Neue Spur Im Fall Barschel

WER IST KATE MIDDLETON? INSIDE DEUTSCHE BAHN DREI TORE GEGEN BREMEN Ihre Vorfahren schufteten Immer Raúl dieser böse verzaubert noch im Bergwerk Seite 24 Schnee Seite 38/39 Schalke Seite 29

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NR. 47 AUSGABE B * SONNTAG, 21. NOVEMBER 2010 PREIS D ¤ 3,10 Terror – Der Papst titelthema erlaubt Ministerin für Kondome

ROM – Papst Benedikt XVI. hat eine his- mehr Polizei Neue Spur im Fall torische Wende der katholischen Kirche vollzogen und die Benutzung von Kondo- BERLIN/LISSABON – Wegen der jüngs- men für „begründete Einzelfälle“ für er- ten Terrorbedrohung ist eine Sicher- laubt erklärt. Wenn es darum gehe, die heitsdebatte entbrannt. Bundesjustizmi- Ansteckungsgefahr zu verringern, könne nisterin Sabine Leutheusser-Schnarren- der Einsatz von Kondomen „ein erster berger kündigte eine Prüfung der Geset- Schritt sein auf dem Weg hin zu einer an- ze an, neue hält sie für unnötig. „Wir ha- ders gelebten, menschlicheren Sexuali- ben uns im Kreis der Rechts- und Innen- Barschel tät“, sagte der Papst laut einem Buch, das politiker der Koalition darauf verstän- am Mittwoch erscheint. Bislang vertrat digt, dass es kein neues Anti-Terror-Pa- die katholische Kirche die Position, dass ket geben wird“, sagte die FDP-Politike- Sie führt zum Mossad auch im Kampf gegen Aids der Einsatz rin der „Welt am Sonntag“. Leutheusser- von Präservativen auf keinen Fall gestat- Schnarrenberger rief dazu auf, mehr Poli- tet werden dürfe. zisten einzustellen: „Wenn wir nicht ge- Politik, Seite 12 nügend Beamte haben, nützen die besten Gesetze nichts.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach am Rande des Nato-Gipfels von einer 40 Euro Bußgeld

„realen Gefährdung“, mahnte aber, nicht 2010 BILDKUNST EISERMANN/LAIF ; THOMAS DEMAND VG in Panik zu verfallen. Ähnlich äußerte für Sommerreifen sich BKA-Präsident Jörg Ziercke. Die Be- Gutachter belastet in einer neuen Analyse den israelischen Das neue Ressort der richte über einen angeblich auf den „Welt am Sonntag“ im Winter Reichstag geplanten Anschlag wirkten auf sechs Seiten hinein in die konkreten verdeckten Er- Geheimdienst – Staatsanwalt sieht Mordverdacht erhärtet BERLIN – Autofahrer auf Sommerreifen mittlungen, sagte Ziercke. Daher wolle er müssen ab diesem Winter mit höheren dazu keine Angaben machen. Solche Äu- VON DIRK BANSE UND zieren einen Mord, wobei (…) aufgrund dig“, sagt er. Brandenberger Widersprüche zwi- Bußgeldern rechnen. Das Verkehrsminis- ßerungen würden die Ermittlungen und LUCAS WIEGELMANN der Komplexität des Mordgeschehens da- plant, seine Thesen dem- schen den toxiko- terium präzisierte zudem die Winterrei- Quellen gefährden. „Natürlich ist es so von ausgegangen werden muss, dass ein nächst in einer wissenschaft- logischen Befunden fen-Pflicht auf Glatteis, Schneeglätte, (...), dass symbolträchtige Objekte in n einem der spektakulärsten Profiteam am Werk war, nicht eine Ein- lichen Fachzeitschrift weiter und der Darstellung Schneematsch, Eis oder Reifglätte. Ver- Deutschland insgesamt im Fokus stehen Politkrimis der bundesdeut- zelperson.“ Der frühere Chefermittler im auszuführen. Ostrovskys gebe. Nach kehrsminister Peter Ramsauer (CSU) könnten“, gestand der BKA-Präsident schen Geschichte gibt es eine Fall Barschel, Heinrich Wille, sieht nun In seinem neuen Aufsatz Brandenbergers neuem sagte der „Welt am Sonntag“, es werde ein. Deshalb gebe es auch zusätzliche neue Wendung. Einer der wich- den Verdacht erhärtet, dass der ehemali- weist Brandenberger nach, Gutachten erscheint die kein konkretes Datum geben, ab wann Präsenz der Polizei an solchen Orten. tigsten wissenschaftlichen Gut- ge Ministerpräsident von einem profes- dass Barschel zusätzlich zum Cyclobarbi- Theorie jetzt in ganz neuem Licht. Winterreifen aufgezogen werden müs- Zuvor hatte der „Spiegel“ berichtet, achter im Fall Barschel ver- sionellen Killerkommando getötet wurde. tal ein starkes Beruhigungsmittel rektal Der Fall Barschel ist seit nunmehr 23 sen. Dafür falle der Winter in Deutsch- Terroristen planten möglicherweise, das dächtigt in einem neuen Gut- „Brandenbergers Aufsatz enthält neue verabreicht wurde. Dies sei „mit der Hy- Jahren ungelöst. Ex-Staatsanwalt Wille land zu unterschiedlich aus. Die Bußgel- Parlamentsgebäude zu stürmen und dort achten den israelischen Geheimdienst Erkenntnisse, die geprüft werden soll- pothese eines Selbstmordes mit fremder stellte das Verfahren 1998 ein, obwohl der beim Fahren ohne Winterreifen wer- ein Blutbad anzurichten. Nach Informa- Mossad,I den früheren schleswig-holstei- ten“, sagte der ehemalige Leitende Ober- Hilfe (humanes Sterben) unvereinbar“. sich der Verdacht auf Mord seiner Mei- den auf 40 Euro verdoppelt. Wer dadurch tionen der „Welt am Sonntag“ ist dies ei- nischen Ministerpräsidenten ermordet zu staatsanwalt von Lübeck dieser Zeitung. Der ehemalige Mossad-Agent Ostrovsky nung nach im Laufe der Ermittlungen er- andere behindert, muss 80 Euro zahlen. nes von mehr als einem Dutzend Szena- haben. Die Daten der chemischen Analy- Einen konkreten Verdächtigen gebe es bis schreibt in seinem Buch ebenfalls, dass härtet hatte. Immer wieder werden auch Politik, Seite 8 rien, mit denen sich die Terrorbekämpfer sen stimmen bis in Details mit den To- heute nicht. man Barschel ein starkes Beruhigungs- Geheimdienste wie die DDR-Staatssicher- zurzeit beschäftigen. Bei den Nachrich- desumständen überein, wie sie der ehe- Uwe Barschel wurde am 11. Oktober mittel rektal eingeführt habe. Auch die heit, die US-amerikanische CIA und der tendiensten werden die Hinweise eines malige Mossad-Agent Victor Ostrovsky in 1987 tot in einer Badewanne des Genfer Betäubung durch präparierten Wein und Bundesnachrichtendienst verdächtigt, an vorgeblich ausstiegswilligen Terroristen einem Buch schildert. Zu diesem Ergeb- Luxushotels „Beau-Rivage“ gefunden. die Zufuhr einer tödlichen Schlafmittel- dem Tod beteiligt gewesen zu sein. Wille, Russland will aus dem Ausland jedoch skeptisch gese- nis kommt der renommierte Schweizer Nur wenige Tage zuvor war er nach einer dosis per Magenschlauch, die Ostrovsky der demnächst ein Buch über den Fall hen. Eine abschließende Beurteilung ge- Toxikologe Professor Hans Brandenber- Affäre um eine Verleumdungskampagne beschreibt, decken sich mit Brandenber- veröffentlichen will, sagte: „Bei meinen unter den be es bislang noch nicht. ger in einem exklusiven Aufsatz für die gegen seinen politischen Widersacher gers Analysen. Der ehemalige Agent Ermittlungen habe ich den Eindruck ge- Nach dem falschen Alarm in Namibia „Welt am Sonntag“. Im Unterschied zu Björn Engholm und einer verlorenen Ostrovsky hatte sein Buch „Geheimakte wonnen, dass es starke Kräfte gibt, die die Nato-Raketenschirm wurde der Chef der dortigen Flughafen- anderen Bekenner-Erklärungen oder Ver- Landtagswahl als Ministerpräsident zu- Mossad“ 1994 veröffentlicht. Er lebt als Aufklärung des Falles unter allen Um- polizei festgenommen. Der Mann soll be- mutungen „beschreibt Ostrovsky ein Sze- rückgetreten. Bis heute ist nicht geklärt, Autor und Verleger in Arizona (USA). ständen verhindern wollen.“ LISSABON – Russland hat das Angebot reits gestanden haben, das verdächtige nario, das mit den Analysendaten er- wie Barschel ums Leben kam. Im Gegen- Ein mögliches Motiv für den Mord ist Die „Welt am Sonntag“ hat den ehe- der Nato zu Verhandlungen über die Be- Gepäckstück auf ein Band zur Gepäckbe- staunlich gut übereinstimmt“, heißt es in satz zu anderen Toxikologen vertrat nach Aussagen verschiedener Zeugen maligen Agenten Victor Ostrovsky mit teiligung an einem Raketenabwehrschirm förderung gelegt zu haben. tju/banjo dem Papier. Auffällige Details in Ostrov- Brandenberger von Anfang an die These, Barschels angebliche Verstrickung in du- den neuen Erkenntnissen konfrontiert. angenommen. Dies gab Nato-Generalse- Politik, Seiten 4 bis 6 / Forum, Seite 15 skys Bericht, zum Beispiel die rektale Zu- dass der Politiker das tödlich wirkende biose Rüstungsgeschäfte. Der CDU-Poli- „Wenn ein Wissenschaftler meine Dar- kretär Anders Fogh Rasmussen nach ei- fuhr von Beruhigungsmittel und die zeit- Mittel Cyclobarbital nicht selbst einge- tiker soll von illegalen Waffenlieferungen stellung belegt, ist das großartig“, sagte nem Treffen des Nato-Russland-Rats in lich versetzte Verabreichung von Medika- nommen haben könne. „Damit stach ich in den Nahen Osten und nach Südafrika Ostrovsky. „Aber es überrascht mich Lissabon bekannt: „Von heute an werden Treffpunkt für Fans menten, spiegelten sich im chemischen in ein Wespennest“, schreibt Brandenber- gewusst und damit gedroht haben, diese nicht. Ich weiß ja, dass es so war.“ Der wir zusammenarbeiten.“ Russlands Prä- facebook.com/welt Befund wider, so Brandenberger. ger. Seine Untersuchungen trugen dazu öffentlich zu machen. Nach Darstellung Autor, der bis heute nie offiziell von sident Dmitri Medwedjew schränkte ein, Es ist das erste Mal, dass sich der Wis- bei, dass die Staatsanwaltschaft Lübeck von Ostrovsky hatte Barschel Kenntnis deutschen Ermittlern zum Geschehen eine Entscheidung über eine tatsächliche Wir twittern, was uns bewegt: twitter.com/welt senschaftler zur Frage nach den Tätern ein Ermittlungsverfahren wegen Mord- von angeblichen Rüstungsgeschäften Is- von Genf befragt wurde, erklärte sich au- Beteiligung sei aber noch nicht gefallen: äußert. Nach seiner Einschätzung belegen verdachts aufnahm. In den vergangenen raels mit dem Iran, die über Schleswig- ßerdem zu einer Aussage bereit: „Ich ste- „Wir werden gleichberechtigt beteiligt E-Mail an die Redaktion: toxikologische Untersuchungen des Bar- Jahren analysierte der Toxikologe immer Holstein abgewickelt worden seien. Die he den deutschen Strafverfolgungsbehör- oder wir werden uns nicht beteiligen.“ [email protected] schel-Leichnams, dass der CDU-Spitzen- wieder die chemischen Daten und stieß Staatsanwaltschaft Lübeck war der Spur den jederzeit als Zeuge zur Verfügung, Außerdem hat die Nato die Weichen für Abo & mehr politiker weder durch Selbstmord noch dabei auf die neue Spur. Seine neuen Er- Mossad bereits in ihrem Mordverfahren solange ich dabei in den USA bleiben einen schrittweisen Abzug bis Ende 2014 [email protected] durch Sterbehilfe ums Leben gekommen kenntnisse wolle er nicht verheimlichen: nachgegangen. Damals waren die Ermitt- kann.“ aus Afghanistan gestellt. sein kann. „Die chemischen Befunde indi- „Das bin ich der Familie Barschel schul- ler zu der Einschätzung gelangt, dass es Titelthema, Seite 17 bis 22 Politik, Seiten 10/11

ANZEIGE ANZEIGE Fanatiker mit Bart und rotem Mantel Wahre Werte - ach der Terrorwarnung fragen sich mit einem Orientierungsverlust, der „Besinn- viele Bürger, ob sie auf Weihnachts- lichkeit“ genannt wird. Der soeben aus dem beginnen in einer wahren Manufaktur N märkte gehen sollten. Kein Problem. Orient angereiste Islamist glaubt, hier würde Dort ist es jetzt besonders sicher. Denn Deut- bereits ein Anschlag verübt. Er müsse sich also sche im Adventsstress können wehrhafter und einen frischen Tatort suchen. Dort begegnen verbiesterter sein als ein Glaubenskrieger. Auf ihm Glühweinbudeninhaber mit ihrer Aktion beliebten Märkten ist damit zu rechnen, dass „Unser Kopfschmerz ist stärker als euer Hass“. Attentäter im Gedränge rechtzeitig zusam- Schausteller werden ihre Fahrgeschäfte als mengeknufft werden. Ansonsten stehen Si- mobile Arrestzellen einsetzen. Angeblich för- cherheitskräfte bereit, die darin geschult sind, über- dern ein paar Runden mit dem „Monster Spider“ ein lebende Extremisten durch das Selbstdrehen von Geständnis eher als fünf Jahre Guantánamo. Eine Bienenwachskerzen abzulenken oder sie hoffnungs- subtilere Taktik sieht vor, Terroristen ins „Spuk- los in die Strohsternproblematik zu verstricken. Bei schloss“ zu locken und sie dort so lange vor einem der Gefahrenabwehr kommt Heintjes „Heidschi Terrorakt zu warnen, bis sie sich nicht mehr heraus- Bumbeidschi“ als Endlosschleife zum Einsatz, und trauen. Alle Weihnachtsmarkt-Besucher sind ange- zwar mit „bum bum“. Die Zivilbevölkerung ist gegen halten, auffällige Personen den Behörden zu melden, diesen Sound längst resistent und reagiert lediglich außer den Weißbart im roten Mantel. André Mielke IMPERIALE COLLECTION SERVICE: 01805/6 300 30 B 3,50 ¤ • GR 4,00 ¤ • A 3,50 ¤ • CZ 150 czk • NL 3,50 ¤ ISSN 0949 – 7188 GB 3,50 GBP • MA 50 MAD • DK 32,00 dkr • IRL 4,50 ¤ Erhältlich bei Chopard Boutiquen und führenden ZA 70,00 SAR • P 4,00 ¤ (Cont.) • I 4,00 ¤ • E 4,00 ¤ / Juwelieren. Für weitere Informationen: Chopard 07231-28.40.10 • www.wellendorff.de 0,14 ¤/Min. aus dem dt. Festnetz; I. C. 4,20 ¤ • F 4,20 ¤ • L 3,50 ¤ • PL 19 PLZ TN 6,50 TD Deutschland, Tel. 07231/4867. Mobilfunk max. 0,42 ¤/Min. FIN 5,90 ¤ • S 50 SEK • H 1050 Ft N 42,00 NOK • CH 5,30 sfr

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DER TOTE 317IN ZIMMER Nach einem der größten politischen Skandale der Nachkriegszeit wurde der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel am 11. Oktober 1987 tot in der Badewanne eines Genfer Hotels aufgefunden. War es Mord? Das Gutachten eines Schweizer Toxikologen deutet auf mehrere Profi-Täter hin. Spuren führen nach Israel

Von Dirk Banse und Lucas Wiegelmann Foto: Thomas Demand

Der Tatort - der Künstler Thomas Demand baute für sein Foto „Badezimmer“ aus Pappe und Papier 1997 ein Bild nach, das zehn Jahre zuvor um die Welt gegangen war: Es zeigte den Ort, an dem die Leiche Uwe Barschels ent- deckt wurde. Auf dem Originalfoto war sein toter Körper zu sehen THOMAS DEMAND, VG BILD-KUNST BONN 2010

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18 TITELTHEMA WELT AM SONNTAG NR. 47 21. NOVEMBER 2010

Sein Name steht für einen der größten politischen Skandale, den die Bundesrepublik in ihrer Geschichte erlebte: Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel, 43, am 12. August 1987 in Neumünster PA/SVEN SIMON

as Angebot machte schwörungstheorien, die sich um den Schlafmittel. Cyclobarbital fand sich re Substanzen umgewandelt. Außerdem ihn wütend. „Geld mysteriösen Tod Barschels ranken. Die nämlich in hoher Konzentration im Ma- hielt der Forscher es für auffällig, dass spielt keine Rolle“, Barschel-Ermittler prüften ihn, konnten gen des toten Uwe Barschel, und zwar in das Noludar im Urin, nicht aber im Ma- DIE CHRONOLOGIE VON hatte der geheimnis- ihn aber nicht belegen. Zu spektakulär er- seiner unabgebauten Form. In der Blase gen zu finden war, wie es bei einer nor- volle Fremde gesagt, schien die Vorstellung einer professio- ließ es sich nicht nachweisen. Der Körper malen Einnahme etwa in Form von Ta- WATERKANTGATE aber Barschel wollte nellen Mörderbande, zu bizarr klangen hatte offenbar gerade erst begonnen, die bletten zu erwarten gewesen wäre. Schmutzige Tricks, Verleumdungen und ein rätselhafter Tod: kein Geld. Es ging die Details, die Ostrovsky nennt. Das gilt Substanz abzubauen. Die anderen Medi- Die Stationen eines beispiellosen Skandals ihm um seinen Ruf. Der Politiker war hef- zum Beispiel für das Eiswasser in der Ba- kamente waren im Urin stärker konzen- Sterbehilfe ausgeschlossen Dtig geworden, er hatte den Mann ange- dewanne und vor allem die Beschreibung triert als in Blut und Magen – demnach Wie der mittlerweile 89 Jahre alte Bran- fahren: Er wolle nichts mit ihm zu tun der rektalen Medikamentenzufuhr. De- befanden sie sich schon länger im Körper denberger schreibt, erklärt er sich den haben, wenn er nicht endlich Beweise lie- tails, die sich so gar nicht mit dem Be- und bereits in der Phase der Ausschei- Befund nun so, dass „das starke Hypnoti- 3. Mai 1993: Björn Engholm tritt als fere, die Barschel reinwaschen könnten. fund der Obduktion und den übrigen Er- dung. Brandenbergers Schlussfolgerung: kum Noludar mit an Sicherheit grenzen- Ministerpräsident und SPD-Chef zurück. Der Fremde hatte geantwortet, er müsse mittlungen zu decken schienen. Zudem Barschel sei handlungsunfähig gewesen, der Wahrscheinlichkeit kurz vor Todes- Er habe früher als im Ausschuss gesagt kurz etwas holen, und war aus dem Ho- irrte sich Ostrovsky in politischen Fra- als das todbringende Mittel Cyclobarbi- eintritt rektal verabreicht“ worden sei – von Pfeiffer gewusst. telzimmer gegangen. Nun saß der Ex-Re- gen, schrieb zum Beispiel von einer en- tal in seinen Körper gelangte. Er habe es wohl noch nach dem Cyclobarbital. 1. Dezember 1994: Die Lübecker Staats- gierungschef alleine in seinem Stuhl und gen Freundschaft zwischen Barschel und deshalb unmöglich selbst einnehmen Denkbarer Grund: Vielleicht wollten die anwaltschaft leitet ein Ermittlungsver- nippte an dem Beaujolais, den der Frem- dem damaligen Kanzler Helmut Kohl. können. Attentäter sichergehen für den Fall, dass fahren wegen Mordverdachts im Fall de aufs Zimmer bestellt hatte. Er dachte Diese Ansicht war umstritten, andere man Barschel noch vor seinem Tod fin- Barschel ein. vielleicht darüber nach, was alles schief- Mossad-Spur führte in eine Sackgasse Gutachter wollten nicht so weit gehen den und ihm den Magen auspumpen 23. Oktober 1995: Ein zweiter Ausschuss gelaufen war in den vergangenen Mona- Die Lübecker Staatsanwaltschaft hielt wie Brandenberger. Doch es gab auch würde. Das Noludar wäre dann trotzdem ermittelt, dass SPD-Politiker früh von ten. Welche Fehler er begangen hatte. 1998 in ihrem Abschlussbericht fest: „Mit Fürsprecher. Seine These war jedenfalls im Körper geblieben und hätte die Gift- „Ich gebe ihnen mein Ehrenwort“: Pfeiffer als Drahtzieher der Kampagne Und dass dieser seltsame Unbekannte, Rücksicht auf die geschilderten offen- ein wichtiger Grund dafür, dass die Lübe- wirkung entscheidend verlängert. Uwe Barschel vor der Presse in Kiel wussten. der so viel zu wissen schien und ihm of- kundigen Diskrepanzen wurde von der cker Staatsanwaltschaft 1994 das Mord- Brandenbergers Schlussfolgerung ist fenbar helfen wollte, sein Leben viel- beabsichtigten zeugenschaftlichen Ver- verfahren „705.JS.33247/87“ gegen unbe- brisant: Träfe sie zu, wäre erstens die ver- Die sogenannte Waterkantgate-Affäre leicht wieder in die richtige Richtung len- nehmung des Ostrovsky dann Abstand kannt einleitete. breitete Theorie widerlegt, wonach Uwe in Schleswig-Holstein wurde vor 20 ken würde. genommen.“ Die Mossad-Spur führte in Nun legt Brandenberger seinen neuen Barschel freiwillig mithilfe von Sterbe- Jahren zu einem der größten politi- Etwa eine Stunde später kam das Kil- eine Sackgasse. Aufsatz vor, den er erst vor wenigen Ta- helfern aus dem Leben gegangen sei. Or- schen Skandale der deutschen Nach- lerkommando. gen verfasst hat. ganisationen für „humanes Sterben“ ar- kriegsgeschichte: Sie waren zu fünft. Als sie die Tür zum Dem Toxikolo- beiten mit vergleichbaren Medikamen- 12. September 1987: Am Tag vor der Zimmer 317 des Genfer Hotels „Beau-Ri- gen lässt der Fall tenkombinationen, wie sie Barschel im Landtagswahl berichtet das Nach- vage“ öffneten, lag Barschel auf dem Fuß- „Ein Profi-Team war am Werk, keine Ruhe. Im- Körper hatte – aber nicht mit rektalen richtenmagazin „Der Spiegel“ über boden. Ohnmächtig vom Schlafmittel, mer wieder ana- Verabreichungen. Schmutzaktionen gegen SPD-Op- das man ihm in den Wein gemischt hatte. nicht eine Einzelperson“ lysierte er in den Zweitens meint Brandenberger, aus positionsführer Björn Engholm. Urhe- Professionell beendeten die Attentäter vergangenen Jah- der chemischen Analyse Hinweise auf ei- ber sei Reiner Pfeiffer, Medienreferent das Leben des 43 Jahre alten Politikers: Hans Brandenberger, Toxikologe, in seinem Gutachten ren die chemi- ne von langer Hand geplante und von in der Staatskanzlei von CDU-Minister- Sie legten ihn verkehrt herum aufs Bett, schen Daten und mehreren Personen ausgeführte Mordtat präsident Uwe Barschel. Bei der Wahl den Kopf ans Fußende, steckten ihm ei- stieß dabei auf herauslesen zu können: Dafür spreche verliert die CDU die absolute Mehrheit; nen geölten Gummischlauch in den Doch nun fordert ausgerechnet ein die neue Spur. Er will sie nicht mit ins neben der schwierigen rektalen Verabrei- es gibt ein politisches Patt. Mund und trichterten ihm verschiedene Naturwissenschaftler eine neue Bewer- Grab nehmen. „Das bin ich der Familie chung seine bekannte These, dass das 18. September 1987: Mit einem „Eh-

Medikamente ein, in tödlicher Dosis. tung von Ostrovskys Aussagen. Hans Barschel schuldig“, sagt Brandenberger. Cyclobarbital Barschel in einem wehrlo- renwort“ weist Barschel alle Vorwürfe BAUM PA/DPA, ULLSTEIN/DPA; BRAKEMEIER; PA/DPA, HESSE; PA/DPA, Dann zogen sie ihm die Hose aus, zwei Brandenberger, der Schweizer Chemie- Die Asservate hat er nicht neu untersu- sen Zustand zugeführt worden sei. Man zurück – und Ministerpräsident Björn Engholm von ihnen hielten seine Beine in die Hö- professor und frühere toxikologische chen können. Aber er hat mit den bereits müsse sich eine Prozedur mit einem Ma- kündigt eine Wo- (SPD) trat 1993 zurück he, ein dritter führte ihm Zäpfchen mit Gutachter im Barschel-Ermittlungsver- seit Jahren vorliegenden Analysedaten genschlauch oder Ähnlichem vorstellen. che später seinen starkem Schlafmittel ein. Es würde die fahren, hat nach jahrelanger Beschäfti- neue Überlegungen angestellt, die er in Brandenberger: „Die chemischen Befun- Rücktritt an. 2. Juni 1998: Die Staatsanwaltschaft giftige Wirkung der anderen Substanzen gung mit dem Fall erstaunliche Parallelen dieser Zeitung erstmals der Öffentlich- de indizieren einen Mord, wobei (…) auf- 9. Oktober 1987: stellt das Mordverfahren im Fall Barschel verstärken. Als sie ihm die Hose wieder zwischen Ostrovskys Schilderungen und keit zugänglich macht. In einem zweiten grund der Komplexität des Mordgesche- In einem Unter- ein. Ob der Tod Selbstmord oder Mord angezogen und eine Weile gewartet hat- dem chemischen Befund nachgewiesen, Schritt plant er, seine Thesen mit chemi- hens davon ausgegangen werden muss, suchungsaus- war, bleibt offen. Der Chefermittler und ten, schleppten sie ihr bewusstloses Op- die er in der „Welt am Sonntag“ heute schen Formeln zu belegen und in einer dass ein Profiteam am Werk war, nicht ei- schuss geben Behördenleiter Heinrich Wille erklärt fer zur Badewanne, die mit Eiswasser ge- zum ersten Mal veröffentlicht. wissenschaftlichen Fachzeitschrift zu pu- ne Einzelperson.“ SPD-Politiker zu, jedoch später, dass sich im Zuge der füllt war, und legten ihn hinein. Wenige Brandenberger ist Spezialist für Stoff- blizieren. Mit Brandenbergers Aufsatz liegt nun schon vor der Ermittlungen aus seiner Sicht der Mord- Minuten und einige heftige Krämpfe spä- wechselforschung: Er untersucht den Ab- Brandenberger glaubt, anhand des erstmals eine wissenschaftlich fundierte Wahl Kontakt zu verdacht erhärtet habe. ter war Uwe Barschel tot. Die fünf Atten- bau chemischer Stoffe im Menschen. chemischen Befundes nicht mehr nur Bestätigung des umstrittenen Ostrovsky- SPD-Mann Pfeiffer gehabt zu 27. September 2007: Schleswig-Hol- täter flüchteten nicht, bevor sie das Zim- Wenn der Körper Substanzen aufnimmt, Aussagen über die Todesart Barschels, Berichtes vor. Es gebe auffällige Paralle- Günther Jansen haben. steins Generalstaatsanwalt Erhard Rex mer aufgeräumt und ihre Spuren ver- baut dieser sie nach komplizierten Re- sondern auch über den oder die Täter len zwischen Mossad-Buch und chemi- 11. Oktober 1987: warnt nach Publikationen vor einseitigen wischt hatten. Das versteht sich von geln zu anderen Substanzen um, zerlegt treffen zu können. Dabei stützt er sich scher Untersuchung, so Brandenberger. Barschel wird tot im Genfer Hotel Mord-Spekulationen. Es gebe Indizien selbst für Profis vom israelischen Ge- sie in Einzelteile oder fügt sie zu neuen vor allem auf ein anderes Medikament, Ostrovsky beschreibe ein „Szenario, das „Beau-Rivage“ gefunden. Die Schweizer sowohl für Mord als auch für Selbstmord. heimdienst Mossad. Molekülen zusammen. Erkenntnisse da- das bereits vor Jahren in Barschels Urin mit den Analysendaten erstaunlich gut Behörden erkennen auf Selbstmord, So hat der frühere Mossad-Agent rüber, welche Stoffe dabei entstehen, wo nachgewiesen wurde, bisher aber keine übereinstimmt“. Anders gesagt: Bran- doch bald kommen Zweifel auf. Victor Ostrovsky die Nacht vom 10. zum sie im Körper auftauchen und wie lange wichtige Rolle in der gutachterlichen Dis- denbergers Forschungen belasten den 3. Februar 1988: Der Untersuchungs- 11. Oktober 1987 beschrieben. In seinem die Prozesse dauern, erlauben unter an- kussion gespielt hat: das stark wirkende, Mossad. Der Wissenschaftler betont da- ausschuss kommt zu dem Ergebnis, Buch „Geheimakte Mossad“, das 1994 er- derem Rückschlüsse auf den Zeitpunkt süchtig machende Schlafmittel Noludar. bei, dass er seine Schlüsse (Profi-Mord, dass der Anstoß zur Schmutzkampagne schien, behauptet Ostrovsky, Barschel und die Art der Medikamenteneinnahme. Brandenberger, der das Medikament Magenschlauch, zeitlich versetzte Verab- gegen Engholm von Barschel kam. habe eine Bedrohung für Israels Geheim- So kam Brandenberger bereits in sei- jahrelang erforscht und darüber publi- reichung der Medikamente, zum Schluss 8. Mai 1988: Die SPD holt bei einer agenten dargestellt und sei deshalb er- nem toxikologischen Gutachten für die ziert hat, schreibt, er habe sich lange eine rektale Zufuhr) bereits gezogen ha- Neuwahl die absolute Mehrheit. mordet worden. Das will er von Agenten- Schweizer Justiz aus dem Jahr 1994 zu nicht erklären können, warum das Nolu- be, bevor er das Ostrovsky-Buch kannte. 1. März 1993: SPD-Sozialminister Gün- kollegen erfahren haben. Ist Barschel so dem Ergebnis, dass Uwe Barschel das dar in der Blase nicht in seiner abgebau- Wenn das zutrifft, hätten zwei Quellen ther Jansen gibt zu, 40 000 Mark gestorben? tödlich wirkende Mittel Cyclobarbital ten (metabolisierten) Form vorlag. Der unabhängig voneinander Bilder des Tat- gesammelt und an Pfeiffer gezahlt zu Staatsanwalt Heinrich Wille erklärt Bisher galt Ostrovskys abenteuerlicher erst spät verabreicht bekam – deutlich Stoff werde nämlich normalerweise sehr geschehens gezeichnet, die sich bis in haben. Er tritt am 23. März zurück. 1998 Indizien für die Mord-Theorie Bericht nur als eine von zahllosen Ver- später als andere Beruhigungs- und schnell im Körper in verschiedene ande- kleinste Einzelheiten ähneln.

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21. NOVEMBER 2010 WELT AM SONNTAG NR. 47 TITELTHEMA 19

DAS HOTELZIMMER 317 IN GENF Am 10. Oktober 1987 checkte Uwe Barschel in Genf im Hotel „Beau-Rivage“ ein. Einen Tag später wurde er tot aufgefunden

„Auf dem Bett lag aufgeschlagen das Buch ‚Gesammelte Erzählungen‘ von Die Tür ist nicht Regal mit Wäsche und Koﬀer abgeschlossen Jean-Paul Sartre sowie ein Schlaf- anzug. Der Schlafanzug war unbenutzt, Barschel liegt angezogen in der gefüllten er befand sich in einem zusammenge- Badewanne legten Zustand. Daneben lag eine Kleiderschrank angebrochene Rolle mit ‚Mentos Pep- mit Jacke und Mantel Duschvorhang permint‘-Drops.“ In der Akte der Staatsanwaltschaft Lübeck wird detail- Knopf von liert beschrieben, was die Genfer Barschels Hemd Ermittler im Zimmer des kurz zuvor gestorbenen Uwe Barschel vorfanden. geöﬀneter Schuh „Der bekleidete Leichnam Dr. Bar- schels lag ausgestreckt auf dem Rü- Stift Der politische Kontrahent: SPD-Spitzenkandidat Björn Engholm wurde im Landtags- cken mit dem Kopf zum Eingang hin in wahlkampf das Opfer einer gegen ihn persönlich gerichteten Kampagne. Als sie Fax an der Badewanne und war teilweise im aufgedeckt wird, tritt Uwe Barschel vom Amt des Ministerpräsidenten zurück Staatssekretär Bereich der Beine von der ausgehak- Hebbeln ten Dusche samt Duschschlauch be- deckt. Der Kopf des Leichnams ragte aus dem Wasser und war nach rechts Schreibtisch Wasch- gewandt. Er ruhte auf der rechten tisch Hand, welche mit einem weißen, eben- Minibar Toilette falls aus dem Hotel stammenden Fernseher Handtuch umwickelt war. Die Augen waren geschlossen. Der linke Arm lag

r auf der Brust. Außer dem Kopf ragten ge Kleider- Klu us noch die Fußspitzen aus dem Wasser. ständer ark Bidet k: M Die Haare des Leichnams waren nass, Graﬁ das Gesicht hingegen trocken“, heißt Bett Nachttisch es im Tatortbericht. Im Abfallbehälter wurde unter ande- Badematte rem ein zerbrochenes Stielglas und eine kleine geleerte Whiskyflasche der geschnürter Schuh Marke „Jack Daniels“ gefunden. Sie Lampe stammte aus der Minibar. Das Bett war gespültes unbenutzt und mit einer Tagesdecke Weinglas Zeitschriften überzogen. Nachttisch Im Flur lag ein Knopf, der gewaltsam Aschenbecher Notizblöcke leeres Whiskey- ﬂäschchen im vom Hemd gerissen worden war. Für Pyjama Abfalleimer Fenster und Vorhang Lübecks Ex-Chefermittler Heinrich sind geschlossen Buch Wille ist das ein Indiz für Mord. LAIF/EISERMANN (2) LAIF/EISERMANN

Dennoch scheint es auf den ersten verfeindeten Iran, die den Namen „Ope- Die Serie von Merkwürdigkeiten be- ANZEIGE Blick Ungereimtheiten zu geben. Zum ration Hannibal“ getragen haben sollen. gann bereits mit der Spurensicherung am Beispiel schreibt Brandenberger, das Me- Israel habe heimlich Teile für Jagdflug- Tatort. Sie war „schlampig bis desaströs“, dikament Noludar sei zur Tatzeit nicht zeuge des Typs F-4 Phantom an Teheran wie es der „Spiegel“ beschrieb. In einem als Zäpfchen im Handel gewesen. Aller- geliefert. Iran erhoffte sich davon mehr geheimen Protokoll einer Sitzung vom 16. dings brauche man für eine rektale Zu- Durchschlagskraft im Krieg gegen den Oktober 1987 bei der Schweizer Untersu- fuhr von Noludar keine Zäpfchen – man Irak. Um die Herkunft der Rüstungsteile chungsrichterin, das dieser Zeitung vor- könne auch einen Wattebausch in K.-o.- zu verschleiern, seien die heiklen Liefe- liegt, heißt es beispielsweise, dass keine Tropfen tunken und ihn einführen, das rungen unter anderem über Kiel abgewi- Probe des Badewannenwassers entnom- entspreche demselben Wirkstoff. Außer- ckelt worden. Außerdem sollen Israelis men worden sei. Laut Lübecker Ermitt- dem schreibt Mossad-Aussteiger Ostrov- iranische Piloten auf deutschem Boden lungsakte wurde nicht einmal die Tempe- sky von Pillen, die man Barschel per Ma- an Flugsimulatoren ausgebildet haben – ratur des Wassers gemessen. Die Aufnah- genschlauch verabreicht habe. Davon ebenfalls in Schleswig-Holstein. men des Polizeifotografen waren unter- hätten im Magen des Leichnams Rück- Neben dem Mossad sei auch der Bun- belichtet und damit unbrauchbar. stände zu sehen sein müssen. Der Genfer desnachrichtendienst in die Geschäfte Obwohl Barschel ein deutlich sichtba- Gerichtschemiker, der Barschel als Erster involviert gewesen. Als die Sache ausge- res Hämatom am Kopf hatte, gingen die toxikologisch untersuchte, erwähnt in weitet werden sollte, habe Barschel seine Genfer Ermittler nicht von Gewaltein- seinem Bericht aber keine Pillenreste. Er Zustimmung verweigert und nach der wirkung aus. Und das, obwohl man nach schrieb allerdings auch nicht, dass es kei- Pfeiffer-Affäre geplant, alles öffentlich zu ihrer eigenen Einschätzung „dem Um- ne Reste gegeben habe – und nachschau- machen. Das Risiko habe der Mossad stand Rechnung tragen müsse, dass da en konnte später keiner mehr. Der größte nicht eingehen können, behauptet ein abgerissener Knopf, ein fehlender Teil des Mageninhalts wurde weggewor- Ostrovsky. Schlips, Flecken auf einer Decke und zer- fen. Trotz der vermeintlichen Differen- brochene Gläser waren“. Finger- und zen solle man deshalb der Ostrovsky- Handabdrücke wurden so dilettantisch Spur nachgehen, meint Brandenberger. „Aus Barschels genommen, dass sie später nicht verwer- tet werden konnten. Dubiose Waffengeschäfte Umfeld war Angesichts solcher Zustände diskutier- Auch beim Fall Barschel stellt sich diesel- ten die Lübecker Staatsanwälte früh da- be Frage wie bei jedem anderen Verdacht zu erfahren, rüber, ob in Genf Spuren absichtlich lü- auf Mord: Was ist das Motiv? Warum hät- ckenhaft ermittelt wurden. Die „Basler te der israelische Geheimdienst oder dass er keine Zeitung“ (BaZ) berichtete am 15. Oktober sonst jemand Barschel töten sollen? Der 1987 über eine mögliche politische Ein- CDU-Politiker stand nach einer undurch- flussnahme: „Nach sehr zuverlässigen In- sichtigen Schmutzkampagne gegen sei- Suizidgedanken formationen, welche die BaZ bekam, ha- nen SPD-Kontrahenten Björn Engholm ben die politischen und Justizbehörden und wegen der verlorenen Landtagswahl gehegt habe“ von gewichtiger deutscher Seite und über vor dem politischen Aus. Als Regierungs- mehrere Kanäle den Wunsch übermittelt Heinrich Wille, ehemaliger chef war er bereits zurückgetreten. bekommen, dass es in aller Interesse wä- Lübecker Oberstaatsanwalt Konnte er in dieser Situation überhaupt re, wenn man diesen Fall als Selbstmord noch jemandem gefährlich werden? einstufen könnte.“ Viele Zeugen sagen: Ja, gerade weil Den Fall Barschel juristisch zu lösen Erst der Lübecker Oberstaatsanwalt Barschel schwer angeschlagen war, habe gelang bislang nicht. Die Lübecker Heinrich Wille, der das Barschel-Verfah- er eine Bedrohung dargestellt. In der Er- Staatsanwaltschaft ermittelte wegen ren von 1994 bis 1998 in Deutschland mittlungsakte der Lübecker Staatsan- Mordes, sah also einen hinreichenden führte, ermittelte akribischer. In seinem waltschaft gibt es eine Reihe von Aussa- Anfangsverdacht – allerdings gegen un- Gesamtbericht listet er zahlreiche Indizi- gen, die Barschel in die Nähe von dubio- bekannt. Im Zuge der Ermittlungen häuf- en für einen gewaltsamen Tod auf. Ob- sen Waffengeschäften mit Transit über ten sich die Hinweise darauf, dass der wohl er das Verfahren einstellte, weil er Schleswig-Holstein rücken. Je nach Hin- CDU-Politiker tatsächlich nicht freiwillig keine Beweise finden konnte, sieht er den weisgeber soll der Ministerpräsident von aus dem Leben geschieden ist. Trotzdem Mordverdacht erhärtet. „Die Krawatte an schmutzigen Deals mit der Tschechoslo- wurde das Verfahren 1998 eingestellt. Die der Leiche war so gebunden, dass ein wakei, dem Apartheid-Regime in Südafri- Staatsanwaltschaft kann es allerdings je- Ausriss des Knopfes nicht so ohne Weite- ka oder dem Nahen Osten gewusst oder derzeit wieder aufnehmen, wenn neue res möglich gewesen wäre. Zudem hatte sie unterstützt haben. Die Meinungen ge- Erkenntnisse vorliegen. der Tote ein Hämatom auf der rechten hen auseinander, ob Barschel nur wider- Stirnseite, das auf Gewalteinwirkung hin- willig Geschäfte dulden musste, die be- Tote Zeugen, verschwundene Akten deutete“, sagt Wille. reits sein Vorgänger als Ministerpräsi- Der Tod Uwe Barschels war von Beginn In seinem Abschlussbericht heißt es, dent, Gerhard Stoltenberg (CDU), einge- an mysteriös und bleibt es bis heute. Im- dass sich in der Whiskey-Flasche, die in fädelt haben soll, oder ob er selbst trei- mer wieder ereigneten sich danach rät- dem Zimmer gefunden worden war, nur bende Kraft war. Beweise für Barschels selhafte Zwischenfälle, die die Ermittlun- verdünnter Alkohol befunden habe. Sie Verstrickung gibt es nicht, aber zahlrei- gen ins Stocken brachten. Wichtige Zeu- muss also ausgespült worden sein. Wille: che Aussagen von Zeugen. Viele sehen gen starben unter ungeklärten Umstän- „Aus Barschels Umfeld war zu erfahren, darin das Mordmotiv. Barschel habe sei- den, sie fielen aus dem Fenster oder erlit- dass er keine Suizidgedanken gehegt ha- ne bevorstehende Aussage vor dem Kie- ten Herzattacken. Akten verschwanden. be. Den Entschluss zu einem Selbstmord ler Untersuchungsausschuss zur Pfeiffer- Archive brannten ohne ersichtliche Ursa- hätte er frühestens zum Zeitpunkt seines Affäre nutzen wollen, um die düsteren che aus. Je mehr sie sich bemühten, desto Rücktritts als Ministerpräsident fassen Machenschaften auffliegen zu lassen. stärker entstand bei den Ermittlern der können. Bis zu seinem Tode hatte er aber Glaubt man dem Mossad-Aussteiger Eindruck, dass die Geheimdienste ihre nicht die Möglichkeit, einen etwaigen Victor Ostrovsky, handelte es sich dabei Finger im Spiel hatten – und bis heute um geheime Geschäfte Israels mit dem haben. Fortsetzung auf Seite 20

Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: 21. NOVEMBER 2010 WELT AM SONNTAG NR. 47 TITELTHEMA 21

ie chemische Unter- Hamburgs „Cocktail“-Hypothese worfen worden. Ich zog unverrichteter Körper gelangt, ließ sich demnach durch am 27. Mai 1994 zu: mein Gutachten (21 nannte auch richtig den Hauptmetaboli- suchung von Körper- Dinge ab, im Glauben, die Untersu- die Metabolitensuche bestätigen, ledig- Seiten) mit drei Beilagen (sieben Seiten ten, den er allerdings nicht gesucht hat. flüssigkeiten und Or- Anschließend an die Genfer Untersu- chungsrichterin werde nach dem Rechten lich durch Sichtung des bestehenden mit Strukturbeweisen und Literaturanga- Nachdem ich ihn nicht auffinden konnte, ganen von Vergifteten chung wurden noch im Jahr 1987 einige sehen. Das war aber nicht der Fall. Genfer Datenmaterials. Sehr erstaunt hat ben für die chemischen Experten). änderte er seine Ansicht und gab am 21. kann erstaunliche In- Organe von Uwe Barschel in Hamburg Heute halte ich es nicht mehr für un- mich der Nachweis von Noludar (Methy- Februar 1995 der Genfer Richterin Barbey formationen liefern. nachuntersucht. Diese Gutachter bestä- möglich, dass Professor Fryc Hauptantei- prylon) im Urin, wird doch dieses Schlaf- Münchner Untersuchungen die folgende Aussage zu Protokoll: „Von Die für die Vergiftung tigten die Genfer Hauptbefunde und wie- le von Mageninhalt und Urin wegge- mittel im Köper schnell umgebaut und in Ende September 1994 übergab die Genfer Cyclobarbital ist jedoch bekannt, dass es verantwortlichen Stoffe lassen sich nach- sen zusätzlich nach, dass der Verstorbene schüttet hat, weiß aber auch, dass noch der Regel nur in Form von Oxydations- Justiz mein Gutachten an den leitenden eine schwierige Metabolisierung hat.“ Dweisen und quantifizieren. Der Vergleich auch eine recht hohe Dosis des Beruhi- genügend Nierenmaterial vorlag (Ersatz produkten ausgeschieden. Es war übri- Oberstaatsanwalt in Lübeck, Herrn Wille. Am 20. Februar 1995 übergab Dr. Staub ihrer Gehalte in Magen, Blut und Urin so- gungsmittels Tavor eingenommen hatte. für Urin), gingen doch im Februar 1995 gens einmal in wässeriger Lösung im Dieser übermittelte es die im Genfer Institut noch wie die Miterfassung der möglichen Um- Der Hamburger Gerichtsmediziner be- gut 67 Gramm nach München. Handel, oxydiert aber bei Luftkontakt be- dem Institut für Rechts- vorhandenen Sektionsma- und Abbauprodukte im Körper (Metabo- richtete den Medien, die am Todesge- Nachdem es der Genfer Gerichtsmedi- reits in Lösung. Sein Erst-Oxidationspro- medizin der Universität terialien von Uwe Barschel lite) gestattet Rückschlüsse auf den zeit- schehen beteiligten Wirkstoffe seien in zin gelungen war, zusätzliche Analysen dukt wirkt noch stärker hypnotisch als München mit dem Auf- an den Lübecker Kriminal- lichen Ablauf des Geschehens. Nicht sel- Form eines Cocktails eingenommen wor- mit ihren Extrakten sowie Neuextraktio- Noludar. Darauf ist die überaus starke trag, eine kurze gutach- beamten Koop, nämlich: ten geben die Analysedaten auch Aus- terliche Stellungnahme 12 g Mageninhalt (den künfte über die Hintergründe der Vergif- zu seiner Plausibilität zu Hamburger Experten vor- tung, zum Beispiel über die Frage, ob von erstellen. Die Professoren enthalten), 25 ml Blut und Unfall, Selbstmord oder Mord ausgegan- von Meyer und Eisen- 115 g Leber, gen werden kann, es finden sich sogar In- menger faxten diese am 28 g Galle, 5 ml Urin und dizien über die Täterschaft. 5. Oktober 1994 nach Lü- 67 g Niere (uns 1992 ver- Die Ansprüche an den Analytiker sind beck. Sie gaben an, dass PROF. HANS heimlicht). Sie gingen zu hoch. Er muss die Techniken der Analyse der Urin des Verstorbe- BRANDENBERGER einer Nachuntersuchung an von biologischem Material beherrschen, Das Gutachten nen sauer gewesen sein die Münchner Gerichtsme- ein guter Instrumentalanalytiker sein, könnte und das hätte die Der Chemieprofessor und dizin. Und diese ergab er- über Umbau und Abbau von Fremdstof- Ausscheidung der sauren Forensiker war einer der staunliche Resultate: fen im Körper (Metabolismus) Bescheid Der Schweizer Toxikologe Hans Brandenberger erklärt, welche Verbindung Cyclobarbital wichtigsten Gutachter bei 1. In Blut und Urin hat wissen und darf bei der Interpretation hemmen können. den Ermittlungen zum Tod Prof. von Meyer Spuren der Daten nicht belastet sein von den äu- chemischen Hinweise auf professionelle Täter deuten Diese Überlegung Uwe Barschels. Branden- von flüchtigen Verbindun- ßeren Umständen des Ereignisses. stammte allerdings nicht berger war jahrelang gen festgestellt und schloss aus ihrer Küche. Sie ist Leiter der Chemischen auf Einnahme von Alkohol. Zur unmittelbaren Todesursache bereits früher in einem Abteilung am Gerichts- Seine Begutachtung: „Die Als Schweizer mit amerikanischer Familie Schreiben des US-Toxi- medizinischen Institut der erhobenen Befunde lassen bin ich eher westorientiert und kenne die den. Ich wundere mich, wie er zu einer nen vorläufig zu verhindern, hat Dr. Eike und schnelle Wirkung der „K.-o.-Trop- kologen Basselt an das Universität Zürich und sich mit einer Aufnahme deutsche Politik wenig. Von Uwe Bar- solchen Behauptung kommen konnte, Barschel Einsicht in die Analysedaten fen“ zurückzuführen, die erstmals im Magazin „Stern“ geäu- Präsident der Internatio- von Whisky und/oder Rot- schel hörte ich erstmals am 11. Oktober stand doch den Hamburgern weder Ma- verlangt. Dr. Staub wollte das lediglich Hamburger Milieu und später in der ßert worden, und ich nal Association of Forensic wein in einer Menge, die in 1987, als der Rundfunk die Nachricht geninhalt noch Urin für ihre Untersu- auf richterliche Anordnung gestatten, Schweiz zur Betäubung von Freiern ein- hatte sie wie folgt beant- Toxicologists. Er ist heute etwa den aufgefundenen durchgab, er sei tot in einem Genfer Ho- chung zur Verfügung, und auch kein Glas denn die Daten stünden unter Geheim- gesetzt worden sind. wortet: Der Persedon- 89 Jahre alt. und bestellten Flaschen tel aufgefunden worden. Ich weilte auf ei- oder anderer Behälter für den angebli- haltepflicht. Diese Einstellung ist mir un- Wirkstoff Pyrithyldion, entspricht, vereinbaren.“ ner Sitzung einer Senatskommission der chen Cocktail. verständlich. Als Zürcher Gerichtschemi- Mein Gutachten der sich sicherlich in der 2. In Blut, Galle und Urin Deutschen Forschungsgemeinschaft Dr. Staub hatte in seinem Gutachten ker habe ich die analytische Beweisfüh- Meinen Anteil des Berichtes habe ich den Ausscheidungsphase befand, ist auch eine hat er massenspektrometrisch die Anwe- (DFG) in München. Einige meiner Kolle- keinen solchen Schluss gezogen, die Aus- rung auf Anfrage von Opfern oder Ange- Genfern geliefert, aber nicht von ihnen schwache Säure wie Cyclobarbital und senheit von Noludar (Methyprylon) fest- gen sprachen sogleich von klarem Selbst- sage des Hamburger Gerichtsmediziners schuldigten stets offengelegt. Sie konnten gehört. Als ich darum Dr. Staub im Mai nicht etwa basisch oder neutral, wie Bas- gestellt und geschrieben, dieses läge in mord. Meine Frage, warum sie das ohne später aber übernommen. Im „Analytical mit ihrem Advokaten oder Experten Ein- 1994 kontaktierte, meinte er, die Überset- selt dachte. Ein saurer Urin hätte auch der Enolform vor. Zudem hätte er Methy- nähere Informationen behaupten könn- Forum 88“, einer öffentlichen Tagung sicht nehmen. Wenn man eine Aussage zung sei fast bereit, aber Prof. Fryc und er seine Ausscheidung hemmen müssen. prylon UV-spektrophotometrisch auch in ten, wurde nicht beantwortet. Ich musste über Instrumentalanalytik in Egerkingen mit Konsequenzen macht, darf man sich hätten sich entschlossen, die Metaboli- Übrigens habe die Sektion keinerlei Hin- Blut und Galle festgestellt und in allen die Sitzung leiten, dachte nicht mehr an (Schweiz) im Februar 1988, referierte er auch nicht zieren, die Beweise vorzule- ten-Nachweise sowie meine Aufdeckung weise auf eine Erkrankung ergeben, die Extrakten vermessen. Er kam dabei auf das Ereignis, hatte lediglich mitbekom- über seine Untersuchungen im Todesfall gen. von Noludar aus dem Bericht zu strei- stark sauren Urin liefert. unglaublich hohe Werte, nämlich 2 mg/l men, dass Dr. Barschel Spitzenpolitiker Barschel. Die Frage, ob die Medikamente Am 4. November 1991 hat die Untersu- chen, um die Sache nicht zu sehr zu kom- Trotzdem ging das „Glaubwürdigkeits- für Blut (gaschromatographisch nur 0,19 und Ministerpräsident eines deutschen zusammen oder nacheinander eingenom- chungsrichterin Carol Barbey die Herren plizieren. Die Schlussfolgerungen, so sag- Gutachten“ aus München an die Presse. mg/l, also zehnmal weniger), 35,9 mg/l für Landes gewesen sei. Ich kannte nicht ein- men worden seien, beantwortete er mit: Prof. Fryc, Dr. Staub und mich vorgela- te er, möchten sie ohnehin getrennt von Meine Ausführungen dagegen blieben un- Urin und 158 mg/l für Galle. mal seine Parteizugehörigkeit. „Zusammen, als Cocktail“. Zur Nachfra- den. Sie wollte wissen, was Metabolite mir formulieren. ter Verschluss. Später wurden noch ande- 3. Im Urin hat er drei Metabolite von Erst am 20. Dezember 1987 kam ich er- ge, warum dann der Uringehalt von Cy- sind und was für Informationen ihre Er- Wichtige Informationen zu verbergen re Theorien geäußert, um zu illustrieren, Diphenhydramin festgestellt sowie: „Hin- neut in Kontakt mit der Angelegenheit. clobarbital so niedrig sei, meinte er, die- fassung bringen könnte. Ich erklärte, dass ist gleichbedeutend mit Fakten fälschen. was die Ausscheidung von Cyclobarbital weise auf Anwesenheit einer Oxoverbin- Ein Schweizer Journalist, dem ich früher ses Schlafmittel werde im Körper rasch eine totale Abwesenheit oder nur spuren- Ich habe darum am 14. Mai 1994 der Rich- hätte hemmen können. Keine hatte fes- dung von Cyclobarbital, deren Spektrum toxikologische Fragen beantwortet hatte, umgebaut und liege im Urin als Metabolit weise Anwesenheit von Cyclobarbital- terin Barbey mitgeteilt, dass ich von der ten Grund und Boden. Nur eine Aussage jedoch nicht mit dem bei Pfleger/Maurer/ kontaktierte mich. Er sei mit einem Kol- vor. Warum hat er ihn dann nicht erfasst? Metaboliten die Einnahme einer gestaf- von ihr erwähnten Möglichkeit zur ge- will ich noch nennen: An der Tagung in Weber angegebenen identisch ist“. legen in Genf, um Informationen zum felten Zufuhr (Cyclobarbital später als die trennten Einreichung des Berichtes Ge- Egerkingen sagte Dr. Staub (richtig), das Todesfall Barschel zu sammeln. Sie hät- Metabolitensuche anderen Wirkstoffe in den Körper ge- brauch machen müsse und sandte ihn ihr Cyclobarbital baue sich gut ab, und be- Fortsetzung auf Seite 22 ten sich den Bericht der Genfer Gerichts- Die Familie des Verstorbenen hat in der langt) beweisen würde, insbesondere bei chemie, damals noch unter strengem Ver- Folge in einem aufwendigen mehrjähri- Vorliegen von wesentlichen Gehalten an ANZEIGE schluss gehalten, verschaffen können gen Kampf mit der Gerichtsmedizin und Umbauprodukten der anderen Pharmaka. (wie, wollte er nicht sagen). Er las mir die Justiz versucht, eine Suche nach Metabo- Umgekehrt würde der Nachweis von we- Zusammenfassung vor mit den Gehalts- liten zu ermöglichen. Das sei, hatte ich sentlichen Mengen Cyclobarbital-Meta- angaben von vier in Magen, Blut und Urin ihr berichtet, auf verschiedenen Wegen boliten im Urin gegen die Annahme einer vorgefundenen Pharmazeutika. Mein möglich: zeitlich gestaffelten Zufuhr sprechen. Die Kommentar: Das tödlich dosierte Schlaf- - durch Nachuntersuchung der beste- Genfer Kollegen schienen mit dieser Aus- mittel Cyclobarbital sei erst nach den an- henden Extrakte von Urin oder Nieren- sage einverstanden. deren ebenfalls hoch dosierten hypno- gewebe; Ich erwartete nun, die Bewilligung zur tisch und/oder sedierend wirkenden Mit- - durch Neuextraktionen mit Untersu- Einsicht in die Analysedaten bald zu er- teln in den Körper gelangt. chung der neuen Extrakte dieser Materia- halten. Aber erst nach langem Seilziehen Damit stach ich in ein Wespennest, am lien; erteilte die Untersuchungsrichterin am folgenden Nachmittag rückten die zwei - durch Sichtung der bereits vorliegenden 10. Februar 1993 den Experten Fryc und Herren mit einer TV-Equipe an und er- Genfer Daten (Computer-Ausdrucke). Staub sowie mir den Auftrag, die beste- suchten mich, meine Aussage öffentlich Als die Untersuchungsrichterin nach henden Daten zu sichten und eventuell zu wiederholen. Ich erbat mir eine Stun- drei Jahren endlich das Genfer Institut auch zusätzliche kleine Untersuchungen de Zeit, um den Bericht des Genfer Ge- anwies, Dr. Eike Barschel (Bruder von durchzuführen mit dem Ziel, mehr zur richtschemikers Dr. Staub zu lesen, stand Uwe Barschel) und mir Urin und Magen- Chronologie der Medikamentenzufuhr zu dann Rede und Antwort. Ich nannte die inhalt des Verstorbenen zu übergeben, er- erfahren, sowie zur Frage, ob Uwe Bar- Untersuchung solide, die Schlussfolge- lebten wir eine böse Überraschung. schel zum Zeitpunkt der Cyclobarbital- rung (tödliche Dosis des Schlafmittels Dr. Staub zeigte uns in seinem Institut Zufuhr noch handlungsfähig gewesen sei. Cyclobarbital, wirkungsverstärkt durch zehn Milliliter (ml) Urin in einem mit Bei einem Auftrag an mehrere Experten die ebenfalls toxisch dosierten drei wei- Fettstift beschrifteten Plastikröhrchen wird im Allgemeinen ein gemeinsamer teren Pharmaka Pyrithyldion, Diphenhy- und bot uns die Hälfte an. Mehr sei nicht Bericht erwartet. Ich fragte darum die dramin und Perazin) vernünftig, sagte vorhanden, auch von Nierengewebe nur Richterin, was geschehen solle, falls wir weiter, dass das todbringende Cyclobar- ein kleinster Rest. Professor Fryc behaup- nicht einig würden. Ihre Antwort: Dann bital sehr wahrscheinlich erst nach den tete, sowohl der nicht untersuchte Urin schreibt halt jeder seinen eigenen Be- anderen Mitteln eingenommen worden (über 0,5 Liter) sowie der Mageninhalt richt. sei, denn es befinde sich erst in Anflu- (der nicht einmal vorher vermessen wor- Meine Einsichtnahme in die Daten von tung (hoher Gehalt im Magen, höhere den war) seien fortgeworfen worden. Dr. Staub erfolgte am 4. März 1993. In der Konzentration im Blut als im Urin), die Das habe ich selbstverständlich nicht letzten halben Stunde erschien auch anderen Medikamente bereits in Aus- geglaubt. Untersuchungsmaterialien ver- Prof. Fryc, und wir setzten für den 31. scheidung (Konzentration im Blut tiefer werfen ist gleichbedeutend mit Beweis- März 1993 eine Zusatzanalyse mit 5 ml als im Urin). material zerstören und strafbar. Auch die Urin an, um die Diskrepanz zwischen den Streng beweisen ließe sich das durch Extrakte, sagte Dr. Staub, seien alle ver- Genfer und den Hamburger Daten zu klä- Suche nach den Pharmaka-Abbauproduk- ren. Ich übernahm es, den Entwurf über ten (Metabolite). Die Frage, ob Dr. Bar- die Sichtung und Auswertung des Daten- schel trotz der toxischen Dosen von drei materials auf Deutsch abzufassen, bat hypnotisch und sedierend wirkenden GLOSSAR Kollege Staub, über die Zusatzanalyse zu Pharmaka bei der Zufuhr von Cyclobar- berichten und hoffte, dass Prof. Fryc mei- bital noch handlungsfähig gewesen sei, Die wichtigsten Begriffe aus dem nen Text übersetzen würde. Hier nur beantwortete ich mit: „Es ist unwahr- toxikologischen Aufsatz kurz die neuen Erkenntnisse: scheinlich, dass er wusste, was er tat - Im Urin waren keinerlei Cyclobarbital- oder was mit ihm geschah.“ Metabolite nachweisbar, der Körper hatte Im Hinblick auf die Reaktionen meiner A Metabolismus: Fachwort für Stoff- demnach keine Zeit mehr, diese Substanz Kollegen an der DFG-Sitzung war ich wechsel, also die Verarbeitung von umzubauen. nicht allzu sehr erstaunt, dass nach Aus- Stoffen im menschlichen Körper. Die - Im Urin lag eine ganze Reihe von Di- strahlung der Befragung nicht wenige Zwischenprodukte, die dabei entste- phenhydramin-Metaboliten vor, der Kör- Presseorgane über mich herfielen. Dass hen, nennt man Metabolite. per war demnach noch in der Lage, Di- mir hingegen der Genfer Gerichtschemi- A Cyclobarbital: Ein Beruhigungsmittel, phenhydramin abzubauen. ker Dr. Staub die Anregung verübelte, das zu den Barbituraten zählt. Nach - Im Urin, aber merkwürdigerweise nicht noch nach Metaboliten zu suchen, kann einhelliger Meinung aller Experten war in Magen und Blut, gelang mir der Nach- ich nicht verstehen. Die Miterfassung das Cyclobarbital das Mittel, das Uwe weis von geringen Mengen eines weiteren von Giftstoff-Umbauprodukten ist für Barschel getötet hat. starken Schlafmittels, nämlich von Me- mich ein integraler Teil jeder toxikologi- A Noludar: Ein Beruhigungsmittel des thyprylon, den Wirkstoff von Noludar. schen Analyse, gibt es doch Stoffe, die Schweizer Pharmaherstellers Roche. Es - Die Zusatzanalyse mit Urin (Suche nach sich nur in metabolisierter Form nach- kam 1955 in den deutschen Handel und Benzodiazepinen) bewies die Einnahme weisen lassen. Auf meine spätere Frage, kann abhängig machen. Noludar (Wirk- von Lorazepam (Wirkstoff von Tavor und warum er es nicht getan habe, antworte- stoff: Methyprylon, ein Barbiturat) wird Temesta) oder Lormetazepam (Wirkstoff te Dr. Staub, man habe das nicht ver- heute kaum noch verwendet. von Noctamid und Loramet), in vielleicht langt. Aber wer sollte denn einen solchen A Massenspektrometrie: Verfahren, etwas hochtherapeutischer Dosierung, Auftrag stellen? Sicher nicht die sachun- mit dem man chemische Teilchen und aber kaum von Bedeutung für das Ge- kundige Untersuchungsrichterin (Juris- Verbindungen identifizieren kann. Ein schehen. tin). Oder dachte der Chemiker vielleicht Vorteil ist, dass es auch bei sehr kleinen Meine Aussage vom Dezember 1987, an seinen Kollegen, den Gerichtspatholo- Proben anwendbar ist. das todbringende Cyclobarbital sei erst gen Professor Fryc? nach den übrigen Medikamenten in den

Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: 22 AUS ALLER WELT WELT AM SONNTAG NR. 47 21. NOVEMBER 2010

Fortsetzung von Seite 21 den Tisch“ in Lübeck. Leiter war ür Gimli wird es eng, ne Aufmerksamkeit auf das „Nagerheim Dr. Reiter. Am Vormittag wurden die findet Nick. Gimli ist Toscana“, ein aprikosenfarbenes Mach- Der erste Befund: Bei der Alterung Daten aus Genf, Hamburg und Mün- seine kasachische werk mit kleinen Säulen und mehreren von so geringen Mengen biologischem chen gemittelt. Warum, verstand ich Zwerghamsterin. Ich Terrassen. Ich sagte Nein, denn Gimli Material tritt immer eine geringe Fäulnis nicht, denn die Untersuchungsmateria- würde sagen, für sie ist soll nicht wohnen wie Bauherren in ein. Es entstehen Spuren von den flüch- lien waren sicherlich nicht identisch. es überall eng, denn sie Brandenburg. tigen Verbindungen, die Prof. von Meyer Am Nachmittag wurde theoretisiert, ist stark übergewichtig. Nick schwenkte auf das „Nagerheim aufgelistet hat. Am sogenannten runden was die Ausscheidung von Cyclobarbital War sie immer schon und bleibt sie Bonanza“ um, danach auf „Celeste“, Tisch in Lübeck vom 5. Juni 1997 hat und seine Metabolisierung verhindert auch,F obwohl unser Sohn seine Anver- aber ich konnte ihn davon überzeugen, Prof. Schmoldt seinen Kollegen von haben könnte. Ich habe wenig beigetra- traute mit einem überaus straffen Sport- dass er vom ständigen Ansehen dieses Meyer gefragt, ob seine flüchtigen Ver- gen. In der Forensik sollte man Fakten programm fit hält. Er ist der Magath der scheußlichen rosa Plastikhäuschens bindungen nicht durch Fäulnis verur- sprechen lassen, nicht unmotivierte Hamsterbesitzer. Nicht nur, dass Gimli wahrscheinlich erst Albträume und mit sacht sein könnten. Seine Antwort: „Das Vermutungen. täglich im Laufrad mehrere Hundert der Zeit eine posttraumatische Belas- ist schon möglich.“ Im Gutachten an die Interessant war, dass einige Teilneh- Runden dreht, sie turnt auch am Gitter tungsstörung bekommen würde. Von rechtliche Behörde steht das nicht. mer immer wieder auf die Möglichkeit ihres Käfigs herum und macht Purzel- Ein neues Gimli ganz zu schweigen. Hamsterkäfige Der zweite Befund: Um 1965 mussten einer Selbsttötung mit Beihilfe hinwie- bäume, indem sie vom Dach ihres Häus- sollten freundlich aussehen, aber nicht wir in Zürich eine große Zahl Noludar- sen. Damit geben sie aber zu, dass eine chens fällt. Trotzdem will sie irgendwie viel farbenfroher als das restliche Leben Vergiftungen untersuchen. Ich kenne zeitlich getrennte Einnahme der Wirk- nicht abnehmen. Dies veranlasste Nick eines Achtjährigen. Nachdem wir einen den Metabolismus dieser Substanz, habe stoffe auch ihnen plausibel erscheint. zu dem Befund, dass nicht Verkäufer verschlissen hatten, der sich auch viel darüber vom Roche-Chemiker Der Noludar-Nachweis passt aber si- sie zu dick für ihren Hams- in die Mittagspause absetzte und nicht Dr. Schnyder erfahren, der Noludar syn- cherlich nicht zu einer Sterbehilfe, so terkäfig sei, sondern der Kä- JAN WEILER Heim für zurückkehrte, entschieden wir uns für thetisiert hat, sowie von Mediziner und wenig wie die zeitlichen Umstände. fig zu klein für Gimli. Sie das recht funktionale und farblich un- Chemiker Prof. Pribilla (Kiel & Lübeck), brauche mehr Auslauf, auffällige Modell „Alexander“, in wel- dessen Habilitationsschrift den Noludar- Untersuchungsmängel meinte er. chem man mehrere Ebenen einziehen Metabolismus beinhaltet. Auch ich habe Eingangs ist erwähnt, dass chemische Also fuhren wir gemein- kann, sodass Gimli abwechslungsreich zu diesem Thema publiziert. Toxikologen viele Anforderungen erfüllen sam zum örtlichen Bau– Gimli wohnt, aber davon nicht überfordert Bereits bei der Auffindung von nicht müssen. Ist das im Fall Barschel gelun- und Gartencenter. Wir woll- wird. metabolisiertem Noludar im Genfer gen? Der Genfer Chemiker hat die unmit- ten Gimli aus dem sozialen Bei der Einrichtung erlahmte Nicks Urinextrakt (und nicht im Magen und telbare Todesursache solide herausgear- Wohnungsbau rausholen Interesse, er wanderte ab in die Fisch- Blut) war ich verunsichert. Ich hatte den beitet, wollte die Umstände ohne Auftrag und in einen Palast umzie- Abteilung, wo er ein Spongebob-Aquari- Eindruck, diese Substanz könnte kurz aber nicht weiter beleuchten. Doch Auf- hen lassen, irgendwie Cin- um entdeckte, das ihm beinahe den vor dem Tode rektal verabreicht worden traggeber gibt es in solchen Fällen nicht, dy-aus-Marzahn-mäßig, nur „Mein Leben Atem raubte. Ob Gimli nicht darin woh- sein. Das Münchner Gutachten ist aber weil die übergeordneten Instanzen über ohne Perücke. Man sagt üb- als Mensch“ nen könnte, fragte er bebenden Her- damit unvereinbar. Prof. von Meyer die analytisch-chemischen Möglichkeiten rigens nicht mehr Hamster- zens. Ich zeigte ihm einen Vogel, denn schreibt, Methyprylon liege in Enolform nicht Bescheid wissen. Dass vom Patho- käfig, genauso wenig wie Hamster können meines Wissens nicht vor und sei UV-spektrophotometrisch logen wichtige Asservate einfach verwor- man noch Nudel sagt oder Sprudel. tauchen. Nein, auch nicht, wenn man ih- vermessen worden. Aber massenspektro- fen wurden, hat die Untersuchung natür- Sprudel ist Wasser mit Gas, Nudel ist nen einen langen Strohhalm zum At- metrisch kann man nicht zwischen Enol- lich erschwert und ist unverständlich. Pasta und Hamsterkäfig heißt im men gibt. Nein und abermals nein. und Ketoform unterscheiden. Und die Das Hamburger Gutachten wurde vom Sprachgebrauch der Kleintierindustrie „Dann eben ohne Wasser“, Farbintensität von Noludar (im nicht Berliner Sachverständigen Dr. Katzung jetzt Nagerheim. Das klingt sehr nach bettelte Nick, aber ich finde, sichtbaren UV-Spektralbereich) ist so ge- stark kritisiert. Das Münchner Gutachten Schwäbisch Hall, finde ich. Wir fuhren Hamster gehören in Nager- ring, dass sie in einem Extrakt aus biolo- hätte er wahrscheinlich noch schlechter jedenfalls in das örtliche Bau- und Gar- heime und nicht in Fischhei- gischem Material kaum erkennbar, ge- beurteilt. Die gerichtschemischen Labo- tencenter und steuerten direkt auf die me. Wir einigten uns nach schweige denn messbar ist. Ich habe mei- ratorien sind sicherlich gut ausgerüstet, Nagetierabteilung zu. Das erste schon einer quälenden Diskussion ne Bedenken am 10. Oktober 1995 der aber es bestehen Lücken im instrumen- von Weitem sichtbare Nagerheim gefiel auf einen Kompromiss und Staatsanwaltschaft Lübeck (Herrn Wille) tal-analytischen „Know-how“. So sollte Nick sehr und war so groß, dass er be- erwarben das Nagerheim mit Kopien an die Genfer Justiz (Gene- etwa der Chemiker in der Lage sein, quem selber darin hätte einziehen kön- „Alexander“ mit der Spongebob- ralstaatsanwalt Bertossa sowie Untersu- Spektren auch deduktiv, also ohne Com- nen. Er wollte es unbedingt haben. Das Möblierung des Aquariums. In Gim- chungsrichterin Barbey) schriftlich mit- puter-Bibliothek, auszuwerten, denn Ein- Modell hieß „Nagerheim Hoppel“. lis neuem Wohnkomplex hängt also geteilt. Ich ließ durchblicken, dass eine träge können in diesen fehlen (wie vor 25 „Nick, wir werden Gimli ein Wasserfilter, neben dem Hams- Abklärung dieser Fragen für die Untersu- Jahren die Diphenhydramin-Metabolite) in diesem Ding niemals terrad steht eine kleine Palme. Dar- chung von Wichtigkeit sein könnte, er- oder falsch registriert sein (wie damals wiederfinden. Wir wer- unter sitzen der Seestern Patrick und hielt jedoch kein Echo. das Noludar). den nicht einmal mer- sein Freund Spongebob. Gimli besitzt Auf meine Bitte sandte mir der Lübe- Wahrscheinlich den größten Fehler ha- ken, wenn sie in den eine Ananas zum Durchschwimmen, cker Staatsanwalt Sela am 6. Mai 1996 ei- ben jedoch die Auftraggeber gemacht, als Hamsterhimmel eine Schatztruhe für ihr Futter und nige aus München mit großem Verzug sie Nachanalysen an Experten vergaben, geht“, mahnte ich. kann sich in die Nachbildung eines angelieferte Dokumente zu den Noludar- die sich über das Geschehen schon ein „Geht sie ja nicht“, Motorbootes setzen. Sie schläft in ei- Analysen. Die massenspektrometrische Urteil gebildet hatten. Das gilt sicher für gab er bestimmt zu- nem großen vermoosten Totenkopf Identifikation in Urin und Galle scheint München. Aber auch die Aussage des rück und darüber aus Plastik, den sie mit Heu und korrekt. Die der UV-spektrophotometri- Hamburger Gerichtsmediziners über die wollte ich nicht disku- Streu vollgestopft hat. Bisher wis- schen Nachweise allerdings nicht. Nolu- kombinierte Wirkstoffeinnahme als tieren, das hätte zu weit sen wir nicht, ob sie sich wohl- dar besitzt ein Absorptionsmaximum um „Cocktail“ basierte ja nicht auf den Ana- geführt. Das Argument, dass fühlt, wir haben sie seit Tagen 295 nm. Die Münchner haben eine Ver- lysendaten seines Institutes. „Hoppel“ mehr auf Kanin- nicht mehr gesehen. Ich glaube, bindung mit Maximum um 306 nm aus- chen und Hasen gemünzt sie traut sich nicht raus. gemessen, wahrscheinlich Persedon Hinweise auf Täterschaft sei, überzeugte ihn im- Oder sie ist in den (Pyrithyldion), dessen Farbintensität (im Ich kannte weder die politischen Ver- merhin. Er lenkte sei- Hamsterhimmel ge- UV) circa zwei Zehnerpotenzen intensi- hältnisse noch die Vorgeschichte und ha- gangen. ver ist. Ich habe Herrn Sela geraten, be die deutschen Zeitungen mit ihren Prof. Pribilla (Lübeck!) zur Begutachtung Aussagen auch nach meiner Involvierung zuzuziehen. Er wollte nicht. in die Untersuchung kaum gelesen. Ich Der dritte Befund: Er stützt die An- wollte so gut wie möglich unbeeinflusst sicht, dass Cyclobarbital nach Diphenhy- bleiben. Nach Sistierung der Angelegen- dramin eingenommen wurde. Doch von heit und als Pensionär mit etwas mehr LARISSA BERTONASCO Meyer hält dem erneut die Theorie von Zeit habe ich jedoch die Bücher zum Fall Basselt entgegen. Meine Erwiderung da- durchgesehen und bin auch auf den Be- zu hat er wohl nicht gelesen. Er bemän- richt von Victor Ostrovsky gestoßen: gelte zusätzlich, dass meine Metaboliten- „The other side of the Deception“ (Har- AUS ALLER WELT suche nicht auch Pyrithyldion und Pera- per Collins, 1994), auf den mich ein Gen- kurz & knapp zin umfasst, trotzdem er weiß, dass Ers- fer Journalist bereits früher einmal auf- teres im Körper sehr stabil ist und keine merksam machen wollte. Dort wird de- messbaren Metabolite liefert und dass tailliert ein Mordszenario an Uwe Bar- Prinzessin Madeleine erzählt te sie nur selten nach Schweden zu- zeigten, dass es nach der Explosion entschloss sich, sie zu bekämpfen. Der uns Material für eine gezielte Neuextrak- schel durch eine Gruppe von Mossad- von ihrer Trennung rück, unter anderem zu Victorias weiter zu unsicher sei, die Mine zu 48-jährige Pastor der „Living World tion auf Perazin-Metabolite fehlte. Leuten beschrieben. Hochzeit im Juni. Während eines kur- betreten, sagte der örtliche Polizeichef Christian Fellowship“ im US-Bundes- Im Unterschied zu anderen Bekenner- INTERVIEW Die Zeit der Trennung von zen Stockholm-Besuchs kündigte sie Gary Knowles. Die Helfer befürchten staat New Jersey hat die Verheirateten Wie ist das Noludar in den Körper Erklärungen oder Vermutungen sind ihrem früheren Verlobten Jonas Berg- nun an, sie werde erst wieder an Weih- gefährliche Gase in der Grube und eine seiner Gemeinde aufgerufen, der In- gelangt? Ostrovskys Angaben über die Verabrei- ström im April dieses Jahres sei die nachten zurückkommen. AFP zweite Explosion. Ob die Bergleute im ternetplattform Facebook zu entsagen. Nach dem Studium weiterer mir über chung der Wirkstoffe recht gut vereinbar bisher schwierigste Zeit in ihrem Le- Alter zwischen 17 und 62 Jahren noch Denn der Pastor sieht in ihr eine Ge- Herrn Sela zugesandter Analysendoku- mit den analytisch-chemischen Daten: ben gewesen, hat Prinzessin Madeleine Urteil zu Kachelmann soll fahr für das eheliche Glück. Allein im mente aus München erläuterte ich ihm Zuerst die Betäubung durch den Wein- von Schweden, 28, der Zeitung „Da- frühestens Ende März fallen vergangenen halben Jahr, so berichtete am 27. Juli 96 nochmals (ich hatte das be- Zusatz, dann – nach einer guten Stunde gens Industri“ erzählt. „Was ich durch- er einer Zeitung, hätten rund 20 Paare reits bei meiner Vorladung nach Lübeck – die Zufuhr einer tödlichen Schlafmit- lebt habe, war sehr privat, aber dass PROZESS Das Landgericht in Mann- wegen Eheproblemen seinen Rat ge- am 14. Mai getan) meine Befunde, haupt- teldosis über einen Magenschlauch, ge- alles so öffentlich wurde, machte es für heim, wo derzeit der Vergewaltigungs- sucht. Der Grund: Einer der Partner sächlich die Kritik an den Münchner Aus- folgt durch rektale Eingabe eines Suppo- mich noch schwerer“, sagte das jüngste Prozess gegen den Wettermoderator (oder beide) hatte über Facebook mit sagen und Daten über Noludar. sitoriums mit einem starkem Sedativ. der drei Kinder von König Carl XVI. Jörg Kachelmann verhandelt wird, soll früheren Partnern Kontakt aufgenom- In einem PS zu diesem Schreiben führ- Allerdings bestehen auch Differenzen: Gustaf und Königin Silvia. Es sei eine bereits weitere 19 Verhandlungstage für men oder gar Fremde, die sich auf te ich an: „Das Methyprylon [Wirkstoff Ostrovsky schreibt, dass durch den Ma- gute Entscheidung gewesen, Schweden das kommende Jahr terminiert haben. Facebook als Single deklarierten, kon- von Noludar] hat beim Geschehen sicher- genschlauch Pillen eingespült worden zu verlassen und nach New York zu Das meldet der „Focus“. Demnach taktiert. KNA

lich eine Rolle gespielt. Ist es Stunden seien. Doch das Genfer Gutachten er- gehen. Kronprinzessin Victoria, ihre werde das Urteil frühestens Ende März REUTERS (oder länger) vor dem Tod oral in den wähnt keine Pillenrückstände im Magen, ältere Schwester, habe ihr in dieser Zeit 2011 fallen. Grund für die Verlängerung Ratlose Helfer vor der Unglücksmine Ursache für Brand auf Fähre: Körper gelangt, müssten seine Metaboli- sagt aber auch nicht, dass keine vorhan- sehr geholfen. sei die Vernehmung neuer Zeugen. Pike River in Neuseeland Technischer Defekt bei Bus ten nachweisbar sein. Sind sie nicht er- den waren. Das aufgrund der Analysen- Der schwedische Königspalast hatte im Dem Magazin zufolge gibt es konkrete fassbar, so sollte auch die Möglichkeit ei- daten rektal verabreichte Noludar war in August 2009 Madeleines Verlobung mit Hinweise auf weitere frühere Part- leben, weiß niemand. Die Familien der SCHIFFFAHRT Kurz vor dem Rostocker ner rektalen Verabreichung kurz vor dem Suppositorienform nicht im Handel; dem Stockholmer Juristen Bergström nerinnen von Kachelmann, die sich Männer warten verzweifelt auf gute Hafen ist am Freitagabend auf der Tode in Betracht gezogen werden“. durch Tränken eines porösen Materials bekannt gegeben. Die beiden waren bisher noch nicht bei den Ermittlungs- Nachrichten. Bei der Methangas-Ex- Fähre „Mecklenburg-Vorpommern“ ein (Watte) in K.-o.-Tropfen ist es aber damals seit sieben Jahren ein Paar. behörden gemeldet hätten. Diese Frau- plosion in der abgelegenen Pike-River- Feuer ausgebrochen. Auf dem Auto- Lübecker Besprechungen leicht herstellbar. Trotz dieser Differen- Nach Berichten über eine angebliche en sollten jetzt gesucht und vernom- Mine nördlich von Greymouth auf der deck geriet ein Kleinbus in Brand, wie An der vorerwähnten Vorladung vom 14. zen beschreibt Ostrovsky ein Szenario, Geliebte Bergströms und weitere Be- men werden, hieß es. dapd Südinsel waren am Freitag der Strom die Wasserschutzpolizei mitteilte. Mai 96 hat Oberstaatsanwalt Wille nur das mit den Analysendaten erstaunlich ziehungsprobleme gab der Palast und die Belüftung ausgefallen. Nur Ursache sei mit „sehr hoher Wahr- an meiner Begrüßung und Verabschie- gut übereinstimmt. Die chemischen Be- im April die Trennung des Angst um verschüttete zwei Bergleute retteten sich mit leich- scheinlichkeit“ ein technischer Defekt. dung teilgenommen. An der Bespre- funde indizieren einen Mord, wobei: Paars bekannt. Madeleine zog Bergarbeiter in ten Verletzungen aus dem Stollen. Die Der Kleinbus wurde völlig zerstört. Die chung zugegen waren Staatsanwalt Sela, 1. mit Sicherheit feststeht, dass das tod- kurz darauf nach New York, Behörden befragten die beiden Über- Flammen griffen auf den Lastwagen, ein Polizeibeamter sowie der Lübecker bringende Cyclobarbital nach stark se- wo sie für die von ihrer Neuseeland lebenden, um den Hergang des Un- der den Kleinbus transportierte, sowie Chemiker Dr. Reiter. Gut zugehört hat dierenden Wirkstoffen in den Körper Mutter gegründete Stiftung GRUBENUNGLÜCK In Neusee- glücks zu klären. Was die Explosion auf die beiden weiteren geladenen der Polizist. Staatsanwalt Sela hat stän- gelangt ist, sehr wahrscheinlich im Zu- World Childhood Founda- land wächst die Sorge um die 29 verursachte, lag noch im Dunkeln. dpa Fahrzeuge über. Ein weiterer Lastwa- dig meine Dokumente fotokopiert, trotz stand der Handlungsunfähigkeit; tion arbeitet. Seither kehr- verschütteten Bergleute – auch gen wurde beschädigt. Die Schadens- meines Hinweises, dass alles bereits im 2. das starke Hypnotikum Noludar mit am Samstag gab es von ihnen US-Pastor auf Kreuzzug höhe war zunächst noch unklar. Von Dossier vorhanden sei. Dr. Reiter hat ei- an Sicherheit grenzender Wahrschein- Prinzessin Madeleine noch kein Lebenszeichen. gegen Facebook den 136 Passagieren wurde niemand nige merkwürdige Kommentare beige- lichkeit kurz vor Todeseintritt rektal ver- erzählte ungewohnt Wann ein Rettungs- verletzt. Die „Mecklenburg-Vorpom-

steuert (z. B.: Vielleicht war das Münch- abreicht wurde, was mit der Hypothese LUNDGREN ASTRÖM PA/CATARNA offen versuch starten kann, EHEKRISE Reverend Cedric Miller hat mern“ befand sich auf dem Rückweg ner Spektrophotometer falsch kali- eines Selbstmordes mit fremder Hilfe ist unklar. Luftproben der Sünde ins Auge gesehen – und er von Schweden. dapd briert). Etwas später erhielt ich dann ei- („humanes Sterben“) unvereinbar ist; nen aus Reiters Feder stammenden 3. aufgrund der Komplexität des Mord- Überblick über meine Ausführungen, in geschehens davon ausgegangen werden MELDUNGEN AKTUELL der wesentliche Punkte fehlten. muss, dass ein Profiteam am Werk war, www.welt.de Am 5. Juni 1997 war ich beim „Run- nicht eine Einzelperson.

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