Nr. 01 / März 2018

50 Jahre danach Inhalt Liebe Leserinnen, liebe Leser, Meldungen, Kommunalwahl 2018 2 – 5 unsere Titelseite zeigt zwei Hauptdarsteller des Schlüsseljahres 1968. Der Studentenführer 1968 – 50 Jahre danach 6 – 13 Rudi Dutschke forderte einen radikalen Umbau der bundesdeutschen Gesellschaft. Doch vielen Menschen stand der Sinn nach Harmonie. Das personifizierte der damals Ereignisse eines Jahres ­13-jährige Schlagersänger Heintje, der drei der größten Hits des Jahres verzeichnete im Lande und weltweit 6 ­(„Mama“, „Du sollst nicht weinen“, „Heidschi Bumbeidschi“). Im Rückblick: der Schah-Besuch 1967 Heute, 50 Jahre danach, wird vielfach Bilanz gezogen. War der Aufbruch der Studenten als Startpunkt der Proteste 8 von 1968 ein gesellschaftlicher Modernisierungsschub oder ein Irrweg? Abgeordnete des Jahrgangs 1968 – Wir blicken in diesem Heft zurück, sammeln Stellungnahmen und beleuchten, wie der „echte“ 68er? 9 Zeitgeist von damals auch aktuelle Debatten im prägt. Der Politikwissenschaftler 1968 als Streitpunkt im Landtag Tobias Adler-Bartels beschreibt zudem Zusammenhänge und Gegensätze zwischen der Diskussion über Gedenkkultur 10 68er-Bewegung und der heutigen „Neuen Rechten“. Multikulti: Shishas, Drogen- Der Landtag will mit einem Untersuchungsausschuss die „Rocker-Affäre“ aufklären. prävention, Christopher Street Day 11 Es ist der 28. „PUA“ in seiner Geschichte. Einer der spektakulärsten befasste sich ab 1959 1968 und „Neue Rechte“ – Gespräch mit dem ehemaligen SS-Arzt Werner Heyde, der jahrelang in Schleswig-Holstein unter- mit dem Politikwissenschaftler tauchen konnte. Der Kieler Historiker Dr. Ulrich Erdmann arbeitet den Fall auf. Tobias Adler-Bartels 12 Viel Spaß beim Lesen und Minderheiten: ein schönes Frühjahr wünscht ­ZÄHLBARES Landtagsdelegation in Südtirol 14 Grenzjubiläum 2020, Ihre Redaktion Notplan für das Friesische 15 94,9 % Leichte Sprache: Teilhabe-Gesetz, der Anteile an der HSH Nordbank Fonds für Barriere-Freiheit 16 ­gehören noch den Ländern Schleswig- Im Zentrum: Haushalt 2018 Holstein und . Diese Anteile im ­Schatten der HSH Nordbank 18 – 19 sollen nun an Finanzinvestoren verkauft­ werden. Plenum 20 – 23 Der Landtag steht Mehr dazu auf den Seiten Führerschein ab 16 20 18 und 19. Gratis-Buchleihe, Marschbahn 21 zu seiner „Gorch Fock“ Waffenbesitz und Kontrollen 22 Diesel-Fahrverbot, Justizgesetz 23 Bei einem Besuch auf der Bremerhavener Bredo-Werft hat Landtagspräsident Klaus Schlie die enge Verbindung des Landtages mit seinem Patenschiff „Gorch Fock“ unterstrichen. Das Ausschüsse 24 – 26 Segelschulschiff wird seit zwei Jahren in der Werft grundüberholt und soll Anfang 2019 wieder einsatzbereit sein. „Wir, der Landtag, sind unserem Patenschiff innigst verbunden – auch, wenn Umwelt: Argumente pro und kontra Glyphosat 24 es gerade nicht im Wasser ist“, sagte Schlie Anfang März vor Angehörigen der Stammbesetzung. Nach derzeitigem Stand könnten die Kosten für die Sanierung der Dreimastbark von zunächst Bildung: Zulassung zum Medizinstudium 25 geplanten 10 Millionen Euro auf 135 Millionen Euro steigen. Vor diesem Hintergrund ist eine Diskussion entbrannt, ob der Betrieb eines inzwischen 60 Jahre alten Segelschiffs noch zeitge- Innen und Europa: mäß ist. Schlie bezog hier eindeutig Position: „Die ‚Gorch Fock‘ ist unabdingbar notwendig für „Jugend im Landtag“, Kürzungspläne der EU 26 die Marine und ihre Offiziersausbildung.“ Das Schiff sei zudem „ein Botschafter Deutschlands“ in den Häfen der Welt. Der Landtag hat 1982 die Patenschaft für die „Gorch Fock“ übernommen und pflegt seitdem enge Kontakte zu Schiff und Besatzung. Parlamentarischer Unter­ suchungsausschuss 27 – 30 Landtag richtet PUA ein 27 Historiker Erdmann über die Aus­ schüsse zur Heyde/Sawade-Affäre 27

Die Seite für das Ehrenamt 31 Personalien 32 Bücherecke, Impressum 33 Im Porträt: Kerstin Metzner (SPD), ­Andreas Hein (CDU) 34 Ins Bild gerückt: Eingerüstet und zu Besuch im Landeshaus 35 entkernt: die Termine, Termine, Termine 36 „Gorch Fock“ in der Werft

2 DER LANDTAG 01 /2018 AKTUELL

Wortwörtlich

„Die eigentliche Arbeit fängt jetzt erst richtig an, denn zukünftig wird es darum gehen, den Reformationstag jedes Jahr lebendig zu halten und ihn mit Inhalten auszufüllen.“ (Tobias Koch, CDU)

„Der Reformationstag als gesetzlicher Feiertag sollte auch über seine religiöse Bedeutung hinaus die Gelegenheit dazu schaffen, die mit der Reformation ebenfalls verbundenen kritischen Aspekte in den gesellschaftlichen Diskurs zu stellen, und das interreligiöse Leben in Deutschland reflektieren.“ (Özlem Ünsal, SPD)

Schlie dankt ­engagierten Helfern „Diejenigen, die wollen, können den Landtagspräsident Klaus Schlie (li.) hat sich Ende Januar beim traditionellen Grünkohlessen Tag zur religiösen Feier und Einkehr ver­ bei Polizei, Bundeswehr, Katastrophenschutz, Feuerwehr, Zoll und Bundesfreiwilligendienst wenden. Alle anderen können sich vor für deren Einsatz bedankt. Rund 300 Gäste kamen zu dem Empfang, der in diesem Jahr im dem Stress der Adventszeit nochmal eine ­Zeichen des G20-Gipfels stand. Das Treffen im Juli 2017 habe besonders viele Polizeikräfte, aber Auszeit gönnen. Oder sich den ganzen auch ­viele ehrenamtliche Helfer gefordert, hob der Parlamentspräsident hervor: „Das Thema Tag auf alle Halloweenfeiern vorbereiten.“ Sicherheit wird von Tag zu Tag wichtiger. Deshalb gebührt denjenigen, die in unserem Land – (Eka von Kalben, Grüne) ob als haupt- oder ehrenamtlicher Helfer – für Sicherheit sorgen, ein besonderer Dank.“ Das Demonstrationsrecht sei ein wichtiges Grundrecht, „aber es darf nicht zu solch chaotischen „Endlich findet diese Polit-Posse ein gutes ­Zuständen führen, wie es in Hamburg der Fall war“. Ende. Warum brauchen CDU, Grüne, FDP und SPD fast ein dreiviertel Jahr dafür, den ­Reformationstag als neuen Feiertag zu CETA: Kein Volksbegehren beschließen, wenn die AfD diesen schon im Sommer 2017 beantragt hat?“ Der Landtag hat im Januar mit den Stim- „SH stoppt CETA“ hatte im vergangenen (Claus Schaffer, AfD) men der Koalitionsfraktionen den Antrag der Mai 21.000 gültige Unterschriften gegen Volksinitiative „SH stoppt CETA“ abgelehnt. das Freihandelsabkommen eingereicht. Das „Die Grünen wollten in gar keinem Fall AfD und SSW unterstützten die Initiative, Europa­parlament hatte CETA im Februar einen kirchlichen Feiertag und hätten die SPD enthielt sich. Die Initiative wollte die 2017 zugestimmt. Damit es vollständig in am liebsten den Weltfrauentag gehabt. Landesregierung verpflichten, sich im Bun- Kraft treten kann, fehlt noch die Zustimmung Rausgekommen ist natürlich das genaue desrat für eine Ablehnung des europäisch- der Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten. Die Gegenteil. Schon Luther hat gesagt: kanadischen Freihandelsabkommens (CETA) Gegner des Abkommens befürchten negative ‚Die größte Ehre, die das Weib hat, ist alle­ einzusetzen. Auch die Grünen stimmten Folgen für den Verbraucherschutz sowie für mal, dass die Männer durch sie geboren gegen den Vorstoß der Initiative, obwohl sie Umwelt- und Sozialstandards. werden.‘ Okay, dann feiern wir eben das, inhaltlich deren Meinung teilen. liebe Grüne. Aber meins ist das nicht!“ Weitere Volksinitiativen „SH stoppt CETA“ erreiche aber trotzdem (Lars Harms, SSW) ihr Ziel, so der Grünen-Abgeordnete Ras- auf dem Weg mus Andresen, weil das Land im Bundesrat Mitte Januar hat ein Bündnis aus Sozial­ „Schleswig Holstein hatte bisher nur auch nicht zustimmen werde: „Wir ziehen verband und Mieterbund eine Volksinitiative neun, Bayern 13 und regional bis zu die Enthaltungskarte.“ Der Koalitionsvertrag mit dem Ziel angekündigt, das Recht auf an- 15 Feiertage. Es wurde eine Gerechtig­ von CDU, Grünen und FDP sieht bei Unei- gemessenen Wohnraum in der Landesver- keitsdebatte, dabei sollten wir eher eine nigkeit eine Enthaltung in der Länderkammer fassung zu verankern. Eine weitere Initiative Debatte führen, wie wir bei Bildung und vor. Das kommt einer Ablehnung gleich, weil wird vom Umweltschutzverband B.U.N.D., ­Wirtschaftskraft mit Bayern mithalten.“ im Bundesrat bei jeder Abstimmung eine der Schutzstation Wattenmeer und der Pi- (Christopher Vogt, FDP) ab­solute Mehrheit von 35 der 69 Stimmen ratenpartei getragen. Die Partner fordern ein nötig ist. Vor diesem Hintergrund haben Landesgesetz gegen die Öl- und Gasförderung die Initiatoren Mitte Februar erklärt, dass sie mittels der umstrittenen Fracking-­Methode. Aus der Debatte trotz der Ablehnung durch den Landtag kein Das bereits bestehende Bundesgesetz bietet am 22. Februar über die Einführung des Volksbegehren und keinen Volksentscheid nach Auffassung der Initiative keinen aus­ 31. Oktobers, des Reformationstages, als an­streben: Das Ziel sei „hinreichend erfüllt.“ reichenden Schutz der Umwelt. ­gesetzlichen Feiertag in Schleswig-Holstein.

DER LANDTAG 01 /2018 3 AKTUELL

Lennert und Luise debattierten Regierung muss Parlament mit „analytischem Durchblick“ enger einbinden Lennert Möllgaard (15) von der Theodor-Storm-Schule Der Landtag hat, wie in der Frühphase jeder Wahlperiode üblich, das in Husum und Luise Habeck (14) vom Friedrich-Schiller- Parlamentsinformationsgesetz überarbeitet. Die Vorgaben, wann die Gymnasium in Preetz sind die Gewinner von „Jugend Landesregierung die Volksvertretung unterrichten muss, wurden im ­debattiert“ 2018. Die beiden überzeugten die Jury Mitte März schärfer gefasst. März beim Landesfinale im Plenarsaal des Landeshauses So muss die Regierung die Abgeordneten „angemessen“ beteiligen, mit ihren Redekünsten. wenn das Land einen Staatsvertrag mit anderen Bundesländern oder Lennert (u. re.) und Luise (o. re.) setzten sich in ihren Altersgruppen Institutionen plant. Der fertige Text muss dem Landtag vier Wochen nach Überzeugung der Jury mit „analytischem Durchblick“ und „be- vor der geplanten Unterzeichnung vorliegen. Sollte der Bund Landes­ eindruckender Genauigkeit“ jeweils gegen drei Mitbewerber durch. In kompetenzen an die EU abtreten wollen, muss eine rechtzeitige der Altersgruppe I (Klassen 8 bis 10) debattierte Luise mit den anderen ­Information erfolgen. Auch an den Beratungen im Bundesrat will der ­Finalisten darüber, ob retuschierte Model-Fotos in Deutschland, so Landtag eng beteiligt werden – ebenso an Verfahren vor dem Bundes- wie in Frankreich, gekennzeichnet werden sollten. Das Los wies ihr verfassungsgericht, die das Land auf Betreiben des Landtages anstößt. die Kontra-Position zu. Lennert setzte sich in der Altersklasse II (Klas- Sollte die Landesregierung im Bundesrat anders abstimmen als vom sen 11 bis 13) gegen die Konkurrenz durch. Debattiert wurde über die Parlament gewünscht, muss die Regierung die „maßgeblichen Grün- Frage, ob Nicht-EU-Ausländer, die dauerhaft in Deutschland leben, de“ rechtzeitig darlegen. bei Kommunalwahlen wählen dürfen sollten. Der 15-Jährige argu- mentierte dafür. Fördergeld für Kulturprojekte Lennert und Luise sowie die beiden Zweitplatzierten, Friederike Voß von der Stormarnschule Ahrensburg und Lennart Geiges vom Lokale und regionale Kulturprojekte können sich noch bis zum Ludwig-Meyn-Gymnasium Uetersen, fahren im Juni zum Bundes- 31. Mai um Geld aus einem Fördertopf des Bildungsministeriums entscheid nach Berlin. ­bewerben. Darauf hat Kulturministerin Karin Prien (CDU) in der Feb- ruarsitzung hingewiesen. Die EU hat 2018 zum „Europäischen Jahr des Kulturellen Erbes“ ausgerufen. Unter dem Motto „Sharing Heritage – Kulturelles Erbe teilen“ sollen „alle öffentlichen und privaten Träger, Bewahrer und Vermittler des Kulturellen Erbes“ angesprochen wer- den, so Ministerin Prien. Das Land hat 100.000 Euro für diesen Zweck reserviert. Im Fokus soll das deutsch-dänische Grenzgebiet stehen. Aber auch andere Regionen haben es bereits auf die Liste geschafft, ­etwa die Projekte „Archäologie und Stadtplanung in Lübeck“ oder „Emil & die Detektive – Transmedia-Storytelling am Beispiel eines­ Kieler Straßenzugs“.

Tipps für das Zusammen­leben in Flüchtlingsheimen Der Flüchtlingsbeauftragte Stefan Schmidt hat Anfang März eine Broschüre mit Ratschlägen veröffentlicht, wie Städte und Gemeinden das Zusammenleben von Flüchtlingen in ihren Unterkünften verbes- sern können. Die „Empfehlungen zum partizipativen Gewaltschutz für die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten in den Kom- munen Schleswig-Holsteins“ berücksichtigt, dass sich das Leben in einer solchen Unterkunft stark von einem normalen Mietverhältnis unterscheidet, wie Schmidt betont: „Mehrfach belegte Zimmer, ano- nyme Sanitäranlagen und mangelhafte Gemeinschaftsflächen belasten jeden Menschen.“ Kämen Traumata, Unsicherheiten im Aufnahme- land und Angst um die Familie im Herkunftsland hinzu, entstünden prekäre Lebenssituationen, die das Zusammenleben in besonderem Korrektur: Anderer Bahnanbieter Maße herausforderten. Auch Gewalt könne eine Folge der sozialen Probleme sein. „Gewalt In der Dezember-Ausgabe haben wird auf Seite 25 gemeldet, ist keine Frage der Herkunft, sondern ein soziales Problem, das in einer dass Züge der AKN auf der wiedereröffneten Bäderbahnlinie Unterkunft noch verschärft wird“, so Schmidt. In Schleswig-Holstein Kiel – Schönberger Strand unterwegs seien. Das stimmt nicht. leben derzeit etwa 9.000 Geflüchtete in 300 Unterkünften, die durch Die Züge stammen von der DB Regio, die AKN betreibt die Städte und Ämter errichtet wurden. Infrastruktur. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. Die Broschüre kann bestellt werden beim Flüchtlingsbeauftragten, Ka- rolinenweg 1, 24105 Kiel, Tel.: 0431/988-1291, Mail: [email protected]

4 DER LANDTAG 01 /2018 KOMMUNALWAHL

Es bleibt dabei: Kommunalwahl 2018 keine Sperrklausel Auch bei der Kommunalwahl am 6. Mai Entscheidung vor Ort, gibt es keine Sperrklausel, die den Einzug kleinerer Parteien in Ratsversammlungen und Kreistage verhindern könnte. Die SPD Stimmungstest fürs Land hat im Dezember ihren Gesetzentwurf zurückgezogen, mit dem sie eine 2,5-Pro- Erst das Land, dann der Bund, nun die Kommunen: Schleswig-Holstein wählt am zent-Hürde ins Kommunalwahlrecht Sonntag, den 6. Mai, Gemeindevertretungen, Stadtversammlungen und Kreistage. einziehen wollte. Die Sozialdemokraten Ein Jahr nach der Landtagswahl mit dem Regierungswechsel von SPD, Grünen und hatten bemängelt, dass sich die gestiegene SSW hin zu Jamaika mit CDU, Grünen und FDP wird der Urnengang einen Auf­ Zahl kleinerer Fraktionen nachteilig auf schluss auf die politische Stimmung im Norden geben – auch wenn lokale Themen die Arbeitsfähigkeit der Kommunalgremi- im Zentrum stehen. en ausgewirkt habe. Grund für den Rückzieher der SPD ist Bei Urnengängen auf kommunaler Ebene nen aktuellen Rückhalt geben, nachdem die ein Urteil des Landesverfassungsgerichts gab es zuletzt Aufwind für die Sozialdemo- Partei nach fünf Jahren Regierungsarbeit in Nordrhein-Westfalen. Die Richter haben kraten. Sie verteidigten im November den die Opposition gewechselt ist. Die AfD tritt die dortige Sperrklausel für verfassungs- Bürgermeisterposten in Lübeck und erober- erstmals bei einer Kommunalwahl an. widrig erklärt. Sie führe zu einer Un- ten das Norderstedter Rathaus von der CDU. Gewählt wird in rund 1.080 kreisangehöri- gleichbehandlung der Wählerstimmen. Im März waren sie auch in Stockelsdorf (Ost- gen Gemeinden, den vier kreisfreien Städten Eine Eingangshürde für Parteien sei nur zu holstein) erfolgreich. und den elf Landkreisen. Wahlberechtigt rechtfertigen, wenn die Funktionsfähig- Bei der vorherigen Kommunalwahl im Jahr sind alle Deutschen und Bürger anderer EU- keit der Kommunalvertretungen ansons- 2013 hatten jedoch die Christdemokraten Staaten. Mindestalter: 16 Jahre. Wer selbst ten gestört wäre. Dies sei aber nicht der landesweit klar die Nase vorn. Sie gewannen gewählt werden will, muss 18 sein. Die Wahl- Fall, nur weil kleine Parteien oder Einzel- alle elf Landkreise, dazu die kreisfreien Städte beteiligung lag zuletzt bei 46,7 Prozent – ein bewerber die Mehrheitsfindung erschwe- Flensburg und Neumünster. Nur in Kiel und Minusrekord. Der nächste Wahlgang ist dann ren könnten. Lübeck lag die SPD in Front. erneut nicht mehr weit: Voraussichtlich am Die Münsteraner Richter schlossen sich Nach ihrem erfolgreichen Abschneiden im 26. Mai 2019 wird das Europäische Parlament damit der Argumentation des Bundesver- vergangenen Jahr steuern Grüne und FDP die gewählt. fassungsgerichts an. Karlsruhe hatte die Kommunalwahl zuversichtlich an. Für den damalige Fünf-Prozent-Hürde im schles- SSW wird das Ergebnis Aufschluss über sei- wig-holsteinischen Kommunalwahlrecht im Jahr 2008 für nichtig erklärt. Damals ­argumentierten die Richter ähnlich: An- ders als Landtage oder der Bundestag stützten Kommunalvertretungen keine Regierungen. Deswegen seien stabile Mehrheiten dort nicht so wichtig.

Die Ausgangslage Das Ergebnis der Kommunalwahl 2013 in den Kreisen und kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein in Prozent „Meine Bitte 38,9 % an Sie:

28,8 % Gehen Sie am 6. Mai wählen! Stärken Sie die Demokratie, und gestalten Sie die Zukunft 13,7 % Ihres Dorfes, Ihrer Stadt und

5,0 % 4,8 % 4,9 % 2,9 % Ihres Kreises mit!“ Landtagspräsident Klaus Schlie CDU SPD Grüne FDP SSW Wählergem. Andere

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SCHWERPUNKT 1968

... in Deutschland und der Welt 5. Januar: Alexander Dubcˇek wird Generalsekretär der tschecho­ slowakischen kommunistischen Partei. Er propagiert einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. 16. März: US-Soldaten töten beim Massaker von My Lai in Vietnam mehr als 500 Zivilisten. Bei einer Demonstration gegen Fahrpreiserhöhungen in Kiel landet am 2. April: ­­31. ­Januar 1968 ein VW-Käfer auf der Seite. Auf einem Schild wird der ­geplante Brandanschläge auf zwei Kaufhäuser in am Main neue Preis für eine Fahrkarte kritisiert: „80 Pfennig – Lieber renn’ ich!“ aus Protest gegen den Vietnamkrieg. Zu den Tätern gehören die späteren RAF-Terroristen Andreas Baader und Gudrun Ensslin. 4. April: Der Bürgerrechtler Martin Luther King wird in Memphis (US-Bundesstaat Tennessee) erschossen. 11. April: Rudi Dutschke, eine Führungsfigur der außerparlamen- tarischen Opposition, wird in Berlin bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt. Es folgen schwere Krawalle, unter anderem gegen den Springer-Verlag. 29. April: Das Musical „Hair“ hat am New Yorker Broadway Premiere. Am 24. Oktober folgt die Uraufführung der deutschen ­Fassung in München. 14. Mai: In Frankreich beginnt ein wochenlanger Generalstreik. ­Arbeiter solidarisieren sich mit protestierenden Studenten. 30. Mai: Bei einer Modenschau im Kieler Hotel Astor am 3. April 1968 Der Bundestag in Bonn verabschiedet die heftig umstrittenen­ präsentieren sich Miss Norwegen („im großen Abendkleid“), Notstandsgesetze, mit denen der Staat in ­Krisensituationen Miss Schweden („im Chiffon-Cocktailkleid“), Miss Griechenland die Grundrechte einschränken kann. („im Lammfellmantel“) und die aus Spanien stammende Miss Europa 5. Juni: („im schwarzen Persianer im Schiwago-Look“). Robert Kennedy, Bruder des ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy und Präsidentschaftskandidat der ­US-Demokraten, wird in Los Angeles angeschossen und stirbt am folgenden Tag. 20. August: Truppen des Warschauer Paktes marschieren in der ­Tschechoslowakei ein und beenden den „Prager Frühling“. 28. September: Der Beatles-Song „Hey Jude“ erreicht die Nummer 1 der ­US-Charts und wird größter Hit des Jahres. Zwei Tage nach 5. November: dem Attentat auf Der Republikaner Richard Nixon wird zum US-Präsidenten Studentenführer gewählt. Rudi Dutschke in 7. November: Berlin gehen am Die Journalistin Beate Klarsfeld ohrfeigt Bundeskanzler Ostersonnabend, (CDU) auf der Bühne des Parteitages den 13. April 1968, in Berlin. Sie will auf dessen NS-Vergangenheit aufmerksam Studenten in Kiel machen. auf die Straße. 24. Dezember: Apollo 8 umkreist als erstes Raumschiff den Mond. 6 DER LANDTAG 01 /2018 ­

... in Schleswig-Holstein 10. Januar: Die CDU/FDP-Landesregierung will Bummel-Studenten zwangsexmatrikulieren. Tausende demonstrieren in Kiel. 31. Januar: In Kiel demonstrieren etwa 2.000 Schüler und Studenten Der Landtag richtet im Juli 1968 einen Sonderausschuss für die „unruhige“ gegen eine geplante Fahrpreiserhöhung. Ein Ticket für Bus Jugend ein. Gehört wird der Landesvorstand der Jungen Union, v.li.: oder Straßenbahn soll 80 statt 60 Pfennige kosten. Es kommt der spätere Abgeordnete Rolf Olderog, der spätere Ministerpräsident zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. sowie Jens Mahlstedt. Ganz hinten rechts: Die Jungsozialisten 17. Februar: Günther Jansen, später SPD-Landesvorsitzender und Sozialminister, und Die evangelische Kirche beklagt eine „schockierende Zahl“ Norbert Gansel, später Bundestagsabgeordneter und Kieler Oberbürger­ an Gymnasiasten, die sich in Schleswig-Holstein vom meister. Religionsunterricht­ abmelden. 22. Februar: Ein Sowjetsoldat flüchtet bei Lübeck-Schlutup mit einer ­Planierraupe über die innerdeutsche Grenze. 20. März: Der Landesbeauftragte für politische Bildung, Ernst ­Hessenauer, schätzt die „neue Linke“ in Schleswig-Holstein auf 1.000 Personen, die „weder von Moskau noch von Peking oder Pankow gesteuert“ seien. 26. Juni: Im Kieler Schloss diskutieren der SPD-Politiker Horst ­Ehmke, der Journalist Günter Gaus und der rheinland-­ pfälzische CDU-Chef über das Thema „Demokratie – konservativ oder revolutionär?“. 9. Juli: Die SPD fordert im Landtag, probehalber zwei Gesamt­ schulen im Lande einzurichten. Die „Zeit der Filzpantoffeln, des Fernsehens, des Fahrrades und des Flaschenbieres“ sei Besucher begutachten ein Modellhaus in der Ausstellung vorbei, behauptet der Abgeordnete Jürgen Busack. „Wohnen im Jahr 2000“ in der Kieler Landesbausparkasse, August 1968. 1. August: Die Post richtet einen „vollautomatischen Grenzsprech­ verkehr“ ein. Telefonbesitzer aus der Region Flensburg ­können nun in Süddänemark anrufen, ohne sich bei der „Haupt­vermittlung“ verbinden zu lassen. 5. September: Die ZDF-Fernsehshow „Der goldene Schuss“ mit Moderator Vico Torriani wird in der ausverkauften Kieler Ostseehalle aufgezeichnet. 17. Oktober: Die außerparlamentarische Opposition sei keine anti­ parlamentarische Opposition, betont Landtagspräsident Paul Rohloff bei einem „staatsbürgerlichen Lehrerseminar“ in der Akademie Sankelmark. 13. Dezember: Bei einem Vortrag des CDU-Bundesforschungsministers an der Kieler Uni kommt es auf der Bühne zu Rangeleien zwischen linken Demonstranten und Studenten gehen in Kiel am 23. August 1968 gegen den Vietnamkrieg Vertretern des Ringes christlich-demokratischer Studenten und gegen den Einmarsch von Warschauer-Pakt-Truppen in die (RCDS). ­Tschechoslowakei auf die Straße. „Vietnam und Prag – Unrecht des ­Stärkeren“, heißt es auf dem Spruchband.

DER LANDTAG 01 /2018 7 SCHWERPUNKT 1968 VOR 51 JAHREN

Was hat die Landespolitik in früheren Zeiten bewegt? In dieser Serie blicken wir ins Archiv und spüren nach, was den Landtag in vergangenen­ Zeiten beschäftigt hat. Diesmal geht es ins Jahr 1967. Der Schah von Persien besucht Schleswig­ -Holstein.

Empfang in Lübeck: Schah Mohammed Resa Pahlewi (3. v. re.) und seine Gattin Farah Diba. Daneben: Ministerpräsident und Land­ tagspräsident Paul Rohloff. Im Hintergrund: ein ­Dolmetscher – das Kaiser­ paar sprach an diesem Tag Französisch.­

Der Deutschlandbesuch des Schahs regierung verspricht sich eine diplomatische 1967: im Frühsommer 1967 gilt als ein Aus­ Aufwertung der jungen Bundesrepublik, die gangspunkt dessen, was heute mit der Klatschpresse bestaunt das glamouröse Herr- Jahreszahl 1968 verbunden wird. In Ber­ scherpaar. ­Linke und Studenten dagegen sind Harmonie lin protestieren junge Demonstranten empört, dass der Schah, der Oppositionelle ­gegen das iranische Unrechtsregime. einkerkern und foltern lässt, in Deutschland Die Staatsmacht und Schah-freundliche hofiert wird. ­„Jubelperser“ kontern mit Gewalt. Ein und Misstöne Missverständliche Tischrede Polizist erschießt am 2. Juni den Studen­ ten Benno Ohnesorg. In der ­Folge radi­ In Lübeck herrscht am Sonntag, den 4. Juni beim Schah- kalisiert sich ein Teil der linken Szene. 1967, „Kaiserwetter“ und äußerliche Harmo- Zwei Tage nach den Berliner­ Krawallen nie. „Dort Pfiffe, Rauchbomben, Widerstände ist der Schah in ­Lübeck. Dort bleibt es gegen die Ordnungsgewalt, ja sogar ein Toter Besuch in ruhig, aber es gibt auch Misstöne. Im und viele Verletzte – hier eine wohltuende Zentrum der Kritik: ­Ministerpräsident Ruhe, Ordnung und freudige Begrüßung von Helmut ­Lemke (CDU). allen Seiten“, fasst ein Leserbrief­schreiber in Lübeck Der neuntägige Staatsbesuch wird in den den „Lübecker Nachrichten“ zusammen. Die Medien als „eines der glanzvollsten Ereignis- „Kieler Nachrichten“ beobachten hingegen se der letzten Jahre in der Bundesrepublik“ eine Distanz in der Bevölkerung: „Vielen­ beschrieben, angesichts der harten Polizei- Deutschen ist nicht nach Jubel für ein vorder­ Einsätze wird aber auch die „Maßlosigkeit asiatisches Herrscherpaar auf sorgloser deutschen Obrigkeitssinns“ angeprangert. ­Besichtigungsreise zumute.“ Die Hansestadt ist die 14. und letzte Station.­ Die Schah-Visite dauert drei Stunden. Der Ministerpräsident Lemke wollte Schah Sonderzug mit dem Monarchen und seinem ­Mohammed Resa Pahlewi und seine Gattin Gefolge kommt um 11.30 Uhr auf Gleis 1 des Farah Diba ursprünglich nach Kiel lotsen, Hauptbahnhofs an. Einige tausend Lübecker um ihnen Werften und Marine zu präsen- und 2.000 Polizisten säumen die Straßen, tieren. Doch SPD-Außenminister Willy als die Wagenkolonne das Rathaus ansteu- Brandt pocht auf seine Geburtsstadt Lübeck. ert. Anschließend steht ein Orgelkonzert in Zuvor waren die Staatsgäste unter anderem der Marienkirche auf dem Programm, bevor in Bonn, in Rothenburg ob der Tauber und Honoratioren aus Stadt und Land zu einem in einem Duisburger Stahlwerk. Die Bundes- „Frühstück“ im Restaurant „Schabbelhaus“

8 DER LANDTAG 01 /2018 SCHWERPUNKT 1968 in der Altstadt laden. Zwischen Lauenburger nicht an die Trave reisen, wo sie, so fürchtet Schahs anstrebt“. Dies gehe aus polizeilichen Hirschkalbsrücken, gerösteten Steinpilzen die Landesregierung, protestieren und das Erkenntnissen hervor. Allerdings: „Woher und Vanilleeis hält Ministerpräsident Lemke harmonische Bild stören könnten. Schwie- das Bundeskriminalamt im Einzelnen seine eine Tischrede an „Eure Kaiserlichen Majes- ger erkundigt sich in drei Kleinen Anfragen polizeilichen Erkenntnisse gewonnen hat, ist täten“, die in Teilen der Öffentlichkeit nicht beim Innenministerium, warum die Grund- der Landesregierung nicht bekannt.“ Die Fol- gut ankommt. Lemke vergleicht den Iran mit rechte der 22 Hochschüler so massiv einge- ge für die Iraner: Sie erhalten einen Eintrag in Westdeutschland und lobt „die gewaltigen schränkt wurden. Innenminister Hartwig ihre Aufenthaltserlaubnis – jedoch nur, „so- Anstrengungen, die in beiden Ländern im Schlegelberger, ehemals SA-Mitglied und weit die Betroffenen bei der Zustellung der Laufe der letzten Generation geleistet worden Militärrichter, bescheinigt den Iranern die Ordnungsverfügung überhaupt angetroffen sind, um durch eine moderne Wirtschafts- „Zugehörigkeit und das aktive Bekenntnis zu wurden“. Wer also nicht zu Hause ist, kommt und Sozialordnung die Voraussetzungen für einer Gruppe, die den gewaltsamen Sturz des ohne Eintrag davon. Karsten Blaas eine gesicherte Zukunft zu schaffen“. Der CDU-Politiker vermittelt damit ein stark geschöntes Bild. Zwar hat der Schah seinem Drei Abgeordnete des Landtages sind 1968 geboren. Land in der „Weißen Revolution“ einen Wir haben sie gefragt: wirtschaftlichen Modernisierungsschub ver- ordnet, aber der Großteil der Iraner lebt in Armut, und Menschenrechtsverletzungen Fühlen Sie sich als „echte“ 68er? sind an der Tagesordnung. Der Schah zeich- geht es wohl Vielen, es war ja die Zeit der net Lemke, ehemals NSDAP-Bürgermeister geburten­starken Jahrgänge. Die gesell- von Eckernförde und Schleswig, später mit schaftlichen Veränderungen, die damals dem „Homayoun-Orden“ erster Klasse aus, angestoßen wurden, haben wir im Ge- den der Iran für „herausragende Leistungen“ schichtsunterricht behandelt, und ich stehe vergibt. dem positiv gegenüber. Die Welt dreht sich weiter, und man muss mit der Zeit gehen Platzverbot für und sich weiter­entwickeln. Stillstand ist iranische Studenten Rückschritt.“ Die Passage aus Lemkes Rede wird in der Fernsehdokumentation „Der Polizeistaats- Kai Vogel, SPD, besuch“ des Süddeutschen Rundfunks wie- geboren am 8. März 1968: dergegeben, die Ende 1967 auch im NDR „Ich bin, glaube ich, der typische Ver- läuft. Die Kieler Staatskanzlei beschwert sich treter des Jahrgangs 1968, der angepasster per Pressemitteilung darüber, dass der Film agiert hat und nicht so sehr gegen die Äl- „geschickt geschnitten und tendenziös kom- teren interveniert­ hat, wie es diejenigen mentiert“ sei. Aus heutiger Sicht erstaun- getan haben, die 1968 zwischen 15 und 25 lich: Die Opposition im Landtag greift die Jahre alt waren. Aber mit dem Begriff 68, missverständlichen Äußerungen des Regie- mit dem Protest gegen den ‚Muff aus 1.000 rungschefs nicht auf. SPD-Oppositionsführer Jahren‘, verbinde ich durchaus etwas Positi- Jochen Steffen bleibt dem Lübecker „Früh- ves, gerade als Sozial­demokrat. Mir ist aller- stück“ zwar aus Protest fern, aber im Plenum dings diese Streitkultur so nicht zu Eigen. Kathrin Wagner-Bockey, SPD, bringen die Sozialdemokraten das Thema Ich versuche eher, die Menschen ruhig zu geboren am 14. Februar 1968: nicht zur Sprache. überzeugen als über Lautsprecher und mit „Was man politisch und gesellschaftlich Der SPD-Abgeordnete Hermann Schwie- Demonstrationen.“ mit ‚1968‘ verbindet, bezieht sich auf die ger richtet den Blick auf einen anderen Generation meiner Eltern, die damals junge ­Aspekt des Schah-Besuchs. 22 der 130 in Kiel Erwachsene waren. Meine Eltern hatten da- studierenden Iraner haben vor dem Abste- mit allerdings wenig am Hut. Mein Vater hat cher des Monarchen nach Lübeck eine Auf- im Bergbau gelernt und ist dann zur Polizei enthaltsbeschränkung erhalten. Sie dürfen gegangen, meine Mutter war Zahnarzthel- ferin. Ich glaube, sie hatten den Kopf nicht frei für irgendwelche revolutionären Ideen. Weiterführende Literatur: Ich persönlich verbinde mit den 68ern, ab- . Eckard Michels: Schahbesuch 1967, Bonn gesehen von den Studentenunruhen, einen 2017, Schriftenreihe der Bundeszentrale für antiautoritären Erziehungsstil, dem ich aus politische Bildung, Bestellnummer 10078. heutiger Sicht nicht viel abgewinnen kann. . Harald Schmid, Sebastian Lehmann: Ich hänge keinem autoritärem Erziehungs- ­Sonderzug nach Lübeck oder Der Schah Peer Knöfler, CDU, stil an, aber ich glaube, dass sich die Pädago- im „Schabbelhaus“, erschienen in der geboren am 25. März 1968: gik weiterentwickelt hat und dass sich die ­Zeitschrift „Demokratische Geschichte“, „Ja, schon alleine wegen meines Ge- Erziehungsideale geändert haben.“ Band 20, ­Malente 2010. burtsdatums fühle ich mich als 68er. So

DER LANDTAG 01 /2018 9 SCHWERPUNKT 1968 Erinnerungs- kultur und „Geschichts- verdreher“

Ein Erbe von „1968“ ist die Konfrontation mit der deutschen NS-Vergangenheit. Im Laufe der Jahre entstand ein breiter politi- scher Konsens, dass sich die Deutschen zu ihrer historischen Verantwortung ­bekennen müssten, und dass jeder Anklang von ­Anstoß der 68er-Bewegung. Inzwischen Diskussion über Gedenkstätten (v. li.): Nationalis­mus zu vermeiden sei. Rechts­ gebe es aber „Geschichtsverdreher und Pro­ Lasse Petersdotter (Grüne), Anette Röttger populisten haben diesen Konsens in jüngster vokateure“, die den Begriff Erinnerungs­ (CDU), Beate Raudies (SPD), Moderatorin Lena Zeit offenbar aufgekündigt. So pochte AfD- kultur als Schimpfwort verwendeten, so Gürtler, Frank Brodehl (AfD), Jette Waldinger- Spitzenmann Alexander Gauland auf „das ­Bildungsministerin Karin Prien (CDU). Thiering (SSW), Anita Klahn (FDP) Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher ­Dinge, „die vor zehn Jahren nicht mehr Soldaten in zwei Weltkriegen“. sagbar ­waren“, würden heute wieder offen Daraus erwachsen neue ­Herausforderungen ausgesprochen, mahnte Lasse Petersdotter für die Erinnerungsarbeit. Das betonten Poli- ­(Grüne). Und Anette Röttger (CDU) befürch- seine Zuschüsse für die überwiegend ehren- tiker und rund 180 engagierte Bürger Ende­ tete, dass ­Nationalismus und Populismus amtlich betriebenen Einrichtungen seit 2012 Januar bei einer Diskussionsveranstaltung­ wieder „salon­fähig“ werden könnten. von 40.000 auf 375.000 Euro aufgestockt. über „Gedenkstätten als Orte der historisch- Die Erinnerungskultur im Lande wird maß- „Pflichtbesuche“ von Schulklassen in den politischen Bildung“. Der Landesbeauftragte geblich von den 13 Gedenkstätten getragen, ­Gedenkstätten lehnten die Diskussions- für politische Bildung, Christian Meyer-­ die beispielsweise an den Orten ehemaliger teilnehmer durchweg ab. Ein „Zwang“ sei Heidemann, hatte dazu eingeladen. Arbeits- und Konzentrationslager eingerich- nicht hilfreich, sagte Beate Raudies (SPD). Der Erinnerungsprozess habe „erst in den tet wurden. „Das ist unsere Vergangenheit, Es ­komme vielmehr auf das Engagement 70er-Jahren richtig angefangen“, erinner- die müssen wir kennen und weitertragen“, ­jedes einzelnen­ Lehrers an, so Frank Brodehl te Jette­ Waldinger-Thiering (SSW) an den unterstrich Anita Klahn (FDP). Das Land hat (AfD).

„Leider ist der Umgang vieler „Unsere Bildungs­ „Gut erinnere ich mich auch Erwachsener und Erzieher mit „Rebellischer Geist“ einrichtungen sind an die 68er-Revolte in Frank­ Cannabisprodukten merkwür­ Orte wissenschaft­ furt. Da trugen Studenten, die dig inkonsequent. Vielleicht in der „Sackgasse“? licher Lehre und heute zum Teil einflussreiche herrscht hier noch das verklärte Forschung und Politiker der Grünen sind, auf Bild aus den 68er-Jahren vor, das Was für die einen der Startpunkt einer keine Spielwiesen Demonstrationen Plakate: Haschisch als Teil einer Protest­ gesellschaftlichen­ Modernisierung­ war, für die Experimente ‚Wissen ist Macht, kultur Akzeptanz einräumte. gilt für ­andere als Ursache ­vermeintlicher von Spät-68ern.“ nichts ­wissen macht nichts.‘ “ Das ist nicht nur grundlegend Fehlentwicklungen.­ Das Stichwort „1968“ (Frank Brodehl, (Uwe Greve, CDU, falsch, sondern auch gefährlich.“ ist im Landtag in den vergangenen Jahren AfD,29. Juni 2017) 23. Januar 2004) immer wieder gefallen. ­ (Peter Eichstädt, SPD, Scharfe ­Kritik und Häme „Unsere Partei ist im Grunde auf 4. Mai 2006) „Es bedurfte der Initiative der kamen von Bürger­lichen und der Straße geboren. Sie ist ein Kind Politikerinnen aus der 68er- „Rot-Grün hat schwach Konservativen. Verteidiger­ des rebellischen Geistes und des Generation, für die aus dem angefangen, dann stark des 68er-Geistes waren vor ­zivilen Ungehorsams, welcher seit Schwur, dass Auschwitz nie nachgelassen und implodiert allem die ­Grünen. 1968 viele große Konflikte der Bundes­ wieder möglich sein dürfe, auch jetzt. Der Marsch der 68er republik begleitet hat. Die eruptiven folgte, dass die demokratische Einige Beispiele: durch die Institutionen geht Demonstrationen der 68er gaben Bundesrepublik sich ihrer zu Ende und endet in einer den Anstoß, die verkrusteten Nach­ Vergangenheit stellen und rück­ Sackgasse vor dem Müll­ kriegsverhältnisse nachhaltig im Sinne haltlos Verantwortung für sie haufen der Geschichte.“ einer demokratischen und toleranten übernehmen muss.“ (Wolfgang Kubicki, FDP, ­Bundesrepublik zu wandeln.“ (Angelika Birk, Grüne, 25. Mai 2005) (Burkhard Peters, Grüne, 26. Januar 2001) 27. September 2012)

10 DER LANDTAG 01 /2018 SCHWERPUNKT 1968

„Multikulti“ ist ein weiterer Begriff in der 68er-Tradition. Welche praktischen ­Fragen entstehen können, wenn Elemente fremder Kulturen in Deutschland ­heimisch werden,­ wurde in der Januar-Tagung deutlich. Der Landtag debattierte über die ­Gesundheitsgefahren in Shisha-Bars. „Völkerverständigung“ im Rauch Strengere Regeln für Shisha-Bars

Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) Gefährlicher Qualm: will den Gesundheitsschutz in Shisha-Bars Wer eine Wasserpfeife verbessern. Kernpunkte: In Lokalen, wo raucht, inhaliert sehr ­Wasserpfeifen geraucht werden, muss es große­ Rauchmengen. künftig Warnmelder geben, die den Gehalt von giftigem Kohlenmonoxid (CO) in der mann, dessen SPD-Fraktion das Thema auf „dass beim Shisha-Rauchen durchschnitt- Luft messen. Diese müssen von einem Fach- die Tagesordnung gesetzt hatte, unterstützte lich sogar mehr Nikotin und nicht weni- betrieb eingebaut werden. Auch für Lüftung den Kurs der Regierung. Es müsse landeswei- ger krebserregende Stoffe aufgenommen und Abzug soll künftig eine Fachfirma zu- te Standards geben, damit die kommunalen werden, als beim Rauchen von Zigaret- ständig sein. Zudem müssen die Bars Warn- Ordnungsämter nicht „nur auf Zuruf“ ein- ten“. Die AfD machte sich für ­bundesweite schilder anbringen. Dies will Buchholz mit greifen, „wenn die Ersten umgekippt sind“. Vorgaben und eine deutschlandweite Auf- ­ einem landesweiten Erlass regeln. Ein neues klärungs­kampagne stark. Frank Brodehl Fehrs: Freiheit nicht einengen Gesetz sei nicht erforderlich. forderte eine „Kennzeichnungs­ pflicht“­­ der Hintergrund der Maßnahme: In den ver- Auch aus den anderen Parteien gab es ­Tabaksorten. Dieser Antrag scheiterte am gangenen Monaten haben Besucher solcher Lob für Buchholz. Wolf Rüdiger Fehrs Nein der anderen Frak­tionen. Gaststätten mehrere Schäden davongetragen.­ (CDU) unterstrich das „Prinzip des freien Vor allem in größeren Städten sind Shisha- So erlitten in Kiel zwei 19-Jährige CO-Vergif- und mündigen Bürgers“. Die Schutzregeln Bars verbreitet. In Kiel gibt es Schätzungen tungen. Sie waren der sauerstoffarmen Luft dürften Betreiber und Kunden nicht in ih- zufolge etwa ein Dutzend, in Lübeck sieben, ausgesetzt, die in Räumen mit Wasserpfeifen­ rer Freiheit einengen. Shisha-Bars brächten in Flensburg drei. Die Polizei hat zuletzt dampf und ohne ausreichende Lüftung ent- Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mehrfach Bars geschlossen, nachdem die stehen kann. Das aus Arabien stammende zusammen und förderten so die Völkerver- ­Feuerwehr dort gefährlich hohe CO-Werte Shisha-Rauchen liege zwar „irgendwie im ständigung, meinte Dennys Bornhöft (FDP). gemessen hatte. Das Problem: Es bestehen Trend“, so Minister Buchholz, und sei ein Marret Bohn ­(Grüne) wies darauf hin, dass keine landesweiten Standards für die Bars. „bereicherndes Barkultur-Element“.­ Es müs- der 19-Jährige, der in einer Kieler Shisha-Bar Sie gelten als einfache Raucher-Kneipen. se aber deutlich werden, dass der ­„toxische zusammengebrochen war, akut gefährdet ­Spezielle Vorgaben, etwa für Kohlen­ und teilweise krebserregende“ Rauch eine gewesen sei: „Das war ganz schön knapp.“ monoxid-Warnmelder oder Lüftungs­ Gesundheitsgefahr darstelle. Bernd Heine- Und Flemming Meyer (SSW) merkte an, anlagen, gibt es noch nicht.

Regierung: Drogenpräventionsprojekt CSD-Vertreter arbeitet „seriös“ im Landeshaus willkommen Hat das Drogenpräventionsprojekt des Vereins Odyssee an einer Der Landtag will mit einer Veranstaltung zum Christopher Street Schule Drogen verharmlost? Das verneinten Bildungs- und Sozial- Day (CSD) im Kieler Landeshaus ein Zeichen gegen Diskriminierung ministerium im März-Plenum entschieden. Es gebe keinen Zweifel und Ausgrenzung von Homosexuellen setzen. Allerdings gab es bei an „der hohen Fachlichkeit der Mitarbeiter oder der Seriosität des der Debatte im März unterschiedliche Auffassungen darüber, ob es An­ gebotes“.­ einen offiziellen Empfang geben und die ­Regenbogenfahne gehisst Laut einem Zeitungsartikel sollen Schüler und Lehrer aus ­Flintbek werden soll. Letztlich verabschiedete der Landtag ­einen Vorschlag (Kreis Rendsburg-Eckernförde) berichtet haben, dass Drogen bei der Koalitionsfraktionen von CDU, Grünen und FDP, der allgemein ­einem Projekt an ihrer Schule vom Verein verharmlost worden seien. vorsieht, der Landtag möge „die Vertreterinnen und Vertreter der Die AfD setzte das Thema auf die Landtagsagenda. Ihr Abgeordneter­ CSD-Organisationen und Verbände, die sich für die queere Emanzi­ Frank Brodehl forderte: „Wir müssen künftig genauer hinsehen, pationsarbeit engagieren, empfangen.“ ­welche Art von Prävention von wem mit welchem Ziel gemacht wird“. Ein Ursprungsantrag der SPD-Fraktion hatte einen Empfang ge­ Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) betonte, der Regierung sei fordert – unter wehender Regenbogenflagge. Die Fahne symbolisiere, lediglich die Beschwerde eines Schülers bekannt. Schulleiter, Lehrer dass „wir ein deutliches Zeichen für eine vielfältige Gesellschaft setzen und andere Schüler hätten „nur positive Rückmeldungen“ gegeben. wollen“, sagte die Sozialdemokratin Serpil Midyatli.

DER LANDTAG 01 /2018 11 SCHWERPUNKT 1968

Nicht nur Radikale schlagen zurück. „Es gibt Parallelen Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt schrieb Anfang des Jahres in der „Welt“: „Auf die linke Revolution der Eliten zwischen den 68ern und folgt eine konservative Revolution der Bürger.“ War 1968 ein Elitenprojekt, das an der Mehrzahl der Menschen vorbei­ der ‚Neuen Rechten‘ “ ging? Blickt man nur auf den Ausgangsort der Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Tobias Adler-Bartels Proteste – die Universitäten – dann ist das sicherlich richtig. Der Anspruch der 68er, Der Politikwissenschaftler Tobias Adler-Bartels hat an der Uni Kiel zur Sprache und eine revolutionäre Volksbewegung zu sein, ­Ideologie des zeitgenössischen Konservatismus geforscht. Er sieht Zusammenhänge wurde ja nie eingehalten. Die Arbeiter, vor ­zwischen der 68er-Bewegung und der heutigen „Neuen Rechten“, macht aber auch deren Werkstoren sich die 68er die Beine in Gegensätze­ aus. den Bauch standen, haben sich nur in ganz wenigen Momenten, etwa im Frühjahr 1968 in Frankreich oder später vor allem in ­Italien, An der Jahreszahl 1968 scheiden sich ­Erziehung zwischen Eltern und Kindern, mit den Studentenprotesten solidarisiert. die Geister, insbesondere Konservative und es gilt auch in den Institutionen, etwa im Gleichzeitig waren die 68er aber natürlich und „Neue Rechte“ sehen das Erbe der Verhältnis von Lehrern zu Schülern oder von keine Eliten, denn die Studenten hatten 68er skeptisch. Was treibt die Kritiker Professoren zu Studenten. Diese Hierarchien ja keine wirklichen Machtpositionen und an? haben die 68er wenn nicht abgeschafft, so „Elite“ diente vielmehr als Kampfbegriff zur Meine These ist, dass es zwei Arten des doch in Frage gestellt. Bereits in den 1960er Diffamierung der etablierten bundesrepubli­ Konservatismus gibt: eine moderate und ­eine Jahren haben Konservative auf die natürliche kanischen Ordnung. Dobrindts Idee einer radikale. Die moderate Seite versucht, das Ordnung gepocht und die Notwendigkeit von „Konservativen Revolution“ ist entweder ein mäßigende, ausgleichende Element zwischen Hierarchien betont. Eine wichtige Schrift war gefährliches Spiel mit dem Feuer oder zeugt den politischen Extremen darzustellen. Diese „Moral und Hypermoral“ von Arnold Gehlen von naiver Unwissenheit, stammt dieser Be- Haltung findet sich sehr stark in den Unions- aus dem Jahr 1967. Das war ein Gegenentwurf griff doch aus der Weimarer Republik und parteien wieder. Der radikale Konservatismus zur Idee der völligen Gleichberechtigung, steht für die antiliberalen und gegenaufkläre- hingegen betrachtet den Liberalismus und die linke Denker und Politiker etwa durch rischen Tendenzen des Konservatismus. Dass auch viele der Errungenschaften von „1968“ Quoten oder durch die breite Beteiligung an er diesen Begriff gegen die 68er ins Feld führt, als Feindbild. Und die heutige „Neue Rechte“ Entscheidungsprozessen erreichen wollten. ist, so denke ich, etwas zu scharf geschossen. versteht sich zum großen Teil in solch einer Außerdem wurde die liberale Idee universa- radikal-konservativen Weise. ler Rechte von den radikalen Konservativen Andererseits gibt es Parallelen zwi­ als eine „Erfindung“ der Aufklärung gebrand- schen den 68er-Demos und dem, was Ist 50 Jahre 1968 nicht eine Erfolgs­ markt, die der menschlichen Wirklichkeit heutzutage auf Pegida-Veranstaltungen geschichte? Wir haben heute eine widersprechen würde. zu beobachten ist. Dort gibt es jeweils ­lebendige Zivilgesellschaft, die Gleich­ berechtigung von Mann und Frau ist weit vorangeschritten, die Stigmatisie­ rung von Minderheiten wie Behinder­ ten oder Homosexuellen wurde zurück­ gedrängt, Schulen und Hochschulen praktizieren innere Demokratie. Was kann man daran schlecht finden? Der Konservatismus hat ein organi- sches Verständnis von Staat und Ordnung. ­Hierar­chien gelten als etwas quasi Natür­ liches, beispielsweise dass der Mann der Frau übergeordnet ist. Das gleiche gilt in der

1968: Mit der „Internationalen Vietnam-­Konferenz“ des Sozialistischen Deutschen­ Studenten­ bunds (SDS) an der Technischen Universität ­Berlin ­erreicht der Studentenprotest in Deutschland seinen politischen Höhepunkt.­

12 DER LANDTAG 01 /2018 SCHWERPUNKT 1968

2017: Anhänger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung nehmen in Dresden an einer Kundgebung teil.

Zeitschriften aus dem Boden. Heute führen aber die Echokammern der digitalen Welt dazu, dass nur noch eine­ Eigenbespiegelung­ stattfindet – und dass andere Auffassungen kaum zur Kenntnis genommen werden.

Die 68er starteten schließlich den Marsch durch die Institutionen. Ist ein ähnlicher Weg nun auch von rechts zu erwarten? Es wird, so denke ich, keinen Marsch durch die Institution der Macht geben, aber es ent- stehen eigene, neue Institutionen, die um eine kulturelle Deutungshoheit kämpfen. Bei der AfD steht eine Menge Geld zur Verfü- den absoluten Anspruch, die Wahrheit Das spielt sicherlich eine gewisse Rolle. gung, um eine eigene parteinahe Stiftung zu zu vertreten … Aber die damalige Große Koalition war nicht gründen. Es gibt außerdem seit einigen Jahren Ja, es gibt diesen Dogmatismus, wobei das der alleinige Auslöser für die 68er-Bewegung. das „Institut für Staatspolitik“, das mit seinen für so gut wie alle politischen und sozialen „1968“ war ja kein rein deutsches Phäno- Veröffentlichungen politische Ideen wie den Bewegungen in ihrer Frühphase gilt. Span- men – in anderen Ländern gab es solche Be- Ethnopluralismus diskutiert und verbreitet, nend ist es, die Aktionsformen zu betrachten. wegungen auch, ganz ohne „GroKo“. Hier deren problematischer Hintergrund vielen Bereits Anfang der 1960er Jahre gab es die traten grundsätzliche Modernisierungsbe- nicht geläufig ist. Ich gehe aber davon aus, „Konservative Front“, die an den Universi- strebungen in den Gesellschaften zutage. Das dass unsere Zivilgesellschaft, auch dank der täten ähnliche Mittel einsetzte wie später die wurde sicherlich dadurch verstärkt, dass es im 68er, stark genug ist, um das auszuhalten. 68er: etwa Veranstaltungen zu stören. Von Bundestag keine wirkliche Opposition gab, dort verläuft eine Linie, die bis zu dem Pub- und dass sich eine im wahrsten Wortsinne Interview: Karsten Blaas lizisten Götz Kubitschek reicht, der 2007 die „Außerparlamentarische Opposition“ grün- „Konservativ-Subversive Aktion“ gegründet dete. Heute sehen wir, dass die Union einen hat. Diese Leute haben etwa mit Flugblatt­ Prozess durchlaufen hat, der sie in den Augen aktionen Günter-Grass-Lesungen behindert der Kritiker von rechts als beliebig, zu SPD- oder im Jahr 2008 den Kongress der Links- nah und unauthentisch dastehen lässt. partei „40 Jahre 1968“ gestört. Es gibt bei den heutigen „Neuen Rechten“ eine große Beide Bewegungen haben die Medien Sympathie für die Aktionsformen der 68er. als Feind – die 68er die Springer-Presse, Auch in der nationalen Frage gibt es Paralle- die „Neue Rechte“ die angeblich lügen­ len. Die 68er waren nicht so internationa- den klassischen Medien … listisch, wie man es heute häufig denkt. Für In den 1960er und 70er Jahren gab es eine Rudi Dutschke,­ der ja als Republikflüchtling ganz andere Medienöffentlichkeit als heute. aus der DDR kam, war die deutsche Einheit Es gab die großen Tageszeitungen, die tat- immer ein wichtiger Bezugspunkt seines sächlich von einer Mehrheit gelesen wurden. politischen Denkens. Auch andere im „Sozia- Die Springer-Presse hat sehr polemisch über listischen Deutschen Studentenbund“ (SDS) die 68er berichtet, das ging teilweise unter vertraten durchaus nationale Positionen. die Gürtellinie. Vor diesem Hintergrund Die „Neuen Rechten“ versuchen, auf dieses gründete sich eine linke Gegenöffentlichkeit, Der Politikwissenschaftler Tobias Adler-­ national­revolutionäre Erbe hinzuweisen, was be­stehend aus unzähligen, teilweise recht Bartels, geboren 1986, forschte an der aber sehr willkürlich ist. Denn sie klammern esoterischen Zeitschriftenprojekten. Heute Uni Kiel nach einem Studium der Politik­ die große internationale Solidarität aus, für dagegen läuft die Kritik an einer angeblich­ wissenschaft, Philosophie und Neuesten die 68 ebenfalls steht. einseitigen Medienlandschaft ins Leere. Geschichte zu zeitgenössischem politi­ Wenn man ­einen Blick in den Bahnhofsbuch- schen Denken und Konservatismus. Er 68er und „Neue Rechte“ entstanden handel wirft, dann kann eigentlich ­niemand wechselt nun zur Uni Göttingen als wissen­ vor dem Hintergrund einer Großen behaupten, dass es keine Presse- und Mei- schaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für ­Koalition auf Bundesebene. Inwiefern nungsfreiheit gibt. Gerade­ auf der rechten Politische ­Theorie und Ideengeschichte. spielt das eine Rolle? Seite sprießt eine stetig wachsende Zahl an

DER LANDTAG 01 /2018 13 MINDERHEITEN

Landtag besucht Landtag Meinungsaustausch zu Minderheiten und Mobilität

Das nördlichste Bundesland, Grenzregion des Südtiroler Landtages, Roberto Bizzo, sagte mit verschiedenen Minderheiten, vorbild­ sein Treffen mit dem Besuch aus Deutschland lichem Minderheitenschutz und mehreren ab, weil er am Tag vor der Anreise aus seiner Sprachen: Schleswig-Holstein und Südtirol Partei Partito Democratico (PD) ausgetreten haben Einiges gemeinsam. In manchen war. Bereichen sticht die norditalienische Deutsche Sprachgruppe Provinz als Vorbild heraus – etwa durch in der Mehrheit einen ­modernisierten und ausgebauten Die schleswig-holsteinische Delegation Nahverkehr, einen einzigen Fahrschein für Anders als im restlichen Italien bleibt der ­besucht den Südtiroler Landtag und dessen Bus und Bahn oder einen Wissenschafts- Rechtsruck in Südtirol wenige Tage später Vizepräsidenten Thomas Widmann (2. v. re.). und Technologiepark als Ideenschmiede aus. In der nördlichsten Provinz sind auch des Landes. Eine Delegation des Schleswig- EU-kritische Stimmen in der Unterzahl. Holsteinischen Landtages nahm die Denn die Minderheiten, die deutsche und ­Modellprojekte in Bozen und Region Ende die ladinische Sprachgruppe, profitieren von Ein Fahrschein Februar vor Ort in Augenschein. Europa. Das machte der Studiendekan der für ganz Südtirol Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni- versität Innsbruck, Walter Obwexer, den Ein weiterer Schwerpunkt der Informati- Nachdem ihre Amtskollegen im Sommer ­Delegierten in einem Vortrag deutlich. onsreise lag auf dem öffentlichen Nahver- vergangenen Jahres in Schleswig-Holstein zu Obwexer, der auch das Institut für Europa­ kehr. Das Südtiroler Mobilitätskonzept soll Gast waren, traten die Abgeordneten von der recht und Völkerrecht in Innsbruck leitet, Einwohner und Urlauber von der Autobahn Förde nun den Gegenbesuch beim Bozener ­verdeutlichte neben den Parallelen zum auf die Schiene bringen, erklärte der Vize- Parlament an. Mit dabei: Landtagspräsident Schutz der dänischen und friesischen Min- präsident des Bozener Landtages, Thomas Klaus Schlie, seine Stellvertreterin Kirsten derheiten sowie der Sinti und Roma in ­Widmann, der Delegation. Dazu wurden Eickhoff-Weber (SPD), Grünen-Fraktions- Schleswig-Holstein gleichzeitig die Unter- Bus- und Bahnnetz in der Region seit 2005 vorsitzende Eka von Kalben, AfD-Chef Jörg schiede zu Südtirol. Obwohl in Italien in der ausgebaut, modernisiert und vertaktet, ein Nobis, der Vorsitzende der Abgeordneten Minderheit, stellt die deutsche Sprachgruppe Fahrschein für die ganze Provinz sowie den des SSW, Lars Harms, sowie die Vizefrakti- in der italienischen Provinz die Mehrheit dar. gesamten Nahverkehr eingeführt und neue onsvorsitzenden von CDU und FDP, Katja Darüber hinaus übt Österreich eine Schutz- Linien und Bahnhöfe geschaffen. Rathje-Hoffmann und Anita Klahn. funktion für die Angehörigen der deutschen Die Schleswig-Holsteiner beeindruckte be- Ein Besuch in bewegten Zeiten, denn die und ladinischen Sprachgruppe aus – die im sonders die Effizienz und Schnelligkeit, mit Südtiroler befinden sich im „Super-Wahl- Oktober 2017 neu gewählte Regierung stellt der die Südtiroler den Nahverkehr moderni- jahr“, das die Schleswig-Holsteiner gerade ihnen nun auch die doppelte Staatsbürger- siert haben. „Das sind spannende Einblicke, hinter sich haben. schaft in Aussicht. „In der EU bringt die die wir hier gewinnen“, sagte Landtagspräsi- So warf die nationale Parlamentswahl in Staatsbürgerschaft eines Mitgliedsstaates aber dent Schlie. Italien am 4. März zu Beginn der Delegations- nur wenige zusätzliche Rechte, die Unions- Dazu zählte auch die Besichtigung im reise auch ihre Schatten voraus. Der Präsident bürger nicht haben“, erklärte Obwexer. NOI-Techpark in Bozen, der zu einer Ideen­ schmiede des Landes werden soll und Unter- nehmer, Startup-Gründer, Studierende und Forscher vernetzt. „In Südtirol passiert viel Innovatives. Wir nehmen einige Anregun- gen mit nach Schleswig-Holstein – etwa, wie wir verschiedene Akteure zusammenbringen können“, resümierte Schlie. Zum Abschluss der Reise sprach die Dele- gation mit dem Ministerpräsidenten der Pro- vinz, Landeshauptmann Arno Kompatscher,­ über gemeinsame Themen wie Mehr­ sprachigkeit an Schulen oder die Stärkung sozialer Berufe. Gäste und Gastgeber sind sich Walter Obwexer von der Universität Innsbruck (2. v. re.) informiert über den Minderheitenschutz einig: Sie wollen im Austausch bleiben. in Südtirol und Europa. Vivien Albers

14 DER LANDTAG 01 /2018 MINDERHEITEN

Nordschleswig Pläne für das „Friedensjahr“ 2020

Das Jahr 2020 soll zum „deutsch-dänischen Friedensjahr“ werden. beim Bund angeregt, eine Sonderbriefmarke herauszugeben. Die Anlass ist das 100. Jubiläum der Grenzziehung zwischen den beiden deutsche Minderheit nördlich der Grenze möchte die erfolgreiche Staaten. Das Veranstaltungsprogramm war Anfang Februar Thema im deutsch-dänische Minderheitenpolitik als immaterielles UNESCO- Nordschleswig-Gremium des Landtages. Weltkultur­erbe verankern. Im März unterstützte der Landtag diesen Zunächst müsse es darum gehen, insbesondere den jungen Schles- Plan. Zudem soll das Deutsche Museum in Sonderburg­ renoviert wer- wig-Holsteinern zu verdeutlichen, „worum es dabei eigentlich geht“. den und mit einer „zeitgemäßen Ausstellung für alle Generationen“ Das betonte Landtagsdirektor Utz Schliesky, der gemeinsam mit Ver- an die Ereignisse vor 100 Jahren erinnern. Das berichtete der Vorsit- tretern der Staatskanzlei das „2020-Komitee“ leitet. In der Schule wer- zende des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgensen. Er de die Landesgeschichte oft stiefmütterlich behandelt, so Schliesky. habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei dessen jüngstem In Schleswig-Holstein sind Kulturveranstaltungen, Jugendbegeg- Schleswig-Holstein-Besuch für 2020 ins Grenzland eingeladen, so nungen und politische Treffen in Planung. Die Landesregierung hat ­Jürgensen. Das Staatsoberhaupt sei „positiv angetan“ gewesen. Auf dänischer Seite wird die Abtretung des vormals deutschen Nord­ schleswig an Dänemark als „Wiedervereinigung“ gefeiert. Das König- reich plant unter anderem einen Staatsakt an den Düppeler Schanzen. Die Grenzziehung am 15. Juni 1920 basierte auf Volksabstimmun- gen, die im Januar und Februar 1920 im Grenzland abgehalten wur- den. Die Referenden, die auch in anderen deutschen Grenzregionen einberufen wurden, waren eine Vorgabe des Versailler Friedensver- trages am Ende des Ersten Weltkriegs. Ein Ergebnis der Abstimmung im Norden Schleswig-Holsteins war, dass kulturelle und sprachliche Minder­heiten auf beiden Seiten der neuen Grenze entstanden. Zuvor hatte das gesamte Herzogtum Schleswig ab 1864 zu Preußen und zum Das Jubiläumslogo der deutschen Minderheit in Dänemark Deutschen Kaiserreich gehört.

Friesen Hilfe aus den USA für die bedrohte Sprache

Mit Know-how aus den USA soll das Friesische am Leben ge­halten werden. Diesen Plan haben Vertreter friesischer ­Kultureinrichtungen Ende Januar im Friesengremium des Landtages vorgestellt. Das Nord- friesische Institut in Bredstedt hat ein gemeinsames Forschungs- projekt mit der Smithsonian Institution in der US-Hauptstadt ­Washington angestoßen. Ziel ist ein Konzept zur „Revitalisierung“ der Minderheitensprache an der Westküste. Die amerikanischen Forscher hätten bereits mehrfach den aussterbenden Sprachen amerikanischer Ureinwohner neues Leben eingehaucht, berichtete ­Inken Völpel-Krohn, Vorsitzende des Trägervereins des „Nordfriisk­ ­Instituut“. Bahne Bahnsen von der „Friisk Foriining“ wies auf die dramatische Lage des Friesischen hin: „Die Sprache existiert noch, aber sie liegt auf der Intensivstation.“ Schätzungen zufolge sprechen derzeit noch etwa 12.000 bis 20.000 Menschen im Kreis Nordfries- land und auf Helgoland einen der verschiedenen friesischen Dialekte. Wenig ermutigend sind die Zahlen aus dem Schulunterricht: Zurzeit lernen rund 800 Schüler in 17 Schulen in der Region Friesisch. Die Ik ban, dü bast, jü as („Ich bin, du bist, sie ist“) – Tendenz ist rückläufig, vor allem, weil Lehrer fehlen. Momentan gibt die Zahl der Friesisch-Lehrer wie auch der -Lernenden geht zurück. es 25 Friesisch-Pädagogen im Lande. Ein Wunsch der Friesen: mehr Präsenz in den öffentlich-rechtlichen zwei­sprachig umgerüstet sein. Dies helfe, um „sichtbar zu sein“, wie Medien. „Pro Tag eineinhalb Minuten Nachrichten im NDR-Radio Ilse Johanna Christiansen vom Friesenrat unterstrich. ­wären gigantisch“, sagte der SSW-Abgeordnete Lars Harms. Einen Im Friesengremium treffen sich zweimal im Jahr Vertreter der ­Erfolg für das Friesische vermeldete das Verkehrsministerium: Bis ­Friesen mit Abgeordneten aus Landtag und Bundestag sowie der ­Ende April sollen 150 Hinweisschilder an Nordfrieslands Straßen Landes­regierung. Den Vorsitz hat Landtagspräsident Klaus Schlie.

DER LANDTAG 01 /2018 15 LEICHTE SPRACHE

Teilhabe-Gesetz auch in Leichter Sprache

Das Teilhabe-Stärkungs-Gesetz soll die Hilfe für Menschen mit Behinderung regeln. Aber das Gesetz ist in Schwerer Sprache geschrieben. Darum sagen viele Menschen mit Behinderung: Wir können das Gesetz nicht verstehen. Darum gibt es das Gesetz nun auch in Leichter ­Sprache. Zum Ersten Mal gibt es in Schleswig-Holstein ein Gesetz in Leichter Sprache. Darüber haben Abgeordnete und Betroffene im Sozial-Ausschuss gesprochen. Der Land-Tag hat das Gesetz danach beschlossen.

Die Übersetzung in Leichte Sprache ist wichtig. Auch die Landes-Arbeits-Gemeinschaft Bewohner-Beiräte Das meinen die Leute von der Landes-Arbeits-­ findet die Leichte Sprache wichtig: Gemeinschaft Werkstatt-Räte. Sie schreiben: „Im Landes-Aktions-Plan Schleswig-Holstein  „Wir müssen den Entwurf verstehen. in Leichter Sprache steht:  Wir müssen die Bedeutung und Auswirkung Die Landes-Verwaltung von Schleswig-Holstein verstehen.­ soll barriere-frei sein.  Wir müssen uns eine Meinung bilden und Alle Informationen und Kommunikation diese auch begründen. sollen barriere-frei sein.  Wir müssen Forderungen entwickeln. Nur so können Menschen mit Behinderung alle Informationen verstehen.  Wir müssen eine Stellungnahme schreiben. Alle Menschen haben das Recht auf Information. Dazu brauchen wir eine Übersetzung in Leichter Sprache.“ Und in Leichter Sprache für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Die Mitglieder im Vorstand brauchen Infos in Leichter Sprache. Texte in Schwerer Sprache kann der Vorstand nicht selbst verstehen.“

Erklärung:

Die Leute im Land-Tag heißen Abgeordnete. In einem Ausschuss kümmern sich elf Abgeordnete um eine Sache. Zum Beispiel um die Bildung oder die Umwelt. Oder um Sozial-Politik. Das heißt: um alte ­Menschen oder um kranke Menschen oder um Menschen mit Behinderung.

16  LEICHTE SPRACHE

Zehn Millionen Euro für So lautet der Anfang von dem Gesetz So lautet der Anfang von dem Gesetz in Schwerer Sprache: in Leichter Sprache:

§ 1 Paragraf § 1 Träger der Eingliederungshilfe, Träger der Eingliederungs-Hilfe, ­ sachliche Zuständigkeit­ sachliche Zuständigkeit

(1) Träger der Eingliederungshilfe sind die Kreise und Sachlich zuständig sind die Stellen, die die Aufgabe kreisfreien Städte. Sie führen die Eingliederungshilfe übertragen bekommen, die Eingliederungs-Hilfe als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe durch. durchzuführen. Sie sind sachlich zuständig für alle Aufgaben nach Wer ist in Schleswig-Holstein für die Durchführung Teil 1 und 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – der Eingliederungs-Hilfe zuständig? Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit ­Behinderungen (SGB IX), insbesondere Absatz 1: 1. die Beratung und Unterstützung gemäß § 106 Die Kreise und kreisfreien Städte sind zuständig für die SGB IX, Eingliederungs-Hilfe. Sie sind Träger der Eingliede- 2. die Gesamtplanung nach Teil 2 Kapitel 7 SGB IX, rungs-Hilfe. Sie müssen alle Aufgaben der Eingliede- 3. die Vereinbarung von Leistungen und Vergütungen rungs-Hilfe übernehmen: mit den Leistungserbringern und Wirtschaftlich- 1. Die Mitarbeiter der Eingliederungs-Hilfe beraten keits- und Qualitätsprüfungen gemäß Teil 2 und unterstützen Menschen mit Behinderung. Kapitel 8 SGB IX. 2. Sie stellen den gesamten Bedarf fest, planen die Hilfe und schreiben sie auf. 3. Sie treffen Vereinbarungen mit den Leistungs- Erbringern. Das können zum Beispiel eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung sein oder Angebote für die Schul-Begleitung.

Der ganze Text in Leichter Sprache steht im Internet: sh-landtag.de, dann Dokumente klicken, dann Umdrucke klicken, dann die Nummer 523 eingeben.

Barriere-Freiheit Zehn Millionen Euro für Barriere-Freiheit

In den kommenden vier Jahren will das Land Schleswig- Holstein zehn Millionen Euro für Barriere-Freiheit ausgeben.­ Alle Abgeordneten im Landtag waren dafür. Mit dem Geld sollen Gebäude behinderten-gerecht umgebaut werden. Oder Busse und Bahnen besser ausgerüstet werden. Oder Texte von Ämtern in Leichte Sprache übersetzt werden. Das Geld hilft vielen Menschen. Nicht nur Behinderten. Auch älteren Menschen oder Eltern mit Kindern. Das sagt die Abgeordnete Andrea Tschacher von der CDU.

DER LANDTAG 01 /2018 17 IM ZENTRUM

Landeshaushalt Koalition und Opposition: Investitionen im Schatten der HSH Nordbank die Schwerpunkte Niedrigzinsen und Rekordeinnahmen bescheren dem Land finanzielle Spielräume, aber Die Landesregierung hat ein 70 Millio- die HSH Nordbank trübt die Freude. Ende Februar hat die Jamaika-Koalition ihren ersten nen Euro schweres Entlastungspaket mit Etat durch den Landtag gebracht. CDU, Grüne und FDP wollen in Bildung und Infrastruktur­­ Städten, Gemeinden und Kreisen ausge- investieren und mehr Geld für Kommunen und Kitas bereitstellen. Zugleich sollen weitere handelt. Davon fließt knapp die Hälfte Altschulden getilgt werden. Die Oppositionsfraktionen legten jeweils eigene ­Anträge mit in die Kitas. 32 Millionen Euro gehen in ein Sondervermögen für die Schie- neninfrastruktur. Fünf Millionen gibt es für ein Sondervermögen für Bürger-­ Der Landeshaushalt 2018 Windparks und 2,5 Millionen Euro für 40 weitere Ausbildungsplätze in der Altenpflege. Das Uni-Klinikum in Kiel 0,07 Millionen 6,4 Millionen und Lübeck wird mit einem zinslosen Landesverfassungs- Landesrechnungshof Darlehen von 40 Millionen Euro ent- gericht lastet. +++ Die Koalitionsfraktionen 23,5 Millionen von CDU, ­Grünen und FDP haben Staatskanzlei knapp sechs Millionen Euro zusätzlich für Sport, Kultur und innere Sicherheit Millionen ver­ankert. Auch Volkshochschulen und 46,3 die Verbraucherzentrale sollen profi- Landtag tieren, ebenso die Sprachförderung von 213,5 Millionen Flüchtlingen. Mehr Geld gibt es zudem Finanzministerium 360,6 Millionen für Anti­ diskriminierungsarbeit­ und Ministerium für Energiewende, den Kampf gegen Rechtsextremismus. Landwirtschaft, Umwelt, Natur +++ Die Sozialdemokraten­ forderten 434,7 Millionen und Digitalisierung vergeblich kostenlose Krippenplätze Ministerium für Justiz, für Kinder ­unter drei Jahren sowie eine Europa, Verbraucherschutz­ Anhebung der Grundschullehrer-Besol- und Gleichstellung dung von A12 auf A13. Außerdem sollten 658,8 Millionen Beamte nach Willen der SPD teilweise Ministerium für Wirtschaft, Verkehr,­ Arbeit,­ Technologie wieder Weihnachtsgeld bekommen. Ein- 1 Millionen und Tourismus sparungen planten die Sozialdemokraten 876, Ministerium für Inneres, etwa durch eine Kürzung der globalen ländliche Räume Mehrausgaben für Personal um 47 Mil- und In­ tegration lionen Euro. +++ Die AfD forderte, die Stelle des Flüchtlingsbeauftragten abzu- schaffen und die Mittel für die Integra- 1.555,6 Millionen tion von Migranten in Gesellschaft und Ministerium für Soziales, ­Arbeitsmarkt sowie für die ehrenamtliche Gesundheit,­ Jugend,­ Familie Flüchtlingshilfe zusammenzustreichen. und Senioren Extra-Ausgaben sah die AfD hingegen für die Rückführung abgelehnter Asyl- bewerber vor. Die AfD wollte auch 22 zusätzliche Kriminalkommissaranwärter und 13 weitere Polizeiobermeisteranwär- Hinzu kommen die Ausgaben für Millionen ter einstellen. +++ Der SSW verlangte 2.520,5 Allgemeine Finanzverwaltung, ebenfalls eine bessere Bezahlung der Ministerium für Bildung, Hochbaumaßnahmen, Raum­ Wissenschaft und Kultur Grundschullehrer. 2,5 Millionen Euro bedarfsdeckung, Informations- sollten in kostenlose Büchereien fließen, und Kommunikationstechnologi- die gleiche Summe in die Tierheime im en und E-Government sowie das Lande. Als einzige Oppositionspartei­ Infrastruktur-Modernisierungs­ stimmte der SSW dem Jamaika-Haushalt programm „IMPULS 2030“, das um zu, nachdem ­einige Anträge berücksich- 308,3 Millionen Euro aufgestockt tigt wurden. € wird.

18 DER LANDTAG 01 /2018 IM ZENTRUM

Landeshaushalt HSH-Verkauf Investitionen im Schatten der HSH Nordbank belastet den Landeshaushalt unterschiedlichen Schwerpunkten vor. Eine Woche nach der Haushaltsdebatte standen neue Zahlen im Blickpunkt: Nach dem HSH-Verkauf wird die Schuldenlast des Landes Das Land will seine Anteile­ ­voraussichtlich deutlich ansteigen. Das bedeutet auch: Ab 2019 wird das Land wohl an der schwer angeschlagenen ­mindestens 50 Millionen Euro mehr pro Jahr an Zinsen zahlen müssen. Die finanziellen HSH Nordbank abstoßen. Es gibt ­Freiräume werden damit enger. ­einen stattlichen Kaufpreis, aber ­Schleswig­-Holstein soll auch Altlas­ ten der Bank übernehmen. Es drohen ein milliardenschweres­ Minus und Einnahmen und Ausgaben Arbeitsplatz­verluste in Kiel. Die gemeinsame Landesbank von Einnahmen (bereinigt) 12,142 Milliarden € Hamburg und Schleswig-Holstein soll an Anstieg gegenüber Vorjahr 6,4 Prozent Finanzinvestoren aus den USA, Großbri- Ausgaben (bereinigt) 11,986 Milliarden € tannien und Österreich gehen. Die US- Anstieg gegenüber Vorjahr 5,3 Prozent Firmen Cerberus und J. C. Flowers halten Schuldentilgung 160 Millionen € künftig rund 80 Prozent der Anteile. Zinsausgaben 506 Millionen € Das gaben die Landesregierung und der Personalquote 35,3 Prozent Hamburger Senat am 28. Februar in Kiel bekannt, dem letzten Tag der von der EU Investitionsquote 9,8 Prozent gesetzten Verkaufsfrist. Brüssel hatte die Anstieg der Investitionen gegenüber Vorjahr 1,9 Prozentpunkte Staatsbeteiligung an der Bank moniert (Quelle: Finanzministerium) und einen Verkauf oder eine Abwicklung gefordert. Kreditaufnahme: Inzwischen wird getilgt Der Kaufpreis beträgt rund eine Milli- arde Euro, könnte sich allerdings noch reduzieren. Die Hälfte davon ginge an die Landeskasse, der Rest nach Hamburg. Demgegenüber stehen Verluste, die Mi- nisterpräsident Daniel Günther (CDU) mit 5,4 bis sieben Milliarden Euro taxiert. Hintergrund ist die milliardenschwere Garantie, mit der die beiden Nord-Länder im Jahr 2009 für faule Kredite gebürgt und damit die HSH gerettet hatten. Um die Transaktion abzuschließen, müssen der Landtag und die Hamburger Bürgerschaft zustimmen, ebenso die EU- Nach 1970 hat das Land jahrzehntelang neue Schulden aufgenommen. Höhepunkt war eine Kommission, die Finanzaufsicht BaFin Nettokreditaufnahme von 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2005. Seit 2010 steht die Schuldenbremse und die Europäische Zentralbank. Die in der Landesverfassung und im Grundgesetz. Sie schreibt vor, dass der Landeshaushalt spätes- Verfahren werden wohl erst im Herbst tens ab 2020 ohne neue Schulden auskommen muss. Schleswig-Holstein hat dieses Ziel bereits abgeschlossen sein. Der Landtag wird 2013 erstmals erreicht. Damit kann das Land seine angehäuften Schulden tilgen. Der aktuelle sich voraussichtlich im April mit dem Haushalt sieht 160 Millionen Euro für diesen Zweck vor. Deal befassen, der Finanzausschuss wur- de bereits Anfang März informiert. Ein Mit rund 26,3 Milliarden Euro Nachtragshaushalt, damit das Land Kre- stand das Land Schleswig-Hol­ dite für die HSH-Zahlungen aufnehmen stein im März 2018 in der Kreide. kann, ist auf dem Weg. Das besagt die Schuldenuhr Die etwa 800 HSH-Beschäftigten des Steuerzahlerbundes,­ die im in Kiel fürchten um ihre Jobs. Laut Erdgeschoss des Landeshauses Minister­präsident Günther gab es keine hängt. Wenn der HSH-Nord­ Zusagen der Bieter für den Standort. Die bank-Verkauf abgeschlossen ist, jahre­lange HSH-Krise ende mit einem dürften die Schulden auf mehr „schweren Tag für Schleswig-Holstein“, als 30 Milliarden Euro steigen so Günther. und der Pro-Kopf-Anteil auf mehr als 10.000 Euro.

DER LANDTAG 01 /2018 19 PLENUM

Landtag ebnet­ den Weg für den „Führerschein ab 16“

Dürfen bald auch 16-Jährige hinters Steuer? bis zu 100 Kilometer pro Stunde erreichen: Reifegrade Landtag und Landesregierung machen ­„Warum sie dann nicht an der Seite eines er- sich für einen Modellversuch „Begleitetes fahrenen Autofahrers ein Auto steuern dür- Was darf man wann? ­Fahren ab 16“ stark. Das Parlament erhofft fen, leuchtet mir nicht ein.“ sich mehr Sicherheit auf den Straßen, wenn Andreas Tietze (Grüne) warb für „Vertrauen­ Mit 16 Jahren darf man … Fahranfänger ein Jahr länger üben können. in die Geschicklichkeit der Jugendlichen“. Bisher dürfen 17-Jährige in Begleitung eines Wer mit 17 unter Anleitung des Vaters oder • in Schleswig-Holstein Gemeinde- und Erwachsenen einen Wagen lenken, bevor der Mutter Autofahren übe, produziere 20 Stadträte, Kreistage sowie den Landtag sie mit 18 den vollwertigen Führerschein Prozent weniger Unfälle als Fahrer ohne sol- wählen erhalten. che Praxis, unterstrich Claus Schaffer (AfD). • einer Partei beitreten Flemming Meyer (SSW) wies darauf hin, dass • Bier, Sekt und Wein kaufen Dieser Schritt habe sich bewährt und ­solle auch der Deutsche Verkehrsgerichtstag und • sich beim Friseur die Haare färben nun auf 16-Jährige ausgeweitet werden, be- der niedersächsische Fahrlehrerverband die lassen­ tonten Abgeordnete aller Fraktionen im Ausweitung empfählen. Und Hans-Jörn Arp • seine Organe spenden ­Januar. Grundlage des Beschlusses war ein (CDU) betonte: „Alles das, was der Verkehrs- • heiraten, wenn Partner oder Partnerin Antrag von Jamaika und SPD. Schleswig- sicherheit dient, nutzen wir.“ über 18 sind und die Eltern zustimmen Holstein schließt sich damit einer nieder- Mehr als 20.000 Jugendliche beteiligen • ein Konto eröffnen, wenn die Eltern sächsischen Bundesratsinitiative an. Ziel: ein sich jedes Jahr am Begleiteten Fahren mit 17, zustimmen­ dreijähriger Modellversuch in den beiden ­berichtete Verkehrsminister Bernd ­Buchholz • Mofa und Moped fahren Nord-Ländern. (FDP). Das sei fast die ­Hälfte aller­ Fahrschüler.­ • ein Segelflugzeug fliegen. Das 2005 im Lande und 2011 bundesweit Die größte Hürde für das „Projekt 16“ steht in eingeführte Fahren mit 17 sei „ein voller Er- Brüssel, denn die EU-Führerscheinrichtlinie­ Mit 17 Jahren darf man … folg“, bemerkte Kay Richert (FDP). Es habe zu sieht derzeit ein Mindestalter ­ von 17 Jahren „weniger Fehlern aus Unsicherheit, weniger für Fahranfänger vor. Das ­Thema soll aber in • Bundeswehrsoldat werden Fehlern aus Unerfahrenheit, weniger Feh- nächster Zeit im entsprechenden EU-Aus- • Auto fahren, wenn ein Erwachsener lern aus Übermut, weniger Verletzten und schuss erörtert werden. „Ich bin guter Hoff- mit Führerschein mitfährt weni­ger toten Menschen im Straßenverkehr“ nung, dass es uns im Laufe dieses Jahres über geführt. „Absolut sinnvoll“ lautete auch das den EU-Führerscheinausschuss gelingen Mit 18 Jahren darf man … Urteil von Kai Vogel (SPD). 16-Jährige dürf- kann“, so Minister Buchholz. ten bereits jetzt Kleinkrafträder fahren, die • Bundestag und Europaparlament wählen­ • sich in Landtag, Bundestag und ­EU-Parlament wählen lassen • alleine Auto fahren • Schnaps kaufen „Strategie Vision Zero“ : • ein Sonnenstudio besuchen Das Fahren mit 16 soll zur • eine Kettensäge bedienen beitragen, dass es irgend­ • in der Öffentlichkeit rauchen wann keine Toten im • sich eine Tätowierung oder ein Piercing Straßenverkehr mehr gibt, stechen lassen so Andreas Tietze (Grüne). • ein Spielkasino besuchen

20 DER LANDTAG 01 /2018 PLENUM Kostenlos Bücher leihen? Jamaika hat Zweifel

Der SSW fordert die Gratis-Bücherei. Nach Willen der Minderheitenpartei sollen die Bürger in allen Bibliotheken des Landes keine Gebühren mehr zahlen müssen, wenn sie Bücher,­ CDs, Filme oder Zeitschriften ausleihen. Das Bibliotheksgesetz solle nach dänischem Vorbild ergänzt werden, so die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering: Die jährlichen Gebühren für einen Der SSW rechnet mit Einnahmeausfällen „Es geht um den Zugang zu Bildung, Kultur Bücherei­ausweis seien „sehr moderat“, ent­ für die Kommunen von zwei bis 2,5 Millionen und Forschung.“ Dem dürften keine finan- gegnete Anette Röttger (CDU). In Lübeck Euro pro Jahr. Diese Summe solle das Land ziellen Hürden entgegenstehen. Die SPD ­etwa zahle ein Kind 12 Euro pro Jahr, bei ­einem zur Verfügung stellen, forderte Waldinger- ­signalisierte in der ­Januar-Tagung Zustim- Erwachsenen seien es 24 Euro. ­Darüber gebe Thiering – beispielsweise über den kommu- mung, die Jamaika-Partner und auch die AfD es „kaum Beschwerden“. „Solange die kom- nalen Finanzausgleich. Bei der „ausgespro- reagierten allerdings skeptisch. Nun berät der munalen Haushalte nicht dauerhaft schwarze chen guten Finanzsituation des Landes“ sei Bildungsausschuss und befragt Verbände und Zahlen schreiben“, so Röttger, sei eine Ge- das zu schaffen. In Schleswig-Holstein gibt es Kommunen. bührenfreiheit nicht angemessen. etwa 160 Büchereien und 13 Fahrbüchereien.

Marschbahn: DB soll Strafe zahlen Landtag und Landesregierung sind sauer auf die Deutsche Bahn (DB) und setzen ein Zeichen: Für die seit Monaten unhaltbaren Zustände auf der Marschbahn vom Festland nach Sylt wird das Land von der DB eine Sondervertragsstrafe von monatlich 250.000 Euro verlangen, wenn die Pünktlichkeit auf der Strecke unter 90 Prozent liegt. Weitere 100.000 Euro pro Monat sollen fällig werden, wenn mehr als ein Pro­ zent der Züge ausfallen. Die DB akzeptierte die Strafe zunächst. Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP): Das kündigte Verkehrsminister Bernd zuhalten, genügend Personal vorzuhalten, „Was sich auf der Marschbahn tut, ist nicht Buchholz (FDP) an und stellte klar: „Es Fahrzeuge „in sauberem Zustand“ und mit akzeptabel.“ muss weh tun“, damit die Verantwort­ „ausreichenden Sitzplatzkapazitäten“ bereit- lichen „in die Hufe kommen“. Für Pendler zustellen, die Infrastruktur zu pflegen und die mit einer Abo-Karte auf der Strecke zwischen Fahrgäste „rechtzeitig und umfassend“ über an. „Nur wenn wir der DB gegenüber mit Itzehoe und Westerland stellte Buchholz eine Betriebsstörungen und Alternativverbindun- deutlich härteren Konsequenzen drohen, als einmalige freiwillige Entschädigung des Lan- gen zu informieren. Zudem soll das Unter­ ohnehin schon im Vertrag stehen, dann wird des in Aussicht: 50 Euro in der 2. Klasse und nehmen ein „wirksames Wartungs- und sich ein Tanker wie die Deutsche Bahn be- 75 Euro in der 1. Klasse. Das Geld soll aus der ­Instandhaltungsmanagement am Standort wegen“, schloss Kai Vogel (SPD) an. ­Andreas Vertragsstrafe finanziert werden. des Bahnbetriebswerks Husum“ einrichten. Tietze (Grüne) hielt der Bahn „Rechts­ Der Landtag verabschiedete zudem ein- Die Pünktlichkeit der Marschbahn habe seit beugung“ vor, Volker Schnurrbusch (AfD) stimmig einen Antrag von CDU, SPD, Jahresbeginn bei unter 75 Prozent gelegen, so erklärte, wenn Vertragsstrafen nicht mehr ­Grünen, FDP und SSW, der einen Neun- Christopher Vogt (FDP) – Ende Januar sogar ausreichten, müssten auch Kündigungen ins Punkte-Forderungskatalog an die Bahn stellt. unter 50 Prozent. „In Berlin muss die Bot- Auge gefasst werden. Und Flemming Meyer Der Konzern wird aufgerufen, die vertraglich schaft ankommen, dass das Maß bei uns ge- (SSW) ergänzte: „Die Bahn hat uns lange ge- vereinbarte Pünktlichkeit von 93 Prozent ein- strichen voll ist“, merkte Lukas Kilian (CDU) nug an der Nase herumgeführt.“

DER LANDTAG 01 /2018 21 PLENUM

Schusswaffen: Stichwort mehr Waffen und Recht Nach dem Amoklauf von Winnenden wurde das deutsche Waffenrecht ver- Kontrollen schärft. In der baden-württembergischen Stadt hatte 2009 ein 17-Jähriger 15 Men- schen getötet und dann sich selbst. Seit- gefordert dem werden alle privaten Feuerwaffen in einem Nationalen Waffenregister erfasst. Schützen müssen ihre Waffen Wenige Tage nach dem Amoklauf an und die Munition in getrennten und ab- einer Schule im US-­Bundesstaat Florida schließbaren Schränken aufbewahren. hat der Landtag Ende Februar strengere Seit Juni 2017 dürfen die Behörden auch Kontrollen der schleswig-holsteinischen verdachtsunabhängig die sichere Auf- Waffenbesitzer angemahnt. Das Land bewahrung kontrollieren. In Schleswig- habe eine Verantwortung dafür, die Holstein verloren seit 2015 etwa 370 „Verwahrung und den sicheren Um­ Der Kleine Waffenschein berechtigt zum Waffenbesitzer die Zulassung. Weitere gang mit Waffen“ im Blick zu behalten, Besitz von Signal-, Reizgas- und Schreck- Zahlen der Landesregierung: betonte Lars Harms vom SSW, der das schusspistolen. Die „Silvesternacht von . Etwa 38.000 private Waffenbesitzer Thema angestoßen hatte. Köln“ 2015/16 habe die Gesellschaft ver- hatten Ende vergangenen Jahres rund ändert, bemerkte Kathrin Wagner-Bockey 186.300 Pistolen und Gewehre in ihren Sportschützen, Jäger und Sammler sollten (SPD). „Eine Gesellschaft, die danach strebt, Schränken. nicht unter Generalverdacht gestellt werden, sich zu bewaffnen, um sich vor Kriminalität . Vor allem auf dem Land ist der Waffen­ betonte Innenminister Hans-Joachim Grote­ zu schützen, die hat das Vertrauen in den besitz verbreitet. So gibt es im Kreis (CDU). Er nahm die Ordnungsbehörden der Staat verloren, klagte Claus Schaffer (AfD). Rendsburg-Eckernförde etwa 4.800 Kreise in die Pflicht: „Einige müssen hier Tim Brockmann (CDU) und Burkhard Peters Schützen, die 25.000 Waffen bei sich deutlich mehr tun.“ Grote betonte, noch bis (Grüne) sprachen sich dafür aus, den bisher lagern. In Flensburg hingegen verfügen 1. Juli gebe es die Möglichkeit, illegale Waffen möglichen Antrag eines Kleinen Waffen- lediglich 361 Personen über knapp 2.000 und Munition im Rahmen einer Amnestie scheines übers Internet abzuschaffen. Das Feuerwaffen. ohne Strafe bei der Polizei abzugeben. Jörg Innenministerium strebt höhere Hürden für . Auffällige Unterschiede gibt es auch Hansen (FDP) stellte fest: Unsere Kontroll- den Erwerb des Kleinen Waffenscheins an. bei den Kontrollen durch die Waffen- mechanismen greifen – auch wenn sie noch Trotz der gestiegenen Zahlen warnte behörden. Die 2.993 Schützen im Kreis intensiviert werden können.“ ­Minister Grote vor übertriebener Sorge: Ostholstein erlebten vergangenes Jahr Eine Entwicklung löste parteiübergreifend „Waffenbesitz in Deutschland ist die ab- 335 verdachtsunabhängige Kontrollen. Besorgnis aus: Die Zahl der Kleinen Waffen­ solute Ausnahme.“ Die Verhältnisse seien In Rendsburg-Eckernförde wurde 2017 scheine erhöhte sich im Lande von knapp ganz anders als in den USA. Im Innen- und nur ein einziger der 4.812 Schützen auf- 10.000 im Jahr 2015 auf 20.250 Ende 2017. ­Rechtsausschuss wird das Thema vertieft. gesucht.

Gesetzesgrundlage für „Rettungsschuss“ der Polizei

Die AfD will festschreiben, unter welcher Voraussetzung Polizeibeamte einen tödlichen Schuss, den sogenannten finalen Rettungsschuss, abgeben dürfen. Das Landesverwaltungs­ gesetz soll um die Passage ergänzt werden: „Ein Schuss, der mit an Sicherheit grenzender Wahr- scheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr­ einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden ­Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.“ Angesichts einer gestiegenen Terrorgefahr bräuchten die Beamten eine Rechtsgrundlage­ für Extremsituationen, so die AfD. Schleswig-Holstein ist neben Mecklenburg-Vorpommern und Tim Brockmann (CDU): „Es handelt sich um Berlin das einzige Bundesland ohne eine solche Regelung. Der Entwurf wurde dem Innen- und potentiell tödliche Waffen. Dies rechtfertigt Rechtsausschuss zuge­leitet. Dort kündigte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) an, bis häufige und intensive Kontrollen.“ Jahresende einen ­eigenen Entwurf zu diesem Thema vorlegen zu wollen.

22 DER LANDTAG 01 /2018 PLENUM

Neues Justizgesetz Landtag sucht nach Alternativen lichtet Paragrafen- zum Diesel-Fahrverbot Dschungel Städte dürfen grundsätzlich Fahrverbote für Diesel-Autos verhängen, um gegen Die Landesregierung hat den schwer über- schmutzige Luft vorzugehen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht im Februar ent­ schaubaren Paragrafen-Dschungel im Landes- schieden – und liegt damit konträr zur Position des Landtages. Der sprach sich im März recht durchforstet, gelichtet und mit einem erneut gegen ein generelles Diesel-Fahrverbot aus und sieht auch eine Blaue Plakette einzigen Landesjustizgesetz an die heutige für relativ saubere Diesel-Autos nicht als Lösung. Zeit angepasst. Der Landtag gab im März grü- Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sucht für die besonders stark mit Stick­ nes Licht für das „Gesetz zur Bereinigung des oxid belastete Hauptverkehrsader in Kiel, den Theodor-Heuss-Ring, nach milderen Landesrechts im Bereich der Justiz“. Alternativmaßnahmen. Damit wurden unter anderem 19 Gesetze und 8 Verordnungen gestrichen, die zum Teil Das Umweltministerium, das für die Luft- Deutschen Umwelthilfe „Lobbyismus“ vor. aus dem 19. Jahrhundert und aus der Nazi- reinhaltung zuständig ist, arbeite gemeinsam Ein AfD-Antrag gegen die Auto-Kennzeich- Zeit stammen – wie zum Beispiel das „Preu- mit der Stadt Kiel an einem so genannten nung wurde von allen anderen Fraktionen ßische Gesetz über die freiwillige Gerichts- Luftreinhalteplan. „Die Zeit drängt“, sagte abgelehnt. Sie gingen in der Debatte vor allem barkeit“ vom 21. September 1899. Einzelne Habeck im Landtag mit Blick auf die Deut- auf Lösungen abseits von Plaketten ein. Anpassungen dienen auch der Umsetzung sche Umwelthilfe. Sie klagt aufgrund der Die SPD forderte die Automobilindustrie von EU-Richtlinien. anhaltend hohen Luftbelastung in Kiel gegen zu kostenfreien Soft- und Hardware-Nach- Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack das Ministerium. Die Bundesregierung müs- rüstungen bei den Fahrzeugen auf. Verant- (CDU) erklärte im Plenum, mit dem Gesetz se Regelwerke mit differenzierten Lösungen wortung müssten „die Betrüger, nicht die verringere sich der bürokratische Aufwand schaffen, um pauschale Fahrverbote zu ver- Betrogenen“ tragen, erklärte Fraktionschef im Justizwesen. Es senke die Kosten. Sie be- hindern, appellierte Habeck. Ralf Stegner. Ein entsprechender SPD-Antrag grüßte zudem eine im Zuge der Ausschuss- wurde abgelehnt. AfD: „Feldzug gegen die Beratung eingefügte Regelung, mit der die CDU-Fraktionschef Tobias Koch stellte deutsche Automobilindustrie“ Einlasskontrollen für Rechtsanwälte an Ge- sich gegen Fahrverbote und ging die Proble- richten vereinfacht werden. Die AfD, die das Thema im März auf die matik der Luftbelastung ein: An Industrie- In der Debatte lobten die Vertreter aller ­Tagesordnung gesetzt hatte, sprach sich arbeitsplätzen gelte ein Grenzwert von 950 Fraktionen das Gesetz. Es erleichtere auch ­gegen eine Blaue Plakette aus, wie sie Um- Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft den Bürgern den Zugang zum Recht, hieß es. weltschützer und einige Kommunen fordern. für mehrere Arbeitsstunden am Tag – am Damit sollen relativ saubere Diesel-Autos Theodor-Heuss-Ring waren 54 Mikrogramm von Fahrverboten in bestimmten Stadtbe- gemessen worden. „Selbst für Büroräume ist reichen ausgenommen werden können. mit 60 Mikrogramm eine höhere Belastung Diesel-Autos stoßen Stickoxid aus, das AfD-Politiker Volker Schnurrbusch sagte, erlaubt als auf dem Fußweg am Theodor- mit Sauerstoff zu giftigem Stickstoff­ Dieselfahrer müssten mobil bleiben und „ein Heuß-Ring“, machte er deutlich. dioxid reagiert. Das macht Diesel-Abgase Feldzug gegen die deutsche Automobilin- Der liberale Fraktionschef Christopher besonders­ gesundheitsgefährdend. dustrie“ sei „unverantwortlich“. Er warf der Vogt sagte, die Dieseltechnologie sei besser als ihr Ruf. Er forderte für Kiel eine Stärkung des Nahverkehrs und eine Verbesserung des Verkehrsflusses.

Grüne sehen Oslo als Vorbild

Kiel könnte von der „innovativen und ­klugen“ Stadt- und Mobilitätspolitik ­Oslos lernen, sagte Andreas Tietze (Grüne). „100.000 E-Fahrzeuge, freie Schnell-Lade­ infrastruktur in der Stadt, E-Autos fahren auf Busspuren und sind von der City-Maut ausgenommen. Bis 2030 will Oslo den Ver- brennungsmotor im gesamten Stadtgebiet verbieten.“ Flemming Meyer (SSW) sieht die Bundes- regierung in der Pflicht. Sie dürfe Kommunen und Länder nicht allein lassen. Ein Diesel- Fahrverbot auf dem Theodor-Heuss-Ring lehnt er ab. Das löse das Problem nicht, son- dern verlagere es nur auf andere Straßen.

DER LANDTAG 01 /2018 23 AUSSCHÜSSE Zwischen effektiv­ und schädlich: Streit um Glyphosat

Das Pflanzengift Glyphosat beschäftigt seit Jahren die Politik und Öffentlichkeit. Im Dezember hatte der ­damalige Bun­ deslandwirtschaftsminister­­­ Christian­ Erst summ, dann stumm: Schmidt (CSU) einer weiteren EU-­ Ein Flashmob stellte Ende Januar vor dem weiten Zulassung des Herbizids zuge­ „Aus ökonomischer Sicht wäre es sinn- ­Landeshaus die Auswirkung stimmt – und damit das Klima ­­zwischen voll, einerseits Anreize zur Reduktion des von ­Glyphosat auf Bienen szenisch dar. Union und SPD zwischenzeitlich ver­ Glyphosateinsatzes zu schaffen, andererseits dorben. Im neuen „GroKo“-Vertrag wird aber das Mittel nicht zu verbieten. Alternative angekündigt, den Glyphosat-Einsatz Unkrautbekämpfungsstrategien würden so Ausstieg aus Glyphosat oder einer Verschär- „so schnell wie möglich“ zu beenden. gefördert werden, aber Landwirte würden vor fung der Anwendungsbestimmungen in der Der Bundesrat diskutiert über ein unverhältnismäßigen Verlusten geschützt.“ Landwirtschaft wären Ertragseinbrüche Teilverbot, etwa für Privatgärten oder (Eidgenössische Technische Hochschule und Preissteigerungen zu erwarten; manche Kitas. Was ist also der richtige Umgang Zürich) Kultur­art würde vom Markt verschwinden.“ mit dem Unkraut­mittel? Die Sozial­ (Industrieverband Agrar, Frankfurt am demokraten im Landtag fordern den „Die Diskussion um Glyphosat und an- Main) Ausstieg, der Umwelt- und Agrar­ dere Pestizide muss breiter geführt werden, ausschuss bat Experten um Stellung­ nämlich vor dem Hintergrund der Massen- „Ein alleiniges Verbot dieses Totalherbizids nahmen. Eine Auswahl: tierhaltung, der verkommerzialisierten Land- würde die mit dem Pestizideinsatz verbun- wirtschaft und der (mangelnden) Bereitschaft denen ökologischen Probleme früher oder von Verbrauchern, für nachhaltige Produkte später­ auf andere Spritzmittel verlagern.“ „Vor der Entscheidung, ein glyphosat­ höhere Preise zu bezahlen.“ (NaturFreunde Deutschland, haltiges Herbizid einzusetzen, ist zu prüfen, (UK-SH Kiel, Institut für Toxikologie Landes­ verband­ SH, Kiel) ob alternative Verfahren möglich sind. und Pharmakologie) ­Dabei sollte auch ein Pflugeinsatz mit in Be- „Solange die gesundheitlichen Auswir- tracht gezogen werden. Bodenbearbeitungs­ „Glyphosat ist effektiv, effizient und kungen von Glyphosat bzw. Präparaten, die maßnahmen sowie acker- und pflanzen­ das am umfangreichsten erforschte Her- dieses enthalten, wissenschaftlich umstritten bauliche Maßnahmen können unter be- bizid weltweit. Alternative Methoden des sind, muss im Zweifel zum Schutze der Ver- stimmten ­Bedingungen gute Erfolge liefern.“ Pflanzen­schutzes, welche ein vergleichbares braucherinnen und Verbraucher gehandelt (Julius Kühn-Institut, Bundes­ Sicherheitsprofil bei konstanter Effektivität werden.“ forschungs­institut für Kulturpflanzen, aufweisen, sind nicht verfügbar. Bei einem (foodwatch Deutschland, Berlin) Braunschweig)

„Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass der Eintrag von Chemikalien und Fremd- Stichwort Glyphosat stoffen in den Boden vor dem Hintergrund der häufig unbestimmten Veränderungs- Glyphosat gilt als verlässlicher Unkrautvernichter. Das Umweltbundesamt moniert prozesse auf dem Weg in Grund- und damit ­allerdings, dass Glyphosat so viel Grünzeug zerstört, dass Insekten und Feldvögeln die Trinkwasser vermieden werden muss. Es Lebensgrundlage entzogen wird. Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheits­ darf nicht sein, dass der Verbraucher ggf. Jah- organisation WHO stuft Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen re später für die Kosten der Beseitigung von ein. Die EU-Lebensmittelbehörde Efsa und die EU-Chemikalienagentur Echa meinen hin­ Schadstoffen aus dem Grundwasser aufkom- gegen, dass die Erkenntnisse für eine solche Einstufung nicht ausreichen. In Deutschland men muss.“ werden jedes Jahr rund 37 Prozent der Ackerfläche mit Glyphosat besprüht. 5.000 Tonnen (Verband Schleswig-Holsteinische des Herbizids landen jährlich auf Deutschlands Feldern. ­Energie- und Wasserwirtschaft)

24 DER LANDTAG 01 /2018 AUSSCHÜSSE Wer darf Arzt werden ? „Mehr als ein Einser-Abi nötig“

Auf jeden Medizin-Studienplatz kom­ men in Deutschland fünf Bewerber. Entsprechend hart sind die Auswahl­ kriterien. Im Zentrum: die Abi-Note. Doch das Vergabeverfahren muss nach junge Menschen sehr teuer, stellte Maximili- hieß es bei der Kieler Fachschaft. Zudem sei Willen des Bundesverfassungsgerichts an Wanker von der Lübecker Medizin-Fach- das Medizin-Studium sehr breit angelegt, be- nachgebessert werden. Die entschei­ schaft klar. Zu den 74 Euro für die Teilnahme merkte Prof. Ingolf Cascorbi, Studiendekan­ an dende Frage: Wie kann man feststellen, kämen Hunderte Euro für Fachbücher und der Uni Kiel: „Es beinhaltet alles vom Land- ob aus einem jungen Schulabgänger Vorbereitungsseminare. arzt bis zur Spitzenforschung.“ Staatssekretär später ein guter Arzt wird? Darüber dis­ Wie wichtig sind Interesse Grundei sah ebenfalls das Problem,­ „dass sich kutierte der Bildungsausschuss Anfang und Engagement ? 18- oder 19-Jährige für so lange im Voraus März mit Bildungsstaatssekretär Oliver verpflichten sollen“. Allerdings: Wer in den Grundei sowie mit Medizin-Professoren Die Abi-Note dürfe nur eines von mehre- Sanitätsdienst der Bundeswehr ­eintrete, tue und -Studenten von den Unis Kiel und ren Kriterien sein, betonten Jakob Voran und dies schließlich auch. ­ Lübeck.­ Wolfram Griep von der Fachschaft Medizin der Kieler Uni. So sei die soziale Kompetenz enorm wichtig. Prof. Jürgen Westermann, Wie aussagekräftig Studiengangsleiter für Humanmedizin an ist die Abi-Note ? Stichwort der Uni Lübeck, stellte das Modell seiner Bisher werden 20 Prozent der Studienplät- Hochschule vor. Dort werden pro Jahr 120 ze über die besten Schulnoten vergeben. Wei- Studienplätze über Bewerbungsgespräche 16 Länder ­müssen tere 20 Prozent werden nach Warte­semestern vergeben. Dabei spielen Kriterien wie Moti- gemeinsam­ nachbessern verteilt und 60 Prozent über ein Auswahl­ vation, Engagement, Belastungsfähigkeit und verfahren direkt bei den Hochschulen. Das Kommunikation eine Rolle. Sein Vorschlag: Bis Ende 2019 haben die Länder Zeit, hat ebenfalls die Abi-Note als Grundlage. Be- Jeder angehende Mediziner solle vor dem Mängel im Vergabeverfahren für Medi- werber können ihren Notenschnitt aber um ersten Semester zehn Monate lang in einem zin-Studienplätze zu beheben. Das ent- bis zu 0,8 verbessern, wenn sie eine berufliche­ Gesundheitsberuf mitarbeiten – als „Motiva­ schied das Bundesverfassungsgericht im Vorbildung haben, etwa als Krankenpfleger, tionstest“. Da ging die Kieler Fachschaft Dezember letzten Jahres (Az. 1 BvL 3/14 und wenn sie beim „Test Medizinische Studi- auf Gegenkurs: Studenten dürften nicht als und 4/14). So muss bei der Vergabe nach engänge“ (TMS) gut abschneiden. ­billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Wartesemestern der Zeitraum begrenzt Ein Problem liege darin, dass die Qualität Wie sinnvoll ist eine werden. Aktuell sind etwa 15 Halbjahre des Abiturs und auch die Notenvergabe von Landarztquote ? nötig, um zum Zuge zu kommen. Auch Bundesland zu Bundesland unterschiedlich der Zwang zur Festlegung auf maximal seien, so Staatssekretär Grundei. Das Ziel: Es Auf dem platten Land gibt es immer sechs gewünschte Studienorte steht in müsse „irgendwann mal vergleichbare Abi- ­weniger Ärzte. Die Jamaika-Partner wollen der Kritik. Die Auswahltests müssen Prüfungen“ geben. Lasse Petersdotter (Grüne)­ deswegen schon an der Uni künftige Land- standardisiert werden, und eine Ver- bezweifelte, dass die Note Rückschlüsse auf ärzte anwerben. Laut Koalitionsvertrag soll gleichbarkeit der Abiturnoten über Lan- die Eignung eines Studenten zulasse. Eine ausgelotet werden, „wie bereits im Studium desgrenzen hinweg muss sichergestellt ­gute Zensur besage lediglich, dass sich jemand angehende Medizinerinnen und Mediziner werden. Die Kultusministerkonferenz im „System der Noten“ gut behaupten könne. für eine freiberufliche Tätigkeit gewonnen arbeitet derzeit am Entwurf für einen Das sah Heiner Dunckel, SPD-Abgeordneter werden können“. Bei Studenten wie bei Pro- Staatsvertrag der 16 Länder. Eckpunkte und ehemals Rektor der Uni Flensburg, an- fessoren stößt das auf Skepsis. Es sei eine mas- sollen bis Mai vorliegen, im Herbst soll ders: „Die Abi-Note ist immer noch das beste sive „Einschränkung“ und „nicht zumutbar“, der Text fertig sein. Auch eine neue Ver- Kriterium.“ Die Aussagekraft von Tests sei wenn sich Studienanfänger in jungen Jahren gabe-Software wird benötigt. viel ungenauer. Der TMS sei außerdem für für Jahrzehnte beruflich festlegen ­sollten,

DER LANDTAG 01 /2018 25 AUSSCHÜSSE

Eine Stunde lang hat sich der Innen- 21 Jahren aus. Die Altersgrenze „nach ame- „Jugend im und Rechtsausschuss Anfang Februar rikanischem Vorbild“ nehme Rücksicht auf mit den Anliegen der „Jugend im Land­ mögliche Schäden, die die Droge während tag“ (JiL) befasst. Das Jugendparlament des Wachstums verursachen könnte. Die Landtag“ auf hatte im vergangenen November einen Jamaika-Partner verwiesen auf ein geplantes umfangreichen Forderungskatalog an „Modellprojekt“ zu diesem Thema. Werbetour im die „große Politik“ aufgestellt. Nun war­ Einig waren sich Nachwuchs- und Berufs- ben Mira Osthorst und Konstantin von politiker darin, dass mehr Jugendliche zum Innenausschuss Gregory aus dem JiL-Präsidium bei den Mitmachen in der Politik begeistert werden Fachpolitikern für ihre Positionen. müssten. „Es ist immer schwierig, Jugend­ Eine zentrale Forderung: Der Mindestlohn liche zu finden, die sich in den Jugendbeiräten von 8,84 Euro soll auch für Unter-18-Jährige engagieren“, so die Ausschussvorsitzende, gelten, die sich etwas dazu verdienen. „Ein die CDU-Abgeordnete Barbara Ostmeier. Jugendlicher bekommt manchmal nur 5,40 Das konnte JiL-Präsidentin Mira bestätigen: Euro pro Stunde, das ist nicht fair“, berich- „Mein Dorf ist einfach zu klein. Ich finde tete Konstantin. Kai Dolgner (SPD) mahnte, keine Mitstreiter, und alleine kann man kein der Lohn für einen Nebenjob dürfe nicht at- Beirat sein.“ Der gemeinsame Appell an Par- traktiver sein als die Bezüge von Azubis – um teien, Verwaltungen und Schulen: „Geht auf Schulabgänger nicht von einer Lehre abzu- die Jugendlichen zu und nutzt das Potential!“ schrecken. Die Anregungen der „Jugend im Landtag“ Zudem spricht sich die „Jugend im Land- werden nun in den Fraktionen weiter beraten. tag“ für eine Freigabe von Cannabis ab Mira und Konstantin waren im Anschluss er- freut über die „spannende“ Diskussion: „Die Konstantin von Gregory und Mira Osthorst haben sich wirklich mit unseren Anträgen be- von „Jugend im Landtag“ schäftigt.“ Auch der Bildungsausschuss hörte im Gespräch mit den Innenpolitikern Anfang März das JiL-Präsidium an.

beteiligt bleiben müssen“, unterstrich der Europa: Finanzreform zulasten Ausschussvorsitzende, der SPD-Abgeordne- te Wolfgang Baasch. Und Rasmus Andresen Schleswig-Holsteins? (Grüne) betonte: „Das geht nicht nur die Landesregierung an, sondern auch das Parla- Bis zu 780 Millionen Euro aus dem hingegen Länder wie Polen oder Ungarn ment.“ Europäischen Strukturfonds könnten bleiben, die wegen ihren autoritären Regie- Die nächste Wegmarke folgt Anfang Mai. für Schleswig-Holstein verloren gehen, rungen in der Kritik stehen. Hartmut Hame- Dann will Haushaltskommissar Günther falls die Kürzungspläne von EU-Kom­ rich (CDU) mahnte vor diesem Hintergrund Oettinger seine konkrete Finanzplanung vor- missionspräsident Jean-Claude Juncker den Aspekt der „Rechtsstaatlichkeit in den legen. Mit Oettinger trafen die Abgeordneten umgesetzt werden sollten. Mit dieser Empfängerländern“ an. Volker Schnurrbusch in Brüssel zusammen. Der CDU-Politiker ernüchternden Erkenntnis kehrte der (AfD) sah zudem Italien, wo europaskepti- hatte zuvor Deutschland aufgefordert, seine Europa­ausschuss Anfang März von sche Populisten die Parlamentswahl im März EU-Zuschüsse zu erhöhen. Die Brexit-Lücke ­einer mehrtägigen Reise nach Brüssel gewonnen haben, als „echte Bedrohung des müsse je zur Hälfte durch Kürzungen und zurück. Zusammenhalts in Europa“. durch Zuschüsse aus den reichen Ländern Juncker will in der nächsten Finanzperiode Der Europaausschuss will nun eng am Ball ausgeglichen werden, so der EU-Kommissar von 2021 bis 2027 nur noch strukturschwa- bleiben. „Uns wurde deutlich gezeigt, dass im Gespräch mit den schleswig-holsteini- che Regionen in ärmeren Mitgliedsstaaten wir als Landtag an dem politischen Prozess schen Abgeordneten. ­ unterstützen. Hintergrund ist der bevorste- hende EU-Austritt Großbritanniens. Da- Im Hanse-Office, der durch werden im Brüsseler Haushalt wohl Brüsseler Vertretung von bis zu 14 Milliarden Euro pro Jahr fehlen. Schleswig-Holstein und „Der Brexit kostet uns Geld“, stellte der SPD-­ Hamburg, diskutierte Abgeordnete Bernd Heinemann nach der der Europaausschuss mit Reise fest. „Wir werden wohl um Kürzun- EU-Kommissar Günther­ gen nicht herumkommen“, merkte Stephan Oettinger (hinten­ Holowaty (FDP) an. Neben Deutschland sei- rechts). Insgesamt trafen en auch andere „Kernstaaten“ wie Frankreich, sich die ­Abgeordneten die Benelux-Länder, die nordischen Staaten mit rund einem Dutzend und Österreich betroffen, so Holowaty. Dies Vertretern aus Politik, sei insgesamt „keine Werbung für die EU“. Verbänden und Ver­ Ungeschoren sollen nach den Juncker-Plänen waltung.

26 DER LANDTAG 01 /2018 UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS

Der Auftrag

Die SPD hat 80 Einzelfragen aufgelistet, CDU, Grüne und FDP haben den Untersu- chungsauftrag ergänzt. Die Kernpunkte: Rocker: Es geht um eine Messerstecherei in einem Schnellrestaurant in Neumünster im Jahr 2010 zwischen Mitgliedern der „Bandi- dos“ und rivalisierenden „Red Devils“. Zwei Ermittler geben an, ihr Vorgesetzter im Lan- deskriminalamt habe sie gehindert, entlas- tende Aussagen zugunsten von zwei beschul- digten Rockern vollständig zu protokollieren. Die Frage steht im Raum, ob ein Informant aus der Szene geschützt werden sollte – auf Kosten eines rechtsstaatlichen Verfahrens. V-Leute: Darüber hinaus geht es grund- „Rocker-Affäre“: Landtag richtet sätzlich um den Umgang der Polizei mit so- genannten V-Leuten (Vertrauenspersonen), Untersuchungsausschuss ein die Informationen aus dem Umfeld von Kri- minellen liefern. Der „Bandidos“-Informant Es geht um möglicherweise manipu­ (CDU) warnte aber vor einem „fröhlichen hätte gar nicht für die Polizei arbeiten dürfen, lierte Akten, um Mobbing-Vorwürfe Scheibenschießen auf Ex-Innenminister“. lautet ein Vorwurf. Denn es lief zu dieser Zeit gegen hochrangige Polizisten und um Burkhard Peters (Grüne) sah das Kern­ ein Verbotsverfahren gegen den Rocker-Club. die Besetzung von Führungsposten in problem in der Rolle der „V-Leute“. Die Mobbing: Die beiden Ermittler behaupten, der Landespolizei. Der Landtag will die Doppelrolle der „Vertrauenspersonen“ als sie seien von ihren Vorgesetzten gemobbt Ereignisse um die sogenannte Rocker- Bandenmitglied und Polizeispitzel beinhalte und gegen ihren Willen versetzt worden. Der Affäre in einem Parlamentarischen Un­ eine „schwerwiegende Infektionsgefahr für PUA will den Bericht einer polizeiinternen tersuchungsausschuss (PUA) aufklären. den Rechtsstaat“. Jan-Marcus Rossa (FDP) Mobbing-Kommission auswerten, in dem Alle Fraktionen stimmten Ende Februar verwies auf „kurios anmutende Personal- schwere Vorwürfe gegen den späteren Lan- dafür, am 18. April soll es losgehen. entscheidungen“ in der Landespolizei im despolizeidirektor Ralf Höhs erhoben wer- Jahr 2013. Damals seien Führungskräfte trotz den. Bereits in der vergangenen Wahlperiode ­massiver Mobbing-Vorwürfe befördert wor- Landespolizei: Ferner will der Ausschuss hatten die Piraten die Aufklärung angestoßen, den. Warum dies geschehen sei, müsse der die Motive von Innenminister Hans-Joachim inzwischen hat der Innen- und Rechtsaus- PUA klären. Die „Rocker-Affäre“ habe das Grote (CDU) beleuchten, der im Herbst ver- schuss rund 80 Aktenordner gesichtet, und Bild der Landespolizei in der Öffentlichkeit gangen Jahres überraschend Landespolizeidi- Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) beschädigt, stellte Claus Schaffer (AfD) fest. rektor Höhs sowie den Leiter der Polizeiab- hat seinen Amtsvorgänger Klaus Buß (SPD, Dies gelte es nun zu korrigieren. teilung im Innenministerium, Jörg Muhlack, im Amt von 2000 bis 2005) zum Sonder­ Lars Harms (SSW) äußerte Zweifel, ob abgesetzt hatte. Grote trat Mutmaßungen ermittler ernannt. Nun folgt der PUA. Er hoffe der Untersuchungsausschuss die Wahrheit entgegen, seine Personalentscheidung stehe auf „Aufklärungswillen und Kooperations- zutage fördern könne. Er hätte eine richterli- im Zusammenhang mit den Ermittlungen bereitschaft aller Beteiligten“, so der SPD-­ che Untersuchung der Vorfälle bevorzugt, so gegen die Rocker. Abgeordnete Kai Dolgner. Im Ausschuss Harms. Es bleibe zu hoffen, dass man im PUA Polizeischule: Es soll mehreren Ver- dürfte es auch um die Frage gehen, inwieweit „trotz unterschiedlicher Parteiinteressen dachtsfällen von Sexismus und Rassismus an die verschiedenen Innenminister von CDU gemeinsam an der Klärung der Sachverhalte der Polizeischule Eutin nachgespürt werden, und SPD im Laufe der Jahre über die Vorgän- arbeitet“. darunter auch einer möglicherweise rassisti- ge im Bilde waren. Claus Christian Claussen schen Äußerung eines Ausbilders.

Kai Dolgner (SPD): Ein Kernpunkt Claus Christian Weitere Informationen des Unter­ Claussen (CDU): Den Vorsitz des PUA wird der CDU- suchungsaus­ „Wir treten nicht Abgeordnete Claus Christian Claussen schusses müsse an, um im Nach­ übernehmen. Weitere Informationen die Frage sein, ob hinein alles besser zur Zusammensetzung, zu den Rechten die Polizeiführung zu wissen.“ Der eines PUA und zu den Sitzungsterminen „korrekt mit kriti­ PUA könne aber lesen Sie in der kommenden Ausgabe schen Beamten“ den Betroffenen der Landtagszeitschrift. umgegangen ist. Es gebe „drastische“ Berichte helfen, „dieses Kapitel für sich selbst abschlie­ über das Klima in der Landespolizei. ßen zu können“.

DER LANDTAG 01 /2018 27 UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zur „Rocker-Affäre“, den der ­Landtag im Februar eingerichtet hat, ist der insgesamt 28. seit 1947. Einige Polit- Skandale, die Gegenstand eines Untersuchungsausschusses ­waren, sind heute bei­ nahe vergessen. In Erinnerung blieben die Ausschüsse zur „Barschel-Pfeifer-Affäre“ 1987/88 und zur „Schubladen-Affäre“ 1993 bis 1995 – und die beiden PUA über den ­Euthanasie-Arzt Werner Heyde in den Jahren 1960/61. Der tausendfache ­Mörder war unter dem Namen Fritz Sawade in Schleswig-Holstein untergetaucht. Den Skandal um Nazi-Seilschaften hat der Historiker Dr. Ulrich Erdmann aufgearbeitet. Wir drucken seinen Text in gekürzter Fassung, die ungekürzte Version erscheint im Frühjahr in dem Buch „In Druck und auf Sendung. Schleswig-Holsteins Medienland­ schaft 1955 – 2000“ von Ulrich Erdmann und Michael ­Legband, herausgegeben vom ­Kieler Presse-Klub im Kieler Verlag Ludwig.

Zwei Untersuchungs- ausschüsse für einen NS-Mediziner: die Heyde/Sawade-Affäre

Mit der „Heyde-Sawade-Affäre“ rückte artikeln auch die Landesregierung und Tode bringen. Zum Kriegsende leitete Heyde Schleswig-Holstein 1959 durch einen der ­Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel in den ein SS-Lazarett im deutsch-dänischen Grenz- größten Nachkriegsskandale um die unbe- Verdacht der Mitwisserschaft gerückt hatte. gebiet, wurde interniert und konnte 1947 auf wältigte NS-Vergangenheit sogar internatio- dem Gefangenentransport zu den „Nürn- nal in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. SS-Arzt an 100.000 berger Ärzteprozessen“ den alliierten Wach­ In die Kritik gerieten dabei gesellschaftliche Morden beteiligt soldaten entkommen. Spitzen des Landes in der Ärzteschaft, unter Dabei zog es den Verbrecher zu den Ver- Richtern, Staatsanwälten und hochrangi- Zentralfigur des Skandals war der Würz- hältnissen in Schleswig-Holstein zurück, und gen Beamten: Zwar wussten diese um die burger Psychiater und Mediziner Prof. Dr. seine Flucht führte ihn über Kiel-Mönke­ verschleierte Identität eines steckbrieflich Werner Heyde (1902–1964). Dieser entwi- berg nach Flensburg. Dort konnte er sich gesuchten Massenmörders, zeigten aber die- ckelte und organisierte ab 1939 in Berlin das offenkundig problemlos unter dem Namen sen und seine öffentliche Gutachtertätigkeit anfangs geheim gehaltene Programm „Aktion Dr. Fritz Sawade ansiedeln und zunächst als unter falschem Namen nicht an. Stattdessen T4“ zur Tötung von Menschen (zunächst von Sportmediziner, dann im Land als Gutachter schwiegen sie und blieben bis zu einem Jahr- körperlich oder geistig Behinderten). So führ- vor Gerichten und für Versicherungsämter zehnt lang untätig. te Heyde als medizinischer Leiter im Januar etablieren. Unter diesem Falschnamen war es Wurde die Flucht des enttarnten Verbre- 1940 die erste Probevergasung von Menschen Heyde zwar nicht möglich, eine Approbation chers im November 1959 aus Flensburg bis auf reichsdeutschem Gebiet durch, indem er als Mediziner vorzulegen, aber er hatte bis Frankfurt am Main anfangs noch durch zu- in Brandenburg an der Havel in einen luftdicht zu seiner Enttarnung im November 1959 auf fällige Ungeschicklichkeiten der Behörden umgebauten Gefängnis-Duschraum Kohlen- das Schweigen der zahlreich eingeweihten begünstigt, mussten sich auch die politisch monoxidgas einleiten und durch ein Guck- Mitwisser u.a. in höheren Mediziner- und Verantwortlichen in Schleswig-Holstein loch die Todeskämpfe dieser Euthanasie­opfer ­Juristenkreisen von Schleswig-Holstein nun mit all diesen Versäumnissen befassen. studieren ließ. zählen­ können. Dazu setzte der Kieler Landtag auf Initiative Auch anderenorts ließ der ­„Obergutachter“ Journalist beklagt der SPD-Landtagsfraktion nicht nur einen (und SS-Standartenführer) Heyde bis 1945 „Schweigemauer“ Parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit seinen Entscheidungen nach Akten- (PUA) für 1960/61 ein, sondern (auf Antrag lage wie auch durch seine Selektionen z.B. Eine zentrale Rolle spielte dabei der Direk- der Regierungsfraktionen von CDU und in Konzentrationslagern mehr als 100.000 tor des Oberversicherungsamtes und spätere FDP) zeitgleich sogar zwei. Letzterer galt aus- Menschen (Behinderte, rassisch verfolgte Präsident des Landessozialgerichts, Dr. Ernst- schließlich einem Abgeordneten der größten Anstaltsinsassen, Häftlinge oder Patienten) Siegfried Buresch. Dieser konnte mehrere Oppositionsfraktion und Journalisten, der durch Kohlenmonoxid, Medikamentensprit- Male ein drohendes Auffliegen abwenden, bis mit seiner Rede im Plenum und Zeitungs­ zen, Unterernährung oder Zyklon-B-Gas zu 1959 die Doppelidentität von Heyde/­Sawade

28 DER LANDTAG 01 /2018 UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS

Insbesondere SPD-nahe Blätter der „Frankfurter Rundschau“ vom 20.11.1959 die SPD-Landtagsfraktion kurzfristig für die griffen die ­Affäre auf. Links die unter der Überschrift „Der Justizminister Sitzung am 30.11.1959 die Einsetzung eines „Flensburger Presse“ vom macht die Schotten dicht – Schweigemauer Parlamentarischen Untersuchungsausschus- 19. November 1959, oben die Kieler­ in Schleswig-Holstein um SS-Arzt Heyde – ses zur Affäre Heyde/Sawade und dessen „Volkszeitung“ vom 26.­Januar 1961. von Hassel wußte Bescheid“ u.a. folgenden Mitwisser, den wiederum Ministerpräsident Satz: „Selbst Ministerpräsident Kai-Uwe von von Hassel vehement ablehnte. Folgerichtig Hassel (CDU) und Kultusminister Osterloh verweigerten die Regierungsfraktionen von von hochgestellten Ministerialbeamten und (CDU) – oder gar das ganze Kabinett? – wuß- CDU und FDP die Anerkennung der Dring- Politikern offiziell nicht länger ignoriert wer- ten seit mehreren Monaten, daß sich unter lichkeit gegen die Stimmen der Opposition den konnte. dem Namen Dr. Sawade der steckbrieflich (bei Enthaltung des umstrittenen BHE-Ab- Der nebensächliche Anlass war in Kiel ein gesuchte Euthanasiearzt und SS-Standarten- geordneten und Kriegsverbrechers Heinz Nachbarschaftsstreit einer lautstark feiern- führer Professor Werner Heyde verbarg, ohne Reinefarth). den Burschenschaft mit dem Klinikchef für sofortigen Eingriff für nötig zu halten.“ Über diese Ablehnung erregte sich der ­Innere Medizin, Prof. Dr. Helmuth Reinwein. SPD-Abgeordnete und Flensburger Journalist Dieser führte deswegen im Juli 1959 nicht Waren auch Politiker eingeweiht? Jochen Steffen am 30.11.1959 in seiner Plenar- nur eine Unterredung bei Ministerpräsident rede mit den Sätzen: „Das ist doch der Tat- von Hassel und Kultusminister Edo Oster- Osterloh und von Hassel stellten um- bestand, daß in den Kreis der Behauptungen loh, sondern bekam dann von Innenminister gehend Strafantrag gegen Hoffmann und schuldhaften Verhaltens nicht nur Beamte, Helmut Lemke zwei Mal dessen pensionier- reichten eine Klage auf Unterlassung und sondern auch Personen des öffentlichen Le- ten Ministerialdirektor Dr. Ernst Delbrück Widerruf ein. In dieser Situation beantragte bens – und zwar solche, die in der Regierung zu Vermittlungsgesprächen in sein Haus am sitzen, – einbezogen worden sind. (…) Hier Kieler Niemannsweg geschickt. erhebt sich doch die Frage der Mitwisser- Dabei benannte Reinwein das unbehelligte schaft, ja, sogar der Begünstigung.“ In seinem Agieren eines „Dr. Sawade“ als ein Beispiel Publikationsorgan „Flensburger Presse“ setz- für Irregularitäten in der schleswig-holstei- te Steffen am 3.12.1959 unter der Überschrift nischen Justiz, so dass Ministerien und Justiz „Der Fall Heyde beginnt politisch zu stinken“ Anfang November 1959 Nachprüfungen, eine nach: „Wer jedoch die Presse verfolgt hat, verzögerte Fahndung sowie die Festnahme Heydes in Gang setzten. Diese Sensation um den untergetauchten Massenmörder und die Für Kultusminister Edo Osterloh (CDU) ­wurde unklare Zahl seiner Mitwisser und Helfer in die Auseinandersetzung mit Schuld und Ver­ höchsten Rängen sorgte nun dauerhaft für antwortung für die nationalsozialistische Terror­ Schlagzeilen. herrschaft zum inneren Konflikt. Er wählte­ Für die „Frankfurter Rundschau“ hatte am 25. Februar 1964 den Freitod. Osterloh war dabei der Redakteur Volkmar Hoffmann leiblicher Onkel und Patenonkel der Journalistin in­offiziell den CDU-Abgeordneten Dr. und späteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, ­Walther Böttcher als seinen Informanten ge- die über den Fall Heyde/Sawade für die linke winnen können. So formulierte Hoffmann in Zeitschrift „konkret“ berichtete.

DER LANDTAG 01 /2018 29 UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS dem ist sonnenklar, daß unter den Beschul- PUA-Zeuge (und Landessozialgerichtsrat) Dr. Mindestens 46 Personen digten sich auch Politiker befinden (…). Es Max Meinicke-Pusch in der nicht-öffentli- wussten Bescheid wird noch festzustellen sein, wer von den chen Sitzung am 10.12. 1960. Abgeordneten in eigener Sache abgestimmt Ab dem Frühjahr 1960 und mit Beginn des Unter diesen Bedingungen konnten im hat, als die Dringlichkeit des Untersuchungs- PUA versiegte allerdings Heydes Bereitschaft Lauf des Jahres 1960 aber weder Steffen noch ausschusses verneint wurde.“ zur Auskunft, wie dann auch die meisten der „FR“-Journalist Hoffmann ihre Vorwürfe Diese beiden Äußerungen Steffens boten anderen Zeugen auffällig an Erinnerungs- gegen Mitglieder der Kieler Landesregierung den Regierungsfraktionen von CDU und FDP schwäche litten, lediglich ihr unzweifelhaft erhärten oder zweifelsfrei belegen. Letzterer die Handhabe, auf der folgenden ­ nachweisbares Wissen einräumten und meist wurde deshalb im November 1960 wegen sitzung am 14.12. 1959 zwar dem 1. Parla- gewagte Interpretationen konstruierten, wes- „übler Nachrede gegen einen Politiker“ zu mentarischen Untersuchungsausschuss zur halb sie das Doppelleben des steckbrieflich sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung Heyde/Sawade-Affäre zuzustimmen, aber gesuchten Massenmörders nicht zwingend in bzw. 2.000 DM Geldbuße sowie zu öffentli- zugleich einen zweiten zu der Frage einzu- ihren Behörden hätten melden müssen. chen Widerrufen zugunsten Osterlohs und setzen, welche Unterlagen der Journalist und Unter diesen Umständen konnte der SPD- von Hassels verurteilt. Damit war Hoffmann SPD-Abgeordnete hätte, um derartige Be- Abgeordnete Steffen lediglich den Chef­ der Einzige, der im Zusammenhang mit dem hauptungen aufzustellen. reporter der „Revue“ und Redakteur der Skandal strafrechtlich verurteilt wurde, zu- „Frankfurter Rundschau“, Horst Winzker- mal bei anderen direkt Beteiligten in späte- Aussage wurde ­ Miska, als seinen Gewährsmann anführen. ren Jahren dienstrechtliche Verfahren oder „falsch gedeutet“ Dieser legte am 25. 5. 1960 dem PUA die Anklagen meist hintertrieben, aufgeschoben Interview-Notizen von seiner Quelle Del- oder schließlich aufgegeben wurden. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte Heyde in brück mit dessen Bestätigung vor, er hätte im Zum Abschluss der beiden Untersuchungs- ersten staatsanwaltschaftlichen Vernehmun- Herbst 1959 Innenminister Lemke, der ihn als ausschüsse Heyde/Sawade konstatierte der gen erklärt, angeblich Kenntnis von einer Be- Vermittler zu Prof. Reinwein gesandt hatte, Kieler Landtag am 27. 6. 1961, dass Steffens sprechung zwischen Buresch, Innenminister von der dabei enthüllten Doppelidentität ­öffentliche Behauptungen sich als Vermu- Lemke und Generalstaatsanwalt Voß in sei- ­Sawades berichtet. In der direkten Konfronta- tungen erwiesen und durch die Beweisauf­ ner Angelegenheit, von deren sogenanntem tion im PUA widersprach Delbrück aber die- nahmen nicht erhärtet hätten. In einem Stillhalteabkommen sowie von dem Wis- sem Zeugen und behauptete, dass Winzker- inhaltlich eher oberflächlichen Abschluss- sen um seine Doppelidentität auf „höchster Miska den Wortlaut seiner anders gemeinten bericht zog das Parlament den Schluss: „Der ­Ebene“ zu haben. Dies wiederholte Heyde Antworten falsch gedeutet hätte. Für derarti- größte Teil der Wissensträger hat durch sein auch bei weiteren Verhören Anfang 1960, so ge Missverständnisse aus unterschiedlichen Verhalten gezeigt, daß es ihm an dem not- dass aus dieser Phase der Ausspruch eines da- Gesprächsintentionen heraus brachten die wendigen Staatsbewußtsein gefehlt hat.“ mals vernehmenden Staatsanwalts „Also, das meisten Mitglieder im Ausschuss laut den Ernüchternder lautete die Bilanz, die Schwein belastet ja alle die, die ihm geholfen Protokollen viel Verständnis und Nachsicht Klaus-Detlev Godau-Schüttke 1998 in seiner haben!“ überliefert wurde. Dies berichtete der auf. maßgeblichen Untersuchung „Die Heyde/ Sawade-Affäre. Wie Juristen und Mediziner den Euthanasieprofessor Heyde nach 1945 deckten und straflos blieben“ zog: „94 Per- sonen – Richter, Staatsanwälte, Ministerial- beamte, Medizinalbeamte und Professoren der Medizin – wurden im Rahmen inoffizi- eller bzw. förmlicher Ermittlungen zu ihrem Wissen über den Massenmörder befragt. Zumindest 46 von ihnen hatten positive oder gerüchteweise Kenntnis von Heydes/ Sawades falschem Namen, seiner Identität mit Prof. Heyde und den gegen ihn erhobe- nen Beschuldigungen. Es steht zu vermuten, daß dieser Personenkreis weitaus größer war, denn nicht wenige von ihnen verstanden es, sich den staatsanwaltschaftlichen Ermittlun- gen zu entziehen.“ Heyde selbst blieb ganz im Interesse seiner Mitwisser und Helfer bei seinem Schweigen Jochen Steffen, Journalist und später SPD-­ Kai-Uwe von Hassel (CDU) war schleswig-­ und entzog sich kurz vor seiner Hauptver- Fraktions- und Landesvorsitzender, griff holsteinischer Ministerpräsident von 1954 handlung in Frankfurt trotz Gefängnis­ führende Köpfe in Verwaltung und Politik in bis 1963, anschließend Bundesverteidigungs­ bewachung im Februar 1964 durch Selbst- der Heyde/Sawade-Affäre scharf an. Der „rote minister und Bundestagspräsident. Gegen den mord. Jochen“ galt als Linksaußen in den Reihen der Verdacht, er habe frühzeitig von der Doppel­ Dr. Ulrich Erdmann Sozialdemokraten. identität des SS-Arztes Heyde/Sawade gewusst, (www.erdmann-kiel.de) setzte er sich vehement zur Wehr.

30 DER LANDTAG 01 /2018 EHRENAMT

Meldungen für das Ehrenamt Viele Beschlüsse, die der Landtag fasst, haben direkte Auswirkungen auf Kommunalpolitik,­ Vereins­ arbeit und Bürger­initiativen.

Auf dieser Seite finden ehrenamtlich­ engagierte ­Bürger diese Themen im Überblick.

Pferdesteuer: Der Landtag hat im Feb- Zuschüsse an die Kommunen: Das lingen gekümmert haben, eine Kostener- ruar einen Passus ins Kommunalabgaben- Land will Städten, Gemeinden und Krei- stattung zu. Hintergrund ist, dass die Kreise gesetz aufgenommen, der es den Kom- sen in den kommenden Jahren erheblich einzelne Kommunen oder Ämter für diese munen unter­sagt, eine Pferdesteuer zu mehr Geld überweisen, insbesondere für Aufgabe heranziehen können. erheben. „Eine­ Steuer auf das Halten oder Kindertagesstätten und Schulen. Das ist das Volksbegehren und -entscheide: entgelt­liche Nutzen von Pferden darf nicht Ergebnis von monatelangen Verhandlun- Ohne Unterstützung ist auch in Zweiter ­erhoben werden“, heißt es jetzt in dem Ge- gen zwischen Land und Kommunalvertre- Lesung ein AfD-Vorstoß geblieben, das setz. Alle Fraktionen stimmten zu. In der tern, das Ministerpräsident Daniel Günther Quorum für Volksbegehren sowie das Zu- Begründung wird die besondere Bedeutung (CDU) dem Landtag im Januar vorstellte. stimmungsquorum für Volksentscheide zu des Pferdesports für Kinder, Jugendliche Konkret erhöht das Land bei der Krippen- senken. Die in der Landesverfassung ver- und Freizeitreiter betont: „Gerade im Geiste Finanzierung seine Mittel von gut 50 Mil- ankerten Grenzen seien erreichbar, hatten der landesverfassungsrechtlichen Staatsziel­ lionen Euro auf 80 Millionen im laufenden die anderen Fraktionen im Oktober bei der bestimmung der Förderung des Sports soll Jahr und auf 95 Millionen im Jahr 2019. Bei Ersten Lesung argumentiert. Zudem sollten es nicht einzelnen Städten und Gemeinden den Kindern über drei Jahren wurden Ent- Volksentscheide die parlamentarische De- überlassen bleiben, aus haushalterischen lastungen in diesem Jahr um 15 Millionen mokratie ergänzen und nicht ersetzen. Überlegungen, den Reitsport durch Steuern Euro und in den zwei folgenden Jahren um Die AfD hatte dagegen moniert, dass „die zu belasten.“ Der Landtag reagierte damit jeweils 20 Millionen vereinbart. Die Landes- Bürger von einer direkten Mitbestimmung auf einen Beschluss der Gemeinde Tang­ mittel für Kita-Betriebskosten wachsen im ausgeschlossen“ seien und gefordert, bei stedt im Kreis Stormarn, die im Juli 2017 als laufenden Jahr auf 265 Millionen Euro und der Herbeiführung eines Volksbegehrens bislang einzige Kommune im Norden eine 2019 auf 275 Millionen. 2017 waren es 222 die bisher notwendige Zahl von 80.000 Pferdesteuer eingeführt hatte. Rund 500 Millionen. Unterschriften auf 50.000 zu verringern. Pferde wurden dort registriert, aber es wur- Das Land gibt den Kommunen außer- Bei einem Volksentscheid hätten statt der den noch keine Steuerbescheide verschickt. dem in den Jahren 2018 bis 2020 zusätzlich bisherigen 15 Prozent nur noch fünf Prozent Denn gegen die Abgabe von 150 Euro pro jeweils 15 Millionen Euro für Investitio- der Wahlberechtigten zustimmen müssen. Pferd und Jahr haben Reiter eine Normen- nen. Weitere 50 Millionen Euro fließen kontrollklage vor dem Oberverwaltungs­ in diesem Zeitraum in die Sanierung und Bürgermeisterkandidaten: Die AfD ist gericht in Schleswig eingereicht. den Neubau von Schulen, 7,5 Millionen mit den von ihr geforderten Änderungen gibt es für Sportstätten. Während Günther am Gemeinde- und Kreiswahlgesetz an der Waldkindergärten: Die Landesregie- von einem „Meilenstein“ auf dem Weg breiten Mehrheit des Parlamentes geschei- rung hat dem Parlament im Februar einen zur geplanten Reform des kommunalen tert. Ziel war es, dass auch ein Politiker, Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sie die Finanzausgleiches sprach, bescheinigte dessen Partei nicht im Gemeinderat vertre- rund 200 Waldkindergärten in Schleswig- Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) der ten ist, sich um das Amt des Bürgermeisters Holstein juristisch besser schützen will. Eine Jamaika-Regierung „Windstille“ bei wichti- bewerben kann. Zudem hatte sie AfD fest- neue Passage im Landeswaldgesetz soll dafür gen Themen. „Das Geld kommt Ihnen quasi schreiben wollen, dass die Parteizugehörig- sorgen, dass Unterstände für Waldkinder- aus den Ohren heraus, aber Sie überdecken keit eines Bürgermeisterkandidaten auf dem gärten nicht als bauliche Anlagen angesehen damit nur Ihre Konzeptionslosigkeit.“ Wahlzettel nachzulesen ist. Die Zugehörig- werden. Das Baurecht hatte in der Vergan- keit eines Bewerbers zu einer Partei sei ein genheit für Konflikte mit den Bauplanungs- Flüchtlingsunterbringung:­ Schleswig- wichtiges Entscheidungskriterium. behörden gesorgt. Einigen Waldkitas wurde Holsteins Kreise bekommen ihre Ausgaben Wie die anderen Fraktionen hatte auch die Erlaubnis entzogen, einen Bauwagen als für Flüchtlingsunterkünfte und Heizung ­Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) Schutz vor Regen aufzustellen. Mit der ge- zwischen 2016 und 2018 voll erstattet. Ein- bei der Ersten Lesung im Oktober vergange- planten Gesetzesänderung soll klargestellt stimmig machte der Landtag im März den nen Jahres deutlich gemacht, dass er die AfD- werden, dass Waldkindergärten mit beste- Weg für die dafür notwendigen, von der Vorschläge ablehnt. Es sei richtig, so Grote, henden Flächennutzungsplänen vereinbar Landes­regierung vorgelegten landesrechtli- dass nur Parteien, die bereits im Wahlgebiet sind und eine Änderung der Bauleitplanung chen Regelungen zum II. Sozialgesetzbuch erfolgreich aktiv sind, ein Vorschlagsrecht im Regel­fall nicht nötig ist. Die Ausschüsse frei. Der entsprechende Gesetzesvorstoß haben. Damit werde gewährleistet, dass im Umwelt und Agrar sowie Soziales bereiten billigt auch den Gemeinden oder Ämtern, Vordergrund einer Bewerbung die lokalen die Zweite ­Lesung vor. die sich um die Unterbringung von Flücht- Fragen vor Ort stehen.

DER LANDTAG 01 /2018 31 PERSONALIEN

Klaus Schlie, Landtagspräsident, ist seit Ende Januar Ritter des Christoph Brüning, Jura-­ närrischen Ordens „Amicii Laetitiae“ („Freunde des Frohsinns“). Der Professor an der Kieler Uni, ist ­ Titel wurde ihm vom Karnevalsverein „Rhenania“ aus Kronshagen bei neuer Vizepräsident des Landesverfas- Kiel verliehen.­ Die Lobrede hielt seine Vorgängerin in diesem Amt, sungsgerichtes. Der Landtag wählte ihn die ehemalige SPD-Abgeordnete und Ex-Staatssekretärin Anette im Februar mit 64 von 70 abgegebenen Langner.­ Der CDU-Politiker ist der 52. ­Träger des Titels,­ den auch Stimmen, es gab vier Nein-Stimmen, schon Altbundeskanzler Konrad Adenauer, TV-Moderator Peter eine Enthaltung und eine ungültige Franken­feld und die ehemalige Ministerpräsidentin Heide­ Simonis Stimme. Damit erreichte Brüning die innehatten. Schlie zeigte sich erfreut: „Präsident bin ich schon, jetzt notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Ritter der Narren. Worauf im ­Leben soll ich jetzt noch harren?“ Brüning ist ­bereits seit 2014 Mitglied des ehrenamtlich tätigen ­Verfassungsgerichts, seine Amtszeit geht Christopher Vogt, seit Dezember Nachfolger von Wolfgang bis 2020. Er löst Hans-Joachim Schmalz ab, dessen Amtszeit als Vize­ ­Kubicki als Vorsitzender der FDP-Fraktion, hat auch auf anderen präsident Ende Januar abgelaufen war. ­Posten dessen Nachfolge angetreten. Vogt gehört seit Ende Januar dem Parlamentarischen Kontrollgremium für den Verfassungsschutz, dem Ernst Dieter Rossmann, SPD-Landtagsabgeordneter von 1987 Gremium zur Überprüfung von eventuellen­ Wechseln von Ex-­ bis 1998 und seitdem im Bundestag, ist seit Ende Januar Vorsitzender Ministern in die Wirtschaft und der G10-Kommission an. Letztere des 42-köpfigen Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und ­beaufsichtigt die Eingriffe des Ver­fassungsschutzes in das Brief-, Post- Technologiefolgenabschätzung.­ und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 des Grundgesetzes. Den Vorsitz dieses Gremiums­ übernimmt der Grünen-Abgeordnete Marianne ­Ehlers wurde Mitte März wegen ihres Einsatzes für die ­Burkhard Peters von Kubicki. Den FDP-Sitz im Richterwahl­ niederdeutsche Sprache von ­Ministerpräsident­­ Daniel Günther­ mit ausschuss bekleidet nun Jan-Marcus Rossa. dem Bundes­verdienstkreuz ausgezeichnet. Die Bordesholmerin ist unter anderem Robert Habeck, Umweltminister und zwischen 2009 und 2012 Plattdeutsch-Referentin des Schleswig- Fraktionschef der Grünen, ist neuer Bundesvorsitzender seiner­ Partei. Holsteinischen Heimatbundes und Dele- Er erhielt Ende Januar beim Bundes­parteitag in Hannover 83,3 Prozent gierte des Bundesrats für Niederdeutsch. der Stimmen. Habeck bildet gemeinsam mit der Brandenburger Bun- Gäste des Landtages kennen sie von ihren destagsabgeordneten Annalena Baerbock die neue Doppelspitze der plattdeutschen Führungen durchs Lan- Grünen. Zuvor hatte die Partei ihre Satzung geändert, so dass Habeck deshaus. Für die Landtagszeitschrift hat acht Monate lang sowohl Parteichef als auch Minister sein kann. Die ­Marianne Ehlers im Jahr 2016 eine nieder- Ämtertrennung gehört zu den Grundprinzipien der Grünen. Habeck deutsche Gedichtserie verfasst. hatte eine solche­ Übergangsfrist zur Bedingung für seine Kandidatur gemacht: Er wolle sein Minister­amt geordnet übergeben. Dies soll nach Angaben der Landesregierung bis spätestens Ende September ­geschehen. Seine Nachfolgerin auf dem Posten des stellvertreten- Runde Geburtstage den Ministerpräsidenten ist seit Anfang Februar die Finanzministe- rin und ehemalige Landtagsabgeord­nete Monika Heinold. Neuer Gerhard Poppendiecker aus Heiligenhafen, von 1987 bis 2005 Minister­ für Energiewende,­ für die SPD im Landtag, hat am 26. Dezember seinen 80. Ge- Landwirtschaft, Umwelt,­ burtstag gefeiert. Natur und Digitalisierung soll nach ­Willen der Grünen Rolf Olderog aus Oldenburg, von 1970 bis 1980 für die CDU der Europaabgeordnete­ Jan im Landtag, anschließend bis 1998 im Bundestag, hat am Philipp­ Albrecht werden. 29. ­Dezember seinen 80. Geburtstag gefeiert.

Klaus-Peter Puls aus Reinbek bei Hamburg, von 1992 bis 2009 für die SPD im Landtag, hat am 13. Januar seinen 75. Geburtstag gefeiert. Johann Wadephul, ehemaliger CDU-Fraktionsvorsitzender im Neithart Neitzel aus Berlin, von 1975 bis 1983 sowie von 1987 Landtag und seit 2009 im Bundestag, ist seit Ende Januar stellver­ bis 1988 für die FDP im Landtag, hat am 16. Januar seinen 75. Ge- tretender Vorsitzender der Berliner Unionsfraktion. Er erhielt burtstag gefeiert. 95,7 Prozent der Stimmen und ist insbesondere für die Bereiche ­Außen- und Verteidigungspolitik zuständig. Der Ex-Landtagsabge- Berndt Steincke aus Heide, von 1996 bis 2005 für die CDU im ordnete Gero Storjohann gehört als neuer Vorsitzender des Arbeits- Landtag, hat am 5. März seinen 75. Geburtstag gefeiert. kreises „Petitionen“ ebenfalls dem CDU/CSU-Fraktionsvorstand an. Uwe Jensen aus Borgwedel (Kreis Schleswig-Flensburg), von 1979 bis 1988 für die SPD im Landtag, hat am 10. März seinen 75. Geburtstag gefeiert.

Herzlichen Glückwunsch!

32 DER LANDTAG 01 /2018 BÜCHER

Neue Broschüren

BÜCHERECKE Die Dokumentation des Altenparla- ments 2017 ist frisch erschienen. Der mehr als 400 Seiten starke Band enthält die Forderungen der Senioren aus dem vergangenen September sowie die Stel- lungnahmen der Landtagsfraktionen, der Die Landtagsbibliothek ist eine Service­Einrichtung für Abgeordnete und für schleswig-holsteinischen Bundestags- Die Bibliothek Mitarbeiter aus Fraktionen und Verwaltung. Aber sie steht auch der Öffent­ abgeordneten und der Landesregierung. lichkeit zur Verfügung. Interessierte Bürger sind im zweiten Stock des Landes­ Außerdem ist der Vortrag des ehemaligen des Landtages hauses herzlich willkommen. Dort stehen 25.000 Bände aus den Gebieten niedersächsischen Justizministers Prof. Recht, Politik, Verwaltung, Sozialwissen schaften, Geschichte und Landes kunde. lädt ein Als Appetithappen stellen die Mitarbeiterinnen der Bibliothek in dieser Serie Christian Pfeiffer zum Thema „Krimi- Werke vor, die in den Räumen der Bibliothek eingesehen werden können. nalitätsprävention“ nachzulesen. Eben- Interessiert? Die Bibliothek ist von Montag bis Freitag zwischen 8:30 Uhr und falls neu ist die Dokumentation der Ge- 12:00 Uhr sowie zwischen 13:00 und 16:00 Uhr geöffnet. Bitte bringen Sie Ihren Personalausweis mit. Weitere Informationen gibt es unter den Telefonnum­ denkstunde für die Opfer des National- mern 0431/988­1110 und 0431/988­1111. sozialismus vom 27. Januar. Sie beinhaltet Bei der Büchersuche hilft der Online­Katalog auf der Website des Landtages: unter anderem die Gedenkrede des Pu- www.sh­landtag.de, „Service“, Rubrik „Landtagsbibliothek“. blizisten Klaus-Detlev Godau-Schüttke über den jüdischstämmigen Landtags- Christoph Weckenbrock: Schwarz­Grün für Deutschland? abgeordneten, Landesminister und Bun- Wie aus politischen Erzfeinden Bündnispartner wurden. desverfassungsrichter Rudolf Katz. Bielefeld: transcript Verlag 2017. 254 S. Beide Bände gibt es kostenlos unter Für den Politikwissenschaftler Christoph Weckenbrock ist keine [email protected] andere Beziehung in der deutschen Parteiengeschichte spannender als die zwischen Union und Grünen. Die frühen Grünen lehnten fast Impressum

alles ab, was den Christdemokraten heilig war: Tradition, Wachs- Herausgeber: tum, Westbindung. Im Gegenzug brandmarkten die Christdemo- Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages kraten die Grünen als linksradikale und gewaltaffine Staatsfeinde. Redaktion: Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungs- Die Analyse der historischen Annäherung von Union und Grünen management, Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel vom Ende der 1970er Jahre bis heute eröffnet sowohl einen neuen Tobias Rischer (V.i.S.d.P.) Tel. 0431/988-1120, [email protected] Blickwinkel auf die Geschichte des Parteiensystems als auch auf die Karsten Blaas (Redakteur) politische Kultur, denn die Kontroversen zwischen den beiden Parteien bildeten fast immer Tel. 0431/988-1125, [email protected] Janine Wergin (stellv. Redakteurin) auch die gesellschaftlichen Konfliktlinien in der Bundesrepublik ab. Tel. 0431/988-1122, [email protected]

Fotos: Christa Dürscheid/Karina Frick: Schreiben digital. Regina Baltschun, Thomas Eisenkrätzer, Michael August, Karsten Blaas, Janine Wergin, Detlef Ziep, Wie das Internet unsere Alltagskommunikation verändert. Vivien Albers, Yvonne Windel, Archiv des Landtages, dpa-Bildfunk, Nationaal Archief Den Haag/Wikipedia, Stuttgart: Kröner Verlag 2016. 156 S. Stadtarchiv Kiel (StAKiel-2.3Magnussen-Sig42573, Das Schreiben im Internet macht längst einen Großteil unserer StAKiel-.2.3MagnussenSig21456, StA Kiel-2.3Magnus- sen-Sig21488, StAKiel-2.3Magnussen 43674, StAKiel- privaten Alltagskommunikation aus. Kann die Kommunikation 2.3MagnussenSig21576), Adityo Nugroho/pexels. com, CC0 1.0.1., Bund Deutscher Nordschleswiger, außerhalb des Internets davon völlig unbeeinflusst bleiben? Christa Netzwerk Leichte Sprache, Finanz ministerium Schles- Dürscheid und Karina Frick beschäftigen sich seit Jahren professio- wig-Holstein, Rainer Sturm/pixelio.de, Siegfried Fries/pixelio.de, Katharina Wieland-Müller/pixelio. nell mit diesem Thema und stellen ihre Erkenntnisse mit diesem de, Hanse-Office Brüssel, Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein, Landesbibliothek, Kröner-Verlag, Essay einem breiten Publikum zur Verfügung. Sie sind sicher, dass Transcript-Verlag, Ullstein-Verlag, nd3000/stock. das Internet auch in Zukunft unseren Alltag in allen Lebensbereichen adobe.com, Stockwerk-Fotodesign/stock.adobe.com, Alexander Raths/stock.adobe.com mehr und mehr durchdringen wird und schließen ihre Betrach- Konzept: tungen mit den Themen „Öffentliches Trauern online“, „Online- Stamp Media im Medienhaus Kiel, Ringstraße 19, Partnersuche“ und „Online-Shopping“ ab. 24114 Kiel, www.medienhaus-kiel.de; Titelseite: Amatik, Boninstraße 63, 24114 Kiel

Gestaltung, Layout: Peter Berthold: Unsere Vögel. Agentur LOADSMAN / I. Schumacher, Arp-Schnitger- Weg 38, 24229 Strande, www.loadsman.de Warum wir sie brauchen und wie wir sie schützen können. Herstellung, Druck: Berlin: Ullstein 2017. 331 S. A.C. Ehlers Medienproduktion GmbH, Wittland 8a, Vögel strahlen Schönheit, Anmut und Freiheit aus. Doch sie 24109 Kiel Bezug der Landtagszeitschrift: werden immer weniger. Ihr zunehmendes Verschwinden zeigt, (Abonnement und Versand kostenfrei) Landtag Schleswig-Holstein, Ref. f. Öffentlichkeits- dass es weder um ihren Lebensraum noch um den Lebensraum arbeit und Veranstaltungs management, L1410, der Menschen gut bestellt ist. Der renommierte Ornithologe Peter Postfach 7121, 24171 Kiel, Telefon 0431/988-1163, Fax 0431/988-1119, [email protected] Berthold schlägt Alarm und beschreibt, was wir alle konkret tun Die Zeitung wird auf umweltschonend hergestelltem, können, um unsere Vogelwelt zu erhalten. Mit dem neuen Ansatz chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. „Jeder Gemeinde ihr Biotop“ wirbt er für eine Mischung aus privaten Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 28. März 2018 Der Landtag im Internet: www.sh­landtag.de und staatlichen Maßnahmen.

DER LANDTAG 01 /2018 33 IM PORTRÄT Abgeordnete persönlich Kerstin Metzner, SPD, geboren am 28. März 1961 in Penzlin (Mecklenburg), unverheiratet, zwei Kinder, Diplom-Bauingenieurin

Welches Erlebnis hat Sie dazu gebracht, in die Politik zu gehen? Das parteiinterne Verfahren zur SPD-Spitzenkandidatur in Schleswig-Holstein in 2010/2011 hatte mein politisches Interes- se geweckt. Am Wahlabend der Landtagswahl 2012 fieberten im Landeshaus plötzlich alle um mich herum dem Wahlergebnis der Bürgermeisterwahl in Timmen­dorfer Strand entgegen. ­Diese ­kollektive Begeisterung war für mich der letzte Impuls, selbst ­politisch aktiv zu ­werden.

Was wollten Sie als Kind werden? Andreas Hein, CDU, Ich wollte von der ersten Klasse an ­Mathelehrerin werden. Auch geboren am 29. Dezember 1967 wenn mir nach einem Stimmtest vom Lehrerstudium abgeraten in Heide, evangelisch, wurde, hat mich dieser Traum doch mein ganzes Leben begleitet. verheiratet, zwei Kinder, Noch kurz vor der Landtagskandidatur habe ich damit gelieb­ Kraftfahrzeugmechaniker­ -Meister äugelt, als Quereinsteigerin Mathematik zu unterrichten.

Welches Erlebnis hat Sie dazu gebracht, in die Politik zu Was war in der Schule Ihr Lieblingsfach? gehen? Mathematik. So wie andere Sport trieben, ging ich regelmäßig­ Die Gestaltung der Gemeindepolitik in meinem Heimatdorf zum Mathezirkel und nahm an Mathematikolympiaden teil. Tellingstedt – mich einzubringen bei Themen wie Straßenausbau, ­Außerdem mochte ich noch Zeichnen und Fremdsprachen be- Schwimmbad, Kita, Ausstattung der Schule, der Feuerwehr und sonders gern. des Sportplatzes etc. Was war Ihr allererster Job? Was wollten Sie als Kind werden? Meinen allerersten Job hatte ich in der Küche eines Ferienlagers. Bauer und Mechaniker. Das war in den Sommerferien von der 9. zur 10. Klasse. Dort muss- ten wir für über hundert Kinder Kartoffeln schälen, abwaschen, Was war in der Schule Ihr Lieblingsfach? Essen austeilen. Physik und Werken. Was macht Sie wütend? Was war Ihr allererster Job? Wütend macht mich, dass Hass und Hetze in unsere höchsten Als Junge habe ich zehn Jahre auf dem Bauernhof geholfen, dann politischen Gremien eingezogen sind. Wütend macht mich die Kfz-Mechaniker gelernt. Unverfrorenheit, mit der jene Populisten einfache Lösungen für reale Probleme unserer Zeit anbieten, ohne diese jemals wirklich Was macht Sie wütend? umsetzen zu wollen und zu können. Ungerechtigkeit. Was muss besser werden in Schleswig-Holstein? Was muss besser werden in Schleswig-Holstein? Natürlich gibt es Vieles in Schleswig-Holstein, was ver­ Schleswig-Holstein hat schon viel zu bieten, aber für eine tolle besserungs­würdig ist. Angesichts der vielen Staus im Land muss Zukunft müssen wir jetzt an den Grundlagen arbeiten: Energie­ meines Erachtens wesentlich mehr dafür getan werden, dass der wende, Infrastruktur, Bildung, ländliche Versorgung – all das ist in öffentliche Personennahverkehr­ attraktiver wird. Die Fahrpreise einem Flächenland ganz wichtig. Und das Wetter könnte manch- müssen gesenkt, die Busse und Züge zuverlässiger, das Verkehrs- mal ein bisschen besser werden, aber wenn Jamaika das auch noch netz (wieder) dichter werden. Erst dann ist der ­ÖPNV eine wirk­ schaffen ­würde … liche Alternative zum Individualverkehr.

34 DER LANDTAG 01 /2018 BESUCHER

Karneval wurde Mitte Februar auch im hohen Norden gefeiert: Am Faschingsdienstag waren Kinderprinzessinnen aus Kiel und Lübeck im Landtag zu Gast, begleitet von Prinzenpaaren aus Kiel, Neumünster, Lübeck, Rendsburg und Marne.

Péter Györkös, ungarischer Botschafter in Deutschland, und Eva-Maria Greve, ungarische Honorarkonsulin in ­Hamburg, kamen Anfang März zum Antrittsbesuch nach Kiel.

Der Landesmusikrat­ hat das Cello zum „Instrument des Jahres 2018“ gekürt. Landtagspräsident Klaus Schlie ­bekam Zu Besuch Mitte Januar vom Cellisten und Dirigenten David im Landes­ haus­ Geringas eine kurze Einweisung.

Das gelbe U-Boot gehört der Bundesrepublik Rukaruku. Es ­wurde aber im Hoheitsgewässer der Demokratischen Volksrepublik ­Anduchenca aufgegriffen. Die dortige Regierung vermutet Spionage, Rukaruku fordert die Rückgabe. Wer hat Recht? Über fiktive Fälle wie diesen diskutierten Anfang März rund 100 Jura-Studenten aus der ganzen Welt bei einem mehrtägigen Planspiel im Landeshaus.

Die Redaktion der Schülerzeitung „GRIPS“ von der Gemeinschafts­ schule Probstei in Schönberg (Kreis Plön) belegte Anfang Februar einen ersten Platz beim Schülerzeitungswettbewerb „Kein Blatt vorm Mund“. Weitere Hauptpreise vergab die Jury der Jugendpresse Schleswig-Holstein nach Ahrensburg, Ammersbek (Kreis Stormarn), Flensburg, Husum und Kiel.

DER LANDTAG 01 /2018 35

Nr. 1/2018 C 2086 Falls Empfänger-Anschrift nicht mehr zu­ treffend, bitte diesen Abschnitt abtrennen und korrigiert zurücksenden an: Schleswig-Holsteinischer Landtag, Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement, L1410, Postfach 7121, 24171 Kiel

Termine, Termine, Termine . . .

Ausstellung: um Möbel, Skulpturen, Minerale, Fossilien, „digiCULT-Verbund“ Pflanzen oder archäologische Funde. Wie das genau funktioniert ist im Juni ­bewahrt alte Kulturgüter und Juli im Landeshaus zu sehen. In einer Ausstellung werden Originale sowie deren Schleswig-Holsteins Museen können ihre digitale Kopien präsentiert. Die Schau ist Teil Schätze für die Ewigkeit konservieren – mit- der ­Reihe „Kulturland Schleswig-Holstein“. hilfe moderner Computertechnik. Dafür steht Landtag und Investitionsbank geben Kultur- Mehr als 11.000 Gäste im der „digiCULT-Verbund“, ein Zusammen- einrichtungen aus dem ganzen Land die Mög- schluss von Wissenschaftlern und Archiva- lichkeit, sich im Landeshaus einem breiten „Herz der Demokratie“ ren aus mehreren Bundesländern mit Sitz in Publikum vorzustellen. Knapp 11.500 Gäste haben im vergan- Kiel. Unter dem Motto „Schätze heben – Kul- Die Ausstellung ist vom 4. Juni bis zum 22. genen Jahr an den Besuchsprogrammen tur sichern“ werden Kulturgüter digitalisiert, Juli täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. und Kulturveranstaltungen des Landtages dokumentiert und einem breiten Nutzerkreis Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht teilgenommen. Das waren rund 1.000 Be- verfügbar gemacht. Der Verbund kümmert erforderlich, bitte bringen Sie Ihren Personal- sucher weniger als im Jahr davor. Grund: sich um Gemälde und Grafiken ebenso wie ausweis mit. Der Landtag konnte wegen der Wahl im Mai weniger Besuchstermine und Diskus- sionsrunden mit Abgeordneten anbieten. Ostholsteinische Landschaft in Kiel Für Landtagspräsident Klaus Schlie ist die Statistik ein Erfolg: „Das Parlament ist Das Gemälde „Buchenwald am Dieksee“ von das Herz der Demokratie, deswegen steht ­Hinrich Wrage ist noch bis zum 25. April im Landes­ das Landeshaus allen offen. Dass so viele haus zu sehen – zusammen mit rund 25 anderen Gäste den Landtag besuchen, zeigt das gro- Werken aus der Gemäldesammlung des Ostholstein- ße Interesse an Politik und Demokratie.“ Museums Eutin. Die Ausstellung „Die Landschaft im Beliebt war auch weiterhin der Offene Blick“ legt den Schwerpunkt auf Ostholstein. Neben Besucherabend. In der Regel am letzten älteren Werken von Malern wie Friedrich Loos wer- Montag im Monat können Kurzentschlos- den auch Arbeiten zeitgenössischer Künstler wie sene das Landeshaus besichtigen. 2017 ka- Klaus Fußmann oder einiger Vertreter der Nord­ men 300 Gäste zu den 14 Abendterminen. deutschen Realisten gezeigt. Die Termine des Offenen Besucher­ Die Ausstellung, die der Landtag gemeinsam mit abends für dieses Jahr: 30. April, 28. Mai, der Investitionsbank Schleswig-Holstein ausrichtet, 4. Juni (op Platt), 25. Juni, 27. August, ist täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Der Ein- 3. September (op Platt), 24. September, tritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, 29. Oktober, 26. November, 3. Dezember bitte bringen Sie ­Ihren Personalausweis mit. (op Platt) – jeweils um 18:00 Uhr.

Die Bürgerbeauftragte vor Ort

Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Sama- Termine in Lübeck bei der Deutschen Rentenversicherung Nord, doni, ist auch im Frühjahr wieder im Lande unterwegs, um Bürger vor ­Ziegelstr. 150, 10:00 bis 17:00 Uhr. Termine in Heide im Rathaus, Ort zu beraten. ­Postelweg 1, 11:00 bis 15:00 Uhr. Termin in Schwarzenbek im Rat- Donnerstag, 5. April: Lübeck Donnerstag, 7. Juni: Lübeck haus, Ritter-Wulf-Platz 1, von 11:00 bis 15:00 Uhr. Dienstag, 17. April: Heide Dienstag, 19. Juni: Heide Zu den Terminen ist eine Anmeldung erforderlich. Telefon: 0431/988- Donnerstag, 3. Mai: Lübeck Dienstag, 26. Juni: 1240. Hinzu kommen die regelmäßigen „Dienstleistungsabende“ in Dienstag, 15. Mai: Heide Schwarzenbek Kiel, Karolinenweg 1: jeden Mittwoch von 15:00 bis 18:30 Uhr.

36 DER LANDTAG 01 /2018