Das Bundesamt, das man einfach lieben muss (Seiten 13–15)

Nr. 28 11. Juli 2013

Lurch, lass uns ewig leben! Verliert der Axolotl ein Bein, wächst es nach – aber nur, wenn der Lurch in Freiheit lebt. Das interessiert besonders das US-Militär. Kultur / Wissen, Seite 21

DER MEXIKANISCHE SCHWANZLURCH AXOLOTL. FOTO: PHOTOSHOT/JUNIORS/WILDLIFE; BEARBEITUNG: WOZ

ÄGYPTEN UND DIE REVOLUTION gen des in ter na tio na len und innenpolitischen Drucks wird es wohl schon im Winter Neu- wahlen abhalten lassen. Das Ergebnis ist – bei Wettrüsten fürs Gymi einer überwiegend ländlichen, gläubigen und Ohne Aufnahmeprüfung soll s c h l e c h t g e b i l d e t e n W ä h l e r I n n e n s c h a f t , d i e 2011 zu rund 65 Prozent islamistisch orien- auch ins Gymnasium schaffen, Wahlen oder tier te Parteien wählte – absehbar: Entweder wer keine reichen Eltern hat. werden gewisse islamistische Parteien von Schweiz, Seite 3 der Wahl ausgeschlossen, was abgesehen von der Demokratie auch der Stabilität nicht dien- Demokratie lich wäre. Oder die Is la mist In nen werden zu- gelassen und erneut gewinnen. Spätestens Bier, Streik, Sieg VON MARKUS SPÖRNDLI wenn dann der salafi stische Block das Sagen h a t , w e r d e n d i e R e v o l u t i o n ä r I n n e n w i e d e r n a c h Bis zu 900 Franken mehr Lohn: der starken Hand des Militärs rufen. Schaffhauser Landschaftsgärtner- Revolution, Putsch, Demokratie – eigentlich gewalt, zunehmende Korruption und der Zer- Die Geister von Revolution und Putsch Innen gewinnen ihren Arbeitskampf. müssig zu diskutieren, welcher dieser impo- fall der Wirtschaft. werden also eine Weile Hand in Hand gehen. Schweiz, Seite 4 santen Begriffe auf die vor zweieinhalb Jahren Putsch: Erneut war die Protestbewegung Eine echte Demokratie liegt aber in weiter begonnenen Umwälzungen in Ägypten passen höchst erfolgreich. Doch erneut war dies nur Ferne. Ob das Fernziel je erreicht wird, hängt könnte. Nun, mitten im Tumult, kann auch dank des Militärs möglich. In den Augen vie- nicht nur von der Demokratiefähigkeit der noch gar nicht klar sein, ob der Sturz der demo- ler ist die Ausschaltung einer gewählten Re- Staats elite ab, sondern auch davon, ob eine Ahoi, Gewerkschaft! kratisch gewählten Regierung durch das Mili- gierung, die demokratische Idea le verraten Mehrheit der Ägyp ter In nen einen grundsätz- tär letztlich eine weitere Demokratisierung ver- hat, kein Putsch. Faktisch hat zumindest im lich säkularen Staat je akzeptieren wird. Und Nautilus organisiert auch rund hindert oder begünstigt. Eine einfache Wahr- Rahmen der Fassadendemokratie ein Fassaden- davon, ob Ägypten vom Missverständnis ab- Tausend Schweizer Seeleute. heit gibt es nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn putsch stattgefunden. So oder so kommt, Demokratie bedeute die Wirtschaft, Seiten 6 / 7 man hinter die Fassade der gerade bestehenden sind nun die säkularen Kräfte Herrschaft der Mehrheit über die Ordnung schaut und anerkennt, dass eine De- komplett von den Prioritäten des Die Geister von M i n d e r h e i t . mokratie viel mehr als freie Wahlen beinhaltet. Militärs abhängig. Revolution und Dafür sind rasche Neu- Revolution: Die vielen Hunderttausend Schon bevor an diesem Putsch werden wahlen keine Prio ri tät. Viel Entstaubte Klänge Protestierenden, die seit Januar 2011 in den Montag die Sicherheitskräfte in eine Weile Hand wichtiger ist es, sich vorher auf Alte Schellackplatten bringen Grossstädten immer wieder auf die Strasse ge- Kairo mindes tens 51 protestie- I n s t i t u t i o n e n z u e i n i g e n , d i e gangen sind, haben in kurzer Zeit viel erreicht – rende Anhänger der Muslim- in Hand gehen. der tiefen Spaltung der ägyp- ekstatische Wahrheiten hervor. aber sicher keine Re vo lu tion und schon gar kei- brüder töteten, forderten einige tischen Gesellschaft Rechnung Nun gibt es sie auf CD. ne echte Demokratie. Seit dem Sturz des lang- Regierungen, etwa die der USA tragen. Eine politische Dezentra- Kultur / Wissen, Seite 17 jährigen Alleinherrschers Hosni Mubarak steht und der Schweiz, fast wortgleich lisierung bis hin zu Föderalismus die Protestbewegung in der Gnade des Militärs, einen «Verzicht auf Gewalt» und zum Beispiel. Und ein weniger das den Übergang zu einer formal demokrati- eine «Rückkehr zur Demokratie». autoritäres, parlamentarisches schen Ordnung sicherstellte. Diese Worte entspringt wohl dem real po li tisch Regierungssystem. Minderheiten wären so bes- Die im Militär konzentrierten Staats- und weltwirtschaftlich motivierten Wunsch ser vertreten und hätten mehr Selbstbestim- Mit: eliten blieben auch nach dem überwältigenden nach Rückkehr zu Stabilität. Ginge es den USA mung. Die Re volu tion ist noch nicht am Ende, Wahlsieg der Muslimbrüder bei den Parla- auch um Demokratisierung, würde die Welt- sondern wieder an einem Anfang. ments- und Präsidialwahlen fest im Sattel. macht ihre Mil liar den hil fe an das ägyptische Samsung: Südkoreas Doch nicht die hohle Fassadendemokratie trieb Militär an entsprechende Forderungen knüpfen. SEIT SECHZIG JAHREN AN DER MACHT mächtiger Schattenstaat. die urbane Bewegung erneut in Massen auf die Demokratie: Auch das ägyptische Mili- Die Rolle der ägyptischen Armee Seite 9 Strasse, sondern die Islamisierung der Staats- tär hat jedes Interesse an Stabilität. Doch we-

Redaktion und Verlag: WOZ Die Wochenzeitung, Hardturmstrasse 66, 8031 Zürich Tel. 044 448 14 14 Fax 044 448 14 15 [email protected] www.woz.ch CHF 6.– inkl. MWSt Aboservice: Tel. 044 448 14 44 [email protected] 33. Jahrgang AZA 8031 Zürich, PP/Journal, CH-8031 Zürich 2 Schweiz WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

HAUSMITTEILUNGEN KOMMENTAR die Fäden über Jahre hinweg von ein und WAS WEITER GESCHAH derselben Person zusammengehalten wur- den. In Solothurn verschmolz Jaeggi fast Sand im Solothurner schon mit den Literaturtagen – unmöglich, von aussen in diese historisch gewachsene Literaturgetriebe Rolle zu schlüpfen. Spoerris Rücktritt zwingt den Verein VON ADRIAN RIKLIN und seinen Vorstand, die Strukturen den Die WOZ im Jahr 2012 veränderten Umständen anzupassen. Was Genfer Sieg über die SBB Golden war die aussergewöhnlichste WOZ- nicht heisst, dass dabei auch der idealis- Eine unabhängige ExpertInnenkommission Nummer im vergangenen Jahr: Am 29. No- Die Solothurner Literaturtage sind nicht im tische Geist geopfert werden muss. Denn kommt zum Schluss, dass der Ausbau des vember erschien sie unter dem Titel «Die 300 Sitzungszimmer eines Kulturbeauftragten was die Solothurner Literaturtage bis heu- Genfer Bahnhofs unterirdisch geschehen Reichsten … wollen nicht teilen!» im Zeit- entstanden – sondern aus der Szene selbst, te so einzigartig macht, ist nicht nur ihre sollte. Für die Quartiergruppe Collectif 500 schriftenformat und mit goldglänzendem unter dem Lampenschirm in einer Genos- Zentrifugalkraft in der Schweizer Literatur- ist das ein Sieg auf ganzer Linie. Sie hat sich Umschlag. Pünktlich zur jährlichen «»- senschaftsbeiz. landschaft, sondern auch ihre noch immer seit über einem Jahr gegen die SBB-Ausbau- Rangliste wagte die Redaktion einen Ausflug Von Anfang an, von 1979 bis 2012, war gelebte Widerspenstigkeit gegenüber dem pläne gewehrt. in die Welt der Vermögenden – was für eini- Veronika Jaeggi als Geschäftsleiterin verant- zunehmenden Vermarktungsdenken. Und Letztes Jahr legten die SBB ihr Projekt ges Aufsehen sorgte. Erfolgreich war auch wortlich. Sie hat sich dabei ein immenses noch immer sind die Literaturtage nicht pri- «Léman 2030» für eine überirdische Verbrei- die Neulancierung unserer Web site: Seit An- Wissen über die Mechanismen eines solchen mär ein Branchenevent wie die Frankfurter terung des Genfer Bahnhofs um zwei Gleise fang März 2012 ist www.woz.ch in neuem Betriebs angeeignet – insbesondere über die Buchmesse. vor. Sofort regte sich im betroffenen Quar- Gewand, mit verbesserter Navigation und ungeschriebenen Gesetze einer Kleinstadt, Die Strukturen anzupassen, hiesse tier Les Grottes Widerstand. Denn die Pläne geöffnetem Archiv im Netz. Eine Buchver- in und aus der die Literaturtage zu ihrem also nicht, jene Vorstellung aufzugeben, der SBB würden bedeuten, dass hinter dem nissage fand im September statt: «Wirtschaft Charakter gefunden haben. die der Schriftsteller Otto F. Walter 1979 Bahnhof Cornavin eine ganze Häuserzeile zum Glück» versammelt aktualisierte WOZ- Bettina Spoerri, ihre Nachfolgerin als Gründungsmitglied formulierte: Litera- abgerissen würde. Doch in Les Grottes ist Artikel zu spannenden, demokratischen aus Zürich, war als Germanistin die erste turtage als «republikanisches Bankett», an nicht nur Wohnraum bedroht, das Quartier Wirtschaftsprojekten auf der ganzen Welt. Literaturfachfrau als Geschäftsleiterin. Vor dem, ausgehend von der Literatur, gesell- ist eine Hochburg alternativen und selbst- Der Band ist nach wie vor auf www.woz.ch/ allem aber war sie die Erste, die von aussen schaftliche Vorgänge hinterfragt und Uto- verwalteten Lebens. Seit es in den siebziger shop erhältlich. in diesen Mikrokosmos trat. Ihr Rücktritt pien angedacht werden. Oder, wie es Bettina Jahren vor dem Abriss und einem Schicksal Erfolgreich war die WOZ im letzten nach nur einem Jahr weist auf ein Dilem- Spoerri im Mai noch in der WOZ verkündete: als Satellitenstadt bewahrt wurde, haben Jahr aber nicht nur publizistisch. Auch be- ma hin, in dem sich viele Einrichtungen mit die Literaturtage als ein grosses Publikums- sich hier zahlreiche selbstverwaltete Inseln triebswirtschaftlich sind gute Zahlen zu ehrenamtlich-idealistischem Hintergrund fest – aber immer auch «ein wenig Sand im der Zukunft entwickelt. Der damalige Kampf vermelden. Zwar sank die Zahl der Abon- befinden – insbesondere solche, in denen Getriebe». um das Quartier – inklusive Besetzungen, nemente erstmals nach fünf Jahren mit teil- Räumungen und Wiederbesetzungen – weise grossen Zuwächsen leicht, dafür stie- prägte eine ganze Generation von Linken. gen die Inserateeinnahmen – entgegen dem Mit dem Collectif 500 übernahm allgemeinen Trend – um knapp fünfzehn eine neue Generation den Widerstand. Die Prozent. Zusammen mit den Spenden, die AUSSERDEM die auf der Flucht nach Europa in den letzten Gruppe lancierte eine Initiative für den un- uns immer wieder grössere, aufwendigere dreissig Jahren ihr Leben verloren haben. terirdischen Ausbau und verlangte eine Ex- Reportagen und Recherchen erlauben, re- Gewiss muss sich zeigen, ob Franzis- pertise für diese Variante. Tatsächlich: Was sultierte ein Gewinn von 240 723 Franken. Der Papst sei kus, der ein Papst für die Armen sein will, die BefürworterInnen der SBB-Pläne als Damit können wir einen weiteren Teil des sich auf Barmherzigkeit und Mitleid be- Fantastereien bezeichneten, erweist sich Verlusts aus dem Jahr 2004 abtragen. mit Darbellay schränkt oder ob er der Befreiungstheologie nun als die planerisch beste Option. Denn Wir danken allen AbonnentInnen, In- und damit der konkreten Aktion gegen das nur ein unterirdischer Ausbau ermöglicht serentInnen und SpenderInnen recht herz- VON KASPAR SU RBER Unrecht wieder mehr Platz einräumt. Zum eine nachhaltige Entwicklung des Genfer lich für ihre Unterstützung! Glück bleibt der Glaube in einer aufgeklärten Bahnhofs auch über 2030 hinaus. Die Vari- Den Geschäftsbericht 2012 finden Sie auf Gesellschaft jeder und jedem selbst überlas- ante kommt zwar rund 400 Millionen Fran- www.woz.ch/info/woz. Der neue Papst ist auf seiner ersten Reise sen. Es kommt darauf an, was die Gläubigen ken teurer zu stehen, aber diese Summe mit einem Schiff auf die italienische Mittel- mit den Worten des Papstes anfangen. hätte bei einem oberirdischen Ausbau in die meerinsel Lampedusa gefahren. Sie ist eine Die kirchlichen Verbündeten in Neugestaltung der öffentlichen Verkehrs- wichtige Station von Flüchtlingen auf dem den Solidaritätsnetzen, ohne die es in der ströme rund um den Bahnhof investiert Weg nach Europa. Reine Symbolpolitik? Schweiz schon lange keine Asylbewegung werden müssen. Bestimmt. Allerdings besteht das Kernge- mehr geben würde, können sich von diesen Die Expertise wurde von links bis DIESSEITS VON GUT UND BÖSE schäft der katholischen Kirche nun einmal Worten in ihrem Engagement bestärkt füh- rechts, von Behörden wie Bevölkerung mit in der Symbolpolitik. Es geht also darum, len. Die KatholikInnen in Politik und Ver- grosser Befriedigung zur Kenntnis genom- welche Symbole sie schafft. Fürs Erste setzt waltung sollten sie eingehender studieren. men. Dabei geht beinahe vergessen, dass sich Franziskus von seinem reaktionären Der Papst bat nämlich auch um Ver- die unterirdische Variante ohne die Mobili- Vorgänger ab: Versuchte Benedikt, die Wirt- gebung für die «Grausamkeit in jenen, die sierung aus dem Quartier wahrscheinlich nie schaftskrise mit dem alten faulen Zauber in der Anonymität Entscheidungen treffen, geprüft worden wäre. Trotz des Sieges bleibt von Weihrauch, Latein und schicken Ge- die den Weg für Dramen wie dieses ebnen». in Genf ein schales Gefühl zurück: dass näm- wändern zu vertreiben, hat Franziskus auf In der Schweiz sind ihre Namen bekannt, lich die SBB mit ihrer inakzeptablen Variante Content for old men der Insel die europäische Flüchtlingspolitik etwa der des Präsidenten der christlichen nur gepokert haben könnten, um Stadt und Mein Zahnarzt erzählte mir mal, er sei ge- kritisiert. Volkspartei, Christophe Darbellay. Er trieb Kanton Genf zu zwingen, sich finanziell für beten worden, für eine sogenannte Themen- Angesichts der stillen Katastrophe an die Stigmatisierung der Flüchtlinge auf die die bessere, also die unterirdische Variante zeitung über Implantate zu schreiben. Als er den Grenzen fand er die treffende Beschrei- Spitze, indem er durchsetzte, dass von ihnen zu engagieren. HB erfuhr, dass er für die Veröffentlichung nicht bung einer «Globalisierung der Gleichgül- DNA-Proben erfasst werden. Die Worte des Nachtrag zum Artikel «Sie müssen uns schon nur kein Honorar erhalten würde, sondern tigkeit» und gedachte der 20 000 Menschen, Papstes seien mit ihm. mit Gewalt vertreiben» in WOZ Nr. 9/12. auch noch mehrere Tausend Franken hätte zahlen sollen, war er perplex. Themenzeitungen liegen fast täglich anderen Presseerzeugnissen bei und infor- mieren hauptsächlich über Gesundheit, Life- RUEDI WIDMER style und Geldanlagen. «Content Marketing» nennt sich das Konzept dahinter, was nur heisst, dass Information hier noch unge- Unten links nierter mit Kommerz vermanscht wird als in Medien sonst schon üblich. Zu jedem Artikel wird gleich das passende Inserat geschaltet. Was der Leiter einer Klinik für plas- ti sche Chirurgie in der Beilage «40 plus» für ein ganzseitiges Inserat mit anschlies- sendem Interview blechen musste, weiss ich nicht, aber er gab einen wertvollen Hinweis: Männer kommen häufig, «um sich die Na- sen-Lippen-Falte wegmachen zu lassen. Es sind Businessleute, die nicht grimmig ausse- hen wollen.» Da freut sich auch die Gattin. An «Karrierefrauen auf dem Vor- marsch» richtet sich «Die Frau». Deren Titel- seite zeigt Barbiepuppenbeine über einem Zitat von Maurice Chevalier: «Die Logik der Frauen beruht auf der Überzeugung, dass nichts unmöglich ist.» Die Logik der Marke- tingfachleute offenbar auch. KHO Schweiz 3 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

«Vor den Aufnahmeprüfungen findet ein der Primarlehrer nehme ich zwar ernst, aber enor mes Wettrüsten statt», sagt der grüne sollen wir deswegen auf Verfahren verzich- Kantonsrat Res Marti. Eltern schicken ihre ten, die faire Zugangschancen schaffen?» Kinder in professionelle Förderkurse – ein Logistische Probleme sieht Margreiter nicht. Luxus, den sich nicht alle Familien leisten «In anderen Kantonen wie Luzern oder Bern können. Reichtum und Bildungserfolg ge- funktioniert das bestens», sagt der Grüne, hen Hand in Hand. Im Kanton Zürich etwa «es geht uns ja nicht um einen vorausset- korrespondieren tiefe Steuerfüsse und hohe zungslosen Zugang, sondern um eine andere Gymnasialquoten: In steuergünstigen, von Selektion.» Reichen bevölkerten Bezirken sind die Quo- ten deutlich höher. So besuchen in Bezirken Heilige Kuh Langzeitgymnasium wie Meilen und Horgen beinahe doppelt so viele Kinder das Langzeitgymnasium wie Mit einer Forderung nach höheren Gymnasial- in den Bezirken Andelfingen und Pfäffikon quoten und allgemein zugänglichen För- (das Langzeitgymnasium schliesst an die derkursen haben linke und grüne Politiker Primarschule an und dauert sechs Jahre, das bereits schon einmal erfolglos versucht, den Kurzzeitgymnasium folgt auf die Sekundar- Trend zu einer wachsenden Chancenunge- schule und dauert vier Jahre). Für die Zür- rechtigkeit zu brechen. «Leider trat das Kan- cher Bildungsdirektorin Regine Aeppli (SP) tonsparlament nicht einmal auf die Vorlage nichts Neues. Sie schreibt der WOZ: «Bezirke ein. In Kraft bleiben unsere Empfehlungen mit einem vergleichsweise hohen Anteil an an die Schulgemeinden, kostenlose Vorberei- Schülerinnen und Schülern im Lang gym- tungskurse im Umfang von zwei Wochenlek- na sium sind bevorzugte Wohnorte von bil- tionen anzubieten», schreibt Bildungsdirek- dungsnahen Familien.» Die Eltern dieser torin Regine Aeppli, dies sei in vielen Gemein- Schülerinnen und Schüler seien den auch bereits der Fall. Der oft selbst akademisch gebildet Kantonsrat lehnte obligatorische und in entsprechenden Berufen In reichen Förderkurse mit der Begrün- tätig. Häufig strebten sie für ihre Bezirken dung ab, das sei bloss Symptom- Kinder den Besuch einer Mittel- besuchen fast bekämpfung. Nun stellt sich die schule an. «Das war schon im- Frage, ob der parlamentarischen mer so. Mit der Schaffung von doppelt so viele Initiative zur Abschaffung der attraktiven Alternativen wie der Kinder das Gymiprüfung der gleiche Vor- Berufsmaturität ist diese Unge- Gymnasium. wurf gemacht werden kann. Die rechtigkeit relativiert worden.» Abschaffung des Langzeitgym- Gegen eine weiter aufge- nasiums sehen manche als ein- hende Kluft stellen sich die zige Möglichkeit, um wirkliche Kantonsräte Res Marti (Grüne), Chancengerechtigkeit herzustel- Moritz Spillmann (SP) und Jo- len. Aufseiten der Bildungsdirek- hannes Zollinger (EVP). Sie reichten Anfang tion findet man hingegen klare Worte: «Eine Juni eine parlamentarische Initiative zur Ab- Abschaffung des Langgymnasiums steht schaffung der Aufnahmeprüfung ein – und nicht zur Diskussion.» sind damit im Parlament knapp durchge- Für Ralf Margreiter ist klar, weshalb das kommen. Sie möchten so die Chancengerech- Thema von der offiziellen Bildungspolitik tigkeit an den Schulen des Kantons verbes- unter den Tisch gekehrt wird. «Das Langzeit- sern. Equity, wie Chancengerechtigkeit auch gymnasium ist für viele Zürcher eine heilige genannt wird, kann anhand von Faktoren Kuh. Es herrscht die Überzeugung, dass leis- wie Geschlecht, Migrationshintergrund tungs ho mo ge ne Gruppen die Kinder am bes- oder soziale Herkunft gemessen werden. Als ten fördern. Doch diese Homogenität gibt es «speziell kritische Stellen» erweisen sich die so gar nicht. Die heutige Selektion führt ganz Übergänge zwischen den verschiedenen Bil- offensichtlich zu zweifelhaften Ergebnissen». dungsstufen. Hier will die Initiative ansetzen. Wie sein Parteikollege Res Marti verweist Margreiter auf die Ergebnisse der Pisa-Studie Antrainierte Floskeln im Kanton Zürich. Diese stützen den Ver- dacht, dass nicht zwingend die talentiertes- Für Aufnahmeprüfungen trainieren wie für einen Sportanlass: Erschöpft und mit finanziellem Lilo Lätzsch vom Zürcher Lehrer- und Lehre - ten Kinder den Sprung ins Lang zeit gym na- Aufwand schafft es auch ein schlechter Schüler ins Gymnasium. rinnenverband ist sicher, dass sich Förder- sium schaffen. kurse für die Geförderten auszahlen: «Für einen Sportanlass ist Training unerlässlich. So ist es auch mit den Prüfungen.» In den BILDUNG Kursen lernen SchülerInnen den Ablauf der Kantone ohne Prüfung Prüfungen kennen und büffeln vorformu- Kaum ein Kanton hat dasselbe Aufnahmever- lierte Antworten. Dass dies deutliche Spuren fahren für das Gymnasium wie der andere. hinterlässt, kann auch die Gymnasiallehrerin Dass es auch ohne Prüfungen geht, zei- Gabriela Merz bestätigen. Sogar in den Aufsät- gen unter anderem Luzern und Bern. zen finden sich vorbereitete Passagen. SchülerInnen in Luzern können wie im Kan- Wettrüsten Die privaten Förderkurse sind den Lehrer- ton Zürich das Langzeitgymnasium oder Innen im Kanton ein Dorn im Auge. Trotz- das Kurzzeitgymnasium besuchen. An- dem kann Gabriela Merz, die selbst ein Kind stelle einer Prüfung entscheiden dort al- im Primarschulalter hat, den Druck auf die lerdings die Klassenlehrpersonen gemein- vor der Eltern nachempfinden. «Heute sage ich, dass sam mit den Erziehungsberechtigten über ich mein Kind auf keinen Fall in einen sol- einen möglichen Übertritt. Dabei gelten chen Förderkurs schicken werde. Ich möchte vorgeschriebene Mindestnoten. ihm ja nicht vermitteln, dass alles in der Welt Schon lange kein Langzeitgymnasium mehr Gymiprüfung käuflich ist», sagt sie. «Doch wer weiss, wie gibt es im Kanton Bern. Der Übertritt fin- ich reagiere, wenn ich es mit der Angst zu tun det entweder nach dem achten oder dem bekomme?» Genau das führt dazu, dass ver- neunten Schuljahr statt. Grundsätzlich Wohlhabende Eltern pushen ihre Kinder mit mögende Eltern keinen finanziellen Aufwand gilt seit 1997 ein prüfungsfreier Übertritt, Förderkursen ins Gymnasium. Auf der Strecke bleibt scheuen, um ihre Sprösslinge ins Gymnasium wobei die Lehrpersonen die Eignung der zu hieven. Ralf Margreiter (Grüne) leitet die SchülerInnen abklären. Fällt der Bescheid die Chancengerechtigkeit. Im Kanton Zürich soll Kommission für Bildung und Kultur, die die negativ aus, können die Schü ler In nen zu- die Abschaffung der Prüfung diesen Trend brechen. parlamentarische Initiative bearbeiten wird. sammen mit Kindern aus Privatschulen Er sagt: «So werden nicht die besten Schüler, oder dem berufsvorbereitenden Schul- VON TIRZA GAUTSCHI (TEXT) UND URSULA HÄNE (FOTO) sondern die Kinder der gesellschaftlichen jahr an einer Aufnahmeprüfung teilneh- und wirtschaftlichen Elite Zürichs ans Lang- men. Rund 400 SchülerInnen nehmen zeitgymnasium geholt.» Gleichzeitig kurble dieses Angebot jeweils in Anspruch. Das dieses System eine lukrative paraschulische entspricht etwa zehn Prozent der neuen Bildungsindustrie an. Für ihn ein System- GymnasiastInnen. versagen. «Es gehört zum Auftrag der Volks- schule, dass geeignete starke Schüler auch ohne Förderkurse ins Gymnasium gelangen», Auch wenn Gabriela Merz einräumt, dass sagt Margreiter. Wäre dies der Fall, sagt er, der Zeitpunkt des Übertritts ins Langzeitgym- bräuchte es das «künstliche Zusatzgefüge» nasium wahrscheinlich zu früh sei, betont sie, der Förderkurse nicht mehr. dass diese Möglichkeit für einige ihrer Schü- Alternativen zu den Gymiaufnahmeprü- ler In nen ein Geschenk sei. «Was den Lang- fungen gibt es genug. Doch bei der Frage, wel- zeitgymnasiasten vom Sekundarschüler un- che es für den Kanton Zürich sein sollen, blei- terscheidet, ist nicht nur der Intelligenzfaktor, ben die Antworten vage. Neben kognitiven sondern es sind auch die Selbstständigkeit der Eignungstests ist wie in anderen Kantonen Schüler und ihre Erziehung.» Hier komme die Bewertung durch Lehrkräfte ein Thema. wieder die Unterstützung aus dem Elternhaus KritikerInnen stellen freilich die Unbefangen- ins Spiel. «Wenn man ausserdem sieht, wie heit der Lehrpersonen infrage. Führt eine Leh- an der Bildung gespart wird, ist der Gedanke rerbewertung nicht bloss zu einer Verschie- einer wirklichen Chancen gerechtigkeit uto- bung der mangelnden Chancengerechtigkeit? pisch, so traurig das auch ist.» Neben einer möglichen Diskriminierung Am Ende hängt eine Verbesserung der würde der Druck auf die Primarlehrpersonen Chancengerechtigkeit von entsprechenden noch einmal verstärkt. Mit einer Aufnahme- öffentlichen Mitteln ab. Und jene Eltern, die prüfung lässt sich den Eltern die Leistung ih- ihre Kinder zu akademischen Höchstleis- rer Schützlinge deutlicher vor Augen führen. tungen treiben wollen, werden wohl immer Für den Prüfungsgegner Ralf Margreiter nach einer unsportlichen Methode suchen, sticht diese Argumentation nicht: «Die Angst um ihr Kind zu «dopen». 4 Schweiz WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

GARTENBAU Sieg der roten Artillerie mit dem grünen Daumen Sie haben gekämpft und gewonnen: Schaffhauser LandschaftsgärtnerInnen erhalten bis zu 900 Franken mehr Lohn. Nun kämpfen sie für einen Gesamtarbeitsvertrag, damit die Lohnerhöhung für alle Betriebe gilt.

VON JAN JIRÁT (TEXT) UND PETER PFISTER (FOTO)

Streik mit Blüemli: Demonstration der Schaffhauser LandschaftsgärtnerInnen am letzten Samstag.

Es war nicht ihr bevorzugtes Terrain. Mit ihren schafts gärt ner In nen werden ab Januar 2015 abendbier oder aus dem Fussballstadion (siehe beiden Basel solche Verträge bereits. Für Burger klobigen Wanderschuhen und den kurzen Ho- minimal 5100 Franken verdienen, momentan WOZ Nr. 26/13). Die Kleinräumigkeit des Kan- haben die Schaffhauser Gärt ner In nen eine Pio- sen wirkten die Landschaftsgärtner Jonas Elber sind es 4220 F ranken. tons erwies sich als Vorteil. Tom Hauser nennt nierrolle eingenommen, die den Weg zu einer und Tom Hauser am langen Tisch im Unia- Der Streik war die Konsequenz aus ge- noch einen weiteren Faktor: «Der Impuls für nationalen GAV-Lösung ebnen könnte. Hauptgebäude in Schaffhausen etwas unent- scheiterten Verhandlungen mit dem Branchen- den Arbeitskampf ist von unserer Seite gekom- spannt. Dort sassen sie am Dienstagvormittag, verband Jardin Suisse. Dreimal hatten sich die men. Erst in einem zweiten Schritt sind wir auf Kriegsrhetorik um der Presse über ihren monatelangen Ar- Parteien in diesem Frühjahr getroffen, letztlich die Unia zugegangen.» Deshalb sei auch der beitskampf zu berichten, der soeben zu einem liess Jardin Suisse die Verhandlungen platzen. Zusammenhalt so gross. Kollege Jonas Elber Der nächste Schritt im Arbeitskampf ist bereits wichtigen Teilerfolg geführt hatte. «Der Chef Er akzeptiere die Unia nicht als Sozialpartner, pflichtet ihm bei: «Niemand ist während des in die Wege geleitet. Die Land schafts gärt ner In- hat uns heute Morgen nochmals frei gestellt. liess Matthias Frei, der kantonale Vorsitzende Streiks allein gelassen worden. Immer war je- nen und die Unia haben am Dienstag eine Pe- Jetzt gehts endlich wieder zurück an die Ar- des Branchenverbands, verlauten. Verhandelt mand da, um zu reden, etwa wenn ein Chef mal ti tion lanciert, die kurz vor Re dak tions schluss beit», sagte Hauser nach der Pressekonferenz werde nur mit dem Ar bei ter In nen ver band Grü- wieder angerufen hat, um jemanden umzu- bereits über 5000 Personen unterschrieben erleichtert. ne Berufe Schweiz. Dort ist allerdings nur ein stimmen.» hatten. Sie verlangt vom Kanton und den Ge- Seit Mitte letzter Woche hatten Elber, Bruchteil der Schaffhauser Gärtner In nen or- Wichtig sei auch die Unterstützung aus meinden, dass diese bei Aufträgen nur noch H auser und weitere achtzig Schaffhauser Be- ganisiert, während fast drei Viertel von ihnen der Bevölkerung, die sie immer wieder gespürt jene Gartenbaufirmen berücksichtigen, die sich rufs kol leg In nen mit Unterstützung der Ge- mittlerweile Unia-Mitglieder sind. Insofern hätten. Zuletzt am vergangenen Samstag, als sie zu höheren Mindestlöhnen verpflichtet haben. werkschaft Unia gestreikt: Für einen allgemein- war die Haltung von Frei nicht haltbar. zu einer Demonstration aufgerufen hatten und Die Reaktion des Branchenverbands Jar- verbindlichen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) und schliesslich mehr als 200 Menschen lautstark din Suisse fiel wütend aus. Ein Schreiben mit höhere Löhne – der Mindestlohn liegt momen- Mehrere Erfolgsfaktoren durch die Gassen der Altstadt marschierten. dem Titel «Rote Artillerie schiesst auf Garten- tan bei 3450 Franken. Bis spät am Montag- Während die Unia die Parolen vorgab, verteil- bau» attackiert die Unia, der es einzig «um abend sah es so aus, als müssten sie den Streik Die Gärt ner In nen können einen Etappensieg ten die Gärt ner In nen Blumen an PassantInnen. Macht, Geld und me dia le Aufmerksamkeit» fortsetzen. Doch um 21 Uhr unterschrieb auch feiern, ihr Arbeitskampf ist damit aber nicht Für Roman Burger von der Unia war nicht gehe. Es verhöhnt aber auch die streikenden die neunte und letzte vom Streik betroffene beendet. Das Ziel bleibt ein allgemeinverbind- zuletzt die geografische Lage des nördlichsten Gärt ner In nen, indem der Streik als «Grillparty» Schaffhauser Gartenbaufirma eine verbind- licher GAV, an den sich alle Firmen im Kanton Schweizer Kantons entscheidend: «Als Grenz- beschrieben wird. liche Lohnvereinbarung mit der Unia. Die Min- halten müssen und nicht nur jene neun, die die kanton ist Schaffhausen stark von Lohndum- «Meine Firma hat die Vereinbarung destlöhne werden nun in zwei Schritten erhöht. Vereinbarung unterschrieben haben. ping betroffen. Ein allgemeinverbindlicher unterschrieben», sagt Tom Hauser, kurz be- Ab Januar 2014 gilt für Ungelernte ein Mindest- Der Teilerfolg ist auf mehrere Faktoren GAV ist für die Branche ein effektives Instru- vor er loszieht. «Es ist eine grosse Freude. Vor lohn von 4100 Franken, ein Jahr später erhöht zurückzuführen. Viele GärtnerInnen kannten ment, um dagegen vorzugehen.» Nicht um- allem, weil wir jetzt wissen, dass wir gemein- er sich auf 4200 Franken. Ausgelernte Land- sich schon vor dem Arbeitskampf – vom Feier- sonst bestünden im Grenzkanton Genf sowie in sam etwas erreichen können.»

REKLAME

«PartisanInnen, Kooperativen und linke Bildungskonzepte» WOZ-LeserInnen-Reise in die Reggio Emilia

Wandern Sie mit der WOZ auf alten Partisan- Innenpfaden, treffen Sie TeilnehmerInnen des antifaschistischen Partisanenkampfs, besuchen Sie Genossenschaften, und erhalten Sie Einblick in die Reggio-Pädagogik, die von Partisaninnen begründet wurde.

Vom 13. bis 19. Oktober 2013. Interessiert? Reisen Sie mit der WOZ nach Fernando Cavazzini, Partisan und Genossenschaftsgründer. Die Piazza Prampolini in Reggio nell‘Emilia. Italien in die Reggio Emilia.

Alle Informationen zu dieser Reise finden Sie unter www.woz.ch/wozunterwegs. Käse der Kooperative «La Grande». Giacomina Castagnetti, Partisanin. Wirtschaft 5 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

WIRTSCHAFTSGEOGRAFIE Das Fliessband und die Gewalt Die herkömmliche Ökonomie ist auf manchem Auge blind. Der Zürcher Wirtschaftsgeograf Christian Berndt erläutert die Folgen am Beispiel der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez.

INTERVIEW: CORSIN ZANDER

ArbeiterInnen auf dem Heimweg in Ciudad Juárez: Innerhalb weniger Jahrzehnte ist die Stadt auf 1,5 Millionen EinwohnerInnen angewachsen. FOTO: ALEJANDRO BRINGAS, REUTERS

WOZ: Herr Berndt, seit 1999 sind Sie mehrfach Welche Modelle werden in Ciudad Juárez aber Organisationsversuche der Beschäftigten ner erfahren eine Abwertung, weil sie weniger in die mexikanische Grenzstadt Ciudad Juárez Wirklichkeit? mit allen Mitteln. In dieser Konstellation ist di- gefragt sind. Ich habe erlebt, wie eine Firma gereist. Was treibt Sie dazu an? In den einzelnen Fabriken wird die Ar- rekter Widerstand fast unmöglich. mehrere Wochen lang Stellen am Fabriktor Christian Berndt: Ciudad Juárez ist ein beit nach gewissen Standards strukturiert, die ausgeschrieben hatte und so lange Männer wichtiger Standort für Firmen wie Foxconn. im globalen Norden, hauptsächlich in den USA, Hat sich die Situation der Arbeiter über die Jah- wegschickte, bis sich geeignete Frauen fanden. Als Zulieferer produziert Foxconn Produkte entwickelt worden sind und in Juárez auf den re gebessert? Das erschüttert das Bild der klassischen Rollen- wie das iPhone. Apple muss dann nur noch das globalen Süden angewendet werden. Beispiele Profitiert haben neben den internationa- verteilung vieler Männer, die sich die Kontrolle Logo hinzufügen. Innerhalb dieser Industrie, für solche Programme sind Qualitätsmanage - len Unternehmen vor allem die lokalen Eliten, zurückholen wollen. Das und ein soziales Um- die in Mexiko Maquiladora-Industrie genannt mentinstrumente wie Six Sigma, das gewisse wie etwa die Landeigentümer, die ihr Land an feld, in dem ein Menschenleben wenig zählt, wird, interessieren mich die Arbeitsbeziehun- Geschäftsvorgänge messbar macht. Bei diesen die Investoren verkaufen konnten und heute erklären zumindest einen Teil dieser Gewalt an gen, was es für die Menschen Prozessen wird zudem auch mit Dienstleistungen für die Unternehmen an- Frauen. Solche Entwicklungen werden in den bedeutet, für nördliche Konsu- kulturellen Stereotypen agiert: bieten. Die grosse Modernisierungsverheis- herkömmlichen ökonomischen Modellen aus- mentinnen und Konsumenten zu Die grosse Der Norden muss rückständige sung bleibt für die meisten Beschäftigten ein geblendet. arbeiten, und welche Rolle öko- Modernisierungs- Arbeitskräfte im Süden umerzie- leeres Versprechen. Die Fliessbandarbeit in nomische Normen dabei spielen. verheissung hen und sie so formen, dass sie den Fabriken ermöglicht es ihnen kaum, sich Es geht um die Frage, wie aus bleibt für die sich in eine moderne Pro duk- weiterzuent wickeln. ökonomischen Modellen Wirk- tions welt einpassen lassen. Christian Berndt lichkeit wird. meisten ein leeres Was waren die grössten Veränderungen seit Der deutsche Geografieprofessor Christian Versprechen. Wehren sich die Arbeiterinnen Ihrem ersten Besuch in Juárez im Jahr 1999? Berndt (46) leitet seit 2010 die Arbeits- Werden Modelle nicht eher aus und Arbeiter in Juárez dagegen? Das enorme Wachstum der Stadt. In der gruppe Wirtschaftsgeographie am Geo- der Wirklichkeit abgeleitet, um Kaum, viele sind mit der Hochphase in den Nullerjahren kam täglich ein graphischen Institut der Universität Zü- diese zu erklären? Arbeit zufrieden. Sie haben für halbes Dutzend Busse mit Arbeiterinnen und rich. Er promovierte an der University of Modelle bilden die Realität die Aussicht auf einen Arbeits- Arbeitern an. Die Unternehmen stillten ihren Cambridge und habilitierte dann an der nicht einfach nur ab. Nehmen wir platz in diesen Fabriken sehr viel Hunger nach günstigen Arbeitskräften mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingol- beispielsweise das Black-Scholes-Modell. Die auf sich genommen. Sie arbeiten lieber in der Zeit nicht mehr nur im Umkreis von Juárez, son- stadt zum Thema der Maquiladora-In- beiden Ökonomen Fischer Black und Myron Maquiladora-Industrie, als sich auf den Fel- dern in ganz Mexiko. Innerhalb weniger Jahr- dustrie in der mexikanischen Grenzstadt Scholes haben Anfang der siebziger Jahre ein dern im Süden Mexikos den Rücken krumm zu zehnte ist Juárez von mehreren Zehntausend Ciudad Juárez. mathematisches Modell zur Bewertung von arbeiten. Einwohnern auf 1,5 Millionen gewachsen. Um Finanzoptionen entwickelt. Dieses Modell fand für die 200 000 bis 300 000 Arbeitskräfte und grosse Be achtung. Das klingt verständlich. zusätzliche Fabriken Platz zu schaffen, werden Als die Black-Scholes-Formel eingeführt Nur auf den ersten . Die Arbeitsbe- Menschen auch mit Gewalt enteignet und ver- wurde, wichen die tatsächlichen Marktpreise dingungen sind problematisch. Ein Monats- trieben. Das war beispielsweise in einem dünn noch stark von den in diesem Modell errech- lohn um die 200 Dollar reicht in Juárez nur mit besiedelten Gebiet im Westen der Stadt zu be- neten Preisen ab. Über die Jahre hinweg haben grossen Mühen zum Leben. Dazu kommt ein obachten, das durch neue Entwicklungspläne sie sich immer mehr angeglichen, weil immer subtiles Disziplinierungsregime. Der Kontrast stark an Wert gewann. Häuser und Menschen mehr Akteure das Black-Scholes-Modell ein- zwischen der modernen Produktionswelt und wurden auf Initiative einer der mächtigsten setzten. Dieses Modell wurde zur Richtschnur den prekären Lebensbedingungen im Wohn- Familien der Stadt kurzerhand von privaten auf den Märkten, und somit glichen sich die umfeld der Beschäftigten führt zu einer Identi- Sicherheitskräften eingezäunt, der Zugang zur Marktpreise der Optionen den theoretischen fikation mit ihrer Arbeit, die die Unternehmen Siedlung wurde kontrolliert, die Leute mit Ge- Preisen an. geschickt stärken. Gleichzeitig unterbinden sie walt vertrieben, um Platz für neue Wohnhäuser Was unterscheidet Ihre Forschung von jener und Einkaufszentren zu schaffen. der Ökonomen? Da soll auch ein neuer Industriepark mit Ich möchte als Wirtschaftsgeograf den entsprechender Infrastruktur geschaffen wer- orthodoxen Ökonomen, die sich ganz streng an den, einer der wichtigsten Investoren dort ist die Vorgaben der neoklassischen Wirtschafts- CIUDAD JUÁREZ UND DIE MAQUILADORA-INDUSTRIE Foxconn. Die Arbeitsmigranten müssen irgend- wissenschaften halten, das Forschungsfeld wo wohnen und siedeln sich in der Wüste rund nicht allein überlassen. Ich nähere mich der um die Stadt an, in provisorischen Siedlungen Ökonomie als sozialem Verhältnis und kultu- Günstige Arbeitskräfte in der gefährlichen Stadt ohne Strom oder fliessendes Wasser und oft rellem Projekt an, betrachte historische Ent- Der Begriff «Maquiladora» verweist auf die region beschränkt und wurde später auf ganz mit ungeklärtem rechtlichem Status. Die Stadt wicklungen, gesellschaftliche Ungleichheiten spanische Kolonialherrschaft. Damals wurde Mexiko ausgedehnt. kann die Infrastruktur nicht bereitstellen, und räumliche Zusammenhänge und fokus- mit «maquila» der Teil des gemahlenen Korns Mit dem Nafta-Freihandelsabkommen die Strassen sind nicht geteert. Und so leben siere nicht nur auf die Wirtschaft im engen bezeichnet, den der Müller als Lohn für seine von 1994 erhielten Maquiladora-Städte wie die meisten Menschen in Juárez in prekären Sinn. Dienste von den Bauern erhielt. Ciu dad Juárez zusätzlichen Auftrieb. Die Ein- Verhältnissen. Das ist ein treffendes Bild für Betriebe, wohner Innenzahl verdoppelte sich seit Begin n Bieten Wirtschaftsgeografen Lösungen an? die importierte Komponenten zu End- oder der neunziger Jahre auf etwa 1,5 Millionen Welche Auswirkungen hat dies auf das Zusam- Allein schon durch das Sichtbarmachen Zwischenprodukten zusammensetzen und ent- Menschen. Davon sind im Durchschnitt zwi- menleben in der Stadt? gewisser Themen kann man eine Verbesse- weder als Zulieferer für grosse transnationale schen 200 000 und 300 000 in der Maquiladora- Es herrscht ein Klima der Gewalt. Augen- rung erzielen. Unsere Wirtschaft gleicht einem Unternehmen fungieren oder sich direkt im Industrie tätig. fällig wird dies bei den verstörenden sexuel- Eisberg. Der sichtbare Teil ist die formale Öko- Eigentum dieser Konzerne befinden. Die aus- In den Medien erlangte die Stadt traurige len Gewaltverbrechen gegen mehrere Hundert nomie. Sie ist bloss ein kleiner Teil der gesam- ländischen Unternehmen profitieren in erster Berühmtheit als eine der gefährlichsten Städte Frauen. Die Verbrechen wurden in der Mehr- ten Wirtschaft. Unter Wasser befindet sich der Linie von günstigen Arbeitskräften. der Welt. Seit 1993 sind in Juárez über 13 000 heit nicht aufgeklärt. Diese Gewalt lässt sich grosse Teil der Ökonomie, der sich nicht so Ciudad Juárez war Teil eines politischen Morde dokumentiert. Besondere Aufmerk- teilweise mit den Folgen der Maquiladorisie- einfach quantifizieren lässt: unbezahlte Arbeit, Programms, das die mexikanische Regierung samkeit erhielt dabei die hohe Zahl sexueller rung für die Geschlechterverhältnisse erklären. etwa reproduktive Tätigkeiten wie die Kinder- Mitte der sechziger Jahre zusammen mit den Gewaltverbrechen an jungen Frauen und die erziehung und Haushaltsarbeit, oder alterna- USA vorantrieb: Es erlaubte ausländischen, Eskalation der Gewalt in den letzten Jahren. Wegen eines Männerüberschusses? tive ökonomische Praktiken wie Tauschringe. mehrheitlich amerikanischen Unternehmen, Allein seit 2008 sind in Ciudad Juárez in Aus- Nein, es ist genau umgekehrt: Die Fa- Sie alle werden von der formalen Ökonomie steuerfrei zu produzieren. einandersetzungen zwischen Drogenkartellen briken haben in erster Linie junge Frauen an- ungenügend erfasst. Dabei sind viele dieser Ak- Das Maquiladora-Programm war zu- und staatlichen Sicherheitskräften etwa 10 000 geworben, die ohne Familie kommen und tivitäten für eine funktionierende Wirtschaft nächst auf die unmittelbare nördliche Grenz- Menschen umgekommen. CORSI N ZAND ER rela tiv isoliert und schutzlos sind. Die Män- existenziell. 6 Wirtschaft Wirtschaft 7 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

Billigflaggen treiben. Die Reeder wiederum leiden gaben verursachen, sagt er lachend, «weil man mir Das gilt auch für die Binnenschifffahrt. «Wir unter dem Mangel an hoch qualifizierten Seeleu- b orniertem Engländer an den Sitzungen in Basel treffen auf dem Rhein manchmal Kollegen aus den ten. Ihre Flotten sind modern und teuer, es werden dolmetschen muss». Immerhin sprächen alle 32 Philippinen, die acht Monate am Stück arbeiten und pünktliche Lieferungen erwartet, Störungen, sei Vorstandsmitglieder Englisch. drei bis vier Monate zu Hause verbringen», sagt es durch Havarien oder Arbeitskonflikte, schaden Zwei Jahre später folgte der nächste Schritt. Richard Bodenmann an Bord der «Grindelwald» in dem Geschäft. Sie sind mithin auf gutes Personal «Wir haben im Zuge der Fusion mit den Nieder- Basel. Ein paar Sprachen sollte man ohnehin beherr- an gewiesen. Und wissen zudem, dass sie es mit der ländern natürlich über eine mögliche Ausweitung schen: «Auf dem Rhein wird durchweg Holländisch ITF zu tun bekommen, wenn sie Verträge nicht ein- nachgedacht», sagt Andrew Linington. «Die hatten gesprochen, Englisch ist ebenfalls von Nutzen.» halten. In der ITF sind auch Hafenarbeiter organi- ein Problem mit ihren Binnenschiffern auf dem siert, die man nicht lange überreden muss, damit Rhein, und so kamen wir auf die Idee, bei der Unia sie ein Schiff boykottieren. anzuklopfen. Dort gibt es doch Nick.» Nick Bramley, Die Grussredner an der Nautilus-Veranstal- damals für die Seefahrt zuständiger Unia-Sekretär, tung – darunter Eric André vom Schweizer Reeder- kannte sie von den ITF-Sitzungen her. «Sie haben verband und Jean-Jacques Elmiger vom Schweizer mich immer wieder gefragt: ‹Hey, Nick, willst du Staatssekretariat für Wirtschaft – lobten denn auch nicht mitmachen?›», erzählt Bramley. «Zuerst hielt die gute Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ich es für einen Witz. Nach der dritten Anfrage habe und hoben die Bedeutung der Kollektivverträge ich dann ein Papier für den Unia-Vorstand geschrie- hervor. Alle Reedereien hatten VertreterInnen ent- ben. Und der hat die Idee gutgeheissen.» sandt. Sie werden auch künftig die Beiträge für den In der Geschichte kam es bisher höchst selten gemeinsamen Fonds entrichten, der Nautilus die In- vor, dass eine Gewerkschaft eine Sektion einfach teressenvertretung ermöglicht, auf die alle Schwei- abwandern lässt; in der Regel kämpfen Gewerk- zer Seeleute Anspruch haben. schaften auch gegeneinander um jedes Mitglied. Ein solches Einvernehmen gibt es jedoch nicht Warum also hat die Unia das erlaubt? «Weil sie von überall. Anfang an internationalistisch orientiert war», sagt Bramley. «Und weil wir offenbar glaubhaft darlegen Der Wandel der Industrie konnten, dass unsere kleine Sektion angesichts der besonderen Verhältnisse in der Schifffahrtsindus- Ein kleines Reihenhaus in Woodford, acht Mei- trie die Interessen der Mitglieder innerhalb von len nördlich der ehemaligen Londoner Docks. The Nautilus besser vertreten kann.» Shrubberies heisst die kleine Vorortstrasse, an der jetzt die Zentrale von Nautilus International liegt. Kulturelle Unterschiede «Wo wir sitzen, spielt keine Rolle mehr», sagt Andrew Linington, «der Hafen ist verschwunden, die Schiffe Seit dem Beitritt der Schweizer Sektion 2011 hat machen Themse-abwärts fest, und wir kommunizie- Nautilus International 23 000 Mitglieder: rund ren längst mit modernen Mitteln.» Das sind nicht die 15 000 in Britannien, etwa 6500 in den Niederlan- einzigen Veränderungen: «Es gibt inzwischen keine den, knapp 1000 in der Schweiz, dazu mehrere nationale Schifffahrt mehr, die Reedereien agieren Hundert SeefahrerInnen anderer Staatsangehörig- global, beschäftigen miserabel bezahlte internati- keit. «Derzeit kommen jährlich 1500 neue Mitglie- Schiffsführer Richard Bodenmann (links) und Nick onale Crews auf Schiffen unter Billigflagge, und im der dazu», sagt Dickinson, «das gleicht die Abgänge Bramley von Nautilus in Basel. FOTO: ANDREAS BODMER Containerverkehr geben internatio- gerade so aus.» Aber jetzt, nach der nale Konzerne wie die dänische Ge- Konsolidierungsphase, werde man Wir haben das sellschaft Maersk oder die japanische sich verstärkt der Rekrutierung zu- Immer wieder neue Leute an Bord Linie NYK den Ton an.» Darauf, so der Teile-und-herrsche- wenden. Gewerkschaftssprecher, mussten die Spielchen der Andrew Linington ist da opti- Und noch etwas ändert sich, wenn auch schleichend. Gewerkschaften reagieren. Grossreeder mis tisch. In Britannien, sagt er, inte- «Wir haben mehr Ablöser», selbstständig arbeiten- Dazu verschwand in den letzten ressierten sich wieder mehr Jugendli- de Matrosen, die zunehmend Festangestellte erset- Jahrzehnten ein Grossteil der alten unterlaufen.» che für eine Karriere als Schiffsoffizier. zen. «Immer wieder haben wir völlig neue Leute an Regulierungsbehörden, sie wurden Andrew Linington, Nautilus Das liege an der steigenden Jugendar- Bord, die das Schiff nicht kennen», sagt Bodenmann, aufgelöst oder entmachtet. Gleichzei- beitslosigkeit, aber auch an den mitt- «mitunter haben die bisher nur auf Tankern gearbei- tig wechselten immer mehr Schiffs- lerweile horrenden Studiengebühren: tet. Sie kennen sich mit Containern nicht aus, wissen eigner zu Schiffsregistern in Staaten «Die Reeder suchen händeringend nicht, wie man das Vorschiff ankuppelt, man muss mit minimalen Standards (Billigflag- nach gutem Personal und finanzieren denen alles erklären.» Dass es an Festangestellten gen). Andererseits aber gewinnen su- den Aspiranten die Ausbildung.» Und mangelt, hat auch mit dem Lohn zu tun. Nach seiner Gefahren wird immer: Einfahrt des Containerschiffs Grindelwald in den Europoort, Rotterdam. FOTO: ELKE FISCHER: AUS DEM BUCH «ZEIT IM FLUSS» VON ELKE FISCHER UND SABINE THEIL (VGL. KASTEN AUF SEITE 7) pranationale Einrichtungen wie die IMO in London, in der Schweiz hat Nautilus laut einer Statistik des dreijährigen Ausbildung bekam Bodenmann gerade die Internationale Arbeitsorganisation ILO in Genf Gewerkschaftsbunds SGB 2012 prozentual mehr mal 3700 Franken brutto im Monat, Zulagen inklu- oder die EU-Kommission an Bedeutung. Sie haben Mitglieder gewonnen als jede andere Gewerkschaft – sive. Seit er das Schifferpatent hat, verdient er mehr – anstelle der Nationalstaaten die Regulierung des allerdings auf Basis recht kleiner Zahlen. aber immer noch wenig im Vergleich zu Lohnabhän- NAUTILUS INTERNATIONAL Seeverkehrs übernommen, angetrieben auch von Ganz so ernst nimmt Bramley diesen Zuwachs gigen mit ähnlicher Qualifikation an Land. der ITF, die 1896 vor allem zum Schutz der Seeleu- also nicht. Doch auch er setzt – wie alle anderen – Aber offenbar macht die Unabhängigkeit te gegründet worden war und seit fünfzig Jahren grosse Hoffnungen auf weitere internationale Ko- den Unterschied wieder wett; Richard Bodenmann gegen die Billigflaggen kämpft. «Eine Seeleute- operationen. «Wir haben mittlerweile gegenseitige freut sich jedenfalls auf die kommende Fahrt. Nur gewerkschaft, die ihren Job ernst nimmt, muss Unterstützungsabkommen mit Seeleutegewerk- eins stört ihn: dass die Rechtsverhältnisse an Bord heute in Genf, Brüssel und London präsent sein», schaften in der Ukraine, in Kroatien und Sri Lanka», weitgehend ungeklärt sind. Im Unterschied zu «Die britischen Kollegen würden sagt Linington. «Und das sind wir schon lange.» sagt er. Und dann sind da noch das Büro in Antibes, den Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge gilt Mit «wir» meint er die britische Numast, die als Ge- dem grossen Jachthafen an der französischen Rivie- auf den Binnenschiffen nicht das schweizerische werkschaft der Schiffsoffiziere auf eine 159-jährige ra mit Tausenden nautischen Arbeitsplätzen, und Arbeitsrecht. «Dieses Problem bereitet uns Bauch- Geschichte zurückblicken kann, und die Federatie mit Willem Grooff ein Nautilus-Vertreter in Singa- schmerzen», sagt Nick Bramley. Für Nautilus gibt es niemals mit Wollmütze herumlaufen» van Werk nemers in de Zeevaart (FWZ), die nieder- pur, der Schiffe inspiziert und damit, so Dickinson, also noch viel zu tun. ländische Seeleute gewerkschaft. «all jenen Reedereien, die zunehmend nach Asien Die beiden Organisationen hatten etliche Ge- abwandern, signalisiert: ‹Wir sind schon da!›» Die erste wirklich internationale Gewerkschaft entstand nicht zufällig in einer Industrie, die vor allen anderen globalisiert wurde – meinsamkeiten: Sie waren eigenständige Gewerk- Nautilus International könnte noch interna- der Schifffahrt. Mit dabei sind auch Schweizer Seeleute. schaften, ihre Mitglieder arbeiteten auf Kanalfähren, tionaler werden. Doch einfach ist das nicht. «Ge- den Kreuzfahrtschiffen der Holland America Line werkschaften kämpfen zwar weltweit für ähnliche «ZEIT IM FLUSS» VON PIT WUHRER, BASEL/LONDON und den Versorgungsschiffen von Vroon zusammen, Ziele, doch es gibt politische und kulturelle Unter- und sie wollten sich nicht auseinanderdividieren schiede», sagt Dickinson. «Wir können und wol- lassen: «Es gibt eine Reihe Grossreeder, die das klas- len unser Modell niemandem aufzwingen.» In den Den Rhein hinab Nicht einmal im Heimathafen hat die «Grindelwald» kann die Brücke zwölf Meter hochfahren und hat «ist an ein Bier am Feierabend nicht zu denken, weil Die Rheinschifffahrt sei in den achtziger und Mit 41 Hochseeschiffen ist es die weltweit grösste sische Teile-und-herrsche-Spielchen versuchten», skandinavischen Ländern ist die maritime Interes- Wie ist das eigentlich, wenn man auf einem Contai- Ruhe. «Wir müssen den Platz unter den Kränen einen guten Blick.» Dann ist es ja kein Kunststück. es den Feierabend nicht gibt.» Inzwischen habe der neunziger Jahren völlig umgekrempelt worden, er- Flotte eines Binnenlands. Fünf der sechs Reede- sagt Linington, «das haben wir unterlaufen.» senvertretung mit jeweils vier oder fünf Gewerk- nerschiff von Basel nach Rotterdam und weiter bis frei machen», sagt Richard Bodenmann, während «Aber in den Schleusen wird sie abgesenkt.» Er be- Druck noch zugenommen: «Vor ein paar Jahren läutert Bramley. «Damals gab es beispielsweise die reien – Suisse-Atlantique (Lausanne), Enzian (Zü- schaften stark fragmentiert, in Frankreich, Spanien Antwerpen fährt? Worin besteht die Arbeit der Crew, sein Kollege Ralph das Containerschiff sanft an die schreibt seine Arbeit gern, sie macht ihm sichtlich fuhren wir von Basel aus entweder Rotterdam oder halbstaatliche Schweizerische Reederei SR, die in rich), Reederei Zurich, Massoel (Genf) und Mega Zwanzig Jahre vorausdenken und Italien sind die Seeleute in Verbänden unter- was erlebt die Besatzung, was gibt es zum Essen, andere Seite des Beckens 1 im Basler Rheinhafen Spass. Antwerpen an, das war ein Zehntagestrip. Seit der ihrer Blütezeit 300 Schiffe betrieb», dann kamen Chemical (Zürich) – sind im Reederverband vertre- schiedlicher politischer Couleur organisiert. welche Landschaften passiert so ein Schiff auf der Kleinhüningen setzt. Bodenmann ist Schiffsführer. Seit zehn Jahren arbeitet der 29-Jährige auf Wirtschaftskrise laufen wir beide Seehäfen an.» Das Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung, ten; auch die sechste, ABC maritime (Nyon), ent- Einer, der sich noch gut an jene Jahre der frühen Unterschiede gibt es freilich auch bei Nautilus. rund 900 Kilometer langen Reise? Er kam gerade aus St. Gallen an, wo er lebt, und wird dem Rhein. Zwei Wochen auf dem Schiff, täglich macht mehr Arbeit, aber man müsse halt flexibel «inzwischen ist die SR wie viele andere Reedereien lohnt nach Tarif. Kooperation erinnert, ist Mark Dickinson. Er arbei- Die britische Sektion besteht noch immer vorwie- 2008 und 2009 fuhren Elke Fischer (Fotos) morgen die «Grindelwald» mitsamt dem Vorschiff mindestens zwölf Stunden am Ruder, anschlies- bleiben. verschwunden.» Rationalisierungen, der technische Auf ihren Schiffen arbeiten zu jedem Zeit- tete zwölf Jahre bei der ITF, war zuletzt stellvertre- gend aus Wachoffizieren, Kapitänen und leitenden und Sabine Theil (Text) auf der «Grindelwald» der Mürren den Rhein hinunter nach Rotterdam und send zwei Wochen zu Hause. Rund vierzehn Tage Über seine Reederei, die niederländische Dan- Fortschritt (Einführung von Radar und Funk) und punkt durchschnittlich 700 Schweizer Seeleute, tender Generalsekretär und wechselte im Jahr 2000 Ingenieuren, während in den niederländischen und Danser AG (vgl. Hauptartikel) vom Rheinknie bis weiter nach Antwerpen fahren. Tag und Nacht: acht dauert eine Rundreise: Die «Grindelwald» legt ser AG mit einem Zweigsitz in Basel, mag sich Bo- das Ausflaggen, der Wechsel in das Schiffsregister weitere 200 haben bei anderen Reedereien angeheu- zu Numast, deren Generalsekretär er bald wurde. Schweizer Sektionen Matrosen in der Mehrheit sind. zu den Nordseehäfen und wieder zurück. Während Stunden an den Steuerknüppeln, vor ihm 178 Meter meist mittwochs in Basel-Kleinhüningen ab, er- denmann trotzdem nicht beschweren. Zumal ihm von Staaten wie Panama, Liberia oder Malta mit ert. Im internationalen Vergleich ist das eine fast zu «Wir und die verantwortlichen Leute von FWZ tra- Ein Blick in die Mitgliederzeitung «Telegraph» zeigt Theil minutiös das Geschehen an Bord, die Ereig- Schiff und 246 Container, dann acht Stunden Pause, reicht am Sonntag Rotterdam und am Montag Ant- sein Chef nicht dreinrede: «Wir sind für den Schiffs- ihren niedrigen Steuersätzen und einem laschen vernachlässigende Grösse: Nach Angaben der Inter- fen ständig aufeinander, in Genf, in Brüssel, bei den die Differenz: Der englischsprachige Teil zeigt deut- nisse in den grossen Häfen, die Kontrollen durch schlafen, kochen, Anweisungen erteilen, nach dem werpen. «Wir sind immer am Fahren», sagt Richard betrieb zuständig, bunkern Treibstoff, schauen, Arbeitsrecht – all das habe die Zahl der Schweizer national Maritime Organization (IMO), einer Uno- ITF-Sitzungen. Und irgendwann kam die Idee eines lich mehr Fotos von Männern in Uniform als der Behörden und ihre eigenen Empfindungen schil- Rechten sehen. Bodenmann, «manchmal nehmen wir in Strassburg dass alles rund läuft und dass der Kahn nicht verros- Seeleute drastisch gesenkt. «Dazu kommt, dass der Einrichtung zur Verbesserung des Umweltschutzes Zusammenschlusses auf», sagt Dickinson. Es sollte niederländische; zudem enthält er vergleichsweise dert, vermitteln Fischers ausdrucksstarke Bilder Anschliessend wieder acht Stunden hier im oder in Bonn noch Ladung auf, meist stoppen wir tet.» So viel Autonomie am Arbeitsplatz gibt es sel- Beruf lange nicht mehr so attraktiv ist wie früher.» und der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf See, kein grenzüberschreitendes Bündnis werden, son- viele Beiträge über die mehr oder weniger glori- (vgl. grosses Foto) jenes Gefühl von Ungebunden- Steuerhaus, wo Bodenmann den Nutzen der Moni- jedoch erst in Rotterdam.» Wo aber ebenfalls nicht ten. Ausserdem hatte der Chef auch nichts dagegen, Rund achtzig Rheinschiffe sind noch in der sind derzeit über 1,2 Millionen Arbeitskräfte auf dern eine eigene Organisation, denn Numast wie ose Vergangenheit der britischen Seefahrt. Auch heit, verantwortungsvoller Arbeit und landschaft- tore erläutert. Denn in viele Rheinschleusen passt an Ruhe zu denken ist: «Da fahren wir bis zu sech- dass sich Bodenmann, seit seiner Lehrzeit Gewerk- Schweiz registriert, darunter die Frachtschiffe von den Weltmeeren damit beschäftigt, über neunzig FWZ kamen zum selben Schluss: «Wenn wir weiter- an kleinen Dingen ist die Kluft ablesbar: «Den bri- licher Schönheit, das Binnenschiffer wie Richard das 11,45 Meter breite Schiff nur gerade so hinein: zehn Terminals an. Hier acht Container löschen, da schaftsmitglied, in den letzten Jahren zunehmend Ultra-Brag, die Tanker von Fluvia und Bragtank, Prozent des globalen Frachtaufkommens zu bewe- hin die Interessen unserer Mitglieder gut vertreten, tischen Kollegen würde es nie einfallen, wie unsere Bodenmann so fasziniert. Links und rechts zwei Handbreit Spielraum, mehr drei aufnehmen, anschliessend zehn Stunden war- bei Nautilus International engagierte, der ersten die Containerschiffe von Danser. Mehrheitlich sind gen. Anfang der fünfziger Jahre war die Zahl der die Mitgliederzahl halten und als maritime Gewerk- Rheinschiffer mit Wollmütze herumzulaufen», sagt Bodenmann, damals noch Matrose, war üb- Platz ist zwischen Bordwand und Schleusenmauer ten, bis wir das nächste Dutzend Container entla- staatsübergreifenden Gewerkschaft der Welt: Er es aber Hotelschiffe im Besitz von Reedereien, die Schweizer auf See mit über tausend Leuten so hoch, schaft überleben wollen, müssen wir vorausden- Nick Bramley. rigens an Bord der «Grindelwald», als Fischer und nicht. Sieht man bei dieser Länge überhaupt, wo der den können.» Und immer müssen er und sein Kolle- sitzt im Vorstand der Schweizer Sektion. zwar aus Steuergründen und wegen der vergleichs- dass die Internationale Transportarbeiter-Födera- ken.» Innerhalb der nächsten zwanzig Jahre geht Ist der britische Zweig also konservativer? Theil recherchierten. Jetzt hat der Benteli-Verlag die Koppelverband hinfährt? Bodenmann lacht: «Man ge den Hochseeschiffen ausweichen. Achtzig bis neunzig Mitglieder habe die Ge- weise niedrigen Lohnnebenkosten einen Sitz in tion (ITF) – der gewerkschaftliche Dachverband im rund die Hälfte aller britischen Seeleute in Rente. «Das war sicher einmal so», gibt Andrew Linington Arbeit der beiden veröffentlicht. Obwohl Beschäfti- werkschaft auf dem Rhein, schätzt Nick Bramley, der Schweiz haben, aber Crews aus Ungarn, Rumä- Transportwesen – 1952 die Schweizer Gewerkschaf- Und so nannten sich Numast – selbst aus dem zu, der seit dreissig Jahren für die Gewerkschaft gungsverhältnisse und die Gewerkschaft nicht vor- Von wegen Feierabend nationaler Sekretär von Nautilus Schweiz. Der bär- nien oder Indonesien anheuern, sie auf Basis zy- ten aufforderte, die bis dahin unorganisierten See- Zusammenschluss von drei Gewerkschaften ent- arbeitet. Inzwischen aber habe die Globalisierung kommen: Der sehr schöne, deutsch-/englischspra- tige Sechzigjährige ist seit langem gewerkschaftlich priotischer Arbeitsverträge entlohnen – und deren leute zu rekrutieren. standen – und FWZ ab 2006 Nautilus UK respekti- den Blick verändert. «Vor zwanzig, dreissig Jahren chige Fotoband zeichnet ein exzellentes Bild von der Die Arbeit ist hart und oft eintönig, von Seefahrer- aktiv. Zum Teil im englischen Kohlerevier von York- Schiffe im Heimathafen Basel nie anlegen, weil sie «Mit den Reedern kommen wir ganz gut zu- ve Nautilus NL. 2008 befürworteten die Mitglieder fuhren die meisten unserer Mitglieder auf Schif- Arbeit in der Binnenschifffahrt. PW Dieser Artikel wurde ermöglicht durch den romantik keine Spur. Früher, als noch 400 Rhein- shire aufgewachsen, arbeitete er in der Schweiz zu- auf Elbe, Donau oder Rhone unterwegs sind. recht», sagt Nick Bramley. Das zeigte auch die Jubi- den Zusammenschluss, 2009 wurde Nautilus In- fen mit britischer Flagge, britischen Offizieren und Recherchierfonds des Förder vereins ProWOZ. schiffe unter Schweizer Flagge fuhren und die Bin- erst für die Gewerkschaft GTCP, die später mit den läumsveranstaltung vor zwei Wochen in Basel, mit ternational gegründet. «Die Vorteile liegen auf der britischer Mannschaft», noch vor fünfzehn Jahren Elke Fischer, Sabine Theil: nenschifffahrt stark reguliert war, arbeiteten bis zu BauarbeiterInnen zur GBI fusionierte, dann über- der Nautilus das sechzigjährige Bestehen einer See- Hand», argumentiert Dickinson, seit Anbeginn Ge- hätten die Besatzungen auf siebzig Prozent aller «Zeit im Fluss. Mit dem Dieser Fonds unterstützt Recherchen und Die Schweiz auf hoher See Containerschiff von Basel Reportagen, die die finanziellen Möglichkeiten der zehn Mann (in sehr seltenen Fällen eine Frau) an nahm er die Seeleutesektion der Gewerkschaft Ver- leuteorganisation in der Schweiz feierte. «Wir füh- neralsekretär der neuen Gewerkschaft. «Wir kön- Schiffe nur einer Nationalität angehört. «Heute nach Rotterdam». WOZ übersteigen. Er speist sich aus Spenden der Bord; heute sind es noch vier, höchstens fünf: zwei kauf, Handel, Transport, Lebensmittel (VHTL), die Viel weiter fahren da die schweizerischen Hochsee- ren harte Verhandlungen, respektieren uns aber.» nen unsere Erfahrungen und Ressourcen bündeln, sind an Bord der meisten Schiffe fünf oder sechs Benteli Verlag. Sulgen 2013. Schiffsführer, im Idealfall ein Schiffer mit Steuer- sich 2004 der Unia anschloss – und führte 2011 die schiffe. Seit der Bundesrat im Kriegsjahr 1941 aus Das globale Arbeitskräfteangebot erlaubt es der müssen nun nicht mehr mehrere Delegationen zu Nationalitäten vertreten.» Das habe zu einem ganz 200 Seiten. Grossformat. WOZ-Leser Innen. 58 Franken. patent, zwei Matrosen. Früher war man auch nicht Schweizer SeefahrerInnen in die zwei Jahre zuvor Gründen der Versorgungssicherheit eine Handels- Gewerkschaft kaum, Löhne weit über dem ITF-Min- den internationalen Organisationen schicken und anderen Weltbild geführt: «Für unsere dreissigjäh- Förderverein ProWOZ, Postfach, 8031 Zürich, PC 80-22251-0 ständig unterwegs, sondern nur tagsüber und nie von britischen und niederländischen Gewerkschaf- marine gegründet hat, unterhält die Schweiz eine deststandard von 1800 US-Dollar im Monat durch- können so die Kosten in Grenzen halten.» Er selbst rigen Mitglieder ist das Leben an Bord bunter, sie an Sonntagen. «Heute hingegen», sagt Bodenmann, ten gegründete Nautilus International. eigene Flotte, die lange Zeit subventioniert wurde. zusetzen, sie will die Reedereien auch nicht zu den würde wahrscheinlich die grössten Zusatzaus- sind viel offener geworden.» 6 Wirtschaft Wirtschaft 7 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

Billigflaggen treiben. Die Reeder wiederum leiden gaben verursachen, sagt er lachend, «weil man mir Das gilt auch für die Binnenschifffahrt. «Wir unter dem Mangel an hoch qualifizierten Seeleu- b orniertem Engländer an den Sitzungen in Basel treffen auf dem Rhein manchmal Kollegen aus den ten. Ihre Flotten sind modern und teuer, es werden dolmetschen muss». Immerhin sprächen alle 32 Philippinen, die acht Monate am Stück arbeiten und pünktliche Lieferungen erwartet, Störungen, sei Vorstandsmitglieder Englisch. drei bis vier Monate zu Hause verbringen», sagt es durch Havarien oder Arbeitskonflikte, schaden Zwei Jahre später folgte der nächste Schritt. Richard Bodenmann an Bord der «Grindelwald» in dem Geschäft. Sie sind mithin auf gutes Personal «Wir haben im Zuge der Fusion mit den Nieder- Basel. Ein paar Sprachen sollte man ohnehin beherr- an gewiesen. Und wissen zudem, dass sie es mit der ländern natürlich über eine mögliche Ausweitung schen: «Auf dem Rhein wird durchweg Holländisch ITF zu tun bekommen, wenn sie Verträge nicht ein- nachgedacht», sagt Andrew Linington. «Die hatten gesprochen, Englisch ist ebenfalls von Nutzen.» halten. In der ITF sind auch Hafenarbeiter organi- ein Problem mit ihren Binnenschiffern auf dem siert, die man nicht lange überreden muss, damit Rhein, und so kamen wir auf die Idee, bei der Unia sie ein Schiff boykottieren. anzuklopfen. Dort gibt es doch Nick.» Nick Bramley, Die Grussredner an der Nautilus-Veranstal- damals für die Seefahrt zuständiger Unia-Sekretär, tung – darunter Eric André vom Schweizer Reeder- kannte sie von den ITF-Sitzungen her. «Sie haben verband und Jean-Jacques Elmiger vom Schweizer mich immer wieder gefragt: ‹Hey, Nick, willst du Staatssekretariat für Wirtschaft – lobten denn auch nicht mitmachen?›», erzählt Bramley. «Zuerst hielt die gute Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ich es für einen Witz. Nach der dritten Anfrage habe und hoben die Bedeutung der Kollektivverträge ich dann ein Papier für den Unia-Vorstand geschrie- hervor. Alle Reedereien hatten VertreterInnen ent- ben. Und der hat die Idee gutgeheissen.» sandt. Sie werden auch künftig die Beiträge für den In der Geschichte kam es bisher höchst selten gemeinsamen Fonds entrichten, der Nautilus die In- vor, dass eine Gewerkschaft eine Sektion einfach teressenvertretung ermöglicht, auf die alle Schwei- abwandern lässt; in der Regel kämpfen Gewerk- zer Seeleute Anspruch haben. schaften auch gegeneinander um jedes Mitglied. Ein solches Einvernehmen gibt es jedoch nicht Warum also hat die Unia das erlaubt? «Weil sie von überall. Anfang an internationalistisch orientiert war», sagt Bramley. «Und weil wir offenbar glaubhaft darlegen Der Wandel der Industrie konnten, dass unsere kleine Sektion angesichts der besonderen Verhältnisse in der Schifffahrtsindus- Ein kleines Reihenhaus in Woodford, acht Mei- trie die Interessen der Mitglieder innerhalb von len nördlich der ehemaligen Londoner Docks. The Nautilus besser vertreten kann.» Shrubberies heisst die kleine Vorortstrasse, an der jetzt die Zentrale von Nautilus International liegt. Kulturelle Unterschiede «Wo wir sitzen, spielt keine Rolle mehr», sagt Andrew Linington, «der Hafen ist verschwunden, die Schiffe Seit dem Beitritt der Schweizer Sektion 2011 hat machen Themse-abwärts fest, und wir kommunizie- Nautilus International 23 000 Mitglieder: rund ren längst mit modernen Mitteln.» Das sind nicht die 15 000 in Britannien, etwa 6500 in den Niederlan- einzigen Veränderungen: «Es gibt inzwischen keine den, knapp 1000 in der Schweiz, dazu mehrere nationale Schifffahrt mehr, die Reedereien agieren Hundert SeefahrerInnen anderer Staatsangehörig- global, beschäftigen miserabel bezahlte internati- keit. «Derzeit kommen jährlich 1500 neue Mitglie- Schiffsführer Richard Bodenmann (links) und Nick onale Crews auf Schiffen unter Billigflagge, und im der dazu», sagt Dickinson, «das gleicht die Abgänge Bramley von Nautilus in Basel. FOTO: ANDREAS BODMER Containerverkehr geben internatio- gerade so aus.» Aber jetzt, nach der nale Konzerne wie die dänische Ge- Konsolidierungsphase, werde man Wir haben das sellschaft Maersk oder die japanische sich verstärkt der Rekrutierung zu- Immer wieder neue Leute an Bord Linie NYK den Ton an.» Darauf, so der Teile-und-herrsche- wenden. Gewerkschaftssprecher, mussten die Spielchen der Andrew Linington ist da opti- Und noch etwas ändert sich, wenn auch schleichend. Gewerkschaften reagieren. Grossreeder mis tisch. In Britannien, sagt er, inte- «Wir haben mehr Ablöser», selbstständig arbeiten- Dazu verschwand in den letzten ressierten sich wieder mehr Jugendli- de Matrosen, die zunehmend Festangestellte erset- Jahrzehnten ein Grossteil der alten unterlaufen.» che für eine Karriere als Schiffsoffizier. zen. «Immer wieder haben wir völlig neue Leute an Regulierungsbehörden, sie wurden Andrew Linington, Nautilus Das liege an der steigenden Jugendar- Bord, die das Schiff nicht kennen», sagt Bodenmann, aufgelöst oder entmachtet. Gleichzei- beitslosigkeit, aber auch an den mitt- «mitunter haben die bisher nur auf Tankern gearbei- tig wechselten immer mehr Schiffs- lerweile horrenden Studiengebühren: tet. Sie kennen sich mit Containern nicht aus, wissen eigner zu Schiffsregistern in Staaten «Die Reeder suchen händeringend nicht, wie man das Vorschiff ankuppelt, man muss mit minimalen Standards (Billigflag- nach gutem Personal und finanzieren denen alles erklären.» Dass es an Festangestellten gen). Andererseits aber gewinnen su- den Aspiranten die Ausbildung.» Und mangelt, hat auch mit dem Lohn zu tun. Nach seiner Gefahren wird immer: Einfahrt des Containerschiffs Grindelwald in den Europoort, Rotterdam. FOTO: ELKE FISCHER: AUS DEM BUCH «ZEIT IM FLUSS» VON ELKE FISCHER UND SABINE THEIL (VGL. KASTEN AUF SEITE 7) pranationale Einrichtungen wie die IMO in London, in der Schweiz hat Nautilus laut einer Statistik des dreijährigen Ausbildung bekam Bodenmann gerade die Internationale Arbeitsorganisation ILO in Genf Gewerkschaftsbunds SGB 2012 prozentual mehr mal 3700 Franken brutto im Monat, Zulagen inklu- oder die EU-Kommission an Bedeutung. Sie haben Mitglieder gewonnen als jede andere Gewerkschaft – sive. Seit er das Schifferpatent hat, verdient er mehr – anstelle der Nationalstaaten die Regulierung des allerdings auf Basis recht kleiner Zahlen. aber immer noch wenig im Vergleich zu Lohnabhän- NAUTILUS INTERNATIONAL Seeverkehrs übernommen, angetrieben auch von Ganz so ernst nimmt Bramley diesen Zuwachs gigen mit ähnlicher Qualifikation an Land. der ITF, die 1896 vor allem zum Schutz der Seeleu- also nicht. Doch auch er setzt – wie alle anderen – Aber offenbar macht die Unabhängigkeit te gegründet worden war und seit fünfzig Jahren grosse Hoffnungen auf weitere internationale Ko- den Unterschied wieder wett; Richard Bodenmann gegen die Billigflaggen kämpft. «Eine Seeleute- operationen. «Wir haben mittlerweile gegenseitige freut sich jedenfalls auf die kommende Fahrt. Nur gewerkschaft, die ihren Job ernst nimmt, muss Unterstützungsabkommen mit Seeleutegewerk- eins stört ihn: dass die Rechtsverhältnisse an Bord heute in Genf, Brüssel und London präsent sein», schaften in der Ukraine, in Kroatien und Sri Lanka», weitgehend ungeklärt sind. Im Unterschied zu «Die britischen Kollegen würden sagt Linington. «Und das sind wir schon lange.» sagt er. Und dann sind da noch das Büro in Antibes, den Hochseeschiffen unter Schweizer Flagge gilt Mit «wir» meint er die britische Numast, die als Ge- dem grossen Jachthafen an der französischen Rivie- auf den Binnenschiffen nicht das schweizerische werkschaft der Schiffsoffiziere auf eine 159-jährige ra mit Tausenden nautischen Arbeitsplätzen, und Arbeitsrecht. «Dieses Problem bereitet uns Bauch- Geschichte zurückblicken kann, und die Federatie mit Willem Grooff ein Nautilus-Vertreter in Singa- schmerzen», sagt Nick Bramley. Für Nautilus gibt es niemals mit Wollmütze herumlaufen» van Werk nemers in de Zeevaart (FWZ), die nieder- pur, der Schiffe inspiziert und damit, so Dickinson, also noch viel zu tun. ländische Seeleutegewerkschaft. «all jenen Reedereien, die zunehmend nach Asien Die beiden Organisationen hatten etliche Ge- abwandern, signalisiert: ‹Wir sind schon da!›» Die erste wirklich internationale Gewerkschaft entstand nicht zufällig in einer Industrie, die vor allen anderen globalisiert wurde – meinsamkeiten: Sie waren eigenständige Gewerk- Nautilus International könnte noch interna- der Schifffahrt. Mit dabei sind auch Schweizer Seeleute. schaften, ihre Mitglieder arbeiteten auf Kanalfähren, tionaler werden. Doch einfach ist das nicht. «Ge- den Kreuzfahrtschiffen der Holland America Line werkschaften kämpfen zwar weltweit für ähnliche «ZEIT IM FLUSS» VON PIT WUHRER, BASEL/LONDON und den Versorgungsschiffen von Vroon zusammen, Ziele, doch es gibt politische und kulturelle Unter- und sie wollten sich nicht auseinanderdividieren schiede», sagt Dickinson. «Wir können und wol- lassen: «Es gibt eine Reihe Grossreeder, die das klas- len unser Modell niemandem aufzwingen.» In den Den Rhein hinab Nicht einmal im Heimathafen hat die «Grindelwald» kann die Brücke zwölf Meter hochfahren und hat «ist an ein Bier am Feierabend nicht zu denken, weil Die Rheinschifffahrt sei in den achtziger und Mit 41 Hochseeschiffen ist es die weltweit grösste sische Teile-und-herrsche-Spielchen versuchten», skandinavischen Ländern ist die maritime Interes- Wie ist das eigentlich, wenn man auf einem Contai- Ruhe. «Wir müssen den Platz unter den Kränen einen guten Blick.» Dann ist es ja kein Kunststück. es den Feierabend nicht gibt.» Inzwischen habe der neunziger Jahren völlig umgekrempelt worden, er- Flotte eines Binnenlands. Fünf der sechs Reede- sagt Linington, «das haben wir unterlaufen.» senvertretung mit jeweils vier oder fünf Gewerk- nerschiff von Basel nach Rotterdam und weiter bis frei machen», sagt Richard Bodenmann, während «Aber in den Schleusen wird sie abgesenkt.» Er be- Druck noch zugenommen: «Vor ein paar Jahren läutert Bramley. «Damals gab es beispielsweise die reien – Suisse-Atlantique (Lausanne), Enzian (Zü- schaften stark fragmentiert, in Frankreich, Spanien Antwerpen fährt? Worin besteht die Arbeit der Crew, sein Kollege Ralph das Containerschiff sanft an die schreibt seine Arbeit gern, sie macht ihm sichtlich fuhren wir von Basel aus entweder Rotterdam oder halbstaatliche Schweizerische Reederei SR, die in rich), Reederei Zurich, Massoel (Genf) und Mega Zwanzig Jahre vorausdenken und Italien sind die Seeleute in Verbänden unter- was erlebt die Besatzung, was gibt es zum Essen, andere Seite des Beckens 1 im Basler Rheinhafen Spass. Antwerpen an, das war ein Zehntagestrip. Seit der ihrer Blütezeit 300 Schiffe betrieb», dann kamen Chemical (Zürich) – sind im Reederverband vertre- schiedlicher politischer Couleur organisiert. welche Landschaften passiert so ein Schiff auf der Kleinhüningen setzt. Bodenmann ist Schiffsführer. Seit zehn Jahren arbeitet der 29-Jährige auf Wirtschaftskrise laufen wir beide Seehäfen an.» Das Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung, ten; auch die sechste, ABC maritime (Nyon), ent- Einer, der sich noch gut an jene Jahre der frühen Unterschiede gibt es freilich auch bei Nautilus. rund 900 Kilometer langen Reise? Er kam gerade aus St. Gallen an, wo er lebt, und wird dem Rhein. Zwei Wochen auf dem Schiff, täglich macht mehr Arbeit, aber man müsse halt flexibel «inzwischen ist die SR wie viele andere Reedereien lohnt nach Tarif. Kooperation erinnert, ist Mark Dickinson. Er arbei- Die britische Sektion besteht noch immer vorwie- 2008 und 2009 fuhren Elke Fischer (Fotos) morgen die «Grindelwald» mitsamt dem Vorschiff mindestens zwölf Stunden am Ruder, anschlies- bleiben. verschwunden.» Rationalisierungen, der technische Auf ihren Schiffen arbeiten zu jedem Zeit- tete zwölf Jahre bei der ITF, war zuletzt stellvertre- gend aus Wachoffizieren, Kapitänen und leitenden und Sabine Theil (Text) auf der «Grindelwald» der Mürren den Rhein hinunter nach Rotterdam und send zwei Wochen zu Hause. Rund vierzehn Tage Über seine Reederei, die niederländische Dan- Fortschritt (Einführung von Radar und Funk) und punkt durchschnittlich 700 Schweizer Seeleute, tender Generalsekretär und wechselte im Jahr 2000 Ingenieuren, während in den niederländischen und Danser AG (vgl. Hauptartikel) vom Rheinknie bis weiter nach Antwerpen fahren. Tag und Nacht: acht dauert eine Rundreise: Die «Grindelwald» legt ser AG mit einem Zweigsitz in Basel, mag sich Bo- das Ausflaggen, der Wechsel in das Schiffsregister weitere 200 haben bei anderen Reedereien angeheu- zu Numast, deren Generalsekretär er bald wurde. Schweizer Sektionen Matrosen in der Mehrheit sind. zu den Nordseehäfen und wieder zurück. Während Stunden an den Steuerknüppeln, vor ihm 178 Meter meist mittwochs in Basel-Kleinhüningen ab, er- denmann trotzdem nicht beschweren. Zumal ihm von Staaten wie Panama, Liberia oder Malta mit ert. Im internationalen Vergleich ist das eine fast zu «Wir und die verantwortlichen Leute von FWZ tra- Ein Blick in die Mitgliederzeitung «Telegraph» zeigt Theil minutiös das Geschehen an Bord, die Ereig- Schiff und 246 Container, dann acht Stunden Pause, reicht am Sonntag Rotterdam und am Montag Ant- sein Chef nicht dreinrede: «Wir sind für den Schiffs- ihren niedrigen Steuersätzen und einem laschen vernachlässigende Grösse: Nach Angaben der Inter- fen ständig aufeinander, in Genf, in Brüssel, bei den die Differenz: Der englischsprachige Teil zeigt deut- nisse in den grossen Häfen, die Kontrollen durch schlafen, kochen, Anweisungen erteilen, nach dem werpen. «Wir sind immer am Fahren», sagt Richard betrieb zuständig, bunkern Treibstoff, schauen, Arbeitsrecht – all das habe die Zahl der Schweizer national Maritime Organization (IMO), einer Uno- ITF-Sitzungen. Und irgendwann kam die Idee eines lich mehr Fotos von Männern in Uniform als der Behörden und ihre eigenen Empfindungen schil- Rechten sehen. Bodenmann, «manchmal nehmen wir in Strassburg dass alles rund läuft und dass der Kahn nicht verros- Seeleute drastisch gesenkt. «Dazu kommt, dass der Einrichtung zur Verbesserung des Umweltschutzes Zusammenschlusses auf», sagt Dickinson. Es sollte niederländische; zudem enthält er vergleichsweise dert, vermitteln Fischers ausdrucksstarke Bilder Anschliessend wieder acht Stunden hier im oder in Bonn noch Ladung auf, meist stoppen wir tet.» So viel Autonomie am Arbeitsplatz gibt es sel- Beruf lange nicht mehr so attraktiv ist wie früher.» und der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf See, kein grenzüberschreitendes Bündnis werden, son- viele Beiträge über die mehr oder weniger glori- (vgl. grosses Foto) jenes Gefühl von Ungebunden- Steuerhaus, wo Bodenmann den Nutzen der Moni- jedoch erst in Rotterdam.» Wo aber ebenfalls nicht ten. Ausserdem hatte der Chef auch nichts dagegen, Rund achtzig Rheinschiffe sind noch in der sind derzeit über 1,2 Millionen Arbeitskräfte auf dern eine eigene Organisation, denn Numast wie ose Vergangenheit der britischen Seefahrt. Auch heit, verantwortungsvoller Arbeit und landschaft- tore erläutert. Denn in viele Rheinschleusen passt an Ruhe zu denken ist: «Da fahren wir bis zu sech- dass sich Bodenmann, seit seiner Lehrzeit Gewerk- Schweiz registriert, darunter die Frachtschiffe von den Weltmeeren damit beschäftigt, über neunzig FWZ kamen zum selben Schluss: «Wenn wir weiter- an kleinen Dingen ist die Kluft ablesbar: «Den bri- licher Schönheit, das Binnenschiffer wie Richard das 11,45 Meter breite Schiff nur gerade so hinein: zehn Terminals an. Hier acht Container löschen, da schaftsmitglied, in den letzten Jahren zunehmend Ultra-Brag, die Tanker von Fluvia und Bragtank, Prozent des globalen Frachtaufkommens zu bewe- hin die Interessen unserer Mitglieder gut vertreten, tischen Kollegen würde es nie einfallen, wie unsere Bodenmann so fasziniert. Links und rechts zwei Handbreit Spielraum, mehr drei aufnehmen, anschliessend zehn Stunden war- bei Nautilus International engagierte, der ersten die Containerschiffe von Danser. Mehrheitlich sind gen. Anfang der fünfziger Jahre war die Zahl der die Mitgliederzahl halten und als maritime Gewerk- Rheinschiffer mit Wollmütze herumzulaufen», sagt Bodenmann, damals noch Matrose, war üb- Platz ist zwischen Bordwand und Schleusenmauer ten, bis wir das nächste Dutzend Container entla- staatsübergreifenden Gewerkschaft der Welt: Er es aber Hotelschiffe im Besitz von Reedereien, die Schweizer auf See mit über tausend Leuten so hoch, schaft überleben wollen, müssen wir vorausden- Nick Bramley. rigens an Bord der «Grindelwald», als Fischer und nicht. Sieht man bei dieser Länge überhaupt, wo der den können.» Und immer müssen er und sein Kolle- sitzt im Vorstand der Schweizer Sektion. zwar aus Steuergründen und wegen der vergleichs- dass die Internationale Transportarbeiter-Födera- ken.» Innerhalb der nächsten zwanzig Jahre geht Ist der britische Zweig also konservativer? Theil recherchierten. Jetzt hat der Benteli-Verlag die Koppelverband hinfährt? Bodenmann lacht: «Man ge den Hochseeschiffen ausweichen. Achtzig bis neunzig Mitglieder habe die Ge- weise niedrigen Lohnnebenkosten einen Sitz in tion (ITF) – der gewerkschaftliche Dachverband im rund die Hälfte aller britischen Seeleute in Rente. «Das war sicher einmal so», gibt Andrew Linington Arbeit der beiden veröffentlicht. Obwohl Beschäfti- werkschaft auf dem Rhein, schätzt Nick Bramley, der Schweiz haben, aber Crews aus Ungarn, Rumä- Transportwesen – 1952 die Schweizer Gewerkschaf- Und so nannten sich Numast – selbst aus dem zu, der seit dreissig Jahren für die Gewerkschaft gungsverhältnisse und die Gewerkschaft nicht vor- Von wegen Feierabend nationaler Sekretär von Nautilus Schweiz. Der bär- nien oder Indonesien anheuern, sie auf Basis zy- ten aufforderte, die bis dahin unorganisierten See- Zusammenschluss von drei Gewerkschaften ent- arbeitet. Inzwischen aber habe die Globalisierung kommen: Der sehr schöne, deutsch-/englischspra- tige Sechzigjährige ist seit langem gewerkschaftlich priotischer Arbeitsverträge entlohnen – und deren leute zu rekrutieren. standen – und FWZ ab 2006 Nautilus UK respekti- den Blick verändert. «Vor zwanzig, dreissig Jahren chige Fotoband zeichnet ein exzellentes Bild von der Die Arbeit ist hart und oft eintönig, von Seefahrer- aktiv. Zum Teil im englischen Kohlerevier von York- Schiffe im Heimathafen Basel nie anlegen, weil sie «Mit den Reedern kommen wir ganz gut zu- ve Nautilus NL. 2008 befürworteten die Mitglieder fuhren die meisten unserer Mitglieder auf Schif- Arbeit in der Binnenschifffahrt. PW Dieser Artikel wurde ermöglicht durch den romantik keine Spur. Früher, als noch 400 Rhein- shire aufgewachsen, arbeitete er in der Schweiz zu- auf Elbe, Donau oder Rhone unterwegs sind. recht», sagt Nick Bramley. Das zeigte auch die Jubi- den Zusammenschluss, 2009 wurde Nautilus In- fen mit britischer Flagge, britischen Offizieren und Recherchierfonds des Förder vereins ProWOZ. schiffe unter Schweizer Flagge fuhren und die Bin- erst für die Gewerkschaft GTCP, die später mit den läumsveranstaltung vor zwei Wochen in Basel, mit ternational gegründet. «Die Vorteile liegen auf der britischer Mannschaft», noch vor fünfzehn Jahren Elke Fischer, Sabine Theil: nenschifffahrt stark reguliert war, arbeiteten bis zu BauarbeiterInnen zur GBI fusionierte, dann über- der Nautilus das sechzigjährige Bestehen einer See- Hand», argumentiert Dickinson, seit Anbeginn Ge- hätten die Besatzungen auf siebzig Prozent aller «Zeit im Fluss. Mit dem Dieser Fonds unterstützt Recherchen und Die Schweiz auf hoher See Containerschiff von Basel Reportagen, die die finanziellen Möglichkeiten der zehn Mann (in sehr seltenen Fällen eine Frau) an nahm er die Seeleutesektion der Gewerkschaft Ver- leuteorganisation in der Schweiz feierte. «Wir füh- neralsekretär der neuen Gewerkschaft. «Wir kön- Schiffe nur einer Nationalität angehört. «Heute nach Rotterdam». WOZ übersteigen. Er speist sich aus Spenden der Bord; heute sind es noch vier, höchstens fünf: zwei kauf, Handel, Transport, Lebensmittel (VHTL), die Viel weiter fahren da die schweizerischen Hochsee- ren harte Verhandlungen, respektieren uns aber.» nen unsere Erfahrungen und Ressourcen bündeln, sind an Bord der meisten Schiffe fünf oder sechs Benteli Verlag. Sulgen 2013. Schiffsführer, im Idealfall ein Schiffer mit Steuer- sich 2004 der Unia anschloss – und führte 2011 die schiffe. Seit der Bundesrat im Kriegsjahr 1941 aus Das globale Arbeitskräfteangebot erlaubt es der müssen nun nicht mehr mehrere Delegationen zu Nationalitäten vertreten.» Das habe zu einem ganz 200 Seiten. Grossformat. WOZ-Leser Innen. 58 Franken. patent, zwei Matrosen. Früher war man auch nicht Schweizer SeefahrerInnen in die zwei Jahre zuvor Gründen der Versorgungssicherheit eine Handels- Gewerkschaft kaum, Löhne weit über dem ITF-Min- den internationalen Organisationen schicken und anderen Weltbild geführt: «Für unsere dreissigjäh- Förderverein ProWOZ, Postfach, 8031 Zürich, PC 80-22251-0 ständig unterwegs, sondern nur tagsüber und nie von britischen und niederländischen Gewerkschaf- marine gegründet hat, unterhält die Schweiz eine deststandard von 1800 US-Dollar im Monat durch- können so die Kosten in Grenzen halten.» Er selbst rigen Mitglieder ist das Leben an Bord bunter, sie an Sonntagen. «Heute hingegen», sagt Bodenmann, ten gegründete Nautilus International. eigene Flotte, die lange Zeit subventioniert wurde. zusetzen, sie will die Reedereien auch nicht zu den würde wahrscheinlich die grössten Zusatzaus- sind viel offener geworden.» 8 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

Inserate

La Défense – «Métro, boulot, dodo» Fotografi en von Gertrud Vogler. Mit Textbeiträgen über Architektur und Politik von Ernst Seidl

Zu Beginn der 1980er Jahre ist die spätere WOZ- Fotografi n Gertrud Vogler wiederholt in La Défense (der grössten Bürostadt Europas) unterwegs – angezogen und gleichzeitig abgestossen von einer «arroganten» Architektu r im Interesse der Konzerne, hält sie fotogra- fi sch fest, was sie interessiert. Die wissenschaftlichen Textbeiträge von Ernst Seidl, der sich über viele Jahre mit La Défense, insbesondere mit dem Projekt der Grande Arche, befasst hat, bilden ein spannendes Gegenüber zur fotografi schen Art des Erzählens. So eröffnen sich Pers- pektiven und Betrachtungsweisen, die über ihre jeweilige Entstehung hinauswirken; «un outil» – ein Werkzeug (ein Buch).

120 Seiten 188 × 240 mm 35 Abbildungen in Duplexqualität Fadenheftung, Steifbroschur 52 Franken (Versandkosten innerhalb der Schweiz inklusive)

Kreml oder Demokratie

Die Opposition traut sich auf die Strasse. Und die Mächtigen lassen immer ö er ihre demokratische Maske fallen. Dabei hat das Riesenreich Riesenprobleme: Im Fernen Osten rückt der Rivale China näher, in Sibirien naht eine Klimakatastrophe, und aus dem ganzen Land ziehen die Menschen weg in den Westen. Mit Beiträgen von Mischa Gabowitsch, Maria Lipman, Michail Ryklin, Lilja Schewzowa, Wladimir Sorokin u. a.

broschiert, 112 Seiten, ISBN 978-3-937683-40-9

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Die Armee, mal im Vorder-, mal im Hintergrund: Wandbild in Kairo mit den Expräsidenten Mursi (links) und Mubarak (rechts) sowie Exfeldmarschall Muhammad Tantawi. FOTO: K. AL-MAHDI, REUTERS

ÄGYPTEN Wer darf unter der Armee regieren? War die Absetzung des ägyptischen Präsidenten ein Putsch? Oder gerechtfertigtes Handeln auf Druck der Strasse? Sicher ist: Die Rolle der Armee war, ist und wird eine zentrale bleiben.

VON SOFIAN PHILIP NACEUR, KAIRO

Seit der Absetzung des ägyptischen Präsi- mit Israel von 1979 fliessen, kommen direkt von Gouverneursposten hielten sich FJP-Ge- ten, brachte der Staatspräsident schon nach denten Muhammad Mursi vom 3. Juli durch der Armee zu. Das erlaubt es ihr, vom Staats- treue und Vertreter des Sicherheitsapparats einem Amtsjahr weite Teile der Bevölkerung das Militär demonstrieren seine Anhänger - budget unabhängig zu bleiben und eine fi- stets die Waage. Die Generäle räumten Mursi gegen sich auf. So liess sich die Stabilität nicht In nen aus dem Umfeld der Muslimbruder- nanziell autonome Elite in Ägyptens Macht- zunächst gewisse Freiheiten ein, da sie nach wiederherstellen. schaft auf der Strasse und fordern seine apparat zu formieren. der für sie blamablen Übergangsperiode «Demokratisch gewählt und demokra- Wiedereinsetzung. «Ich fürchte mich vor Auch der Staat als Ganzes finanziert sich möglichst rasch aus der politischen Schuss- tisch abgelehnt», sagt ein Demonstrant am der Repression des Staats gegen die Muslim- nicht nur über Steuergelder, sondern ver- li nie heraustreten wollten. Nach der Revolu- Tahrirplatz in Kairo über Mursis Sturz. «Die bruderschaft», sagt Muhammad Mahmud, fügt über andere Kapital- und Geldquellen, tion 2011 hatte die Armee das Land bis zum Armee hat gezeigt, dass sie die Forderungen ein Sympathisant der Muslimbrüder aus wie etwa die Einnahmen aus dem Suezkanal, Amtsantritt Mursis autokratisch regiert und der Strasse gehört hat und dass ihre Waffen Schubra al-Chaima im Norden Kairos, «seit die jährlich fünf Milliarden US-Dollar in die immer wieder mit Gewalt Demonstrationen die unseren sind. Aber das war kein Militär- ihrer Gründung waren sie po- Staatskasse spülen. Diese Ein- niedergeschlagen. Der Zorn der Bevölkerung putsch. Die Menschen auf Ägyptens Strassen litischer Verfolgung ausgesetzt nahmen tragen ihrerseits zur richtete sich damals zunehmend gegen die haben ihn gestürzt und die Armee gezwun- und hatten keinerlei politischen 1,3 Milliarden Heranbildung einer vom Volk Militärs. gen, ihn abzusetzen», sagt er weiter. Einfluss. Die Armee hat von Be- US-Dollar abgekoppelten, korrupten Elite Was mit der Machtübernahme Mursis In der Tat haben die Massenproteste ge- ginn an versucht, Mursi zu stür- fliessen direkt bei. Dieser Staatselite, mit der zunächst wie eine Machtteilung zwischen gen den Präsidenten die Armee schliesslich zen.» Mahmud bezeichnet die ans Militär. Armee als mächtigster Frak tion, den Muslimbrüdern und den Militärs aus- gezwungen zu intervenieren. Erneut hat sie Machtübernahme der Armee ist es über viele Jahre gelungen, sah, stellte sich dann aber je länger, je mehr ihren informellen Einfluss gegen die direkte als Putsch. Diese geht mit harter ihre politische Macht zu mono- als vorübergehendes fragiles Zweckbündnis Regierungsgewalt eingetauscht. Mit der Er- Hand gegen die Muslimbrüder polisieren. Sie ist jedoch auf eine heraus. Mit der verfehlten Wirtschaftspoli- nennung des Übergangspräsidenten Adli und ihre Partei für Freiheit und gewisse Stabilität angewiesen. tik und der Kompromisslosigkeit, mit der FJP Mansur versucht sie nun, schnell wieder in Gerechtigkeit (FJP) vor. Als sich im Januar 2011 Hun- und Salafisten 2012 die neue Verfassung ent- den Hintergrund zu verschwinden – um wei- Für die Muslimbrüder war derttausende zum Aufstand for- warfen und per Referendum durchpeitsch- ter an ihrer Macht festzuhalten. der Sturz der demokratisch ge- mierten, sah sich das Militär zu wählten Regierung ein verfas- einer Umgruppierung gezwun- sungsfeindlicher Akt und eine politische Ent- gen und versuchte, neue politische Interes- machtung durch ein dafür nicht legitimiertes sengruppen aufzunehmen. Diese Transfor- Staatsorgan. Bruderschaft und FJP müssen mation ist bis heute nicht abgeschlossen. NACH DEM PUTSCH um ihren politischen Einfluss auf Ägyptens Nach dem Fall von Mubarak verlor des- Staatsorgane fürchten. Doch ist der Begriff sen Nationaldemokratische Partei (NDP) die «Staatsstreich» etwas irreführend. Er wird Unterstützung der Armee. Die NDP war als Neue Verfassung, Referendum, Wahlen den tatsächlichen Herrschaftsverhältnissen ziviles Aushängeschild der Staatselite abge- Während die Staatskrise in Ägypten eskaliert, die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (FJP), an der Staatsspitze Ägyptens nicht gerecht. wirtschaftet. Bei der Präsidentschaftswahl versucht die Staatsführung, das Land poli- sprechen von einem Massaker an einer fried- von 2012 setzte die Militärführung dann auf tisch zu stabilisieren. Ägyptens übermäch- lichen Versammlung. Die Armee sagt, eine Immer ganz oben den früheren Armeegeneral Ahmad Schafik, tiges Militär hatte vor einer Woche Staats- Menschenmenge hätte versucht, das Gelände den letzten Premierminister Mubaraks. Doch präsident Muhammad Mursi abgesetzt und der Republikanischen Garde zu stürmen. Die ägyptische Armee ist seit dem Militär- die Bevölkerung wollte es anders und wählte die Verfassung annulliert. Der von der Armee Nach tagelangem Streit wurde am Diens- putsch von 1952 ununterbrochen an der Muhammad Mursi ins höchste zivile Staats- eingesetzte Übergangspräsident Adli Mansur tag Hasem al-Beblawi, ein liberaler Ökonom politischen Macht beteiligt und seither die amt. Die Armee war damit gezwungen, eine kündigte an, innerhalb von sechs Monaten aus der Sozialdemokratischen Partei, zum einflussreichste Frak tion innerhalb der neue politische Kraft in den Machtapparat zu Parlamentswahlen abhalten zu wollen. Zu- neuen Ministerpräsidenten ernannt. Die Er- ägyptischen Staatselite. Seit 1952 waren alle integrieren. vor soll die Verfassung überarbeitet und per nennung von Muhammad al-Baradei, ehe- Vorgänger Muhammad Mursis an der Staats- Referendum verabschiedet werden. Mansur maliger Chef der Internationalen Atomener- spitze ranghohe Vertreter der Streitkräfte. Zweckbündnis statt Machtteilung legte zudem eine Verfassungserklärung vor, giebehörde und Kopf der liberalen Opposi- Der 2011 gestürzte Präsident Hosni Mubarak die seiner Übergangsregierung vorüberge- tion, scheiterte zuvor am Widerstand der war vor seiner Amtsübernahme im Jahr 1981 Nach Mursis Amtsübernahme stellten die hende legislative Vollmachten ausstellt. Salafisten. Deren politischer Arm, die Partei Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Das Militär Militärs erneut den Verteidigungsminister Mansurs ambitionierter Fahrplan wur- Das Licht, zog sich aber danach aus Protest ist ein wichtiger wirtschaftlicher Akteur und und versuchten von Beginn an, den Einfluss de nur Stunden nach den Zusammenstössen gegen die Gewalt der Armee gegen die An- kontrolliert dank Import- und Exportmono- der FJP einzuschränken. Mursi versuchte zwischen Sicherheitskräften und An hänger- hän ger In nen Mursis aus den Verhandlungen polen Teile des Aussenhandels. Die jährlich derweil, Schlüsselposten im Staatsapparat In nen Mursis veröffentlicht, bei denen min- über die Übergangsregierung zurück. Al- 1,3 Milliarden US-Dollar Militärhilfe aus den mit Verbündeten zu besetzen, um sich eine destens 51 Demonstranten getötet wurden. Baradei wurde inzwischen zum Vizepräsi- USA, die seit dem Friedensvertrag Ägyptens Machtbasis aufzubauen. Bei der Besetzung Die Muslimbrüder und ihr politischer Arm, denten ernannt. SOFIAN PHILIP NACEUR 10 International WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

KOMMENTAR VON BERNHARD SCHMID, PARIS USA Drohungen eines Terroristenfreunds Wenn auch die Linken Kaum hatte Venezuelas Präsident Nicolás Ma- US-Geheimdiensts CIA. Von dort wechselte er duro den Whistleblower Edward Snowden zum Geheimdienst von Venezuela und nahm eingeladen, in seinem Land Zuflucht vor den auch die venezolanische Staatsbürgerschaft Strafverfolgungsbehörden der USA zu suchen, an. Sein bekanntestes Attentat: Nach Unterla- nicht mehr an da hagelte es böse Worte aus Washington. Am gen der US-amerikanischen Bundespolizei FBI lautesten drohte Robert Menendez, demokra- war er verantwortlich für einen Sprengstoff- tischer Senator und Vorsitzender des Komi- anschlag gegen eine kubanische Verkehrsma- Alternativen glauben tees für internationale Beziehungen. Sollte schine, die am 6. Oktober 1976 im Luftraum der ehemalige Mitarbeiter des Geheimdiensts Venezuelas explodierte. Alle 73 Passagiere Die linke Regierung Frankreichs nähert sich in ihrer Wirtschafts- und NSA tatsächlich von Russland nach Venezuela kamen ums Leben. Posada Carriles wurde in Sozialpolitik immer mehr der früheren Regierung unter Nicolas Sarkozy an. reisen und von dort dann nicht an die USA aus- Untersuchungshaft genommen. 1985 gelang geliefert werden, habe dies für das Gastland ihm mithilfe eines katholischen Priesters die «schwerwiegende politische und wirtschaft- Flucht. Danach organisierte er in El Salvador liche Folgen». Ähnliches gelte für Bolivien und illegale Waffenlieferungen der USA an die anti- Nicaragua, deren Regierungen Snowden eben- sandinistischen Contras in Nicaragua. falls Asyl angeboten haben. Ende 1997 heuerte Carriles in El Salvador Ausgerechnet Menendez! Der Vertreter Handlanger an, die für ihn Bomben in Hotels in des Staats New Jersey ist als guter Freund des Havanna legten. Bei einer dieser Explosionen exilkubanischen Terroristen Luis Posada Car- wurde ein italienischer Geschäftsmann getö- riles bekannt, dessen Auslieferung wiederum tet. Und 2000 wollte er es noch einmal wissen: Venezuela verlangt. Zuletzt sah man Menendez Der damalige kubanische Staatspräsident Fidel und Posada Carriles im Mai vor zwei Jahren Castro sollte bei einem Besuch in Panama in die in einem New Yorker Restaurant miteinander Luft gesprengt werden. Das geplante Attentat speisen. flog auf, Posada Carriles kam ins Gefängnis, Der heute 85-jährige Posada Carriles ist wurde 2004 aber auf Bitte des damaligen US- ein kubanischer Konterrevolutionär der ersten Präsidenten George W. Bush begnadigt. Posada Stunde. Im April 1961 nahm er am geschei- Carriles lebt heute unbehelligt in den USA. Aus- terten Invasionsversuch in der Schweinebucht lieferungsbegehren von Kuba und Venezuela teil, danach arbeitete er bis 1967 als Agent des wurden stets abgelehnt. KEP

BRITANNIEN Zerrüttung bis hin zur Scheidung Gibts auch unter Staatspräsident Hollande nichts Besseres? Der 87-jährige Eugène lebt in Nizza und ernährt sich aus den Abfallcontainern von Supermärkten. FOTO: ERIC GAILLARD, REUTERS Der Labour-Vorsitzende Ed Miliband und die grosse Gewerkschaft Unite haben sich in einen Konflikt treiben lassen, Es gibt keine Alternative zu Sozialabbau und die ungünstiger für die Beschäftigten ausfallen der nur der Parteirechten nützt – und den Tories. Sparkurs. Diesen Anschein erweckt derzeit die als eigentlich geltendes Recht. sozialdemokratisch-grüne Regierung Frank- Die Unterstützung dieser Reformen VON PIT WUHRER reichs unter Staatspräsident François Hollande. durch links-grüne Abgeordnete und auch viele Ganz macht es den Eindruck, als hätte die bür- GewerkschafterInnen ist eigentlich kaum zu gerliche Vorgängerregierung unter Nicolas Sar- erklären. Doch die Krise des Finanzsektors Es ist schon erstaunlich. Da hat die regierende einer Unterhausbar aus der Partei ausgeschlos- kozy doch nicht so unrecht gehabt, als sie bei von 2008 wirkt bis heute nach. Die damaligen konservativ-liberale Koalition vor zwei Wo- sen worden war. Als gesichert gilt, dass Unite ihren Sozialabbauvorhaben immer wieder mit staatlichen Eingriffe zur Rettung der Banken chen eine atemberaubende Verlängerung der ihre Mitglieder in Falkirk dazu aufrief, Labour ökonomischen Sachzwängen argumentierte. lösten hohe zusätzliche Staatsausgaben aus. Austeritätspolitik bis 2018 angekündigt, die als Einzelmitglieder beizutreten, um am Aus- Damals bekämpften die SozialdemokratInnen Die Schuldenlasten der Staaten stiegen. Das hat Gemeindebudgets um weitere zehn Prozent wahlprozess teilnehmen zu können. Seit einem besonders zwei Massnahmen heftig: die Anhe- auch in der Linken zu Panik geführt. Politische gekürzt und den Arbeitslosen noch mehr Un- Jahr schon vertritt McCluskey diese Strategie bung der Mehrwertsteuer und Beschränkun- wie gewerkschaftliche Kräfte glauben nicht terstützung gestrichen. Und was tut die op posi- des Entrismus – «damit endlich wieder mehr gen bei der Gültigkeit von Kollektivverträgen mehr an Gestaltungsspielräume. Sie streiten tio nel le Labour-Partei? Sie zerlegt sich in einem Arbeitervertreter im Parlament sitzen». zwischen Gewerkschaften und Unternehmens- nur noch über Details. Darüber hinaus besteht Machtkampf, der den grossen Auseinander- Eine berechtigte Forderung. Doch dann verbänden – genau in diesen beiden Punkten ein Konsens. Und der besagt: Es fehlt das Geld. setzungen Mitte der neunziger Jahre in nichts kamen im Parteivorstand, der weiterhin von sind sie nun eingeknickt. Dabei geht etwa vergessen, dass Frank- nachsteht. Damals hatte New Labour unter Tony Blairs An hän ger In nen dominiert wird, Noch im Juni 2012 hatte die neue links- reich unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg Tony Blair gegen den heftigen Widerstand der Stimmen auf: Diese Neumitglieder hätten gar grüne Mehrheit in einer der ersten Parlaments- eine Sozial-, eine Kranken- und eine Arbeits- Parteilinken den programmatischen Artikel 4 nichts von ihrem Beitritt gewusst, zudem wür- abstimmungen nach den Wahlen beschlossen, losenversicherung einführen konnte, obwohl (Verstaatlichung der Schlüsselindustrien) aus de Unite für deren Mitgliedsbeitrag aufkom- die von Sarkozy durchgesetzte in dem kriegszerstörten Land den Parteistatuten gekippt. Und nun will der men. Der Vorstand untersuchte kurz (ohne die Erhöhung der Mehrwertsteuer gleichzeitig riesige Kosten für rechte Parteiflügel – zum grossen Vergnügen Beschuldigten anzuhören), schrieb einen Be- wieder rückgängig zu machen. Vor zehn Jahren den Wiederaufbau aufzubringen der Konservativen – auch noch die tra di tio nel- richt – und übergab ihn der Polizei. Das löste Sarkozy wollte damals im Gegen- hätten solche waren. Heute spricht niemand le Verbindung zu den Gewerkschaften kappen. die bisher grösste Krise in Milibands Amtszeit zug die Unternehmen steuerlich Ankündigungen mehr von progressiven Reformen. Die 1900 von den Trade Unions gegrün- aus. Die mehrheitlich konservativen Medien entlasten, um deren Wettbe- zu einem sozialen Im Gegenteil. Bereits kün- dete Labour-Partei wurde anders strukturiert schrieben von «Stimmenkauf» und von einer werbsfähigkeit zu steigern. Die digt sich ein nächster Einschnitt als die sozialdemokratischen Parteien Konti- Partei, die «unter der Fuchtel der Gewerkschaf- Linke kritisierte den unsozialen Aufruhr geführt. an: Anfang Juli begann die Re- nentaleuropas. Sie bestand aus einem Bündnis ten» stehe. Charakter der Mehrwertsteu- gierung die sogenannte Konzer- von linken Gruppierungen, Vereinen, Gewerk- ererhöhung. Die Konsumsteu- tierung über eine Rentenreform, schaften und lokalen Gliederungen; selbst die Der Einfluss der MilliardärInnen er treffe vor allem die ärmeren für die die wichtigsten Akteur- britische KP gehörte ihr in den zwanziger Jah- Schichten. Innen zur Beratung an einen ren vorübergehend an. Lange Zeit gaben die der Dass es vor allem Blair war, der nach seiner Doch das war gestern. Auf Tisch geladen wurden. Die letzte Partei angeschlossenen Gewerkschaften den Wahl zum Premierminister 1997 und der nach- den 1. Januar 2014 wird die Rentenreform liegt drei Jahre Ton an, die auf ihren Jahreshauptversamm- folgenden Zentralisierung der Partei landauf, Mehrwertsteuer ansteigen. Bereits im Win- zurück und wurde im November 2010 von der lungen noch immer in schöner Regelmässigkeit landab und oft gegen den Willen der Basis Un- ter stimmte das Parlament einer leicht abge- rechten Mehrheit im Parlament und gegen er- die Erhebung eines politischen Beitrags be- ter haus kan di dat In nen durchsetzte, sich und änderten Fassung zu. Der Unterschied zum bitterte Widerstände von Linksparteien und schliessen, der Labour zugutekommt. Ohne die den Seinen regelmässig sichere Wahlkreise Vorhaben der alten Rechtsregierung besteht Gewerkschaften verabschiedet. Dabei wurde fi nan ziel le Unterstützung der Gewerkschafts- besorgte und im Jahr 2000 ohne die Billigung lediglich darin, dass die verschiedenen Mehr- die Anzahl der erforderlichen Beitragsjahre für mitglieder wäre die Partei längst pleite. Dafür der Londoner Mitglieder die Bürgermeister- wertsteuersätze unterschiedlich stark erhöht die Beschäftigten von bislang 40 auf 41,5 hoch- hatten die Gewerkschaften ein erhebliches kandidatur von Ken Living stone verhindern werden. Der oberste von drei Sätzen sollte unter gesetzt. Mitspracherecht – von dem auch der Labour- wollte – das alles thematisierte die Parteirechte der Rechtsregierung von 19,6 auf 21,2 Prozent Neu soll man jetzt, je nach Geburtsjahr- Vorsitzende Ed Miliband profitierte. Während in i hrem Report jedoch nicht. Dieser erwähnte angehoben werden. Nun wird der oberste nur gang, 43 oder 44 Jahre lang in die Rentenkassen sich 2010, nach der Wahlniederlage, Labour- auch nicht, dass inzwischen reiche Sponsor- auf 20 Prozent steigen, während der mittlere einbezahlen, um in Pension gehen zu können. Unterhausabgeordnete und -Einzelmitglieder Innen wie der Mil liar där Lord Sainsbury erheb- von zuvor 7 auf 10 Prozent klettert. Eine weitere Massnahme sieht ein mehrjähriges mehrheitlich für Milibands Bruder David, lich mehr Einfluss auf Labours Auswahl des po- Ein anderes, besonders stark umstrit- Einfrieren der Rentenhöhe vor. e inen Vertreter des blairistischen Flügels, als litischen Personals haben als die drei Mil lio nen tenes Vorhaben der alten Regierung sah vor, Noch vor zehn Jahren hätte eine solche Parteivorsitzenden aussprachen, votierten die Mitglieder der Labour-nahen Gewerkschaften dass Unternehmen «Kollektivverträge zur Ankündigung zu einem sozialen Aufruhr ge- Gewerkschaften mit ihren Blockstimmen für zusammen. Wettbewerbsfähigkeit» abschliessen dürfen. führt. Diesmal nimmt es die Öffentlichkeit er- Ed. Sie versprachen sich von ihm einen Kurs- Der Konflikt um die Falkirk-Marginalie Diese sollten es erlauben, dass in Krisenzeiten staunlich ruhig hin. Immerhin haben eini ge Ge- wechsel: eine Abkehr von der neoliberalen ist vor allem ein Kampf um den Kurs der Partei, auf betrieblicher Ebene, nach Vereinbarung werkschaften ihren Widerstand an ge kün digt. New-Labour- Politik. die – auch aufgrund von Tony Blairs Einsatz für zwischen Unternehmensleitung und Gewerk- Sie rufen für den 10. September – nach dem den Irakkrieg – im letzten Jahrzehnt über die schaften, die Löhne unter geltendes (kollek- Ende der politischen Sommerpause – zu Streiks Blair ist immer noch da Hälfte ihrer Einzelmitglieder verloren hat. Am tivvertragliches) Recht abgesenkt oder aber und Demonstrationen auf. «Es ist nicht klar, ob Dienstag gab der angeschlagene Ed Miliband die Arbeitszeit erhöht werden können – unter wirklich eine Dynamik zustande kommt», re- Und nun der Konflikt – ausgerechnet zwischen eine Neuregelung der Beziehungen zu den Umständen ohne Lohnausgleich. Auch dagegen lativiert ein Führungsmitglied der Bildungs- Ed Miliband, dem Hoffnungsträger, und Len Gewerkschaften bekannt, die auf eine formale machte die damalige Opposition erbitterten gewerkschaft FSU gegenüber der WOZ. Die McCluskey, dem linken Chef der mit 1,5 Mil lio- Trennung hinausläuft. Überraschend kam die- Wahlkampf. Und auch diese Massnahme wird Niederlage beim letzten grossen gewerkschaft- nen Mitgliedern grössten britischen Gewerk- ser Schritt keineswegs. Unter dem Druck der nun kommen. Ein Gesetz vom Mai erlaubt es, lichen Widerstand gegen die Rentenreform von schaft Unite. Der Anlass war vergleichsweise alten Parteielite, die weiterhin auf Blair hört, für eine Dauer von bis zu zwei Jahren – und 2010 hat ihre Spuren hinterlassen. Auch viele gering. Im schottischen Wahlkreis Falkirk hatte er erst vor kurzem die konservativen ohne dass eine Verlängerung ausgeschlossen Gewerkschaftsmitglieder glauben inzwischen suchte Labour eineN NachfolgerIn für einen Austeritätspläne der Regierung weitgehend wäre – betriebliche Vereinbarungen zu treffen, an das Gerede von der Alternativlosigkeit. Abgeordneten, der nach einer Schlägerei in gutgeheissen. International 11 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

BRASILIENS POLIZEI Das brutale Erbe der Militärdiktatur Die brasilianische Militärpolizei ist für ihre Gewalttätigkeit berüchtigt. Die Übergriffe eines Korps trugen massgeblich zur Protestwelle im ganzen Land bei.

VON CARLOS HANIMANN, SÃO PAULO

Die berüchtigte Truppe «Choque» im Einsatz: São Paulo am Abend des 18. Juni. FOTO: VICTOR MORIYAMA, REUTERS

Niemand hatte das Zischen in der Dunkelheit zwei der wichtigsten Ausfallstrassen im Wes- öffentliche Verkehrsmittel. Aber der Protest Für den Strafrechtsprofessor Túlio Vian- gehört. Erst als Blech schepperte und ein we- ten São Paulos gezogen waren, bis die Militär- richtete sich auch gegen die Gewalt der Polizei, na liegt das Problem aber viel tiefer. Seit lan- nig Rauch aufstieg, flohen die Menschen in polizei sie mit massivem Tränengaseinsatz in die im Herzen der reichen Stadt São Paulo zu gem fordert er die Demilitarisierung der Poli- alle Richtungen. Ein Blitz. Ein Knall. Geschrei. Seitenstrassen drängte. sehen war, im Finanzzentrum an der Avenida zei. Damit steht er nicht allein. Ende Mai emp- Und dann ein bedrohliches Stakkato in der Fer- Die Polizei wollte also an diesem Abend Paulista. Seither ist Brasilien nicht mehr zur fahl der Uno-Menschenrechtsrat Brasilien, die ne: Tschok! Tschok! Tschok! Der Besitzer der keine Strassenblockaden mehr dulden. Noch Ruhe gekommen. Die Proteste verlagerten sich Militärpolizei endgültig aufzulösen. Sie ist das Tankstelle hatte so viele Leute eingelassen wie während ein Kommandant der Militärpolizei weg von der Wirtschaftsmetropole hin zu den sichtbarste Erbe der Militärdiktatur, die 1985 möglich und danach die Glastür zugesperrt. Er mit den Mitgliedern des Movimento Passe Li- Spielstätten des Konföderationencups und ha- zu Ende ging, und steht damit symbolhaft für rief etwas, doch seine Stimme ging im Geböller vre die Demonstrationsroute verhandelte, nä- ben erst seit dessen Ende etwas abgenommen. die Schwierigkeiten Brasiliens, sich von seiner der Schockgranaten und Tränengaspetarden herten sich von hinten bereits die Grenadiere militaristischen Vergangenheit zu lösen. unter, die ohne Warnung aus dem Nichts ge- des «Choque», der berüchtigten Schocktruppe Racheaktion in der Favela Das Grundübel der Polizeigewalt sieht flogen kamen. Ein Blitz. Ein Knall. Und dann der Militärpolizei. Vianna denn auch in der militärischen Organi- wieder dieses Stampfen. Die Flüchtenden baten Tschok! Tschok! Tschok! Rio de Janeiro, Ende Juni: Als die Proteste auf sation der Korps. Zwar gibt es in Brasilien neben immer noch um Einlass in den Tankstellen- Eine gefühlte Ewigkeit lang donnerten Brasiliens Strassen den Höhepunkt erreichten, der Militärpolizei auch eine zivile Polizei, aller- shop, bis sie endlich begriffen, dass sie hier die Gummischrot-, Tränengas- und Schock - stürmte eine Sondereinheit der Militärpolizei dings ist diese lediglich für die detektivische keinen Schutz finden würden, und eine andere granatensalven aus allen Richtungen. Die Men- in die Favela Nova Holanda im Complexo da Strafverfolgung zuständig. Die uniformierten Richtung einschlugen. In der Rua Augusta, der schen flüchteten in Panik. Es war der Anfang Maré, einem Zusammenschluss mehrerer Fave- PolizistInnen, die im Alltag um die Einhaltung Ausgangsmeile in São Paulos Zentrum, stellten einer stundenlangen wüsten und chaotischen las im Norden Rio de Janeiros, wo rund 140 000 der Gesetze besorgt sind, gehören zum Militär. sich Schatten vor die blendenden Lichter eines Schlacht im Zentrum São Paulos, die das ganze Menschen leben. Nachdem es am Rand der De- Sie werden entsprechend ausgebildet und un- dunklen Panzerwagens und gingen langsam Land aufwecken sollte. monstrationen zu Raubüberfällen gekommen terstehen der Militärgesetzgebung. die Strasse abwärts. Mit jedem Schritt wurde war, sei eine Gruppe Verdächtiger in die Favela Túlio Vianna erscheint im schwachen ihr Stampfen lauter, bis sie so nah waren, dass Schockierte Mittelschicht geflüchtet, gab die Polizei später bekannt. Es Licht eines Scheinwerfers auf dem Platz des man erkennen konnte, wie sie mit Stöcken auf kam zu Schiessereien, ein Polizist verlor sein Kunstmuseums von São Paulo. Seit den Pro- ihre Schilde schlugen und mit aller Kraft den Die MilitärpolizistInnen griffen in dieser Nacht Leben. Daraufhin folgte eine Racheaktion testen finden im Stadtzentrum mehrmals in Namen ihrer Truppe in die Nacht brüllten: PassantInnen an und prügelten auf sie ein, der Militärpolizei: Die Sondereinheit stürmte der Woche öffentliche Vorlesungen, Diskus- «Choque! Choque! Choque!» nahmen Dutzende DemonstrantInnen fest und die Favela, trat Türen ein und zerschlug Fens- sionsrunden und ähnliche Veranstaltungen Es war Donnerstagabend, der 13. Juni, gingen nicht zuletzt auch gezielt auf Fotografen, ter, beschimpfte und schlug BewohnerInnen. statt. Vianna sagt: «Das Problem ist die Struk- wenige Stunden zuvor hatten sich auf dem Filmerinnen und Reporter los, die die Gewalt Immer mit dabei: der riesige, tur des Militarismus. Seine Logik Platz vor dem Stadttheater São Paulos über dokumentierten. Ausgerechnet das brutale schwarze Panzerwagen, den die ist, Soldaten für den Krieg aus- 10 000 Menschen zusammengefunden, um Vorgehen der Militärpolizei trug schliesslich BrasilianerInnen nur «caveirão» «Die Polizei soll zubilden. Sie müssen den Feind zum vierten Mal innert Wochenfrist gegen die dazu bei, dass die grossen Medienhäuser ihre nennen – grosser Totenkopf. In niemanden ausschalten. Aber die Polizei soll Erhöhung der Bustarife zu protestieren. Schon Einstellung zu den Protesten über Nacht än- den Feuergefechten, die bis in die umbringen, niemanden umbringen, höchs- zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass es bei derten und damit auch die öffentliche Meinung Morgenstunden dauerten, tötete höchstens im tens im Ausnahmefall. Sie muss den Demonstrationen des Movimento Passe Li- beeinflussten. Die sogenannte Mittelklasse, die Sondereinheit mindestens Verdächtige festnehmen und der vre nicht nur um die Preiserhöhung von umge- die die Bilder am Fernsehen, auf sozialen Me- neun Menschen. Sieben weitere Ausnahmefall.» Justiz überweisen.» Die Soldat- rechnet 1.50 auf 1.60 Franken ging. Die Kund- dien oder am nächsten Tag in den Zeitungen wurden verletzt. Die Bewohner- Túlio Vianna, Strafrechtler Innen würden zum Gehorsam gebungen waren von Mal zu Mal grösser ge- sah, war schockiert. Über das Wochenende Innen der Favela berichteten der erzogen, dürften keine Befehle worden und hatten an Stärke gewonnen, auch lud sich die Empörung auf, sodass am Montag, unabhängigen Onlineplattform infrage stellen. Sie gehorchten wenn die grossen Medien die Demonstrant- dem 17. Juni, in Hunderten Städten Brasiliens «Publica» – aus Angst vor poli- einer strikten Hierarchie. «Und Innen durchs Band als «Vagabunden und Van- über eine Million Menschen mit einem wilden zeilichen Racheakten nur ano- wer steht in der Hierarchie unter dalen» bezeichneten, die den empfindlichen Durcheinander an Forderungen auf die Strasse nym – dass die PolizistInnen mit dem einfachen Soldaten?», fragt Feierabendverkehr störten: 226 Kilometer Stau gingen: gegen Korruption, gegen die Fussball- äusserster Brutalität vorgegangen seien und sie Vianna. «Der Zivilist, der Bürger. So bilden wir hatte eine Kundgebung in der Vorwoche verur- WM, für bessere Schulen, ein besseres Gesund- stundenlang terrorisiert hätten. «Es geht nicht eine gewalttätige Polizei aus, die gegen den sacht, als rund 5000 DemonstrantInnen über heitssystem, höhere Löhne und ordentliche nur darum, dass die Leute sterben», sagte ein Bürger vorgeht, als wäre er ein äusserer Feind.» Fotograf. «Der Tod ist nur der sichtbarste Teil 2011 wurde im brasilianischen Senat ein der Gewalt. Aber die Gewalt, die uns wider- Vorstoss für eine Verfassungsänderung ein- fährt, ist allgegenwärtig, sie ist auch psycholo- gereicht, die es den Bundesstaaten erlauben gischer Natur. Die Angst prägt unser ganzes Le- würde, die zivile und die militärische Polizei DIE FOLGEN DER REVOLTE ben.» Auf einer Kundgebung gegen die Polizei- zusammenzulegen. Laut Vianna würde das die gewalt trugen die BewohnerInnen der Favela Effizienz der Polizei steigern, den PolizistInnen ein Transparent vor sich her: «Die Polizei, die bessere Karrieremöglichkeiten bieten, aber vor Vom Protest zum landesweiten Streik auf den Avenidas unterdrückt, ist dieselbe, die allem dazu führen, dass das Fehlverhalten von Niemand in Brasilien hatte wegen Tariferhö- nengas allmählich verzieht, wird deutlich, wie in den Favelas tötet.» Aber der grosse öffent- PolizistInnen von einem ordentlichen Gericht hungen für Busfahrten derart heftige Proteste schwierig es ist, den Forderungen gerecht zu liche Aufschrei blieb aus. beurteilt würde – und nicht von der Militär- erwartet. Entsprechend hart gaben sich an- werden. Die von Rousseff in Aussicht gestellte justiz. fangs die PolitikerInnen. Man werde die hö- Volksabstimmung über ihr Reformpaket wur- Falsche Ausbildung Dass sich nach dem gewaltsamen Vorge- heren Preise keinesfalls zurücknehmen, hiess de von VerfassungsexpertInnen vehement kri- hen der Militärpolizei gegen die Demonstrant- es, zumal die Anhebung tiefer als die Inflation tisiert, sodass die Präsidentin letzte Woche zu- Während die Militärpolizei in den Zentren der Innen eine breite Masse gegen die Repression ausgefallen sei. Zwei Wochen nach den ersten rückkrebste und es wohl erst nach den Wahlen Städte Gummischrot einsetzt, schiesst sie in wehrte und erst recht auf die Strasse ging, sei Demonstrationen sah alles anders aus: Der 2014 zu einer solchen Abstimmung kommen den urbanen Peripherien scharf. 2262 Men- ein positives Zeichen. «Die Polizei war immer Bürgermeister von São Paulo musste auf die könnte. Rousseff ist arg unter Druck geraten, schen tötete die Militärpolizei zwischen 2006 schon gewalttätig», sagt Vianna. «Gegen die Preiserhöhung verzichten, fünfzig weitere ihre Beliebtheit laut einer Umfrage massiv ge- und 2010 allein im Bundesstaat São Paulo – Peripherie, gegen Arme, gegen Schwarze. Nur Städte folgten dem Beispiel. sunken. Nur noch 30 Prozent der Bevölkerung mehr als im selben Zeitraum in den gesamten filmte das keine Kamera. Wenn zehn oder zwan- Auch auf nationaler Ebene beeilte sich die befürworten ihre Politik, drei Wochen zuvor USA von Polizeikräften getötet wurden. Erklärt zig Menschen in der Favela sterben, ist das eine Politik, der Protestbewegung Gehör zu schen- waren noch 57 Prozent von ihr überzeugt ge- wird die massive Gewalt der Militärpolizei Randnotiz. Bei den Protesten wurde die Gewalt ken, die neben der Frage der Bustarife noch wesen. Den Donnerstag dieser Woche haben meist mit dem permanenten Druck, dem die der Polizei aber live am Fernsehen übertragen. ganz andere Forderungen aufgestellt hatte die Gewerkschaften zum «Tag des Kampfes» PolizistInnen ausgesetzt sind. In der zweiten Sie traf die Mittelklasse. Als einer Journalistin (vgl. Haupttext). Präsidentin Dilma Rousseff, erklärt. Mit landesweiten Streiks und Demons- Junihälfte starben in São Paulo acht Polizisten. mit Gummischrot ins Auge geschossen wurde, die sich im kommenden Jahr zur Wiederwahl trationen soll erreicht werden, dass die gesetz- Die Angst, selbst Opfer zu werden, führe zu vor- da erschraken die TV- ZuschauerInnen plötzlich stellen wird, kündigte eiligst eine Reihe von liche Wochenarbeitszeit auf vierzig Stunden schnellem Handeln und Fehlern der Polizist- und sagten sich: Mein Gott, das könnte meine politischen Reformen an. Nun, da sich das Trä- reduziert wird. CH Innen, heisst es. Tochter sein.» 12 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

DURCH DEN MONAT MIT GEORG BÜCHNER (TEIL 2) WOZ: Georg Büchner, im Oktober 1836, kurz Flüchtlinge gehöre, gegen welche die Schweiz nach Ihrem 23. Geburtstag, machten Sie sich und Frankreich die bekannten Massregeln er- von Strassburg aus, wo Sie als Flüchtling lebten, griffen hatten. Schliesslich wurde ich für die auf die Reise nach Zürich. Wieso Zürich? Probevorlesung zugelassen. Am 5. November Herrschte in Zürich Georg Büchner: Die politischen Verhält- las ich «Über die Schädelnerven» und wurde da- nisse Deutschlands zwangen mich schon ein- raufhin zum Privatdozenten ernannt. einhalb Jahre zuvor, mein Vaterland zu verlas- sen. So setzte ich meine medizinischen und Und wie erlebten Sie die damalige Schweiz? eigentlich Anarchie? zoologischen Studien zunächst in Strassburg Was das politische Treiben anlangte, so Der Schriftsteller Georg Büchner über seine Zeit fort. In die Schweiz wollte ich aber bereits im durfte man sich nicht durch die Ammenmär- Frühling 1836. Doch die damaligen Vorfälle in chen in deutschen Zeitungen stören lassen. als politischer Flüchtling und Anatomiedozent in Zürich, Zürich hielten mich davon ab. Die Schweiz war eine , und weil die seine Vorliebe für Casinos und den durchgreifenden Leute sich gewöhnlich nicht anders zu helfen Wohlstand in der Zwinglistadt. Was war geschehen? wussten, als dass sie sagten, jede Republik sei Unter dem Vorwand, die deutschen unmöglich, erzählten sie den guten Deutschen VON ADRIAN RIKLIN (INTERVIEW) UND PHILIP BÜRLI (ILLUSTRATION) Flüchtlinge beabsichtigten einen Einfall in jeden Tag von Anarchie, Mord und Totschlag. Deutschland, wurden von der Züricher Polizei Die Wirklichkeit war anders. Verhaftungen unter denselben vorgenommen. Nun wusste ich aber, dass die meisten Flücht- Wie denn? linge jeden direkten revolutionären Versuch Schon unterwegs sah man überall freund- unter den damaligen Verhältnissen für Unsinn liche Dörfer mit schönen Häusern. Und dann, hielten. Die Hauptrolle unter den Verschwo- je mehr man sich Zürich näherte und gar am renen soll ein gewisser Herr von Eib gespielt See hin, ein durchgreifender Wohlstand. Dör- haben. Dass dieses Individuum ein Agent des fer und Städtchen hatten ein Aussehen, wovon Bundestags gewesen sein könnte, ist mehr als man in Deutschland keinen Begriff hatte. Die wahrscheinlich. Strassen liefen hier nicht voll Soldaten, Acces- sisten und faulen Staatsdienern, man riskierte Gab es Indizien dafür? nicht, von einer adligen Kutsche überfahren zu Die Pässe, welche die Züricher Polizei werden; dafür überall ein gesundes, kräftiges bei ihm fand. Und der Umstand, dass er starke Volk, und um wenig Geld eine einfache, gute, Summen von einem Frankfurter Handelshause rein republikanische Regierung, die sich durch bezog. Übrigens war dieser von Eib schon frü- eine Vermögenssteuer erhielt – eine Art Steuer, her verdächtig. Jedenfalls wurde der Plan ver- die man in Deutschland wohl überall als den eitelt und war die Sache für die Mehrzahl der Gipfel der Anarchie ausgeschrieen hätte. Flüchtlinge ohne Folgen geblieben, sodass ich mich im Herbst entschloss, nach Zürich auszu- Sie konnten also in Ruhe dozieren? reisen. Hierfür hatte ich der Philosophischen Ja, es waren gute Umstände. Ich wohnte Fakultät meine Untersuchung «Über das Ner- in der Spiegelgasse 12 im Hause des liberalen vensystem der Barbe» geschickt. Regierungsrats Dr. med. Zehnder, wo noch wei- tere politische Flüchtlinge waren. Am 26. No- Mit welchem Ergebnis? vember erhielt ich eine vorläufige Asylaufent- Am 3. September 1836 wurde ich zum haltsgenehmigung für sechs Monate im Kanton Doctor philosophiae kreiert. Nach einem so Zürich. So hielt ich bis Ende Januar 1837 mein günstigen Urteile der Herren Professoren Oken, erstes Kolleg «Zoologische Demonstrationen», Schinz, Löwig und Heer konnte ich hoffen, auch wofür ich das gesamte Kopfnerven system der als Privatdozent aufgenommen zu werden. Fische jeweils an frischen Exemplaren präpa- rierte, und wollte dann im Februar zur Anato- Was hätte Sie daran hindern können? mie der Amphibien übergehen. Daneben arbei- Als ich am 22. September 1836 bei den Be- tete ich an meinen Dramen: «Leonce und Lena», hörden in Strassburg um einen Pass nachsuchte, «Woyzeck» und «Pietro Aretino». Dafür mietete erklärten mir diese, es sei ihnen auf Ansuchen ich mir Ende Januar ein grosses Zimmer am Zü- der Schweiz untersagt, einem Flüchtling einen richsee an. Pass auszustellen, der nicht von einer Schwei- zer Behörde die schriftliche Autorisation zum Und wie verbrachten Sie die Freizeit? Aufenthalt in ihrem Bezirk vorweisen könne. Jeden Abend sass ich eine oder zwei Stun- den im Kasino. Ich hatte eine Vorliebe für schö- Was haben Sie daraufhin unternommen? ne Säle, Lichter und Menschen um mich. Ich wandte mich an den Züricher Bürger- Der deutsche Schriftsteller Georg Büchner feiert meister Hess, mit der Bitte um die von Strass- am 17. Oktober seinen 200. Geburtstag. Vom burg verlangte Autorisation. Dazu legte ich ein 18. Oktober 1836 bis zu seinem typhusbedingten Zeugnis bei, welches beweisen konnte, dass ich Tod am 19. Februar 1837 lebte er in Zürich. seit der Entfernung aus meinem Vaterlande al- Büchners Antworten sind aus Briefwechseln Georg Büchner: «Die deutschen Zeitungen erzählten den guten Deutschen jeden Tag len politischen Umtrieben fremd geblieben bin zusammengesetzt und ergänzt mit Erinnerungen von Mord und Totschlag in der Schweiz. Die Wirklichkeit war anders.» und somit nicht unter die Kategorie derjenigen eines damaligen Schülers.

FUSSBALL UND ANDERE R ANDSPORTARTEN Die Urform menschlichen Strebens PEDRO LENZ erklärt, wieso Velofahren archaischer ist als Schwingen oder Boxen

Es war ein heisser Sommernachmittag an ei- An allen Ecken herrschten hektische Be- ihre Gesundheit und ihren guten Ruf aufs Spiel mit den Füssen beherrschen, bevor wir zulan- ner Autobahnraststätte im Süden Frankreichs. triebsamkeit und freudige Anspannung. Die setzen, um ins Ziel zu kommen. Das sei das Ein- gen können. Trampeln ist die Urform mensch- Sämtliche Regionalzeitungen am Kiosk hatten ganze Szenerie war ein wenig surreal, weil an malige am Radsport, dass er sich immer an der lichen Strebens. Es gibt keinen andern Sport, ihre Frontseiten den Ereignissen der Tour de diesem verlorenen Ort bei der Autobahn weit Grenze der menschlichen Leidensfähigkeit und der wie das Radfahren alle sozialen Schich- France gewidmet. Auf dem Parkplatz standen und breit kein Velofahrer zu sehen war. Doch an der Grenze der Legalität bewege. Die Hel- ten gleichermassen bewegen kann. Die Weis- eine Menge Autos mit aufgemal- ein Teil des Trosses von Bericht- dengeschichten, die an der Tour geschrieben heit des Radsports lässt sich nicht an Schulen ten Sponsorenlogos. Tags zuvor erstatterInnen und ExpertInnen worden seien und immer wieder geschrieben lernen. Es ist im Wortsinn eine Weisheit der hatte das grösste Radrennen der Die Weisheit des hatte diese Raststätte aufgesucht, würden, könne kein Doping der Welt je ka- Strasse. Das Einteilen der Kräfte, das optimale Welt in Montpellier haltgemacht, Radsports lässt weil sich von dort aus gut arbei- putt machen. «C’est le cyclisme!», rief er immer Ausnutzen der jeweiligen Rennsituation, das und nun fuhren die Profis durch sich nicht an ten liess oder weil sie eine Pause wieder und sprach von Coppi, Bartali, Merckx, rasche Erfassen eigener und fremder Schwä- den trockenen Midi den Pyrenä- Schulen lernen. brauchten. Ocaña, Hinault, Fignon, Van Impe, Induráin, chen und Stärken, das richtige Einschätzen en entgegen. An der Café-Bar der Zufällig war ich an diesem Pantani und vielen, vielen anderen Heroen und der Risiken bei Passabfahrten, das sind lauter Autobahnraststätte unterhielten Ort gelandet und ebenso zufäl- gefallenen Engeln, die dieses Rennen schon Fähigkeiten, die sich RadrennfahrerInnen nur sich holländische, spanische und lig kam ich mit einem welschen hervorgebracht habe. Selbst Lance Armstrong im Rennen aneignen können. Dazu kommt, belgische JournalistInnen mit Belgier ins Gespräch. Wie er noch vergass der Belgier nicht zu erwähnen: «Un dass es wohl keine Sportart gibt, in der Taktik, Einheimischen über taktische Freude am Radsport haben kön- tricheur, bien sûr, mais à la fois un coureur in- Hierarchien und ungeschriebene Gesetze eine Finessen. In offenen Wagen, ihre ne, nach all den Skandalen und comparable!» (Ein Trickser, sicher, aber gleich- dermassen wichtige Rolle spielen wie bei den Laptops auf dem Schoss, tippten Dopinggeschichten, die in den zeitig ein unvergleichlicher Radrennfahrer!) Velorennen. manche ReporterInnen ihre Geschichten zur letzten Jahren aufgeflogen sind, fragte ich ihn. Während ich dem Belgier zuhörte und All jenen, die sich wundern, dass der Rad- Etappe, die noch gar nicht zu Ende war. Über «Le Tour, c’est le Tour!», klärte er mich auf. Die- die Geschäftigkeit um mich herum beobachte- zirkus trotz all der in den letzten Jahren auf- Funk und per Mobiltelefon wurden sie von ses Rennen sei immer viel grösser als alle seine te, bekam ich eine Ahnung davon, was den Rad- gedeckten Skandale noch immer so beliebt ist, KollegInnen an der Rennstrecke über jeden Skandale. Die Geschichte der Tour de France sport von jedem anderen Sport unterscheidet. sei ein Besuch an einem Radrennen empfohlen. Fluchtversuch und jeden Zwischensprint sofort werde halt von Menschen geschrieben, von Velofahren ist archaischer als Schwingen Manchmal genügt es sogar, zufällig in die Nähe informiert. unvergesslichen Athleten und von solchen, die oder Boxen, weil wir Menschen das Zappeln eines Rennens zu geraten.

Pedro Lenz (48) ist Schriftsteller und lebt in Olten. Seine erste Velosporterinnerung ist eine Etappendurchfahrt der Tour de Suisse vor seinem Elternhaus im Jahr 1970. Thema 13 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

Eine der Schichten des Landesblatts 1170 «Alpnach 1:25 000»: Das von Hand gespritzte Schwarz-Weiss-Relief lässt das Pilatusmassiv (oben links) aus dem Papier wachsen. KARTEN: SWISSTOPO

LANDESTOPOGRAFIE Man sieht Rudolf Morf den Künstler nicht an. Das Werk, das er geschaffen hat, halten viele in Händen, ohne es zu wissen. Morf ist Kartograf und arbeitet bei Swisstopo, dem Bundesamt für Landestopografie in Wabern bei Bern. Eines seiner Bilder hängt in seinem Büro an der Wand, ein Landschaftsrelief in Schwarz- Weiss. Die Berge und Hügel wachsen aus dem Papier heraus, man glaubt, sie anfassen zu können. Das Bild misst 81 auf 48 Zenti- Die ArchivarInnen meter, das Mass eines typischen Kartenblatts von Swisstopo. «Das Relief ist von Nordwestlicht beschienen», sagt Morf. Weltweit hätten alle topografischen Karten eine Nordwest- beleuchtung. «Sehen Sie, was passiert, wenn es nicht so ist?», der Landschaft fragt Morf und nimmt eine Luftaufnahme hervor. Man sieht eine karge Hochebene, umgeben von Tälern. Morf stellt das Bild auf den Kopf, womit das Licht nun von Südosten auf die Land- Swisstopo produziert die schönsten Landkarten der Welt. Seit 175 Jahren vermisst schaft fällt. Doch jetzt sieht man plötzlich die Täler als Hügel- das Bundesamt für Landestopografie die Schweiz und dokumentiert, wie ketten, und die Hochebene wird zur Tiefebene. Wenn das Licht von der anderen Seite komme, bewirke das in unserem Gehirn sich die Landschaft verändert – durch neue Siedlungen und den Klimawandel. einen Umkehr effekt, sagt Morf. Morfs Schwarz-Weiss-Relief zeigt den Pilatus und den VON SUSAN BOOS Alpnachersee (vgl. Abbildung auf dieser Seite). Vor mehreren Jahren hat Morf dieses Relief mit einer feinen Spritzpistole auf Papier gebracht. «Je höher eine Bergspitze ist, desto schärfer 14 Thema Thema 15 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

Weitere Schichten des Landesblatts 1170 «Alpnach 1:25 000»: Höhenkurven (links), Waldton und Waldkonturen (Mitte), Siedlungen und Felsdarstellung (rechts). Die fertige Karte würde vier weitere Schichten enthalten.

sind die Konturen und die Schwarz-Weiss-Kontraste», erklärt genaue, auch wenn darauf die Berge noch schraffiert sind und Ganz besondere Anforderungen gelten fürs Papier: «Wir sehr gut, bei der Höhengenauigkeit über 2000 Meter ist uns erst Ecke muss wiedererkennbar erscheinen, auch wenn die Häuser Aufgabe sei es, Randgebiete genau gleich zu behandeln wie die er. Ohne Höhenangaben zu kennen, sieht man deswegen intuitiv, keine Höhenkurven aufweisen. Dufour hat es mit seinen Karten haben von der Armee eine Falzvorgabe: Man muss eine Karte jetzt eine Verbesserung gelungen», sagt Forte. und Strassen nicht mehr exakt da sind, wo sie sich in Realität be- Zentren: «Das unterscheidet uns von anderen Anbietern. Deren welche Bergspitzen höher liegen. geschafft, eine einigende geografische Vorstellung der Schweiz 1500-mal auf- und zufalten können, bevor sie auseinanderfällt.» Wenn die Ar mee pi lot In nen losfliegen, muss das Wetter finden. Die Kar to graf In nen sprechen von «Generalisieren». Karten sind in den grossen Städten recht gut – in den Randge- Auf jeder gedruckten Alpnach-Landeskarte im Massstab zu vermitteln – und das zu einer Zeit, als das Land noch ein dif- Swiss topo ist übrigens immer noch Teil des Departements für perfekt sein. Es darf nicht mehr viel Schnee liegen, und die Bäu- Die hohe Kunst der Kartografie ist es, auf wenig Platz ge- bieten ist man aber schnell verloren. Unser Markenzeichen ist es, 1:25 000 ist dieses Relief hinterlegt, allerdings in einer sehr ab- fuser Bundesstaat war, dessen Teile nicht einmal über eine ge- Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Swisstopo me sollten kein Laub tragen, um die Sicht nicht zu behindern. nau das zu zeigen, was einem intuitiv hilft, sich zu orientieren. dass wir eine na tio na le Or ga ni sa tion ohne kom mer ziel le Inter- gedämpften Form. Von jedem einzelnen Schweizer Kartenblatt meinsame Währung verfügten. stellt fürs Militär Spezialkarten her, mit Waffenplätzen oder «Wir haben nur drei bis fünf gute Flugtage im Jahr», sagt Forte. Und diese Kunst pflegt Swisstopo bis zur Perfektion. Das merkt essen sind.» Das Amt mit seinen 330 Mit ar bei ter In nen hat einen in den unterschiedlichen Massstäben – das sind insgesamt rund Dufour legte ein Vermessungsnetz übers Land, das sich Logis tikstandorten. Die Armee ist bundesintern einer ihrer bes- Dann muss geflogen werden, auch am Sonntag. Die Topograf- man erst, wenn man ausländische Karten liest und nichts da ist, Umsatz von sechzig Mil lio nen Franken. Elf Mil lio nen kommen 350 Stück – existiert ein solches handgemaltes Relief original. nur an der Topografie und nicht an der Politik orientierte, wie ten Kunden. Innen werten die Flugbilder aus, die KartografInnen führen wo es hingehört. über die Kartenverkäufe wieder rein, dreizehn Mil lio nen erwirt- Um die Jahrtausendwende hat Swisstopo die Kartenpro- das bei früheren Karten oft der Fall war. Er unterteilte die Noch produziert Swisstopo keine wasserfesten Karten, anschliessend die bestehenden Karten nach. Es ist eine Ge dulds- schaftet es bundesintern. Der Kostendeckungsgrad ist allerdings duktion digitalisiert. Die handgefertigten Reliefs wurden ein- Schweiz in 23 Kartenblätter und deckte damit das ganze Land ab. doch beschäftige man sich damit, weil die Kund In nen das zu- arbeit. in den vergangenen fünf Jahren von 51 auf 32 Prozent gesunken. gescannt und leben auf den neuen Karten weiter. Die Karten «Die Blatteinteilung ist bis heute gleich geblieben», sagt nehmend wünschten, sagt Forte. Inzwischen gebe es Kunst- Alle Bauwerke müssen so vereinfacht, platziert und be- Weniger Geld, weniger Qualität Das hat damit zu tun, dass Swisstopo seine Kartensätze in werden alle sechs Jahre revidiert. Rutscht ein Hang ab, muss das Olaf Forte, der heute bei Swisstopo den Bereich Kartografie leitet. stoffpapier, das relativ umweltfreundlich sei: «Wir wollen ein schriftet werden, dass man sich doch noch zurechtfindet. Grosse Vor einigen Jahren gab es politischen Druck, Swisstopo zu priva- verschiedenen Formaten kostenlos auf dem Geodatenportal des Relief angepasst werden. Man könnte dies von Forte wuchs in Norddeutschland auf, lernte umweltverträgliches Papier, und wir müssen es hier im Haus Häuserblocks müssen sich von Reihenhaussiedlungen unter- tisieren. Olaf Forte sagt, man habe in verschiedenen Ländern ver - Bundes zur Verfügung stellt (http://map.geo.admin.ch). Forte einem Computerprogramm erledigen lassen, Kartograf, arbeitete später in der Schweiz in bedrucken können.» Das Papier, das heute zum Einsatz kommt, scheiden. Eine kleine Strasse darf nicht mit Häusern verschmel- sucht, bei den Landesvermessungen die Kosten zu drücken: «Das sagt, man bereite die Kartendaten ja mit Steuergeldern auf, da sei sagt Morf, «da ginge aber die Harmonie ver- «Zur Not kann der Druckbranche und kam vor fünf Jahren zu wird jeweils in grossen Mengen eingekauft. Am besten sei es, zen, sonst entsteht eine undefinierbare schwarze Sauce. Jede geht auf Kosten der Qualität, das sieht man sofort.» Swiss topos es auch richtig, dass sie der Bevölkerung gratis zur Verfügung loren». Deshalb zeichnen die Kar to graf In nen man mit Swisstopo. Er sagt, für ihn sei es der absolute wenn das Papier nach dem Transport noch ein Jahr lang im Haus stünden. Dass die gedruckten Karten verschwinden, glaubt er die Reliefveränderung in aufwendiger Hand- unseren Karten Traumjob – auch ein Job, den es kein zweites ruhen könne, damit es sich nicht verziehe. Das Papier darf sich nicht: «Sie geben den besseren Überblick, sind sinnlicher. Zudem arbeit mit der Maus nach. sogar ein Feuer Mal mehr gebe. in der Druckmaschine keinen Millimeter dehnen, weil sonst kann ein elektronisches Gerät in den Bergen aussteigen, deshalb Morf hat etwa 300 Stunden für das entfachen.» Swisstopo ist altmodisch und topmo- der Druck nicht präzise wird. Zum Beispiel werden einzeln ste- sollte man zur Sicherheit immer eine gedruckte Karte dabei- SELTSAME LEIDENSCHAFT Original eines Kartenblatts gebraucht. Um Olaf Forte, Leiter Kartografie dern zugleich. Man pflegt seit vielen Jahren hende Bäume mit einem kleinen dunkelgrünen Ring markiert. haben. Zur Not kann man damit sogar ein Feuer machen.» ein Blatt nachzuführen, braucht man heu- dieselbe Nomenklatur. Selbst die Numme- Der Ring ist innen hellgrün bedruckt. Verzieht sich das Papier, Rudolf Signer sitzt im gleichen Büro wie Rudolf Morf. Er be- te noch etwa eine Woche. Das Relief ist aber rierung wird nicht verändert, auch wenn es kommt das hellgrüne Pünktchen neben den Ring zu liegen – arbeitet am Computer die Karte von Visp. In einer Ecke hat sich nur eine der Schichten, die bearbeitet werden praktisch wäre. Manche Kartenblätter, die und das darf nicht sein. Karten von Orten, die es nicht gibt in den vergangenen acht Jahren die Gletscherzunge um mehrere wollen. Es gibt noch die blaue Ebene mit den am Ostrand liegen, tragen den Zusatz «bis» Langsam wurde es dunkel zwischen den Bäumen. Ich merkte, herum. Ein Pass ganz in der Nähe hat den magischen Namen Meter zurückgezogen. Signer ist daran, Felsen und Geröll, die un- Flüssen und Seen, die Ebene mit den gestri- (die Karte vom Piz Lad zum Beispiel heiss t dass ich mich überschätzt hatte. Der Wald, den ich durchqueren «Wolfs Ort». Aber ein Gewitter vertrieb mich bald. ter dem Eis hervorgekommen sind, neu einzuzeichnen. «Das ist chelten Felsen und Moränen, die grüne Ebene «1199bis»), weil sonst die Nummerierung Degradierte Dreitausender wollte, war zu gross. Ich schaute auf die Karte, sah die Dörfer, Alte Karten anzuschauen, ist besonders spannend: Zur eine Spezialität der Schweizer Karten», sagt er, «jedes Strichlein, der Wälder oder die Ebenen mit den braunen nicht aufgegangen wäre. Heute würde man Vor hundert Jahren mussten die Kartografen noch bergsteigen, durch die ich gekommen war. Am besten zurück zur Strasse, die Raum- kommt die Zeitreise. Ich sammle sie nicht systematisch, das eine Felskante symbolisiert, jeder Punkt auf einer Moräne ist Höhenkurven und die mit den schwarzen Linien von Strassen, 1199.1 sagen, damit es sich digital leichter sortieren lässt. Doch um das Gebirge zu vermessen. Aus den Messdaten zeichneten sie laut Karte dem Waldrand entlang verlief. Ich kehrte um. aber freue mich immer, wenn ich im Brockenhaus etwas finde: von Hand gezeichnet.» Auf der Karte sehen die Felslandschaften Häusern, Stromleitungen, Bahnen. Mit dem Computer ist es am «bis» rührt man nicht, «die Nomenklatur ist heilig», sagt Karten mit Höhenkurven und formten daraus ein Landschafts- Regelmässig träume ich von Karten. Manchmal sehe ich das Alpsteingebiet aus dem legendären Siegfriedatlas, gestochen beinahe so aus wie im Gelände. Manchmal unternimmt Signer einfacher geworden, jede Ebene einzeln zu bearbeiten. Noch in Forte. modell. Damit konnten dann Reliefs geformt werden. grosse Gebiete, ganze Gebirge, und beim Aufwachen tut es mir scharf, auf dem die Schwägalpstrasse noch ein Trampelpfad ist. mit Swisstopo-Kol leg In nen Ex kur sio nen, um Fels forma tio nen den neunziger Jahren musste man sie müh selig in Glasplatten Die Kartentitel werden auch nur selten verändert, immer- Heute verläuft der Prozess umgekehrt. Pi lot In nen der leid, dass ich dort nicht wandern kann. Diese Träume sind nicht Das Blatt «Castasegna, 1:50 000», von 1924, die Bergeller Alpen zu begutachten, damit sie später auf der Karte richtig nachemp- kratzen. hin gibt es inzwischen Untertitel, damit man zum Beispiel die Luftwaffe fliegen die Landschaft in engen Korridoren ab, dabei erstaunlich, schliesslich schaue ich tagsüber auch oft auf Kar- mit riesigen Gletschern. Die Karte «Zürich- und Adlisberg bis funden werden können. Niemand auf der Welt zeichnet Felsland- Karte mit dem Simplonpass trotzdem im Internet findet, auch wird jeder Zentimeter Boden abgelichtet. Aus den sich überlap- ten. Nicht nur wenn ich konkret eine Wanderung plane, sondern Forch» von 1927 im grosszügigen Massstab 1:12 500, auf der je- schaften mit so viel Geduld und Leidenschaft wie die Kar to graf- wenn man nicht weiss, dass man nach «Visp» suchen müsste. penden Bildern lassen sich dreidimensionale Bilder erstellen, auch einfach aus Freude am Schauen. Es ist ein bisschen wie Flie- des Sitzbänkli eingezeichnet, Schwamendingen noch ein Dorf In nen von Swisstopo. Sie durften deshalb auch schon Karten vom Die ersten Dufour-Karten Die Neugestaltung des Deckblatts ist jeweils ein grosses aus denen sich präzise die Höhenangaben errechnen lassen. gen, je nach Massstab in unterschiedlicher Höhe. Ich sammle die und Stettbach ein winziger Weiler mit zehn Häusern ist. Mount Everest und vom Mount McKinley zeichnen. Die Franzosen hatten unter Napoleon schon eine grosse Kunst- Thema. «Einmal pro Amtszeit darf der Leiter Kartografie das Man hat also zuerst das Landschaftsmodell und macht dann seltsamsten Alpnamen im Greyerz – Petsernetse, les Drudzes, Alles ist kartiert, alles ist erfasst: Natürlich hat das auch «Unsere Landeskarten sind ein Kulturgut», sagt Signer, fertigkeit in Kartografie entwickelt. Krieg und Kartografie ge- Layout ein bisschen auffrischen», sagt Forte und lacht. Er dar aus die Karten. Tsuatsaux – oder suche die unzugänglichsten Täler in der Tes- Nachteile. Manchmal würde ich gerne Orte besuchen, die auf «sie zeigen kommenden Ge ne ra tio nen, wie die Landschaft ein- hen von jeher Hand in Hand, Armeen brauchen Karten, um Län- durfte es zum Jubiläum bereits tun. Den meisten dürfte die Die exakten Höhenmessungen waren in den Anfangsjah- siner Riviera. Oder einsame Seen in Ostsibirien. Immer wieder keiner Karte sind. Zum Beispiel jenen Urwald, den es gemäss ei- mal war.» Swisstopo hat vor wenigen Tagen auf seiner Web site der zu erobern. sanfte Neugestaltung kaum auffallen, aber sie ist schlicht und ren der Kartografie eine Plage, weil es aufwendig war, überhaupt finde ich dabei Orte, die ich wirklich sehen möchte. Den Forêt ner Sage im Alpstein geben soll und der allen Wildtieren Schutz eine Zeitreise aufgeschaltet, die nachvollziehbar macht, wie sich Die Geschichte von Swisstopo beginnt offiziell vor 175 Jah- übersichtlich. zu erfassen, wie hoch die Schweiz über Meer liegt. Manche Hö- du Lapé zum Beispiel, am Rand der Landeskarte «1245 Châ teau bietet. Jäger können ihn nicht betreten, weil er mit einem Bann die Schweiz in den letzten 175 Jahren verändert hat. Die Karten ren. Ein Grossteil des Landes war damals noch nicht kartiert. Es An den Farben der Deckblätter darf Forte übrigens über- henangaben mussten in den letzten Jahren korrigiert werden, d’Oex, 1:25 000». Ihn besuchte ich tatsächlich, weil er auf der belegt ist. Aber die meisten Leute finden ihn schon gar nicht. wurden so aufbereitet, dass man zusehen kann, wie die Glet- war General Guil laume-Henri Du four, der das Eidgenössische haupt nicht rütteln: Die Karte im Massstab 1:25 000 muss braun was manchen stolzen Dreitausendergipfel zum Zweitausender Karte so spannend aussah: ein Wald in einem Bergsturzgebiet Etwas einfacher zu finden als Orte, die nicht auf der Karte sind, scher schmelzen oder wie Siedlungen die Landschaften überwu- Topographische Bureau gründete, das Karten im Massstab sein und bleiben, die Karte 1:50 000 grün und die Wanderkar- degradierte. «Insgesamt ist es aber erstaunlich, wie genau wir an der Sprachgrenze. Dort kletterte ich zwischen Tannen, Vogel- sind Karten von Orten, die es nicht gibt: JedeR kann sie zeichnen. chern. Und da wird das unpolitischste aller Bundesämter plötz- 1:100 000 publizierte. Es sind schöne Karten und überraschend ten gelb. früher schon waren. In der Lagegenauigkeit waren wir immer beersträuchern und gefährlichen Löchern auf moosigen Felsen Oder davon träumen. BETTINA DYTTRICH lich ungewollt hochpolitisch. 14 Thema Thema 15 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

Weitere Schichten des Landesblatts 1170 «Alpnach 1:25 000»: Höhenkurven (links), Waldton und Waldkonturen (Mitte), Siedlungen und Felsdarstellung (rechts). Die fertige Karte würde vier weitere Schichten enthalten.

sind die Konturen und die Schwarz-Weiss-Kontraste», erklärt genaue, auch wenn darauf die Berge noch schraffiert sind und Ganz besondere Anforderungen gelten fürs Papier: «Wir sehr gut, bei der Höhengenauigkeit über 2000 Meter ist uns erst Ecke muss wiedererkennbar erscheinen, auch wenn die Häuser Aufgabe sei es, Randgebiete genau gleich zu behandeln wie die er. Ohne Höhenangaben zu kennen, sieht man deswegen intuitiv, keine Höhenkurven aufweisen. Dufour hat es mit seinen Karten haben von der Armee eine Falzvorgabe: Man muss eine Karte jetzt eine Verbesserung gelungen», sagt Forte. und Strassen nicht mehr exakt da sind, wo sie sich in Realität be- Zentren: «Das unterscheidet uns von anderen Anbietern. Deren welche Bergspitzen höher liegen. geschafft, eine einigende geografische Vorstellung der Schweiz 1500-mal auf- und zufalten können, bevor sie auseinanderfällt.» Wenn die Ar mee pi lot In nen losfliegen, muss das Wetter finden. Die Kar to graf In nen sprechen von «Generalisieren». Karten sind in den grossen Städten recht gut – in den Randge- Auf jeder gedruckten Alpnach-Landeskarte im Massstab zu vermitteln – und das zu einer Zeit, als das Land noch ein dif- Swiss topo ist übrigens immer noch Teil des Departements für perfekt sein. Es darf nicht mehr viel Schnee liegen, und die Bäu- Die hohe Kunst der Kartografie ist es, auf wenig Platz ge- bieten ist man aber schnell verloren. Unser Markenzeichen ist es, 1:25 000 ist dieses Relief hinterlegt, allerdings in einer sehr ab- fuser Bundesstaat war, dessen Teile nicht einmal über eine ge- Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Swisstopo me sollten kein Laub tragen, um die Sicht nicht zu behindern. nau das zu zeigen, was einem intuitiv hilft, sich zu orientieren. dass wir eine na tio na le Or ga ni sa tion ohne kom mer ziel le Inter- gedämpften Form. Von jedem einzelnen Schweizer Kartenblatt meinsame Währung verfügten. stellt fürs Militär Spezialkarten her, mit Waffenplätzen oder «Wir haben nur drei bis fünf gute Flugtage im Jahr», sagt Forte. Und diese Kunst pflegt Swisstopo bis zur Perfektion. Das merkt essen sind.» Das Amt mit seinen 330 Mit ar bei ter In nen hat einen in den unterschiedlichen Massstäben – das sind insgesamt rund Dufour legte ein Vermessungsnetz übers Land, das sich Logis tikstandorten. Die Armee ist bundesintern einer ihrer bes- Dann muss geflogen werden, auch am Sonntag. Die Topograf- man erst, wenn man ausländische Karten liest und nichts da ist, Umsatz von sechzig Mil lio nen Franken. Elf Mil lio nen kommen 350 Stück – existiert ein solches handgemaltes Relief original. nur an der Topografie und nicht an der Politik orientierte, wie ten Kunden. Innen werten die Flugbilder aus, die KartografInnen führen wo es hingehört. über die Kartenverkäufe wieder rein, dreizehn Mil lio nen erwirt- Um die Jahrtausendwende hat Swisstopo die Kartenpro- das bei früheren Karten oft der Fall war. Er unterteilte die Noch produziert Swisstopo keine wasserfesten Karten, anschliessend die bestehenden Karten nach. Es ist eine Ge dulds- schaftet es bundesintern. Der Kostendeckungsgrad ist allerdings duktion digitalisiert. Die handgefertigten Reliefs wurden ein- Schweiz in 23 Kartenblätter und deckte damit das ganze Land ab. doch beschäftige man sich damit, weil die Kund In nen das zu- arbeit. in den vergangenen fünf Jahren von 51 auf 32 Prozent gesunken. gescannt und leben auf den neuen Karten weiter. Die Karten «Die Blatteinteilung ist bis heute gleich geblieben», sagt nehmend wünschten, sagt Forte. Inzwischen gebe es Kunst- Alle Bauwerke müssen so vereinfacht, platziert und be- Weniger Geld, weniger Qualität Das hat damit zu tun, dass Swisstopo seine Kartensätze in werden alle sechs Jahre revidiert. Rutscht ein Hang ab, muss das Olaf Forte, der heute bei Swisstopo den Bereich Kartografie leitet. stoffpapier, das relativ umweltfreundlich sei: «Wir wollen ein schriftet werden, dass man sich doch noch zurechtfindet. Grosse Vor einigen Jahren gab es politischen Druck, Swisstopo zu priva- verschiedenen Formaten kostenlos auf dem Geodatenportal des Relief angepasst werden. Man könnte dies von Forte wuchs in Norddeutschland auf, lernte umweltverträgliches Papier, und wir müssen es hier im Haus Häuserblocks müssen sich von Reihenhaussiedlungen unter- tisieren. Olaf Forte sagt, man habe in verschiedenen Ländern ver - Bundes zur Verfügung stellt (http://map.geo.admin.ch). Forte einem Computerprogramm erledigen lassen, Kartograf, arbeitete später in der Schweiz in bedrucken können.» Das Papier, das heute zum Einsatz kommt, scheiden. Eine kleine Strasse darf nicht mit Häusern verschmel- sucht, bei den Landesvermessungen die Kosten zu drücken: «Das sagt, man bereite die Kartendaten ja mit Steuergeldern auf, da sei sagt Morf, «da ginge aber die Harmonie ver- «Zur Not kann der Druckbranche und kam vor fünf Jahren zu wird jeweils in grossen Mengen eingekauft. Am besten sei es, zen, sonst entsteht eine undefinierbare schwarze Sauce. Jede geht auf Kosten der Qualität, das sieht man sofort.» Swiss topos es auch richtig, dass sie der Bevölkerung gratis zur Verfügung loren». Deshalb zeichnen die Kar to graf In nen man mit Swisstopo. Er sagt, für ihn sei es der absolute wenn das Papier nach dem Transport noch ein Jahr lang im Haus stünden. Dass die gedruckten Karten verschwinden, glaubt er die Reliefveränderung in aufwendiger Hand- unseren Karten Traumjob – auch ein Job, den es kein zweites ruhen könne, damit es sich nicht verziehe. Das Papier darf sich nicht: «Sie geben den besseren Überblick, sind sinnlicher. Zudem arbeit mit der Maus nach. sogar ein Feuer Mal mehr gebe. in der Druckmaschine keinen Millimeter dehnen, weil sonst kann ein elektronisches Gerät in den Bergen aussteigen, deshalb Morf hat etwa 300 Stunden für das entfachen.» Swisstopo ist altmodisch und topmo- der Druck nicht präzise wird. Zum Beispiel werden einzeln ste- sollte man zur Sicherheit immer eine gedruckte Karte dabei- SELTSAME LEIDENSCHAFT Original eines Kartenblatts gebraucht. Um Olaf Forte, Leiter Kartografie dern zugleich. Man pflegt seit vielen Jahren hende Bäume mit einem kleinen dunkelgrünen Ring markiert. haben. Zur Not kann man damit sogar ein Feuer machen.» ein Blatt nachzuführen, braucht man heu- dieselbe Nomenklatur. Selbst die Numme- Der Ring ist innen hellgrün bedruckt. Verzieht sich das Papier, Rudolf Signer sitzt im gleichen Büro wie Rudolf Morf. Er be- te noch etwa eine Woche. Das Relief ist aber rierung wird nicht verändert, auch wenn es kommt das hellgrüne Pünktchen neben den Ring zu liegen – arbeitet am Computer die Karte von Visp. In einer Ecke hat sich nur eine der Schichten, die bearbeitet werden praktisch wäre. Manche Kartenblätter, die und das darf nicht sein. Karten von Orten, die es nicht gibt in den vergangenen acht Jahren die Gletscherzunge um mehrere wollen. Es gibt noch die blaue Ebene mit den am Ostrand liegen, tragen den Zusatz «bis» Langsam wurde es dunkel zwischen den Bäumen. Ich merkte, herum. Ein Pass ganz in der Nähe hat den magischen Namen Meter zurückgezogen. Signer ist daran, Felsen und Geröll, die un- Flüssen und Seen, die Ebene mit den gestri- (die Karte vom Piz Lad zum Beispiel heiss t dass ich mich überschätzt hatte. Der Wald, den ich durchqueren «Wolfs Ort». Aber ein Gewitter vertrieb mich bald. ter dem Eis hervorgekommen sind, neu einzuzeichnen. «Das ist chelten Felsen und Moränen, die grüne Ebene «1199bis»), weil sonst die Nummerierung Degradierte Dreitausender wollte, war zu gross. Ich schaute auf die Karte, sah die Dörfer, Alte Karten anzuschauen, ist besonders spannend: Zur eine Spezialität der Schweizer Karten», sagt er, «jedes Strichlein, der Wälder oder die Ebenen mit den braunen nicht aufgegangen wäre. Heute würde man Vor hundert Jahren mussten die Kartografen noch bergsteigen, durch die ich gekommen war. Am besten zurück zur Strasse, die Raum- kommt die Zeitreise. Ich sammle sie nicht systematisch, das eine Felskante symbolisiert, jeder Punkt auf einer Moräne ist Höhenkurven und die mit den schwarzen Linien von Strassen, 1199.1 sagen, damit es sich digital leichter sortieren lässt. Doch um das Gebirge zu vermessen. Aus den Messdaten zeichneten sie laut Karte dem Waldrand entlang verlief. Ich kehrte um. aber freue mich immer, wenn ich im Brockenhaus etwas finde: von Hand gezeichnet.» Auf der Karte sehen die Felslandschaften Häusern, Stromleitungen, Bahnen. Mit dem Computer ist es am «bis» rührt man nicht, «die Nomenklatur ist heilig», sagt Karten mit Höhenkurven und formten daraus ein Landschafts- Regelmässig träume ich von Karten. Manchmal sehe ich das Alpsteingebiet aus dem legendären Siegfriedatlas, gestochen beinahe so aus wie im Gelände. Manchmal unternimmt Signer einfacher geworden, jede Ebene einzeln zu bearbeiten. Noch in Forte. modell. Damit konnten dann Reliefs geformt werden. grosse Gebiete, ganze Gebirge, und beim Aufwachen tut es mir scharf, auf dem die Schwägalpstrasse noch ein Trampelpfad ist. mit Swisstopo-Kol leg In nen Ex kur sio nen, um Fels forma tio nen den neunziger Jahren musste man sie müh selig in Glasplatten Die Kartentitel werden auch nur selten verändert, immer- Heute verläuft der Prozess umgekehrt. Pi lot In nen der leid, dass ich dort nicht wandern kann. Diese Träume sind nicht Das Blatt «Castasegna, 1:50 000», von 1924, die Bergeller Alpen zu begutachten, damit sie später auf der Karte richtig nachemp- kratzen. hin gibt es inzwischen Untertitel, damit man zum Beispiel die Luftwaffe fliegen die Landschaft in engen Korridoren ab, dabei erstaunlich, schliesslich schaue ich tagsüber auch oft auf Kar- mit riesigen Gletschern. Die Karte «Zürich- und Adlisberg bis funden werden können. Niemand auf der Welt zeichnet Felsland- Karte mit dem Simplonpass trotzdem im Internet findet, auch wird jeder Zentimeter Boden abgelichtet. Aus den sich überlap- ten. Nicht nur wenn ich konkret eine Wanderung plane, sondern Forch» von 1927 im grosszügigen Massstab 1:12 500, auf der je- schaften mit so viel Geduld und Leidenschaft wie die Kar to graf- wenn man nicht weiss, dass man nach «Visp» suchen müsste. penden Bildern lassen sich dreidimensionale Bilder erstellen, auch einfach aus Freude am Schauen. Es ist ein bisschen wie Flie- des Sitzbänkli eingezeichnet, Schwamendingen noch ein Dorf In nen von Swisstopo. Sie durften deshalb auch schon Karten vom Die ersten Dufour-Karten Die Neugestaltung des Deckblatts ist jeweils ein grosses aus denen sich präzise die Höhenangaben errechnen lassen. gen, je nach Massstab in unterschiedlicher Höhe. Ich sammle die und Stettbach ein winziger Weiler mit zehn Häusern ist. Mount Everest und vom Mount McKinley zeichnen. Die Franzosen hatten unter Napoleon schon eine grosse Kunst- Thema. «Einmal pro Amtszeit darf der Leiter Kartografie das Man hat also zuerst das Landschaftsmodell und macht dann seltsamsten Alpnamen im Greyerz – Petsernetse, les Drudzes, Alles ist kartiert, alles ist erfasst: Natürlich hat das auch «Unsere Landeskarten sind ein Kulturgut», sagt Signer, fertigkeit in Kartografie entwickelt. Krieg und Kartografie ge- Layout ein bisschen auffrischen», sagt Forte und lacht. Er dar aus die Karten. Tsuatsaux – oder suche die unzugänglichsten Täler in der Tes- Nachteile. Manchmal würde ich gerne Orte besuchen, die auf «sie zeigen kommenden Ge ne ra tio nen, wie die Landschaft ein- hen von jeher Hand in Hand, Armeen brauchen Karten, um Län- durfte es zum Jubiläum bereits tun. Den meisten dürfte die Die exakten Höhenmessungen waren in den Anfangsjah- siner Riviera. Oder einsame Seen in Ostsibirien. Immer wieder keiner Karte sind. Zum Beispiel jenen Urwald, den es gemäss ei- mal war.» Swisstopo hat vor wenigen Tagen auf seiner Web site der zu erobern. sanfte Neugestaltung kaum auffallen, aber sie ist schlicht und ren der Kartografie eine Plage, weil es aufwendig war, überhaupt finde ich dabei Orte, die ich wirklich sehen möchte. Den Forêt ner Sage im Alpstein geben soll und der allen Wildtieren Schutz eine Zeitreise aufgeschaltet, die nachvollziehbar macht, wie sich Die Geschichte von Swisstopo beginnt offiziell vor 175 Jah- übersichtlich. zu erfassen, wie hoch die Schweiz über Meer liegt. Manche Hö- du Lapé zum Beispiel, am Rand der Landeskarte «1245 Châ teau bietet. Jäger können ihn nicht betreten, weil er mit einem Bann die Schweiz in den letzten 175 Jahren verändert hat. Die Karten ren. Ein Grossteil des Landes war damals noch nicht kartiert. Es An den Farben der Deckblätter darf Forte übrigens über- henangaben mussten in den letzten Jahren korrigiert werden, d’Oex, 1:25 000». Ihn besuchte ich tatsächlich, weil er auf der belegt ist. Aber die meisten Leute finden ihn schon gar nicht. wurden so aufbereitet, dass man zusehen kann, wie die Glet- war General Guil laume-Henri Du four, der das Eidgenössische haupt nicht rütteln: Die Karte im Massstab 1:25 000 muss braun was manchen stolzen Dreitausendergipfel zum Zweitausender Karte so spannend aussah: ein Wald in einem Bergsturzgebiet Etwas einfacher zu finden als Orte, die nicht auf der Karte sind, scher schmelzen oder wie Siedlungen die Landschaften überwu- Topographische Bureau gründete, das Karten im Massstab sein und bleiben, die Karte 1:50 000 grün und die Wanderkar- degradierte. «Insgesamt ist es aber erstaunlich, wie genau wir an der Sprachgrenze. Dort kletterte ich zwischen Tannen, Vogel- sind Karten von Orten, die es nicht gibt: JedeR kann sie zeichnen. chern. Und da wird das unpolitischste aller Bundesämter plötz- 1:100 000 publizierte. Es sind schöne Karten und überraschend ten gelb. früher schon waren. In der Lagegenauigkeit waren wir immer beersträuchern und gefährlichen Löchern auf moosigen Felsen Oder davon träumen. BETTINA DYTTRICH lich ungewollt hochpolitisch. 16 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

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Musik aus dem alten, unheimlichen Amerika: The Starlight Entertainers (Maurice, Russell, Virgin, Leroy und Arthur), Hanover, Pennsylvania, um 1940. FOTOGRAF UNBEKANNT, SAMMLUNG CHRISTOPH WAGNER

MUSIKARCHÄOLOGIE Das Knistern, wenn sich die Nadel in die Rille senkt Junge Labels entdecken die rohen Sounds traditioneller Stile aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die iPod-Generation neu. Die Palette reicht von griechischem Rembetiko bis zu Hillbilly aus den Appalachen und Musik aus dem Kaukasus.

VON CHRISTOPH WAGNER

Was Bob Dylan zum Geburtstag schenken? hängt – das alte, unheimliche Amerika. Led- Gerade ist eine opulente Doppel-CD mit aus, das stärker in der Gegenwart verortet ist. Neil Young brachte vor einigen Jahren eine better zapfte die Sammlung von Joe Bussard raren Instrumentalaufnahmen griechischer Tompkins Square hat sowohl superbe Alben CD-Box früher Gospelmusik zur Party mit, in Maryland an, der in sechzig Jahren mehr Rembetikomusik erschienen, zusammen- mit US-amerikanischer Hillbilly- und Cajun- die in opulenter Aufmachung vom US-ame- als 25 000 Schellackplatten zusammengetra- gestellt vom renommierten Sammler, Mu- musik aus der Schellackära veröffentlicht als rikanischen Label Dust-to-Digital veröffent- gen hat – ekstatische Gospelgesänge, ungeho- siker und «Rembetologen» Tony Klein. Die auch zeitgenössische Gitarrenmusik im «fin- licht worden war. Die Firma gehört zu einer belten Deltablues, Hillbilly aus den südlichen beiden CDs kommen als Einlage eines 150 ger picking style» à la John Fahey her aus ge- Handvoll junger Unternehmen, die dem Nie- Appalachen. «Wir kümmern uns um Musik- Seiten starken Buchs daher, das mit grosser bracht. Die Gegenwart mit der Vergangenheit dergang der Musikindustrie mit hochwer- stile, die vergessen sind oder ignoriert und Genauigkeit die Geschichte des Musikstils kurzzuschliessen, ist die Absicht des Labels. tigen Pro duk tio nen trotzen und rare Schel- übersehen werden, obwohl sie ungeheure Ju- aus der griechischen Halb- und Unterwelt Gelegentlich arbeitet die Firma mit dem lackaufnahmen wilder Gospel-, Blues- und welen bergen», sagt der Labelbesitzer. der Vorkriegszeit nachzeichnet und dessen 27-jährigen Schellacksammler Frank Fairfield Weltmusik wieder auf den Markt bringen. Mit seiner Frau April betreibt er die Fir- Herkunftsmilieu und kulturelles Umfeld be- zusammen, einem hervorragenden Old- Time- Labels wie Dust-to-Digital, Tompkins Square, ma aus dem Untergeschoss ihres Hauses in leuchtet – eine verlegerische Meisterleistung Musiker, der selbst mit zwei Einspielungen im Mississippi Records und Honest Jon’s Re- Atlanta, Georgia, her aus. Im Keller befinden und bewundernswerte Forschungsgrosstat. Labelkatalog vertreten ist. Wenn Fairfield Gei- cords entdecken die vergessenen Klänge der sich Lager, Büro und Packstation auf engstem ge, Banjo oder Gitarre zur Hand nimmt, meint Grammofonära für die iPod-Gene ra tion neu. Raum. In einem Regal liegen abgewetzte Tompkins Square man, einem Zeitgenossen des legendären Schachteln voller Tonbänder, in einem ande- Dock Boggs (1898–1971) zu lauschen, so au- Dust-to-Digital ren stapeln sich Schallplatten vom nächsten Eine ähnliche Liebe zum Detail zeichnet die Projekt. Produktionen des Labels Tompkins Square Fortsetzung auf Seite 18 «Ich war immer ein neugieriger Hörer und auf Musik aus, die ich noch nicht kannte», erzählt Lance Ledbetter. «Es gibt so viele fan- tastische Klänge, die irgendwo verschüttet liegen. Die Lust am musikalischen Abenteuer VIER LABELS treibt mich an, diese alten Aufnahmen aus- findig und wieder zugänglich zu machen.» Nach seinem Studium machte Ledbetter aus Von ottomanischer Diaspora bis zum Freejazz seiner Leidenschaft einen Beruf und gründe- Das Label Dust-to-Digital wurde 1999 in At- Das Label Honest Jon’s Records ging 2002 beigelegten Infoblatt dem Design des legen- te 1999 das Label Dust-to-Digital. Was vielen lanta, Georgia, von Lance und April Ledbetter aus dem Schallplattenladen gleichen Namens dären Folkways-Labels nachempfunden. In angesichts einer Musikindustrie im freien gegründet. Der Dust-to-Digital-Katalog um- in der Londoner Portobello Road hervor, der den letzten zwei Jahren brachte Mississippi Fall wie ökonomischer Selbstmord vorkam, fasst rund dreissig Veröffentlichungen, von von Alan Scholefield und Mark Ainley geführt Records eine LP pro Woche auf den Markt. entpuppte sich als überraschender Coup. Mit der ersten Aufnahme einer mensch lichen wird. Das Label, das von Blur-Frontmann Da- Nächstes Jahr will Isaacson eine Verschnauf- aufwendigen Pro duk tio nen hat sich Dust-to- Stimme bis zu historischen Aufnahmen von mon Albarn unterstützt wird, hat die viel be- pause einlegen und einen Dokumentarfilm Digital inzwischen zu einem führenden Re- «Christmas Songs». Dust-to-Digital produ- achtete Serie «London Is the Place for Me» mit drehen. issue-Label entwickelt – dekoriert mit Gram- ziert mit extremer Sorgfalt. An der ersten Ver- Calypso und «Piccadilly Highlife» aus den CHR ISTOPH WAGNER mys und anderen Auszeichnungen. öffentlichung, «Goodbye, Babylon» von 2003 fünfziger Jahren herausgegeben sowie eine Was vor allem überrascht: Dust-to-Digital (Neil Youngs Geburtstagsgeschenk für Bob Reihe von Alben mit früher Weltmusik aus Dust-to-Digital: «Greek Rhapsody. Instrumental Music kommt bei einem jungen Publikum an, das Dylan), wurde allein vier Jahre lang ge arbeitet. dem HMV-Katalog. from Greece 1905–1956». sich sonst nicht für alternative Country Mu- Das Label Tompkins Square ist letztes Jahr Mississippi Records hat seinen Namen «Opika Pende: Africa at 78 RPM 1909–1960s». sic, primitiven Blues, wilden Rock ’n’ Roll und von New York nach San Francisco umgezogen. von der Mississippi Road in Portland, Oregon, Tompkins Square: Rockabilly sowie mys te riöse Weltmusikklän- 2005 wurde es von Josh Rosenthal gegründet, wo der Vinylladen samt Plattenlabel behei- «Let Me Play This for You. Rare Cajun ge interessiert. Vielleicht ist es das Knistern, der zuvor fünfzehn Jahre für Sony, Columbia matet ist. Vor zehn Jahren fing der 27-jäh- Recordings 1929–1930». «Turn Me Loose. Outsiders of ‹Old Time› Music». wenn die Nadel in die Rille sinkt, das Ver tre- Records und Polygram gearbeitet hatte. Das rige Ladenbetreiber Eric Isaacson an, eigene ter In nen der DJ-Kultur zu Schellacksüchtigen Label hat bisher rund achtzig Alben veröffent- Vinylplatten früher amerikanischer «roots Honest Jon’s Records: «Some thing Is Wrong. Vin tage Recordings macht. «Energie und Leidenschaft, die in das licht – vom Freejazz eines Charles Gayle oder music» zusammenzustellen. Über befreun- From East Africa». Sammeln der Schellacks fliessen, sind für ein eines Guiseppi Logan über die akustischen dete Vertriebe und unabhängige Plattenlä- «To Scratch Your Heart. Early Recordings junges Publikum spürbar», glaubt Ledbetter. Gitarrenragas der «Ima gi na tio nal Anthems»- den wurden die Scheiben verkauft, und von From Istanbul». Um musikalische Schätze zu heben, grub Serie bis zu historischen Hillbillyaufnahmen Avant garde ma ga zi nen wie «The Wire» wur- Mississippi Records: Dust-to-Digital tief in den Stollen der Vergan- von Charlie Poole. Tom Waits schrieb für das den sie hoch gelobt. Manche der Mississippi- «The Devil Is Busy in Knox ville». «I Wish I Never Came: To What a Strange Place. genheit, über dem ein windschiefes Schild Drei fach album «People Take Warning – Mur- Pro duk tio nen sind mit ihrer braunen Papp- The Music of the Ottoman-American Diaspora mit der Aufschrift «Old Weird America» der Ballads & Disaster Songs» das Vorwort. hülle, dem aufgeklebten Coverbild und dem 1916–1930, Vol. 1–3». 18 Kultur / Wissen WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

Fortsetzung von Seite 17 lichungen hervorgetan, die frühe Aufnahmen Aufnahmen in einen Kontext zu stellen, der Mississippi Records gibt es ausschliess- aus der Türkei, dem Irak, Algerien, West- und sie für die Gegenwart bedeutsam macht und lich auf Vinyl und in einem Coverdesign, das thentisch tönen die «old familiar tunes» aus Ostafrika präsentieren. Die historischen Al- sie vom Mief verstaubter Archive und ver- an die Ästhetik selbst gemachter Punkplatten den zwanziger und dreissiger Jahren. ben stehen im Katalog des Labels neben mo- schrobener Sammlertypen befreit. erinnert. Zudem presst Isaacson seine Schei- Fairfield hat die alten Melodien jedoch dernen Technosounds, Acid Folk und elektro- ben nur in kleinen Auflagen. «Wir überleben, nicht von seinen Grosseltern gelernt, sondern nischer Avant garde musik. Mississippi Records indem wir klein bleiben», stellt der Label- von Schellackplatten abgelauscht, die er be- Labelbetreiber Mark Ainley befindet sich betreiber fest. «Ich will nicht wachsen. Ich sessen zusammenträgt. Manchmal setzt er in einer privilegierten Po si tion. Er hat Zu- Auch Eric Isaacson ist ein Mann mit einer Mis- bin gegen Wachstum. Wachstum bedeutet sich tagelang ins Auto, um auf Jagd zu gehen gang zum Archiv der Schallplattenfirma His sion. Gerade war der Betreiber des Mississip- Tod. Wenn man grösser werden will, wird und Ramschläden und Trödelmärkte abzu- Master’s Voice (HMV), die schon vor mehr als pi-Labels aus Portland, Oregon, vier Wochen man geldgierig und gerät in Schwierigkeiten. klappern. Die Fundstücke lieferten das Ma- hundert Jahren Toningenieure in alle Ecken in Europa unterwegs, um in Punkclubs, Ki- Ich verdiene wenig, doch das ist okay. Darin terial für bisher zwei CD-Produk tio nen, die der Welt schickte, um Aufnah- nos, Universitäten und Kunst- besteht unser Geheimnis. Ich lebe unter der Fairfield für Tompkins Square zusammen- men mit Mu si ker In nen vor Ort galerien über die Arbeit seines Armutsgrenze und mache noch andere Jobs, gestellt hat. Die ak tuel le mit dem Titel «Turn zu machen. Das macht das HMV- Manchmal setzt Labels zu berichten. Seinen Vor- um über die Runden zu kommen. Vom Label Me Loose. Outsiders of ‹Old Time› Music» ist Archiv in Hayes (Westlondon) sich Frank trag reicherte er mit Filmaus- allein könnte ich nicht leben. Doch dieses den Desperados der Hillbillymusik gewidmet heute zu einer Schatzkammer, Fairfield tagelang schnitten an, die der legendäre Opfer ist mir ein selbstbestimmtes Leben und enthält Aufnahmen von Mu si kerIn nen, in der sich Abertausende Schel- ins Auto, um Folkmusikforscher Alan Lomax wert.» die sich nicht in die Zwangsjacke der Tra di- lackplatten stapeln. Aus Hun- (1915–2002) in den achtziger Obwohl Mississippi Records auf jede Wer- tion zwängen liessen. In stru men ta list In nen derten dieser «ear ly recordings» auf Schellackjagd Jahren im US-amerikanischen bung verzichtet, keine Publicity macht und mit eigenwilligen Spielweisen befinden sich stellt Ainley gerade ein Album zu gehen. Süden gedreht hatte. «Das sind nicht einmal eine Web site hat, ist der Um- da neben Bands mit ungewöhnlicher Beset- mit früher Musik aus dem Iran einfach die Aufnahmen, die satz bemerkenswert. Von einigen Alben mit zung wie den South Geor gia Highballers, die und der angrenzenden Kauka- mich am meisten berühren», be- früher, gitarrengetriebener Gospelmusik zusätzlich zu Geige und Banjo eine singende susregion zusammen, das im gründet Isaacson seine Auswahl wurden mehr als 6000 Stück verkauft – für Säge einsetzten. «Dieses Label meint es ernst», Herbst erscheinen soll. und nennt damit auch das Leit- eine Vinylplatte eine beachtliche Zahl. «Un- outet sich Hard core rocker Henry Rollins als Bei Honest Jon’s wird eben- motiv seines Labels: «Ich veröf- sere Käufer sind jung», erklärt Isaacson. «Sie Fan. «Jede Veröffentlichung ist wunderbar so viel Wert auf die In for ma tion wie auf die fentliche Schallplatten mit frühen Schellack- schauen sich nach Alternativen zur kommer- zusammengestellt und wohlüberlegt.» Musik gelegt. Jedes Album enthält ein dickes aufnahmen, die keinem Ordnungsprinzip ziellen Mainstreammusik um und landen Booklet mit den wesentlichen Fakten zu den folgen, nur meinem persönlichen Geschmack. bei uns. Sie tauchen mit den Scheiben in eine Honest Jon’s Records Aufnahmen. Es nennt die Mu si kerIn nen Das einzig Gemeinsame der Songs ist die mys te riö se Vergangenheit ein und entdecken und Instrumente, erklärt den Stil und sei- Gefühlsebene, das, was ich die ekstatische eine versteckte Welt von Klängen, deren In- Solches Lob hätte auch das Label Honest Jon’s ne Eigenheiten, was jedes einzelne Stück zu Wahrheit nenne. Auf einer Platte versuche ich tensität und Rauheit nicht weit von Punk und Records verdient. Die kleine Londoner Firma einem Guckloch in die Vergangenheit macht. dann, eine Atmosphäre oder eine Stimmung alternativem Rock entfernt ist. Die emo tio na- hat sich in den letzten Jahren mit Veröffent- Noch wichtiger ist es Ainley allerdings, die durch eine Collage von Songs zu erzeugen.» le Intensität stellt die Verbindung her.»

PUSSY RIOT IN BERLIN «Wir sind umzingelt von neuen Gesetzen» Seit einigen Wochen sind zwei Mitglieder von Pussy Riot auf Tour im Westen und diskutieren über politische und feministische Strategien.

INTERVIEW: INES KAPPERT

Die von der WOZ interviewten Pussy-Riot-Mitglieder am Alexanderplatz in Berlin: «Das biologische Geschlecht ist für uns nicht wichtig, sondern die politische Haltung.» FOTO: PUSSY RIOT

Pussy Riot ist die erste Künstlerinnengruppe terdrückt, andererseits schreibt man uns eine Sobald in unserem Land ein Mann auf- men, lehnen wir ab. Wir lehnen Uniformierung in Russland, die Jugendkultur, Popkultur, Fe- grosse Kraft zu. Deshalb muss man uns bei je- taucht, schreiben ihm die Leute eine Führungs- ab. Aber klar, jeder soll sehen, dass wir jun- minismus und Politik in ihren Performances der Abweichung auf unseren Platz verweisen. rolle zu. Sofort würden alle denken, wir wären ge Frauen sind, aber eben queere Frauen, die miteinander verschmilzt. Zwei von ihnen, Na- «seine Mädchen». sich nicht in die Schubladen «männlich» oder deschda Tolokonnikowa und Marija Aljochina, Wer unterstützt euch in Russland? «weiblich» sortieren lassen. wurden im August letzten Jahres wegen «Hoo- Wir sind in so vielen Bereichen aktiv, Was ist jetzt eure Strategie? ligantums» zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Kunst, Musik, Protest, dass ganz verschiedene Solange zwei von uns noch inhaftiert Welche Rolle spielt Kapitalismuskritik für Die Gruppe hatte am 21. Februar 2012 in einer Leute etwas bei uns finden. Es gibt auch einige sind, können wir keine Performances mehr euch? orthodoxen Kirche in Moskau ein regierungs- Geistliche, die uns unterstützen … Und einzel- machen. Das wäre zu gefährlich für sie. Ausser- Für uns gehören Feminismus und Ka- kritisches «Punkgebet» aufgeführt. Die Verhaf- ne Bürger, die von den Entwicklungen scho- dem wurden jetzt lauter Gesetze verabschiedet, pitalismuskritik zusammen. Früher hat sich tung und Verurteilung löste weltweit Protest ckiert sind, und natürlich andere Aktivistinnen. die sich direkt gegen uns wenden. Das Ver- niemand über Arztrechnungen Gedanken ge- aus. Die beiden in Berlin interviewten Pussy- mummungsgesetz wurde verschärft: Bunte macht, die Versorgung war gut und kostenlos. Riot-Mitglieder geben aus Sicherheitsgründen Und nationale Protestgrössen wie der Jurist Wollmützen in der Art, wie wir sie tragen, sind Jetzt überlege ich mir dreimal, ob ich mir einen ihre Identität nicht preis. und Blogger Alexej Nawalny – unterstützt er nun verboten. Die religiösen Gefühle der Or- Arzt leisten kann. Das Gleiche gilt für das Bil- euch? thodoxen zu verletzen: verboten. Wenn du in dungssystem und für die Stellung der Frau. Die WOZ: Habt ihr damit gerechnet, dass ihr wo- Nein. Unsere Aktion auf dem Roten Platz deinem Blog schreibst: «Gott gibt es nicht, und war in der Sowjetunion nicht gut, aber viel bes- möglich ins Gefängnis müsst, wenn ihr euer in Moskau, «Putin hat Schiss», fand er gut, aber Schwulsein ist okay», machst du dich strafbar. ser als jetzt. «Punkgebet» in einer Kirche aufführt? mit dem «Punkgebet» hatte er Schwierigkeiten. Wir gelten als «Extremisten», und auch das Ex- Pussy Riot: Nein. Wir wussten natürlich, Das war zu nonkonform. Zudem lehnen wir Na- tremismusgesetz wurde verschärft. Wir sind Woher kommt dieser Backlash? dass das nicht allen gefallen wird. Aber da nie je- tionalismus strikt ab, und Nawalny hat sich mit umzingelt von neuen Gesetzen. Sobald die Liberalen oder die Linken sich mand bei unseren Aktionen zu Schaden gekom- rechten Gruppen verbrüdert. Nationalismus entspannen und denken, ihnen kann nichts men ist, kam diese Härte völlig überraschend. ist eine Trennlinie unter den Regimekritikern. Wie also macht ihr weiter? mehr passieren, verlieren sie das eroberte Ter- Solche «Einbrüche» in den öffentlichen Raum Und von wegen Alter: Gerade die jungen Natio- Erst mal auf juristischem Weg. Wir kla- rain wieder. Das gilt nicht nur für Russland, wurden bislang als Ordnungswidrigkeiten be- nalisten gehen am schärfsten gegen Leute wie gen gegen das Urteil vor dem Europäischen auch in den USA steht in manchen Staaten das handelt. Dafür gab es kleine Geldstrafen. uns vor. Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Recht auf Abtreibung unter Beschuss. Deswe- Ausserdem gab es beim Urteil so viele Ver- gen ist es so wichtig weiterzukämpfen. Wir Hat die Reaktion etwas mit den neuen Pro- Könnt ihr bei Frauen mit etwas mehr Solidari- fahrensfehler, dass wir gute Chancen haben können uns nicht ausruhen. Wir müssen das testen in Russland zu tun? tät rechnen? müssten, dass es schon aus formalen Gründen Erbe sichern, aber unsere Generation hat das Auch. Aber vor allem ist Russland ein Wir zählen uns zum Third-Wave-Femi- aufgehoben wird. Dann haben wir noch einen noch nicht verstanden. Sexismus ist ein leben- machistisches Land mit einem sehr chauvinis- nismus. Das biologische Geschlecht ist für uns Fonds gegründet, um Feministinnen in Russ- diger Mechanismus, weltweit. tischen Anführer. Wenn da eine feministische nicht wichtig, sondern die politische Haltung. land finanziell zu unterstützen. Gruppe auftaucht und das System kritisiert – Im Moment bringen gerade Frauen im Par- Was wünscht ihr euch von euren internationa- Putin selbst interessiert uns ja nicht so –, dann lament Vorschläge ein, die die Situation von Was haltet ihr von den Performances der Fe- len Unterstützerinnen und Unterstützern? erschrecken er und seine Entourage natürlich. Frauen verschlechtern. Das Abtreibungsgesetz men-Aktivistinnen? Dass unsere Themen weiterentwickelt ist massiv verschärft worden. Eine aktuelle Ini- Wir verfolgen ihre Aktionen. Aber wir werden. In London erschien gerade das Buch Aber ihr seid doch nicht die ersten Fe mi nis tin- tia ti ve zielt darauf, dass die Familie drei Kin- setzen gerade nicht auf Enthüllung, sondern «Let’s Start a Pussy Riot» bei Rough Trade mit nen in Russland. der haben muss und Frauen, die bis zu ihrem auf Verhüllung. Und zwar nicht nur aus Sicher- Beiträgen von mehr als sechzig Künstlerinnen. Natürlich haben wir hier feministische 23. Lebensjahr noch kein Kind geboren haben, heitsgründen, sondern auch weil wir gegen die Eine der wichtigsten Erfahrungen unserer Tour Künstlerinnen, auch Punkmusikerinnen. Aber Strafe zahlen sollen. Wegen der vielen Pro- Vermarktung des weiblichen Gesichts und Kör- war, dass wir viele Probleme gemeinsam haben. wir sind die Ersten, die Feminismus, Politik bleme in Russland wird die Familie neuerdings pers sind. Wir wünschen uns, dass ein riesiges Netzwerk und Kunst miteinander verbinden und unsere für heilig erklärt. entsteht. Wir dürfen nicht nachlassen! Wir Videos auf YouTube posten und damit viele er- Dennoch tragt ihr hautenge Kleider … dürfen jene nicht vergessen, die für unsere reichen. Das ist neu. Und in Russland hat man Wenn das biologische Geschlecht nicht im Vor- Bei uns entscheidet jede Frau selbst, wie Rechte gekämpft haben! Und auch nicht, dass inzwischen ein grosses Problem mit aktiven dergrund steht, warum seid ihr dann eine rei- sie ihren Körper zeigen möchte. Den Zwang, Nadeschda und Marija noch immer im Gefäng- Frauen. Einerseits werden wir zunehmend un- ne Frauengruppe? seinen Busen zu entblössen, wie bei den Fe- nis sind. Kultur / Wissen 19 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

SIMEON TEN HOLT FERNSEHKRITIK Vom hellen Traum Mit sexy Posen ins der Wiederholungen Zentrum der Seifenoper Die Musik von Simeon ten Holt ist – zumindest in der Schweiz – noch immer Die TV-Serie «Nashville» dreht sich um Country Music. Es geht ein ungehobener Schatz. Der am 25. November 2012 verstorbene um mehr als Rednecks und Trailertrash – es sind sogar gesellschaftliche Holländer steht in einer Reihe mit den grossen Minimal-Music-Komponisten. Veränderungen spürbar. Und selbst die Musik bewegt.

VON THOMAS MEYER VON STEFAN HOWALD

Welch ein schönes Bild. Drei Frauen zwischen «Nash ville» ist schliesslich eine Seifenoper. sechs Männern. Zwei Typus Starlet, im Vorder- Der Serie geht es aber nicht um den grimmigen grund, eine eher Schneewittchen, ein bisschen Naturalismus neuerer Krimiserien, doch auch zurückversetzt. Von den Männern stecken drei von den klassischen Seifenopern «Dallas» im Busi ness an zug, drei sind leger gekleidet, (1978 bis 1991) oder «Denver» (1981 bis 1989) dafür mit Gitarre ausgestattet. Gleissende Lich- setzt sie sich ab. Die waren im beginnenden ter über einem Konzertgebäude. Etliche Stiefel Neoliberalismus schamlose Intrigen um viel an diversen Füssen: Es geht um Country Music. Geld und Macht, mit Sex als Mittel. «Nash ville» Das Bild stellt die Hauptfiguren der neuen US- ist da um einiges kleiner gestrickt, und man- amerikanischen Seifenoper «Nash ville» vor. che gesellschaftlichen Veränderungen werden Country Music ist der Inbegriff des spürbar. US-Konservatismus: eine musikalische Aus- Zweifellos, auch in «Nash ville» hat das drucksform für Rednecks und Trailertrash. schöne Bild immer noch seine konservativen Das zeigt sich schon in der Doppelbedeutung Seiten: Die Frauen zelebrieren sexy Posen, die des Namens: Das Ländliche behauptet, zu- Männer halten Gitarren oder blicken ernst bis gleich das Pa trio ti sche zu sein. Nash ville, Ten- finster. Aber so einfach ist es doch nicht. Die nessee, ist die Hauptstadt der Country Music. Frauen stehen nicht nur im Vordergrund, son- Mit 630 000 Ein woh ner In nen ist Nash ville dern auch selbstbewusst im Zentrum. Rayna nach New York die zweitwichtigste Musikstadt finanziert ihrem Mann den Wahlkampf ums in den USA. Geworden ist sie das Anfang der Bürgermeisteramt, und Ju liette hält mit ihren sechziger Jahre mit dem Nash ville Sound, und Dol lar millio nen einen Tross auf Trab. Selbst der war ironischerweise gerade der Versuch, die Nachwuchssängerin Scarlett O’Connor die tra di tio nel le, erstarrte Country Music zu (Clare Bowen) lebt ihr eigenes Leben. Die Män- modernisieren, um sie gegenüber dem neuen ner kreisen um sie, buhlen um sie, kämpfen um Rock ’n’ Roll konkurrenzfähiger zu machen. sie, betrügen sie. Denn wie bei jeder konservativen Stilrichtung wird auch bei der Country Music gelegentlich Das Private ist politisch versucht, sie in die Moderne zu zerren. Die reak tio nä re Indienstnahme der Country Mu- Dreckige Politik und schmutzige Geschäfte Bis zu vier Stunden Aufführung für ein Stück: Nach einer guten Stunde lässt Simeon ten Holts sic in einem liberalisierten gesellschaftlichen kommen auch vor: Das wird routiniert, aber Komposition eine eingängige Melodie aufscheinen. FOTO: FRISO KEURIS Umfeld sezierte Robert Altman bereits 1975 in eher lieblos heruntergespult. Bemerkens- seinem Film «Nashville». werter ist, wie das Private zum Politischen wird. Den Frauen wird eine Familie zugestan- Eine Art Begleitbewegung im Fünfermetrum Drittel Spielzeit, also einer guten Stunde zu- Erstaunlich gute Musik den oder aufgebürdet, den Männern nur ihr ist zunächst zu hören, b-Moll und As-Dur im meist, scheint dann aus den Re peti tio nen eine Liebesleben. Dabei spiegeln sich die beiden Wechsel, beharrlich wiederholt. Wir befinden schlichte, eingängige Melodie auf, der Gesang, Und jetzt kommt also eine TV-Serie über die Frauen ineinander. Rayna ist Mutter, die sich, uns in einer repetitiven Musik. Allmählich der Canto, springt gleichsam traumhaft hervor, Music City USA. Die Serie inszeniert den Kon- zwischen Musik, Scheidung und einer un- erst schleicht sich leise ein fein dissonierender wird wiederholt und verwebt sich alsbald wie- flikt innerhalb der Country Music. Die Mitt- lösbaren Affäre mit ihrem langjährigen Gi- Ton ein, der sich bald auflöst; die Bewegungen der mit den übrigen Figuren. vierzigerin Rayna James (rote tarristen, um ihre beiden halb- vervielfachen sich, legen sich übereinander, er- Das sind Momente von grosser Emotio - Haare), deren Starkarriere stag- wüchsigen Töchter kümmern geben ein Geflecht von Figuren, die sich rhyth- nali tät. Simeon ten Holt wollte sie nicht berech- niert, und die junge Ju liette Erstaunlich, muss. Ju liette ist Tochter, die misch sanft verwirren und wieder entflechten. nen, er wollte, dass sie sich aus den Wiederho- Barnes (blond), durch einige Pop- dass Musik sich von der alkoholsüchtigen Schon sind wir mittendrin in einem musika- lungen heraus wie von selbst, wie improvisiert countryhits der Star der Stunde, in TV-Serien Mutter abzunabeln versucht. lischen Ablauf, einfach und doch vielgestaltig, entwickeln. Und so mochte er es auch nicht, werden von ihren Managern auf bisher kaum als Ja, auch der private Alko- der über Stunden hinweg weiterführen wird. wenn man das Stück einfach schnurgerade eine gemeinsame Tournee ge- holkonsum wird im Klima des So beginnt «Canto Ostinato», komponiert durchspielte, sondern er wollte, dass die Mu- schickt, um der Karriere der Ers- zentrales Thema gegenwärtigen Hygienewahns von 1976 bis 1979, ein Stück für Tasteninstru- sikerInnen aufeinander hören, den Satz wie in teren neuen Schub zu verleihen vorkam. politisch. Einerseits zerstört er mente, idea ler wei se zwei bis vier Klaviere, das einer Im pro vi sa tion ausdünnen und verstär- und diejenige der Zweiteren nach eine Karriere (die des Gitarristen je nach Aufführung eine bis vier Stunden oder ken und das Werk jedes Mal auf andere Weise ein paar Skandalen zu stabilisie- Dea con) und ein Leben (das von auch länger dauern kann. Es ist das Schlüssel- gestalten. Tatsächlich macht diese Offenheit ren. Erstaunlicherweise kommt Ju liettes Mutter). Andererseits werk des Holländers Simeon ten Holt (1923– einen Reiz seiner Musik aus. Musik als zentrales Thema in befeuert er die Kunst. Rayna be- 2012), ein Stück, das mittlerweile in den Nie- TV-Serien bisher kaum vor. Mu- gibt sich eines Abends zu einem derlanden häufig gespielt wird und von dem es Aufführungen in Bahnhöfen sikalischer Produzent ist T- Bone Burnett, äl- jungen Produzenten, erwacht am nächsten Tag auch etliche Aufnahmen gibt, das aber bei uns teren Le ser In nen noch als Mitstreiter von Bob mit einem schrecklichen Kater, und auf die immer noch als Geheimtipp gelten muss. Die ersten Aufführungen fanden in Bahnhö- Dylan bekannt, danach ein höchst erfolgreicher besorgte Rückfrage, was denn geschehen sei, fen statt, ten Holt liebte das Experiment dabei, Musikproduzent. Und die von ihm verantwor- meint der Produzent spöttisch, der Himmel Klangerforschungen im Studio den so zia len Aspekt. Es ist kein Zufall, dass er tete Musik ist erstaunlich gut. Die beiden Stars, habe sich bewegt – um ihr dann eine Vi deoauf - in einer seiner frühen Klavierbagatellen von beziehungsweise ihre Darstellerinnen Connie nah me zu zeigen, auf der sie einen neuen Song Für den Komponisten selbst muss es eine Er- 1954 Hanns Eislers «Solidaritätslied» verarbei- Britton und Hayden Pa net tiere, verfügen über singt, mit einem Whiskyglas in der Hand, und weckung gewesen sein – oder ein Durchbruch. tete. Dem So zia lismus fühlte er sich verpflich- ausdrucksstarke Stimmen. Selbstverständlich, vom Whisky beflügelt hat ihre Stimme eine Lange suchte ten Holt seinen eigenen Weg. tet. Und diese Gemeinsamkeit sollte sich auch die Musik verbleibt innerhalb eines limitierten neue Dringlichkeit und Tiefe gefunden. Da Zunächst studierte er in seiner Heimat, dem im musikalischen Prozess ausdrücken: im Zu- me lo diösen Spektrums, sie verstört nicht, aber transzendiert die Musik das Genre. Welch ein nordholländischen Bergen, bei Jakob van Dom- sammenspielen und Aufeinanderhören. Eine sie bewegt doch. schönes Bild. se laer, dann 1949 in Paris bei Arthur Honeg- Aufführung müsse reifen, sie sei Resultat eines Am beissend kritischen, gran dios und In Deutsch wird «Nash ville» auf Fox Deutschland ger und Darius Milhaud. Er experimentierte Prozesses, der sich spontan äussere, sagte er mir hektisch und tragisch inszenierten Sittenge- ausgestrahlt, in der Originalversion auf dem mit diversen seriel len Verfahren, komponierte im Gespräch. Jedes Mal sollten andere Aspekte mälde von Altman ist das nicht zu messen. TV- Digitalsender More4. elektronische Musik, ohne dass diese weit über der Musik hervortreten: in der Dynamik, in der die niederländischen Grenzen hinaus bekannt Phrasierung und den Akzenten, im Zusammen- gewesen wäre. Entsprechend wenig davon ist spiel der Linien. Die No ta tion sei bei aller Ge- auf Tonträgern erhalten. nauigkeit offen. Wichtig waren ten Holt dabei Am Studio für Elektronische Musik in aber auch die Sinnlichkeit und die Körperlich- Utrecht hat ten Holt am Klang geforscht und keit des Spielens. Über die Finger, das Berühren dabei eine ziemlich abstrakte Musik kompo- der Tasten, gelangte er auch wieder zu einem niert. Und das empfand er bald als Verarmung. anderen Punkt des Musizierens. Er suchte weiter. Die Tonalität kehrte zurück, In weiteren Werken, häufig wiederum für eine «Tonalität nach dem Tod der Tonalität», mehrere Tasteninstrumente, hat er dieses Ver- wie ten Holt im Gespräch sagte. Dann – um fahren weiter austariert: in «Horizon», «Lem- 1976 – sprang der entscheidende Funke über, niscaat» und «Mean dres» etwa. Daneben ent- von der Minimal Music des US-Amerikaners standen Solowerke und Kammermusikstücke. Steve Reich. Und daran entzündete sich eine Und allmählich stiess diese Musik auch auf Ge- Musiksprache, die ten Holt unmittelbar auf hör. Sie ist, wie gesagt, immer noch ein Geheim- persönliche Weise weiterverarbeiten konnte, tipp, aber sie hat in der Welt viele Freund In nen zunächst in ebendiesem Jahrhundertstück der gefunden. Si meon ten Holt reagierte darauf mit repetitiven Musik, dem «Canto Ostinato». aller Bescheidenheit: Es sei ihm schleierhaft, Die Anlage dieses Stücks ist verwandt warum die Leute auf seine Musik ansprächen. mit den sich überlagernden Patterns von Steve Er wolle ja nicht den Geheimnisvollen spielen, Reich, die sich in weiten Wellenformen entwi- aber er bekomme Telefonanrufe: Seine Musik ckeln. Und doch ist ten Holts Musik anders: Sie mache die Menschen zufrieden. «Ja, das ist wirkt weniger abstrakt als die frühen Stücke schön, aber ich verstehe es nicht ganz.» Reichs, sie orien tiert sich eher an Johann Se- bas tian Bach oder Robert Schumann, arbeitet Einige CDs mit Musik von Simeon ten Holt: sich noch intensiver an den Wiederholungen «Highlights» (11 CDs), Composer’s Voice Spe cial. «Canto Ostinato», Etcetera (3 CDs; vier Klaviere), ab, und sie lässt schliesslich Elemente zu, die oder «Canto Ostinato», Etcetera (1 CD; bei Reich nie vorkamen: Nach etwa einem zwei Klaviere). www.simeontenholt.com Gestatten (von links): Coleman, Deacon, Rayna, Teddy, Juliette, Lamar, Gunnar, Scarlett und Avery. 20 WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

Kinoprogramm von Donnerstag, 11. Juli, bis Mittwoch, 17. Juli 2013

KULT.KINO CAMERA 1 Fr 21.30 Ov/d/f Sommerpause bis 14. August Kanton Aargau Do-Sa/Mo-Mi 16.00, So 14.00 Ov/d More Than Honey R: M. Imhoof (CH 2012) Ab 15. August: Do-Mo 20.30 Ov/d/f: FILMPODIUM, THALWIL FILMPODIUM, ZÜRICH When I Saw You R: A. Jacir (HKJ 2012) Sa 21.30 I/d/f Like Someone in Love R: A. Kiarostami Tel. 044 720 72 72; Tödistrasse 77; Tel. 044 211 66 66; Nüschelerstr. 11; FREIER FILM, AARAU Do-Sa/Mo-Mi 18.00, So 16.00 Sp/d (letzte Il comandante e la cicogna R: S. Soldini (F 2012) www.filmpodiumthalwil.ch www.filmpodium.ch Tel. 062 824 81 16; Laurenzvorstadt 85; Tage) (I 2012) www.freierfilm.ch Betriebsferien bis Mitte August 2013 Do 20.45, Sa/Mi 18.15 F/d (Premiere) 7 Days in Havana R: L. Cantet, B. Del Toro So 21.30 E/d/f Schlafkrankheit R: U. Köhler (D 2011) u.a. (E 2012) R: B. Zeitlin Betriebsferien bis Mitte August 2013 Beasts of the Southern Wild Daniel Auteuil Do-Sa/Mo-Mi 20.30, So 18.00 Rumänisch/d/f (USA 2011) Kanton St. Gallen KULTURRAUM THALWIL (letzte Tage) Bahnhofstrasse 24; Fr 20.45 F/d Jean de Florette R: C. Berri (F/CH/I/A 1986) ODEON, BRUGG Child’s Pose R: C. P. Netzer (RO 2012) CINEMA MEIRINGEN KINOK, ST. GALLEN www.kulturraumthalwil.ch Tel. 056 450 35 65; Bahnhofplatz 11; So 12.15 D/d/f Tel. 071 245 80 72; Grünbergstr. 7; So 20.45, Di 18.15 F/d www.odeon-brugg.ch Tel. 033 971 16 33; Kirchgasse 7; Keine Vorstellungen Paradies: Hoffnung R: U. Seidl (A 2012) www.cinema-meiringen.ch www.kinok.ch Quelques jours avec moi R: C. Sautet (F 1988) Do 18.00 Dialekt KULT.KINO CAMERA 2 Do 17.00, So 11.00, Mo 20.30 Ov/d Rosie R: M. Gisler (CH 2013) Sommerpause bis 1. August 2013 QTOPIA, USTER Das erste Jahrhundert des Films: 1963 und Do-Sa/Mo-Mi 16.30/20.45, So 14.30/18.45 Une Estonienne à Paris R: I. Raag (F 2012) Brauereistrasse 2; 1973 Do 20.15 Ov/d/f F/d Fr 17.30, So 18.00 Ov/d www.qtopia.ch Child’s Pose R: C. P. Netzer (RO 2012) CHRÄMERHUUS, LANGENTHAL Sa 15.00, Mo 18.15, Mi 20.45 Jap/d/f Tango libre R: F. Fonteyne (F 2012) When I Saw You R: A. Jacir (HKJ 2012) High and Low R: A. Kurosawa (J 1963) Fr 18.00 Dialekt Tel. 062 923 15 50; im Stadttheater; Sommerpause bis 24. August 2013 Do-Sa/Mo-Mi 18.45, So 12.45/16.45 Dialekt www.chraemerhuus.ch Fr 19.30, Di 18.15 F/d Sélection Lumière Alpsummer R: T. Horat (CH 2013) Les beaux jours R: M. Vernoux (F 2013) Alpsummer R: T. Horat (CH 2013) Do 18.15, Di 21.00 I/d Fr 20.15 F/d Sommerpause bis 14. Oktober 2013 Sa 19.45, Di 20.30 D NISCHE, WINTERTHUR Les beaux jours R: M. Vernoux (F 2013) Mimì metallurgico ferito nell’onore R: L. Draussen ist Sommer R: F. Jehn (CH 2012) Untere Schöntalstr. 19; Wertmüller (I 1972) KULT.KINO CLUB, BASEL www.kinonische.ch Sa 18.00 D Tel. 061 272 87 81; Marktplatz 34; So 13.00 D Do Einführung M. Walder Der Imker R: M. Khalil (CH 2013) www.kultkino.ch Kanton Graubünden Der Imker R: M. Khalil (CH 2013) Sommerpause The Real Eighties Sa 20.15 Ov/d/f So 20.00, Mi 20.30 F/d Do 15.00, Sa 20.45 E/d/f The Broken Circle R: F. Van Groeningen Tägl. 16.15/18.30/20.45 F/d CINEMA SIL PLAZ, ILANZ Main dans la main R: V. Donzelli (F 2012) (B 2013) Les beaux jours R: M. Vernoux (F 2013) FILMFOYER, WINTERTHUR Rumble Fish R: F. F. Coppola (USA 1983) Tel. 081 544 56 59; Via Centrala 2; Richard Linklaters Liebestrilogie Fr 15.00 E/d/f Sommerpause 14. Juli bis 14. August So 14.00 E/d/f www.cinemasilplaz.ch Tel. 052 212 11 69; Kino Loge 3, Oberer 2013 Nachtzug nach Lissabon R: B. August (CH Sa 15.00, Mi 16.00 E/d/f Graben 6; Starman R: J. Carpenter (USA 1984) 2012) Do 20.15 Ov/d/f Before Midnight R: R. Linklater (USA 2013) www.filmfoyer.ch Fr 18.15 E/d The Patience Stone R: A. Rahimi (F 2012) Todo Tango Cutter’s Way R: I. Passer (USA 1981) MONTI, FRICK Sommerpause bis Ende August Tel. 062 871 04 44; Kaistenbergstr. 5; STADTKINO, BASEL Fr 20.15 E/d/f Do 19.30, Sa 17.30, Mo 18.15 Ov/d So 18.15 E The Broken Circle R: F. Van Groeningen Tango libre R: F. Fonteyne (F 2012) Vorschau September: Modern Romance R: A. Brooks (USA 1981) www.fricks-monti.ch Klostergasse 5; Frauen im frühen japanischen Film www.stadtkinobasel.ch (B 2013) Mi 18.30 Ov/d Mo 21.00 E/d/f Do/Sa/Mi 19.30, So 17.30 D (Premiere) 12 Tangos – Adios Buenos Aires R: A. Christine R: J. Carpenter (USA 1983) Now You See Me – Die Unfassbaren R: L. Sommerpause bis 22. August 2013 RÄTIA, THUSIS Birkenstock (RA/D 2005) Mi 15.00 E/d/f Leterrier (USA 2013) Tel. 081 630 06 56; Obere Stallstr.; Open Air (bei schlechter Witterung im Stadt Zürich Year of the Dragon R: M. Cimino (USA Fr/So/Mo 20.00, Sa/So/Mi 15.00 D (Pre- SPUTNIK, LIESTAL www.kinothusis.ch Kinosaal) 1985) miere) Tel. 061 921 14 17; Poststr. 2; Do 21.45 Ov/d/f Thomas Mann und Richard Wagner Ich – Einfach unverbesserlich 2 – 3D R: P. www.palazzo.ch Sommerpause bis 14. August 2013 ARTHOUSE ALBA, ZÜRICH Fenster zum Sommer R: H. Handloegten Zähringerstr. 44; So 15.00 E/d/f Coffin und C. Renaud (USA 2013) (D 2011) Sommerpause bis 7. August 2013 www.arthouse.ch Death in Venice R: L. Visconti (I/F 1971) So 13.00 D Fr 21.45 E/d/f Die Monster Uni – 3D R: D. Scanlon (USA Kanton Luzern Being John Malkovich R: S. Jonze (USA Tägl. 15.30/18.00/20.15 F/d 2013) 1999) Les beaux jours R: M. Vernoux (F 2013) FILMSTELLE VSETH, ZÜRICH Openair Kino Fricks auf dem Parkplatz Kanton Bern STATTKINO, LUZERN Sa 21.45 E/d/f Tel. 044 632 42 94; Universitätsstrasse 6 / von Fricks Monti bis 27. Juli 2013 CAB; Tel. 041 410 30 60; Löwenplatz 11; Vertigo R: A. Hitchcock (USA 1958) ARTHOUSE LE PARIS, ZÜRICH CINÉMATTE, BERN www.stattkino.ch www.filmstelle.ch Tel. 031 312 45 46; Wasserwerkgasse 7; Gottfried-Kellerstr. 7; ORIENT, WETTINGEN www.arthouse.ch Betriebsferien bis Ende September 2013 Tel. 056 430 12 39; Landstr. 2; www.cinematte.ch Tägl. 20.30 Ov/d SPECTRUM FILMTREFF, The Patience Stone R: A. Rahimi (F 2012) www.orientkino.ch Zyklus: Sommerkino 2013 Tägl. 15.00/18.00/20.30 E/d/f RAPPERSWIL-JONA R: R. Linklater (USA 2013) Tel. 055 210 74 44; Schlosskino Rapperswil, Before Midnight RIFFRAFF, ZÜRICH Sommerpause bis 14. August 2013 Do 21.00 E/d BOURBAKI, LUZERN Tel. 044 444 22 00; Neugasse 57; The Big Lebowski R: J. Coen (USA/GB Fischmarktstr. 4; LunchKino Sommerpause 11. Juli bis 4. Tel. 041 419 99 99; Löwenplatz 11; www.spectrum-filmtreff.ch September 2013 www.riffraff.ch 1998) www.kinoluzern.ch Kanton Appenzell Fr 21.30 D Spectrum Filmtreff macht Sommerpause RIFFRAFF 1 Sommersturm R: M. Kreuzpaintner (D BOURBAKI 1 bis Ende September 2013 ARTHOUSE MOVIE, ZÜRICH Tägl. 16.00/18.45, Do-Mo/Mi 21.15, Fr/Sa 2004) Tägl. 18.00/20.30, Fr/Sa 23.00, Sa/So 15.30 Nägelihof 4; 23.45, Sa/So 13.30 Ov/d (Premiere) Ausserrhoden www.arthouse.ch Sa 21.30, Mo 21.00 E/d Ov/d (Premiere) The Grandmaster R: K. W. Wong (HK 2013) ROSENTAL, HEIDEN A Fish Called Wanda R: C. Crichton (USA/ The Grandmaster R: K. W. Wong (HK 2013) ARTHOUSE MOVIE 1 Di 21.15 Ov/d/f (Vorpremiere) Tel. 071 891 36 36; Schulhausstr. 9; GB 1988) Sa/So 13.15 E/d/f Kanton Thurgau Tägl. 15.30/20.30 Ov/d/f (Premiere) Only God Forgives R: N. W. Refn (F 2013) www.kino-heiden.ch So 21.00 E/d Nachtzug nach Lissabon R: B. August (CH When I Saw You R: A. Jacir (HKJ 2012) Breakfast at Tiffany’s R: B. Edwards (USA 2012) LUNA, FRAUENFELD RIFFRAFF 2 Open-Air Kino Badi-Nacht Tägl. 18.00 Dialekt (Premiere) Tägl. 16.00, Fr/Sa 23.30 D 1961) So 11.15 Dialekt Tel. 052 720 36 00; Lindenstr. 10; Alpsummer R: T. Horat (CH 2013) Sommerpause vom 12. Juli bis 16. Au- Alpsummer R: T. Horat (CH 2013) www.cinemaluna.ch Annelie R: A. Farac (CH 2012) gust 2013 So 13.00 Ov/d Tägl. 18.45/21.15, Sa/So 13.30 Ov/d/f KELLERKINO, BERN BOURBAKI 2 LUNA 1 More Than Honey R: M. Imhoof (CH 2012) Tel. 031 311 38 05; Kramgasse 26; The Broken Circle R: F. Van Groeningen www.kellerkino.ch Tägl. 18.00, Sa/So 13.30/15.45 E/d (Premi- Tägl. 19.30, Sa/So 17.00 E/d ARTHOUSE MOVIE 2 (B 2013) Kanton Basel-Stadt / ere) The Place Beyond the Pines R: D. Cian- First Position R: B. Kargman (USA 2011) france (USA 2012) Tägl. 16.00/21.00 Dialekt RIFFRAFF 3 Do-Sa/Mo-Mi 18.15 E/d/f Rosie R: M. Gisler (CH 2013) Before Midnight R: R. Linklater (USA 2013) Tägl. 15.45, Do-Mo/Mi 20.45 E/d/f Basel-Land Fr-Mo/Mi 20.30 E/d/f LUNA 2 The Place Beyond the Pines R: D. Cian- Tägl. 18.30, So 13.30 Ov/d/f The Place Beyond the Pines R: D. Cian- Tägl. 20.30 Ov/d/f Der Imker R: M. Khalil (CH 2013) When I Saw You R: A. Jacir (HKJ 2012) france (USA 2012) Tägl. 20.00 Rumänisch/d france (USA 2012) NEUES KINO, BASEL Child’s Pose R: C. P. Netzer (RO 2012) Tel. 061 693 44 77; Klybeckstr. 247; Sa 16.00 Dialekt Fr/Sa 23.15 D (letzte Tage) Tägl. 18.30, Sa/So 13.30 E/d/f Hinter dem Horizont R: M. Eggenberger Annelie R: A. Farac (CH 2012) Sa/So 17.30 Dialekt/Türk/d Before Midnight R: R. Linklater (USA 2013) www.neueskinobasel.ch Der Imker R: M. Khalil (CH 2013) ARTHOUSE PICCADILLY, (CH 2013) So 11.30 D/Dialekt Fr/Sa 23.30 Ov/d/f Open-Air-Kino auf der Aussichtsterrasse So 13.45 Sp/d Der grosse Kanton R: V. Giacobbo (CH ZÜRICH The Broken Circle R: F. Van Groeningen (10.7.–9.8.2013) 7 Days in Havana R: L. Cantet, B. Del Toro 2013) Mühlebachstr. 2; (B 2013) u.a. (E 2012) Di 20.45 Ov/d/f (Vorpremiere) Kanton Zug www.arthouse.ch So 11.30 D/E/d More Than Honey R: M. Imhoof (CH 2012) KULT.KINO ATELIER, BASEL So 16.15 Ov/d Only God Forgives R: N. W. Refn (F 2013) ARTHOUSE PICCADILLY 1 Tel. 061 272 87 81; Theaterstr. 7; Nairobi Half Life R: D. Gitonga (EAH 2012) Special Di 21.15 Ov/d (Premiere) www.kultkino.ch GOTTHARD, ZUG Tägl. 15.30/20.30 Ov/d/f The Grandmaster R: K. W. Wong (HK 2013) So 18.15 D Do 20.45 E Tel. 041 726 10 02; Gotthardstr. 18; Child’s Pose R: C. P. Netzer (RO 2012) KULT.KINO ATELIER 1 Annelie R: A. Farac (CH 2012) Blue Surf Filmnacht www.kinozug.ch Tägl. 18.00 Ov/d RIFFRAFF 4 Tägl. 14.15/16.30/20.45 Dialekt BOURBAKI 3 Sa/So 17.00 E/d/f The Patience Stone R: A. Rahimi (F 2012) Tägl. 16.15 E/d Rosie R: M. Gisler (CH 2013) LICHTSPIEL, BERN Tägl. 18.30, So 11.45 Ov/d The Place Beyond the Pines R: D. Cian- So 11.00 I/d Searching for Sugar Man R: M. Bendjelloul Tel. 031 381 15 05; Sandrainstr. 3; (S 2012) Tägl. 18.45 F/d Der Imker R: M. Khalil (CH 2013) france (USA 2012) La Bohème KinOpera Une Estonienne à Paris R: I. Raag (F 2012) www.lichtspiel.ch Tägl. 18.15/20.30, Sa/So 14.00 F/d Tägl. 20.45, Sa/So 16.15 F/d Sa/So 14.30 Dialekt ARTHOUSE PICCADILLY 2 So 12.30 E/d Alpsummer R: T. Horat (CH 2013) Tango libre R: F. Fonteyne (F 2012) So 20.00 Ov Tango libre R: F. Fonteyne (F 2012) Tägl. 16.00 D/Dialekt Searching for Sugar Man R: M. Bendjelloul Kurze Filme aus dem Archiv Tägl. 20.15 Ov/d (Premiere) Fr/Sa 22.45 E/d/f (S 2012) Fr/Sa 23.00 E/d/f Draussen ist Sommer R: F. Jehn (CH 2012) R: R. Linklater (USA 2013) The Grandmaster R: K. W. Wong (HK 2013) The Place Beyond the Pines R: D. Cian- Before Midnight Tägl. 18.30 F/d france (USA 2012) KULT.KINO ATELIER 2 KINO KUNSTMUSEUM, BERN Sa/So 14.00 Rumänisch/d/f Les invisibles R: S. Lifshitz (F 2012) So 11.30 Ov/d/f Tel. 031 328 09 99; Hodlerstr. 8; Child’s Pose R: C. P. Netzer (RO 2012) Tägl. 14.15, Fr-Mi 18.45 Ov/d Tägl. 21.00 D Argerich R: S. Argerich (CH 2012) Der Imker R: M. Khalil (CH 2013) www.kinokunstmuseum.ch BOURBAKI 4 Kanton Zürich Paradies: Hoffnung R: U. Seidl (A 2012) Tägl. 16.30, Do 18.45, Fr-Mi 21.00 E/d/f Do-So/Di 20.30 Ov/d So 11.30 F/d Before Midnight R: R. Linklater (USA 2013) Tägl. 18.15, Sa/So 13.45 Dialekt XENIX, ZÜRICH Before Midnight R: R. Linklater (USA 2013) Rosie R: M. Gisler (CH 2013) ORION, DÜBENDORF Une Estonienne à Paris R: I. Raag (F 2012) So 12.15 Ov/d/f Reprise Tel. 044 821 90 60; Neuhofstr. 23; So 13.30 D Tel. 044 242 04 11; Kanzleistr. 56; Wadjda R: H. Al-Mansour (SA 2012) Do 20.30 E/d/f www.xenix.ch Mo 20.30 Ov/d The Place Beyond the Pines R: D. Cian- www.kino-orion.ch Paradies: Glaube R: U. Seidl (A 2012) Einmalige Vorstellung SURF-Kultur Before Sunrise R: R. Linklater (USA 1995) france (USA 2012) Do/Sa 20.30, Fr/So 18.00 E/d/f INDOOR: Do 21.00 Ov/d Mi 20.30 Ov/d Fr-Mi 20.45, Fr/Sa 23.00 Ov/d/f (letzte Tage) Before Midnight R: R. Linklater (USA 2013) ARTHOUSE UTO, ZÜRICH Do/So-Di 19.15 D Gauchos Del Mar + Titan Kids R: J. Azulay Before Sunset R: R. Linklater (USA 2003) The Broken Circle R: F. Van Groeningen Kalkbreitestr. 3; Schamlos R: E. Saller (A/D/F 1968) (AR 2012) Fr/So 15.00 D (B 2013) Der Imker R: M. Khalil (CH 2013) www.arthouse.ch Do/So-Di 21.00 E/d/f KULT.KINO ATELIER 3 KINO REITSCHULE, BERN Sa/So 16.00 E/d/f Fr 20.30, So 11.00 Dialekt Tägl. 15.30 Sp/d Breaking the Waves R: L. von Trier (DK/F/S/E 1996) Tägl. 14.00/18.30 E/d (Premiere) Tel. 031 306 69 69; Neubrückstr. 8; Before Midnight R: R. Linklater (USA 2013) Rosie R: M. Gisler (CH 2013) 7 Days in Havana R: L. Cantet, B. Del Toro First Position R: B. Kargman (USA 2011) www.reitschule.ch So 11.45 D/E/d u.a. (E 2012) OPEN AIR More Than Honey R: M. Imhoof (CH 2012) Tägl. 16.00/20.30 Ov/d (Premiere) Open-Air Kino im Hof der Reitschule Tägl. 18.15 D/Dialekt/d Fr 21.30 E/d/f The Grandmaster R: K. W. Wong (HK 2013) WILDENMANN, MÄNNEDORF Der grosse Kanton R: V. Giacobbo (CH The Full Monty R: P. Cattaneo (GB 1997) Tel. 044 920 50 55; Dorfgasse 42; 2013) So 12.00 Ov/d www.kino-maennedorf.ch Sa 21.30 E/d/f More Than Honey R: M. Imhoof (CH 2012) FILMPODIUM, BIEL Kanton Solothurn Tägl. 20.30 D/Ov/d Johnny Suede R: T. DiCillo (F/USA/CH Tel. 032 322 71 01; Seevorstadt 71; 1991) www.filmpodiumbiel.ch Do-Sa 20.15 E/d/f Paradies: Liebe R: U. Seidl (A 2012) KULT.KINO CAMERA, BASEL LICHTSPIELE, OLTEN Before Midnight R: R. Linklater (USA 2013) So 13.15 D Mi 21.30 F/d Tel. 061 272 87 81; Rebgasse 1; Open Air (bei schlechter Witterung im Klosterplatz 20; So/Mi 20.15 D Verliebte Feinde R: W. Schweizer (CH Mammuth R: G. de Kervern und B. Delépine www.kultkino.ch Kinosaal) www.lichtspiele-olten.ch Draussen ist Sommer R: F. Jehn (CH 2012) 2012) (F 2010)

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AXOLOTL Das Geheimnis der ewigen Jugend Der Axolotl in den Aztekenkanälen bei Mexiko-Stadt hat eine erstaunliche Regenerationsfähigkeit: Selbst Teile seines Herzens kann der Schwanzlurch vollwertig ersetzen. Die Wissenschaft ist fasziniert und hält ihn in Labors. In der freien Wildbahn aber stirbt er aus.

VON TONI KEPPELER (TEXT UND FOTO)

Höchst interessant auch für das Militär: Axolotl im Aquarium des Biologieinstituts Cibac.

Der Axolotl ist ein wundersames Tier. Julio milco – wissenschaftlich: Ambystoma mexi- von Xochimilco aus. «Die Fische haben dort Für den Axolotl hat Zambrano vier Ki- Cortázar, der grosse argentinische Literat des canum – hat diese beeindruckende Re ge ne ra- keine natürlichen Feinde und vermehren sich lometer Kanal mit Barrieren und Filtern ab- 20. Jahrhunderts, war so fasziniert von diesem tions fähigkeit. Nur er und eine weitere Art blei- schneller, als sie gefangen werden können», gesperrt, um die räuberischen Fische und Schwanzlurch, dass er ihn im Jardin des Plantes ben ihr Leben lang eine Larve und erreichen als sagt Zambrano. «Sie fressen die Jungtiere des giftigen Schwermetalle auf Distanz zu halten. in Paris immer wieder besuchte. Stundenlang solche auf bis heute vom Menschen nicht ver- Axolotls.» Wirtschaftlich haben die Fische Und er hat festgestellt: «Unsere Axolotl wach- sass er vor dem Aquarium. «Ich beobachte- standenen Wegen trotzdem die Geschlechtsrei- keine Bedeutung mehr: «Die Kanäle sind von sen schneller, werden viel grösser als die in te seine Starre, seine dunklen Bewegungen.» fe. Alle anderen durchlaufen eine Metamorpho- Karpfen und Barschen so überbevölkert, dass Gefangenschaft und sind viel lebhafter.» Aus- Schliesslich schrieb er eine Erzählung, in der er se, gehen an Land und werden zu Salamandern. diese zu klein bleiben, um noch verkauft wer- gewachsene Aquarium-Axolotl werden 23 bis das Ergebnis seiner Studien zusammenfasste: Luis Zambrano, Biologe an der Na tio nal- den zu können.» 28 Zentimeter lang und halten sich meist träge «Nun war ich selbst ein Axolotl.» uni versi tät von Mexiko, bemüht sich darum, Man sollte sie auch nicht mehr essen. am Grund ihres Beckens auf. Draussen in den Es ist der Traum eines mit Drogen erfah- das verbliebene Ökosystem von Xochimilco Denn das Wasser des Kanalsystems von Xochi- abgesperrten Schutzgebieten hat Zambrano renen Bohemiens – und doch ist er gar nicht zu retten. Der Axolotl, sagt er, sei sein «Flagg- milco ist verdreckt. Nicht nur von den sorglos schon bis zu 40 Zentimeter lange Tiere gesehen, so absurd. WissenschaftlerInnen in aller Welt schiff», der Sympathieträger für die Finanzie- weggeworfenen Abfällen der rund zwei Mil- und die kämen auch an die Wasseroberfläche. träumen ihn: Es ist der Traum von der ewigen rung des Projekts. Der nacht- lionen Menschen, die jährlich Jugend, und der Axolotl hat eine Fähigkeit, aktive Lurch mit der breiten dieses kühle Naturrefugium am Bitte nicht klonen die, wenn man sie durchschauen würde, die runden Schnauze, den neugierig- Hätten Menschen Rand der Riesenstadt besuchen. Menschheit der Verwirklichung ihres Traums freundlichen Augen und den im- die Fähigkeiten Vor allem sind es Pestizide, die Mitten in diesem alten Kanalsystem liegt das näherbringen könnte: Dieser Lurch regeneriert posanten Kie men äs ten ist nicht des Axolotls – auf den nahe gelegenen Blumen- Biologieinstitut Cibac, eine Aussenstelle der sich selbst. Schneidet man ihm ein Beinchen nur possierlich, er ist auch eine was für ein plantagen versprüht werden, die Autonomen Universität von Mexiko-Stadt. Im ab, so wächst es innerhalb weniger Tage nach. zentrale Figur der aztekischen Barsch und Karpfen ungeniess- Institut werden Flora und Fauna von Xochi- Grossflächige Hautverletzungen steckt er klag- Mythologie: Er ist der Bruder des Fortschritt für die bar machen und die auch dem milco erforscht. Und auch dort macht man los weg. Er kann innere Organe, seine Wirbel- Gottes Quetzalcoatl. Er sollte ge- Medizin! Axolotl zu setzen. sich Gedanken über die Rettung des Axolotls. säule, gar Teile des Gehirns und des Herzens opfert werden und floh deshalb Luis Zambrano schlägt nun 7000 Tiere wurden in grossen Tanks gezüchtet. vollwertig ersetzen. Bis zu 25 Jahre alt wird das vor seinen Häschern ins Wasser. zurück. Zusammen mit Fischern «Jetzt haben wir die Genehmigung, 3000 davon Tier. Andere Lurche sind schon mit fünf Jah- Dort hat er die Form des Axolotls holt er eine Tonne Karpfen und auszuwildern», sagt Institutsleiter Fernando ren steinalt. Hätten Menschen die Fähigkeiten angenommen. Das Wort der Az- Barsch pro Tag aus den Kanälen Arana. des Axolotls – was für ein Fortschritt für die tekensprache «nahuatl» (ausge- und lässt sie zu Dünger für die Er hat dafür wie Zambrano Schutzräume Medizin! sprochen in etwa «ascholót») ist zusammenge- künstlichen Inseln verarbeiten. Diese Chinam- in den Kanälen abgesperrt. Mit einer anderen Eben deshalb leben heute mehr Axolotl in setzt aus «atl» (Wasser) und «xolotl», was Gott- pas genannten, von den Kanälen umflossenen Idee: Weil sich der Anbau von Mais und Gemü- den Aquarien von Forschungslabors als in der heit bedeuten kann, aber auch Monster. Felder sind 200 Meter lang und gerade 20 Meter se auf den Chinampas nicht mehr lohne, sollten freien Wildbahn. Die Medizinische Hochschu- schmal. So bleibt die Erde auch in der Trocken- die Bauern den Axolotl hegen und pflegen, um le Hannover betreibt seit 2010 ein Zentrum zur Retter des Ökosystems zeit immer feucht. In Mexiko steht der Markt ihn dann fürs Aquarium im Wohnzimmer zu Erforschung des Tiers, am Max-Planck-Institut für Biolebensmittel noch ganz am Anfang sei- verkaufen. Zwischen umgerechnet zehn und für molekulare Zellbiologie und Genetik in Auch heute wird der Axolotl von Häschern ver- ner Entwicklung; da ist Anbau ohne Pestizide dreissig Franken bekomme man derzeit in Me- Dresden versuchen WissenschaftlerInnen, sein folgt. Vor rund zwanzig Jahren wollte die Re- schon ein Fortschritt. Zambrano sieht Wachs- xiko für so einen Lurch, «und es gibt auch eine Genom zu entschlüsseln. Das Verteidigungs- gierung den Bauern und Bäuerinnen im Süden tumschancen und damit einen Anreiz für die internationale Nachfrage». ministerium der USA hat über sechs Millionen von Mexiko-Stadt helfen und setzte Karpfen BäuerInnen von Xochimilco, das Ökosystem zu Um die Larve als Lebensmittel zu verkau- Dollar investiert, um den Regenerationsmecha- und afrikanische Buntbarsche in den Kanälen erhalten und zugleich den Axolotl zu schützen. fen, seien die Produktionskosten noch zu hoch. nismus erforschen zu lassen. Könnte man ihn «Für eine richtige Mahlzeit braucht man schon auf den Menschen übertragen, wären die von zwei oder drei Axolotl, die vier oder fünf Jahre Minen abgerissenen Beine von Soldaten kein alt sein sollten», weiss Arana. «In ein paar Jah- grösseres Problem mehr. ren» aber kann er sich auch das als durchaus DAS TIER IN DER KULTUR lohnendes Geschäftsmodell vorstellen (siehe Bedrohter Sympathieträger «Axolotl, gesotten und geschrieben»). Luis Zambrano hält diese Strategie für Die Wissenschaft forscht an der Überlebens- Axolotl, gesotten und geschrieben gefährlich. Er fürchtet den Chytridpilz, von fähigkeit des Axolotls, in der freien Wildbahn Bei den AztekInnen galt der Axolotl als Speise Atemwege helfen. Die Fläschchen, in denen die dem fast alle in Gefangenschaft lebenden Axo- aber stirbt er aus. Seine Heimat sind die Kanäle der Noblen. Man sagt, er schmecke ein biss- Medizin auf Märkten angeboten wird, zeigen lotl befallen seien und der in Lateinamerika für um die künstlichen Inseln, die einst von den chen wie Frösche, irgendwo zwischen Huhn auf dem Etikett einen lächelnden Axolotl. ein Massensterben von Amphibien verantwort- Az tek In nen in Xochimilco angelegt worden und Fisch. Die klassische Zubereitung war das Im deutschsprachigen Raum hat das lich ist. Die Epidemie ist eine Folge des Klima- waren, um ihre Hauptstadt Tenochtitlan mit sogenannte Tlapique: Ein ausgenommener Axo- Tier zuletzt 2010 Furore gemacht, als der Erst- wandels: In den langsam wärmer werdenden Lebensmitteln zu versorgen. Die spanischen lotl wird zusammen mit Tomaten, anderem lingsroman «Axolotl Roadkill» der damals erst Gewässern breitet sich der Pilz immer schneller Er oberer haben die meisten dieser Kanäle tro- Gemüse der Saison und scharfen Chilischoten achtzehnjährigen Autorin Helene Hegemann aus. Die noch kühlen Kanäle von Xochimilco ckengelegt. Danach ist dort Mexiko-Stadt zu in Maisblätter gewickelt und verschnürt, dann erschien. Die Geschichte einer Sechzehnjähri- sind bislang frei davon. einem urbanen Moloch von über zwanzig Mil- stundenlang in kochendem Wasser gegart. gen, die durch Existenzkrisen, Therapien und Zudem sind Zuchtaxolotl immer irgend- lionen EinwohnerInnen gewuchert. Nur noch Einen Teller braucht man nicht: Der Axolotl Sexexzesse stolpert und schliesslich an der He- wie miteinander verwandt und haben deshalb knapp 170 von einst Tausenden Kilometern Ka- wird samt Beilagen aus den geöffneten Mais- roinnadel hängt, wurde von der Kritik zunächst ein reduziertes Erbgut. Zambrano nennt sie nal sind heute übrig. In denen lebten vor fünf- blättern gegessen. Man sagt, es gebe noch heu- mit stürmischem Lob aufgenommen. Bis her- polemisch «Klone». Sollte Arana seine 3000 zehn Jahren noch rund 6000 Axolotl pro Qua- te Feinschmeckerrestaurants in Mexiko-Stadt, auskam, dass Hegemann lange Passagen aus Tiere tatsächlich auswildern, befürchtet er dratkilometer Wasserfläche. 2004 waren es die das Gericht speziellen KundInnen unter der dem im Jahr zuvor erschienenen Roman «Stro- «einen Krieg der Klone gegen die wenigen frei noch 2000, vier Jahre später nur noch hundert, Hand anböten. bo» des Berliner Bloggers Airen abgeschrieben, lebenden Axolotl. Und den werden die Klone und heute schätzt Luis Zambrano den Quadrat- Auch in der volkstümlichen Medizin ihren Plot vom Kurzfilm «Try a Little Tender- gewinnen.» kilometerbestand auf zehn bis zwanzig. Insge- spielt das Tier bis heute eine Rolle: Im mexika- ness» des Regisseurs Benjamin Teske geklaut Das wäre nicht nur eine Katastrophe samt gebe es nur noch zwischen 600 und 1200 nischen Bundesstaat Michoacán unterhalten und am Ende «ihres» Werks den Text des Lieds für den Axolotl, es wäre auch schlimm für die frei lebende Tiere. die Nonnen eines Klosters von Dominikane- «Fuck You» der Band Ar chive übernommen hat- Wissenschaft. Zambrano hat festgestellt, dass Zwar gibt es ein halbes Dutzend artver- rinnen eine grosse Axolotlzucht. Sie quetschen te – alles ohne Quellenangabe. Ach ja: Der Titel Zuchtaxolotl von Generation zu Generation wandter Tiere in anderen in sich geschlossenen die erwachsenen Tiere aus und kochen aus dem des Buchs kommt von einem Axolotl, den die ihre Regenerationsfähigkeit immer früher Ökosystemen in Mexiko und Teilen der USA so gewonnenen Saft einen Sirup. Der soll gegen Protagonistin immer mit sich herumträgt: das verlieren. In der Gefangenschaft verblasst der und Kanadas. Aber nur der Axolotl von Xochi- Husten, Asthma und andere Erkrankungen der Tierchen, das nie erwachsen werden will. K EP Traum von der ewigen Jugend. 20 WOZ DIE WOCHENZEITUNG NR. 28 15. JULI 2010

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POLITOUR mitzugestalten, zu verändern und sie nicht der Kommerzialisierung zu überlassen. Das stösst auf erhebliche Widerstände. Für sie und ihre Lebensform gibt es in der Millionenstadt Wien keinen Platz. Wegen Bauspekulationen und des Unwillens von Grundstückseigentü- merInnen, sich auf Zwischennutzungen der brachliegenden Flächen einzulassen, muss die Gruppe teilweise im Monatstakt umziehen. Energie Die FilmemacherInnen Birgit Bergmann, Eric Nussbaumer, SP-Nationalrat und Präsident Stefanie Franz und Oliver Werani haben die der Urek (Umwelt-, Raumplanungs- und Ener- Wagentruppe rund ein Jahr lang begleitet. giekommission des Nationalrats), spricht im Dabei ist der Film «Treibstoff» entstanden, der Rahmen eines Politischen Abendgottesdienstes nun in Basel gezeigt wird. zum Thema «Atomausstieg und Energiewende: Basel Internetcafé Planet 13, Klybeckstrasse 60, Chancen und Grenzen der Politik». Fr, 12. Juli, 20 Uhr. Zürich Wasserkirche, Limmatquai 31, Fr, 12. Juli, 18.30 Uhr, im Anschluss an das öffentliche Schweigen der Frauen für den Frieden beim ZigeunerInnen Fraumünster von 17.45–18.15 Uhr. An den diesjährigen Zigeunerkulturtagen wird über Lösungsansätze für die Situation der Roma in den osteuropäischen Ländern infor- Nahrungsmittel miert (Do, 11. Juli, 19–20 Uhr). Anschliessend Woher stammen unsere Nahrungsmittel? Wie ist ein Konzert der Romagruppe Mahala ge- werden sie produziert? Unsere Kaufentscheide plant. Danach wird der rumänische Romafilm haben Auswirkungen auf unsere Gesundheit, «Julianas Traum» gezeigt (ca. 22 Uhr). Tags beeinflussen aber auch die Umwelt und das Le- darauf wird zum Podium «Platzmangel» ein- ben anderer Menschen. Helvetas zeigt nun die geladen (Fr, 12. Juli, 19 Uhr) und zum Konzert neue Wanderausstellung «Wir essen die Welt» von Mu sique Simili (20 Uhr). Am Samstag gibts über Genuss, Geschäft und Globalisierung. Musik der Jenischen, Sinti und Roma mit der Aarau Naturama Aargau, Feerstrasse 17, Gruppe Cou nousse (20–23 Uhr). Am Sonntag bis 9. Februar 2014. Anschliessend in weiteren spielen Cou nousse dann Schwyzerörgelimusik Fünfzehn Leute unter Anleitung des Künstlers Gabriel Orozco brauchten einen Monat, um die Schweizer Städten. zum Brunch (10–13 Uhr). Replik eines Blauwalskeletts zu bemalen – jetzt ist sie in Bregenz zu sehen. FOTO: © GABRIEL OROZCO Zürich Schütze-Areal beim Escher-Wyss-Platz, bis So, 14. Juli. Täglich Markt ab 14 Uhr, Speis Winterthurer Rundgang und Trank vom Zigeunerkulturzentrum ab 18 Uhr. Eintritt zu den Veranstaltungen jeweils frei. In einem Rundgang durch die Winterthurer Alt- KULTOUR tasien. Man vermutete dort das Paradies, und stadt wird gezeigt, wie die Obrigkeit im 15. und noch bis ins 19. Jahrhundert glaubte man, dass 16. Jahrhundert versuchte, ihre UntertanInnen dort Überlebende von Atlantis ihr geheimes zu einem gottesfürchtigen und ehrbaren Leben Zürcher Rundgang Wissen hüten. In neuerer Zeit sind Comics anzuhalten. Die TeilnehmerInnen beobachten Was hat der Alltag von Frauen mit Stadtent- mit politischer Propaganda aus West und Ost ein junges Paar beim Eheversprechen und er- wicklung zu tun, und was kann uns die gebaute sowie philosophisch angehauchte Ich-Suchen fahren, wie sich die gängigen Hochzeitsbräu- Stadt über das Leben und Wirken von Frauen dazugekommen. Oder das Land dient schlicht che gestalteten. Ausserdem begegnen sie einer erzählen? Solchen Fragen kann man auf dem als exotische Kulisse für blutige Abrechnungen Prostituierten, die Einblick in den Bordellalltag Rundgang durch das ehemalige Chratzquartier Ausstellung zwischen Supermächten. Die Ausstellung lädt gewährt. links der Limmat nachgehen. Gezeigt wird, wie die ganze Familie zum Schmökern ein. IBO Winterthur Beginn des Rundgangs: Ende des 19. Jahrhunderts öffentliche Wasch- Gabriel Orozco «Yaks, Yetis, Yogis – Tibet im Comic» in: Haupteingang der Stadtkirche, Fr, 12. Juli, 18 Uhr. plätze dem Verkehr Platz machen mussten und Zürich Museum Rietberg, Sa, 13. Juli, Kosten: 16/18/23 Franken. wie die Frauen zur Frauenbadi und der ers- Der mexikanische Künstler Gabriel Orozco hat 16.45 Uhr, Kindervernissage. Bis 10. November. ten öffentlichen Frauentoilette am Bürkliplatz www.rietberg.ch vor zwanzig Jahren eine «Zitrone» zersägt. Die kamen. Es gibt auch einen Halt bei einem ehe- Rede ist hier vom legendären Citroën La DS, Wohnen maligen Bordell und bei einer Gerichtsinstanz, der als La Déesse, die Göttin, bekannt wurde. In Wien lebt eine rund zwanzigköpfige Gruppe die ledige Mütter zu Gefängnisstrafen verur- Gabriel Orozco fügte sie so zusammen, dass ein Film Menschen in einer Wagentruppe. Es ist eine teilte. Erzählt wird ausserdem die Geschichte zweisitziges Auto mit eng zusammenliegenden sich selbstverwaltende Gemeinschaft, sie fin- einer Frau, die am grossen Zaster der Stadt Augen entstand. Seither hat er eine ganze Reihe Hoch über den Dächern det für die Deckung von Bedürfnissen nach teilhaben wollte und dafür die Zürcher Gesell- von weiteren Objekten, Skulpturen, flüchtig Wasser, Toilette, Strom et cetera. einfache, schaft an der Nase herumführte. und improvisiert erscheinende Installationen Die Kinos stuhlen raus: Doch nicht nur in lau- krea ti ve Lösungen. Das Konzept der «Wagen- und Fotografien geschaffen. Sie wurden als Re- schigen Hinterhöfen und Gärten gibt es Filme truppe Treibstoff» ist es, Wohnort und darü- Zürich Treffpunkt beim Brunnen auf dem Lindenhof, Sa, 13. Juli, 16.15 Uhr. Kosten: trospektive zwischen 2009 und 2011 in New zu sehen, sondern auch hoch über den Städ- ber hin aus sozialer Treffpunkt innerhalb der 15/20 Franken. Der Rundgang dauert ca. neunzig York, Basel, Paris und London gezeigt. ten. Das Neue Kino in Basel lässt sein Publikum Stadt zu sein. Dies mit dem Wunsch, die Stadt Minuten und findet bei jeder Witterung statt. Das von Peter Zumthor entworfene auch dieses Jahr auf das Bernoulli-Silo steigen. Kunsthaus Bregenz zeigt nun grösstenteils von Von hier hat man eine herrliche Aussicht weit Orozco speziell für diese Räume konzipierte über Basel hinaus. Im Zentrum des diesjäh- Werke. Darunter sind Steinskulpturen, die an rigen Open-Air-Programms steht das Thema Hans Arp und Constantin Brancusi erinnern, «Kameradschaft». Zu sehen sind unter ande- aber auch einen Bezug zu den indigenen Kul- ren «Kameradschaft» von Georg Wilhelm Pabst, CD turen seiner Heimat haben. Neben der spek- ein Film von 1931, der von der Begegnung takulären Nachbildung eines fünfzehn Meter zwischen deutschen Bergleuten und verschüt- langen Walskeletts ist auch ein Remake von «La teten französischen Bergleuten erzählt. Unter Ragtime im Kämmerimoos DS» ausgestellt. IBO den fünfzehn Filmen sind auch «Der Atlantik- «Erinnerungen an Hans Frey, Originalaufnahmen. Vol. 1 & 2 (1941–1971)». Gabriel Orozco «Natural Motion» in: Bregenz schwimmer» (1976) von Herbert Achternbusch, Herausgegeben von Matthias Knobel. www.musikhaus-knobel.ch Kunsthaus, Fr, 12. Juli, 19 Uhr, Eröffnung. die kubanische Komödie «Quiéreme y verás» Bis 6. Oktober. www.kunsthaus-bregenz.at (1994) von Daniel Díaz Torres oder «Ta Dona» (1991) des malischen Regisseurs Adama Drabo. In der Innerschweiz sitzt der Pianist in der will, findet sie im Büchlein zu den zwei CDs, auf Yaks, Yetis, Yogis Auch in Bern kann auf die Dächer ge- Ländlerkapelle. Ab und zu darf er eine Passa- denen Matthias Knobel aus Wädenswil Freys stiegen werden: Das Kleine Dachkino präsen- ge solo spielen, aber seine Hauptaufgabe ist, Musik wieder aufgelegt hat – eine eindrück- «Wisse, wir alle sind nur Maiglöckchen auf den tiert auf unterschiedlichen Terrassen an unter- zusammen mit dem Bassgeiger das Gerüst der liche musikarchäologische Arbeit, begleitet von Flügeln des universellen Frosches», sagt der schiedlichen Ecken der Stadt jeweils drei Filme Mazurkas, Märsche und Polkas zusammenzu- einem Notenband mit 43 Kompositionen. weise Lama Brahma zu Donald Duck, als dieser und ermöglicht so nicht nur filmische Freuden, halten. Im Kanton Graubünden sind die Pia- Frey selbst war kein Notenleser, sondern versucht, im Himalaja seine Lebenskrise zu be- sondern zeigt auch die Hauptstadt aus ganz nistInnen arbeitslos und im Appenzell selten. ein Gehörspieler. Seine Musik reist querbeet wältigen. Sein geiziger Onkel Dagobert übt sich unterschiedlichen Perspektiven. Zu sehen sind Wie im Jazz gibt es aber auch in der Volks musik durch die Unterhaltungsmusik der Kriegs- und derweilen in Telekinese, um Reisekosten zu unter anderen Andreas Dresens Sozialkomödie eine verloren gegangene Tradition, wo der Pia- Nachkriegsjahre. Deren Ländlermusiker haben sparen. Auch er ist auf der Suche: nach Shan- «Sommer vorm Balkon» (2006), Rolando Collas nist ohne Handorgel, Bass und Klarinetten den Foxtrott eingeschweizert und bodenstän- gri-La, dem Land ohne Geld. Superhelden wie «Giochi d’estate» (2011) oder Anders Thomas nächtelang allein aufgespielt hat. dige Gassenhauer amerikanisiert. Cha rak te ris- der Grüne Lama, Doktor Strange oder Thun- Jensens schwarze Komödie «Adams Apple». Die Hans Frey (1913–1973) war der Begrün- tisch für Frey ist eine harte linke Hand, mit der derbolt haben in Tibet ihre übernatürlichen Filme werden wenn möglich auch bei Regen der und Vollender solcher Musik. Er lernte als er die Basslinien durch seine Stückli bugsiert, Kräfte erworben. gezeigt. SÜS Bub in Lachen und Umgebung Klavier spielen mit Terzen und Sexten verziert er seine ein- Das Zürcher Museum Rietberg versam- und brachte es zu einem der populärsten Unter- fachen Melodien. Also geht nicht fehl, wer zu «Kameradschaft» Open-Air-Kino in: melt unter dem Titel «Yaks, Yetis, Yogis» rund Basel Neues Kino, Do, 10. Juli, bis Fr, 9. August. haltungsmusiker der Schweiz. In den vierziger hören meint, der Ragtime habe sich ins Käm- achtzig Comicgeschichten aus aller Welt, in www.neueskinobasel.ch und fünfziger Jahren war er Stammgast von merimoos verirrt. Die CD ist ein Dokument da- denen Tibet im Zentrum steht. Unzählige Kli- Kleines Dachkino in: Bern Dachterrasse Radio Beromünster. Sein «Mit em Rex is Tes- für, wie lebendige Volksmusik am Geschmack schees, Absurditäten und populäre Irrtümer Schwanengasse 3: So–Di, 14.–16. Juli; sin» war zeitweilig der am meisten gespielte von Zeitgeist und Publikum in den Bars von Zü- über «das Dach der Welt» sind so gefestigt Dachterrasse Engehaldestrasse 69, Titel, es ist eine Roadmusig, denn «Rex» hiess rich und in Radio Beromünster entstanden ist So–Di, 21.–23. Juli. Bar ab 20 Uhr, Film ab worden. Das Land diente schon im 17. Jahr- 21.30 Uhr. Am Sonntag jeweils Konzert Hans Freys Töff, und Fahrten ins Tessin waren und sich dann übers Land verbreitet hat. hundert als Projektionsfläche für westliche Fan- ab 20.30 Uhr. www.kleinesdachkino.jimdo.com ihm lieb. Wer seine Biografie kennenlernen KÖBI GANTENBEIN

IMPRESSUM Jahresabo: 265 Franken Ausbildungsabo: 160 Franken (hb), 079 543 46 06 Redaktions leitung: Susan Boos, Roman Nachdruck von Texten und Bildern: nur nach Absprache mit (Ausbildungs ausweiskopie senden) Probeabo: 8 Wochen für Schürmann (stv.), Yves Wegelin (stv.) dem Verlag, Telefon 044 448 14 14, E-Mail: [email protected] Verlag: Aboservice: Ghislaine Flachsmann, Karin Hoffsten (kho) Herausgeberin WOZ Die Wochenzeitung: Genossenschaft 25 Franken. Weitere Angebote auf www.woz.ch/abo. Buchhaltung: Maha Al-Wakeel, Erika Hauser, Desk, Archiv: Förderverein/Recherchierfonds: ProWOZ, Hardturmstrasse 66, infolink, Hardturmstrasse 66, 8031 Zürich. Pakete und Redaktion: Schweiz: Susan Boos (sb), Bettina Dyttrich (dyt), Georg Bauer, Alessio El Mais, Iris Schär Informatik: Martin Clalüna, 8031 Zürich, www.prowoz.ch, PC 80-22251-0 Express: 8005 Zürich Andreas Fagetti (fa), Dinu Gautier (dig), Carlos Hanimann (ch), Lorenz Schori Inserate: Roger Baldinger, Kilian Gasser (Ökopool), Jan Jirát (jj), Stefan Keller (stk, Medien), Adrian Riklin (adr), Susi Herausgeberin «Le Monde diplomatique»: «WOZ – Inter natio- Die Genossen schaft infolink gehört aus schliesslich den Stephan Müller, Roger Odermatt, Vasco Rasi Online: Georg Bauer, Stühlinger (stü), Kaspar Surber (ks), Ruth Wysseier (rw) nale Medienerzeugnisse AG» (IMAG) und «taz», Berlin, geben den ZeitungsmacherInnen. Die WOZ ist unabhängig; über inhaltliche Daisy Sommer Personal: Maha Al-Wakeel Werbung und Bundeshaus: Andreas Fagetti, 078 941 26 40 Wirtschaft: Yves deutschsprachigen «Le Monde diplomatique» heraus. Erscheint Fragen entscheidet die Redaktions konferenz. Verlagsgruppe: Claudia Gillardon, Camille Roseau Wegelin (yw) International: Markus Spörndli (spö), Daniel Produktion: Korrektorat: Corinne Baiker, Elsa Bösch, Ulrike Frank, monatlich als Beilage in der WOZ und kann auch separat abonniert Zentrale: Telefon 044 448 14 14, Fax 044 448 14 15, E-Mail: Stern (ds), Sonja Wenger (sw) Kultur: Fredi Bosshard (ibo), Stefan Tobias Hoffmann, Marlene Kalt Layout und Grafik: Marcel Bamert, werden. Redaktion: Sonja Wenger, Verlag: Camille Roseau. [email protected] Website: www.woz.ch Inserate: 044 448 14 03, Howald (sh), Silvia Süess (süs) Wissen: Franziska Meister (mei) Alina Günter, Franziska Meyer Zentrale: Telefon 044 448 14 14, E-Mail: [email protected] Website: [email protected] Abos: 044 448 14 44, [email protected] Wemf- Bild: Andreas Bodmer, Alda Burkhardt, Ursula Häne Abschluss: www.monde-diplomatique.ch Inserate: [email protected] beglaubigte verkaufte Auflage: 16 160 Reichweite: 105 000 Armin Büttner (abü), Roman Schürmann (sc) Genf: Helen Brügger Druck: NZZ Print, Schlieren Abos: Angebote für In- und Ausland auf www.woz.ch/abo. 24 Die Letzte WOZ Nr. 28 11. Juli 2013

LETZTE WOCHE IN: WOZ NEWS

Dublin (6)

Anrüchige «Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse erhält die Einschränkung ‹wenn immer möglich› einen fahlen Beigeschmack», war vor kurzem in der WOZ zu lesen. Falsches Adjektiv zum Bei- geschmack, sagen Sie? Neues Adjektiv, sagen wir: fad + schal = fahl. FI

Verblasene In Ägypten ist wieder einmal alles zunderobsi; das lässt auch den «Tages-Anzeiger» nicht unberührt: «Aber er hat alle juristischen Prü- fungen durchlaufen, und wenn ihm nun der Prozess gemacht wird, weil er nach dem Mu- barak-Sturz aus dem Gefängnis geflohen ist, dann sieht das Kilometer gegen den Wind nach politischer Jus tiz aus.» Und wie das wohl erst riechen wird?! Doch wir hüten uns, die Nase zu rümpfen. FI

Kosmetische Auch die App der «Süddeutschen» wusste Er- staunliches aus Ägypten: «Gegen Mursi (…) wurde ein Ausreiseverbot verhängt. Ausserdem haben Soldaten die Kaserne abgeriegelt, in der sich Mursi aufhellt.» Ist dieser Prozess abge- schlossen und vielleicht noch der Bart ab, kön- nen wir uns auf Revanche gefasst machen. FI Gaelic Football – eine Sportart mit Elementen aus Rugby und Fussball – ist zwar sehr populär in Irland, kann aber nicht verhindern, dass Tausende Jugendliche wegen der Wirtschaftskrise das Land verlassen und damit Lücken in die Teams reissen. Diese Zuschauer beim Spiel Dublin gegen Kildare könnten notfalls noch eingewechselt werden. FOTO: ALAN O’CONNOR, CONTENTMACHINE Populärmusikalische Alte Schlager müssen gelegentlich herhalten, um aktuelle Texte zu schmücken, und so lasen wir in der NZZ: «‹Rote Lippen soll man küssen, denn zum Küssen sind sie da› sang Gus Backus in den 1960er Jahren.» Nix da Gus Backus, sa- MEDIENTAGEBUCH gen unsere wandelnden Schlagerlexika. Cliff Richard wars, der mit seiner eingedeutschten «Lucky Lips»-Version 1963 prompt für sieben Wochen auf Platz 1 der deutschen Hitparade Plötzlich mutig genug? landete. Was aber nicht wirklich für den Song und seine Interpretation spricht. FI CHRISTIAN RENTSCH über die Medienseite des «Tages-Anzeigers»

Ab Dezember wird der «Tages-Anzeiger» wie- Denn praktisch alles, was wir über das aktuelle wie viele Millionen die diversen beteiligten Möblierte der eine Medienseite haben. Das ist gut so, aber: Weltgeschehen wissen, haben wir aus den Me- Familien und Sippen jährlich aus dem Unter- Das Niveau ist seit 1963 aber nicht in allen Be- Wunder sind dabei kaum zu erwarten. dien. Information ist ein lebensnotwendiges nehmen herausholen? reichen gestiegen, am Boulevard zum Beispiel In den neunziger Jahren beschäftigten öffentliches Gut. Niemand weiss, wie die Me- Es ist weitgehend ungefährlich, über eine ist es in Sachen Fremdwortkunde gar eher ge- mehrere Tageszeitungen und Wochenblätter dienszene in zehn Jahren aussehen wird, wel- eingekaufte amerikanische TV-Serie zu lästern sunken. Der «Blick am Abend» befragte Brandy noch MedienredaktorInnen, leisteten sich Me- chen Einfluss Facebook, Twitter und all die an- oder sich über die geistige Tiefe eines Sport- Butler, die bei «Voice of Switzerland» teilnahm dienseiten oder gar einen Medienbund. Heute deren neuen «sozialen Medien» haben werden, moderators zu mokieren. Aber bereits die The- und jetzt ein Video herausgebracht hat: «Zu ist die NZZ die einzige grössere Zeitung der wie sie unser Denken und Handeln verändern. men «Honorare der Freien» oder «Basler Me- sehen ist auch ein Double von Ihrem Couch Schweiz mit einer Medienseite. Darüber muss öffentlich berichtet, aufge- diensituation» betreffen – bei der Tamedia – das Stress. Für den echten hat es nicht ge reicht?» Das ist natürlich kein Zufall: Kein klärt, debattiert und räsoniert werden. Derzeit eigene Unternehmen. Erst recht schwierig wird Die Couch Stress muss man sich wohl als eine Medien unternehmer liest gern Kritisches über sind Mediengeschichten nur im Blatt, wenn sie es, wenn man über Sparübungen im eigenen vorstellen, bei der die Stahlfedern rausgucken. seine eigene Firma. Sicher kam es der Tamedia- sich zum Skandal zurechtbiegen lassen. Oder Haus berichten und darlegen will, wie viele Mil- Und das Double ist aus Kunstleder statt aus Geschäftsleitung daher nicht ungelegen, als wenn sich einige Plaudertaschen eine TV-Serie lionen dabei anfallen und wohin diese fliessen. Leder. FI die verängstigte Chefredaktion 2003 das Me- reinziehen und dann über ihre an- oder ab- Mit anderen Worten: Es kommt nicht so dienressort auflöste: Es hatte immer wieder für schwellenden Erregungskurven berichten. sehr darauf an, ob der «Tages-Anzeiger» wieder Ärger gesorgt, weil es ab und zu auch kritische Wo aber liest man zum Beispiel darüber, eine Medienseite hat oder nicht. Es kommt viel Geschlechtliche Artikel über das eigene Haus publizieren wollte. wie die Schweizer Medien den Israel-Palästina- mehr darauf an, ob für Medienthemen jemand «Der Dachverband der Schweizer Lehrerinnen Medienthemen sind selten Quotenrenner, Konflikt behandeln; warum die meisten freien zuständig ist, der nicht gleich umfällt (oder ge- und Lehrer (LCH) fordert eine Lohnerhöhung und die gleichen Medien, die völlig zu Recht in JournalistInnen heute weniger verdienen als fällt werden kann), wenn Sturm angesagt ist. für alle Lehrer innerhalb der nächsten fünf Politik und Wirtschaft mehr Transparenz for- vor zwanzig Jahren; was beim Radio und Fern- Und ob die Chefredaktion in heiklen Situatio- Jahre», meldete der «Tages-Anzeiger». Was ist dern und sich überall als «vierte Gewalt», als sehen hinter den Kulissen alles schiefläuft beim nen den Mut hat, sich dem Druck zu wider- hier falsch?, mögen Sie sich fragen. Sind die Kontrollorgan gerieren – ausgerechnet sie wer- schlecht durchdachten Konvergenzprogramm; setzen. Letzteres hätte man seit Abschaffung Lehrerinnen mit gemeint? Oder sind sie den den ganz schmallippig und wortkarg, sobald wie erfolgreich die Basler «Tages Woche» und der Medienseite vor zehn Jahren immer wieder männlichen Kollegen lohnmässig so voraus, die eigene Macht zum Thema wird. die «Basellandschaftliche Zeitung» sind und mal üben und zeigen können. Gemerkt haben dass diese Runde ohne sie stattfinden kann? Als mächtige Institutionen müssen Medi- was das für die Zukunft der «» wir davon nichts. Warum sollte sich das im De- Oder hat der «Tagi» einfach nicht gemerkt, dass en auch sich und ihre Entwicklung reflektieren: bedeutet; oder: wem die Tamedia gehört und zember plötzlich ändern? der Verband aus gutem Grund so heisst, wie er heisst? Er hätte ja wenigstens «Lehrpersonen» Christian Rentsch war Kulturredaktor und bis zur Abschaffung des Medienbunds Leiter schreiben können. FI der Medienredaktion beim «Tages-Anzeiger». Ungenügende Auch dieser Titel aus dem «Tages-Anzeiger» deutet mit dem Finger auf ein Problem: «Tem- peraturziel allein ist genügt nicht». Ziele al- lein sind genügen selten. Erreichen muss man schaffen sie! FI [email protected]

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Name / Vorname Krieg den Palästen! Strasse / Nr. Was uns Georg Büchner zu Ein Film von WONG KAR WAI PLZ / Ort sagen hat: Das fünfseitige Dossier zum 200. Geburtstag Telefon des ewig jungen, revolutionären E-Mail Dichters.

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