer- wenn also der Weltfrieden gestört missionen hat die GKS festgestellt, tigten. oder die Sicherheit der Völker dass sich Sicherheit und Wiederauf- Der Soldat muss einen Kampf- oder Menschenrechte (flagrant) bau gegenseitig bedingen. Sie fordert auftrag als Teil einer auf die Festi- verletzt werden, Regierung und Parlament auf, ein an gung des Friedens gerichteten Politik – eine legitime Macht – derzeit nur der Nachhaltigkeit orientiertes mit realer Erfolgsaussicht verstehen die Vereinten Nationen – einen Gesamtkonzept zu entwickeln und können. entsprechenden Kampfeinsatz an- angemessene finanzielle Mittel so- Diese Auffassung ist durch Bun- ordnet, wohl für die Friedenssicherung als despräsident Köhler in seiner Rede – die Verantwortlichen die (rechte) auch für die zivile Konfliktbearbei- anlässlich der Feiern zum 50. Jah- Absicht verfolgen, ungerechte Ge- tung zur Verfügung zu stellen. restag der Gründung der Bundeswehr walt oder schwerwiegende Verstö- Die GKS hat mehrfach eine Stär- eindrucksvoll bestätigt worden:

AUFTRAG 261 99 50KIRCHE Jahre UNTER SOLDATEN

„Wer von unseren Soldatinnen und Gremien der Laien-Mitverantwor- dass ihre Auffassungen in den ab- Soldaten verlangt, ihr Leben und ihre tung und den Militärpfarrern für die schließenden Dokumenten des Zen- Gesundheit aufs Spiel zu setzen, Belange der Militärseelsorge in ih- tralkomitees der deutschen Katholi- muss sich und sie davon überzeugen, rem unverzichtbaren Dienst für die ken berücksichtigt wurden. dass der Einsatz legitim, legal und in Streitkräfte eingesetzt hat, unter- Die GKS wirkt über die nationa- Deutschlands Interesse ist.“ stützt daher die jüngste Erklärung len Grenzen hinweg. Sie hat großen der Zentralen Versammlung „Mili- Anteil an der Gründung und Gestal- • Vom Menschenbild des tärseelsorge zukunftsfähig gestalten“ tung des AMI (Apostolat Militaire In- Grundgesetzes zum Selbst- und die darin erhobenen Forderun- ternational) und hat dessen grundle- verständnis des Soldaten gen und Bitten. gendes Dokument „Der katholische Die Gemeinschaft Katholischer Mit großem Nachdruck fordert Soldat an der Schwelle des 3. Jahr- Soldaten hat in diesem Zusammen- die GKS, dass sich soldatische Ethik tausends“ maßgeblich mitbestimmt. hang immer wieder ihre Stimme erho- auch in Zukunft am christlich- Die Verlautbarungen der GKS ben, um das in der Inneren Führung abendländischen Menschenbild zu dienen den Mitgliedern als Argumen- der Bundeswehr zusammengefasste, orientieren hat. Innere Führung muss tationshilfe für das Gespräch im an der Menschenwürde orientierte fester Bestandteil in der Erziehung Dienst, in der Familie und in der Ge- Leitbild des Staatsbürgers in Uniform und Ausbildung in der Truppe sowie sellschaft. Sie können zur ethischen zu erhalten und zu festigen. Die Werte an den Unteroffizier- und Offizier- Orientierung beitragen und helfen, und Normen des Grundgesetzes gel- schulen bleiben. Hierfür müssen Antworten auf existenzielle Fragen, ten auch in der Bundeswehr; sie ge- ausreichend Dienstposten für gerade auch im Zusammenhang mit ben ethische Orientierung für gewis- Militärseelsorger und andere pasto- (Auslands-) Einsätzen, zu finden und senhafte Entscheidungen. rale Mitarbeiter zur Verfügung ge- glaubwürdig die Grundsätze der GKS Die Grundsätze der Inneren Füh- stellt werden. zu vertreten und nach ihnen zu leben. rung binden – auf der Basis des Wenn sich auch im Laufe der christlich-abendländischen Men- • GKS-Positionen als Jahrzehnte die Aufträge der Bundes- schenbildes – das militärische Han- Provokation und Programm wehr gewandelt haben und sich die deln an die Werte des Grundgesetzes für die Zukunft GKS flexibel neuen Herausforderun- und orientieren die innere Ordnung Im Sinne ihres Auftrages, auch in gen stellte, so bleibt doch eine be- der Streitkräfte an rechtsstaatlichen die katholische Kirche hinein zu wir- merkenswerte Konstanz festzuhalten: Grundsätzen und an der Menschen- ken, nahm die GKS Stellung zu Do- Ziel der Gemeinschaft Katholischer würde. Es gibt weder eine uneinge- kumenten und Veröffentlichungen Soldaten war und ist, an einer ge- schränkte Befehlsgewalt noch eine anderer katholischer Organisationen, rechten Friedensordnung auf der Ba- uneingeschränkte Gehorsamspflicht. beispielsweise von pax christi und sis des Völkerrechtes und der katho- Sowohl ein Befehl als auch dessen des Bundes der Deutschen Katholi- lischen Friedenslehre mitzuwirken Ausführung müssen verantwortet schen Jugend, die teilweise ihren sowie für Frieden, Gerechtigkeit und werden. Grundüberzeugungen diametral ent- Menschenwürde in Sicherheit und Angesichts der zahlreichen Aus- gegenstanden Sie trug dafür Sorge, Freiheit einzustehen. landseinsätze der Bundeswehr in multinationalen Verbänden drohen diese Grundsätze unter Druck zu ge- III. Perspektiven und Forderungen zur Neuausrichtung raten, wenn die Praxis anderer Ar- der Bundeswehr meen nicht mit ihnen übereinstim- men. Die GKS hat daher gefordert, ringender als jemals in der Ver litärischen Handelns für deutsche der Gefahr einer Aushöhlung der In- Dgangenheit besteht heute die Soldaten fundamental geändert. Die neren Führung entschieden entge- Notwendigkeit einer öffentlichen Zweckbestimmung der Streitkräfte genzutreten. Diskussion über Sicherheitspolitik in steht heute unter dem friedens- Der Inneren Führung drohen einem umfassenden Sinne. Dabei ethischen Gebot, gewalttätige Ausei- aber auch durch gesellschaftliche kann es nicht nur um Finanzen, Um- nandersetzungen zu verhindern oder Veränderungen Gefahren. Wie kön- fänge und Standorte gehen. Je mehr zu beenden, an der Beseitigung von nen Vorgesetzte Fehlentwicklungen sich Bundeswehreinsätze von der un- Gewaltursachen mitzuwirken sowie und Defiziten in der Menschenfüh- mittelbaren Landesverteidigung ent- zum Wiederaufbau staatlicher Struk- rung begegnen, wenn sie selbst ohne fernen, desto bedeutsamer werden turen beizutragen. ethische Bindung aufgewachsen Fragen nach der sicherheitspoliti- sind? Der von der Militärseelsorge schen Konzeption der Engagements. • Soldaten als Polizisten, geleistete Lebenskundliche Unter- Eine Armee ist mehr als nur die funk- Diplomaten, Sanitäter … richt, der wesentlich zur Förderung tionale Zusammenstellung von Waf- Die Friedensoperationen in Bos- der sittlichen, geistigen und seeli- fen mit dem ,,Faktor Mensch“. Si- nien-Herzegowina wie auch im Koso- schen Kräfte beiträgt, ist in diesem cherheit wird von Menschen gewähr- vo, in Afghanistan und Afrika haben Zusammenhang von entscheidender leistet und darf nicht über Haushalts- deutlich gemacht, dass Soldaten ne- Bedeutung. ansätze abgewickelt werden. ben der Fähigkeit zu Kampfeinsätzen Die GKS, die sich schon immer Im Verlauf der vergangenen zehn über eine ganze Reihe von weiteren im engen Zusammenwirken mit den Jahre hat sich der Bezugsrahmen mi- Qualifikationen verfügen müssen,

100 AUFTRAG 261 GKS-ERKLÄRUNG 50 JAHRE MILITÄRSEELSORGE

„Nomen est omen“ – Der Evangelische Militärbischof Peter Krug schenkt Militärbischof Walter Mixa zum 50. Gründungstag der Katholischen Militär- seelsorge einen Krug

um ein breites Spektrum schwieriger und anspruchsvoller Aufgaben wahr- nehmen zu können. Dabei geht es um Aufgaben, die sonst von Diplomaten oder Polizisten, von Vermittlern oder Sanitätern, von Krankenhausmana- gern oder kommunalen Verwaltungs- experten wahrgenommen werden. Hier stellen sich auch Fragen, auf die der Einzelne in der konkreten Situation Antworten finden muss: Was ist, wenn wir zu friedenser- • Auftragstaktik und Freiheit – Die Verantwortung des Soldaten zwingenden Kampfeinsätzen kom- verantwortungsbewusstes beschränkt sich nicht nur auf die men? Welches Selbstverständnis, Handeln korrekte Ausführung von Befehlen, welche Motivation trägt in derartigen Die Aufträge der Soldaten bei In- sondern er steht auch in seiner Per- Situationen? Wie kann der einzelne terventionen in Bürgerkriegen, bei son ein für die Legitimität und poli- Soldat die aufgezeigten Belastungen Peace Support Operations, bei heik- tische Sinnhaftigkeit seines Auftra- bewältigen? Welche Möglichkeiten len und im Einzelablauf unvorher- ges. Es ist gleichermaßen Aufgabe bleiben dem Soldaten, die eigene sehbaren Spezialoperationen, verlan- von Gesellschaft und Politik, die moralische Urteils- und Handlungs- gen vom Einzelnen und der kleinen berufsethische Identitätsbildung fähigkeit zu bewahren? Gruppe, der Einheit oder dem Ver- von Soldaten zu fördern und anzu- In Anbetracht dieser veränderten band, Eigenständigkeit, Initiative, leiten. Bedingungen für Frieden und Sicher- Risikobewusstsein, sowie Tapferkeit Die GKS fordert daher, den heit in der Welt geht es nicht nur da- und gleichzeitig Zurückhaltung und verantwortlich handelnden Solda- rum, den sicherheitspolitischen Stel- Besonnenheit. Kleinräumige Aktio- ten umfassender und erkennbarer lenwert der Bundeswehr neu zu be- nen oder Entscheidungen Einzelner zu informieren, in die politischen stimmen. Vielmehr sind auch die können große politische Wirkungen Beratungen mit einzubeziehen Fragen nach dem geistigen Standort zeitigen. und in seinem Rechtsempfinden der Soldaten, nach der inneren Der Einzelne handelt, wenn er in zu stützen. Die GKS empfiehlt Struktur und Führungsphilosophie diesen Missionen militärisch agiert, auch, den für die Politische Bil- der Bundeswehr neu zu beantworten. zugleich politisch. Der Soldat dung vorgesehenen Zeit- und Erst dann ist zu entscheiden, welche braucht demzufolge ungleich mehr Ressourcenansatz zu erhöhen. Konsequenzen für die Wehrstruktur als in klassischen taktischen Einsät- (= Wehrverfassung und Wehrform) zen ein eigenes Urteil über die An- • Die Rahmenbedingungen daraus zu ziehen sind. wendung des Rechts, die Adäquat- kennen – politisch, historisch Auf eine solche öffentliche Dis- heit der Ziel-Mittel-Relation, letzt- und kulturell kompetent kussion warten wir schon seit einem lich die moralische Dimension seines Geht man davon aus, dass das je- Jahrzehnt. Sie ist jedoch bisher we- Handelns. weilige kulturelle Orientierungs- der von der Regierung noch aus dem Der Einsatz von Soldaten stößt je- system ein Netzwerk von Normen, Parlament heraus geführt worden. doch dann an die Grenzen der Ver- Regeln und Wegen darstellt, um sich Die GKS fordert daher eine antwortbarkeit, wenn erkennbare poli- in einer bestimmten Umwelt zurecht- grundlegende Diskussion unter tische Anstrengungen ausbleiben oder zufinden und zu überleben, dass es breiter Beteiligung der Öffentlich- die gesetzten Ziele keinen Bezug das Sehen, Werten und Handeln be- keit über die mit der Neuaus- mehr zu der erfahrenen Realität ha- stimmt, so wird die Bedeutung inter- richtung der Bundeswehr verbun- ben. In Bosnien und im Kosovo hat kultureller Kompetenz für den Erfolg denen ethischen und sicherheits- sich bis heute noch keine selbst- von Friedensmissionen deutlich. Der politischen Fragen. Jeder Soldat tragende Stabilität entwickelt, in Af- Soldat von heute muss lernen, wie er muss wissen und verstehen, wofür ghanistan bleibt die Situation kritisch. mit unterschiedlichen Werthaltun- er ausgebildet und eingesetzt Der Soldat muss auch dann Bürger in gen umgehen kann. Das setzt wird. Er soll überzeugt sein, dass Uniform bleiben, wenn er in Krisen- zunächst einmal Kenntnisse ver- sein Auftrag politisch notwendig, gebieten eingesetzt wird, in denen schiedener Kulturformen voraus. völkerrechtlich legitimiert, militä- Warlords, selbsternannte Krieger oder Darauf basierend gilt es dann Stan- risch sinnvoll und moralisch be- Terroristen das Konfliktbild und das dards für internationale Verhaltens- gründet ist. gesellschaftliche Umfeld prägen. normen zu entwickeln – ähnlich den

AUFTRAG 261 101 50KIRCHE Jahre UNTER SOLDATEN

Regelungen militärischen Verhal- Notwendigkeit in Bezug auf einen le- ristischer und traditionalistischer tens, den „Rules of Engagement“. gitimen Auftrag und unterliegt den Einstellungen, sondern Ausdruck Die GKS fordert daher, dass gleichen Beschränkungen. Der be- von Sorge um die Effizienz und Ein- diese rechtlich-ethischen, an der gründete Zweifel an der Legitimität satzbereitschaft der Streitkräfte. Würde und Unverletzbarkeit des eines Befehls begrenzt die Gehor- Die Veränderung des Auftrags- Menschen ausgerichteten Verhal- samspflicht ebenso wie der Artikel 4 schwerpunkts der Bundeswehr von tensmuster in stärkerem Maße des Grundgesetzes, der das Recht der Landesverteidigung hin zur Betei- Eingang in die Führungslehre fin- des Einzelnen schützt, nach seinem ligung an weltweiten Einsätzen zur Si- den müssen. Gewissen zu handeln. Uneinge- cherung und Stabilisierung von schränkt gilt: Gehorsamsverweige- Krisenregionen auf anderen Konti- • Für eine freimütige rung aus Gewissensgründen ist nicht nenten muss daher auch zu einem ver- Diskussionskultur mit Ungehorsam gleichzusetzen. änderten Selbstverständnis des Solda- Meinungsfreiheit ist „als unmit- Schutz der Gewissensentscheidung ten führen. Sein Berufsethos bedarf telbarster Ausdruck der menschli- entbindet den Soldaten, der im Konf- neuer Begründung und Fundierung. chen Persönlichkeit in der Gesell- likt mit einem rechtlich legitimen Um wirksam und verlässlich schaft eines der vornehmsten Men- Befehl seinem Gewissen folgt, aller- handeln zu können, bedarf es des schenrechte überhaupt“, konstatiert dings nicht von der Verantwortung starken Rückhaltes der Politiker und das Bundesverfassungsgericht. Der für sein Handeln und schließt nach der Gesellschaft. Hier empfinden die Grad der Integration der Bundeswehr individueller Schuldprüfung eine Soldaten erhebliche Defizite. Was in die demokratische Staats- und Ge- strafrechtliche Sanktionierung dann die Soldaten heute bei ihren Einsät- sellschaftsordnung spiegelt sich nicht aus, wenn Rechte anderer und demnach gerade auch in der öffent- wesentliche Interessen des legitimen zen belastet, ist die Distanz, ja innere lich geführten Debatte wider. Je militärischen Auftrags verletzt wer- Ferne und Gleichgültigkeit der poli- mehr der Bürger den Eindruck ge- den. Der kennzeichnenden Eigenart tisch Verantwortlichen und der Ge- winnen kann, dass Soldaten über es- des Militärischen, nämlich der Gel- sellschaft zu den Menschen in der sentielle Themen der Sicherheit in tung des hierarchischen Prinzips von Bundeswehr. Heute ist die Bundes- gleichermaßen kontroverser Manier Befehl und Gehorsam, sind durch die wehr im Einsatz, aber ohne wesentli- diskutieren wie die zivile Öffentlich- Bindung an Recht und Gesetz Gren- che innere Beteiligung der Menschen keit auch, desto eher ist die Bundes- zen gesetzt. in Deutschland. Die GKS fordert daher, dass wehr in die kommunikative Lebens- Dies war und ist noch der Kern „Innere Führung“ nicht nur als welt aller Bürger integriert. Versuche der inneren Auseinandersetzung in militär-interne Aufgabenstellung der politischen Leitung und militäri- der Bundeswehr, bei der „Innere schen Führung, von oben Homogeni- verstanden wird, sondern ihre Führung“ falsch verstanden und Verknüpfung mit Staat und Ge- tät und Sprachregelung in der Öffent- nicht selten als Minderung der lichkeit zu verordnen, wecken eher sellschaft stärker wahrgenommen Funktionalität der Streitkräfte miss- wird – durch eine Intensivierung Misstrauen und Ablehnung und las- interpretiert wird. Diese andauernde sen somit die Bundeswehr eher als der öffentlichen Diskussion über Diskussion ist jedoch weniger (von die Bedingungen des Soldaten- Fremdkörper in der demokratisch- Ausnahmen abgesehen) Indiz milita- pluralistischen Gesellschaft erschei- berufes sowie seines Auftrages. nen. Als Testfall für die demokrati- sche Reife und Kultur der Institution VI. Heute und Morgen – Unsere Leitsätze Bundeswehr erweist sich der Um- gang mit Kritikern von außerhalb, on Anbeginn an hat die Gemein- – Offen für Gleichgesinnte aber auch innerhalb der Streitkräfte. Vschaft Katholischer Soldaten – Um Zusammenarbeit bemüht Das Zulassen konstruktiver Kritik ist immer wieder zu Fragen der Sicher- – Ökumenisch aufgeschlossen Indikator für eine freiheitliche Ge- heit, des Friedens und der Gerech- Diese Leitsätze fordern den Ein- sinnung und ein demokratisches tigkeit in und für die Bundesrepublik zelnen und auch die Gemeinschaft Selbstverständnis des Militärs. Deutschland sowie für internationale Katholischer Soldaten als Ganzes. Die GKS fordert daher, dass Anliegen hörbar Stellung genommen. Die GKS entspricht damit den Soldaten mutig und überzeugt Grundlage der kontinuierlichen Forderungen des Wortes der Deut- auch abweichende Positionen – Arbeit, der Veröffentlichungen und schen Bischöfe „Gerechter Friede“ vor allem auch im Hinblick auf Erklärungen, sind die dem christli- von 2000 und der Erklärung „Solda- die Risiken militärischer Einsätze chen Menschenbild verpflichteten ten als Diener des Friedens“ vom – vertreten können. Leitsätze der Gemeinschaft Katholi- November 2005, zur politischen und scher Soldaten: ethischen Meinungsbildung beizu- • Gewissenhaft im Gehorsam – Im Glauben verwurzelt tragen und sich den ethischen Fra- Das Soldatengesetz bindet Be- – Für Recht und Freiheit gen im Licht der kirchlichen fehlsgewalt und Gehorsamspflicht – Sittlich gebunden Friedenslehre zu stellen. durch Recht und Gesetz. Die Pflicht – Politisch gebildet zum Gehorsam gilt nach Maßgabe – Fachlich kompetent Berlin, 28. Januar 2006 der Pflicht zum Rechtsgehorsam, – Gewissenhaft im Gehorsam Der Bundesvorsitzende der GKS also aufgrund seiner funktionalen – Dem Frieden verpflichtet Oberstleutnant Paul Brochhagen

102 AUFTRAG 261 GKS-ERKLÄRUNGPERSONALVERÄNDERUNGEN 50 JAHRE MILITÄRSEELSORGE IM KMBA Militärdekane Weihmayer und Kestel aus der Militärseelsorge verabschiedet it einem feierlichen Gottes- ein Höchstmaß an Einsatz und auch dienst in der Sankt-Louis- Augenmaß, gerade in der Personal- MKirche und einem anschlie- führung. Weihmayer habe die rechte ßenden Empfang im Offizierheim der Balance gewahrt, um den richtigen Julius-Leber-Kaserne, Berlin, wur- Weg zu gehen auf dem nicht immer den Militärdekan Monsignore Micha- einfachen Feld der Beziehung von el Weihmayer (49), Personalreferent Staat und Kirche. und Vertreter des Generalvikars und Militärdekan Monsignore Georg Kes- u Militärdekan Kestel bemerkte tel (50), Leiter des Referates Seelsor- ZMGV Wakenhut, dass er in sei- ge im Katholischen Militärbischofs- ner Arbeit als Verantwortlicher für amt in Berlin, am 18. Januar 2006 das Laienapostolat – Bischöflicher verabschiedet. Beauftragter für die Zentrale Ver- Als einen mächtigen Aderlass sammlung der Katholischen Soldaten Generalvikar Prälat Wakenhut über- bezeichnete Militärgeneralvikar Prä- und Geistlicher Beirat der Gemein- reichte Monsignore Weihmayer und lat Walter Wakenhut das Weggehen schaft Katholischer Soldaten – be- Monsignore Kestel die Dankurkunde seiner beiden Referatsleiter. Viele stimmt gewesen sei von den Gedan- des Katholischen Militärbischofs Dr. und reiche Erfahrungen gingen ken und Ideen des Zweiten Vatikani- Walter Mixa. durch sie verloren. schen Konzils und der Würzburger Weihmayer, der 1986 von sei- Synode. Kestel sei überzeugt, dass in Hammelburg, ehe ihn Erzbischof nem Heimatbischof aus Augsburg für die Kirche nur als Volk Gottes Zu- Dr. Johannes Dyba zum Jahres- den Dienst in die Militärseelsorge kunft habe, nicht aber als Versamm- beginn 1997 als Referatsleiter IV, freigestellt worden war, habe sehr lung von Klerikern. „Seelsorge“, in das Katholische schnell in seiner klugen und um- Als Arbeitschwerpunkte von Militärbischofsamt nach Bonn berief. gänglichen Art, Ansehen und Ver- Georg Kestel bezeichnete der Gene- Grund der Übertragung dieser gro- trauen bei den Soldaten und deren ralvikar den Aufbau einer effizienten ßen Verantwortung war nicht zuletzt Familien gewonnen, sagte der Gene- und den neuen Verhältnissen – Ein- Kestels hohe Kompetenz in der ralvikar. Die Seelsorge an den satz, Fernbeziehungen – angepassten praktischen Seelsorge am Standort Soldatinnen, Soldaten und deren Fa- Familienseelsorge in Zusammenar- Hammelburg mit seiner aktiven Sol- milien und die Sorge um eine immer beit mit dem von Militärbischof Mixa datengemeinde und sein Geschick in genügende Zahl von Seelsorgern sei- an der Katholischen Universität der Konzeption von Lebenskund- en für Weihmayers Denken, Tun und Eichstätt eingerichteten Zentral- lichen Unterrichten und vor allem Handeln bestimmend gewesen. Über institut für Ehe und Familie in der auch deren Umsetzung. Georg Kestel die Militärseelsorge hinaus habe er Gesellschaft. Unter vielem anderen verstehe es, so Wakenhut, das Wort sich in hohem Maße in Bundes- und nannte Prälat Wakenhut auch Gottes in Gottesdienst und Predigt Regionalkonferenzen der Personal- Kestels Verdienste um die Neuaufla- glaubwürdig und in aktuell verständli- referenten der deutschen Diözesen ge des Soldatengebet- und Gesang- cher Sprache zu vermitteln. Seine engagiert. buches, das sich gerade zu einem Aufsätze und Ausarbeitungen zeugten Stationen seines Lebens waren: „Hit“ entwickelt habe, nicht nur in von sehr profunden Kenntnissen der 1986 Standortpfarrer Landsberg, der Militärseelsorge. Theologie und der hohen Kunst des 1992 Berufung an die Offizierschule Militärdekan Georg Kestel be- Formulierens. Hier komme seine tiefe des Heeres nach Hannover, wo er gann seinen Dienst in der Militär- Verwurzelung im Glauben und eine 1993 auch Stellvertretender Wehr- seelsorge 1987 in Neuburg an der echte ungeheuchelte Frömmigkeit bereichsdekan II (Hannover) wurde, Donau und war dann Standortpfarrer zum Vorschein, so Prälat Wakenhut. 1996 Standortpfarrer bei der Univer- sität der Bundeswehr in Neubiberg, 1997 dann die Versetzung als Gottesdienst in der St. Louis- Referatsleiter II (Personal- und Or- Kirche der Julius-Leber-Kaserne, ganisation) ins Katholische Militär- Berlin. Militärgeneral Wakenhut bischofsamt nach Bonn. Er habe sich mit den scheidenden Militär- sehr schnell in seine neue Aufgabe dekanen und Gästen aus deren eingearbeitet, bemerkte Wakenhut. Heimatbistümern. v.l.: Msgr. Georg Kestel, der Die Neuausrichtung der Bundeswehr noch amtierende Generalvikar von Grund auf, und der damit einher- des Erzbistums Bamberg, dessen gehende Prozess der Transformation, Nachfolger Kestel wird, Prälat der Umformung der Bundeswehr von Walter Wakenhut, aus Augsburg einer reinen Verteidigungsarmee hin Domdekan Konstantin Kohler zur Einsatzarmee, all das erforderte und Msgr. Michael Weihmeier.

AUFTRAG 261 103 KIRCHE UNTER SOLDATEN inisterialdirektor Dr. Dieter rückliegenden Jahren mit Überzeu- Geist den Leitungsstab des Bistums MWeingärtner, Abteilungsleiter gung Priester und Pastorale Mitar- übernimmt. Recht im Bundesverteidigungs- beiter für die Militärseelsorge zur ministerium, dankte den scheiden- Verfügung gestellt. Dies sei nicht n seiner Abschiedsrede sagte Msgr. den Referatsleitern für ihre Tätigkeit zuletzt auch das Verdienst von Mon- IWeihmayer, er habe sich immer in der Militärseelsorge. Weihmayer signore Weihmayer gewesen. Dom- für eine starke und unabhängige Mi- habe hohe Verantwortung als dekan Kohler gab seiner Freude Aus- litärseelsorge um der Soldaten und Personalreferent in der Katholischen druck, Weihmayer am 1. Februar derer Familien willen einzusetzen Militärseelsorge getragen, hob Dr. 2006 in seinem Heimatbistum versucht. Dies sei ihm immer Prinzip Weingärtner hervor. In bezug auf Augsburg als neuen Kollegen begrü- und Überzeugung gewesen. Stärke Militärdekan Kestel erinnere er sich ße zu dürfen. und Unabhängigkeit seien nämlich gerne an seine Teilnahme an der letz- Generalvikar Albrecht dankte unabdingbare Voraussetzungen für ten Soldatenwallfahrt nach Lourdes, Monsignore Kestel, dass er seine Vertrauen in die Seelsorge sowie in deren Deutscher Pilgerleiter Monsig- Nachfolge im Erzbistum Bamberg die Männer und Frauen, die diesen nore Kestel gewesen sei. Der Ab- übernimmt. Kestel sei durch die Ar- Dienst tun würden. Erst wenn dieses teilungsleiter händigte Weihmayer beit als Seelsorgeamtsleiter im Vertrauen gewachsen sei, könne die und Kestel die Urkunde über die Be- Militärbischofsamt bestens vorbe- Seelsorge eine echte Hilfe und Un- endigung des Beamtenverhältnisses reitet. Er habe in den wenigen Ta- terstützung sein. Seelsorge sei näm- aus. gen der Vorbereitung auf die neue lich mehr als Betreuung oder Erfül- Domdekan Kohler dankte sei- Aufgabe in Bamberg seinen Mit- lung kirchlicher Serviceleistungen, nem Mitbruder Michael Weihmayer bruder Kestel als wachen, dynami- betonte Weihmayer. Er gab zu, das für den Dienst in der Militärseelsor- schen Menschen erlebt. Generalvi- nach fast 20 Jahren Tätigkeit in der ge. Weihmayer habe eine besondere kar Albrecht wünschte Monsignore Katholischen Militärseelsoge das Eignung und Neigung für die Seel- Kestel, dass er mit Schwung und Loslassen ihm nicht leichtfalle. sorge an den Soldaten gehabt. Die Kraft, mit Phantasie und Freude Militärdekan Weihmayer dankte sei- Diözese Augsburg habe in den zu- und beschenkt mit dem Heiligen nem Militärbischof, Militärgeneral- vikar Wakenhut sowie seinen Mit- brüdern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kurie des Ka- Laien in der Militärseelsorge verabschieden tholischen Militärbischofs, vor allen sich von Militärdekan Georg Kestel Dingen aber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Referates II. eim diesjährigen Jahresem- seine Loyalität. Wakenhut schenkte E r habe seine Arbeit in der Mili- pfang von Militärgeneralvikar dem ehemaligen Militärdekan eine tärseelsorge immer als Teamarbeit BPrälat Walter Wakenhut am Faksimile-Ausgabe des Soldaten- verstanden und als ein gegenseitiges 27. Januar 2006 im Haus des Katho- büchleins des Martin von Cochem Miteinander, resümierte Monsignore lischen Militärbischofs in Berlin (1634-1712), eines der ältesten Kestel. Auch er dankte dem Militär- wurde Militärdekan Msgr. Georg Soldatengebetbücher. Oberst Richard bischof, seinem Militärgeneralvikar, Kestel, designierter Generalvikar Schmitt, Vorsitzender der Zentralen den Mitbrüdern sowie den von Bamberg, von den Mitgliedern Versammlung der katholischen Sol- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Vorstandes der Zentralen Ver- daten, überreichte Monsignore Kes- des Seelsorgereferates. Sein Dank sammlung der katholischen Soldaten tel eine Dankurkunde. galt auch den Kooperationspartnern und des Exekutivausschusses der Georg Kestel habe seine Aufgabe und den Laien, mit denen er gemein- Gemeinschaft Katholischer Soldaten als Bischöflicher Beauftragter für die sam für eine fruchtbare Arbeit in der verabschiedet. Zentrale Versammlung mit großer „Kirche unter Soldaten“ habe mit- Nach der Feier der heiligen Mes- Sensibilität und mit viel Verständnis wirken können. Die Erfahrungen und se in der Hauskapelle St. Michael für die Laien wahrgenommen. Der Eindrücke, die er in der Kurie des dankte Militärgeneralvikar Waken- Bundesvorsitzende der Gemeinschaft Militärbischofs, aber auch in der hut seinem Referatsleiter nochmals Katholischer Soldaten, Oberstleut- Stadt Berlin gesammelt habe, nicht für seine langjährige gute Arbeit und nant Paul Brochhagen, überreichte zuletzt auch durch seine Gottes- Monsignore Kestel, der Geistlicher dienste in der Pfarrei St. Bonifatius, Beirat der GKS war, zum Dank und in der St.-Hedwigs-Kathedrale oder zur Anerkennung für die spirituelle in der neuen Garnisonskirche des Begleitung das große Kreuz der Ge- Militärbischofs, St. Johannes, möchte meinschaft Katholischer Soldaten. er auf keinen Fall missen. Mit der neuen Aufgabe als Generalvikar von Bamberg stellten sich ihm neue Her- Bundesvorsitzender Paul Brochhagen (l.) verleiht dem scheidenden Geistli- ausforderungen, auf die er sich schon chen Beirat der GKS Georg Kestel das freue, auch wenn der Abschied von große Kreuz der Gemeinschaft Katholi- der Militärseelsorge ihm nicht leicht scher Soldaten als Dank für die seel- fallen würde. sorgliche Begleitung. (Text und Fotos: www.kmba.de)

104 AUFTRAG 261 AUS STANDORTEN UND KREISEN Aus der Arbeit des Bundesgeschäftsführers der GKS

VON KLAUS ACHMANN 1. Akademie Oberst Helmut In seinem Bericht wies er auf sei- Korn, 07.-11.11.05 nen ersten Rundbrief vom 4. Oktober ach der Bundeskonferenz 2005 2005 hin, in dem er erste Akzente Nin HAMMINKELN mit der Wahl gesetzt hatte. Er hatte darin eine kla- und dem Amtsantritt des neuen re Positionierung aller GKS-Mitglie- Bundesvorsitzenden Oberstleutnant der in gesellschaftspolitischen, si- Paul Brochhagen und dem bemer- cherheitspolitischen und streitkräfte- kenswerten Referat von Prof. Dr. bezogenen Fragen auf einer christli- Hans Maier aus München über die chen Grundlage gefordert. Zugleich Rolle katholischer Laien in ihrer Kir- hatte er die Bedeutung der Arbeit in che war die traditionelle Akademie den Kreisen und Sachausschüssen Oberst Helmut Korn in FULDA der der GKS, den Akademien und Semi- Funktionsträger der GKS statt (s.a. erste Höhepunkt der Arbeit der GKS. naren gewürdigt. Als Schwerpunkt Beitrag S. 107). Dabei wurden die Dieses 10. Seminar der Akade- seiner Arbeit hatte er den Aufbau Teilnehmer in alle wesentlichen As- mie stand unter dem Thema „Euro- neuer GKS-Kreise im GKS-Bereich pekte eingewiesen, die Vorausset- päische Einheit – Chancen für eine Ost genannt, um dort das Laienapos- zung der Übernahme von Verantwor- neue Friedenspolitik.“ Erneut be- tolat in einer weitgehend entchrist- tung in unserem Verband sind. Ne- wies diese Tagung, dass die Akade- lichten Umgebung zu stärken. Auch ben Zielsetzung, geistlichem Profil mie Oberst Helmut Korn eines der hatte er die Notwendigkeit hervorge- und Selbstverständnis der GKS wur- wirklich eindrucksvollen Aushänge- hoben, dass sich alle GKS-Mitglieder den auch organisatorische und ver- schilder der GKS ist. Alle Teilneh- um eine Vertiefung des Glaubens- waltungstechnische Fragen bespro- mer, unter ihnen viele jüngere Unter- wissens bemühten. chen. Wegen der überaus positiven offiziere und Offiziere, äußerten sich Der Bundesvorsitzende berichte- Rückmeldungen aller Teilnehmer überaus positiv über die gebotenen te von der zurückliegenden General- soll das Seminar im Herbst 2007 er- Inhalte, aber auch über den äußeren versammlung des Apostolat Militaire neut durchgeführt werden. Rahmen. Neben dem Empfang beim International (AMI), auf der die Ver- Oberbürgermeister der Stadt Fulda treter Deutschlands für die Präsident- 4. Weihnachtsrundbrief des und einer Führung durch das Stadt- schaft ab Januar 2006 gewählt wurden. Bundesvorsitzenden schloss beeindruckte vor allem der Als neuer Präsident wurde Oberst nmittelbar vor Weihnachten festliche Empfang des Militärgene- i.G. Reinhard Kloss gewählt, der bis Uschrieb der Bundesvorsitzende ralvikars aus Anlass des inzwischen dahin Vorsitzender des Internationa- seinen zweiten Rundbrief an die bereits 10. Seminars dieser Reihe. len Sachausschusses der GKS war. Kreise und Bereiche der GKS, an die Bei diesem Empfang wurde der Der EA beauftragte die Sachaus- Mitglieder des Bundesvorstandes bisherige Schirmherr der Akademie schüsse, sich mit dem Iran-Konflikt und an den Vorstand der Zentralen Generalleutnant Karlheinz Lather und mit den in Kürze erwarteten Äu- Versammlung. verabschiedet. Die GKS zeichnete ßerungen der deutschen Bischöfe Er berichtete von den kaum ihn für seine Verdienste mit dem zum Thema Innere Führung zu befas- „Kreuz der GKS“ aus, das nur auf sen und sich um den Ausbau der in- Beschluss des Bundesvorstandes ternationalen Kontakte der GKS zu verliehen wird. Neuer Schirmherr ist bemühen. Generalmajor Wolfgang Korte, Amts- Schließlich stellte der EA die chef des Heeresamtes in Köln. letzten Weichen für den Wechsel im Auch die Leitung der GKS-Aka- Amt des Haushaltsbeauftragten von demie wechselte von Oberstleutnant Hauptmann a.D. Günter Hagedorn zu a.D. Paul Schulz auf Oberst a.D. Oberstabsfeldwebel Johann-A. Dipl.-Ing. Karl-Jürgen Klein, der bis Schacherl zum Jahresbeginn 2006. September 2005 als Bundesvor- sitzender der GKS amtierte. 3. Seminar neue Funktions- träger 09. – 11.12.05 2. Sitzung des Exekutivaus- m Dezember des letzten Jahres schusses am 11.11.05 Ifand ein weiteres Seminar für neue er neu gewählte Bundesvorsit- Dzende leitete im unmittelbaren Gleich zwei Geistliche Beiräte betreuten Anschluss an das Seminar der Aka- das Seminar für Funktionsträger. Neben dem scheidenden Msgr. Georg Kestel demie Oberst Helmut Korn in (v.) nutzte Militärdekan Johann Meyer FULDA eine Sitzung des Exekutiv- (stehend) das Seminar, um Internas der ausschusses. GKS kennen zu lernen.

AUFTRAG 261 105 KIRCHE UNTER SOLDATEN

überwindbaren Schwierigkeiten beim gleitung der Auslandseinsätze der Katholischen Akademie Berlin (s.a. Aufbau neuer GKS-Kreise im GKS- Bundeswehr soll trotz der relativ ge- S. 90 ff.). Die Festrede hielt der frü- Bereich Ost. Die Kreise und Berei- ringen Zahl von Militärgeistlichen here Bundesminister der Verteidi- che rief er dazu auf, sich vertieft mit und den daraus sich ergebenden Va- gung und jetzige Fraktionsvorsitzen- dem Jahresthema zu befassen, das kanzen durchgehalten werden. de der SPD Peter Struck. als Leitthema der Woche der Begeg- Der Lebenskundliche Unterricht Der GKS-Bereich-- Ost war bei nung „Kirche unter Soldaten – Mili- soll vor allem in der allgemeinen dem Pontifikalamt mit der Fahne der tärseelsorge zukunftsfähig gestalten“ Grundausbildung, bei Laufbahnlehr- GKS präsent. Auch bei dem Festakt mit Inhalt gefüllt worden war. Aus- gängen und in der Einsatzvorberei- war die GKS-Fahne neben der Fahne führlich würdigte er die Arbeit der tung konzentriert werden. Er hat zu- der Katholischen Militärseelsorge als Sachausschüsse und der Redaktion sätzliches Gewicht gewonnen, weil Schmuck im Festsaal aufgestellt. des AUFTRAGs. Schließlich verwies der Generalinspekteur die Wertebil- Die GKS-Erklärung „50 JAHRE er darauf, dass wir uns mit dem Jah- dung in der Bundeswehr als beson- MILITÄRSEELSORGE – DIE GKS IM reswechsel von unserem bisherigen ders wichtig betont. SPANNUNGSFELD GEWANDELTER AUFTRÄ- Geistlichen Beirat Militärdekan Für die Woche der Begegnung GE DER BUNDESWEHR“ lag beim Emp- Msgr. Georg Kestel trennen müssen. 2006 wurde in der gemeinsamen Sit- fang im Foyer aus und fand lebhafte Er wurde als Generalvikar nach zung des Vorstandes der ZV und des Nachfrage. BAMBERG berufen. Die GKS wird EA das Leitthema „SOLDATEN ALS ihn im Rahmen einer Sitzung des DIENER DES FRIEDENS – GEHORSAM 8. Ausblick Bundesvorstandes in BAMBERG im UND GEWISSEN“ festgelegt. bschließend noch ein Blick auf Juni dieses Jahres offiziell verab- Adie Schwerpunkte der kommen- schieden. Nachfolger als Leiter des 6. Sitzung des Exekutivaus- den Wochen und Monate: KMBA-Referates für die Laienarbeit schusses am 28.01.06 – Am 23. Februar 2006 hatte das und damit zukünftiger Geistlicher m unmittelbaren Anschluss an die Katholische Büro zu einer Be- Beirat der GKS ist Militärdekan Igemeinsame Sitzung des Vorstan- sprechung über das für dieses Johann Meyer. des der ZV und des EA trat der EA zu Jahr geplante Weißbuch der Bun- einer Arbeitssitzung zusammen. desregierung zur Sicherheits- 5. Jahresempfang MGV am Der EA billigte die von den bei- politik eingeladen. Dabei sollte 27.01.06, gemeinsame Sitzung den Sachausschüssen „Sicherheit festgelegt werden, welche Inhalte des Vorstandes der ZV und des und Frieden“ und „Innere Führung“ aus Sicht der katholischen Kir- EA am 28.01.06 gemeinsam erarbeitete Erklärung che in das Weißbuch aufgenom- m 27. Januar 2006 gab der Mili- „50 JAHRE MILITÄRSEELSORGE – DIE men werden sollten. Die GKS Atärgeneralvikar den alljährlichen GKS IM SPANNUNGSFELD GEWANDELTER war zu einem Beitrag aufgerufen. Empfang für den Vorstand der Zen- AUFTRÄGE DER BUNDESWEHR“ (Erklä- – Das nächste Politikergespräch tralen Versammlung und die Mitglie- rung im Wortlaut s. 97 ff). findet am 30. März 2006 mit dem der des Exekutivausschusses der Die Sachausschüsse wurden u.a. Wehrbeauftragten statt, der weni- GKS. Mit diesem Empfang bedankte damit beauftragt, ein Faltblatt mit ge Tage vorher seinen ersten Be- er sich für das ehrenamtliche Engage- der Kurzfassung der neu beschlosse- richt vorlegen wird. Das Ge- ment der Soldaten in der Laienarbeit nen Erklärung zu erarbeiten und die spräch wird von Generalleutnant im Rahmen der Militärseelsorge. geplante vertiefte Diskussion des Lather moderiert. Für den Herbst In diesem Rahmem zeichnete Bundesvorstandes zum Thema „GE- ist ein Politikergespräch mit der Bundesvorsitzende der GKS den HORSAM UND GEWISSEN“ vorzubereiten. Bundesminister Jung geplant. bisherigen Geistlichen Beirat Msgr. Der EA beschloss weiterhin die – Gemeinsam mit pax christi ver- Georg Kestel als Dank für seine Ver- finanzielle Unterstützung der Jako- anstaltet die GKS unter der dienste um die GKS mit dem „Kreuz bus-Wallfahrt, der Jugendfreizeit in Schirmherrschaft der Deutschen der GKS“ aus. Österreich und der Teilnahme von Kommission Justitia et Pax vom Bei der gemeinsamen Sitzung Mitgliedern des Internationalen Sach- 21.-24. April 2006 in Bensberg des Vorstandes der ZV und des EA ausschusses an der nächsten Gene- ein weiteres Seminar. Thema am folgenden Tag informierte der ralversammlung des AMI. wird sein „Frieden braucht Fach- Militärgeneralvikar ausführlich über leute – Qualifizierung von Fach- die Lage der Militärseelsorge. Er hob 6. Festveranstaltung aus Anlass kräften im Auslandseinsatz.“ besonders das Einvernehmen mit der des 50. Jahrestages der Grün- – Beim Katholikentag in SAAR- Arbeitsebene des BMVg darüber dung der Katholischen Militär- BRÜCKEN vom 24.-28. Mai hervor, dass der Staat den organisato- seelsorge für die Bundeswehr, 2006 wird die GKS mit einem rischen Rahmen für die Militärseel- 06.02.06: Stand vertreten sein. sorge bereitstellt, dass aber der Mili- as KMBA beging den 50. Jahres – Die nächste Sitzung des Bundes- tärbischof diesen Rahmen ausfüllt. Dtag der Ernennung des Erzbi- vorstandes wird in BAMBERG Zur zukünftigen Organisation der Mi- schofs von München und Freising vom 22.-25. Juni 2006 durchge- litärseelsorge erläuterte er, dass es Joseph Kardinal Wendel zum ersten führt werden. Vorher wird sich 90 Dienststellen der Katholischen Militärbischof der Bundeswehr mit der EA noch am 8. Mai 2006 zu Militärseelsorge in vier Dienstauf- einem Pontifikalamt des Militär- einer vorbereitenden Sitzung in sichtsbezirken geben werde. Die Be- bischofs und einem Festakt in der BONN treffen. ❏

106 AUFTRAG 261 AUS STANDORTEN UND KREISEN

SEMINAR FÜR FUNKTIONSTRÄGER DER GKS: “Wir sind eine Gemeinschaft und kein Verein”

ie Wolfsburg, Katholische Gruppenfoto der Seminarteilnehmer sche Akademie für die Er- auf der Treppe der Wolfburg, Dwachsenenbildung des Bis- einer ehemaligen Jugenstil-Villa. tum Essen, war vom 9. bis 11. De- zember 2005 Tagungsort für die GKS. Dort in Mülheim an der Ruhr hatten sich aktive und ehemalige Soldaten aus dem ganzen Bundesge- biet eingefunden, um am Seminar für Funktionsträger der GKS teilzuneh- men. Der etwas hölzern-administra- tiv klingende Begriff des Funktions- träger bezeichnet GKS-Mitglieder, die in der Gemeinschaft bereit sind eine aktive Rolle als Vorsitzender ei- nes Kreises oder Bereiches, An- sprechpartner, Leiter eines Sachaus- schusses oder als Stellvertreter einer dieser Aufgaben zu bernehmen. Und auch ein ehrenamtlich arbeitender Verband kommt nicht ohne Regeln und Verwaltungsverfahren aus, die gen und das Arbeiten mit dem Hand- mann zum Ausdruck, „wir sind eine bekannt sein und eingehalten werden buch erläuterten OStFw Schacherl Gemeinschaft und kein Verein“. müssen. und Oberstleutnant Rüdiger Atter- Dabei erläuterte er die gesamte Nachdem 2004 kein Seminar meyer, GKS-Vorsitzender im Bereich Struktur und den Aufbau der Ge- durchgeführt wurde, war es nun an Nordrhein Westfalen, am Beispiel ei- meinschaft Katholischer Soldaten. der Zeit, vor allem neue Funktions- ner Planung und Abrechnung eines Die Zuhörer in seinen Bann zu träger in die Arbeit der GKS an der Familienwochenendes. ziehen vermag auch Oberstleutnant Basis und am Standort einzuführen. Am nächsten Morgen ging es a.D. Paul Schulz. Als Chefredakteur Eingeladen dazu hatte der Bundes- nach dem Frühstück und Morgenlob der GKS-Publikation AUFTRAG, vorstand der GKS. Unter der Leitung mit einem straffen Programm weiter. gab er Tipps und nützliche Hinweise von Oberstabsfeldwebel Johann-A. Unter der Führung des Geistlichen zum Erstellen von Pressemeldungen Schacherl, bis vor kurzem stellver- Beirates der GKS, Militärdekan und Berichten. tretender Bundesvorsitzender, ging Georg Kestel, und seinem Nachfol- Der Nachmittag war auf das Mot- es noch gleich am ersten Abend bis ger, Militärdekan Hans Meyer, war to „Aus der Praxis – für die Praxis“ nach 21 Uhr. Das Handbuch der der Vormittag zu einem Großteil von gerichtet. Hier wurden viele Beispie- GKS stand auf dem umfangreichen Gruppenarbeit bestimmt. Der Ehren- le zu den Einzelthemen Zusammen- Programm. Das elektonische Hand- bundesvorsitzende, Oberst a.D. arbeit, Haushalt, Veranstaltungen buch auf CD wird zu Beginn 2006 Karl-Jürgen Klein ergänzte den Vor- und Hilfen für den Vorsitzenden auf aktualisiert neu herausgegeben. Vor- mittag noch mit einem Vortrag zum Standortebene gegeben. Nach dem gestellt wurde die überarbeitete CD Selbstverständnis der GKS. Essen war dieser praxisorientierte durch Bundesgeschäftsführer Oberst In seinen Ausführungen zur Or- Teil die optimale Ergänzung des Pro- a.D. Dr. Klaus Achmann. Detailfra- ganisation der GKS brachte Dr. Ach- gramms. OStFw Schacherl, Oberstlt

AUFTRAG 261 107 KIRCHE UNTER SOLDATEN

In den Abschlussgottesdienst bezieht Militärdekan Hans Meyer vor allem die anwesenden Kinder mit ein.

helfers Johannes an die GKS herausgestellt. Bresa vom Stand- Zur besonderen Würdigung sei- ort Köln-Wahn. ner Leistungen als Geschäftsführer Dieser sprach der GKS in NRW erhielt Gotzmann mögliche Probleme aus der Hand des Ehrenbundesvor- zwischen einem sitzenden Klein einen „Königsteiner GKS-Kreis und Engel“ aus Bronze. Dieser apokalyp- dem zuständigen tische Engel am Haus der Begegnung Standortpfarrer in Königstein/Taunus, dem Grün- und Pfarrhelfer dungsort des Königsteiner Offizier- konkret an. kreises (KOK), Vorläufer der GKS, Im Anschluss ist heute noch das Traditionszeichen an das Abendes- der GKS. sen gab Dr. Ach- Am Sonntagmorgen fand das Se- mann noch eine minar nach einem gemeinsamen Got- Attermeyer und Hauptmann a.D. Erläuterung zu GKS, GKS e.V. und tesdienst und einer Aussprache sein Günter Hagedorn, Haushaltsbeauf- FGKS. Dabei wurden jeweils Sinn Ende. Johann-A. Schacherl und Dr. tragter der GKS, gaben viele praktische und Zweck sowie die Vor- und Nach- Klaus Achmann bedankten sich noch Hinweise aus ihrem großen Erfah- teile erklärt. bei allen Teilnehmern und Referen- rungsschatz. Für jeden Funktionsträger Zum Abschluss des arbeitsrei- ten, bevor sich die Teilnehmer auf den nachvollziehbar sprachen die drei chen Tages trug Oberst a.D. Rolf Heimweg in Ihre Kreise machten. Praxiserfahrenen gezielt die Probleme Gotzmann das Ergebnis der nicht un- Voll neuem Wissen und Elan an der Basis an und zeigten Lösungs- mittelbar am Seminar teilnehmenden werden die kommenden Aufgaben an möglichkeiten auf. Ergänzt wurde die- Ehefrauen vor. Besonders wurden der Basis bewältigt werden. ser Teil mit einem Vortrag des Pfarr- hier die Erwartungen der Ehefrauen (Text u-Fotos: Walter Fröhler)

GKS-KREIS AUGUSTDORF: Stress – Weltflucht – erfülltes Leben im Kloster Themen beim Familienwochenende im Haus der KAB in Günne am Möhnesee über Stressmanagement. In drei ren die Teilnehmer des GKS-Kreises Stunden verdeutlichte er vor allem Augustdorf zu einer Staumauer- im zweiten Teil seiner Ausführungen, führung geladen. Nach einem kur- wie man Stress vermeiden kann: Ur- zem Spaziergang über die Staumauer sachen schon frühzeitig bemerken. des Möhnesees erfuhren die Teilneh- Nach dem Mittagessen fuhren die mer von der ortsansässigen Führerin Teilnehmer des GKS-Kreises August- Ulrike Interessantes aber auch Be- dorf nach Lippstadt. Viele nutzten drückendes über die Geschichte der diese Gelegenheit um durch die Staumauer, ihre Zerstörung im Krieg, Stadt zu spazieren und die Weih- den Wiederaufbau und Anderes. nachtsdekorationen anzuschauen. Um 11.30Uhr fand im Haus ein Am Nachmittag traf sich die Gruppe Gottesdienst statt, an dem Ortsansäs- wieder zu einer Klosterführung. Dort sige, Mitarbeiter und natürlich die ür drei Tage hatte StFw Gerd stieß der Leitende Militärdekan Mitglieder der GKS teilnahmen. An- Pape, Vorsitzender des GKS- Köln-Wahn Rainer Schnettker zur schließend traf man sich zu einem FKreises Augustdorf, an den Gruppe hinzu. Ein junger Pater leite- Abschlussgespräch. Möhnesee ins Haus der KAB zu ei- te die Führung und beantwortete of- Ehe sich dann die Wege der zu- nem Familienwochenende eingela- fene Fragen zum Thema „Kloster, Le- friedenen Teilnehmer trennten und den. Am Anreisetag, dem 25. No- ben im Kloster ...“. Anschließend lud jeder nach Hause fuhr, hat man sich vember, ging es nach dem Abendes- er zum Gespräch am reichlich ge- noch kräftig während des Mittages- sen gleich an das Thema: „Welt- deckten Kaffeetisch ein. Dort unter- sens gestärkt. (Christian Schacherl) flucht, oder erfülltes Leben – ein Be- hielt man sich angeregt weiter und such im Kloster“. Das Wochenende erfuhr außerdem, wie eine Ausbil- startete verschneit. dung zum Priester abläuft. OTL Michael Hellmig hielt am Vor- Der Sonntag begann mit dem mittag des Samstags einen Vortrag Frühstück. Am frühen Vormittag wa-

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GKS-KREIS KÖLN-WAHN: Die Streitkräftebasis ist aus der Bundeswehr nicht mehr wegzudenken Neujahrsempfang der GKS mit Informationen zur Zukunft der Bundeswehr treitkräftebasis – wichtiger Ziele verfolgt: denn je“. „Das ist ein provo- 1. Die Erhöhung der „Skant formuliertes Thema“, Einsatzwirksam- sagte Generalleutnant Hans-Hein- keit und Verdrei- rich Dieter, Stellvertretender Gene- fachung der Ein- ralinspekteur der Bundeswehr und satzkräfte. Inspekteur der Streitkräftebasis 2. Steigerung der (SKB), „Es ist ein gutes Thema, denn Effizienz und Wirt- Zukunft und Veränderung passen schaftlichkeit der zum Neujahrsempfang.“ Damit war Bundeswehr. Generalleutnant Dieter, der mit sei- 3. Das Sparen von nem Vortrag im Mittelpunkt des Betriebskosten. Neujahrsempfanges des GKS-Krei- Dazu wurden im Jahr ses Wahn stand, auch gleich bei der 2000 überflüssige und Sache. Und zwar: Entstehung, Struk- zum Teil mehrfach tur, Aufgaben und Zukunft der SKB. wahrgenommene Auf- gaben des Heeres, der Über 80 Gäste kamen Luftwaffe und der Marine gebündelt. Zur Einstimmung sang der Männerchor In der SKB wurden somit Auf- der Bundeswehr Wahn unter der Leitung Zum zweiten Neu- gaben, die „streitkräftegemein- von Hauptfeldwebel Markus Wolters. jahrsempfang der sam effizienter und effektiver“ erwiesen habe. Dennoch stehe die GKS Köln-Wahn zu lösen sind, zusammenge- SKB vor neuen Herausforderungen. hatte der Kreis- Vorsitzende, fasst. Eine davon sei die Transformation. Oberstleutnant Das heißt, die Erhöhung der Wirk- Albert Hecht, Unentbehrlich samkeit der Bundeswehr im in den Pfarrsaal Dieter stellte heraus, dass streitkräftegemeinsamen Einsatz. des katholischen die SKB mit rund 55.000 Sol- Dabei werde die SKB in Zukunft eine Standortpfarrers daten und 22.000 zivilen Mit- entscheidende Rolle spielen, so der eingeladen. arbeitern ein eigenständiger General, denn: „Im Rahmen des militärischer Organisations- Transformationsprozesses übernimmt Unter den etwa 80 anwesenden bereich sei, der aus der Bundeswehr die SKB noch mehr Querschnittsauf- Gästen begrüßte er besonders den nicht mehr wegzudenken ist. gaben und wächst personell leicht Referenten General Hans-Heinrich „Mittlerweile besteht die SKB seit auf“. Dieses Thema warf eine von Dieter (Foto u. Mitte), den Standort- fünf Jahren und hat bereits ein- vielen Fragen aus dem Publikum auf, ältesten Wahn Brigadegeneral Hans- drucksvoll nachgewiesen, dass die denen der General nach seinem Vor- peter Broekelschen, Generalmajor damalige Idee nicht nur visionär und trag Rede und Antwort stand. Im An- Hermann Wachter (Foto r.), Stellver- mutig, sondern vor allem auch richtig schluss führte er dann die Diskussi- treter des Befehlshabers des Luft- war.“ Das zeigt sich unter anderem on über die SKB beim Stehempfang waffenführungskommandos, Briga- bei Auslandseinsätzen. Die SKB lie- fort. (Text u-Fotos: Walter Fröhler) degeneral Berthold Buchholz (Foto fert zum Beispiel im l.), Amtschef des Logistikamtes der Einsatz Führungs- Bundeswehr, sowie den neuen GKS- unterstützung, Logis- Bundesvorsitzenden Oberstleutnant tik, Operative Informa- Paul Brochhagen. tion und Strategische Aufklärung an die Teil- Fünf Jahre Streitkräftebasis streitkräfte. Generalleutnant Dieter begann seinen Vortrag mit einigen Hinter- Diskussion auch grundinformationen zur Entstehung beim der SKB. Diese gibt es mittlerweile Stehempfang seit fünf Jahren. Sie ist Bestandteil In einer Zwischen- der Reform innerhalb der Bundes- bilanz stellte General wehr. Vor dem Hintergrund der Glo- Dieter fest, dass sich balisierung und der steigenden An- die „Idee SKB“ als zahl der Auslandseinsätze hat die zweckmäßig, effizient Bundeswehr mit der SKB folgende und zukunftsorientiert

AUFTRAG 261 109 KIRCHE UNTER SOLDATEN

GKS-KREIS KÖLN-WAHN: Teilen, ein Thema das Alle berührt om 16. bis 18. Dezember 2005 te sich Albert Hecht für die zahlrei- hatte Oberstleutnant Albert che Teilnahme an diesem Wochen- VHecht, Vorsitzender des GKS- ende und das Engagement der Hel- Kreises Köln-Wahn, zu einem weih- fer. Besonderen Dank sprach Oberst- nachtlichen Familienwochenende im absfeldwebel Werner Koch für sei- Advent eingeladen. Dazu hatte Hecht nen unermüdlichen Einsatz in der erneut das Tagungshotel „Maria in GKS aus und überreichte diesem der Aue“ in Wermelskirchen ausge- eine Urkunde und eine Uhr mit dem sucht. GKS-Logo. Die etwa 40-köpfige Gruppe Der Samstag war geprägt von konnte kein besseres Ambiente für Arbeitseinheiten zu dem Thema, „Ist ihre Weihnachtsfeier haben. In dem Teilen heute noch modern?“ Militär- Tal der Herberge lag Schnee und im pfarrer Gregor Ottersbach leitete die Hof des Tagungshotels befand sich Runde und verdeutlichte, „... wir le- ein kleiner Weihnachtsmarkt. Der ben in einer Gemeinschaft, weil jeder Tagungsraum war weihnachtlich ge- etwas einbringt“. In kleineren schmückt und es roch nach Glüh- Arbeitsgruppen wurde das Thema wein und Plätzchen. nochmals vertieft und rege disku- Damit war der Rahmen für einen tiert. Selbst während der Winter- gelungenen Jahresabschluss gege- wanderung am Nachmittag, konnten ben. Bei dieser Gelegenheit bedank- sich einige nicht von der Aufgaben- stellung trennen. Das Ziel, über das Zu den Bildern von o.n.u.: Teilen generell und speziell in der Die beiden Vorsitzenden der Kölner heutigen Zeit nachzudenken, wurde GKS-Kreise, OTL Albert Hecht (l.) absolut erreicht. Wahn, und OTL Franz Meierhöfer Köln, einträchtig im Gespäch miteinander. Nach einem gemeinsamen Got- tesdienst und einem gemütlichen Ganz bei der Sache bemalen Kinder Krippenfiguren. Abend klang das gelungene Wochen- Rege Diskussion in der Gruppe zum ende aus. Der Vorsitzende lud noch Thema „Ist Teilen heute noch modern?“ zu den anstehenden Terminen, der Der Vorsitzende Wahn, OTL Hecht, Mitgliederversammlung am 27. dankt StFw Werner Koch für sein bei- April, dem Familiennachmittag am spielhaftes Engagement im GKS-Kreis Wallfahrtsort Maria Laach am 6. Wahn und überreicht ihm neben einer Mai, dem Familienwandernach- Urkunde eine Uhr mit dem GKS-Logo. mittag am 10. Juni und zur Teilnah- Betreuung für kleine und Große Kinder, me an der Fronleichnamsprozession alle machen interessiert mit. in Köln am 15. Juni ein. (Text und Bilder: Walter Fröhler) >>

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GKS BEREICH RHEINLAND-PFALZ/HESSEN/SAARLAND: Wir brauchen junge Familien zur Mitarbeit Bereichskonferenz im Kloster Engelport wählt Oberstleutnant Alfred Warner zum Bereichsvorsitzenden Erwachsene und 2 Kinder neuen Standortpfarrer Mainz und ge Mitglieder zu gewinnen, damit die kamen vom 9. bis 11. De- dem neuen Vorsitzenden des Seel- GKS stark bleibe. „Jeder der Anwe- 24 zember im Kloster Engel- sorgebezirksrates eine Auffrischung senden soll im kommenden Jahr ein port zur Konferenz der GKS für den und Belebung dieses Kreises zu er- neues Mitglied mitbringen, dann Bereich Rheinland-Pfalz/Hessen/ reichen. sind wir auf dem richtigen Weg.“ Saarland zusammen und wurden Neu gegründet wurde im Früh- Im Anschluss standen die Neu- nach einem ersten gemeinsamen jahr 2005 ein GKS-Kreis in Birken- wahlen zum Bereichsvorstand an. Abendessen durch den stellvertre- feld. Dort finden wöchentlich regel- Jeweils einstimmig wurden Oberst- tenden Vorsitzenden Hauptmann mäßige Treffen zum gemeinsamen leutnant Alfred Warner zum Vorsit- Wilfried Puth begrüßt. Besonders Gebet und zur Weitergabe von Infor- zenden, Hauptmann Wilfried Puth hieß er den neuen Bundesvorsitzen- mationen statt. Auch größere zum 1. Stellvertreter, Stabsboots- den der GKS, Oberstleutnant Paul Vortragsveranstaltungen wurden mann Joachim Riederle zum 2. Stell- Brochhagen, und das Ehepaar schon durchgeführt und der Kreis ist vertreter und Hauptmann a.D. Brigitte und Hans-Jürgen Mathias auf einem guten Weg. Intensiviert Günter Neuroth zum 3. Stellvertreter als Leiter des „Seminars 3. Lebens- werden die Bildung und Gründung gewählt. Der Vorstand bestellte phase der GKS“ willkommen. eines GKS-Kreises in Koblenz. Hier Hauptmann a.D. Heinrich Dorndorf Nachdem in einer Vorstellungs- will sich Oberstleutnant Alfred zum Geschäftsführer des Bereiches. runde der „Staffelstab“ von einem Warner besonders einbringen. Der Sonntagvormittag stand zu- zum anderen gegangen war, folgten Nach dem Morgenlob stand ein nächst im Zeichen eines Vortrages die Berichte aus den GKS-Kreisen Vortrag des Katholischen Militär- des Ehepaars Mathias zum Seminar des Bereiches. Sehr aktiv ist die pfarrers Idar-Oberstein Knut Lehnert 3. Lebensphase der GKS. Es folgte Gruppe aus Bad Neuenahr-Ahrwei- zum Thema „Von SFOR zu EUFOR ein Bericht des noch amtierenden ler. Oberstleutnant Walter Schäffer – Eindrücke eines Militärpfarrer in Katholischen Leitenden Militärde- konnte stellvertretend für seinen einem aktuell wenig beachteten Ein- kan Koblenz, Monsignore Carl Ur- Vorsitzenden Hauptmann Michael satzgebiet“. Untermalt von einer sprung. Nachdem er unter anderem Wilke auf eine Vielzahl von Aktivitä- Vielzahl von Fotos und Tondokumen- auf die personellen Veränderungen ten zurückblicken. Insbesondere die ten stellte er Land und Leute, die po- im Katholischen Militärbischofsamt Wanderungen (unter anderem ge- litische und religiöse Situation, die dargestellt hatte, die auch ihn per- meinsam mit dem GKS-Kreis Köln- Gefahren und vieles andere aus sei- sönlich betreffen – er übernimmt im Wahn) in der Gegend um Bad Neu- nem Erfahrungsschatz aus einem 6- KMBA das Referat „Personal“ –, enahr, die regelmäßigen Stammtisch- monatigen Einsatzes in Bosnien und ging er auf die bevorstehenden Um- treffen und eine Adventsfeier mit Herzegowina dar. Er tat dies aus der strukturierungen der Katholische Mi- immerhin 42 Teilnehmern fanden spezifischen Sicht eines Militär- litärseelsorge ein. Außerdem stellte hierbei Erwähnung. seelsorgers und aufmerksamen Beob- er Planungen für den Deutschen Ka- Etwas weniger aktiv ist der GKS- achters, der in der frühen Phase den tholikentages 2006 in Saarbrücken Kreis in Mainz, was durch den Spre- Übergang von der NATO-Mission und die 46. Woche der Begegnung in cher auf die Überalterung (fast alle SFOR zur durch die Europäische Ludwigshafen vor. Komplettiert wur- Mitglieder sind 65 Jahre und älter) Union geführten Mission der EUFOR de sein Bericht mit einem Überblick zurückzuführen ist. Hier ist es beab- miterlebt hatte. über die personelle Situation in sei- sichtigt, in Zusammenarbeit mit dem Am Nachmittag stand eine Ex- nem Verantwortungsbereich, der kursion zur Reichsburg in Cochem derzeit keine Vakanzen aufweise. << Zum Foto S. 110: mit Führung und Besichtigung sowie Im Anschluss an seine Ausfüh- Der neue Bereichsvorsitzende Oberst- ein Besuch des Cochemer Weih- rungen zelebrierte er in der Kloster- leutnant Alfred Warner (Mitte) mit sei- nachtsmarktes auf dem Programm, kirche einen eindrucksvollen Fami- nem 1. Stellvertreter Hptm Wilfried bevor am Abend der Bundesvor- liengottesdienst. Die Kollekte in Puth (2. v.r.) und dem Geschäftsführer sitzende der GKS ausführlich aus Höhe von immerhin 71,20 Euro wur- Hptm a.D. Heinrich Dorndorf (ganz seinem breiten Tätigkeitsfeld berich- de dem Projekt der Nachbarschafts- links). Es fehlen StBtm Joachim Ried- tete. Oberstleutnant Brochhagen hilfe der Zentralen Versammlung zur erle (im Einsatz im Kosovo) und Hptm stellte dabei fest, dass er gerne in die Unterstützung landminengeschädig- a.D. Günter Neuroth (im UN-Einsatz in Bereiche ginge, um die Kreise und ter Kinder im Kosovo zu Verfügung Banda Aceh). Erste Gratulanten waren der Katholische Leitende Militärdekan die Basis kennen zu lernen und er gestellt. Nach dem Mittagessen kehr- Koblenz, Militärdekan Msgr. Carl Ur- sich über jede Begegnung freue. Er ten die Teilnehmer nach einem sprung (r.) und der Bundesvorsitzende appellierte an alle Anwesenden arbeitsreichen Wochenende gestärkt der GKS Oberstleutnant Paul Broch- „missionarisch“ zu wirken, um an Seele und Geist in ihre Heimator- hagen (2.v.l.). neue, junge, engagierte und tatkräfti- te zurück. (Wilfried Puth)

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GKS-KREIS INGOLSTADT: Ingolstädter Familien in der Wies as letzte Familienwochenende des GKS-Kreises Ingolstadt führte die zahlreichen Teilnehmer ins Allgäuer Voralpenland nach Steingaden. DIn der Landvolkshochschule Wies – in Sichtweite zur Wieskirche – traf man sich am zweiten Adventwochenende zur Behandlung eines interes- santen Themas: Glück – Gesundheit – Beziehungen. Die Anreise am Freitag gestaltete sich bei schönem Winterwetter problemlos. Die Veranstaltung be- gann wie immer mit dem gemeinsamen Abendessen. Nach einer kurzen Be- grüßung durch den Vorsitzenden Harald Büttel und einer Einführung in das Thema traf man sich im Gemeinschaftsraum des Hauses zum gemütlichen Beisammensein. Der Samstag begann mit einem kurzen Morgenlob durch Militärpfarrer Alois Berzl, bevor es ans Frühstück ging. Pünktlich begann dann der Vortrag des Referenten Roman Aigner. Zunächst wurde er durch den Vorsitzenden des GKS-Kreises Ingolstadt begrüßt und vorgestellt. In seiner eigenen Vor- stellung ging er besonders auf die katholische Landvolkbewegung in der Diö- zese Augsburg ein. Danach wollte sich der Referent ein Bild von unserer für ihn unbekannten Gruppe machen. Mit ver- schiedenen Einführungsspielen konnte er einiges über die verbrachte Nachtruhe, die landsmannschaftliche und religi- öse Zugehörigkeit erfahren. Danach begann er mit dem The- ma „Was entscheidet über Gesundheit, Glück und der Kraft verlässlicher Beziehungen?“ Dabei stellte er besonders heraus, dass heutzutage für alle Menschen die Gesundheit das höchste Gut ist. Auch die Fragen „Was macht mich glücklich“ und „wie werden meine Beziehungen davon be- einflusst“ wurden als Folge behandelt. Die Definition von „Glück“ nahm einen breiten Rahmen ein. Hier brachten sehr viele Teilnehmer ihre ganz persönlichen Gedanken zum Ausdruck. So kann Glück eine Momentaufnahme oder auch ein anhaltender Zustand sein. Glück kann auch durch die Kraft der positiven Gedanken beeinflusst werden. Ab- schließend wurden durch Roman Aigner noch verschiedene selbst erlebte Beispiele von verlässlichen und nicht verläss- lichen Beziehungen und die Auswirkungen auf die Betroffe- nen vorgestellt. Die Anwesenden konnten so doch einige gute Anregungen mitnehmen. Der Nachmittag war traditionsgemäß zur freien Verfü- gung. So nutzen ihn einige, um sich die nahe Wieskirche anzusehen, einen Christkindlmarkt in Saulgrub zu besu- chen oder einen Stadtbummel in Füssen zu unternehmen. Bis zum gemeinsamen Abendessen waren jedoch alle wieder zurück. Der Abend galt wieder der Geselligkeit. Am Sonntag stand nach dem Frühstück wieder der Got- tesdienst auf dem Programm. In der hauseigenen Kapelle wurde er durch Militärpfarrer Alois Berzl zelebriert. Darin wurden die Kinder bei der Gestaltung des zweiten Advent- sonntags sehr gut mit einbezogen. So durften zwei Kinder die beiden Adventkerzen entzünden. Zwischen dem Gottesdienst und dem Mittagessen blieb Der GKS-Vorsitzende Harald Büttel (r.) noch genügend Zeit für die Räumung der Zimmer und einen schönen Spa- bedankt sich beim Referenten des Wo- ziergang in der winterlichen Landschaft des Voralpenlandes. Manche nutzten chenendes Roman Aigner. jetzt auch die Zeit, um die Wieskirche aufzusuchen. Die winterlichen Gesellige Damenrunde am Abend. Die Kinder werden von Militärpfarrer Straßenverhältnisse, die am Samstag auf ihrem Höhepunkt waren, hatten Alois Berzl in die Gestaltung des Got- sich am Sonntag wieder normalisiert. Deshalb gestaltete sich die Heimreise tesdienstes einbezogen. für die Teilnehmer auch weitgehend problemlos. (Helmut Häckl)

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GKS-KREIS DORNSTADT BESUCHT Besuch im Priesterseminar der Diözese Augsburg Kommt her, folgt mir nach! Parallel dazu nutzte natürlich auch jeder Einzelne die Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Gelegenheit auf Fragen verschiedenster Art eine Antwort Markus 1, 17 zu erhalten, woraus eine bis spät in die Nacht andauernde ewiss hatte der eine oder andere schon einmal die Konversation resultierte. Gelegenheit, mit einem Pfarrer, Kaplan oder Vikar Am Ende dieser Begegnung, Besinnung und Bildung, Gein Gespräch über die Ausbildung und die daraus in der die Besucher erfahren durften, wie die Priester- resultierenden unterschiedlichen Dienste und Aufgaben amtskandidaten es lernen, nach dem Vorbild des Evange- eines Priesters zu führen. Den wenigsten wird es jedoch liums zu leben, verabschiedete sich die Gruppe bei Re- bisher vergönnt gewesen sein, sich einmal direkt in einem gens Dr. Hartl ((Mitte im Bild unten) mit einem herzlichen Priesterseminar einen Einblick zu verschaffen. Vergelt’s Gott und den besten Wünschen für eine geseg- Umso mehr freuten sich die Mitglieder und Gäste des nete Zukunft! (Stefan Nüßle) GKS-Kreises Dornstadt, als sich ihnen im Januar die Möglichkeit für einen Besuch des durch Papst Johannes Paul II. im Jahre 1987 eingeweihten Bischöflichen Pries- terseminars Sankt Hieronymus in Augsburg, auch noch in der Diözese, der seit letztem Jahr „ihr“ Militärbischof Dr. Walter Mixa vorsteht, bot. Nach einer herzlichen Begrüßung durch den Leiter des Priesterseminars, Regens Dr. Christian Hartl, erfolgte unter der Regie von Oliver Rid (Seminarist im 5. Kurs) eine dreißigminütige Einweisung in die Sakristei, bei wel- cher den Gästen die sakralen Gegenstände wie Monstran- zen und Messgewänder vorgestellt und auch deren Bedeu- tung (z.B. die der liturgischen Farben) ausführlich erklärt wurden. (oberes Foto) Im Anschluss führte der Seminarist Martin Rudert (Hauptgefreiter der Reserve und Mitglied des GKS-Krei- ses Dornstadt), welcher im III. Quartal 2005 in das Pries- terseminar eintrat, die Gruppe durch das Haus und zeigte ihnen, angefangen von der Aula über die Bibliothek und das Musikzimmer bis hin zur Kapelle, was den künftigen Priestern während ihrer Vorbereitung auf das Priesteramt zur Verfügung steht. Nun schloss sich in der dem Kirchenlehrer Hieronymus geweihten Kirche (der in Kroatien geborene Heilige ist der Patron der Theologen, Gelehrten, Lehrer, der Studenten, der Schüler und der Übersetzer) der Be- such einer Messefeier an. Sie wurde von Monsignore Dr. Wilhelm Imkamp – Wallfahrtsdirektor von Maria Vesper- bild, einem der größten Wallfahrtsorte Bayerns – zeleb- riert. Nach dieserm Labsal des Geistes folgte nun im Spei- sesaal des Hauses die Stärkung des Leibes, während der es bereits zu einem ersten regen Gedankenaustausch zwi- schen den Seminaristen und ihren Gästen kam. Bei einem anschließenden Gesprächskreis (mittleres Foto), bei dem die Teilnehmer über das Markusevange- lium einen gelungenen Einstieg zur Thematik fanden, wurde von Prof. Dr. Gregor Wurst, Professor für Kirchen- geschichte an der Universität Augsburg, und Benedikt Gruber, Seminarist im 4. Kurs, die Ausbildung zum Pries- ter und der Dienst des Priesters hinsichtlich seines Auf- trages – Diakonie, Verkündung und Liturgie – vorgestellt. Neben den Inhalten des II. Vatikanischen Konzils und denen des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens (Pastores dabo vobis) gingen Prof. Dr. Gregor Wurst und Benedikt Gruber hierbei auch speziell auf den Codex des Kanonischen Rechtes ein.

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GKS-KREIS DORNSTADT: Im Dialog mit der Orthodoxie

ls Bildungs- und Aktionsgemeinschaft besuchten Mitglieder, Mitarbeiter und Gäste des GKS-Kreises ADornstadt im Zeichen des ökumenischen Gedan- kens im Oktober 2005 das Gotteshaus der Russisch-Or- thodoxen Gemeinde in Ulm, in welchem ihnen der Mönchspriester Maxim bei einer Führung einen Einblick in die Theologie und das Kirchenrecht der Orthodoxie gab. Die Kapelle, die sich im Zentrum von Ulm (unmittel- bar neben dem Ulmer Münster mit dem höchsten Kirchturm der Welt) befindet, wurde im 15. Jh. durch den Ulmer Adeligen Rembolt als Ruhestätte für seine Familie errichtet. Nachdem sie über lange Zeit zweckentfremdet wurde, dient sie nun seit einigen Jahren der Russisch-Or- thodoxen Gemeinde der Heiligen Märtyrer Valentin und Pasikratus als Gotteshaus. Diese Gemeinde gehört zur Berliner Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und zählt etwa 500 Gläubige. Die Gruppe trifft sich vor der russisch-orthodoxen Kapelle mit Im Anschluss an die Führung fand im Offizierheim dem Mönchspriester Maxim (Mitte), links der Vorsitzende des Ulm ein Dialog über die Unterschiede aber auch die Ge- Dornstädter GKS-Kreises Olt Stefan Nüßle, der dem Popen als meinsamkeiten der beiden christlichen Konfessionen Dank ein Geldgeschenk für einen sozialen Zweck überreichte. statt. Neben dem Wissen des Mönchspriesters Maxim und des Pastoralreferent Mader, Geistlicher Assistent des GKS-Kreises Dornstadt, profitierten die Teilnehmer zu- sätzlich von den Erkenntnissen und Erfahrungen von Monsignore Josef Kaupp, Pfarrer der Kirchengemeinde Sankt Michael zu den Wengen. Dieser kann ebenso wie der als Vertreter für das Laienapostolat anwesende 2. Vor- sitzende der Katholischen Gesamtkirchengemeinde Ulm, Oberstudienrat Wolfgang Seibold, auf eine langjährige Arbeit im Dienst der Ökumene zurückblicken. Die Teilnehmer waren zuversichtlich, dass sie mit diesem Treffen zumindest an der örtlichen Basis einen Beitrag zur Überwindung der Gegensätze zwischen den christlichen Konfessionen durch Dialog und gemeinsames Handeln geleistet haben. Der Vorsitzende des GKS-Krei- ses Dornstadt, Oberleutnant Stefan Nüßle, überreichte als ein Symbol der Hoffnung auf die Einheit des Glaubens, Mönchspriester Maxim den „Königsteiner Engel“, der in der Offenbarung 11, 15-19 die uneingeschränkte Herr- schaft Gottes ankündigt. (Stefan Nüßle)

INTERNATIONALE JUGENDFREIZEIT 2005 IN KÄRNTEN/ÖSTERREICH: Anfängliche Skepsis vor dem Unbekannten wich heller Begeisterung Bericht einer 11-jährigen Teilnehmerin am Sommercamp in Kärnten vom 13. bis 21. August 2005 nfang letzten Jahres kam mein Ich konnte es mir nicht vorstellen, packliste überwand die ersten Sprach- Papa mit einer Einladung zu wie man sich mit den anderen Natio- hürden. So war beispielsweise der Aeinem internationalen Sommer- nen verständigen konnte und eigent- Begriff „Badeschlapfen“ für mich camp in Österreich vom Dienst nach lich war es mein erster Aufenthalt völlig neu. Hause. An dieser Freizeit durften ohne meine Eltern in so weiter Ferne. Dann war er endlich da, der Tag Teilnehmer aus Österreich, Ungarn, Aber je mehr ich von dem Jugend- auf den ich mich schon sehr freute. Slowenien, Italien und von der GKS camp erfuhr, desto neugieriger wurde Früh am Morgen brachten meine El- aus Deutschland teilnehmen. Zu- ich. Schon das Packen meines Kof- tern meinen Bruder und mich zum nächst war ich noch etwas skeptisch. fers nach österreichischer Koffer- Hauptbahnhof nach Köln. Mit mul-

114 AUFTRAG 261 AUS STANDORTEN UND KREISEN migem Gefühl im Magen dort ange- dus. Ein Bus brachte uns zuerst zu ei- die ganze Woche keine Langeweile kommen, warteten schon einige ner Tropfsteinhöhle und dann ins Mini- und wir wurden eine richtig tolle Ge- ebenfalls aufgeregte Kinder. Wenig mundus. Das ist ein Park, der ver- meinschaft. Um das auch sichtbar zu später trafen auch unsere Betreuer- schiedene bekannte Gebäude, z.B. machen, stellten wir für alle Kinder innen, Gaby Schingen und Claudia Eiffelturm u.a. im Kleinformat zeigt. Freundschaftsbänder her. Seabreeze ein. Damit wir uns schnell Viel Spaß bereitete mir auch die Am Ende dieser schönen neun kennen lernten verteilte ich „Papp- Stadtrallye, bei der wir viele Perso- Tage wurde noch ein interessanter orden“ mit Namen und einer kleinen nen befragen mussten und uns an- Verabschiedungsabend gestaltet, bei Wegzehrung an alle Teilnehmer. Wir schließend bei McDonalds stärkten. dem alle Nationen etwas aufgeführt verabschiedeten uns von unseren El- Beim Erste-Hilfe-Kurs wurden oder gespielt haben. tern und stiegen gespannt in den Zug wir Kinder so echt geschminkt, dass Fröhlich, aber auch traurig, weil ein. Unterwegs kamen noch Kinder in die Sanitäter danach wirklich Erste- man sich jetzt wieder trennen muss- Stuttgart und München hinzu. Obwohl Hilfe leisten mussten. Trotzdem war te, fuhren wir nach dem Reisesegen wir uns alle nicht kannten schlossen es schön, einmal im Krankenwagen wieder mit dem Zug Richtung wir schnell Freundschaften und das zu liegen ohne verletzt zu sein. Deutschland. Wir tauschten noch ge- Gemeinschaftsgefühl wuchs. An einem Tag standen verschie- genseitig Adressen aus und sind seit- Nach zehn Stunden Zugfahrt ka- dene Workshops auf dem Programm. dem im Kontakt geblieben. men wir endlich am Ziel an. Am Die Kinder, die letztes Jahr schon Ganz besonders bedanken möch- Bahnhof warteten Fahrzeuge der dabei waren, freuten sich ganz te ich mich bei unserem „Ober- Militärpfarre aus Kärnten, die uns auf besonders auf die Schlangenfrau mit macho“ Markus, bei Marlene, bei den Truppenübungsplatz Marwiesen „Mister Bean“, einer Riesenschlan- unseren zwei deutschen Betreuer- brachten. Dann wollten wir unsere ge. Ich fand aber auch die anderen innen Gaby und Claudia sowie bei Zelte beziehen, aber leider hatte es Workshops wie Reiten, Panzer- allen, die dieses Camp geplant und dort reingeregnet und deshalb durften fahren, Afro-Dance, Line-Dance und mitgestaltet haben. wir während der Freizeit im Speise- Trommeln sehr schön. Mir hat es sehr viel Spaß ge- saal schlafen. Anschließend gingen An einem anderen Tag wurden macht Kinder aus anderen Nationen wir im großen Discozelt essen und verschiedene Turniere veranstaltet. kennen zu lernen und freue mich wurden von Marlene – genannt Big Für unseren sportlichen Einsatz wur- heute schon auf ein hoffendliches Mama, weil sie die Chefin war – den den die einzelnen Mannschaften mit Wiedersehen im Sommer 2006. anderen Nationen vorgestellt. Tod- Urkunden belohnt. Eure Annika Preuss müde fielen wir wenig später in unse- Umgeben waren diese Veranstal- re selbstbezogenen Feldbetten. tungen von einem freundlichen Mit- Wer durch den Bericht Geschmack be- Am nächsten Tag weckte uns einander, einem täglichen Abendlob kommen hat, schaue auf die nächste Marlenes laute, energische Stimme und einigen Pflichten die wir zu er- Seite oder wende sich für weitere Aus- aus dem Lautsprecher mit den Wor- bringen hatten. So wurden alle Reini- künfte direkt an: ten: „Container 1, 2, 3 und 4 mit Be- gungsarbeiten durch die Kinder erle- Major Andreas Preus, PersABw/OPZ, chern zum Essen antreten.“ Uns war digt und von Marlene im Rahmen ei- Kölner Str. 262, 51140 Köln sofort klar, was sie sagte, musste be- nes Stuben- und Toilettendurchgangs Bw 90-3540-2416 folgt werden! Beim Essen erfuhren persönlich abgenommen. Nach- Tel. 02203-105-2416 wir die Programmpunkte der nächs- reinigungen dienten gerade zu Be- Es können bis zu 20 Kinder teilneh- ten Tage. ginn als Disziplinierungsmaßnahme. men; auch Betreuer(innen) sind will- So fand am selben Nachmittag bis Wie ihr lesen konntet hatten wir kommen. zum Abend die Eröffnungsveranstal- tung statt, zu der wir auch von Markus Stromberger, dem Leiter der Militär- pfarre Kärnten, sowie dem Militär- kommandanten aus Kärnten begrüßt wurden. Zur Untermalung der Veran- staltung präsentierte uns ein Chor steirische Musik, die uns auf die nächsten Tage in Kärnten einstimmte. Neben einer Panzer- und Sturm- bootfahrt, Reiten, Schießen und ei- nem Erst-Hilfe-Kurs standen auch noch eine Fackelwanderung, ein Kinoabend, eine Schnitzeljagd und Diskoveranstaltungen auf dem Pro- gramm, sodass wir viele erlebnis- reiche Tage genießen konnten. Ganz besonders freute ich mich auf den Tagesausflug ins Minimun-

Die deutsche Gruppe des AUFTRAG 261 Sommercamps 2005 115115 KIRCHE UNTER SOLDATEN Ausschreibung für das 3. internationale Sommercamp

116 AUFTRAG 261 Buchbesprechungen

Politik Ethik der Welt. Zwar existieren mit der engen Ein- bindung in Europa, der besonderen Bedeu- Johannes Michael Schnarrer; Komplexe tung der transatlantischen Beziehungen so- Ethik 2: Politik und Globalisierung/ Sven Bern- wie einer grundsätzlich multilateralen Ori- Sittliche Urteilsbildung in der vernetz- hard Gareis: entierung Jahrzehnte alte Konstanten für die ten Gesellschaft. Wien: jms-printings, „Deutsch- Ausrichtung deutscher auswärtiger Politik 2006; 283 Seiten. lands Außen- fort. Doch stehen der ebenfalls traditionell Ungewollt ist der Effekt, doch ein- und Sicher- gepflegten Kultur der machtpolitischen Zu- drucksvoller hätte der Rahmen eines Werkes heitspolitik. rückhaltung Erwartungen und Erfordernisse über Ethik im globalen Zeitalter nicht ge- Eine Einfüh- gegenüber, eine seiner geographischen Lage, setzt werden können: Beim Aufschlagen des rung“. Größe und Wirtschaftskraft entsprechende Werkes „Komplexe Ethik 2: Politik und Glo- Verlag Barba- Führungsrolle als europäische Zentralmacht balisierung“ konkurriert – durch heute ra Budrich, aktiv zu gestalten. Es geht darum, zusammen durchaus üblichen Finanzierungszwang – Leverkusen- mit seinen engsten Verbündeten den Prozess die Anzeige einer global-operierenden Spe- Opladen, der europäischen Einigung dynamisch vor- dition mit der Werbung einer Wiener Privat- 2005. 268 anzubringen, dabei aber die Dominanzäng- bank. 620 Büros verknüpft über 98 Länder Seiten. ste kleinerer und neuer Partner zu berück- teilen sich die Doppelseite mit einer „Kapi- Das Lehrbuch für alle an Politik Inter- sichtigen und zu entkräften, die Festigung talanlage mit gutem Gewissen“, einem soge- essierte, führt in zwölf kompakten Kapiteln der transatlantischen Interessen- und Werte- nannten Ethik-Fonds. Vernetzt ist die Welt in Grundlagen, Handlungsfelder und Pers- gemeinschaft konsequent zu fördern und durch Waren-, Dienstleistungs- und Kapital- pektiven der deutschen Außen- und Sicher- sich nicht zuletzt auch als souveräner Staat ströme, nur geeint ist sie nicht im Konsens heitspolitik ein. Es ist so konzipiert, dass mit eigenen Interessen im globalen Kontext über das Gute, Gerechte, Erstrebenswerte. jedes Kapitel eine abgeschlossene Einfüh- behaupten zu können. Eine aktuelle Orientierungshilfe möchte das rung in die behandelte Thematik bietet und Aus dem Inhalt: jüngste Werk des Wiener Theologen und mit Verweisen sowie Links zur vertiefenden Teil I: Grundlagen Philosophen geben, der sich vor allem als Befassung anregt. Teil II: Ausgewählte Handlungsfelder Ethiker einen Namen gemacht hat. Seit seiner Wiedervereinigung durch- Teil III: Perspektiven Auf 283 Seiten werden die gesellschaft- läuft Deutschlands Außen- und Sicherheits- Schlagworte: Deutsche Außenpolitik, lichen Pole unserer Zeit aus verschiedenen politik einen Prozess der umfassenden Neu- Sicherheitspolitik, Internationale Perspektiven beleuchtet und analysiert. Ge- bestimmung seiner Position in Europa und Beziehungen meinschaft und Einzelmensch werden sich ebenso gegenübergestellt wie Nationalstaat und Weltgemeinschaft. Politiker als Entschei- Der deutsche Papst – ein Nachtrag dungsträger in Verantwortung werden mit Politikern als Mimen des Skandals vergli- Klaus-Rüdiger Mai: „Benedikt XVI. mit ihrer langen Geschichte dem Leser ver- chen und bewertet. Hinter jeder Fragestel- Joseph Ratzinger: Sein Leben – sein ständlich zu machen und theologische An- lung steht die Suche nach einem durch Glaube – seine Ziele“. Gustav Lübbe liegen zu skizzieren. christliche Normen zu erwirkenden Fortschritt. Verlag: Bergisch Gladbach 2005, Das Buch von Mai beginnt mit dem Tod Schnarrer versucht, Wege des solidarischen 255 S., geb., 31 Abb. von Papst Johannes Paul II., dem Konklave und normgeleiteten Handelns in einer ebenso Bereits im AUFTRAG Nr. 260 wies ich und den ersten öffentlichen Schritten und freiheitlichen wie schrankenlosen Gesell- auf einzelne theologische Facetten im Den- Worten des neuen Papst Benedikt XVI.. schaft aufzuweisen. Als Wegweiser bedient er ken des neuen Papstes hin – und auf Publi- Sodann folgt ein Rückgriff auf Ratzingers sich stets der Goldenen Regel, deren aktive kationen, die zum neuen Pontifex veröffent- Kindheit in Oberbayern, seine Schulzeit im Anwendung im globalen Zeitalter weltweit als licht wurden. Hierzu gehört auch die Arbeit II. Weltkrieg, die theologische Ausbildung Leitfaden gelten kann. „Wer sich nach Kräf- des Journalisten Klaus-Rüdiger Mai: „Ben- und die Priesterweihe. Dann werden weitere ten darum bemüht, soviel wie möglich von edikt XVI.“. Das vorliegende Buch verdient Schritte in seinem Leben aufgezeigt: Habili- den anderen physischen oder psychischen Aufmerksamkeit, da es nicht streng wissen- tation, Professor, Konzilsberater, sein Disput Schaden abzuwenden, der tut mehr als einer, schaftlich gefasst ist und durch seinen ein- mit Hans Küng – den er im September 2005 der im Nehmen einer reinen Vernunft das gängig geschriebenen, journalistischen, fast in einer Privataudienz empfangen hat - und Gute predigt“, schreibt der Autor. romanhaften Schreibstil sich für einen wei- seine Auseinandersetzung mit der Studen- Bemerkenswert ist seine Analyse der ten Leserkreis empfiehlt. tenbewegung 1967/68, der Ruf auf den Bi- mittel- und osteuropäischen Transformations- Klaus-Rüdiger Mai, der Germanistik, schofsstuhl von München-Freising und länder. In ihr legt er Grundmuster frei, die Geschichte und Philosophie studierte, arbei- schließlich das Amt des Präfekten der Glau- dem westeuropäischen Leser ebenso wert- tet als Autor und Filmemacher. Im ZDF lief benskongregation. Zugleich bemüht sich volle Denk- und Handlungsanleitung geben mit großem Erfolg seine dreiteilige Doku- Mai, das jeweilige innerkatholische Umfeld können wie Schnarrers ethische Ratschläge mentation „Die geheime Inquisition“, deren aufzuzeigen, in dem Ratzinger tätig war – sei selbst. Da stellt der Autor „fieberhafte Be- dritter Teil sich fast ausschließlich mit dem es in Deutschland oder in der Weltkirche. In triebsamkeit“ fest in jenen 90er-Jahren, in damaligen Joseph Kardinal Ratzinger be- den beiden letzten Kapiteln wird auf den denen es weder Normen noch Strukturen fasst. Mai ist mit Papst Benedikt XVI. be- Anfang Bezug genommen und erste bedeut- gab: Viele Ostdeutsche bringen zur Wende kannt und hat etliche Interviews mit ihm same Reden und Handlungen von Benedikt 72-Stunden-Tage hinter sich und finden sich geführt. Die Auswahlbibliographie im An- XVI. analysiert. in einem Land wieder, in dem kaum Vertrau- hang zu Werken von Joseph Ratzinger, zu Die Stärke des vorliegenden Buches be- tes sein wird. Allegorien des Untergangs Werken der Theologie und Philosophie sowie steht darin, dass Mai nichttheologische Le- werden gezeichnet, nichts kann den Hand- der Zeitgeschichte und der verwendeten ser in die Welt des Katholizismus mitnimmt lungen Sinn geben, zukunftsorientierte Be- Nachlagewerke zeigt, dass Mai gründlich re- und versucht, Anliegen und Auftrag der ka- triebsamkeit für wen und für was oder gar cherchierte. In der Aufmachung trägt die tholischen Kirche verständlich zu machen, warum? Ein Handeln ohne Normen, Werte, Veröffentlichung von Mai zwar belletristi- was sich etwa auch im hilfreichen Hinweis vielleicht sogar Motive wird analysiert. Die sche, fast reißerische Züge, wen er etwa vom auf die Homepage des Vatikans (www.vatican. „temporäre Ambivalenz jeglicher Werte“ als „Mozart der Theologie“ oder vom „Tagesab- va) und den dort zu findenden Predigten von „ein Hauptmerkmal der eigentlichen Trans- lauf des Inquisitors“ spricht. Doch unver- Benedikt XVI. verdeutlicht. Insoweit emp- formationsphase“ gibt in unserer Nachwen- kennbar ist zweierlei: Mai fasziniert Persön- fiehlt sich diese lesenswerte Publikation de-Zeit, die gefestigt zu sein glaubt, zu den- lichkeit und Wirken Ratzingers und er be- auch für Soldaten der Bundeswehr. ken. Alles ist gleich und vieles sinnlos, nur müht sich, die Institution katholische Kirche (Andreas M. Rauch) erkennen kann man es vor lauter Betrieb-

AUFTRAG 261 117 Buchbesprechungen samkeit und Übereile nicht. Da tut Orientie- Folgekapiteln den Ordnungsfragen der Zeit Schnarrer hat damit ein zur Meinungs- rung mittels Erkenntnis Not. zu widmen. Die Leistung besteht darin, eine bildung wichtiges Werk verfaßt, weitere sol- Man merkt rasch, dass Schnarrers Vielzahl an Theorien, von der System- bis len folgen: „Komplexe Ethik 2“ ist Teil einer Standbein in der wissenschaftlichen Politik- zur Konvergenztheorie, zu integrieren und so Buchreihe, die in den kommenden Jahren beratung hat. Er schafft es, Leser mit unter- in Kombination mit aktuellen, empirischen mit einem Band über Wirtschaft, einem wei- schiedlichem Horizont, sei es der politische, oder auch essayistischen Quellen den größt- teren über Medien und Technik, sowie einem wirtschaftliche oder theologische, die Rele- möglichen Analyserahmen zu schaffen. Ein- abschließenden Werk über Biowissenschaf- vanz seiner Themen rasch darzulegen. Ein- geleitet wird das Buch mit einem Vorwort ten komplettiert werden soll. leuchtend gibt er zunächst die Grundlagen von Johan Galtung, dem Träger des alternati- (Christoph Meineke) politischer Ethik wieder, um sich in den ven Nobelpreises.

Termine • Termine • Termine

Allgemeine Termine Bereichskonferenzen/Arbeitskonferenzen/ 20.03. Einweihung neues IThF, Hamburg Familienwochenenden 23.03. Internat. Soldatengottedienst, Münster GKS Nord/Küste 20.-24.03. 49. Pfarrhelfertagung, Stapelfeld 10.-12.03. AK 1/06, Bad Bederkesa 21.-23.04. Seminar Justitia et Pax-GKS-pax christi- 29.09.-01.10. AK 2/06, Parchim AGEH, Bensberg GKS Niedersachsen-Bremen 25.04. 65. Geburtstag MilBischof Dr. Mixa 03.-05.11. AK II/06, Cloppenburg-Stapelfeld 26.- 30.04. I. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg GKS Nordrhein-Westfalen 28.04. 50 Jahre Militärseelsorge im Norden u. 17.03.-19.03. AK I/06, Günne/Möhnesee Friedenstag, Hamburg 23.-25.06. Bereichskonferenz 2006, Mülheim/R. 03.-07.05. Jakobuswallfahrt mit MGV, Abschluss in 25.-27.08. AK II/06, Günne/Möhnesee Wieskirche mit MilBischof 08.-13.10. Familienwerkwochenende, Travemünde 08.05. Soldatengottesdienst, Kranenburg GKS Bayern und Baden-Württemberg 08.-10.05. Muliwallfahrt nach Altötting 24.-26.03. AK 1/06, Ellwangen 10.05. Friedensgottedienst, Erfurt 20.1-22.10. AK 2/06, Beilngries 10.-12.05. Haupttagung der GKMD, Fulda GKS Bereich Ost 17.-23.05. 48. Lourdes-Wallfahrt, Frankreich 02.11.-03.11. AK 23.-24.05. Vollversammlung ZdK, Saarbrücken GKS Bereich Ausland 24.-28.05. 96. Deutscher Katholikentag, Saarbrücken 24.03.-26.03. AK, Berlin 07.-11.06. II. Seminar 3. Lebensphase, Cloppenburg 18.06. Internat. Gottedienst zur Kieler Woche im Marinestützpunkt Kiel BV/EA GKS und Vorst ZV 21.06. Weltfriedenstag, Ulm 09.-11.06. Vorstand ZV, Ludwigshafen 23.-24.06. AGKOD-Delegiertenversammlung im KSI, 23.-25.06. BV GKS, Bamberg Bad Honnef 08.08. Weltfriedenstag, Augsburg GKS-Sachausschüsse 12.-13.08. Internat. Gottesdienst zur Hanse-Sail in SA „Innere Führung“ im Albertinum, Bonn: Rostock 03.04., 10.06., 11.09., 27.11. 14.08.-01.09. Friedensethische Sommerakademie SA „Sicherheit und Frieden“ im Albertinum, Bonn: im IThF, Hamburg 31.03., 08.09., 17.11. 18.-23.09. 46. Woche der Begegnung, Ludwigshafen zusätzlich Juni o. Juli in Berlin 16.09. – 18.09. Vorkonferenz 18.09. – 21.09. ZV Vorschau 20.09. – 23.09. BuKonf GKS 30.5.-05.06.07 49. Lourdes-Wallfahrt 23.-27.10. 51. Gesamtkonferenz der kath. 06.-10.06.2007 31. Ev. Kirchentag, Köln Militärseelsorger, Freising 22.-26.10.2007 52. Gesamtkonferenz 25.-29.10. II. Seminar 3. Lebensphase, Nürnberg 2008 97. Dt. Katholikentag, Osnabrück 24.-25.11. Vollversammlung ZdK 2010 2. Ökumenischer Kirchentag, München

VERWENDETE ABKÜRZUNGEN: AGKOD – Arbeitsgemeinschaft Katholischer Organisationen Deutschlands, AK KLMD – Arbeitskon- ferenz beim Katholischen Leitenden Militärdekan in ..., AMI – Apostolat Militaire International, BK – Konferenz der GKS im Be- reich ..., BuKonf – Bundeskonferenz, BV GKS – Bundesvorstand der GKS, EA – Exekutivausschuss, GKMD – Gemeinschaft der katholischen Männer Deutschlands, IS – Internationaler Sachausschuss, MGV – Militärgeneralvikar, SA InFü – Sachausschuss „Innere Führung“, SA S+F – Sachausschuss „Sicherheit und Frieden“, SA KI – Sachausschuss „Konzeption und Information“, WB – Wehrbereich, WdB – Woche der Begegnung, ZV – Zentrale Versammlung, VV ZdK – Vollversammlung des Zentralkomi- tees der deutschen Katholiken

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(soweit keine Angaben beim Beitrag) Achmann, Dr. Klaus Oberst a.D., Bundesgeschäftsführer der GKS, Vertreter der GKS in der deut- schen Kommission Justitia et Pax. Emmanouilidis, Janis Dipl.-Kaufm.; Projektleiter am Centrum für angewandte Politikforschung (c.A.P.) der Ludwig-Maximilians-Universität München mit den Schwerpunkten EU- Erweiterung, EU-Sicherheitspolitik, EU- Reformprozess und EU-Institutionen. Gareis, Dr. phil. Sven Bernhard Wissenschaftlicher Direktor am Sozial- wissenschaftlichen Institut der Bundes- wehr in Strausberg, Lehrbeauftragter an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Geldmacher, Frank Jg. 1979 ist Student der Politischen Wissenschaften, der Neueren Germanis- tik und der Erziehungswissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn und gehörte zur Ziel- gruppe des WJT. Jacob, Ludwig Oberst a.D. Mitarbeiter am Institut The- ologie und Frieden (IThF) Hamburg, Mitglied im GKS-Sachausschuss „Si- cherheit und Frieden“. Kemmler, Gerhard Brigadegeneral, Leiter des Arbeits- bereichs Militärpolitik in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Uni- on. Korte, Wolfgang Genereralmajor, Amtschef Heeresamt; seit 2005 Schirmherr der GKS-Akade- mie „Oberst Helmut Korn“. Kilian, Dieter Oberst a.D., ehem. Militärattaché in Islamabad/Pakistan und in Riyad/ Saudi-Arabien. Oberhem, Harald Sicherheit“ der Stiftung Wissenschaft Lather, Karl-Heinz LtdDir.i.KirchenDst, Mitarbeiter im und Politik (SWP) Berlin; Honorarpro- Generalleutnant, Deputy Commander Stab des Beauftragten des Generalins- fessor der Universität Mannheim. Allied Land Component Command pekteurs für Erziehung und Ausbildung Headquarters Heidelberg; Mitglied im Schnarrer, Prof. Dr.Dr. Johannes in der Bundeswehr; freier Mitarbeiter Michael ZdK als Vertreter der Zentralen Ver- des Instituts Theologie und Frieden sammlung katholischer Soldaten (ZV) (IThF) Hamburg. Mitarbeiter im Institut für Ethik in den und Mitglied in der Deutsche Kommis- Wissenschaften an der Landesakademie sion Justitia et Pax; bis 2005 Schirm- Rauch, Dr. phil. Andreas Martin St. Pölten; Gastprofessur für Philoso- herr der GKS-Akademie Oberst Helmut Prof. eh. mit Lehrauftrag an der Univer- phie und Ethik am deutschsprachigen Korn. sität Bonn. Zweig der Universität in Klausenburg (Cluj/Rumänien). Liebetanz, Klaus Ronge, Dr. Frank Major a.D., Verden/Aller; Berater für Geschäftsführer der Kommission für ge- humanitäre Hilfe im Ausland; Mitglied sellschaftliche und soziale Fragen der Foto-/Grafiknachweis: im GKS-Sachausschuss „Sicherheit und Deutschen Bischofskonferenz in Bonn. Archiv (2), Auer (15), Brockmeier (9), Frieden“. Fröhler (10), Gruner (2), Häckl (1), Schmidt, Prof. Dr. Peter Internet (3), KMBA (9), Liebetanz (7), Nüßle, Stefan Mitglied der Forschunsgruppe „EU- Nüssle (9), Pinzka (4), Preuss (1), Puth Oberleutnant und Vorsitzender des Außenbeziehungen des „Deutschen (1), Schulz (13), Verlag Budrich (1), GKS-Kreises Dornstadt. Instituts für Internationale Politik und ZdK (1).

AUFTRAG 261 119 Impressum Das Kreuz der GKS AUFTRAG ist das Organ der GEMEINSCHAFT Das »Kreuz der GKS« ist das Symbol KATHOLISCHER SOLDATEN (GKS) und der Gemeinschaft Katholischer Soldaten. erscheint viermal jährlich. Vier Kreise als Symbol für die GKS-Kreise Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2, an der Basis formen in einem größeren 10117 Berlin Kreis, der wiederum die Gemeinschaft www.katholische-soldaten.de versinnbildlicht, ein Kreuz, unter dem Redaktion: verantwortl. Redakteur Paul Schulz (PS), Oberstleutnant a.D., Satz und Layout; sich katholische Soldaten versammeln. Klaus Brandt (bt), Oberstleutnant a.D., Redakteur; Helmut Fettweis (HF), Oberst a.D., Redakteur; Zuschriften: Redaktion AUFTRAG c/o Paul Schulz, Postfach 3768, 51537 Waldbröl, Tel/Fax: 02291–900461, e-Mail: [email protected] Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung übernommen. Namensartikel werden allein vom Verfasser verantwortet. Nicht immer sind bei Nachdrucken die Der Königsteiner Engel Inhaber von Rechten feststellbar oder erreichbar. In solchen Ausnahmefällen Der »siebte Engel mit der siebten Posaune« verpflichtet sich der Herausgeber, nach- (Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoffnung, träglich geltend gemachte rechtmäßige der die uneingeschränkte Herrschaft Gottes Ansprüche nach den üblichen Honorarsätzen zu vergüten. ankündigt. Dieser apokalyptische Engel am Druck: Köllen Druck & Verlag GmbH, Haus der Begegnung in Königstein/Ts., dem Ernst-Robert-Curtius-Str. 14, 53117 Bonn. Gründungsort des Königsteiner Offizier- Überweisungen und Spenden an: Förderkreis der GKS (FGKS e.V.), kreises (KOK), ist heute noch das Tradi- Pax Bank eG Aachen, tionszeichen der GKS, das die katholische BLZ: 391 601 91, Konto-Nr.: 1009439010. Laienarbeit in der Militärseelsorge seit mehr Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit als 40 Jahren begleitet. Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe. Nachbestellung gegen eine Schutzgebühr von EUR 5,- an den ausliefernden Köllen Verlag.

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