Aus der Abteilung Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover

Die Lebendspendekommissionen in Deutschland Struktur, Arbeitsweise und Ethikdiskurse

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Edda Kathrin Birthe Sievers aus Hannover 2007 Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 10.10.2007

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann Betreuer: Prof. Dr. Brigitte Lohff Referent: Prof. Dr. Andreas Frewer Korreferent: Prof. Dr. Dr. Matthias Hoffmann

Tag der mündlichen Prüfung: 10.10.2007

Promotionsausschussmitglieder: Prof. Dr. Matthias Schönermark Prof.´in Dr.Eva Hummers-Pradier Prof.´in Dr. Brigitte Lohff Abbildung 1: Beinwunder der heiligen Cosmas und Damian; s. Fußnote 2, S. 7. Inhaltsverzeichnis 3

1 ______6 Transplantationsmedizin und Lebendorganspende: Historische, ethische und rechtliche Grundlagen ______6 1.1 Transplantationsmedizin ______7 1.1.1 Geschichte der Organtransplantation ______7 1.1.2 Zur Terminologie der Organspende ______11 1.1.3 Postmortale Organspende ______12 1.1.4 Lebendspende ______14 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten ______25 1.2.1 Gesetzliche Regelungen in Europa ______25 1.2.2 Vergleich der gesetzlichen Regelungen in der EU ______27 1.2.3 Menschenrechtsübereinkommen des Europarates______28 1.2.4 Organtransplantation in Zahlen______29 1.2.5 Vergleich mit außereuropäischen Ländern ______33 1.3 Organspende in Deutschland ______37 1.3.1 Geschichtlicher Hintergrund ______37 1.3.2 Zunahme der Indikationsstellungen ______38 1.3.3 Die Situation in Deutschland in Zahlen ______38 1.3.4 Kostenvergleich/Kostenregelung ______39 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz (TPG) ______41 1.4.1 Geschichtliche Entwicklung ______41 1.4.2 Problematik: Das Ziel des Transplantationsgesetzes ______42 1.4.3 Anwendungsbereich ______43 1.4.4 Auswirkungen ______43 1.4.5 Exkurs: Vergleich mit den DDR-Verordnungen______49 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin____51 1.5.1 Empfehlungen der Bundesärztekammer zur Lebendspende ______51 1.5.2 Konfliktsituation: Lebendspende ______52 1.5.3 Fordert der medizinisch-technische Fortschritt eine neue Ethik? __53 1.5.4 Medizin-ethische Kodizes______53 1.5.5 Das „Primum nil nocere” im 21. Jahrhundert ______55 1.5.6 Arzt: Anwalt und Forscher ______57 1.5.7 Modelle einer Ausweitung der Organspende ______62 1.6 Die Lebendspendekommissionen______64 1.6.1 Gesetzliche Vorgaben ______64 1.6.2 Ziel 68 2 ______69 Empirische Analysen zur Arbeit der Lebendspendekommissionen: __69 2.1 Motivation zur Fragestellung______70 2.1.1 Aktualität des Themas______70 2.1.2 Konkrete Fragestellung ______70 2.2 Methoden und Materialien______71 2.2.1 Entwicklung des Forschungsschwerpunktes______71 2.2.2 Informationssammlung ______71 2.2.3 Entwicklung des Fragebogens______71 Inhaltsverzeichnis 4

2.2.4 Untersuchungszeitraum______72 2.2.5 Sichtung der Materialien______72 2.2.6 Auswertung ______72 2.3 Ergebnisse der Befragung der Lebendspendekommissionen __73 2.3.1 Rücklauf der Fragebögen ______73 2.3.2 Struktur und Arbeitsweise der Kommissionen ______74 2.3.3 Das Begutachtungsverfahren______91 2.3.4 Einschätzung der Kommissionsarbeit ______106 3 ______122 Ethische Kernprobleme der Lebendspendepraxis: ______122 3.1 Zusammensetzung______123 3.2 Antragsverfahren ______126 3.3 Der „Lebendspende-Tourismus“ ______129 3.4 Standardisierung des Begutachtungsverfahrens ______132 3.5 Das Begutachtungsverfahren ______134 3.6 Bearbeitung ______136 3.7 Der gesetzliche Auftrag laut TPG ______141 3.7.1 Freiwilligkeit (§ 8 Abs. 3 S. 2 TPG) ______141 3.7.2 Ausschluss von Organhandel (§8 Abs. 3 S. 2 TPG) ______142 3.7.3 Persönliche Verbundenheit (§ 8 Abs. 1 S. 2 TPG) ______145 3.7.4 Zusätzlich geprüfte Kriterien______146 3.8 Ausweitung der Organspende ______147 3.8.1 Finanzieller Anreiz ______147 3.8.2 Anonymer Organpool ______150 3.8.3 Cross-over-Spenden ______151 3.9 Konsequenzen für Klinik und Praxis ______153 4 Zusammenfassung______154 5 Literaturverzeichnis ______158 6 Abkürzungsverzeichnis______176 7 Verzeichnis der Tabellen, Diagramme und Abbildungen ____177 8 Der Fragebogen______179 9 Adressen der Lebendspendekommissionen in Deutschland __183 10 Auszüge aus dem Transplantationsgesetz______186 11 Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin ______192 1

Transplantationsmedizin und Lebendorganspende: Historische, ethische und rechtliche Grundlagen Kapitel 1: 1.1 Transplantation 7

1.1 Transplantationsmedizin

1.1.1 Geschichte der Organtransplantation Es ist ein alter Wunsch des Menschen, nicht funktionsfähige Organe auszutauschen. Schon in der Antike spielte dieser Gedanke eine Rolle: In der Legende von Byzanz (um 400 n. Chr.) heißt es, dass die heiligen Zwillinge Cosmas und Damian das Bein eines frisch Verstorbenen verwendeten, um ein gangränöses Bein zu heilen 1 (Abbildung 1). 2 Der Erfolg dieses Heilungsver- suches ist nach heutigem Erkenntnisstand zweifelhaft, da die nötigen Voraus- setzungen für eine solche Operation wie die Kenntnis von Immunreaktionen und Blutgruppensysteme erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckt wurden. 3 Die ersten erfolgreichen Transplantationsresultate gab es 1886 bei der Horn- hautverpflanzung. Dies war schon damals möglich, da Hornhaut praktisch nicht durchblutet wird und somit keine Immunreaktionen stattfinden. Für die heutige moderne Organtransplantation legte Emmerich Ullmann 4 1902 den Grundstein, indem er versuchte, zwischen Hunden Nieren zu übertragen. Problematisch waren jedoch die Abstoßungsreaktionen und die noch nicht aus- gereiften chirurgischen Techniken. Alexis Carrel 5 schaffte es, Gefäßanasto- mosen und Patchtechniken zu erarbeiten und erhielt für diesen Erfolg und für seine experimentellen Transplantationsarbeiten 1912 den Nobelpreis. 6 Karl Landsteiner entdeckte zwar bereits 1901 das AB0-Blutgruppensystem 7 und erhielt 1930 den Nobelpreis dafür, 8 dennoch dauerte es noch fast fünf Jahr- zehnte, bis die erste erfolgreiche Nierentransplantation beim Menschen

1 Ellis (2002), S. 239. 2 Siehe vorangegangene Abbildung; 18.02.2006 bei: www.fiu-verlag.com/ textekunst.php?bereich=cosmas&navi=&zweig=textekunst&liste=va_list_brd.php; Künstler unbekannt, Anfang 16. Jahrhundert . 3 Ausführliche Darstellung des Beginns der modernen Transplantationsmedizin in: Schlich (1998). 4 Emmerich Ullmann (1861-1937), ungarischer Arzt, in Wien tätig. 5 Alexis Carrel (1873-1944), frz. Chirurg. 6 Fangmann (2001). 7 Landsteiner-Regel: Immunolog. Grundregel, die besagt, dass nur diejenigen Blutgruppen-Isoagglutinine im Organismus vorkommen, die sich nicht gegen eigene Erythrozyten richten. 8 Mühlbacher (1997). Kapitel 1: 1.1 Transplantation 8 durchgeführt werden konnte. 9 1954 gelang es Josef Murray in Boston, eine Nierentransplantation zwischen eineiigen Zwillingen durchzuführen. Die Ver- wendung des Organs eines gesunden blutsverwandten Spenders war der Beginn der Lebendnierenspende, und dafür erhielt Murray 1990 den Nobel- preis. Allerdings wurde dieser Fortschritt erst mit der Entdeckung des HLA- Systems, 10 der Gewebetypisierung und der Immunsuppression auch für nicht genetisch identische Menschen sowohl in der Lebend- als auch in der Kadaverorgantransplantation erfolgversprechend. Nach anfänglichen immun- suppressiven Maßnahmen wie der Ganzkörperbestrahlung zur Verzögerung der Abstoßungsreaktion 11 kam 1962 das Medikament Azathioprin auf den Markt, welches die Immunreaktion des Körpers auf das Transplantat unterdrückt. Postmortale Organspenden gewannen jetzt an Bedeutung, da durch die Organ- selektion aufgrund der Gewebekompatibilität (HLA) und der Immunsup- pression die Ergebnisse vielversprechend wurden. Es eröffnete sich die Möglichkeit, nun auch andere Leichenorgane zu transplantieren: 1964 wurde die erste Leber transplantiert, 1967 gelang es Christian Barnard, die erste Herz- transplantation durchzuführen, 1969 wird erstmals ein menschliches Pankreas verpflanzt. Erfolgreiche einseitige Lungentransplantationen begannen 1983 und seit 1986 werden auch beidseitige Lungentransplantationen durchgeführt 12 . Eine Dünndarmtransplantation fand erstmals 1988 in Kiel statt. 13 Die erste Leberlebendspende wurde 1989 durchgeführt, nachdem die Voraus- setzungen der Lebersegmenttransplantation geschaffen waren. 14 Entscheidende Verbesserungen der Überlebensraten und die Erlangung des heutigen Therapiestandards sind auf die Entwicklung des Immunsuppres-

9 Es wurde sehr viel im Bereich der Transplantationsmedizin experimentiert. Siehe hierzu: Eigler (2002), Fangmann (2001), Hartmann (1985), Pichlmayr (1995). Für das Verständnis wichtig ist der Gedanke, dass die Nierentransplantation in der Zeit die ultima ratio bei terminaler Niereninsuffizienz darstellte, da sich die Dialyse noch in den Anfängen befand und erst Mitte der 1950er Jahre standardisiert wurde, siehe hierzu: Jutzler (1985). Auch Lebertransplantationen wurden im Sinne eines Rettungsversuches durchgeführt, da es keine andere Therapie gab. 10 HLA=H uman L eukocyte A ntigen, ein für die Immunabwehr wichtiges Regulationssystem des Organismus, das sich auf Oberflächen verschiedener Zellen befindet. Vor Transplantationen wird eine Gewebetypisierung durchgeführt, um eine HLA- Inkompatibilität auszuschließen, die zu Abstoßungsreaktionen führen kann. 11 Stiller (1995), S. 1872. 12 Zur Lebendspende von Teillungen s.a.: Barr et al. (2005), Kozower et al. (2006). 13 Eine ausführliche Geschichte und Problematik der Transplantationsfelder findet sich bei Feuerstein (1995), S. 77 ff. 14 Lang et al. (2001), S. 447. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 9 sivums Cyclosporin 1972 15 und dessen pharmakologische Weiterent- wicklungen zurückzuführen. Die Ein-Jahres-Überlebensraten von postmortal transplantierten Organen lagen unter der konventionellen Immunsuppressions- therapie 16 bei 45–50 %, mit der Einführung des Cyclosporins 17 erhöhten sich die Ergebnisse auf 70–75 %. Dieser große Erfolg führte dazu, dass Ärzte an vielen Zentren glaubten, auf ihre Lebendspendeprogramme verzichten zu können, da das Risiko für den Spender in keinem Verhältnis zu den guten Er- gebnissen mit Leichenorganen bei der neuen Immunsuppression stand. 18 Erhebliche Fortschritte wurden auch in der Schockbekämpfung und der Organkonservierung gemacht. Somit waren die Voraussetzungen für eine effiziente Organübertragung gegeben. Die Organtransplantation wurde zu einer etablierten und weitverbreiteten Behandlungsmethode, wobei nicht nur Programme für Einzelorgane, sondern auch für Mehrfachtransplantationen entwickelt worden sind. Beispiele hierfür sind die kombinierte HerzLungen- Transplantation bei primär kardialen Erkrankungen mit sekundärer Beteiligung der Lunge und die Pankreas-Nieren-Transplantation beim fortgeschrittenen Typ-I-Diabetes. 19 1967 wurde in Leiden, Niederlande, die Organbank „Eurotransplant“ ge- gründet, damit die knappen Organressourcen bestmöglich anhand von medi- zinischen Kriterien verteilt werden konnten. Das Programm koordiniert den Austausch von Leichenorganen wie Niere, Leber, Herz, Lunge und Bauch- speicheldrüse zwischen den Transplantationszentren der angeschlossenen Länder. 20,21 Auch in anderen Ländern der Welt wurden ähnliche Kooperationen mit der Zielsetzung einer effizienten Organallokation vereinbart. 22

15 Borel et al. (1976), S. 468. 16 Die konventionelle Immunsuppression ist eine Kombination von Azathioprin und Stero- iden. 17 Cyclosporin hemmt den für die Immunantwort wichtigen Überträgerstoff Interleukin 2. Es hat weniger Nebenwirkungen als Azathioprin, v.a. ist die Infektionsgefahr durch Hemmung der Knochenmarksproliferation geringer. 18 Fangmann (2001), S. 425. 19 Siehe hierzu ausführlich auch zur Problematik der Mehrfachtransplantation: Feuerstein (1995), S. 114 ff. 20 Diese Länder sind: Belgien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Slowenien und Deutschland. 21 BZgA (2002b), S. 38. 22 Beispiele hierfür sind UKTransplant für Großbritannien und Irland, Scandiatransplant für Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen. Siehe auch Oduncu (1998), S. 118. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 10

Die seit 1970 in vielen Transplantationszentren aufgrund schlechter Ergebnisse zum Stillstand gekommenen Lebendspendeprogramme von nicht genetisch Verwandten wurden wieder aktuell 23 . Durch die klinische Einführung von Cyclosporin Anfang der 1980er Jahre und den Anstieg der Patientenzahlen auf Wartelisten sowie die gleichbleibende Zahl von Kadaverorganspenden kam es zur Wiederaufnahme von verwandten Spendern und der Einführung von emotional verwandten Spendern in die Lebendspendeprogramme. Heutzutage muss der Stellenwert der Lebendspende in der Transplantations- medizin erneut überdacht werden. Anlass dafür ist der entstandene relative Organmangel. Dieser resultiert aus einer etwa gleichbleibenden Zahl post- mortal gespendeter Organe, die zur Transplantation zur Verfügung stehen und einer wachsenden Zahl von Patienten mit der Indikation zur Transplantation. Hinzukommen die guten Ergebnisse der Lebendorganspende, die eine Etablierung dieser Behandlungsmethode nahe legen (s.a. Kapitel 1, S. 17). Weltweit haben bereits einige Zentren Programme erarbeitet, um die Lebendspende auch auf nicht-genetisch und nicht-emotional verwandte Spender zu erweitern 24 .

23 Advisory Committee to the renal transplant registry (1972). 24 Matas und Jacobs (2000). Kapitel 1: 1.1 Transplantation 11

1.1.2 Zur Terminologie der Organspende Bei der Transplantation geht es um die Verpflanzung (lat. transplantare) von Zellen, Geweben und Organen auf ein anderes Individuum (allogen) oder an eine andere Stelle (heterotop) am gleichen Organismus (autogen). Dabei handelt es sich um einen therapeutischen Eingriff, d.h. nicht funktionsfähige Zellen, Gewebe oder Organe werden durch funktionsfähige ersetzt. Man unter- scheidet verschiedene Typen der Transplantation nach der Beziehung zwischen Spender und Empfänger 25 :

- Bei einer autogenen Transplantation wird körpereigenes Gewebe an eine andere Stelle des eigenen Körpers verpflanzt (bspw. die Haut- transplantation bei Verbrennungen, Spalthaut, Nebenschilddrüse).

- Organe oder Gewebe, die zwischen genetisch identischen Personen (eineiige Zwillinge) ausgetauscht werden, nennt man syngene Trans- plantation.

- Eine allogene Transplantation ist die Bezeichnung für eine Organüber- tragung zwischen genetisch nicht identischen Personen.

- Als xenogen bezeichnet man eine Transplantation eines tierischen Gewebes oder Organs auf den Menschen, vom Menschen auf ein Tier oder zwischen Tierspezies. In dieser Arbeit wird vornehmlich die allogene Transplantation behandelt, auf die auch das Transplantationsgesetz 26 Anwendung findet. Wie beschrieben, handelt es sich bei der Transplantation um einen thera- peutischen Eingriff. Lebensrettend ist diese Operation im Fall von Erkrank- ungen, die zum Leberversagen führen, da die Funktionen der Leber noch nicht ersetzt werden können. Ebenfalls lebensrettend ist die Herztransplantation. Die Nierentransplantation ist in Staaten mit ausreichender Dialysekapazität und guter Infrastruktur nicht lebensrettend, führt aber zu einer verbesserten Lebens- qualität der Patienten. Vor allem Kinder profitieren von dieser Möglichkeit (s.a. Kapitel 1, S. 17).

25 Vgl. Pschyrembel (2002), Stichwort: Transplantation, S. 1680 ff. 26 T ransp lantationsg esetz (TPG) vom 05.11.1997, §1 I. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 12

1.1.3 Postmortale Organspende In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts kamen die Organe für Trans- plantationen entweder von lebenden Spendern (für Nieren) oder aber von Patienten, die aufgrund eines Herzstillstandes mit Apnoe für tot erklärt worden waren (klinischer Tod). Der medizinisch-technische Fortschritt führte dazu, dass die traditionelle Feststellung des Todes nach eingetretenem Herzstillstand überdacht werden musste. Die Herz-Lungen-Maschine konnte z.B. die Funktionen von Herz und Lunge übernehmen. Der „normale“ Sterbevorgang nach Herz-Kreislauf-Stillstand führt zum Tod des gesamten Organismus. Bei schwerer Hirnschädigung kann aber der isolierte Tod des Gehirns eintreten, während durch künstliche Aufrechterhaltung der Atmung die autonome Herz- tätigkeit weiter besteht. Hieraus ergab sich ein neues Problem, denn der bis zu dieser Zeit definierte Tod eines Patienten konnte erst nach Abstellen der Be- atmungsanlage festgestellt werden. In den USA hat ein so genanntes Ad hoc Comitee der Harvard Medical School 1968 den Hirntod, der anhand neurologischer Kriterien festgestellt wird, als Todeszeitpunkt definiert 27 . Der Hirntod wird als Organtod des Gehirns eines Individuums mit irreversiblem Ausfall aller Hirnfunktionen bei evtl. noch aufrechterhaltener Kreislauf- funktion definiert. Heute gilt diese Hirntoddefinition als Voraussetzung für eine mögliche Organtransplantation in vielen Ländern der Welt 28 . Zentraler Nachweis ist dabei das irreversible Koma mit dem endgültigen Ausfall der gesamten Hirnstammreflexe 29 . Eine zunehmende Verbesserung der chirur- gischen Techniken, der Intensivtherapie und der Immunsuppression führte parallel zu einer erheblichen Verlängerung der Überlebenszeit von Leichen- organen. Auf die kontroverse Diskussion um die Definition des Todeszeitpunktes kann hier nur hingewiesen werden 30 . Die Entnahme von Organen ist laut TPG zu-

27 Ad hoc Committee of the Harvard Medical School (1968). 28 Die deutsche Gesellschaft für Chirurgie publizierte parallel eine Stellungnahme zur Hirntodproblematik, die aber zu der Arbeit des Ad Hoc Committees vergleichsweise unbekannt blieb, s. Kommission für Reanimation und Organtransplantation der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (1968). 29 Vgl. BÄK (1997) 30 Vgl. z.B. Jonas (1985), Zitat S. 221: „[...] den Zeitpunkt der Toterklärung vorzuverlegen: die Erlaubnis, nicht nur die Lungenmaschine abzustellen, sondern nach Wahl auch umgekehrt sie ... weiter anzuwenden und so den Körper in einem Zustand zu erhalten, der nach älterer Definition ,Leben` gewesen wäre [...] damit man an seine Organe und Gewebe Kapitel 1: 1.1 Transplantation 13 lässig, wenn u.a. „ [...] der Tod des Organspenders nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist [...]“. 31 Aktueller Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ist das Hirntodkon- zept. Es wird deshalb in dieser Arbeit als gegeben vorausgesetzt.

In Deutschland wurden 2004 1.989 Nieren, 398 Herzen, 807 Lebern, 240 Lungen und 187 Bauchspeicheldrüsen postmortal zu Transplantationszwecken entnommen. Hinzu kommen noch folgende Organe und Gewebe: Teile der Haut und des Darms, Augenhornhaut, Gehörknöchelchen, Herzklappen, Teile von Blutgefäßen, der Hirnhaut, des Knochengewebes, des Knorpelgewebes und der Sehnen 32 . Die Einwilligung zur Organentnahme kann prinzipiell durch einen Ausweis, ein Register und eine Zustimmungslösung erfolgen. Ein Wider- spruch verbietet die Organentnahme. Auf die international unterschiedlichen Modalitäten zur Einwilligung in die Organspende wird im folgenden noch ein- gegangen (s.a. Kapitel 1.2.1, S. 25).

unter Idealbedingungen herankann...“; Birnbacher (2000), S. 14 ff.; Türk (1997), Schutzeichel (2002), S. 15 ff. 31 Vgl. § 3 II Nr. 2 TPG. 32 dso (2005), S. 20. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 14

1.1.4 Lebendspende Die Organverpflanzung von einem lebenden Spender auf einen Empfänger bezeichnet man als Lebendorganspende. Damit sich für den Spender durch den „Organverlust“ kein zu starker medizinischer Nachteil ergibt, kommen nur paarig angelegte Organe wie z.B. die Niere für diese Operation in Betracht. Außerdem sind Segmenttransplantationen möglich, wobei sich Teile der Lunge und der Bauchspeicheldrüse eignen, vor allem aber Lebersegmente, denn diese können sich regenerieren. 33 Nach den anfänglichen syngenen Nierentransplantationen (s.a. Kapitel 1.1.2, S. 11) entstand durch die Einführung des Cyclosporins die Möglichkeit, auch allogen zu transplantieren und somit die zur Transplantation zur Verfügung stehenden Organe durch lebende Spender zu erhöhen. Durch diese Entwicklung und neue chirurgische Techniken stand nun einem wesentlich größeren Kreis von Patienten die Möglichkeit offen, ein Organ oder ein Organsegment von einem bluts- oder sogar nicht-blutsverwandten Lebendspender zu erhalten (s.a. 1.4.4, S. 43). Bei der Lebendorgantrans- plantation unterscheidet man die Verwandten- und Nicht-Verwandtenspende. Vergleichsserien von Verwandten- und Nicht-Verwandten-Nierentrans- plantationen zeigten in der Vergangenheit bessere Langzeitergebnisse für genetisch verwandte Spenden. 34 Durch die oben erwähnten Verbesserungen in der Transplantationsmedizin konnte 1995 gezeigt werden, dass die Drei-Jahres- Transplantationsfunktionsraten für Nieren von Lebenspartnern 85 %, von nicht-verwandten Spendern 81 %, von Eltern 82 % und von Kadavernieren 70 % betragen. 35 Obwohl die Leichenorgane eine bessere Histokompatibilität aufweisen, zeigen die Organe von Lebenspartnern eine wesentlich bessere Funktion, dieses Ergebnis wird auf die Auswahl gesunder Spender sowie die verbesserte Compliance der Empfänger, die mit dem Spender des Organs zu- sammenleben, und die kurze Ischämiezeit zurückgeführt.

33 BzgA (2002), Frage 10 34 Hamelman et al. stellten fest, dass zwischen 1962 und 1975 transplantierte Nieren von Geschwistern nach vier Jahren zu 66% funktionsfähig waren, von Eltern noch 55% und Kadavernieren 36 %. 35 Terasaki et al. (1997), S.166; Ähnliche Ergebnisse zeigte die CTS-Studie in Deutschland zwischen 1990 und 2002: die 5-Jahresüberlebensrate von Nierentransplantataten nach Lebendspende betrug 82 % und die nach Leichenspende 68 %. Abgedruckt in: dso (2004), S. 24. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 15

Medizinische Voraussetzungen Alle Spender müssen bestimmte Bedingungen erfüllen. Einerseits gibt es gesetzlich geregelte Auflagen (s.a. Organentnahme bei lebenden Spendern, S. 44), andererseits können Voraussetzungen zur Spende von Transplantations- zentrum zu Transplantationszentrum unterschiedlich sein. Der Spender muss volljährig und einwilligungsfähig sein. Einige Zentren setzen kategorisch eine Altersbegrenzung nach oben fest. Dieses Kriterium wird unterschiedlich ge- handhabt, da der ausschlaggebende Faktor für andere Operateure die Funktionstüchtigkeit des Organs und nicht das numerische Alter des Spenders ist. 36 Bisher musste die Blutgruppe von Spender und Empfänger übereinstimmen: 37 Spender Empfänger Blutgruppe A A oder AB Blutgruppe B B oder AB Blutgruppe AB AB Blutgruppe 0 alle Bei dem Ergebnis einer transfusionskompatiblen Konstellation schließt sich die HLA-Typisierung an. Die Kreuzprobe von Spender- und Empfängerblut muss negativ sein. Zu diesen Voruntersuchungen kommt noch die Abklärung der Operabilität des möglichen Spenders. Dies geschieht entsprechend jedem elektiven chirurgischen Eingriff und umfasst die Ausschlusskriterien bezüglich Narkose und Operation. Nach diesen wenig aufwändigen und kostengünstigen Bestimmungen muss ein breit gefächertes Untersuchungsschema durchgeführt werden, um das Risiko für den Spender möglichst genau abzuschätzen (Tabelle 1) .38

36 Pichlmayr (1991), S. 86 ff. 37 Mittlerweile können Blutgruppen-Antikörper durch einen speziellen Filter aus dem Blut des Empfängers entfernt werden, so dass auch blutgruppeninkompatibel transplantiert werden kann. Siehe hierzu Zellmer (2004). 38 Kirste (2002), S. 769, Kirste (2007), S. 17 ff. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 16

Notwendige Erhebungen bei potenzieller Nieren -Lebendspende Anamnese Labor, Virologie Urinuntersuchung Belastungs -EKG Röntgen -Thorax Lungenfunktion Ultraschall -Abdomen Isotopennephrogramm Nierenangiographie Psychologische Untersuchung Tabelle 1 : Notwendige Erhebungen bei potenzieller Nieren-Lebendspende

Als absolute Kontraindikationen gelten ein schwerer Hypertonus, Diabetes mellitus, Suchterkrankungen, Virusinfektionen wie Hepatits B oder C und HIV, Tumorerkrankungen mit Metastasierungen, Nierendysfunktion und Über- gewicht. 39, 40 Zu den physischen kommen noch psychologische Voruntersuchungen in der Absicht herauszufinden, ob der Spender freiwillig handelt, nicht in einem Ab- hängigkeitsverhältnis steht und ihm das Ausmaß seiner Entscheidung zur Lebendspende bewusst ist. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass die psychische Belastung des Spenders sowohl vor als auch nach der Nierentransplantation hoch ist. Aus diesem Grund muss der Spendewillige von Anfang an objektiv und allumfassend aufgeklärt werden. Somit soll gewährleistet sein, dass die betroffene Person sich bei Bedenken frühzeitig aus der Spenderevaluation zurückziehen kann. 41

39 Veitch (1996); Liefeldt (2005), S. 2044 ff. 40 Der B ody M ass I ndex (= BMI, Körpergewicht (kg)/Körperlänge (m 2)) sollte unter 32 liegen. Der Normalbereich ist ein BMI von 20 bis 25. Vgl. Giessing et al. (2004), S. 148. 41 Ebenda, S. 147. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 17

Medizinische Vorteile Durch die hohen gesundheitlichen Anforderungen an einen Lebendspender erhält der Empfänger ein nahezu garantiert funktionsfähiges Organ oder Organsegment. Dies spiegelt sich in der längeren Transplantatfunktion beim Empfänger wider. Die Qualität des Transplantates ist durch die optimale Auswahl des Spenders sowie dessen Vorbereitung und die minimale kalte Ischämiezeit besser als bei einem Leichenorgan, das meist bei Unfallopfern nach vorangegangenem schweren Kreislaufschock entnommen wurde und durch erheblich längere Konservierungszeit einen stärkeren ischämischen Schaden erlitten hat. Meist nimmt das lebend gespendete Organ sofort nach der Transplantation seine Funktion auf und es ist nur selten initial eine Organ- ersatztherapie notwendig. Außerdem besteht durch die genauen Testungen eine erhöhte Sicherheit, dass durch die Transplantation keine Infektionen wie HIV oder Hepatitis übertragen werden. Bei einer Nierentransplantation liegt der optimale Operationszeitpunkt noch vor Beginn der Ersatztherapie durch Dialyse, weil die Patienten noch keine durch Niereninsuffizienz und Urämie hervorgerufenen Sekundärerkrankungen aufweisen. 42 Die Ein-Jahres-Überlebensraten von lebend oder postmortal gespendeten Transplantaten unterscheiden sich kaum. Signifikante Unterschiede erhält man im Langzeitvergleich. Bei der Verwendung einer Niere eines verwandten Spenders liegt die momentane Halbwertszeit 43 bei 15-20 Jahren. Bei Leichen- organen werden ca. zehn Jahre angegeben. 44 Aufgrund der Planbarkeit dieses elektiven Eingriffes steht ein gut vorbereitetes Chirurgenteam zur Verfügung, da die Operation innerhalb der regulären Dienstzeiten geschieht und sowohl Empfänger als auch Spender optimal vorbereitet werden können. Beim Empfänger kann schon präoperativ mit der Immunsuppression begonnen werden. Dies ist für die Verträglichkeit des Transplantates von Vorteil. 45

42 Auflistung der Vorteile einer Lebendspende bei: Land (1993), S. 52 ff. 43 Halbwertszeit meint die Zeit (in Jahren), in der 50 % der Transplantate nach Transplantat- ion abgestoßen werden. 44 Bonomini (1991), S. 28; Liefeldt (2005), S. 2039, Hariharan et al. (2000), S. 605 ff., Land (2004). 45 Die Transplantation ohne anschließende Immunsuppression beim Empfänger gilt als Zu- kunftsziel. Vgl. hierzu: Siegmund-Schultze (2002). Kapitel 1: 1.1 Transplantation 18

Der Kreis der Lebendspender ist in den letzten Jahren erheblich erweitert worden. Waren früher nur Familienangehörige zugelassen, so sind heute auch Freunde erlaubt (s.a. S. 44). Für den Empfänger verkürzt sich somit die Warte- zeit auf ein Organ erheblich, dies kann im Fall einer Lebertransplantation lebensrettend sein. Die Wartezeit auf eine postmortal gespendete Leber beträgt im Durchschnitt 477 Tage, wobei ungefähr 10 % der Patienten pro Jahr in der Wartezeit versterben. 46 Die durchschnittliche Wartezeit auf eine postmortal ge- spendete Niere beträgt im Mittel vier bis sechs Jahre, in Einzelfällen aber auch sieben bis acht Jahre. 47 Der Leidensdruck der Patienten nimmt während dieser Zeit des Wartens häufig enorm zu. Beispielsweise ergeben sich häufigere Dialysetermine sowie neu auftretende oder fortschreitende Sekundärerkrank- ungen wie Osteoporose oder Neuropathien bei niereninsuffizienten Patienten. 48

Medizinische Nachteile Hier sollen nur die medizinischen Nachteile betrachtet werden, die auf Seiten des Spenders entstehen, dem ein Organ oder Organsegment entnommen wird. Allgemeine medizinische Komplikationen bei einer Transplantation, wie Ab- stoßungsreaktionen, Infektionen und Blutdruckprobleme auf Seiten des Em- pfängers, können gleichermaßen bei einer Lebendspende auftreten, werden hier aber nicht im Sinne eines medizinischen Nachteils angesehen, da es eine generelle Komplikation ist, die bei jeder Form der allogenen Transplantation auftreten kann. 49 Nur die besonderen Aspekte der Lebendspende sollen betrachtet werden, nämlich dass sich ein gesunder Mensch dem Risiko einer Operation unterzieht, die für ihn ohne jeglichen therapeutischen Nutzen ist. Die Entnahme eines Organs/Organsegmentes ist wie jede chirurgische Inter- vention mit Risiken behaftet. Dabei wird das Auftreten von frühen und späten chirurgischen Komplikationen sowie möglichen Spätschäden, die durch den Organverlust bzw. die Organverkleinerung entstehen können, unterschieden.

46 Walter (2005), S. 1749. 47 Land (1993), S. 53 und Liefeldt (2005), S. 2039. 48 Land (1993), S. 52 ff. 49 Für eine Auflistung der medizinischen Komplikationen beim Empfänger siehe: Muthny (1997), S. 61 ff., Erwähnt sei hier nur das erhöhte Risiko für den Empfänger, aufgrund der Immunsuppressionstherapie einen Tumor zu entwickeln. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 19

Das Risiko, an einer Lebendspendeoperation zu sterben, wird in der Literatur für Nierenspenden mit 1:3.300 und für Leberspenden mit 1:160 angegeben. 50,51 Es scheint derzeit fraglich, ob die geringen Mortalitätsraten, die im wesent- lichen von erfahrenen Zentren publiziert worden sind, ein repräsentatives Bild darstellen oder ob es eine Dunkelziffer von nicht berichteten Komplikationen und auch Todesfällen gibt. 52 Ein Pionier der Transplantationsmedizin, T. E. Starzl, erklärte 1987, dass das medizinische Risiko des Nierenlebendspenders der Grund für seine ablehnende Haltung zur Lebendspende sei: „The death of a single well-motivated and completely healthy living donor stops the clock worldwide. The most compelling argument against living donation is that it is not completely safe for the donor”. 53

In der Literatur ist auffallend, dass die angegebene Häufigkeit postoperativer Komplikationen erheblich variiert. Dies wird nicht nur auf operationstech- nische Fähigkeiten der Ärzte zurückgeführt, sondern v.a. auf die Definition von „Komplikationen“ 54 .

- Frühe chirurgische Komplikationen Dazu zählen beispielsweise Verletzungen der Nachbarorgane, Nachblutungen und Infektionen. Schwere Komplikationen bei Nierenspenden finden sich in der Literatur mit einer Inzidenz von 0 % bis zu 7 %55 , für milde Kompli- kationen lassen sich Angaben von 8 % 56 bis zu 14,5 % 57 eruieren. Bei Leberteilspenden werden Daten von 10 % bis zu 33 % genannt abhängig davon, welcher Leberlappen entfernt wurde 58 .

- Späte chirurgische Komplikationen In der Literatur finden sich wenige Berichte zu möglichen späten Kompli- kationen. Beschrieben werden rezidivierende Harnwegsinfekte nach Nephrek-

50 Die Mortalität der Lebendnierenspende wird mit 0,03 % und die der Leberspende mit 0,625 % angegeben. Diese Angaben finden sich bei: Bia et al. (1995), S. 322; Johnson et al. (1997), S. 231. 51 Klupp et al. (2002), S. 199. 52 Kirste (2002), S. 768. 53 Starzl (1987), S. 174. 54 Michielsen (1991), S. 34. 55 Ebenda, S. 33. 56 Johnson et al. (1997), S. 234. 57 Weiland et al. (1984), S. 6. 58 Lang et al. (2001), S. 450. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 20 tomie in 1,9 % bis zu 16 % der Fälle. Auffällig ist eine relativ hohe Inzidenz von Wundschmerz, dabei finden sich Daten von bis zu 11,4 %. 59

- Langzeitfolgen Es herrscht noch immer Unklarheit über die Langzeitfolgen für einen Lebend- spender. In einigen Nachsorgestudien in Ländern, die einen hohen Anteil an Lebendorganspenden haben, wie z.B. die USA und Norwegen, wurde versucht, die langfristigen Konsequenzen für den Spender zu ermitteln. Die Ergebnisse zeigen, dass durch die einseitige Nephrektomie kein über der Normalpopu- lation liegendes Risiko für spät folgende Nierenerkrankungen besteht. Ein Drittel der Spender zeigte milde Proteinurien und 15-20 % entwickelten einen leichten Hypertonus. 60 Todesursache von Spendern, die 2-25 Jahre nach der Lebendspende verstarben, waren vornehmlich kardiovaskuläre Erkrankungen und Karzinome, aber nicht nachweislich gehäufte Nierenerkrankungen. 61, 62 Dieses Ergebnis entspricht der Statistik der Todesursachen in Deutschland für die Gesamtbevölkerung. Es gibt bisher noch keine Hinweise in der Fachliteratur darauf, dass es infolge einer Teilleberspende zur Leberinsuffizienz beim Spender gekommen ist. Funktionseinschränkungen der Leber durch Entfernung von mehr als 50 % der Organmasse sind bekannt, aber aufgrund der massiven Hypertrophiefähigkeit der Leber nur temporär. Es wird künftig zu untersuchen sein, ob der Spender durch die Teilresektion der Leber einen „morphologischen Nachteil“ aufgrund der veränderten Gefäßanatomie hat. 63 Allerdings gibt es Hinweise auf an- haltende körperliche Folgen wie Übelkeit und Völlegefühl bei ca. 20 % der Spender. 64 Mit systematischen Studien zu den Langzeitfolgen der Lebendspende kann erst in der Zukunft gerechnet werden, da die Fallzahlen in den letzten Jahren

59 Michielsen (1991), S. 34. 60 Becker (2000), S. 36, Najarian et al. (1992). 61 Gefürchtet sind v.a. die kompensatorische Hyperfiltration, die im Experiment bei nephrektomierten Ratten nachgewiesen wurde. Diese kann zu einer Glomerulosklerose führen. Außerdem kann eine primäre Nierenerkrankung durch operativ induzierte Einnierigkeit schneller zur terminalen Niereninsuffizienz führen. Vgl. Bock et al. (1991). 62 Najarian et al. (1992), S. 808. 63 Lang et al. erwähnen die Möglichkeit, dass der Spender im Laufe seines Lebens einen Lebertumor entwickeln könnte, der operiert werden müsste. Aufgrund des Verlustes der dichotomen Gefäßaufteilung könnten sich somit Operationsschwierigkeiten ergeben. Dieser Fall sei allerdings bis 2001 noch nicht aufgetreten. Siehe auch Lang et al. (2001), S. 451 ff. 64 Sterneck et al. (1996), S. 192. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 21 sowohl für Nieren- als auch für Leberspenden immens gestiegen sind und der zeitliche Abstand von der Transplantation bis zur Erstmanifestation der Folgen groß genug sein muss, um mit signifikanten Ergebnissen rechnen zu können. 65

- Psychologische Folgen Aufgrund der wenigen bisher durchgeführten retrospektiven Studien lässt sich das Ausmaß der psychischen Folgen einer Lebendorganspende noch nicht genau erfassen. In der Literatur finden sich Angaben zu Depressionen des Spenders nach der Operation sowie Angst um das gespendete Organ und ein Gefühl der „Unvollkommenheit“ durch den Organverlust. 66 Interessanterweise fand sich bei Spendern häufig eine langfristige positive Reaktion, oft in Form einer Selbstwertsteigerung des Spenders beschrieben, unabhängig davon, ob die Transplantation erfolgreich war oder nicht. 67 Es wird darauf hingewiesen, dass eine gründliche psychologische Spender- evaluation vor der Explantation unabdingbar ist, da sich häufig nur so Motive der Spende ergründen und mögliche negative Folgen evtl. verhindern lassen 68 . Deshalb muss die Aufklärung des Spenders besonders gründlich durchgeführt werden, da hier ein gesunder Mensch den Gefahren einer für ihn nicht heil- bringenden Operation ausgesetzt wird. Der Nutzen liegt ganz klar auf Seiten des Empfängers, und daher ist es umso wichtiger für den Spender zu wissen, dass möglicherweise seine verbleibende Niere erkranken kann und er evtl. selbst die Dialyse oder sogar eine Transplantation benötigen könnte. Es besteht also die Gefahr für den Spender, berufs- und erwerbsunfähig zu werden. 69 Für Angehörige und Freunde von chronisch erkrankten Personen ist der Wunsch zu helfen groß. Durch eine Lebendspende finden sie eine konkrete Hilfsmöglichkeit. In diesem Zusammenhang eröffnen sich eine Reihe neu- artiger Problemfelder. 70 Außerdem können die Betroffenen so die Ausein- andersetzung mit der Hirntodproblematik im Falle einer Leichenorganüber-

65 Für Nierenspender ist z.B. mit einer Verschlechterung der Nierenfunktion frühestens 20 bis 30 Jahre nach der unilateralen Nephrektomie zu rechnen. Vgl. Najarian et al. (1992), S. 809. 66 Schönberger (1997), S. 73. 67 Schneewind (2003), S. 229, Künsebeck (2007), S. 37 ff. 68 Wolff (1997) . 69 Der Spender bekommt mit nur einer verbleibenden Niere automatisch eine Minderung der Erwerbstätigkeit um 25 % zugeschrieben. Vgl. hierzu: Becker (2000), S. 80. 70 Zu den ethischen Problemen vgl.: Eibach (1999), Feuerstein (1995), Reiter-Theil (1999). Kapitel 1: 1.1 Transplantation 22 tragung umgehen. 71 „Möglicherweise ist es sogar leichter, sich für eine Spende zu Lebzeiten zu entscheiden, statt sich der Ungewissheit der Umstände nach dem Tod auszusetzen“. 72

Moralische Aspekte der Lebendorganspende Grundsätzlich gilt die Lebendorganspende als moralisch gerechtfertigt. 73 Im Vordergrund stehen dabei die Vorteile für den Empfänger. Der potenzielle Nutzen des Empfängers muss gründlich mit dem möglichen Risiko und der zu erwartenden Belastung des Spenders abgemessen werden. Dies hat v.a. Kon- sequenzen für die Auswahl möglicher Personenkreise als Spender. Aus Sicht der internationalen Diskussion lässt sich die Nierenlebendspende in folgende Kategorien einteilen: 74 (1) Blutsverwandte Lebendspende (2) Nichtverwandte, jedoch emotional verwandte Lebendspende (3) Altruistische Lebendspende a) als Akt der Solidarität b) als Akt der Wiedergutmachung an der Gesellschaft (4) „Kontrollierte“ bezahlte nichtverwandte Lebendspende („re- warded gifting“, Belohnungsmodell) a) Rückerstattung von Kosten („compensated donation“, Entschädigungs- modell) b) Kontrollierte, finanzielle Entschädigung („donation with incentives“, Anreizmodell) (5) Cross-over-Spende (Überkreuz-Spende) (6) Spenden von Nichteinwilligungsfähigen (7) Offene, aggressive, kommerzialisierte Lebendspende (Organ- handel) (8) Kriminalisierte Lebendspende (Kidnapping)

71 Wolff (1997), Kalitzkus (2003), Hauser-Schäublin (2001). 72 Becker (2000), S. 78. 73 Chadwick und Schüklenk (1998), S. 393 ff., Rittner und Paul (2005) S. 1752 ff. 74 Die Klassifizierung findet sich bei: Schutzeichel (2002), S. 65; sie greift bei der Aufteilung der Lebendspende zurück auf Daar (1992a), S. 2088. An dieser Stelle kann die dort vorge- nommene Gliederung nur dargestellt werden, auch wenn Begriffe wie ,emotionale Ver- wandtschaft´ oder ,aggressive, kommerzialisierte Lebendspende´ etwas unglücklich er- scheinen. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 23

Bei der bisherigen Betrachtung wurden lediglich die Punkte (1) und (2) er- wähnt, die international für die Lebendspende anerkannt sind. Auf die Aus- weitung der Lebendspende wird im Kapitel 3.8, S. 147 eingegangen. Die medi- zinische Abwägung der Vor- und Nachteile der Lebendspende hat gezeigt, dass, neben einem optimalen Timing für die Operation die Funktion der Trans- plantate gegenüber der Leichenspende besser ist. Die Operation des Spenders ist mit einem gesundheitlichen Risiko (Mortalität des Nierenlebendspenders 1:3.300) sowie möglichen frühen und späten Komplikationen verbunden. Da trotz der Auswahl eines gesunden Spenders ein medizinisches Restrisiko bleibt, muss der Spender besonders sorgfältig aufgeklärt werden. In diesem Zu- sammenhang wird in der Diskussion darauf hingewiesen, dass der Arzt zwei „Patienten“ zu beachten hat: den Spendewilligen und den erkrankten Em- pfänger. Aus diesem Grund werden für die Spenderauswahl eine Reihe von Voraussetzungen gefordert. 75 a) The risks to the donor must be compared with the need of the recipient. b) The donor must be extensively informed before consenting to the operation. c) The agreement must be made willingly and with no form of pressure. d) The organ donation may not be made in connection with monetary reimbursement.

Aus der Operation einer gesunden Person ergeben sich eine Reihe medizin- ethischer Probleme: (1) Durch die Vorgabe von Leitlinien für die Lebendspende soll dem behandelnden Arzt eine Entscheidungshilfe in der Kosten-Nutzen- Frage an die Hand gegeben werden (siehe hierzu S. 60). (2) Durch ärztliches Handeln soll dem Patienten nicht geschadet werden; diese ethische Leitlinie – „primum nil nocere“ 76 – wird bei der Lebendspende in Frage gestellt (s. hierzu Kapitel 1.5.3, S. 55)

75 So beschrieben von Schreiber (1991), S. 14 76 Zur Geschichte der Entstehung und der Grenzen der medizinischen Kodizes siehe: Keyserlingk (1998). Der Autor beschreibt, dass in der heutigen Zeit in der Ärzteschaft ein großes Spektrum an Werten und Sichtweisen der Probleme der modernen Medizin vertreten sind, die nicht in einem Kodex oder Eid vorhergesehen werden konnten. Traditionelle Grundgedanken dienen deshalb heutzutage als Basis für eine kritische Reflexion des Handelns. Kapitel 1: 1.1 Transplantation 24

(3) Die Entscheidung soll freiwillig, ohne psychischen Druck auf der Basis des „informed consent“ und ohne geldwerte Gegenleistung erfolgen (siehe hierzu S. 58).

Ohne die steigenden Lebendspendezahlen wäre für viele Menschen eine Trans- plantation aufgrund des vorherrschenden „Organmangels“ nicht möglich ge- wesen 77 . Dennoch bleibt die Diskussion bestehen, ob auch bei gründlicher Ab- wägung der Risiken und des Nutzens für Spender und Empfänger der „Organ- mangel“ eine Lebendspende rechtfertigen kann. Kritiker befürchten, dass ein Propagieren der Lebendspende in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken könnte, dass durch Steigerung der Lebendspendezahlen der Mangel an Spenderorganen behoben werden könnte 78 . Patienten könnten sich selbst aus dem Kreis ihrer Familie ein Organ verschaffen, in dem sie ein Familienmit- glied von der Spende überzeugen.

77 Weiland et al. (1984), S. 6. 78 Eigler (1997), S. 1400. Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 25

1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten Im Folgenden soll anhand von Beispielen gezeigt werden, wie unterschiedlich die Organspende in den einzelnen Ländern Europas und der Welt z.T. einge- setzt wird. Anhand von gesetzlichen Regelungen sowohl national als auch eu- ropaweit wird versucht, Leitlinien für die Transplantationsmedizin zu ent- wickeln. Wie erfolgreich diese Regelungen sind, spiegelt sich in den sta- tistischen Angaben zur Organspende wider.

1.2.1 Gesetzliche Regelungen in Europa Mit wenigen Ausnahmen 79 haben alle europäischen Länder gesetzliche Re- gelungen zur Zulässigkeit der Organentnahme getroffen, meist umfassen diese sowohl Richtlinien für die Leichen- als auch für die Lebendorganspende. Im Einzelnen wird auf den nachfolgenden tabellarischen Vergleich verwiesen: 80

Land Gesetz Postmortale Lebendspende Spende 81 Belgien Transplantationsgesetz Widerspruchslösung mit Spender muss mind. vom 13.6.1986; Einspruchsrecht der das 15. Lebensjahr Moniteur Belge du Angehörigen; zentrales vollendet haben; bei 14.2.1987 Register; Minderjährigen nur Hirntodfeststellung unter Geschwistern; der durch drei Ärzte mit dem Spender zusammenlebende Ehegatte muss bei risikoreichen Entnahmen (zugunsten einer anderen Person) zustimmen; schriftliche, vor Zeugen erklärte Zustimmung des Spenders

79 Diese sind Albanien, Estland, Malta, Litauen, Irland, Kroatien, die Ukraine, sowie sieben Kantone der Schweiz. Nachzulesen bei: Nickel et al. (2001), S. 6. 80 Die Tabelle ist auszugsweise entnommen aus: Nickel et al. (2001) ; S. 7-13. 81 (1) Widerspruchslösung : Organentnahme ist grundsätzlich zulässig, außer der Verstorbene hat zu Lebzeiten widersprochen (2) Erweiterte Widerspruchslösung : Angehörige sollen den zu Lebzeiten erklärten Willen des Verstorbenen erklären, wenn dieser eine Organentnahme nicht abgelehnt hat, ist diese zulässig (3) Informationslösung: Organentnahme ist zulässig, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten zugestimmt hat, ansonsten müssen die Angehörigen informiert werden und können evtl. widersprechen (4) Zustimmungslösung : Der Verstorben muss zu Lebzeiten in die Organentnahme eingewilligt haben (5) Erweiterte Zustimmungslösung : Organentnahme ist zulässig, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten oder seine Angehörige nach dessen Tod zugestimmt haben. Für nähere Ausführungen zu den Zustimmungsmodellen bei postmortaler Organspende siehe Kirste (1997b); Schöne-Seifert (1995); Thiel (2000), Wolfslast (1989). Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 26

Deutschland 82 TPG vom 5.11.1997 Erweiterte Volljährige, (ausführlich Zustimmungslösung einwilligungsfähige s.a. 1.4, S. 41) Spender; Antrag muss vor Gutachter- Kommission; nur Verwandte, Partner oder nahestehende Personen dürfen spenden; schriftl. Einwilligung Finnland Gesetz Nr. 355 vom Erweiterte Bei Minderjährigen nur 26.4.1985 Widerspruchslösung Spende regenerierungsfähiger Gewebe mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen gesetzl. Vertretern; psychiatr. Gutachten erforderlich; bei Volljährigen schriftliche Einwilligung des Spenders Frankreich Bioethikgesetz vom Informationslösung: Bei Minderjährigen nur 29.7.1994 Hirntodfeststellung Knochenmarkspende; durch zwei Ärzte; Verwandte 1. oder 2. Widerspruchsregister Grades sowie Ehegatten; bei Minderjährigen nur unter Geschwistern; Einwilligung des Spenders bedarf der Beurkundung durch das Amtsgericht Griechenland Gesetz Nr. 2737 vom Erweiterte Nur zwischen 27.8.1999 Widerspruchslösung; Verwandten; bei Hirntodfeststellung Minderjährigen nur durch drei Ärzte Knochenmarkspende mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen gesetzl. Vertretern; bei Minderjährigen nur unter Geschwistern Großbritannien Human Tissue Act Erweiterte Nur zwischen vom 27.7.1961 Zustimmungslösung; Verwandten; zugunsten Register von Nichtverwandten nur in Ausnahmefällen Italien Gesetz vom 1.4.1999 Widerspruchslösung ; Zwischen Eltern und Hirntodfeststellung Kindern sowie unter durch drei Ärzte; Geschwistern; nur Registrierung der Nierenspende zulässig Organspender Niederlande Gesetz über die Erweiterte Lebendspende nur Organspende vom Zustimmungslösung; zwischen 24.5.1996 Hirntodfeststellung Blutsverwandten 1. durch einen Arzt; oder 2. Grades; bei Register Minderjährigen mit Zustimmun g der

82 Tabelle erweitert um Deutschland nach: Bundesministerium für Justiz (1997). Die Reihen- folge der Länder erfolgt alphabetisch. Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 27

Sorgeberechtigten; des Vormunds oder des Jugendrichters

Norwegen Gesetz Nr. 6 vom Informationslösung; Bei Minderjährigen in 9.2.1973 Hirntodfeststellung Ausnahmefällen mit durch zwei Ärzte Zustimmung der gesetzl. Vertreter und der Gesundheits- behörden; schriftl. Einwilligung des Spenders Österreich Krankenanstalten- Widerspruchslösung; keine gesetzliche gesetz vom 18.6.1982 Todesfeststellung durch Regelung 83 drei Ärzte; Widerspruchsregister Spanien Gesetz vom Widerspruchslösung; Spende grundsätzlich 27.10.1979, geändert Unterrichtung der zulässig; wenn sie mit am 5.1.2000 Angehörigen ohne dem Lebensinteresse Widerspruchsrecht; des Spenders vereinbar Hirntodfeststellung ist; schriftliche durch drei Ärzte; non- Erklärung von gesetzl. heart-beating donors vorgeschriebener Behörde Tabelle 2: Gesetzliche Regelungen in Europa. Die Reihenfolge der Länder erfolgt alphabetisch.

1.2.2 Vergleich der gesetzlichen Regelungen in der EU Der Großteil der europäischen Staaten, u.a. auch Deutschland, bezieht die nächsten Angehörigen in die Entscheidung über eine Leichenorganspende im Rahmen der erweiterten Zustimmungslösung mit ein. In den skandinavischen Ländern „wird der Spender als Teil der Familie gesehen, deren Interessen ebenfalls als schützenswert anerkannt werden; die nächsten Angehörigen haben in soweit also auch ein eigenständiges Entscheidungsrecht.“ 84 In den letzten Jahren haben bis auf Österreich alle europäischen Länder, die Transplantationsgesetze erlassen haben, auch gesetzliche Regelungen zur Lebendspende entwickelt. Die Lebendspende wird in keinem europäischen Land ausdrücklich gefördert und alle gesetzlichen Regelungen erlauben die Lebendspende nur unter eingeschränkten Bedingungen. Sehr eng ist der Spenderkreis für nicht re- generierbare Organe (z.B. die Niere) bspw. in den Ländern Frankreich, Nieder- lande, Spanien, Großbritannien, Belgien und Schweden. In diesen Staaten ist sie nur Blutsverwandten und in Ausnahmefällen auch den Ehepartnern

83 In Österreich ist gesetzlich nur die Organentnahme von toten Spendern geregelt. Vgl. Wolfslast (1989), Nickel et al. (2001), S. 10. 84 Nickel et al. (2001), S. 6. Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 28 gestattet. In Deutschland und vielen anderen Ländern muss der Spender voll- jährig sein. Allerdings lassen die gesetzlichen Vorschriften in einigen Staaten (bspw. in Belgien und Norwegen) auch Minderjährige zur Organspende zu, wenn der Erziehungsberechtigte zugestimmt hat.

1.2.3 Menschenrechtsübereinkommen des Europarates Im Zuge der europäischen Integration sollte über die nationalen Grenzen hinweg der Schutz der Menschenrechte im Bereich der sich schnell ent- wickelnden Medizin gesichert werden. Nach langer Diskussion beschloss der Europarat deshalb am 4. April 1997 das „Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Bio- medizin“ 85 . In Kapitel VI befasst sich diese Konvention mit der „Entnahme von Organen und Gewebe von lebenden Spendern zu Transplantationszwecken“. Kapitel VII enthält das „Verbot finanziellen Gewinns“ mit allgemeinen Bestimmungen zur Vermeidung der Vermarktung von Körperteilen. Das gesamte Übereinkommen enthält grundlegende, generelle Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte. Ihre Undeutlichkeit ist eine der Kritikpunkte. Genauere Ausführungen der Rahmenkonventionen zur Organtransplantation finden sich im „Zusatzprotokoll über die Transplantation von Organen und Ge- weben menschlichen Ursprungs“ vom 24. Januar 2002. 86 Das Zusatzprotokoll kann nur unterschrieben werden, wenn das betreffende Land auch die Rahmen- konvention, das Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin, unter- schrieben hat. Beide Übereinkommen haben in Deutschland keine Geltung, da sie bislang nicht ratifiziert wurden. 87

85 Kurz: „Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin“; abgedruckt in Eser (1999), S. 12-23; s.a. Anhang S. 183 ff. 86 Der Entwurf des Zusatzprotokolls ist abgedruckt in Eser (1999), S. 126-132. 87 Am heftigsten kritisiert werden die Ausführungen zur Embryonenforschung (Artikel 18) und die Möglichkeit, nicht einwilligungsfähige Personen in die medizinische Forschung mit einzubeziehen (Artikel 17). Vgl. hierzu: Taupitz (1998), Rudolff-Schäfer (1999). Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 29

1.2.4 Organtransplantation in Zahlen Die Organspendezahlen in Europa variieren stark. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Organspenderaten ausgewählter europäischer Länder in den Jahren 1998 und 1999 (in Klammern). 88

Land Leichenspenden (pmp) 89 Lebendspenden (pmp) Belgien 19,4 (25,2) 2,6 (2,5) Deutschland 13,4 (13,2) 4,3 (4,8) Frankreich 16,9 (16,2) 1,2 (1,3) Großbritannien 13,5 (13,0) 3,8 (4,3) Niederlande 13,1 (10,9) 7,0 (8,4) Norwegen 15,6 (15,5) 17,6 (18,5) Österreich 20,8 (25,9) 6,0 (4,9) Schweden 14,6 (12,1) 13,5 (11,8) Spanien 31,5 (33,6) 0,5 (0,4)

Tabelle 3: Organtransplantationszahlen in Europa

Auffällig hierbei sind die großen Schwankungen bei den postmortalen Organ- spenden von 10,9 – 33,6 pro Million Einwohner 1999, im selben Jahr für die Lebendspenden 0,4 – 18,5 pmp. Diese Schwankungen entstehen aufgrund unterschiedlicher Modelle zur Erhöhung der Organspendezahlen in den je- weiligen Ländern. Als Beispiele sollen die Modellansätze in Spanien und Nor- wegen betrachtet werden. Anhand dieser unterschiedlichen Ansätze erklären sich die Abweichungen in den Angaben für postmortale und Lebendorgan- spenden. In Spanien wurde ein hervorragendes System zur Erhöhung der post- mortalen Organspendezahlen entwickelt. Im Gegensatz dazu liefert in Nor- wegen die Lebendspende den Großteil der für Transplantationen zur Ver- fügung stehenden Organe.

88 Das Zahlenmaterial zur Erstellung der Tabelle für die Spenderaten 1998 wurde entnom- men aus: Becker (2000); die Zahlen von 1999 finden sich bei: Steering Commitee on Bio- ethics (2000). 89 Die Abkürzung pmp bedeutet „per million people“; Organspendezahlen sind dabei immer auf eine Million Einwohner bezogen. Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 30

Spanien Spanien ist mit 33,6 postmortalen Organspenden auf eine Million Einwohner weltweit führend. Die Ablehnungsrate der Angehörigen ist mit 18 % eine der niedrigsten in Europa. Im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern, in denen die Leichenorganspendezahlen sinken, sind sie in Spanien in den letzten 14 Jahren gestiegen. Wodurch lässt sich dieser Befund erklären? 1989 wurde die O rganizacion N acional de T ransplantes (ONT) aufgrund der Hypothese gegründet, dass „für die Organknappheit weniger ein Mangel an potenziellen Spendern verantwortlich sei, als vielmehr die Probleme bei der Realisierung der tatsächlichen Spenden“. 90 Die ONT hat ein Netzwerk ent- wickelt, das auf nationaler, regionaler und auf lokaler Krankenhausebene arbeitet. Der Grundgedanke ist, dass gerade jene Krankenhausmitarbeiter, speziell geschult werden müssen, die die trauernden Familien auf eine mögliche Organspende der Verstorbenen ansprechen sollen. In besonderen Schulungsprogrammen werden die Mitarbeiter für diese emotional belastende Situation bestmöglich vorbereitet. Die ONT besitzt auch in der breiten Be- völkerung ein sehr positives Ansehen, welches nicht zuletzt auf die massive Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen ist. In Zusammenarbeit mit den Medien führt die ONT Aufklärungskampagnen durch und begegnet so der Skepsis in der Bevölkerung mit Transparenz. Man hat bei der ONT sehr wohl verstanden, den Einfluss von positiven Nachrichten über das Thema Transplantation in der Gesellschaft zu nutzen 91 .. Ein neuer Versuch, die Organspendezahlen zu erhöhen, ist, zusätzlich zu hirntoten Spendern, die Ausweitung des Spender- kreises durch Heranziehung von „non-heart-beating-donors“. 92 Die Versorgung mit Organen geschieht in Spanien demnach fast ausschließlich über Leichenorgane. Lebendorganspenden spielen mit 0,4 pro Million Ein- wohner zahlenmäßig kaum eine Rolle.

Norwegen Mit 13 Einwohnern pro Quadratkilometer ist Norwegen eines der am dünnsten besiedelten Länder Europas. 93 Aufgrund der norwegischen Topographie, der

90 Becker (2000), S. 90. 91 Bosch (1999), S. 17. 92 Stiller (1995a). 93 Im Vergleich liegt die Bevölkerungsdichte in Deutschland bei 227 Einwohner pro Quadratkilometer. Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 31 geringen Bevölkerungsdichte und der Infrastruktur des Landes stellte die Entwicklung des Lebendspendeprogrammes von Anfang an eine Option der ersten Wahl dar. Patienten müssen teilweise lange Anfahrten in Kauf nehmen, um das nächstgelegene Dialysezentrum zu erreichen. 94 In Norwegen existiert ein einziges Transplantationszentrum in Oslo. Die Möglichkeit zur Lebend- organspende eröffnete den Patienten neue Chancen. Die Hirntodbestimmung kann bei Verstorbenen oft nicht durchgeführt werden, die Gründe hierfür liegen v.a. auch in der Landesgröße und Infrastruktur. Im Gegensatz zu Deut- schland wurden die ethisch-moralischen Grundsätze der Lebendorganspende in Norwegen aus o.g. Gründen nie infrage gestellt. 95 Nach der Gründung von Scandiatransplant 96 1969 wurde in Norwegen ein Nierentransplantationsprogramm eingeführt. Bereits 1973 wurde das nor- wegische Transplantationsgesetz verabschiedet, das die Priorität der Lebend- spende ausdrücklich betont. Hintergrund dieser Entscheidung war die Ver- mutung, dass eine Nierentransplantation besser und kostengünstiger sowie eine einseitige Nephrektomie für den Spender in keiner Weise schädlich sei. Einen Platz auf der Warteliste für ein Leichenorgan erhält ein Patient nur, wenn er nachweislich keinen Verwandten oder Bekannten hat, der spenden könnte. Die Ärzte sollen hierbei immer primär aktiv auf infrage kommende Spender zu- gehen. 97 Somit soll der Organempfänger nicht direkt in die Rolle des Bitt- stellers kommen. Diese aktive Spendersuche hat außerdem dazu beigetragen, dass Nicht-Verwandten-Lebendspenden in Norwegen eine Ausnahme dar- stellen. 98 Die Wartezeit auf eine Niere beträgt in Norwegen sieben bis acht Monate, eine Transplantation ist für jeden unabhängig vom Alter möglich. Das regionale Sozialversicherungssystem übernimmt in Norwegen alle Kosten, die direkt oder indirekt mit den Untersuchungen und der evtl. anschließenden Transplantation entstehen. Diese Form der „Entschädigung“ soll den kommer- ziellen Organhandel verhindern. 99 Im Gegensatz zu Spanien haben die Norweger mit einer Aufklärungskampagne 1997 die Erfahrung gemacht, dass danach weniger Menschen zu einer Spende

94 Nicholson (1999), S. 409. 95 Lück (2003), S. 529. 96 S. a. Fußnote 22. 97 Becker (2000), S. 34. 98 Lück (2003), S. 527. 99 Becker (2000), S. 36. Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 32 bereit waren als vorher. Jedoch wird das medizinische Personal speziell ge- schult, um in den landesweiten 28 Spenderkrankenhäusern potenzielle post- mortale Spender zu identifizieren. Die Organspendezahlen für postmortal gespendete Organe blieb in der Ver- gangenheit relativ konstant bei 15 pro einer Million Einwohner. Die Anzahl der Lebendorganspenden steigt. Waren 1983 knapp 30% aller Nierentrans- plantationen vom Lebenden, sind es jetzt über 50%. 100 Dies zeigt, dass Nor- wegen das Lebendspendepotenzial weiter ausbauen konnte und auch in Zu- kunft weiter fördern wird.

100 Jakobsen et al. (1991), S. 48. Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 33

1.2.5 Vergleich mit außereuropäischen Ländern Weltweit haben mittlerweile viele Länder gesetzliche Regelungen zur Organ- entnahme verabschiedet. 101 Nur wenige davon beziehen auch spezielle Kodifi- kationen für die Lebendspende mit ein. 102 Von der Weltgesundheitsorgani- sation (WHO) wurden 1991 Rahmenrichtlinien zur Organtransplantation er- stellt, um v.a. den Spender vor möglicher Ausbeutung zu schützen. Außerdem sollten generelle Leitlinien sowohl zur Leichen- als auch zur Lebendorgan- spende vorgegeben werden. 103 Die Einstellung zur Organtransplantation ist in den unterschiedlichen Ländern und Kulturen sehr verschieden. Hier soll exemplarisch die Situation in drei Ländern vorgestellt werden, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit nochmals eingegangen wird.

Land Gesetz Postmortale Spende Lebendspende Vereinigte Uniform Erweiterte Keine Regelung auf bundesstaat- Staaten von Anatomical Zustimmungslösung licher Ebene Amerika Gift Act 1987 (USA) Japan 1997 Enge Zustimmungslösung Keine gesetzliche Regelung 104 mit Widerspruchsrecht der Angehörigen; Hirn- todfeststellung durch 2 Ärzte Indien 105 1994 Spender muss volljährig und mit dem Empfänger verwandt sein; Ausnahmen nur durch Zu- stimmung einer staatlichen Kom- mission möglich

Tabelle 4: Gesetzliche Regelungen international

101 Esser (2000), S. 14 ff. 102 Ugowski (1998), S. 30 ff. 103 WHO (1991). 104 Saito (2003), S. 119. 105 Das Gesetz wurde nicht von allen indischen Bundesstaaten unterzeichnet; vgl. Biller- Andorno et al. (2001), S. 352. Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 34

Beispiel: USA Das seit 1984 in den USA gültige Transplantationsgesetz regelt Fragen der postmortalen Organgewinnung und Verteilung. Die USA haben auf bundes- staatlicher Ebene keine gesetzlichen Regelungen für die Lebendorganent- nahme. 106 Generell ist es illegal, Organe zu verkaufen. Als Voraussetzung für eine Lebendspende gilt der „informed consent“ (s. hierzu S. 58). Die USA haben aber inzwischen mehr Lebendorgan- als Leichenorganspender. Der An- teil der Lebendnierenspenden an den Gesamtnierentransplantationen betrug 1990 22 % und stieg bis zum Jahr 2002 auf 42 % an. Die Zahlen für Lebendleberspenden sind von 0,5 % Spenden im Jahr 1990 auf 7 % im Jahr 2002 gestiegen. 107 Deshalb haben Vertreter verschiedener Fachrichtungen im Juni 2000 in Montana Richtlinien zur Lebendspende in den USA zusammengestellt. 108 Die minimal-invasive Operationstechnik (Laparoskopie) wurde in den USA sehr stark vorangetrieben, so dass 2001 bereits mehr Lebendspender mit dieser anstelle der klassischen Technik operiert wurden. 109 Hintergedanke ist, dass man dem Spender durch dieses Verfahren noch weniger „Schaden“ zufügt, da die Operationswunde kleiner ist. Aufgrund der guten Ergebnisse der Lebendspende unter emotional Verwandten und der weiterhin langen Wartelisten für Leichenorgane begann die Universität von Minnesota 1999 einen Evaluationsplan für die anonymisierte Lebend- spende zu entwickeln. 110 Innerhalb eines Jahres wurden vier anonyme Nieren- transplantationen erfolgreich durchgeführt. Besonderer Wert wurde hierbei auf die Anonymität von Spender und Empfänger gelegt. Grundsätzlich entschied sich die Arbeitsgruppe in Minnesota aber dafür, dass „... fully informed recipients have the right to accept the risk of future requests for financial or other help in exchange for the benefits of the transplantation.” 111 Die bereits

106 Biller-Andorno et al. (2001), S. 352. 107 Im Jahr 2002 wurden 8.531 postmortale und 6.238 Lebendnieren transplantiert. Im Jahr 1990 waren es nur 2.094 Lebendnierenspenden, die Zahl der Leichenspenden war annähernd gleich. Es gibt verhältnismäßig mehr Lebendspender, da jede Person nur eine Niere spenden kann. Wohingegen einem Verstorbenen zwei Nieren entnommen werden können. Vgl. OPTN (2003). 108 National Kidney Foundation et al. (2000). 109 Strik (2003), S. 685; Die minimal-invasive Nephrektomie ist in Deutschland noch umstritten. 110 Matas und Jacobs (2000), S. 433, Levinsky (2000). 111 Matas und Jacobs (2000), S. 436. Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 35 erwähnte altruistische Lebendspende (s.a. Kategorie 3, S. 17) steht somit im fließenden Übergang zur „kontrollierten“ bezahlten nichtverwandten Lebend- spende (s.a. Kategorie 4, S. 17). In diesem Zusammenhang soll auch die Dis- kussion über Entlohnung von Häftlingen erwähnt werden, die durch ein lebend oder postmortal gespendetes Organ eine Verkürzung ihrer Gefängniszeit er- reichen wollen. 112 Beobachter fürchten, dass zwischen den amerikanischen Transplantations- zentren in Zukunft ein starker Wettkampf entstehen könnte. In der New York Times pries eine Universitätsklinik ihr anonymes Lebendspendeprogramm mit folgenden Worten an: „the world´s largest, most succesful live donor laparoscopic kidney transplant program […]. Donating a kidney is a tough decision. Deciding where to go is easy.” 113

Beispiel: Japan Ein Beispiel dafür, wie problematisch kulturelle Aspekte in der Trans- plantationsmedizin sein können, ist die Entwicklung in Japan. Eine Voraus- setzung für die Anerkennung des Hirntodkriteriums heißt, in der Gesellschaft muss Einigkeit darüber herrschen, dass das Gehirn Sitz von „Seele“ und „Persönlichkeit“ ist. In japanischer Tradition gilt der Darm als Sitz der „Seele“. 114 Trotzdem wurde 1997 in Japan nach langer Diskussion ein Trans- plantationsgesetz verabschiedet, das den Ausfall aller Hirnfunktionen als ir- reversibel und als Zeitpunkt des Todes anerkannte. 115 Im Gegensatz zu der Situation in Europa war die Lebendspende im Bereich der Transplantations- medizin in Japan also die Hauptorganquelle. Im Jahre 1990 waren 71,8 % aller Nierentransplantate von lebenden Spendern, die restlichen knapp 30 % kamen von Spendern mit Herz-Kreislauf-Versagen. Seit Verabschiedung des japan- ischen Transplantationsgesetzes 1997 bis zum September 2002 gab es 21 Fälle, in denen der Hirntod festgestellt wurde. Davon wurde in 20 Fällen eine Organ- entnahme realisiert. Vermutet wird, dass die Ursache für die niedrigen Zahlen

112 Bartz (2003): Der Autor (selbst Häftling) spricht von einer „Operation Blue“ in Anlehnung an „Operation Red“, das Blutspendeprogramm und an „Operation Green“, den Einsatz von Häftlingen zur Waldbrandbekämpfung. 113 Levinsky (2000), S. 432. 114 Riha (1998), S. 130. 115 Fleischhauer (2000), S. 270. In Japan wird der Hirntod aus religiösen Gründen nur in Bezug auf die Zulässigkeit einer Organentnahme als Todeszeichen akzeptiert. Vgl. Nickel et al. (2001), S. 7. Kapitel 1: 1.2 Vergleichende europäische und internationale Daten 36 in der Unkenntnis von Hirntod und Organtransplantation sowie der einer ablehnenden moralischen Bewertung des Hirntodes liegt. 116 Japan ist weltweit das einzige Land, das ausdrücklich die Zustimmung des Spenders zur post- mortalen Organspende zu Lebzeiten verlangt 117 (=enge Zustimmungslösung).

Beispiel: Indien Indien ist mit 283 Einwohnern pro Quadratkilometer eines der am stärksten be- siedelten Länder der Welt. Das Land hat auf dem medizinischen und techno- logischen Sektor in den letzten Jahren große Fortschritte erreicht. Dennoch leben 37 % der Inder unterhalb des Existenzminimums. Die Möglichkeit, Organe von Verstorbenen zu entnehmen, gibt es in Indien nicht. 118 Der Staat kann kaum für Dialyseeinrichtungen aufkommen. Nur wenige Menschen haben ausreichende finanzielle Möglichkeiten, um private Dialyseeinrichtungen oder ein Organ zu bezahlen. 119 Es gibt zwar seit 1994 in Indien ein Trans- plantationsgesetz, das Organverkauf verbietet, dennoch werden schätzungs- weise 60 % der Nierenspender bezahlt. 120 Ärzte führen die Transplantationen mit bezahlten Organen durch, da ihnen keine andere Wahl bleibt, nieren- insuffiziente Patienten zu behandeln. Die finanziellen und sozialen Unter- schiede in der Gesellschaft sind sehr ausgeprägt. Beispielsweise sehen die reicheren Familien, deren Zusammenhalt als sehr stark gilt, die Organspende eines Verwandten als etwas Ungebührendes an, da es die Möglichkeit gibt, das Organ eines Fremden zu kaufen 121 (s. hierzu Kapitel 3.8.1, S. 147).

116 Saito (2003), S. 127. 117 Nickel et al. (2001), S. 7. 118 Reddy (1991), S. 174. 119 Sells (1992), S. 2095. „To buy or let die” war die Kernaussage eines Vortrages einer indischen Arbeitsgruppe 1988 beim 12. Internationalen Kongress der Transplantation Society in Sydney, Vgl. Daar (1992a), S. 2088. 120 Phadke und Amandh (2002), S. 309. 121 Ebenda. Kapitel 1: 1.3 Organspende in Deutschland 37

1.3 Organspende in Deutschland

1.3.1 Geschichtlicher Hintergrund 1963 begann sich die Transplantationsmedizin auch in Deutschland zu etablieren, in diesem Jahr wurde die erste Niere transplantiert. Daraufhin folgte sechs Jahre später die erste Leber und 1979 das erste Herz. In wurde 1965 die erste Lebendspende durchgeführt, wobei eine Mutter ihrer Tochter eine Niere spendete und das Transplantat 25 Jahre bis zum Tod der Empfängerin funktionierte. 122 Seit diesen Anfängen nahmen in Deutschland viele Transplantationszentren ihre Arbeit auf. 123 Im Laufe der Zeit stellte man fest, dass im Hinblick auf eine Verbesserung der Ergebnisse eine engere Zusammenarbeit der Zentren not- wendig war: So wurde 1975 auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft für klinische Nephrologie der Transplantationsausschuss gegründet. Einmal im Jahr wurden hier aktuelle Themen der Transplantationsmedizin diskutiert. 1987 wurde von dieser Arbeitsgemeinschaft einstimmig ein Transplantations- kodex 124 verabschiedet, der wichtige medizinische, ethische und juristische Richtlinien für Transplantationsmediziner beinhaltete. Dieser Wertekatalog war nach Ansicht der Mitglieder notwendig, da die juristische Diskussion zu keinen Gesetzesvorschlägen geführt hatte (s.a. Kapitel 1.4.1, S. 41). Juristen und Mediziner trafen sich häufig, um die unklare Rechtssituation, in der Trans- plantationsmediziner arbeiten, zu beleuchten. 125 Die Gründung verschiedener Gremien spiegelt den erheblichen Diskussionsbedarf wider, der durch die sich neu entwickelnde Transplantationsmedizin in Deutschland entstanden ist. 126 Einmal jährlich tagt nun die „Deutsche Transplantationsgesellschaft“ und bietet Raum zum wissenschaftlichen Austausch.

122 Hillebrand et al. (2000), S.101 ff. 123 Siehe Tabelle 3 in Eigler (2002), S. 1004. 124 Pichlmayr (1994), S. 125 ff. 125 Als Beispiel sei der Kongress „Ethics, Justice and Commerce“ genannt, der 1990 in München statt fand. Themen des Forums finden sich abgedruckt in Land (1991). 126 Bei der Bundesärztekammer (BÄK) wurde 1978 der Arbeitskreis „Organtransplantation“ des wissenschaftlichen Beirats gegründet; 1984 wurde die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Transplantationszentren“ gegründet. In beiden Gremien wie auch im „Transplantations- ausschuss“ war Prof. Dr. Rudolf Pichlmayr, Pionier der Transplantationsmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover, Vorsitzender. 1992 wurde die „Deutsche Trans- plantationsgesellschaft“ gegründet, in der der „Transplantationsausschuss“ aufging und 1994 auch die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Transplantationszentren“. Kapitel 1: 1.3 Organspende in Deutschland 38

1.3.2 Zunahme der Indikationsstellungen Die Grunderkrankungen der neu auf der Warteliste gemeldeten Patienten sind sehr heterogen. Bei Nierentransplantationen sind dies v.a. die Glomerulo- nephritis, die interstitielle Nephritis, die Zystenniere und die diabetische Nephropathie. Bei Lebertransplantationen finden sich hauptsächlich Zirrhosen unterschiedlicher Genese und Leberinsuffizienz unbekannter Ursache. 127 Die Differenz zwischen der Zahl der auf der Warteliste gemeldeten Patienten und den tatsächlich durchgeführten Transplantationen steigt jährlich an, dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass die Indikationen zur Transplantation erweitert werden. 128

1.3.3 Die Situation in Deutschland in Zahlen Seit 1963 sind in Deutschland insgesamt 74.651 Organe transplantiert worden, davon 51.407 Nieren. Derzeitige Praxis der Lebendspende in Deutschland sind die Nieren- und Teilleberspenden. 129 Bei der Dünndarmlebendspende gibt es noch erhebliche Probleme durch die Immunabwehr, sie wird deshalb nur an wenigen Zentren durchgeführt .130 Im Jahr 2004 (2001) machte die Lebendspende der Niere 19,7 % (16,3 %) der Gesamtnierentransplantationen aus. Bei der Leber waren es 8,4 % (12,5 %). Diese Zahlen sind seit Inkrafttreten des TPGs 1997 erheblich gestiegen. Beispielsweise war der Anteil der Nierenlebendspende 1996 an der Gesamtzahl 6,4 % und der Leberlebendspendeanteil 1,4 %. 131 Auf der Warteliste bei Eurotransplant standen 2004 9.270 Patienten aus Deutschland, die auf eine

127 dso (2005); S. 21 ff., dso (2002); S. 22 und S. 32. In den westlichen Industrienationen ist Alkohol wesentliche Ursache einer Leberzirrhose. In vielen anderen Ländern der Welt ist Hepatitis B der häufigste Auslöser einer Leberinsuffizienz. Vgl. Kirste (1997a), S. 46. 128 Im Gegensatz zu früher werden heute auch ältere Personen und Empfänger mit zusätzlichen Risikofaktoren zur Organtransplantation gemeldet. Siehe hierzu Kirste (1997a), S. 46. 129 Lungenlebendspenden werden nur von wenigen Zentren weltweit durchgeführt. Bei Pankreaslebendspenden liegen wesentliche Erfahrungen nur vom Zentrum in Minneapolis vor. Ausführlich hierzu: Kirste (2002), S. 772 ff., angegebene Zahlen beziehen sich auf Ende 2001. 130 Bei Dünndarmleichenspenden hat man herausgefunden, dass die gleichzeitige Trans- plantation von Leber und Dünndarmteilen immunprotektiv wirkt und bessere Ergebnisse resultieren. Kirste (1997a) S. 49; Feuerstein (1995), S. 97. 131 dso (2002), S. 31, S. 40; An 36 Zentren wurden 2001 bundesweit die Nierentransplantati- onen nach Lebendspende durchgeführt, wobei die Häufigkeit an den unterschiedlichen Zentren erheblich schwankte; bspw. Bonn eine und Charité/Berlin 32. Teilleberspenden wurden 2001 an neun Zentren durchgeführt, bspw. Heidelberg ein Organ und 23. Kapitel 1: 1.3 Organspende in Deutschland 39 neue Niere warteten. 132 Es wurden aber nur 2.478 Transplantationen durchge- führt, d.h. nur 26,7 % der Wartenden erhielten ein Organ. Insgesamt warteten 2004 fast viermal so viele Menschen auf ein neues Organ wie Organe ver- mittelt werden konnten. 133

1.3.4 Kostenvergleich/Kostenregelung Bei einer so stark angespannten Lage, wie sie momentan im deutschen Ge- sundheitssystem vorliegt, stellt sich natürlich die Frage nach den Kosten, die eine solche medizinisch fortschrittliche Technik mit sich bringt. Eine Leichen- nierenspende kostet die Krankenkasse des Empfängers ca. 50.000 Euro. Eine Lebendspende kostet ca. 55.000 Euro, diese Kosten werden ebenfalls von der Kasse des Organempfängers bezahlt. Vergleichsweise kostet die Dialyse als alternative Behandlungsmethode im Jahr zwischen 25.000 und 45.000 Euro. 134 Zu den Fixkosten einer Transplantation kommen noch die Kosten für Immunsuppression, die sich jährlich auf ca. 10.000 Euro belaufen. Für die Krankenkasse amortisiert sich die Transplantation nach ca. zweijährigem Überleben des Transplantates und des Empfängers. Inwieweit die bei einer Lebendorganspende anfallenden Kosten wie Voruntersuchungen, Fahrtkosten, unmittelbare Nachbehandlung und Nettoverdienstausfall beim Spender von der Krankenkasse des Empfängers übernommen werden, muss zu Beginn der Spenderevaluation abgeklärt werden. 135 In § 23 TPG weist der Gesetzgeber auf eine Änderung des 7. Sozialgesetzbuches (SGB) hin, nach dem der Lebend- spender gesetzlich unfallversichert ist. Der Umfang dieses Schutzes ist abhängig von der Einigung zwischen Spenderkrankenkasse und Unfallver- sicherungsträger. 136 Danach tritt bei möglichen Spätfolgen der Explantation für den Spender die gesetzliche Unfallversicherung ein. Ebenfalls nicht abgesichert sind Erwerbsminderung bis hin zur Arbeitsunfähigkeit nach der

132 Am 01.05.2005 waren bei Eurotransplant 12.008 Patienten für die Transplantation einer Leichenniere gelistet, davon stammten 9.041 aus Deutschland. Siehe hierzu Liefeldt (2005), S. 2039. 133 dso (2005), S. 26. 134 Die Kostenspanne ergibt sich durch unterschiedliche Dialyseverfahren, bspw. ist Heimdialyse kostengünstiger als Klinikdialyse. Nachzulesen in Oduncu (1998), S. 121. 135 Die momentane Kostenübernahme-Situation ist sehr unbefriedigend, da die Empfänger- kassen behaupten, dass viele der anfallenden Kosten Teil der Transplantations-pauschale seien. Die Transplantationszentren kritisieren diese Meinung und behaupten, dass es ihnen nicht gestattet sei, mit der Fallpauschale Verdienstausfall und Fahrtkosten für den Spender zu bezahlen. Vgl. Kirste (2002), S. 770. 136 Gutmann et al. (2003), S. 284. Kapitel 1: 1.3 Organspende in Deutschland 40

Organentnahme oder im schlimmsten Fall das Versterben des Spenders mit anfallenden Forderungen der Angehörigen. 137 Diese Angaben gelten für die Kostenregelung bei einer Organtransplantation im Inland, für die im Ausland vorgenommenen Eingriffe gelten besondere Voraussetzungen und Bestim- mungen. 138 Wird bspw. im Ausland eine Organübertragung vorgenommen, die nach geltendem deutschen Recht nicht zulässig ist, muss die betref- fende Krankenkasse die Kosten nicht übernehmen. 139

137 Ausführliche Darstellung der Problematik der Kostenregelung in Ugowski (1998), S. 125 ff. 138 Ebenda, S. 131. 139 Das Landessozialgericht Essen hat 2001 eine betreffende Klage eines Paares abgewiesen, das 1999 an einer Überkreuz-Transplantation in Basel teilgenommen hatte. Vgl. Gutmann et al. (2003), S. 275. Kapitel 1: 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz 41

1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz (TPG)

1.4.1 Geschichtliche Entwicklung Als am 01.12.1997 das Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (TPG) in Kraft trat, gehörte Deutschland zu den wenigen west- lichen und nordeuropäischen Mitgliedern des Europarates, die noch keine gesetzliche Regelung zur Entnahme und Transplantation von menschlichen Organen besaßen. 140 Das Gesetz wurde nach Abschluss langer vorangegangener Diskussionen v.a. zum Thema der Zustimmungs- und Widerspruchslösung bei postmortalen Organspenden beschlossen. Mitte der 70er Jahre wurde deutlich, dass mit der Nierentransplantation eine bessere und kostengünstigere Alternative zur Dialyse geschaffen war. Der Ruf nach gesetzlichen Vorgaben wurde laut (s.a. Kapitel 1.3.1, S. 37). 1978 hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, dem die Widerspruchs- lösung bei Transplantation von Organen Verstorbener zugrunde lag. 141 Der Bundesrat favorisierte eine erweiterte Zustimmungslösung. Zu einer Debatte im Bundestag kam es erst gar nicht. 142 In den folgenden Jahren wurde viel über die Frage der generellen Notwendigkeit des Gesetzes und v.a. über die Differenzen bei Zustimmungs- und Widerspruchslösung diskutiert. 143 1987 erstellte die Arbeitsgemeinschaft der Transplantationszentren eigene Richt- linien für die Organtransplantation in Deutschland, die 1992 nochmals erneuert wurden. Inzwischen war durch die Wiedervereinigung Unsicherheit ent- standen, ob in den neuen Bundesländern die alte DDR-Verordnung fortbe- stehen sollte (Zur Regelung in der DDR s.a. S. 49). Am 23.06.1994 beschloss der Landtag von Rheinland-Pfalz ein eigenes Transplantationsgesetz, das acht Wochen nach Verabschiedung wieder aufgehoben wurde. Die Länder und Hessen brachten im Herbst 1994 einen Gesetzesantrag im Bundesrat ein. 144 Dieser wurde nicht weiter diskutiert, da mit der Arbeit an einem inter-

140 Wolfslast (1998), S. 44. 141 Bundestag (1998), für die Erklärungen der Begriffe Widerspruchslösung und Zustimmungslösung siehe Fußnote 81. 142 Nickel et al. (2001), S. 18 ff. 143 Auflistung der nicht durchgeführten Gesetzesvorhaben bei: Deutsch (1998), S. 777 ff. 144 Bundesrat (1994). Kapitel 1: 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz 42

fraktionellen Gesetzesentwurf begonnen wurde. 145 Im November 1995 legte die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen eigenen Gesetzes- entwurf vor, 146 dem im April 1996 der Entwurf der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. folgte. 147 Am Ende des Gesetzgebungsverfahrens stimmte eine große Mehrheit der Mitglieder des Bundestages für das Transplantations- gesetz. 148 Die Fragen der Anerkennung des Hirntodes und die erweiterte Zu- stimmungsregelung wurden erst bei der Schlussabstimmung als Kompromiss geregelt. 149 Seit 1990 galten offiziell in Deutschland zwei Regelungen zur Organtransplantation, die DDR-Verordnung (vgl. S. 49) und die aus all- gemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleiteten Regeln in Westdeutschland (vgl. Transplantationskodex, Fußnote 124). Das Gesetz vom 05.11.1997 löste das „gespaltene Transplantationsrecht“ 150 ab und trat am 01.12.1997 bundesweit in Kraft.

1.4.2 Problematik: Das Ziel des Transplantationsgesetzes Als das TPG verabschiedet wurde, erklärte der damalige Bundesgesundheits- minister Horst Seehofer optimistisch, dass „die Bereitschaft in Deutschland wieder zunehmen wird, nach dem Tod Organe zu spenden, um damit Schwer- kranken ein neues Leben oder eine neue Lebensqualität zu schenken.“ 151 Es bestand die Hoffnung, dass die Ursache für den Mangel an gespendeten Organen in der fehlenden rechtlichen Grundlage bestand. Seit die Bestim- mungen gelten, ist die Spendebereitschaft nach dem Tode eher gesunken, allerdings ist eine deutliche Zunahme der Lebendspenden zu verzeichnen (s.a. Kapitel 1.3.3, S. 38). Weiterhin sollte das Gesetz „zu mehr Rechtssicherheit und Vertrauen“ bei den Betroffenen in der Medizin und Bevölkerung führen. 152 Im Folgenden wird gerade auf diese Absicht des TPG eingegangen.

145 Nickel et al. (2001), S. 19 ff. 146 Bundestag (1995). 147 Bundestag (1996). 148 Bei insgesamt 635 abgegebenen Stimmen waren 424 Abgeordnete für das Trans- plantationsgesetz vgl. BT-Plenarprotokoll 13/183 vom 25.06.1997, S. 16479; abgedruckt in Kühn (1998), S. 457. 149 König (2000), S. 269. 150 Zitat: Ugowski (1998), S. 34. 151 Schutzeichel (2002), S. 21. 152 Laufs (1995), S. 2398. Kapitel 1: 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz 43

1.4.3 Anwendungsbereich In § 1 des TPG wird der Anwendungsbereich des Gesetzes beschrieben: Darin enthalten sind „[...] die Spende und die Entnahme von menschlichen Organen, Organteilen oder Geweben (Organen) zum Zwecke der Übertragung auf andere Menschen“. Unter Organen versteht man „aus Zellen und Geweben zusammen- gesetzte Teile des Körpers, die eine Einheit mit bestimmten Funktionen bilden“. 153 Beispiele hierfür sind: Herz, Lunge, Niere, Leber, Knochen, Haut, Augenhornhaut, etc. 154 Ausgenommen sind laut Gesetz „Blut und Knochen- mark sowie embryonale und fetale Organe und Gewebe“ (§ 1 Abs. 1 S. 2 TPG).

1.4.4 Auswirkungen Für das Verständnis dieser Arbeit sind einzelne Abschnitte des TPG besonders relevant. Im Folgenden soll auf bestimmte Paragraphen eingegangen und dabei die problematischen Punkte verdeutlicht werden.

§ 2 Abs. 1 und § 2 Abs. 3 Die Bevölkerung soll durch öffentliche Stellen und Krankenkassen über die Möglichkeiten der Organspende aufgeklärt werden. In regelmäßigen Ab- ständen sollen alle Bürger, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben, Informationsmaterial erhalten, mit der Bitte sich zur Organspende zu äußern. Das Bundesministerium für Gesundheit kann die Bildung eines Organspende- register veranlassen, in dem die Erklärungen zur Organspende aller potenzi- ellen Spender registriert sind. Anfragen an das Register sollen erst nach dem Versterben eines Patienten möglich sein, um Missbrauch zu verhindern. 155 Bis heute ist ein solches Register in Deutschland nicht gegründet worden. Weltweit gibt es mindestens acht Spenderegister, die entweder als Positivregister (d.h. Spender tragen sich ein) oder als Negativregister (nur Ablehnungen werden registriert) oder als Kombination aus beidem geführt werden. 156

153 Pschyrembel (2002), S. 1215, Stichwort: Organ. 154 Nicht unter den Begriff „Organ“ fallen Gene, DNA, Ei- und Samenzellen; vgl. hierzu König (2000), S. 269. 155 Ebenda, S. 269. 156 Gäbel und Roels (1997), S. 3223. Kapitel 1: 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz 44

Organentnahme bei lebenden Spendern (§ 8) Der Gesetzgeber hat die Lebendspende stark reglementiert. Ein Leichenorgan ist immer vorrangig zu verwenden (Subsidiarität der Lebendspende, § 8 Abs. 3 TPG). Mit dieser Klausel folgt der Gesetzgeber den Vorgaben der WHO. 157 Als problematisch wird die Priorität der Leichenorgane insofern gesehen, als dass „Patienten eine medizinisch eindeutig schlechtere Therapie aufgezwungen würde“. 158 Außerdem werde die psychische Belastung durch die Implantation eines Organs eines toten Spenders außer Acht gelassen. Dem setzt das Bundes- verfassungsgericht (BVerfG) in seiner Entscheidung entgegen, dass „die Organentnahme für den lebenden Spender kein Heileingriff sei, sondern ihm grundsätzlich körperlich schade und ihn gesundheitlich gefährden könne“. 159 Drei grundlegende Voraussetzungen verlangt der Gesetzgeber bei dem potenzi- ellen Organspender: die besondere persönliche Verbundenheit zwischen Organspender und Organempfänger, deren Offenkundigkeit und das Nahe- stehen dieser Personen in eben dieser Beziehung. 160

Zulässigkeitskriterien Die weiteren Ausführungen in § 8 Absatz 1 beziehen sich auf die Volljährig- keit und Einwilligungsfähigkeit des Spenders sowie dessen vollständige Auf- klärung und seine schriftliche Einwilligung in die Entnahme. Weiterhin muss das Operationsrisiko für den Spender kalkulierbar gering sein und der Eingriff darf nur von einem Arzt vorgenommen werden. Das Ziel der Organentnahme darf nur ein Heileingriff beim Empfänger sein.

Spender-/Empfänger-Beziehung In Satz 2 wird der Spenderkreis definiert. Von einer generellen Freigabe der Lebendspende nahm der Gesetzgeber Abstand, da der Organhandel unkontrol- liert ansteigen könnte. 161 Die möglichen Organspender müssen „Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer

157 “Organs for transplantation should be removed preferably from the bodies of deceased persons”, WHO (1991). 158 Gutmann (1997), S. 152. 159 Bundesverfassungsgericht (1999), S. 3401. 160 Schroth (2003), S. 131. 161 Bundestag (1998), S. 20. Kapitel 1: 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz 45

persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen“ 162 sein. Die Frage, ob eine solche Beschränkung des Spenderkreises zulässig sei, wurde vom BVerfG bejaht. Als Begründung wurde der vorrangige Spenderschutz angeführt. Außerdem werde durch die Einschränkung sichergestellt, dass das Organ frei- willig gespendet wird und nicht dem Organhandel unterliegt. 163 Eindeutig nicht zur Organspende zugelassen werden somit anonyme fremdgerichtete Spenden, obwohl hier eine rechtliche Reglementierung gegen die Kommerzialisierung getroffen werden könnte. 164 Problematischer ist die Frage nach der „besonderen persönlichen Verbundenheit“ (§ 8 Abs. 1 S. 2). Nach Meinung des Gesetzgebers liegt diese vor, wenn es „eine gemeinsame Lebensplanung mit innerer Bindung gibt bzw. eine Bindung über längeren Zeitraum gewachsen ist“. 165 Durch diese Einschränkung soll sichergestellt werden, dass der Spender auch bei evtl. Komplikationen seine Entscheidung nicht bereut. Gerade dieser Punkt ist starker Kritik ausgesetzt, da keine Art oder Dauer einer Beziehung Garantie dafür gibt, dass der Spender seine Entscheidung später nicht bereut. 166 Maßgeblich ist also eine „biographisch gewachsene Verbundenheit“ zwischen Spender und Empfänger und nicht die Motivation wie bspw. Altruismus. 167 Welche Mindestdauer diese Bekanntschaft haben muss, ist ungeklärt. Nach herrschender Meinung ist demnach eine Überkreuz-Spende 168 in Deutschland nur in Ausnahmefällen zulässig. 169 Das BSG entschied 2003 in einem über mehrere Instanzen gelaufenen Musterprozess über eine im Ausland durch- geführte Überkreuzspende bei deutschen Staatsbürgern. In dem Urteil wurde festgestellt, dass eine Überkreuz-Lebendspende zwischen Ehepaaren zulässig ist, wenn zwischen den Paaren eine „gefestigte Beziehung“ besteht. Dies sei kein Verstoß gegen das Organhandelsverbot. 170 Eine persönliche Verbunden- heit könne schnell entstehen, wenn Kontakt zwischen den Paaren vermittelt

162 § 8 Abs. 1 S. 5 TPG. 163 Bundesverfassungsgericht (1999), S. 3401. 164 Nickel et al. (2001), S. 99. 165 Bundestag (1998), S. 21. 166 Rittner et al. (2001), S. 122. 167 Vgl. hierzu Seidenath (1998); Schroth (1999). 168 Zur Erklärung des Begriffes Überkreuz-Spende siehe Fußnote 186, S. 49. 169 Zur Problematik siehe Dufková (2000), Eibach (1999), Seidenath (1998), Sengler (2000). 170 BSG (2003), S. 464; Witzke (2005), S. 2699. Kapitel 1: 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz 46

würde, da beide ja eine vergleichbare Krankheits- und Leidensgeschichte durchlaufen hätten. 171 Eine besondere Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger verlangen nur das deutsche und das indische Transplantationsgesetz, hingegen findet man in vielen internationalen Gesetzen eine Beschränkung auf den Verwandtenkreis bei Lebendspende. In den USA sind darüber hinaus bereits anonyme Spenden möglich und es wird diskutiert, ob nicht auch Minderjährige zur Lebendspende zugelassen werden sollten. 172

Dokumentation Gemäß § 8 TPG muss der Spender detailliert über alle denkbaren Risiken, Komplikationen und die möglichen Ergebnisse im Erfolgs- wie auch Miss- erfolgsfall aufgeklärt werden. Die Einwilligung in die Explantation sowie die Dokumentation der versicherungsrechtlichen Absicherung müssen schriftlich erfolgen und sowohl vom aufklärenden Arzt als auch von einem zusätzlich anwesenden Arzt, der nicht in die Transplantation involviert ist, unterzeichnet werden. Der Spender hat zu jeder Zeit die Möglichkeit, seine Einwilligung zu widerrufen.

Die Kommissionen (§ 8 Abs. 3 TPG) Organspender und -empfänger müssen vor der Transplantation in eine ärztlich empfohlene Nachbetreuung einwilligen. Bei späterer Missachtung dieser Zusage gibt das Gesetz allerdings keine Konsequenzen vor. 173 Weiterhin darf gemäß § 8 Abs. 3 TPG eine Lebendspende nur nach voraus- gegangener gutachterlicher Stellungnahme einer Kommission durchgeführt werden. Dabei soll geprüft werden, ob es tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Spender die Einwilligung in die Organentnahme nicht freiwillig gegeben hat oder das Organ Gegenstand möglichen Organhandels ist. 174 Vorgabe zur Zusammensetzung der Kommission ist, dass ihr „ein Arzt, der weder an der Entnahme noch an der Übertragung von Organen beteiligt ist noch Weisungen eines Arztes untersteht, der an solchen Maßnahmen beteiligt

171 Schreiber (2005). 172 Biller-Andorno et al. (2001), S. 352; Ross und Woodle (1997). 173 Nickel et al. (2001), S. 113. 174 Dabei soll es keine positive Feststellung geben, sondern allein eine Prüfung auf mögliche Anhaltspunkte. Vgl. hierzu Esser (2003), S. 232. Kapitel 1: 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz 47

ist, eine Person mit Befähigung zum Richteramt und eine in psychologischen Fragen erfahrene Person“ angehören müssen (§ 8 Abs. 3 S. 2 TPG). Weitere Details zur Finanzierung, Zusammensetzung und zum Verfahrensab- lauf der Kommission werden durch die zuständigen Landesgesetze geregelt. Die Kommission spricht in ihrer Stellungnahme lediglich eine Empfehlung aus, die keinen verpflichtenden Charakter hat. Der explantierende Arzt hat durch das Kommissionsverfahren keine weiteren rechtlichen Sicherheiten, letztend- lich liegt die Entscheidung zur Transplantation bei ihm. Trotz eines positiven Votums kann der Arzt die Organentnahme unterlassen oder, falls ein negatives Votum der Kommission vorliegt, sie dennoch durchführen. Die Kommission besitzt kein Vetorecht. Sie bietet lediglich „zusätzliche verfahrensrechtliche Sicherheiten“ 175 , deshalb ist die Stellungnahme der Kommission auch rechtlich nicht angreifbar. 176 Kritiker des Kommissionsverfahrens befürchteten, dass sich die Schaffung der Kommissionen negativ auf das Arzt-Patienten-Verhältnis auswirken könne. Es wurde darauf hingewiesen, dass nicht zu hohe Erwartungen an die Effektivität der Kommissionsarbeit gestellt werden sollten, da sie nicht „mehr als offen- sichtliche Irrläufer“ herausfiltern könne 177 (zu der Arbeitsweise der Kommissionen s. Kapitel 2.3, S. 73). Dennoch bietet die interdisziplinäre Zusammensetzung der Prüfungsgruppe ein großes Maß an Objektivität, das wiederum den Spenderschutz fördern kann. 178

Sanktionen (§ 17-19 TPG) In Deutschland ist bisher nur ein möglicher Fall von Organhandel an einem Transplantationszentrum bekannt geworden. 179 Allerdings gibt es einige Meldungen über den Kauf von Nieren und die sich anschließende Operation im Ausland. 180

175 Wäre die Empfehlung der Kommission bindend, so hätten nach Meinung von Gutmann und Ugowski wesentlich höhere Anforderungen an ihre Zusammensetzung und Verfahren Anwendung finden müssen, da sie dann in die Grundrechte von Spender und Empfänger eingegriffen hätte. Vgl. hierzu Gutmann (1997); Ugowski (1998). 176 Nickel et al. (2001), S. 114. 177 Gutmann (1997), S.151. 178 Ugowski (1998), S. 124. 179 Deutscher Depeschendienst (2003). 180 Nickel et al. (2001), S. 207. Kapitel 1: 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz 48

Gemäß § 17 Absatz 1 Satz 1 ist es verboten, Organe, die für eine Heilbehand- lung vorgesehen sind, zum Kauf anzubieten oder zu kaufen. Kritisch diskutiert wird, dass durch diese Vorschrift sowohl Verkäufer als auch Käufer, Empfänger und transplantierender Arzt bei Missachtung nach § 18 Absatz 1 TPG bestraft werden können. 181 Der ausführende Transplantationschirurg kann demnach bestraft werden, wenn das von ihm verpflanzte Organ ohne sein Wissen vorher durch Organhandel erworben worden war. Allerdings ist die „Gewährung oder Annahme eines angemessenen Entgeltes“ nach § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 zulässig. Wie ein angemessenes Entgelt definiert wird, bleibt jedoch offen. 182 Ob darunter ein etwaiger Nachteilsersatz (Fahrt- kosten, Verdienstausfall etc.) für den Spender fällt und ob eine Berufsunfähig- keitsversicherung oder ein Zuwendungsversprechen (z.B. eine Einladung zum Essen, ein Erholungsaufenthalt) als Organhandel deklariert wird, ist Thema der juristischen Diskussion. Der Organspender darf durch die Explantation keine Besserstellung erreichen, obwohl der Empfänger durch das neue Organ an Lebensqualität gewinnt und dessen Krankenkasse Kosteneinsparungen durch den Wegfall der Dialyse hat. Hintergedanke dieser Einschränkung ist, dass der Gesetzgeber den Spender davor schützen will, sich nur aus Profitgründen von seinem Organ/-teil zu trennen. Auch die Beschränkung des Spenderkreises (§ 8 Abs. 2) zielt darauf ab, denn eine persönliche Nähebeziehung sei angeblich „weniger anfällig für Organhandel“. 183 Fraglich sind auch Situationen, in denen Dritte bevorteilt werden, z.B. ein Vater, der seine Niere gegen ein Entgelt spendet, das Geld aber nicht für sich behält, sondern damit das Studium seiner Tochter finanziert. 184 Nach herrschender Meinung bedeutet der Begriff Handeltreiben (§ 17 Abs. 1 S. 1) aber nicht, dass Leistung und Gegenleistung zugunsten des Handeltreibenden ausfallen müssen. 185 Gleichermaßen unbedeutsam ist es, ob Geld fließt oder die Gegenleistung in anderer Form erbracht wird.

181 Deutsch (1998), S. 782; Schroth (1997), S. 1152. 182 Zum Organhandelsverbot grundlegend siehe König (2000), S. 273 ff.; Schroth (2000), S. 256; Schroth (2003), S. 115 ff. 183 König (2000), S. 275. 184 Ebenda, S. 276. 185 Schroth (2000), S. 254. Kapitel 1: 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz 49

Ebenfalls Probleme wirft die Überkreuz-Spende 186 von Organen auf. Die nötigen rechtlichen Voraussetzungen für eine Lebendspende wie persönliche Verbundenheit und Ausschluss von Handel sind nicht unbedingt gegeben. Ein Kritikpunkt ist das Näheverhältnis zwischen den beiden Paaren, das sich nicht automatisch durch eine Schicksalsgemeinschaft ergibt, wie es bei zwei Paaren, die sich im Rahmen einer Überkreuz-Lebendspende persönlich kennen gelernt und angefreundet haben, vorliegen kann. 187 Jeder Arzt, der eine solche Überkreuz-Spende durchführt, setzt sich nach momentaner Rechtssprechung dem Risiko der Bestrafung aus. 188

Spender 1 Ehepaar 1 Empfänger 1 Blutgruppe A Blutgruppe B

Spender 2 Ehepaar 2 Empfänger 2 Blutgruppe B Blutgruppe A

Abbildung 2: Modell einer so genannten Cross-over-Lebendspende 189

Es ergeben sich allerdings weitere logistische Probleme, bspw. müssten die beiden erforderlichen Explantationen bei einer Überkreuz-Spende gleichzeitig durchgeführt werden, um auszuschließen, dass der zweite Spender seine Ein- willigung widerruft und der Partner des ersten Spenders somit evtl. kein Organ erhält. Eine psychologische Problematik entsteht, wenn ein Transplantat ver- sagt oder eine Operation misslingt, da dies immer Konsequenzen für vier Personen hätte.

1.4.5 Exkurs: Vergleich mit den DDR-Verordnungen In der ehemaligen DDR wurde die Entnahme von Organen seit 1975 durch zwei Verordnungen (VO) und eine Durchführungsbestimmung geregelt. 190

186 Eine Überkreuz-Spende (Cross-over-Spende) oder auch Ringtausch betrifft zwei (oder mehr) Paare, wobei jeweils ein Partner ein Organ benötigt und dessen gesunder Partner dieses spenden möchte, aber aufgrund einer medizinischen Konstellation, meist Blutgruppen-unverträglichkeit, dies nicht möglich ist. Deshalb suchen sich zwei Paare und tauschen das Organ sozusagen „über Kreuz“. Vgl. S. 44 und Abbildung 2. 187 Schroth (1999), S. 67. 188 Schroth (2004), S 469. 189 Abbildung nach Liefeldt (2005), S. 2040. Kapitel 1: 1.4 Das deutsche Transplantationsgesetz 50

Grundlage bei der Organentnahme nach dem Tod war die Widerspruchs- regelung, deshalb mussten die Angehörigen wegen einer Organentnahme weder befragt noch informiert werden. 191 Grundsätzlich galt für die Organ- transplantation das Subsidiaritätsprinzip. 192 Besonderes Augenmerk soll auf die Kodifizierung zur Lebendspende gerichtet werden, die im III. Abschnitt der DDR-VO geregelt war. Besonderheiten dieser Regelungen waren: 193

- Der generelle Ausschluss von ausländischen Staatsbürgern bei einer Lebendspende.

- Nur bei Volljährigen konnten Organe entnommen werden (§ 7 ).

- Eine definitive Entscheidung über die Lebendspende wurde erst durch ein Protokoll eines vorbestimmten Ärztekollektivs getroffen (§ 10).

- Die „Materielle Sicherstellung des Spenders“ wurde differenziert ge- regelt. 194 Wobei der Spender bestimmte Geldbeträge, z.B. Fahrtkosten, für den Zeitraum der ärztlichen Krankschreibung erstattet bekam. Im Falle eines durch die Organentnahme entstandenen Schadens hatte der Spender Anspruch gegenüber der staatlichen Versicherung. Falls sogar ein Arbeitsplatzwechsel vorzunehmen war, wurde dies auch geregelt. Nach der Wiedervereinigung galten die Bestimmungen zur Organentnahme in den neuen Bundesländern fort, wurden aber aufgrund von verfassungsrecht- lichen Bedenken nicht mehr angewandt. Am 01.12.1997 trat die DDR-VO außer Kraft und wurde von dem gesamtdeutschen TPG abgelöst.

190 „Verordnung über die Durchführung von Organtransplantationen“ vom 04.07.1975 (GBl. 1975 I Nr. 32, S. 597) und Verordnung vom 05.08.1987 (GBl. 1987 I Nr. 19, S. 199), sowie die Durchführungsbestimmung vom 19.03.1977 (GBl. I Nr. 13, S. 141). 191 Carstens (1978), S. 147. 192 Siehe § 1 DDR-VO, zitiert in Carstens (1978), S. 148. 193 Ugowski (1998), S. 20, 31 und 130. 194 Siehe § 11 der Zweiten VO von 1987, zitiert in Carstens (1978), S. 149. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 51

1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin Ein Ausdruck des Wunsches nach mehr Verfahrenssicherheit im Bereich der Lebendorganspende war bereits die Entwicklung des Transplantationskodexes (s.a. Kapitel 1.3.1, S.37). Die endgültige rechtliche Absicherung sollte durch das TPG geschaffen werden (s.a. Kapitel 1.4, S.41). Doch die zum Teil sehr wenig konkret formulierten rechtlichen Aussagen führten nicht zum erstrebten Ziel. Um Unklarheiten in der Transplantationspraxis zu minimieren, wurden von der Bundesärztekammer (BÄK) Richtlinien herausgegeben, wie sich Ärzte unter der neuen geltenden Gesetzeslage in der Praxis zu verhalten haben.

1.5.1 Empfehlungen der Bundesärztekammer zur Lebendspende Grundsätzlich sollte sich ein Arzt, der an Lebendorganspenden beteiligt ist, seiner besonderen Verantwortung bewusst sein, dass ein gesunder Mensch dem Risiko der Operation ausgesetzt wird und dies zugunsten eines Dritten geschieht. Diesen Grundgedanken drückte die BÄK in der Präambel zu ihren „Empfehlungen zur Lebendorganspende“ aus 195 . Weitere Ausführungen für die drei involvierten Parteien sind: Arzt Den gesetzlichen Erfordernissen entsprechend soll sich der betreuende Arzt insbesondere von der persönlichen Verbundenheit des Spenders und Empfän- gers sowie der Freiwilligkeit zur Organspende und der Unentgeltlichkeit über- zeugen. Er muss die zuständige Kommission mit allen notwendigen Informationen versorgen und das abschließende Gutachten in seine eigene Entscheidung mit einbeziehen. Weitere verbindliche Konsequenzen hat das Kommissions- gutachten nicht (s.a. S. 43 ff.). Besonders verantwortlich muss sich der Arzt bei der Evaluation des Spenders zeigen, der „nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die un- mittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt“ (§ 8 Abs. 1 TPG) werden darf. Das TPG lässt offen, was unter Beein- trächtigungen für die Gesundheit zu verstehen ist. Nach der WHO-Definition von Gesundheit, beinhaltet dieser Begriff körperliche, psychische und soziale

195 BÄK (2000), S. 3287. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 52

Faktoren. 196 Somit müsste der Arzt diese bei der Bewertung des „Gesundheits- zustandes“ des Spenders einbeziehen. Empfänger Grundsätzlich muss jeder Betroffene darüber aufgeklärt werden, dass alternativ die Möglichkeit einer Leichen- oder Lebendtransplantation besteht. Aufgrund der Subsidiarität der Lebendspende (s.a. S. 43 ff.) muss jeder Patient, der auf ein Organ wartet, auf der Warteliste für ein Leichentransplantat stehen, und bei Eurotransplant als „transplantabel“ gemeldet sein. Er erhält somit die Chance auf die Vermittlung eines postmortal gespendeten Organs. Zur Aufklärung des Empfängers gehört ausdrücklich die Darlegung der Gefährdung für den Spender. Der Empfänger muss sich insbesondere auch über die Risiken für den Organspender im Klaren sein. Spender Von der BÄK wurde neben der Auflistung der gesetzlichen Vorgaben (s.a. S. 43 ff.) v.a. die rückhaltlose Aufklärung des Spenders betont (s.a. Informed Consent S. 58). Im Rahmen der Voruntersuchungen muss unbedingt die Frage der versicherungsrechtlichen Absicherung des Spenders selbst geklärt werden (s.a. Kapitel 1.3.4, S.39). Der Arzt soll den Spender auf die zu jeder Zeit mögliche Widerrufung seiner Einwilligung in die Organexplantation hin- weisen.

1.5.2 Konfliktsituation: Lebendspende Eine Organ-Explantation durchzuführen widerspricht der fundamentalen Auf- gabe eines Arztes, nämlich seinem Patienten nicht zu schaden (s.a. 1.5.5, S. 55). Dies ist häufig die Begründung, warum Ärzte der Lebendspende skep- tisch gegenüber stehen. Die Problematik von Heilung des Empfängers auf der einen Seite und Gefährdung des Spenders, der im Endeffekt sein Organ oder ein Organteil „verliert“, auf der anderen ist die ethische Schlüsselfrage der Lebendspende. Wessen gesundheitliche Interessen soll der Arzt vornehmlich verfolgen: die des Spenders oder die des Empfängers? Beiden muss er schließlich gerecht werden.

196 Henne-Bruns (2000), S. 139. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 53

1.5.3 Fordert der medizinisch-technische Fortschritt eine neue Ethik? Die medizinische Entwicklung ist mit dem technischen Fortschritt eng ver- bunden. Die Grundlage der modernen Medizin ist eine Kombination aus bio- medizinischem Hintergrundwissen und der Erfindung neuer Technologien. 197 Die so neu entstandene Komplexität medizinischer Handlungsfelder geht mit einer Vielfalt an Entscheidungsmöglichkeiten und divergierenden Wertvor- stellungen einher. Am Beispiel der Transplantationsmedizin, die in den letzten 50 Jahren eine rasante Entwicklung erlebt hat, wird dies anhand neuer Therapien von früher zum Teil unheilbaren Erkrankungen deutlich. In der Ver- gangenheit wurden sie als Schicksal hingenommen, heute hat man teilweise neue Bewältigungsstrategien entwickelt. 198 Dieser medizinisch-technische Fortschritt, und hier insbesondere die Frage der Lebendspende, verlangt ein Überdenken der traditionellen (hippokratischen) Standesethik, um angemessene Hilfestellungen zu finden.

1.5.4 Medizin-ethische Kodizes Der hippokratische Eid 199 ist das älteste medizinisch standesrechtliche Regelwerk, das v.a. die soziale Zukunft der Ärzte und ihrer Nachkommen sichern sollte. Zentraler Gedanke war die Ausbildung eines medizinischen Ethos, einer Grundhaltung der Ärzteschaft zu Themen wie „Fürsorge, Wahr- haftigkeit, Verschwiegenheit und Glaubwürdigkeit“. 200 Diese Fähigkeiten sind in der Medizin unverzichtbar und heute wie damals relevant. 201 Auch wenn die Auslegung des Eides heute nicht als Grundsatz für Ärzte gelten kann, so werden bestimmte Auszüge immer wieder in die medizin-ethische Diskussion aufgenommen. Die bedeutendste Aussage dabei ist das Gebot der Schadens- vermeidung, das sich in der Haltung „primum nil nocere“ ausdrückt, vor allem nicht schaden (s.a. S. 55). 202

197 Irrgang (1995), S. 11 ff. 198 Krämer (1986), S. 62. 199 Abgedruckt in Wiesing (2000a), S. 26. 200 Irrgang (1995), S. 13. 201 Man geht allerdings davon aus, dass der hippokratische Eid anfänglich kaum Beachtung fand, da er Anforderungen an ein ärztliches Handeln stellte, das im antiken Griechenland nicht praktiziert wurde. Beispielsweise verbietet der Eid die Verabreichung von Giften an Patienten mit Todeswunsch oder zur Abtreibung. Vgl. hierzu Keyserlingk (1998), S. 161. 202 In der modernen Bioethik findet sich dieser Grundsatz als Prinzip des „nonmaleficence“ wieder. Vgl. hierzu Wiesing (2000a), S. 22. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 54

Für zahlreiche Ärzte ist dieser Schwur trotz vieler für die heutige Zeit un- akzeptabler Aussagen bindend. 203 Weltweit ist für die Ärzte das Genfer Ge- löbnis des Weltärztebundes von 1948 verbindlich, das als modernisierte Form des hippokratischen Eides gilt. 204 Es beinhaltet die wichtigsten moralischen Leitkonstanten der medizinischen Ethik – Schweigepflicht, Erhaltung des Lebens, Wohl des Patienten, Dankbarkeit gegenüber den Lehrern, Kollegialität. Das „Wertesystem ist deshalb so allgemein gefasst, damit es international und damit auch interkulturell sowie vor dem Hintergrund des Wertepluralismus in modernen Gesellschaften akzeptiert werden [kann]“. 205 Daraus folgt aber auch, dass nur orientierende Hilfen gegeben werden können und schwierige ethische Entscheidungen des ärztlichen Handelns ungeklärt bleiben. Die Aussagen des Genfer Gelöbnisses sind stark beeinflusst worden durch den vorangegangenen Nürnberger Ärzteprozess (1946/1947). Es war ein Versuch, die Medizinver- brechen des „Dritten Reiches“ aufzuarbeiten. Seitdem ist das Diskri- minierungsverbot in einem ärztlichen Gelöbnis zentral verankert: „I will not permit considerations of age, disease or disability, creed, ethnic origin, gender, nationality, political affiliation, race, sexual orientation, or social standing to intervene between my duty and my patient.” Nach den NS-Medizinverbrechen – Menschenversuche und „Euthanasie“- Programm – wurde die Wiederaufnahme der deutschen Ärzteschaft in die „World Medical Association“ (WMA) an die Anerkennung des Genfer Ärzte- gelöbnisses gebunden. Seit 1950 bildet das Gelöbnis in geringfügig geänderter Fassung die Präambel der von der Bundesärztekammer erarbeiteten Muster- berufsordnung. Alle Ärzte der Bundesrepublik Deutschland sind automatisch Mitglied einer Landesärztekammer. Bei Eintritt in diese wird das still- schweigende Einverständnis des Eides vorausgesetzt.206 Diese ärztliche Selbst- verpflichtung ist rechtlich bindend.

203 Es sei angemerkt, dass 1991 in den USA immer noch Medizinstudenten an 60 von 141 Universitäten auf den Eid des Hippokrates „vereidigt“ wurden. Siehe hierzu Keyserlingk (1998), S. 156. 204 Wiesing (2000a), S. 59. 205 Labisch et al. (2000), S. 354: „Ärztliche Selbstverpflichtungen [...] basieren zwar nicht allein auf dem Konzept des individuellen Gewissens, sondern beziehen sich teilweise auch auf Werte wie Benefizienz, Schadensvermeidung, Würde, Autonomie und Gerechtigkeit und somit auf weltweit in der ethischen Begründung beachtete Prinzipien.“ 206 Labisch und Paul (2000), S. 354. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 55

Das Genfer Ärztegelöbnis ist nur ein Beispiel für die vielen Eidesformeln und Deklarationen, die im letzten Jahrhundert aufgrund des schnellen Wissenszu- wachses in der Medizin entstanden sind. 207

1.5.5 Das „Primum nil nocere” im 21. Jahrhundert Das Gebot der Schadensvermeidung ist für die Medizin ein fundamentales Prinzip. Bedeutet dies nun, dass Lebendspenden generell moralisch nicht vertretbar sind? Für das Verständnis dieses ethischen Dilemmas ist es von Belang, sich die Pro- blematik zu verdeutlichen. Die klassische Arzt-Patienten-Beziehung ist bei der Lebendspende um eine dritte Person erweitert worden. 208 Die Organexplantat- ion beim Spender wäre nach alter Tradition klar ein Verstoß gegen das Gebot der Schadensvermeidung und auch gegen jegliche rechtliche Vorgabe. Schließ- lich wird ein gesunder Mensch durch die Organspende zum Patienten. Der Arzt hat somit die traditionelle Rolle des Heilers verlassen. Allerdings darf man die Arzt-Spender-Beziehung nicht aus dem Kontext der Dreierbeziehung (Arzt-Spender-Empfänger) nehmen. Dem Spender wird – Aufklärung, das informierte Einverständnis und die Freiwilligkeit vorausgesetzt – auf eigenen Wunsch ein Organ entnommen. Dies geschieht, um die gesundheitliche Situation des Empfängers zu verbessern. Es gilt hier, die Risiken für den Spender mit dem Gewinn für den Empfänger abzuwägen (s. hierzu Risiko- Nutzen-Abwägung, S. 60). Befürworter dieser Auslegung sehen hierin die größtmögliche Nutzenmaximierung. 209 Im Falle einer Lebendspende bedeutet dies, dass durch die Transplantation für Spender und Empfänger ein maximaler individueller Nutzen, in Form einer Verbesserung der Lebensqualität, erzielt werden kann (s.a. S.22). Gerade aber diese Dreierbeziehung wirft für den betreuenden Arzt weitere Probleme auf. Wie kann er erkennen, dass sich der Spender wirklich freiwillig entscheidet und nicht zur Spende gezwungen wird?

207 Weitere Beispiele sind der Nürnberger Kodex (1947), die Deklaration von Helsinki (1964), die Deklaration von Sydney (1968), die Bioethik-Konvention (1997); abgedruckt in Wiesing (2000a) und (2000b), Labisch und Paul (2000), S. 354, Vollmann (2000), S. 26 ff. 208 Birnbacher (2000), S. 22. 209 Gutmann (1998), S. 61. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 56

Die zentrale Voraussetzung für die Organspende ist der ausdrückliche Wunsch des Spenders. 210 Der Respekt vor der Person des Spenders und seiner Ent- scheidung wird in der ethischen Diskussion als Prinzip der Selbstbestimmung dargestellt. Dieser Grundsatz hat sich „zum obersten Prinzip medizinischer Ethik in der westlichen Welt erhoben. Diese Einstellung ist eine fundamentale Änderung in der Medizinethik gegenüber früheren Zeiten, in denen das Wohl des Patienten ausschließlich als das definiert wurde, was der Arzt als das Beste für seine Patienten erachtete.“ 211 Der im Eid des Hippokrates ausgedrückte Paternalismus 212 , dass der Arzt immer zum Wohle des Patienten entscheiden solle, steht somit im Gegensatz zu dem modernen Selbstbestimmungsrecht des Patienten, der für sich selbst das beste Wohl definieren soll. Diese neue Frei- heit des Patienten gerät bei der Frage nach der Freiwilligkeit allerdings an ihre Grenzen (s. hierzu auch S.100). Schroth beschreibt dies: „Es muss als das grundsätzliche Recht einer Person angesehen werden, jedenfalls wenn sie altruistisch handelt, über die Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität selbst zu bestimmen. Dies gilt vor allen Dingen dann, wenn die betreffende Person Beeinträchtigungen ihrer Körperintegrität treffen will, um für andere Personen Lebensgefahren zu beseitigen.“ 213 Dieser Paternalismus wird in der medizin-ethischen Debatte in einen „starken“ und einen „weichen“ eingeteilt. Beiden liegt der Grundsatz der Benefizienz zugrunde. Sie verdeutlichen das Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Paternalismus. 214 Ein „starker“ Paternalismus beschreibt das Hinwegsetzen des Arztes über den ein- deutig geäußerten Willen des Patienten. Beim „schwachen“ Paternalismus stellen die Willensäußerungen des Patienten fraglich autonome Entscheidungen dar. Beispielsweise findet sich dies bei demenzkranken Patienten, die schritt-

210 Gutmann und Land (1999), S. 516. Die medizin-ethischen Grundsätze der heutigen Zeit werden von Gutmann und Land folgendermaßen zusammengefasst: „[...] a) respect for persons, including their autonomous choices and actions; b) beneficence, including both the obligation to benefit others [...]; c) justice [...]; d) nonmaleficience (non nocere), the obligation to inflict no harm”. 211 Viefhues (1988). Zitiert nach Schutzeichel (2002), S. 99. 212 Paternalismus: Verfahren und Handlungen sind paternalistisch, wenn die Auto- ritätspersonen es ablehnen, nach dem Willen der Personen zu handeln, oder ihre Freiheit einschränken, oder versuchen, ihr Verhalten angeblich im besten Interesse des Empfängers zu beeinflussen. Siehe hierzu: Häyry (1998), S. 449. 213 Schroth (2003), S. 135. 214 Vollmann (2000), S. 100, zur Paternalismusproblematik vgl. Schroth (2003), S. 135 ff.; Gutmann (1999), S. 3387 ff. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 57

weise ihre Selbstbestimmungsfähigkeit verlieren. In der modernen Medizin wird meist ein schwacher „weicher“ Paternalismus angewendet, so dass der Arzt die Autonomie des Patienten respektiert und nur dann in dessen Ent- scheidungen eingreift, wenn medizinische Gründe oder der Verdacht der Un- freiwilligkeit vorliegen. 215 Als Beispiel sei die kosmetische Chirurgie erwähnt. Der Patient übt sein Selbstbestimmungsrecht aus, indem er über seinen eigenen Körper entscheidet und sich einer Operation zur Kaschierung der Alterser- scheinungen, Fettreduktion oder sonstigem unterzieht. 216 In unserer Gesellschaft werden weiterhin viele selbstbestimmte Risiken geduldet, wie z.B. Risikosportarten, Tabak- und Alkoholkonsum. 217 Demnach hat jeder Mensch das moralische Recht – nach Abwägung der Risiken und Reflexion seines Entschlusses – einer ihm nahestehenden Person ein Organ/-teil spenden zu dürfen. Voraussetzung für die Durchführung einer Lebendorganspende bleibt allerdings die Erfüllung der gesetzlichen und medi- zinischen Vorgaben (siehe auch S. 44 und S.15).

1.5.6 Arzt: Anwalt und Forscher Im Alltag erhalten die Patienten die Informationen zur Lebendspende von ihrem Arzt, ihren Bekannten, Selbsthilfegruppen oder aus dem Internet. Auch wenn autoritäre und paternalistische Strukturen in der Medizin verpönt sind, so sind sie doch noch in erheblichem Maße vorhanden. Aufgrund seiner Fach- kompetenz genießt der Arzt ein besonderes Ansehen und verkörpert eine Machtstellung gegenüber seinen Patienten. Es ist seine Aufgabe, Spender und Empfänger objektiv, frei von persönlicher Wertung, aufzuklären und ihnen die nötigen Informationen für eine autonome Entscheidung zu liefern. Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen eine Lebendspende darf er nicht ausüben.

Wenn sich seine Patienten für die Lebendspende entscheiden, muss der Arzt dies respektieren, sofern alle medizinischen und juristischen Voraussetzungen erfüllt sind (siehe auch S. 15 und S.44). Letztendlich müssen Spender und

215 Vgl. Gutmann und Land (1999), S. 517; Gutmann und Land benennen diese Unfreiwillig- keit des potenziellen Spenders als: „... incompetent or not adequately informed, when his/her judgement is impaired by an illness, or when she/he acts under coercion of a third party”. 216 Schutzeichel (2002), S. 98 ff. 217 Hoyer (2000), S. 219. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 58

Empfänger selbst abwägen, welche Risiken sie zur Erfüllung ihres Lebensplans bereit sind einzugehen. Diese Entscheidungsautonomie führt nicht dazu, dass der Arzt gleichsam zum „Handlanger“ seiner Patienten wird. 218 Sobald der Arzt die medizinischen und juristischen Voraussetzungen als nicht erfüllt ansieht, wird er einer Lebendspende nicht zustimmen und somit nicht dem Wunsch des Spenders folgen. In den USA hat das United Network for Organ Sharing (UNOS) festgelegt, dass: „[...] the autonomy of a transplant professional or group to decide the appropriateness of a given donor-recipient transplant, based on members` analysis of the potential risks and benefits, has equivalent or greater weight than that of the donor”. 219 Weiterhin hat ein Arzt bestimmte „Hintergrundmotive“, die ihn beeinflussen können. 220 Die geforderte Neutralität seinen Patienten gegenüber kann dadurch beeinträchtigt sein, dass Ärzte z.B. Ansehen, Einkommen und Einfluss an der Quantität der durchgeführten Lebendspenden messen. Sie können an der Fortentwicklung und Verbesserung der Lebendorganspende in ihrem Trans- plantationszentrum mitbeteiligt sein, um so wissenschaftliche Anerkennung zu . Ein Arzt in einer solch modernen Fachrichtung der Medizin muss sich seiner besonderen Stellung bewusst sein, dass er „Anwalt“ seiner Patienten ist und sie bestmöglich berät, aber zugleich auch „Forscher“ mit dem Interesse, die Ergebnisse der Transplantation zu verbessern. Damit er hierbei nicht in Gewissenskonflikte gerät, ist es wichtig, dass er regelmäßig seinen Standpunkt kritisch reflektiert und seine Arbeit eingehend am Stand der medizinischen Wissenschaft orientiert.

Informed consent Ein Patient kann sein Recht auf Selbstbestimmung nur wahrnehmen, wenn er vorher umfassend informiert wurde. 221 Aus diesem Recht ergibt sich die Pflicht des Arztes zur Aufklärung und Respektierung der Entscheidung des Patienten. 222 Grundvoraussetzung ist das Modell des „informed consent“ 223 , der informierten Einwilligung.

218 Gutmann und Schroth (2003), S. 277. 219 Zitiert in Gutmann et al. (1999), S. 517. 220 Henne-Bruns (2000), S. 143. 221 Groß (1982), S. 43. 222 Vollmann (2000), S. 38. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 59

Der Arzt übernimmt die Rolle eines Beraters, der den Patienten mit allen notwendigen Informationen über die Modalitäten des Eingriffes, mögliche Risiken, Vor- und Nachteile, alternative Therapiemöglichkeiten, deren Pro- gnosen und mögliche Nebenwirkungen versorgt. 224 Durch Abwägen seiner eigenen Wertvorstellungen, Überdenken der Gesamtbehandlung und der Folgen des Unterlassens soll der Patient selbst eine Entscheidung über die sich ihm bietenden Alternativen treffen. 225 Schließlich wird das von ihm ge- wünschte Vorgehen vom Arzt ausgeführt. Die juristisch geforderte Aufklärung und Einwilligung muss schriftlich dokumentiert und vom Patienten unter- zeichnet sein. Sie dient v.a. der rechtlichen Absicherung des Arztes. 226 Der Spender sollte außerdem die Möglichkeit haben, mit einem „donor advocate“ 227 , einem Ansprechpartner, der in keiner Weise im Zusammenhang mit der bevorstehenden Transplantation steht, über mögliche Zweifel und Ängste zu sprechen. Ihm muss bewusst sein, dass er jederzeit seine Einwill- ligung zurückziehen kann. Falls der Spender Bedenken hat, bei einer mög- lichen Ablehnung der Organspende von dem Empfänger oder seiner Familie geächtet oder bestraft zu werden, sollte das Transplantationsteam ihm ein medizinisches Alibi für den Rücktritt geben. Generell sollten Gespräche offen mit Spender und Empfänger geführt werden, denn sowohl der Spender als auch der Empfänger können Bedenken an der Organspende äußern. In der Praxis der Lebendorganspende ist eine solche Lüge gerechtfertigt und akzeptiert, da sie dem Spenderschutz dient 228 . Für den Fall, dass der Arzt im Gespräch nur den geringsten Zweifel an der Freiwilligkeit des Spenders entdeckt, sollte er sich die Möglichkeit offen halten, den Spender aufgrund einer (fiktiven) medizin- ischen Komplikation („wegen Bluthochdruck nicht geeignet“) von der Spende auszuschließen. 229

223 “Informed consent: The knowledgeable and voluntary agreement by a patient to undergo an intervention by health-care professional, one that is in accord with the patient´s values and preferences”, zitiert nach Moreno et al. (1998), S. 687 ff., Beauchamp und Childress (2001). 224 Alderson und Goodey (1998), S. 1313. 225 Irrgang (1995), S. 106. 226 Vollmann (2000), S. 40. 227 Caplan (1993), S. 1999. 228 Biller-Andorno und Schauenburg (2003), S. 30. 229 Hoyer (1995), S. 720. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 60

Die umfassende ärztliche Aufklärung dient dazu, dass der Spender vor zu schnellen Entscheidungen geschützt wird. 230 Schließlich soll er in einer auto- nomen Entscheidung eine Zustimmung oder Ablehnung zu einer Operation geben, die ihm selbst nicht als Heileingriff dient. Dem Spender muss deutlich geworden sein, dass möglicherweise sein verbleibendes Organ in seiner Funktion durch Erkrankung beeinträchtigt werden kann und er evtl. selbst eine Transplantation zu einem späteren Zeitpunkt benötigen könnte.

Risiko-Nutzen-Abwägung Wie bereits erwähnt beträgt das Mortalitätsrisiko eines Nieren-Lebendspenders ca. 0,03 % (s.a. S.18). Die Morbidität variiert von 1 bis 10 %. Mit anderen Worten heißt dies, dass von 10.000 Spendern drei sterben und bis zu 1.000 Spender Komplikationen erleiden können. Bei Leberspenden sind diese Zahlen höher. Die Differenz zwischen der Zahl der auf ein Organ wartenden Patienten und den postmortal gespendeten Organen wird immer größer. Allein dieser Hinter- grund reicht vielen als Rechtfertigungsgrund für das Inkaufnehmen eines Risikos für den Lebendspender aus. Sowohl der zuständige Arzt als auch der Spender und der Empfänger müssen bei der Lebendorganspende besonders sorgfältig zwischen Nutzen und Risiko abwägen. In der einmaligen Konstellation der Lebendspende steht für den behandelnden Arzt auf der einen Seite die Fürsorge für den Empfänger, aber gleichzeitig die Gefährdung des Spenders. Es ist also nicht wie sonst eine intra- individuelle, sondern eine inter-individuelle Einzelfall-Entscheidung zu treffen. 231 Im Grunde ist damit ein „Dienstleistungsverhältnis“ entstanden, in dem die Patienten „als Kunden auftreten und eventuelle Schäden am eigenen Leib in Kauf nehmen.“ 232 Eine Kosten-Nutzen-Bilanz des Eingriffs ist nicht ohne Beachtung der „individuellen, lebens- und beziehungsbezogenen Wertungen von Spender und Empfänger“ möglich. 233 Dies meint, dass auch nicht optimale Empfänger, bei denen die medizinischen Erfolgsaussichten nur einen begrenzten Nutzen

230 Ugowski (1998), S. 48. 231 Strik (2003), S. 683. 232 Schneider (2004). 233 Gutmann und Schroth (2003), S. 281. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 61

versprechen, moralisch und rechtlich zur Lebendspende zugelassen sind. Wenn man eine Mindesterfolgsdauer für Lebendspenden verlangen würde, wäre dies gleichzusetzen mit einer Verweigerung der Behandlung für „heilungsunwertes Leben“. 234 Gutmann nennt hierzu das Beispiel einer Ehefrau, die ihrem er- krankten Ehemann nicht mehr helfen dürfte, da sich dieses Vorgehen unter Gesichtspunkten der Qualitätssicherung nicht mehr „lohnen“ würde. Es gilt dabei die Autonomie des Spenders zu respektieren (s. a. S.55). Dennoch bleibt der zentrale ethische Konflikt für den Arzt bestehen: „Das Recht auf freie Willensentscheidung in moralischen und gesundheitlichen Angelegenheiten (die Autonomie des Spenders) einerseits, und die ethischen Verpflichtungen des Arztes, dem Patienten zu helfen und nicht zu schaden (seine Verantwortung) andererseits“. 235 Der therapeutische Nutzen liegt deut- lich auf der Seite des Empfängers. Der Nutzen des Spenders wird meist durch seine altruistische Grundeinstellung begründet. 236 In der sozialpsychologischen Forschung finden sich je nach Ausgangstheorie verschiedene Anwendungen des Begriffes Altruismus: „z.B. Hilfeleistung als Folge der Beachtung sozialer Normen, Hilfeleistung als Resultat einer Kosten-Nutzen-Analyse, Hilfeleistung als Versuch, Konsistenz zwischen Einstellungen und Verhalten zu sichern sowie Helfen als Problemlöseprozeß.“ 237 Die überzeichnete Bedeutung des Begriffes „Altruismus“ in der Lebendorganspende ist allerdings auch ein Kritikpunkt. Schließlich würde so suggeriert, dass der Spender „nur oder vorrangig das Wohl des Empfängers im Sinn habe.“ 238 Als Maßstäbe für die altruistische Motivation des Lebendspenders werden die Uneigennützigkeit und Freiwilligkeit der Spende angesehen. Es ist aber davon auszugehen, dass das Interesse am besseren Weiterleben des Empfängers durch die Organ- transplantation nicht völlig uneigennützig ist. Der Spender handelt, indem er sein eigenes Bedürfnis mit Hilfsbereitschaft kombiniert. Als Beispiel sei ein Ehepartner genannt, der hofft, nach der Lebendspende mit dem erkrankten Partner wieder ein schöneres Leben führen zu können. Langfristig gesehen ist

234 Gutmann und Schroth (2003), S. 281. 235 Reiter-Theil (1999), S. 140. 236 Altruismus beschreibt die innere Geneigtheit und Bereitschaft, andere zu fördern. Definition aus: dtv-Lexikon (1980), Stichwort: Altruismus, S. 116. 237 Reiter-Theil (1999), S. 145. 238 Ebenda. Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 62

der wichtigste Effekt einer Lebendspende die Steigerung des Selbstwertgefühls des Spenders, unabhängig davon, ob die Transplantation erfolgreich verläuft oder nicht. 239

1.5.7 Modelle einer Ausweitung der Organspende Aufgrund dieses Ergebnisses müssten anonyme Spenden in einen Organpool zulässig sein „[...] because a stranger may genuinely want to repay a debt to humankind and relatives` motives for donation may not be altruistic.” 240 Kaplan beschreibt weiter, dass Fremde als Organspender zugelassen werden sollten, wenn sichergestellt ist, dass sie anonym bleiben. 241 Dies wäre durch ein Lebendspenderegister gesichert, das die Organe dann nach dem Prinzip „best match [...] most urgent need“ zuteilen sollte. 242 Die Zurückhaltung, diese Erweiterung des Spenderkreises vorzunehmen, wird durch die Angst vor Organhandel begründet. Die Idee des „rewarded gifting“ sieht es vor, den anonymen Spender für seine in Kauf genommene Beeinträchtigung zu entschädigen. Als Modell dient die Entschädigung der Spender von Blut- und Blutbestandteilen. Kritiker warnen vor einer gewissen Reduktion des menschlichen Körpers auf ein Ersatz- teillager. Durch die Verdinglichung des Lebens könnte ein gesellschaftliches Spannungsfeld entstehen: Auf der einen Seite stehen die Empfänger, die bereit sind, Geld für das begehrte Gut „Organ“ zu zahlen, auf der anderen Seite stehen die Spender, die so einen Ausweg aus ihrer Misere erlangen wollen. 243 Neben der medizinischen Abwägung muss der Arzt deshalb auch auf die Ge- setzeskonformität und die ethischen Aspekte achten. Schwierig wird es in der Praxis, wenn bei einem möglichen Spender während der Voruntersuchung medizinische Kontraindikationen entdeckt werden, wie z.B. eine Koronar- sklerose, ein latenter Diabetes mellitus etc. Wenn es möglich ist, muss die

239 Schneewind (2003), S. 229. 240 Kaplan und Polise (2000), S. 518. 241 Der Autor vergleicht die anonyme, selbstlose Nierenlebendspende mit der anerkannten Praxis der Blut- und Knochenmarkspende. 242 Kaplan und Polise (2000), S. 521. 243 Kimbrell (1994), S. 37 ff. Der Autor nennt zahlreiche Beispiele für die Vermarktung des Körpers: „Ein Amerikaner aus Georgia, der einen Schnellimbiss kaufen wollte, [bot] eine seiner Nieren für 25.000 Dollar zum Verkauf an. Andere Leute aus demselben Bundesstaat hatten wesentlich geringere Summen verlangt, in einem Fall nur 5.000 Dollar“. Ähnlich ein Fall aus Deutschland: 2001 hatte ein Monteur eine seiner Nieren in einem Internet- Auktionshaus für ein Mindestgebot von 130.000 Mark zum Verkauf angeboten. Er wurde mit Haft- und Geldstrafe belangt. Siehe: Associated Press (2003). Kapitel 1: 1.5 Konsequenzen und Kritikpunkte des TPG in der Medizin 63

Transplantation zurückgestellt werden, bis der Risikofaktor behandelt wurde oder aber der Spender muss aufgrund des erhöhten Risikos generell von einer Lebendspende ausgeschlossen werden. 244 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass weltweit v.a. drei Verfahren vorge- schlagen und kritisch diskutiert werden: Die Schaffung eines kontrollierten Organmarktes durch finanzielle Anreize für Spender, die anonyme Lebend- organspende in einen Organpool und die Cross-over-Spende.245

244 Kirste (2002), S. 769. 245 Strik (2003), Illies und Weber (2004), Rittner und Paul (2005). Kapitel 1: 1.6 Die Lebendspendekommissionen 64

1.6 Die Lebendspendekommissionen

1.6.1 Gesetzliche Vorgaben Der Gesetzgeber hat den Bundesländern den Auftrag erteilt, die gesetzlichen Vorgaben des § 8 Abs. 3 S 2 und 3 des TPG (s.a. S. 44) zu erfüllen. Laut § 26 TPG mussten die Ausführungen dieser Vorschriften am 01.12.1999 in Kraft treten. Die Länder sind diesem Regelungsauftrag in unterschiedlicher Weise nach- gekommen. In sechs Bundesländern wurden die landesgesetzlichen Regel- ungen in bestehende Gesetze integriert 246 sechs weitere Länder haben Ausführungsgesetze geschaffen 247 und vier Länder Verordnungen erlassen. 248 Die Regelungen ordnen allesamt die Errichtung der Lebendspendekommis- sionen dem Aufgabenbereich der Landesärztekammern zu. Meist ist pro Bundesland eine Kommission zuständig. Ausnahmen sind Baden-Württem- berg, wo sich in jedem der vier Regierungsbezirke eine Kommission befindet und Bayern, das an jedem der sechs Transplantationszentren eine eigene Kommission etabliert hat. Berlin und Brandenburg haben eine gemeinsame Kommission mit Sitz bei der ÄK Berlin gegründet. Insgesamt gibt es somit bundesweit 23 Lebendspendekommissionen (LSK). 249 Die Zusammensetzung Bei der Mitglieder-Zusammensetzung haben alle Landesregelungen mehr oder weniger den Gesetzeswortlaut wiedergegeben. Die Aussage des TPG, eine Person müsse in psychologischen Fragen erfahren sein, deutet in keiner Weise darauf hin, welchen Beruf die entsprechende Person ausüben muss. Lediglich drei Bundesländer haben diese Vorgabe näher definiert. 250 Im AG-TPG Meck- lenburg-Vorpommerns findet sich bspw. die Aussage: „[...] eine Person mit ausgewiesener Qualifikation als Dipl. Psychologe oder als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder für Neurologie und Psychiatrie oder als Psychologischer Psychotherapeut [...]“. Eine weitere Besonderheit findet sich

246 Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Thüringen. 247 Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland . 248 Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. 249 Stand Dezember 2004. 250 Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Bayern; vgl. hierzu: Esser (2003), S. 35. Kapitel 1: 1.6 Die Lebendspendekommissionen 65 in Bayern und Berlin, die für alle Mitglieder vorschreibt, dass keiner von ihnen Weisungen eines Arztes unterstehen darf, der an Transplantationen beteiligt ist. 251 Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Mitgliedern wird im Ausführungs- gesetz von Bremen noch bestimmt, dass ein sogenannter „Patientenvertreter“ mit einbezogen wird. 252 In Bremen gibt es somit vier Mitglieder, in den übrigen Kommissionen ist die Mitgliederzahl auf drei beschränkt. Als Besonderheit ist in Nordrhein-Westfalen gesetzlich festgeschrieben, dass mindestens eine Frau Mitglied der Kommission sein muss. 253 Für die meisten Kommissionen werden die Mitglieder auf fünf Jahre be- rufen, 254 in einigen auf vier 255 und in Hessen nur auf drei. Die relativ lange Mitgliedschaft soll der Kontinuität der Arbeit der Kommissionen dienen. 256 In vier Ausführungen finden sich Vorschriften für den Vorsitz. Der Vorstand der Landesärztekammer (LÄK) Baden-Württemberg bestimmt den Vorsitz ihrer Kommissionen, in Berlin/Brandenburg bestimmen ihn die Mitglieder selbst. In Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen führt immer automatisch die Person mit Befähigung zum Richteramt den Vorsitz. Die Finanzierung Jedes Kommissionsmitglied bekommt eine angemessene Aufwandsentschädi- gung. Diese wird erst von der jeweiligen LÄK gezahlt, die das Geld von den beauftragenden Transplantationszentren erhalten, die wiederum den Betrag von der Versicherung des Organempfängers erstattet bekommen. 257 Entscheidend ist, dass die Bezahlung erfolgt, sobald ein Gutachten erstellt ist, unabhängig vom Inhalt des Votums der Kommission. Damit soll verhindert werden, dass Prämien für ein positives Votum gezahlt werden. Die Unabhängigkeit der Kommission wird zusätzlich dadurch bekräftigt, dass sie ihr Beratungsgeld auch bei Nicht-Realisierung der Transplantation erstattet bekommt. 258

251 Fateh-Moghadam (2003), S. 248. 252 § 11 b Abs. 2 Nr. 4 Heilberufgesetz vom 05.01.2000. 253 § 1 Abs. 2 S. 2 AG-TPG-NW vom 09.11.1999; vgl. hier die Ergebnisse der Befragung siehe S. 77. 254 Baden-Württemberg, Berlin/Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz, Saarland und Thüringen. 255 Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. 256 Vgl. dazu die Gesetzesausführungen von Bremen und Bayern. 257 Siehe ausführlich hierzu Fateh-Moghadam (2003), S. 248. 258 Fateh-Moghadam (2003), S. 248. Kapitel 1: 1.6 Die Lebendspendekommissionen 66

Das Antragsverfahren Die Kommissionen werden auf schriftlichen Antrag des jeweiligen Trans- plantationszentrums tätig. In einigen Ländern 259 liegen spezielle Angaben vor, welche zusätzlichen Dokumente mit dem Antrag eingereicht werden müssen. Dazu gehören bspw. der Nachweis der Volljährigkeit des Spenders, die Doku- mentation von Aufklärung und Einwilligung des Spenders, die ärztliche Beur- teilung, ob die Organübertragung erfolgversprechend ist, eine psycho- somatische und psychosoziale Evaluation von Spender und Empfänger sowie eine Sozialanamnese mit Nachweis der besonderen Verbundenheit von Spender und Empfänger. Es wird in der Literatur kritisch bemerkt, dass diese Kommissionen anscheinend ihren eigentlichen Auftrag überschreiten, die Freiwilligkeit des Spenders und einen möglichen Verstoß gegen das Organhandelsverbot zu prüfen. 260 Jedoch findet sich bei den übrigen Bundes- ländern keine Definition der dem Antrag beizulegenden Unterlagen (s. hierzu 3.2, S. 126). Die Verfahrensregelung In allen Bundesländern finden die Kommissionssitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Anhörung des Spenders ist in sechs Bundesländern obligatorisch, 261 in den übrigen Ländern ist die Anhörung als so genannte „Soll-Vorschrift“ vorgesehen. Hingegen ist die Anhörung des Organ- empfängers in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich geregelt. Nur in Bayern gibt es eine vorgeschriebene Anhörung, in vier Ländern findet sich eine Soll-Regelung. 262 Wiederum in vier Ländern wurde die Anhörung als „Kann- Regelung“ ins Ermessen der Kommission gestellt. 263 Die unterschiedliche Handhabung der Befragung des Empfängers wird damit begründet, dass die betreffende Person häufig gesundheitlich so beeinträchtigt sei, dass für sie durch eine Anhörung zusätzliche Probleme entstehen können. 264 Neben weiteren diesbezüglichen Sonderregelungen 265 kann davon ausgegangen

259 Berlin, Hamburg, Nordrhein- Westfalen und z.T. auch Thüringen. 260 Fateh-Moghadam (2003), S. 249; siehe hierzu Ergebnisse der Befragung Kapitel 2.3, S. 73. 261 Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. 262 Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. 263 Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 264 Esser (2003), S. 240. 265 In Baden-Württemberg ist es dem Empfänger gestattet, bei der Anhörung anwesend zu sein; in Berlin, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern bedarf es einer Begründung für die Kapitel 1: 1.6 Die Lebendspendekommissionen 67 werden, dass dieses vielfältige Bild der Verfahrensregelung zur Anhörung des Empfängers auf der unklaren Formulierung des TPG basiert. 266 Grundlegende Bedeutung wird dabei der Auslegung des Wortlautes „Einwilligung in die Organspende“ beigemessen, da hierunter sowohl die Einwilligung des Spenders als auch die des Empfängers gesehen werden kann. 267 Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit auch die wirksame Einwilligung des Empfängers zu überprüfen (s. hierzu 3.6, S.136). Das TPG sieht keinen Verzicht des Kommissionsgutachtens in besonderen Situationen vor, bspw. in dringlichen Fällen, in denen Notoperationen lebensrettend sind. Einige Bundesländer haben diese Konstellation in ihren Gesetzen beachtet. 268 Bundesweit einheitlich findet sich die generelle Möglichkeit der Befragung von Zeugen und Sachverständigen. Außerdem wird eine Niederschrift des Sitzungsverlaufes bundesweit verlangt. Fast alle Kommissionen treffen ihre Entscheidungen durch Stimmenmehrheit. Als Ausnahmen sind hier Berlin, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern zu nennen. Erstgenannte Kommission hat ein einstimmiges Votum abzugeben und in den letzten beiden können die überstimmten Mitglieder eine schriftliche Stellungnahme zur ihrer Einschätzung abgeben. Im Ganzen lässt sich feststellen, dass sich die Regelungen der einzelnen Länder überwiegend ähneln. Nur in einigen Punkten – Anhörung des Empfängers, zusätzlich geforderte Dokumente, gesetzlich bestimmter Vorsitz, zusätzliche Mitglieder – gibt es z.T. erhebliche Abweichungen (s. hierzu Ergebnisse in Kapitel 2.3, S. 73ff.).

Anhörung des Empfängers; in Hamburg findet die Anhörung des Empfängers keine Erwähnung 266 Fateh-Moghadam (2003), S. 250. 267 Ebenda, S. 250. 268 Dies geschah in Form von möglichen Eiltreffen der Kommission (Hamburg), der Übertragung der Gutachteraufgaben an ein einzelnes Mitglied (Rheinland-Pfalz) oder die Entscheidung nach Aktenlage in Notfallsituationen (Hessen). Kapitel 1: 1.6 Die Lebendspendekommissionen 68

1.6.2 Ziel Die gesetzliche Forderung von Lebendspende-Kommissionen ist mit der Zielsetzung einer zusätzlichen verfahrensrechtlichen Sicherheit begründet worden (s.a. Kapitel 1.4.2, S. 42). 269 Der geforderte Auftrag dient „der Wahrung und Überprüfung der Freiwilligkeit der Organspende und dem Ausschluss einer kommerziellen Spende“. 270 In den Ausführungsgesetzen der Länder finden sich erhebliche Unterschiede in der Auslegung einer Durchführung der gutachtlichen Stellungnahme nach § 8 Abs. 3 S. 2 TPG. Der genaue Prüfungsgegenstand wird sehr uneinheitlich behandelt, ebenso die notwendigen materiellen Verfahren, um den Gesetzesauftrag zu erfüllen. 271

269 Gutmann (1997), S. 151. 270 Nickel et al. (2001), S. 113. 271 Fateh-Moghadam (2003), S. 251 und Ergebnisse in Kapitel 2.3, S. 73ff. 2

Empirische Analysen zur Arbeit der Lebendspendekommissionen: Methoden, Materialien und Ergebnisse Kapitel 2: 2.1 Motivation zur Fragestellung 70

2.1 Motivation zur Fragestellung

2.1.1 Aktualität des Themas Aus der enormen Entwicklung der Lebendorganspende in den letzten Jahr- zehnten und der Präsenz des Themas in den Medien 272 ergibt sich die Frage, wie die Praxis der Lebendspende in Deutschland gehandhabt wird. Die wachsende Zahl von beratenden Kommissionen könnte in Deutschland bereits kritisch als „Kommissionitis“ bezeichnet werden. Im Zusammenhang mit der Organtransplantation entwickelte sich die relativ junge Form der Lebendspendekommissionen. Neben einer Evaluation der Arbeitsweise und des Aufbaus dieser Gremien soll v.a. das ethische Selbstverständnis der LSKen betrachtet werden. Auf welchen Grundlagen üben sie ihre Tätigkeit aus, wie verhalten sich Anspruch und Wirklichkeit ihrer Arbeit zueinander?

2.1.2 Konkrete Fragestellung Ein ethischer Diskurs der Struktur und Arbeitsweise der deutschen Lebendspendekommissionen erfolgt anhand von Ergebnissen einer bundes- weiten Befragung der Kommissionen.

272 Siehe bspw. Sahm (2003); Horn (2003); Blech und Grossbongardt (2003); Deutsche Presse Agentur (2003); Feyerabend und Fittkau. (2002); Siegmund-Schultze (2003), Friedlaender (2002), Vermot-Mangold (2003). Kapitel 2: 2.2 Methoden und Materialien 71

2.2 Methoden und Materialien

2.2.1 Entwicklung des Forschungsschwerpunktes Es existiert eine Fülle an Literatur bezüglich der Organtransplantation und ihrer medizinischen Entwicklung, der einhergehenden ethischen Diskussionen und der gesellschaftlichen Folgeprobleme. Im Bereich der Lebendorganspende ergaben sich durch das TPG eine Reihe von neuen gesetzlichen Vorgaben. Die Lebendspendekommissionen sind eine weltweit einmalige Institution. Zum Zeitpunkt der Entwicklung des Forschungsthemas lagen noch keine Daten oder Erkenntnisse über die Zusammensetzung, die Arbeitsweise oder die Selbsteinschätzung dieser jungen Kommissionsform vor. Das Interesse, diese neuen deutschen Gremien einer Evaluation zu unterziehen, begründete sich nicht zuletzt durch den Prüfauftrag, den diese laut TPG zu erfüllen haben. Wie führen die LSK die Begutachtung der Freiwilligkeit des Spenders und den Ausschluss möglichen Organhandels durch? Welche Grundlagen haben sie, um ihre Tätigkeit auszuüben und wie verhalten sich Anspruch und Wirklichkeit der Kommissionsarbeit zueinander?

2.2.2 Informationssammlung Die Identifizierung der bundesdeutschen Kommissionen stand am Anfang der Arbeit, um anschließend die Analyse durchführen zu können. Durch Re- cherchen im Internet und Gespräche mit den Landesärztekammern konnten Ansprechpartner in der Geschäftsführung der LSK bzw. direkt die Vor- sitzenden lokalisiert werden. Es zeigte sich, dass ein Teil der LSK ihren Sitz bei den Landesärztekammern hat, und einige direkt an den Trans- plantationszentren ansässig sind. Eine Liste der Adressen findet sich im Anhang.

2.2.3 Entwicklung des Fragebogens Es wurde ein Fragebogen entwickelt, der allen Lebendspendekommissionen vorgelegt werden sollte. In einem Pre-Test wurde dieser Fragenkatalog von den Mitgliedern der Niedersächsischen LSK ausgefüllt und anschließend modi- fiziert. Der Aufbau ist dreiteilig: 1.) Fragen zur Kommission, 2.) zum Begut- achtungsverfahren und 3.) zur Selbsteinschätzung der Arbeit der LSK. Der endgültige Fragebogen ist im Anhang abgedruckt. Kapitel 2: 2.2 Methoden und Materialien 72

2.2.4 Untersuchungszeitraum Die Fragebögen wurden im April 2003 an alle 23 Kommissionen verschickt. Im Anschreiben wurde darum gebeten, dass die Vorsitzenden die Bearbeitung übernehmen sollten. Außerdem wurde ihnen Anonymität und Vertraulichkeit zugesichert. Die Datenerhebung konnte 2004 abgeschlossen werden.

2.2.5 Sichtung der Materialien Nach der ersten Durchsicht der zurückgesandten Fragebögen zeigte sich ein hohes Interesse der Kommissionsmitglieder an den Ergebnissen der Studie. Durch Begleitschreiben der Vorsitzenden war es in einigen Fällen möglich, telefonisch Nachfragen zu unklaren Antworten oder nicht ausgefüllten Feldern zu stellen. Bei Abschluss der Datenerhebung betrug der Rücklauf der Antworten 100%.

2.2.6 Auswertung Angesichts der kleinen Fallzahl wurden die Daten mit dem Computer- programm MS-Excel ausgewertet. Auf eine Reflexion der Ergebnisse im Rahmen der internationalen und nationalen Studien zur empirischen Medizinethik wurde absichtlich verzichtet, um v.a. die klinische Relevanz der erhobenen empirischen Daten zur Arbeit der Lebendspendekommissionen in Deutschland heraus zu arbeiten. 273

273 Für weitere Details zur empirischen Medizinethik siehe Reiter-Theil und Hiddemann (2000), Goldenberg (2005), Borry et al. (2005), Borry et al. (2004), Borry (2005) Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 73

2.3 Ergebnisse der Befragung der Lebendspendekommissionen Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt. 274

2.3.1 Rücklauf der Fragebögen Zum Zeitpunkt der Befragung existierten in Deutschland 23 Lebendspende- Kommissionen (LSK). Die Rücklaufquote der Fragebögen betrug 100 %. Eine Kommission war gerade neu gegründet worden und konnte daher nur die Fragen zur Zusammensetzung der Kommission im Abschnitt I. beantworten. Eine weitere Kommission hatte das Ausfüllen des Fragebogens mit dem Hinweis des entstehenden Arbeitsaufwandes abgelehnt, aber Tätigkeitsberichte zur Verfügung gestellt, so dass ein Teil der Antworten aus den Berichten erschlossen werden konnte. Die beiden nordrhein-westfälischen Kommissionen wurden zusammengefasst, da sie zentral von einer Geschäftsstelle geführt werden. Es war darum gebeten worden, die Fragebögen durch die Vorsitzenden der einzelnen Kommissionen ausfüllen zu lassen. Die Befragung wurde anonym durchgeführt. Viele Kommissionen antworteten allerdings mit einem persönlichem Anschreiben, in dem sie ihr Interesse an einer solchen Datenerhebung bekundeten und noch Ergänzungen zu ihren Antworten machten. Hierbei zeigte sich, dass die Vorsitzenden in der Mehrzahl die Beantwortung der Bögen durchgeführt hatten. Die Ergebnisse werden im Folgendem anonym entsprechend dem Aufbau des Fragebogens aufgelistet. Wenn nicht extra angegeben, beziehen sich die Angaben auf alle 23 Kommissionen. Durch Auf- und Abrundungen können die Prozentangaben von 100 % abweichen.

274 Eine Veröffentlichung der Ergebnisse findet sich bei Sievers und Neitzke (2006), Neitzke und Sievers (2007). Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 74

2.3.2 Struktur und Arbeitsweise der Kommissionen Im ersten Abschnitt des Fragebogens wurde nach der Struktur und der Vorgehensweise der Kommission gefragt.

2.3.2.1 Geschäftsordnung In der ersten Frage wurde nach einer speziellen Geschäftsordnung (GO) gefragt, nach der die Kommissionen arbeiten. Die Geschäftsordnung umfasst laut Definition den förmlichen Geschäftsgang, d.h. das Verfahren, nach dem ein Parlament kommunaler Vertretung, eine Regierung, Behörde oder ein sonstiges Gremium die zugewiesenen Aufgaben zu erledigen hat. 275 Der Gesetzgeber hat im TPG mit § 8 Abs. 3 Satz 4 die näheren Regelungen zur Kommissionsarbeit und Zusammensetzung an die Landesregierungen delegiert. Die 16 bundesdeutschen Landesregierungen haben jeweils ein Ausführungsgesetz (AG) zum TPG verabschiedet; die einzelnen Gesetze unterscheiden sich inhaltlich z.T. erheblich. Einige Länder beauftragen in diesen AG ihre jeweilige LÄK mit der Erstellung einer Satzung für ihre Lebendspendekommission. Die Tätigkeit der Lebendspendekommission erfolgt nach dieser Satzung, so z.B. in Baden-Württemberg oder Berlin/Brandenburg. Andere Länder, bspw. Bremen oder Hessen, übergehen in ihren AG die LÄK und beauftragen direkt die Lebendspendekommissionen, sich eine Ge- schäftsordnung zu geben. Im AG Hamburgs wird sowohl die LÄK ange- sprochen, zur Errichtung der Kommission eine Satzung zu erstellen, als auch die Lebendspendekommission selbst, sich eine Geschäftsordnung zu geben. Eine vierte Variante findet sich im bayrischen AG. Dort wird der LÄK die Möglichkeit eingeräumt, ihren Lebendspendekommissionen eine Geschäftsordnung zu geben.

Die Kommissionstätigkeit ist unterschiedlich geregelt: Sieben LSK beziehen sich auf eine GO, fünf Kommissionen arbeiten gemäß der Satzung, die ihnen durch die LÄK gegeben wurde, ein Gremium handelt nach einem Erlass des betreffenden Ministeriums. Vier Kommissionen haben keine Richtlinien in Form einer GO oder Satzung vorliegen. Die sechs bayrischen Kommissionen

275 Weber (2000) Rechtswörterbuch Stichwort: Geschäftsordnung. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 75 arbeiten mittlerweile auch nach einer GO, die ihnen im Jahr 2001 durch die LÄK gegeben worden ist.

In vielen Ausführungsgesetzen (AG) der bundesdeutschen Landesregierungen findet sich der Satz: „Die Kommission kann sich eine Geschäftsordnung geben“. Diese Aussage findet sich u.a. auch im AG von Rheinland-Pfalz. Auf eine Anfrage des Bundesverbandes der Organtransplantierten (BDO) an die LÄK Rheinland-Pfalz wurde mitgeteilt, „[...] dass die Kommission keine Geschäftsordnung erlassen hat, da die Auslegung im Gesetzestext lediglich eine „Kann-Bestimmung“ darstellt.“ Dies bedeutet, dass einige Kommissionen die Möglichkeit nicht realisiert haben, sich selbst eine Geschäftsordnung zu geben. Es bleibt anzunehmen, dass sich diese Prüfungsgruppen an das AG ihres Bundeslandes halten. Im Fall von Rheinland-Pfalz ist das AG-TPG sehr ausführlich.

Vier Kommissionen haben ihre GO dem Antwortschreiben beigefügt. Dabei zeigte der inhaltliche Vergleich dieser vier Regelwerke, die jeweils von den LÄK erlassen worden sind, ein ähnliches Spektrum an Ordnungsthemen, doch teilweise mit erheblicher Diskrepanz in der Genauigkeit der Aufgabenbe- schreibung. Die Aufgaben der Kommissionen werden in drei GO lediglich mit dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 TPG beschrieben. Die vierte GO enthält keine Aussage zur Aufgabe der LSK. Somit liegt die Vermutung nahe, dass die Interpretation der im TPG beschriebenen Aufgaben der Kommissionen sich nach ihrem Selbstverständnis richtet. In allen vier GO wird Näheres zum Antrag auf Lebendorganspende geregelt. In diesen wird übereinstimmend ein schriftlicher Antrag auf Lebendorganspende vom zuständigen Transplantationszentrum in deutscher Sprache gefordert. Auch der Nachweis von Spenderpersonalien, einer Sozialanamnese, psycho- logischer Evaluation und der medizinischen Begründung werden genannt. In zwei GO werden Stellungnahmen dazu verlangt „ob die Person nach ärztlicher Beurteilung als Organspender/in geeignet ist und voraussichtlich nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt wird.“ Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 76

Sowie die Aussage, ob die „Übertragung des Organs auf die vorgesehene Empfängerin oder den vorgesehenen Empfänger nach ärztlicher Beurteilung geeignet ist, das Leben dieses Menschen zu erhalten oder bei ihr bzw. ihm eine schwerwiegende Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Beschwerden zu lindern.“ Auffallend an diesen dem Antrag beizulegenden Unterlagen ist, dass sie sich auf rein medizinische Einschätzungen beziehen. Es ist die Aufgabe der zuständigen Ärzte, Kosten, Nutzen und Risiken der Lebendspende zu beurteilen und nicht die der LSK. Aufgrund der medizinischen Stellungnahmen ergeben sich keine für die Aufgabe der LSK wichtigen Anhaltspunkte bzgl. Freiwilligkeit und möglichen Organhandels. Gerade das Antragsverfahren zeigt eine erhebliche Heterogenität der zusätzlich zum schriftlichen Antrag beizufügenden Dokumente (s. hierzu auch Kapitel 2.3.3, S. 91). Weiterhin beziehen sich alle GO auf die Sitzungen der Kommissionen und ihren Ablauf. Die Anhörung des Spenders und ggf. auch des Empfängers wird nur in einer GO explizit gefordert. In einer weiteren GO findet sich die Aussage, dass sich die Kommission „auf geeignete Weise einen persönlichen Eindruck vom Organspender/ der Organspenderin verschaffen [soll]“. In der dritten GO soll mit dem Spender gesprochen werden und mit dem Organ- empfänger nur „auf ausdrücklichen Wunsch des Organspenders“. Die Art und Weise, wie sich die LSK ein Bild von den an der Lebendspende beteiligten Personen machen soll, ist wiederum sehr uneinheitlich vorgegeben. Die Beschlussfassung wird in allen vier GO behandelt. Alle Anträge werden schriftlich beantwortet und die Ergebnisse der Begutachtung an die den Antrag stellenden Transplantationszentren sowie teilweise auch an Spender und Empfänger übersandt. Die Kostenerstattung für die Kommissionsmitglieder wird überall erwähnt. Alle vier GO geben an, dass die Geschäftsführung der LSK bei der ÄK des betreffenden Bundeslandes liegt. In einer GO wird detailliert auf die mögliche Befangenheit eines Mitglieds und den damit einhergehenden Ausschluss aus dem Verfahren eingegangen. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 77

2.3.2.2 Zusammensetzung der LSK Insgesamt arbeiten 195 Personen als Mitglieder oder Stellvertreter in den bundesdeutschen Lebendspendekommissionen. Von den 111 festen Mit- gliedern sind 82 Männer (74 %) und 29 Frauen (26 %). In zehn Kommissionen (44 %) ist keine einzige Frau vertreten. Keine Kommis- sion besteht nur aus Frauen. Die 29 Frauen verteilen sich auf die übrigen 13 Kommissionen, die im Durchschnitt mit ein bis zwei weiblichen Mitgliedern besetzt sind. Lediglich im TPG Landesgesetz (LG) Nordrhein-Westfalen ist gesetzlich bestimmt, dass mindestens ein Kommissionsmitglied weiblich sein muss. In drei Kommissionen gibt es für die Mitglieder keine Stellvertreter. Im Durch- schnitt hat aber jedes Mitglied der übrigen Kommissionen sogar zwei bis drei Stellvertreter. In den meisten LSK findet sich ein Jurist als Vorsitzender. In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern wird der Jurist durch das LG als Vorsitzender bestimmt. Insgesamt findet sich in 13 von 23 Kommis- sionen, d.h. in 56 % der Fälle, ein Jurist als Vorsitzender. Am zweithäufigsten wird der Vorsitz von einer in psychologischen Fragen erfahrenen Person geführt. Diese Konstellation findet sich in fünf der 23 Kommissionen (22 %). Als Ausnahmen gibt es zweimal die Antwort mit einem wechselnden Vorsitz und zweimal von keinem Vorsitzenden. Eine Kommission machte hierzu keine Angaben. 22 Kommissionen (45 %) setzen die Stellvertreter regelmäßig mit in den Ver- fahren ein. 55 % der Kommissionen beziehen die Stellvertreter nur ein, wenn das eigentliche Mitglied verhindert ist. Von den insgesamt 195 Mitgliedern und Stellvertretern sind 96 Ärzte (49 %), 58 Juristen (30 %), 26 in psychologischen Fragen erfahrene Personen (13 %) und drei andere Personen (2 %). Zwölf Stellvertreter (6 %) sind nicht näher de- finiert worden 276 . Im weiteren Verlauf der Arbeit wird nicht mehr zwischen Mitgliedern und Stellvertretern differenziert. Es wird nur noch von Mitgliedern als Oberbegriff gesprochen.

276 Eine graphische Darstellung der Verteilung der Berufsgruppen und des Geschlechterver- hältnisses zeigt das Diagramm 1, S. 81. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 78

Berufsgruppe: Ärzte Insgesamt finden sich somit in den Kommissionen 96 Ärzte, davon sind 78 % (75 Personen) männlich und 22 % (21 Personen) weiblichen Geschlechts. Von dieser Gesamtheit zählen 32 Ärzte in die Gruppe der in psychologischen Fragen erfahrenen Personen (Psychosomatiker, Psychiater und Neurologen). Davon sind 59 % (19 Personen) männlich und 41 % (13 Personen) weiblich. Es bleiben 64 Ärzte in den Kommissionen, von denen 88 % (56 Personen) männlich und 13 % (8 Personen) weiblich sind. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass von den insgesamt 96 Ärztinnen und Ärzten in den bundesdeutschen Kommissionen die Frauen verhältnismäßig mehr in der Gruppe der zusätzlich in psychologischen Fragen erfahrenen Personen zu finden sind. In der Gruppe der Ärzte finden sich mit 27 % (26 Personen) am häufigsten Neurologen und Psychiater. Häufig übernehmen diese die Funktion der in psychologischen Fragen erfahrenen Personen, sie werden aber dennoch in der Auswertung in der Gruppe der Ärzte geführt. Weiterhin sind Chirurgen mit 15 % (14 Personen) und Allgemeinmediziner mit 11 % (11 Personen) häufig vertreten. Mit 7 % (7 Personen) ist die Fachrichtung der Nephrologen vertreten. Die übrigen Ärzte (40 %) werden in einer Gruppe zusammengefasst. Darunter finden sich v.a. Gynäkologen, Pädiater, Rechts- mediziner und Anästhesisten. 277 Es arbeiten 25 medizinische Professoren in den Kommissionen mit, davon sind zehn bereits emeritiert. Von den Nicht-Professoren arbeiten 22 Ärzte als Niedergelassene in einer Praxis, 29 arbeiten an einer Universität oder einem Klinikum. Bei 20 Ärzten sind keine weiteren Angaben zu ihrem Arbeitsplatz gemacht worden.

277 S. hierzu Tabelle 5, S. 79. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 79

gesamt gesamt weiblich weiblich männlich männlich Chirurgen Internisten Psychiater/ Psychiater/ medizinier, medizinier, Allgemein- Neurologen Neurologen Nephrologen Nephrologen weitere Ärzte Ärzte weitere Ärzte 96 75 21 26 14 11 7 38 davon als in psych. Fragen erfahrene 32 19 13 21 0 0 0 11 Personen Tabelle 5: Verteilung der Berufsgruppe Ärzte in den LSK

Berufsgruppe: Juristen Von den insgesamt 58 Personen mit Befähigung zum Richteramt arbeiten 55 % (32 Personen) an einem Gericht, 22 % (13 Personen) in der Verwaltung (u.a. LÄK) und 14 % (acht Personen) in einer Kanzlei. 7 % (vier Personen) sind an der Universität beschäftigt. Für eine Person gibt es keine näheren Angaben. Es werden Richter, Staatsanwälte, Assessoren, Justiziare und Rechtsanwälte genannt. Meist jedoch wird die Fachrichtung nicht weiter spezifiziert (s. hierzu Tabelle 6). Zwölf Personen (21 %) in dieser Gruppe führen einen akademischen Titel. Vier von den fünf Professoren sind bereits im Ruhestand. Es finden sich in der Gruppe der Juristen 74 % (43 Personen) Männer und 26 % (15 Personen) Frauen. Dieses Verhältnis von männlichen zu weiblichen Personen entspricht ungefähr demjenigen in der Gruppe der Ärzte. Uni LÄK gesamt Gericht Gericht Kanzlei Kanzlei weiblich weiblich männlich männlich Verwaltung/ Verwaltung/ keine Angabe keineAngabe Juristen 58 43 15 8 32 4 13 1 Tabelle 6: Verteilung der Berufsgruppe Juristen in den LSK

Berufsgruppe: Psychologen/Psychotherapeuten In der Gruppe der in psychologischen Fragen erfahrenen Kommissionsmit- glieder finden sich insgesamt 58 Personen. Allerdings werden alle 22 Psychosomatiker und Ärzte für Neurologie und Psychiatrie in dieser Zu- sammenstellung in der Gruppe der Ärzte mit aufgelistet, so dass in der Teil- Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 80 gruppe der in psychologischen Fragen erfahrenen Personen 26 Nicht-Ärzte verbleiben. 22 (58 %) davon sind Psychologen und vier Personen (15 %) Psychotherapeuten (s. hierzu Tabelle 7). Die Einteilung in Psychologen und Psychotherapeuten wurde von den Ausfüllenden des Fragebogens gewählt. Es lässt sich nicht erkennen, ob es sich um ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten handelt. Deshalb werden sie hier als eigenständige Untergruppe dargestellt. Es befinden sich 54 % Männer (14 Personen) und 46 % Frauen (12 Personen) in dieser Grupe. logen logen gesamt Psycho- Psycho- weiblich weiblich männlich männlich therapeuten therapeuten

Psychologen/ 26 14 12 22 4 Psychotherapeuten Tabelle 7: Verteilung der Berufsgruppe Psychologen/Psychotherapeuten in den LSK

Wenn man die Verteilung der Frauen und Männer in den einzelnen Berufs- gruppen der Kommissionen betrachtet, stellt man fest, dass Frauen nur in der Gruppe der in psychologischen Fragen erfahrenen Personen etwa die Hälfte der Kommissionsteilnehmer ausmachen (s. Kapitel 3.1, S.123).

Andere Mitglieder In der Kategorie „Andere Mitglieder“ werden ein Pastor, ein Medizinethiker und -historiker sowie ein Patientenvertreter für Diabetes mellitus erwähnt. Insgesamt verteilen sich diese drei Personen auf zwei Kommissionen, d.h. 9 % der deutschen Kommissionen besitzen einen Teilnehmer, der weder Arzt oder Jurist ist noch eine klassische psychologische Ausbildung erfahren hat. Der Pastor und der Patientenvertreter sind gemeinsam in einer Kommission, die darüber hinaus noch einen Chirurgen und eine Richterin aufweisen. Die zweite Kommission besteht aus dem Medizinethiker, einem Psychologen, einem Rechtsmediziner und einem Landgerichtspräsidenten. Diese beiden Kommissionen weisen das größte Spektrum an unterschiedlichen Fachrichtungen auf. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 81

Gemessen an den Berufsgruppen der bundesdeutschen Kommissionen ist diese Gruppe der „Anderen Mitglieder“ mit 1,5 % die kleinste. Es finden sich hier keine Frauen.

96

Insgesamt Männlich

Mitarbeiterzahl 58 Weiblich 75

26 43

14 3 3 21 15 12 0

Ärzte Juristen Psychologen/ Andere Psychotherapeuten

Fachgebiete

Diagramm 1: Fachgebiet und Geschlechterverteilung in den Kommissionen. Anmerkung: Die Differenz der Mitarbeiterzahl zu 195 ergibt sich, da zwei Kommissionen ihre zwölf Stellvertreter nicht nach Geschlecht differenziert haben. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 82

2.3.2.3 Sitzungshäufigkeit In der Summe treten die deutschen Kommissionen 241 mal pro Jahr zusammen. Diese Angaben beziehen sich auf 19 Kommissionen, da ein Ausschuss erst im Jahr 2003 seine Arbeit aufgenommen hat und drei LSK keine Angaben zu diesem Punkt gemacht haben. Dies bedeutet, dass im Durchschnitt jede der 19 Kommissionen 12-13 mal pro Jahr tagt, also ca. einmal pro Monat. Hier zeigt sich allerdings eine weite Bandbreite von minimal drei bis hin zu 40 Sitzungen pro Jahr. Die Kommission, die sich dreimal im Jahr trifft, hatte in den drei betrachteten Jahren (2000, 2001, 2002) insgesamt sechs Anträge zu bearbeiten, d.h. pro Sitzung beschäftigten sich die Teilnehmer mit durchschnittlich zwei Anträgen. Die Kommission mit 40 Sitzungen im Jahr bearbeitete im gleichen Zeitraum 185 Anträge, d.h. vier bis fünf Anträge pro Tagung.

2.3.2.4 Antragszahlen Im betrachteten Zeitraum von 2000 bis 2002 wurden in Deutschland insgesamt 1.641 Anträge auf Lebendorganspende bei 21 Kommissionen gestellt. Auffällig sind dabei vier Kommissionen, die über 100 bis maximal 435 Anträge bearbeiteten, während drei Kommissionen weniger als 20 Anträge in diesem Zeitraum entschieden haben (s. Diagramm 2, S. 83). Hierbei findet sich eine Korrelation zwischen der Größe des Bundeslandes bzw. dem Einzugsbereich der Kommission und der Antragszahl. Das Saarland hat bspw. nur eine Kommission, genau wie Niedersachsen. Allerdings ist Niedersachsen flächenmäßig mehr als achtzehnmal so groß wie das kleinste Bundesland und beheimatet etwa siebenmal so viele Einwohner. Bayern hingegen hat sechs Kommissionen beauftragt, die Anträge auf Lebendorganspende zu bearbeiten. Der Freistaat hat 1,5 mal so viele Ein- wohner und ist flächenmäßig auch ca. 1,5 mal so groß wie Niedersachsen. 278 Somit fallen in Bayern durchschnittlich zwei Millionen Einwohner in den Ein- zugsbereich einer Kommission, in Niedersachsen fast acht Millionen Ein- wohner, und in Nordrhein-Westfalen findet sich der Spitzenwert von neun

278 Alle Angaben zu Landesgrößen und Bevölkerungszahlen aus dem Jahr 2003 von den Sta- tistischen Ämtern des Bundes und der Länder (http://www.statistik-portal.de/Statistik- Portal/de_jb01_jahrtab1.asp; Stand 30.03.2006). Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 83

Millionen Einwohnern pro Kommission. Bezogen auf die Antragszahlen im Jahr 2002 werden in Bayern durchschnittlich 21 Anträge auf Lebendorgan- spende pro Kommission gestellt, in Niedersachsen 67 und in Nord- rhein-Westfalen 76. Die Antragszahlen rangierten bei den meisten Kommissionen zwischen 40 und 70 Anträgen in den drei betrachteten Jahren.

450 435 400 350 Antragszahlen der LSK 300 Mittelwert = 78 250 229 200 Anträge 185 150 109 100 50 0 Kommissionen

Diagramm 2: Antragszahlen der LSK in den Jahren 2000-2002

Im Folgenden werden die Antragszahlen nach den einzelnen Jahren getrennt ausgewertet.

Jahr 2000 Im Jahr 2000 existierten in Deutschland 19 Kommissionen, davon haben zwei Kommissionen keine Angaben zu Spendeanträgen gemacht. 444 Anträge zur Lebendspende wurden bei den übrigen 17 Kommissionen gestellt. Es ergab sich eine Spanne von einem Antrag bis zu 131 Anträgen pro Kommission. 434 Anträge (98 %) hatten ein positives Votum der Kommission zum Ergebnis (s. Diagramm 3, S.88). Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 84

Drei Anträgen (0,7 %) wurde ein bedingt positives Votum zugesprochen. Eine Kommission machte die Anmerkung, dass bedingt positive Voten bei ihnen nicht vorgesehen sind. Sechs Anträge (1,4 %) wurden abgelehnt. Diese sechs negativen Voten fanden sich bei fünf Kommissionen, die ein Spektrum von zwölf bis 131 Anträgen im Jahr 2000 aufwiesen. Jahr Votum bedingt Anträge Anträge negatives entschiedene Kommissionen Kommissionen positives Votum positives Votum 2000 19 444 443 434 3 6 97,7 % 0,7 % 1,4 % Tabelle 8: Antragszahlen für das Jahr 2000

Die Kommission mit zwölf Anträgen sprach in diesem Jahr zehn positive und zwei negative Voten aus. Als Begründung wurde die mangelnde Freiwilligkeit angeführt. Die Ablehnungsquote betrug in dieser LSK im Jahr 2000 somit 17 %. Die Kommission mit 131 Anträgen sprach 129 mal ein positives Votum aus. Ein Antrag wurde negativ bewertet, da die verwandtschaftlichen Verhältnisse ungeklärt waren. Ein Antrag wurde zurückgezogen, da nicht sichergestellt werden konnte, dass der Spender in seinem Heimatland eine ausreichende Nachsorge erfahren würde. In dieser Kommission lag die Quote der negativen Voten also bei knapp 1 %. Eine Kommission mit 23 Anträgen begutachtete einen Antrag mit einem negativen Votum, da das Näheverhältnis zwischen Spender und Empfänger fraglich erschien. In einer LSK wurde einer von 13 Anträgen mit der Be- gründung des zweifelhaften Näheverhältnisses zwischen Spender und Empfänger abgelehnt. Es handelte sich um einen jungen im Ausland lebenden Spender, der seinem in Deutschland lebenden Onkel ein Organ spenden wollte. Das sechste negative Votum wurde von einer LSK mit 87 Anträgen im Jahr 2000 ausgesprochen. Es bestand begründeter Verdacht auf Organhandel. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 85

Jahr 2001 Im Jahr 2001 existierten 21 Lebendspendekommissionen in Deutschland. Die beiden neu gegründeten Gruppen hatten ihre Arbeit im November und Dezember 2000 aufgenommen. Im Jahr 2001 wurden insgesamt 568 Anträge auf Lebendorganspende an die 21 Kommissionen gestellt. Es wurden allerdings nur 565 Anträge bearbeitet, da drei Anträge erst im folgenden Jahr entschieden werden konnten. Die minimale Antragszahl im Jahr 2001 betrug vier und die maximale 152 Anträge bei einer Kommission.. 560 der 565 Anträge (99,1 %) wurden im Jahr 2001 mit einem positiven Votum bewertet, zwei Anträge (0,4 %) erlangten ein bedingt positives Votum und drei Anträge (0,5 %) wurden abgelehnt. Jahr Votum Anträge Anträge entschiedene Kommissionen Kommissionen positives Votum bedingt positives negatives Votum 2001 21 568 565 560 2 3 99,1 % 0,4 % 0,5 % Tabelle 9: Antragszahlen für das Jahr 2001

Die drei negativen Voten waren auf zwei Kommissionen verteilt. Die Gruppe, die 152 Anträge bearbeitetet hatte, sprach zwei negative Voten (1,3 %) aus. Im Vorjahr hatten sie ebenfalls eine negative Entscheidung getroffen. Als Begründung wurde einmal mangelnde Freiwilligkeit genannt, einmal waren die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt. Eine Kommission, die 24 Anträge hatte, votierte einmal davon negativ (4,2 %). In dieser Kommission hat es bei gleichbleibender Antragszahl auch im Vorjahr zu einer Ablehnung geführt. Die Ablehnung erfolgte, da der Spender eine erforderliche Begutachtung verweigerte. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 86

Jahr 2002 Im Jahr 2002 wurden an 22 Kommissionen 629 Anträge auf Lebendspende gestellt. Insgesamt wurden aber 632 bearbeitet, da wie erwähnt noch drei Anträge aus dem Vorjahr entschieden werden mussten. Ein Antrag gelangte nicht mehr zur Entscheidung, da der betroffene Patient noch während des Verfahrens verstarb. Insgesamt wurde also über 631 Anträge entschieden (s. Tabelle 10). Die neu gegründete Kommission hatte ihre konstituierende Sitzung im November 2001 und bearbeitete im Folgejahr 20 Anträge. Insgesamt lagen die Antragszahlen im Jahr 2002 bei minimal einem bis maximal 152 Anträgen pro Kommission. Dieselben Kommissionen wie in den beiden Vorjahren belegten diese Plätze. Es wurden 622 Anträge (98,6 %) mit einem positiven Votum entschieden. Einen Antrag (0,2 %) bewertete man mit Auflagen positiv; hier wurde um die Ausschaltung medizinischer Risiken gebeten und dann eine erneute Antrags- stellung empfohlen. Acht Anträge (1,3 %) wurden abgelehnt. Jahr Votum Anträge Anträge entschiedene Kommissionen Kommissionen positives Votum bedingt positives negatives Votum 2002 22 629 631 622 1 8 98,6 % 0,2 % 1,3 % Tabelle 10: Antragszahlen im Jahr 2002

Die acht negativen Voten verteilten sich auf fünf Kommissionen. Die im Vor- jahr neu gegründete Kommission hatte von 20 Anträgen einen negativ be- schieden (5 %). Eine Kommission sprach zweimal bei insgesamt 35 Anträgen ein negatives Votum aus (6 %). Beide Male war die Freiwilligkeit des Spenders in Frage gestellt worden. Diese Kommission hatte in den beiden Vor- jahren noch keine Ablehnung ausgesprochen. Drei negative Voten wurden von einer Kommission abgegeben, die ebenfalls vorher noch keine Ablehnungen ausgesprochen hatte. Von 15 Anträgen wurden zwölf positiv und drei negativ bewertet (Ablehnungsquote: 20 %). Die Ablehnungsgründe waren jedes Mal Anhaltspunkte gegen die Freiwilligkeit der Spende. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 87

Die vierte Kommission, die 2002 ein negatives Votum vergab, hatte drei Anträge und einer davon wurde nicht erfüllter gesetzlicher Voraussetzungen abgelehnt (33 %). Das achte negative Votum wurde von einer Kommission ausgesprochen, die bereits im Jahr 2000 zwei Ablehnungen abgegeben hatte. Von 33 Anträgen wurde einer negativ entschieden (3 %), da hier wiederum Anzeichen mangelnder Freiwilligkeit vorlagen. Jahr insgesamt in diesem Jahr negative Voten % der negativen % der negativen positives Votum negatives Votum negativem Votumnegativem Voten in allen LSK LSK allen in Voten Voten in einer LSKVoten in einer Anträge in LSK mitAnträge in LSK Anträge an alle LSKAnträge an alle entschiedene Anträgeentschiedene 12 12 10 2 16,7

13 13 12 1 7,7

23 23 22 1 4,3 444 6 1,4 2000 87 87 86 1 1,1

131 130 129 1 0,8

24 24 23 1 4,2 568 3 0,5 2001 152 152 150 2 1,3

20 20 19 1 5,0

35 35 33 2 5,7

15 15 12 3 20,0 629 8 1,3 2002 3 3 2 1 33,3

33 33 32 1 3,0

Tabelle 11: Zusammenfassung aller negativen Voten in den Jahren 2000 - 2002

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in den drei betrachteten Jahren in allen LSK bei mindestens drei und maximal acht Anträgen auf Lebendorganspende ein negatives Votum ausgesprochen wurde. Der Prozent- satz an Ablehnungen in den entsprechenden LSK variierte von 0,8 % bis Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 88 maximal 33,3 % pro Kommission und Jahr. Über die Ursachen für diese Schwankungen lässt sich nur spekulieren. In erster Linie können die Ergeb- nisse zufallsbedingt sein. Eventuell wird aber in den LSK mit weniger Anträgen eine strengere Begutachtung durchgeführt. Oder die Erfahrungen der Mitglieder im Umgang mit den Anträgen sind aufgrund unterschiedlich hoher Antragszahlen die Ursache. Bei der Betrachtung der gesamten Antragszahlen der LSK ergibt sich ein Mittelwert von acht Anträgen pro Kommissions- mitglied in den drei Jahren. Die Werte schwanken von minimal 0,7 bis maximal 19,1 Anträge pro Kommissionsmitglied in dem betrachteten Zeit- raum.

Anträge und ihre Ergebnisse

700 632

600 565 622

560 500 444 Gesamtzahl

n 400 434 positives Votum

300 Antragszahle bedingt positives Votum 200 negatives Votum

100

3 6 2 3 1 8 0 2000 2001 2002 Jahr Diagramm 3: Anträge an 21 Lebendspendekommissionen in den Jahren 2000 - 2002 mit ihren Ergebnissen Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 89

In den drei betrachteten Jahren wurden insgesamt 1.641 Anträge auf Lebend- spende gestellt. Hierbei zeigt sich ein ständiger Anstieg von 444 Anträgen (2000) auf 568 (2001) und schließlich auf 629 (2002). Von den 1.641 Anträgen wurde bei 1.616 (98,5 %) ein positives Votum ausgesprochen, 6 Anträge (0,4 %) erhielten eine bedingt positive Zustimmung der Kommission. Insgesamt 17 Anträge (1 %) wurden in den drei Jahren mit einem negativen Votum belegt. Neun der in diesen Jahren existenten 22 Lebend- spendekommissionen haben mindestens einmal bis maximal dreimal negativ votiert. Bezogen auf die Gesamtzahl der Anträge, die an eine dieser neun ablehnenden Kommissionen im Zeitraum von Anfang 2000 bis Ende 2002 gestellt wurden, zeigt sich ein Anteil von minimal 0,4 % (einer von 229 Anträgen) bis maximal 7,5 % (drei von 40 Anträgen) negativer Voten innerhalb einer Kommission.

Die Begründungen für evtl. negative Votumsvergaben sind unterschiedlich. Am häufigsten werden hier aber Anzeichen für eine mangelnde Freiwilligkeit genannt. An zweiter Stelle folgen die Argumente der unzureichenden Aufklärung des Spenders, das fragliche Näheverhältnis zwischen Spender und Empfänger und mögliche Indizien für Organhandel. Einmal wird vom „Selbstausschluss“ des Spenders gesprochen. Und wiederum in einem anderen Fall ist die fehlende Nachsorge des Spenders in seinem Heimatland Grund für eine negative Entscheidung. Bei bedingt positivem Votum wird erwähnt, dass generelle Zustimmung vorgelegen hat, aber dem Spender Auflagen erteilt wurden, die gesundheitlichen Risikofaktoren zu minimieren.

Durch das TPG wird der Lebendorganspende eine gesetzliche Grundlage ge- geben. Per Gesetz ist festgelegt, dass ein Leichenorgan der Lebendspende immer vorzuziehen ist, Lebendorganspende als nur subsidiär eingesetzt werden soll. Seit dem Inkrafttreten des TPG 1997 steigen die Zahlen für die Lebend- organspende nicht nur absolut sondern auch relativ stark an. Die Ursache hier- für liegt einerseits in der zunehmenden Diskrepanz zwischen der Zahl poten- zieller Empfänger und zur Verfügung stehender Organe, andererseits aber auch in der Verbesserung der medizinischen Möglichkeiten der Transplantations- Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 90 medizin und der zunehmenden Publizität dieser Methode. Das eigentliche Ziel, durch das TPG eine Zunahme der Leichenorganspende zu erreichen, bei gleichzeitiger Subsidiarität durch die Lebendorganspende, ist nicht eingetreten. 279

279 Der Anteil der Nierenlebendspenden an der Gesamtnierentransplantation in Deutschland stieg vom Jahr 1994 mit 4 % stetig an bis zum Spitzenwert von 19,1 % im Jahr 2002. Die Anzahl der postmortal gespendeten Organe stieg von knapp 3.000 im Jahr 1996 auf ca. 3.200 in den Jahren nach Inkrafttreten des TPG; siehe hierzu dso (2004). Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 91

2.3.3 Das Begutachtungsverfahren Im zweiten Abschnitt des Fragebogens betreffen die Fragen das Begut- achtungsverfahren, das die Kommissionen wählen, um die Anträge zur Lebendspende zu bearbeiten. Alle Angaben beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf 22 Kommissionen, denn eine Kommission war zum Zeitpunkt der Umfrage erst neu gegründet.

2.3.3.1 Zusätzliche Unterlagen Es wurde nach Unterlagen gefragt, die dem schriftlichen Antrag auf Organspende beigefügt werden müssen. Von den 22 Kommissionen geben 18 neben dem bloßen Antrag weitere erforderliche Unterlagen an. Vier Begut- achtungsgruppen machen die Aussage, dass sie keine weiteren Dokumente benötigen (s. Tabelle 12).

Dokument Anzahl der Anzahl der Inhalte betrifft: Antworten LSK

Medizinische Befunde von Spender 8 und Empfänger Arztbrief mit med. Begründung für 9 Spender und Lebendorganspende 17 Empfänger Einwilligungen von Spender und 6 Empfänger Einwilligung in die Nachbetreuung 1 Familienverhältnisse 4 Aufklärung nur des Spenders 5 Kostenübernahmeerklärung der 1 Spender Versicherung des Spenders 15 Psychologisches Gutachten 12 Staatsangehörigkeit 1 Meldung des Empfängers bei Empfänger 3 3 Eurotransplant Summe der LSK, die überhaupt Unterlagen 18 anfordern Summe der LSK, die keine Unterlagen anfordern 4

Tabelle 12: Heterogenität der zusätzlich zum Antrag beizufügenden Doku- mente Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 92

Auf die Frage nach den beizulegenden Unterlagen geben zwölf Kommissionen an, dass ein psychologisches Gutachten mit dem Antrag eingehen muss. Neun- mal wird die medizinische Begründung für die Transplantation erwähnt und achtmal die medizinischen Befunde von Spender und Empfänger. Danach folgen mit sechs Nennungen die Einwilligung in die Organtransplantation, fünfmal werden die Aufklärung und viermal die Familienverhältnisse des Spenders genannt. Von drei Kommissionen werden Informationen über die Meldung des Pati- enten bei Eurotransplant gewünscht. Mit je einer Nennung werden die Kosten- übernahmeerklärung der Versicherung des Spenders, die Einwilligung in die medizinische Nachbetreuung und die Staatsangehörigkeit des Spenders er- wähnt.

Gesetzliche Voraussetzungen Wie aus der Untersuchung hervorgeht, besteht eine deutliche Heterogenität der Erfordernisse der einzelnen Kommissionen in Bezug auf die schriftlichen In- formationen über Organspender und -empfänger. Das zeigt sich in der An- forderung unterschiedlicher Dokumente durch die einzelnen Kommissionen. Im TPG wird in § 8 Abs. 3 Satz 2 als gesetzlicher Auftrag der Kommissionen beschrieben, dass „... die nach Landesrecht zuständige Kommission gutachtlich dazu Stellung [nimmt], ob begründete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor- liegen, dass die Einwilligung in die Organspende nicht freiwillig erfolgt oder das Organ Gegenstand verbotenen Handeltreibens nach § 17 ist“. Im Weiteren heißt es: „Das Nähere, insbesondere zur Zusammensetzung der Kommission, zum Verfahren und zur Finanzierung, wird durch Landesrecht bestimmt.“ In den Ausführungsgesetzen der einzelnen Länder findet sich häufig die Aussage, dass die Kommission auf schriftlichen Antrag des Transplantationszentrums tätig wird, an dem das Organ entnommen werden soll. Im Ausführungsgesetz von Mecklenburg-Vorpommern findet sich bspw. der Satz, dass „mit dem Antrag zugleich das Einverständnis des Organspenders nachzuweisen und darzulegen [ist], dass die übrigen in § 8 Abs. 1, 2 und 3 des Transplantationsgesetzes genannten Voraussetzungen erfüllt sind“. Wie die Kommissionen genau diese Prüfungen vornehmen sollen, wird nicht geklärt. Es scheint also im Ermessen der jeweiligen Kommission zu liegen, Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 93 welche weiteren Informationen sie für ihre Stellungnahme vorgelegt be- kommen möchte. Dies kann die große Heterogenität an zusätzlichen Unter- lagen zum schriftlichen Antrag erklären. Die AG übertragen die Geschäftsführung zumeist an die betreffenden Landes- ärztekammern. Die Kammern oder die Kommissionen selbst werden häufig er- mächtigt, eine Geschäftsordnung/Satzung zu erlassen. Teilweise werden in diesen Dokumenten genauere Angaben zum Antragsverfahren gemacht. Als Beispiel findet sich in der Satzung der Kommission Berlin/Brandenburg unter § 6 folgende Ausführung zu vorzulegenden Dokumenten: „1. Doku- mente, aus denen sich die Volljährigkeit der Organspenderin oder des Organ- spenders ergibt, 2. Niederschrift über die Aufklärung und die Einwilligungs- erklärung der Organspenderin oder des Organspenders nach § 8 Abs. 2 TPG, 3. Stellungnahme dazu, ob die Person nach ärztlicher Beurteilung geeignet ist und voraussichtlich nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträch- tigt wird, 4. Stellungnahme dazu, ob die Übertragung des Organs auf die vorgesehene Empfängerin oder den vorgesehenen Empfänger nach ärztlicher Beurteilung geeignet ist, das Leben dieses Menschen zu erhalten oder bei ihr bzw. ihm eine schwerwiegende Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Beschwerden zu lindern und 5. Sozialanamnese, aus der sich auch die verwandtschaftlichen und/oder persönlichen Beziehungen der Spender oder des Spenders zur Empfängerin oder zum Empfänger ergeben. Die Kommission kann von der antragstellenden Einrichtung ergänzende Unter- lagen, Angaben oder Begründungen verlangen.“ Als Voraussetzung zum Tätigwerden der „Kommission Lebendspende“ in Hamburg wird gemäß § 6 der Satzung Absatz g verlangt, dass „eine schrift- liche Erklärung des Spenders/der Spenderin [vorliegt], aus der hervorgeht, dass er/sie aktuell und für die Zukunft gegenüber dem Empfänger/der Empfängerin keine geldwerten Ansprüche stellt.“ Es bleibt also festzuhalten, dass es bundesweit keine einheitliche Vorschrift gibt, wie und anhand welcher Unterlagen die Kommissionen die vom TPG ge- forderte Stellungnahme erarbeiten sollen. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 94

2.3.3.2 Art der Bearbeitung Die Frage nach der durchschnittlichen Bearbeitungszeit eines Antrages be- antworteten 12 Kommission (55 %) mit 30 Minuten bis einer Stunde. Länger als eine Stunde befassen sich sieben der Kommissionen (32 %) mit einem Antrag. Eine maximale Bearbeitungszeit wird von zwei Kommissionen mit zwei bis drei Stunden angegeben. Eine der Gruppen (5 %) gibt an, sich weniger als 30 Minuten mit jedem Fall zu beschäftigen. Ein minimaler Zeitaufwand wird von einer Kommission dabei mit 10 Minuten bis eine Stunde genannt. Zwei weitere Kommissionen (9 %) machen keine Angabe. Eine Kommission unterscheidet den Zeitaufwand nach dem zur Spende in Betracht kommenden Organ: bei Nieren 30 Minuten und bei Lebern eine Stunde. Im Durchschnitt bearbeiteten die 20 Kommissionen, die sich zur Bearbeitungs- zeit geäußert haben, einen Antrag ca. 65 Minuten lang.

Bearbeitung nach Aktenlage Ein deutliches Ergebnis erbringt die Frage nach der Anzahl jener Anträge, die ausschließlich nach Aktenlage entschieden werden. 20 der Kommissionen (91 %) gaben an, dass dies nie der Fall sei. In zwei Kommissionen wurde hingegen eine Anzahl von Fällen nur nach Durchsicht der Akten begutachtet. In den drei betrachteten Jahren wurden insgesamt 106 Anträge auf Lebendorganspende an diese beiden Kommissionen gestellt. Den Angaben gemäß wurde mehr als ein Drittel ausschließlich anhand der Akten- lage entschieden.

Persönliche Gespräche Bei der Beantwortung dieser Frage sollten nur die Anträge berücksichtigt werden, in denen persönliche Gespräche geführt werden. Diese stellen für die Auswertung 100 % dar.

Gespräche mit Spender, Empfänger und Anderen Es wurde danach gefragt, ob mit Spender, Empfänger oder anderen Personen Gespräche geführt werden. Im Falle einer persönlichen Unterredung wird von 22 Kommissionen angegeben, dass diese in 100 % der Fälle mit dem Spender bzw. der Spenderin sprechen. D.h. wenn es überhaupt zu einem persönlichen Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 95

Gespräch mit der Kommission kommt, wird dies auf jeden Fall immer mit dem Spender geführt. 13 LSK (59 %) geben an, zusätzlich auch mit dem Empfänger zu sprechen, zwei (9 %) sprechen nie und sieben (32 %) manchmal, und zwar in 30 % der Fälle zusätzlich mit dem Empfänger. Acht Kommissionen (36 %) befragen manchmal andere Personen als die bereits erwähnten. Dies geschieht in 5-20 % der Anträge an diese Prüfungsgruppen, durchschnittlich in 7 % der Anträge. Bei diesen zusätzlich befragten Personen handelt es sich meist um Verwandte (5), dann mit jeweils zwei Nennungen um Lebenspartner, Dolmetscher oder Ärzte. Vier Kommissionen (18 %) machen zu dieser Frage keine Angabe und zehn Kommissionen (45 %) sagen, dass sie niemals andere Personen befragen würden.

Einzelgespräch Im zweiten Teil der Frage wird die Art der geführten Gespräche ermittelt. Als Möglichkeiten werden hier das Einzelgespräch nur mit dem Spender, das Einzelgespräch nur mit dem Empfänger und das Gespräch mit Spender und Empfänger zugleich erwähnt. Hierbei ergibt sich, dass von den 22 Kom- missionen, die immer ein Gespräch mit dem Spender führen, 15 Gutachter- gruppen (68 %) dies als Einzelgespräch vornehmen. Fünf Kommissionen (23 %) führen diese Gespräche manchmal als Einzelgespräch. Die Angaben variieren hierbei zwischen 10 und 90 %. Zwei Kommissionen (9 %) machen keine genauere Angabe. Somit führen 2/3 der bundesdeutschen Lebendspende- kommissionen zwingend ein Einzelgespräch mit dem Spendewilligen.

Die Häufigkeit von Einzelgesprächen mit dem Empfänger wird von sieben Kommissionen (32 %) mit „immer“ angegeben. Eine Kommission macht dabei die Einschränkung, dass nie mit dem Empfänger gesprochen wird, wenn es sich dabei um Minderjährige handelt. Neun Kommissionen (41 %) führen diese Gespräche mit einer Häufigkeit von 10-90 % der Fälle. Zwei Gruppen (9 %) führen nie Einzelgespräche mit dem Empfänger und vier Kommissionen (18 %) machen keine Angabe. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 59 % Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 96

(13) der LSK grundsätzlich mit dem Empfänger sprechen, aber nur 32 % (7) dies im Einzelgespräch tun.

Gespräch mit Spender und Empfänger Neun Kommissionen (41 %) führen immer ein Gespräch mit Spender und Empfänger zugleich. Die Antwortmöglichkeit „nie“ wird von sechs Gruppen (27 %) verwendet. Vier Kommissionen (18 %) machen die Aussage, dass sie dies manchmal, und zwar in 3-90 % der Anträge tun. Vier Kommissionen (18 %) äußern sich hierzu nicht. Es gibt drei Kommissionen, die sowohl Einzelgespräche mit Spender und Empfänger als auch ein Gespräch mit beiden Betroffenen zugleich führen. Diese drei Kommissionen haben in den drei betrachteten Jahren zwischen 40 und 55 Anträge bearbeitet.

Häufigkeit mehrerer Gespräche Die Frage nach der Häufigkeit von mehr als einem Gespräch mit dem/den Be- troffenen wird von lediglich einer Kommission (5 %) mit „immer“ angegeben. Diese Kommission hatte in den drei Jahren 41 Anträge zu bearbeiten. Fünf Gruppen (23 %) gaben die Möglichkeit an, bei 2-25 % der Anträge mehr als ein Gespräch zu führen. Dabei haben sie zwischen 20 und 51 Anträge in den Jahren 2000 bis 2002 bearbeitet. 15 Kommissionen (68 %) haben mit „nie“ geantwortet. Eine Kommission machte zu dieser Frage keine Aussage.

2.3.3.3 Das Abstimmungsverfahren Diese Frage zielt auf die Art der Abstimmung über einen Antrag innerhalb der Kommission ab. Insgesamt ist davon auszugehen, dass alle Prüfungsgruppen in nicht-öffentlichen Sitzungen mündlich beraten. Im Weiteren zeigt sich, dass kein einheitlicher Modus für das eigentliche Abstimmungsverfahren in den deutschen Lebendspendekommissionen angewendet wird. Elf Kommissionen (50 %) versuchen, eine Einstimmigkeit innerhalb der Prüfungsgruppe zu erreichen. Dabei wird von zwei Kommissionen angemerkt, dass die Diskussion so lange geführt wird, bis tatsächlich Einstimmigkeit vor- liegt. Keine Angaben zu dieser Frage wurden von drei LSK (14 %) gemacht. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 97

Gesetzliche Regelungen In der Satzung der Lebendspendekommission der Ärztekammer Berlin findet sich unter § 8 Absatz 2 die Aussage: „Die Kommission strebt über die abzu- gebende gutachtliche Stellungnahme einen Konsens an. Auch bei nur einer Gegenstimme ist eine ablehnende Stellungnahme abzugeben.“ Im Gegensatz dazu steht in der Hamburger Satzung: „Die Kommission Lebendspende soll über den zu treffenden Beschluss Konsens anstreben. Wird ein solcher nicht erreicht, beschließt die Kommission mit der Mehrheit der ab- gegebenen Stimmen.“ Im TPG Landesgesetz von Mecklenburg-Vorpommern findet sich unter § 2 Absatz 5 der Satz: „Ist die Stellungnahme nicht einstimmig beschlossen worden, so ist die abweichende Meinung der Stellungnahme beizufügen.“ Bei acht Kommissionen (36 %) reicht eine einfache Stimmenmehrheit zur Vergabe des Votums aus. Im Bremer Gesetzesblatt findet sich unter § 11b Absatz 6: „Die Kommission entscheidet mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des vorsitzenden Mitglieds.“

Enthaltungen Enthaltungen bei der Stellungnahme sind in zehn Kommissionen (45 %) nicht zulässig. Die Möglichkeit, sich seiner Stimme zu enthalten, findet sich bei fünf deutschen Gutachtergruppen (23 %). Weitere vier LSK (18 %) geben an, Ent- haltungen seien bei ihnen noch nicht vorgekommen. In einer Gruppe ist noch nicht geklärt, was im Falle einer Enthaltung passieren würde. Eine weitere Gruppe weist darauf hin, dass sie keine Geschäftsordnung habe, in der dies geregelt sei. Bisher sei auch noch keine Enthaltung aufgetreten und deshalb könne man weder die Frage mit ja noch mit nein beantworten. Drei Prüfungs- gruppen (14 %) machen keine Aussage zu dieser Frage. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 98

2.3.3.4 Spender-Empfänger-Beziehung

Nicht-verwandte Spender 16 Kommissionen machten Angaben dazu, in wie viel Prozent der Fälle der Spendewillige nicht Verwandter ersten oder zweiten Grades bzw. (Ehe-) Partner des Empfängers war. Das Spektrum reichte hierbei von 2,3 % bis 30 % der Spendewilligen. 280 Eine dieser Kommissionen machte dabei keine Angabe zu ihren Antragszahlen. Bei den restlichen 15 Gutachtergruppen sind in den betrachteten drei Jahren 1.202 Anträge eingegangen, von denen ca. 171 von nicht erst- oder zweitgradig Verwandten, bzw. nicht von Lebenspartnern gestellt worden sind (vgl. hierzu Tabelle 13). Die übrigen sechs Kommissionen machten zu dieser Frage keine Angabe. Die Antragszahlen mit sog. „offenkundig nahestehenden“ Personen als Spender belaufen sich in Deutschland sonst hochgerechnet auf ca. 15 %.

Antrags- zahl 17 20 33 40 40 40 41 49 51 65 55 62 69 185 435

% nicht- verwandter 8 10 12 2 8 10 7,5 18 5 30 25 10 9 12 16 Spender

Tabelle 13: Angaben von 15 LSK zu ihren Gesamtantragszahlen in den Jahren 2000-2002 und dem prozentualen Anteil nicht-verwandter Spender

Persönliche Verbundenheit In einer offenen Frage wird nach den Kriterien gefragt, anhand derer die Kom- missionsmitglieder die „besondere persönliche Verbundenheit“ der offen- kundig nahestehenden Personen messen (wie im § 8 Abs. 1 TPG als Zulässig- keitsmerkmal für mögliche Organspender verlangt). Drei Kommissionen (14 %) sagen aus, dass diese Frage kein Prüfungsgegenstand der Kommis- sionen sei. Von einer dieser Kommissionen wird beschrieben, dass das Minis- terium des betreffenden Bundeslandes der Kommission keine Kompetenz hin- sichtlich dieser Frage zuspricht.

280 Vergleichsweise wurden in den USA im Jahr 2002 20 % aller Nieren von Lebendspendern gestellt. Vgl. hierzu Delmonico et al. (2002). Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 99

Insgesamt machen zwei Kommissionen (9 %) keine Angabe zu dieser Frage. Eine dieser Gutachtergruppen ist der Auffassung keine Kategorisierung zu dieser Frage vornehmen zu können, da es sich um Einzelfallentscheidungen handelt. Von den übrigen 17 Kommissionen, die Kriterien zur Prüfung dieser Frage an- geben, zeigt sich v.a. die Frage nach dem Beziehungsmuster als prüfungs- relevant. Eine Kommission macht die Angabe, dass es sich bei diesen Merkmalen um die Feststellung von nachprüfbaren Fakten handelt. Dies sind u.a. die Häufig- keit gemeinsamer Tätigkeiten in der Freizeit oder im Urlaub, gemeinsame Ar- beit im Beruf oder in der Freizeit und nicht nur gelegentlicher Austausch von Gedanken über Themen individueller Art (Kultur, Sport, etc.). Neun Gutachtergruppen (53 %) beschreiben die Häufigkeit der Kontakte und den Umfang gemeinsamer Interessen als Kriterium. Die Art und Dauer der Be- ziehung wird insgesamt von elf Gruppen (65 %) genannt. Weitere häufige Nennungen in dieser Kategorie sind die gemeinsame Lebensgeschichte von Spender und Empfänger, sowie die Entstehung ihrer Beziehung. Von zwei Gruppen wird die Übereinstimmung der Angaben von Spender und Empfänger genannt. Wiederum zwei nennen die Motivation zur Spende in diesem Zusammenhang. Lediglich eine Gruppe bezieht sich bei dieser Frage auf das ökonomische Verhältnis zwischen Spender und Empfänger und den damit verbundenen Ausschluss einer Zweckgemeinschaft zwischen den beiden. Zweimal wird auch die psychologische Evaluation als Kriterium genannt. Vier Kommissionen nennen das persönliche Gespräch mit Spender und Empfänger als entscheidenden Faktor für die gutachtliche Stellungnahme. Mehrfachnenn- ungen sind bei dieser offenen Frage häufig. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 100

2.3.3.5 Freiwilligkeit und Organhandel Zwei offene Fragen beziehen sich auf den gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungsauftrag der Gutachterkommissionen. Es wurde nach Anhaltspunkten gefragt, anhand derer die Kommissionen dieser Prüfung nachkommen. Im TPG unter § 8 Abs. 3 Satz 2 werden die Kommissionen beauftragt, die Freiwilligkeit der Einwilligung in die Organspende sowie den Ausschluss möglichen Handels zu begutachten (s. hierzu auch, S. 91).

Freiwilligkeit Als erstes wird nach Anhaltspunkten gefragt, die die Kommission auf eine nicht freiwillige Spende schließen lassen. Fünf Kommissionen geben an, dies sei bisher noch nicht vorgekommen. Zwei dieser fünf machen darüber hinaus die Aussage, dass „staatsanwaltschaftliche Ermittlungen“ nicht zum Aufgaben- bereich der Kommission gehören. Insgesamt wurden in diesen fünf Gut- achtergruppen 170 Anträge bearbeitet, in denen also kein Verdacht auf Un- freiwilligkeit geweckt bzw. nicht geprüft worden. Im Gegensatz zu dieser Behauptung haben sechs Kommissionen in einer vorangegangenen Frage (s. hierzu Antragszahlen, S. 82) geantwortet, dass mangelnde Freiwilligkeit und die fragliche Beziehung Grund für ein negatives Votum ihrerseits gewesen sei. Von den restlichen 15 Gruppen, die sich zu dieser Frage geäußert haben, werden am häufigsten von insgesamt neun Kommissionen (60 %) der psychische Druck oder aber die Abhängigkeit von der Familie als Anhalts- punkte gegen die Freiwilligkeit der Spende genannt. Die Prüfungsgruppen be- zogen sich bei der Evaluation dieser Merkmale v.a. auf den Eindruck im persönlichen Gespräch mit Spender und Empfänger bzw. weiteren Familien- angehörigen. Es sei die Asymmetrie und Dominanz der Betroffenen, die die Kommission zur Vermutung der fehlenden Freiwilligkeit der Spender veran- lassten. Mangelnde Aufklärung des Spenders über Risiken und Nebenwirkungen wurde von sechs Gutachtergruppen (40 %) als zweithäufigste Angabe zur Prüfung der Freiwilligkeit gemacht. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass nur ein aufge- klärter Mensch eine freiwillige Entscheidung treffen kann. Fünf Kommissionen (33 %) machten die Angabe, dass die finanzielle Lage des Spenders bzw. ein Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 101

Ungleichgewicht der Einkommenslage von Spender und Empfänger Einfluss auf die Begutachtung nehme. Die Länge und Art der Beziehung zwischen den beiden beteiligten Personen wurde von sechs Gruppen (40 %) erwähnt. Weitere Punkte waren unklare Motive des Spenders zur Organentnahme und Unsicher- heiten seitens des Spenders bzgl. seiner Entscheidung. Einmal wurde erläutert, dass die Klärung der Freiwilligkeit bei ausländischen Spendern sehr schwierig sei. Eine Kommission bekundete ihre Definition von Freiwilligkeit. Ihrer Ansicht nach sei es kein Widerspruch zur Freiwilligkeit, zur autonomen Entscheidung, wenn der Spender sich durch selbst empfundenen moralischen Druck zur Spende entscheidet. Ein Widerspruch ergäbe sich v.a. aus äußerem Druck oder externer Einflussnahme auf den Spender. Das Ziel sei: „[sich] einen möglichst umfassenden Eindruck davon zu machen, ob die Entscheidung souverän ge- troffen wurde und nicht auf der Basis wohlwollender Menschlichkeit.“ Dabei bleibt offen, in wie weit sich Souveränität und Menschlichkeit gegenseitig aus- schließen.

Organhandel Anhand dieser Frage sollten Kriterien gefunden werden, mit deren Hilfe die LSK auf verbotenen Organhandel schließen. Zehn Kommissionen äußern sich zurückhaltend und machen entweder keine Angabe (3 LSK) oder aber sagen, diese Problematik sei bisher bei ihnen nicht aufgetreten (7 Gruppen). Dabei wird von zwei Begutachtungsgruppen erneut darauf hingewiesen, dass diese „juristischen Recherchen“ nicht zu ihrem Arbeitsauftrag gehörten. Dies widerspricht eklatant der erklärten Absicht des Gesetzgebers. Eine identische Aussage haben diese beiden Kommissionen bereits zur vorangegangenen Frage abgegeben. Eine andere dieser Kommissionen, bei der bisher noch kein Verdacht auf Organhandel bestanden hat, gab an, dass für sie kein verbotenes Handeltreiben vorliegt, „wenn eine spätere Bevorzugung des Spenders eintritt, z.B. durch Übereignung des Hauses.“

Von den zwölf Kommissionen, die überhaupt Kriterien angegeben haben, wird von zehn Kommissionen die wirtschaftliche Lage von Spender und Empfänger als Kriterium genannt. Dabei wird von fünf Kommissionen (42 %) die Aussage Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 102 gemacht, dass ein Ungleichgewicht der finanziellen Möglichkeiten von Spender und Empfänger, v.a. wenn diese nicht verwandt sind, sowie offener Geldfluss oder Vorteilsversprechen als Hinweise auf möglichen Organhandel gesehen werden. Zitat: „In einem Fall lagen Hinweise für die Schenkung eines Autos und die Verschaffung eines Arbeitsplatzes [...] vor.“ Eine Prüfungsgruppe machte die weitgehende Angabe, dass aus ihrer Sicht eine finanzielle Entlohnung oder aber Vorteilsversprechen jeglicher Art als Anreiz zur Organspende für verbotenes Handeltreiben spricht. Nach Meinung einer weiteren Kommission müssen unklare Einkommens- und Vermögensverhältnisse, v.a. bei Nicht-Verwandten, geprüft werden. Von einer Kommission wird erwähnt, dass „kommerzielle Einflüsse“ meist schon vor der Kommissionsprüfung erfasst werden und nicht mehr bis zu den Mitgliedern gelangen. Außerdem sei: „... die Eruierung kommerzieller Ge- sichtspunkte nie ganz exakt durchführbar“. Als Prüfungskriterien werden von dieser Kommission die Frage nach der Rolle eines Dritten als Vermittler und evtl. solidarische Verhaltensbefunde erwähnt. Von drei Kommissionen (25 %) wird ganz klar das Vorliegen einer finanziellen Abhängigkeit als verdächtig gesehen. Ebenfalls dreimal (25 %) wird wiederum die Art und Länge der Beziehung von Spender und Empfänger als Bewertungsgrundlage genannt. Eine Gruppe weist darauf hin, bei ausländischen Spendern intensiver nach Anhaltspunkten für potenziellen Handel zu suchen. Es wird v.a. auf sehr aktuelle, neu entstandene Kontakte zu weit entfernt lebenden Personen geachtet. Die psychologische Ex- ploration gilt bei drei Gruppen (25 %) als wesentlicher Faktor zur Ergründung möglichen Organhandels.

Abschließend lässt sich zu dieser Frage sagen, dass v.a. die wirtschaftliche Lage und mögliche Abhängigkeit des Spenders vom Empfänger bei den zwölf Kommissionen eine entscheidende Rolle spielen. Die Prüfkriterien decken ein breites Spektrum ab und reichen vom Gespräch ohne Kriterien über die Zulässigkeit späterer Bevorzugung bis hin zum Verdacht auf Handel bei jeglicher Art von Vorteilsversprechen. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 103

Kriterien für die Prüfung Die beiden vorangegangenen Fragen untersuchen die Kriterien, anhand derer die Kommissionen die gesetzlich verlangte gutachtliche Stellungnahme zur Freiwilligkeit der Spende und zum Ausschluss von Organhandel durchführen. Das Vorhandensein von klar definierten Kriterien, mit deren Hilfe die Kom- missionsmitglieder die Situation beurteilen können, ist eine zwingende Vor- aussetzung für die Überprüfung dieser beiden Aspekte. Einige Gutachter- gruppen gaben an, dass in ihrer Kommission weder Unfreiwilligkeit noch Verdacht auf Organhandel je vorgekommen seien. Das verwundert nicht, da diese Kommissionen keine Kriterien nennen konnten, mit denen sie Unfrei- willigkeit oder möglichen Organhandel hätten ausschließen können. Solange nicht einmal Kriterien vorhanden sind, kann ein Ausschluss nicht erfolgen.

Zwei Kommissionen beantworteten die Frage nach Freiwilligkeit und Ausschluss von Organhandel mit dem Hinweis, dass „staatsanwaltschaftliche Nachforschungen“ nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehören. Eine Gruppe bemerkte zusätzlich, dass dieser Auftrag von den Kommissionen gar nicht erfüllt werden könne. Diese Aussagen widersprechen klar dem gesetzlichen Auftrag durch das TPG.

Insgesamt ist an der Bandbreite und Heterogenität der Prüfungskriterien, die von den 22 Kommissionen genannt werden, auffällig, dass es keine klare Vor- stellung davon gibt, wie die gesetzlich vorgeschriebene Begutachtung dieser Voraussetzungen für eine Lebendorganspende vorgenommen werden soll. Außerdem stellt sich weiterhin die Frage, wie z.B. finanzielle Abhängigkeiten geprüft oder geldwerte Gegenleistungen beurteilt werden sollen. Zum einen ist das Verständnis des Prüfauftrages in den LSK unterschiedlich. Es reicht von der Prüfung ohne Kriterien bis zur sehr detaillierten Kontrolle. Dies äußert sich bspw. in der Überprüfung der Aufklärung des Spenders und seiner wirtschaft- lichen Abhängigkeit, durch Einsicht in das psychologische Gutachten oder in einem intensiven Gespräch über die Motivation zur Lebendspende. Die Intensität und die Länge der Beziehung werden häufig genannt. Zum anderen erfolgt nach dieser Prüfung eine unterschiedliche Beurteilung der Ergebnisse. Das Spektrum der Bewertung möglichen Organhandels ist sehr breit. In einigen Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 104

Kommissionen wird bereits bei dem Vorliegen des Verdachts auf Vorteilsver- sprechen für den Spender Organhandel unterstellt. In anderen Kommissionen wird hingegen die spätere Bevorzugung eines Spenders innerhalb des Familienverbandes, z.B. durch Übereignung eines Hauses, als zulässig ge- wertet. Eine Reihe von Fragen bleibt hier offen: Basiert die Meinungsbildung der Kommissionen dabei auf mündlichen Aussagen von Spender und Empfänger oder gehen die Prüfungsgruppen so weit, dass sie sich z.B. Einblick in die finanzielle Lage und die Transaktionen auf den Konten der Betroffenen ver- schaffen? Wie tief sind die Einblicke, die die Kommissionen in das Leben von Spender und Empfänger maximal nehmen dürfen und können?

Es ist deutlich geworden, dass diese beiden Prüfungsaufträge von den LSK unterschiedlich gehandhabt werden. Es ist offenbar eine Ermessensfrage der Kommissionen, wie gründlich und eingehend sie diese Begutachtung vor- nehmen und anhand welcher Maßstäbe sie die Ergebnisse bewerten. Außerdem liegt es auch im Ermessen der Kommissionen, wie gewissenhaft sie sich im Vorfeld mit den Kriterien zu Freiwilligkeit und Organhandel auseinander- setzen, anhand derer sie ihre gutachtliche Stellungnahme durchführen.

Zusätzlich geprüfte Kriterien Die Kommissionen wurden ferner gefragt, ob sie noch weitere Kriterien außer der Beziehung zwischen Spender und Empfänger, der Freiwilligkeit und möglichem Organhandel überprüfen. 13 bundesdeutsche Kommissionen (59 %) prüfen keine weiteren Aspekte. Eine Kommission sagt ganz klar, dass laut TPG keine weitere Prüfung vorgenom- men werden soll. Diese LSK hatte in den vorausgegangenen drei Fragen sehr genaue Angaben zu ihren Prüfungskriterien gemacht. Bei den neun Kommissionen (41 %), die zu dieser Frage geantwortet haben, liegt der Umfang der Aufklärung des Spenders mit fünf Nennungen (56 %) an erster Stelle. Eine Kommission verwies darauf, dass nur eine ausreichende Aufklärung des Spenders die Freiwilligkeit zur Spende garantieren könne. Weitere Nennungen waren wiederum die Art und Länge der Beziehung von Spender und Empfänger, die finanzielle Absicherung des Spenders im Falle Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 105 von Komplikationen sowie Auffälligkeiten im persönlichen Gespräch der Kommissionsmitglieder mit dem Spendewilligen. Zweimal wurden medi- zinische Kriterien erwähnt. Dabei hatte eine Kommission den Hinweis ge- macht, dass sie - streng genommen - keine weitere Prüfung durchführt, aber die medizinischen Konstellationen betrachtet und evtl. um erneute Vorstellung bittet, nachdem bestimmte Risikofaktoren ausgeschaltet sind.

In den vorangegangenen Fragen wurden Kriterien erhoben, anhand derer die Kommissionen ihre gutachtliche Stellungnahme durchführen. Diese Prüfungen werden durch persönliche Gespräche (s. S.94) und anhand zusätzlicher Unter- lagen, die mit dem Antrag eingereicht werden müssen (s. S. 91), bearbeitet. In Deutschland haben 20 Kommissionen noch nie ausschließlich nach Akten- lage einen Antrag entschieden. Zwei Prüfungsgruppen gaben an, dies in einigen Fällen ihrer Anträge getan zu haben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass - sobald Gespräche stattfinden - diese immer mit dem Spender und manchmal auch mit dem Empfänger geführt werden. Die Vielzahl an ver- schiedenen Dokumenten, die zusätzlich zum Antrag bei den Kommissionen eingereicht werden müssen, deutet daraufhin, dass die einzelnen Gutachter- kommissionen ihre Arbeit unterschiedlich bewerten. Das Vorlegen von Informationen über die Meldung bei Eurotransplant, die Einwilligung in die medizinische Nachbetreuung, die Kostenübernahmeerklärung der Versicherung oder die ärztliche Begutachtung des Gesundheitszustandes von Spender und Empfänger helfen nicht bei der Beurteilung von Freiwilligkeit und möglichem Organhandel. Das bedeutet, dass viele Kommissionen betrachten durchaus weitere Gesichtspunkte als die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungsaufträge. Lediglich vier Kommissionen verlangen keine weiteren Unterlagen zum schriftlichen Antrag. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 106

2.3.4 Einschätzung der Kommissionsarbeit Im dritten Abschnitt des Fragebogens werden anhand einer Tabelle die Selbst- einschätzung der Kommissionsvorsitzenden bezüglich ihrer Arbeit sowie Ver- änderungswünsche für die zukünftige Arbeit erfragt. Die Antworten können auf einer „5er-Skala“ von „vollständige Ablehnung“, „überwiegende Ab- lehnung“ über „indifferent“ bis „überwiegende Zustimmung“ und „voll- ständige Zustimmung“ angegeben werden. Alle Ergebnisse beziehen sich auf die Anzahl der Antworten, die von den 22 Kommissionen zu der jeweiligen Frage abgegeben worden sind. Fehlende Angaben werden nicht in die prozentualen Anteile eingerechnet und in den Diagrammen nicht aufgeführt.

2.3.4.1 Vereinheitlichung der Kommissionsarbeit Die Frage nach der Notwendigkeit bundesweit einheitlicher Richtlinien für den Ablauf des Begutachtungsverfahrens beantworteten jeweils sieben Kommis- sionen mit voller Zustimmung und sieben mit vollständiger Ablehnung. Insge- samt stimmten neun Kommissionen (50 %) für einheitliche Richtlinien und acht (44 %) dagegen. Eine Kommission (6 %) gab eine neutrale Antwort (s. Diagramm 4, S.107). Vier Vorsitzende machten keine Angaben, wobei eine LSK anmerkte, dass „die Kommissionen nach ihrer Entstehung politisch gewollte Institutionen [sind]. Ihr Auftrag lässt sich kaum operationalisieren, von daher sind Überlegungen zur Vereinheitlichung unsinnig.“ Dass aber Uneinigkeit bei der Frage nach der Erstellung von einheitlichen Richtlinien vorliegt, zeigt dieses Ergebnis sehr deutlich. Bei der Betrachtung der Antragszahlen der LSK, die mit vollständiger Zustim- mung oder vollständiger Ablehnung geantwortet haben, ergibt sich, dass bei sechs der sieben Befürworter einheitlicher Richtlinien 465 Anträge bearbeitet worden sind. Eine LSK machte keine Angaben zu ihren Antragszahlen. Die sieben ablehnenden Kommissionen haben insgesamt 476 Anträge bearbeitet. Die Befürworter und Gegner einheitlicher Richtlinien sind also auch in Bezug auf die bearbeiteten Anträge gleichwertig. Werden die Antworten der LSK zu den vorangegangenen Fragen nach der Be- wertung der „besonderen persönlichen Verbundenheit“, der Freiwilligkeit und dem Ausschluss von Organhandel (s. S. 98, 100, 101) hinzugezogen, dann ist Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 107 auffällig, dass fünf der sieben ablehnenden Kommissionen mindestens einen dieser Punkte nicht prüfen oder meinen nicht prüfen zu können. In der Gruppe der Befürworter sind dies nur zwei von sieben LSK. Einheitliche Richtlinien werden also zwar von sieben LSK abgelehnt, gleichzeitig wird aber von ihnen ebenfalls eingeräumt, nicht alle Kriterien überprüfen zu können. Es stellt sich somit die Frage, warum einheitliche Regelungen für die Prüfungen abgelehnt werden, obwohl gerade diese eine Erfüllung des Prüfauftrages ermöglichen könnten.

Es sollte bundesweit einheitliche Richtlinien für den Ablauf des Begutachtungsverfahrens geben

40 38,8 38,8

30

in % 20

11 10 5,5 5,5

0 Indifferent Ablehnung vollständige vollständige Ablehnung Zustimmung Zustimmung überwiegende überwiegende

Diagramm 4: Antworten auf die Frage nach der Schaffung einheitlicher Richtlinien für den Ablauf des Begutachtungsverfahrens

Gesetzliche Regelungen Für eine gesetzliche Regelung des Begutachtungsverfahrens stimmen acht (47 %) der Kommissionen, sieben (41 %) lehnen diese ab. Zwei (12 %) haben eine indifferente Meinung. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 108

Werden die Aussagen genauer betrachtet wird deutlich, dass die sieben ablehn- enden Kommissionen eine starke Ablehnung für eine gesetzliche Regelung angeben, wohingegen sich die zustimmenden acht Prüfungsgruppen in drei mit vollständiger und fünf mit überwiegender Zustimmung aufteilen. Tendenziell wird also ein gesetzliches Regelwerk für den Begutachtungsablauf eher abge- lehnt (s. Diagramm 5). Werden im Vergleich die neun Kommissionen betrachtet, die für bundesweit einheitliche Richtlinien für die Begutachtungsnorm (s. S. 106) gestimmt haben, wünschen sich sieben hiervon auch eine gesetzliche Grundlage für diese. Sieben von den acht Kommissionen, die eine bundesweit einheitliche Regelung ablehnen, wollen auch keine gesetzliche Grundlage für den Ablauf. Die Ergebnisse beider Fragen sind also konsistent. Generell lässt sich sagen, dass sich die 17 LSK, die sich zu beiden Fragen über einen einheitlichen Begut- achtungsablauf sowie eine dafür vorgesehene gesetzliche Grundlage geäußert haben (s. S. 106 und 107), in zwei etwa gleich große Lager teilen. Je eine Hälfte wünscht eine Regelung, bzw. lehnt diese ab. Auffallend ist dabei, dass die Gutachtergruppen, die eine ablehnende Haltung vertreten, eine starke Ab- lehnung für eine Regelung des Ablaufes aussprechen. Die Ablehnung ist daher stärker als die Zustimmung. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 109

Für den Ablauf des Begutachtungsverfahrens ...... sollte es einheitliche Richtlinien geben. ... sollte es gesetzliche Grundlagen geben.

40 38,9 38,9 41,2 30 29,4 in % in 20 17,6 11,8 11,1 10 5,6 5,6

0 0,0 Indifferent Ablehnung vollständige vollständige Ablehnung Zustimmung Zustimmung überwiegende überwiegende

Diagramm 5: Zusammenfassende Darstellung der Antworten der Kommis- sionen auf die Frage nach einheitlichen Richtlinien und gesetzlichen Grund- lagen für den Ablauf des Begutachtungsverfahrens.

Dieses Ergebnis ist deshalb interessant, da in den vorangegangenen Fragen (s. S. 98, Freiwilligkeit und Organhandel, S. 100) deutlich geworden ist, dass keine genauen Kriterien vorhanden sind, anhand derer die Kommissionen ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen. Dementsprechend läge die Vermutung nahe, dass die LSK sich Richtlinien zum Prüfungsablauf wünschten. Doch dies wird von etwa der Hälfte der Kommissionen strikt abgelehnt. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 110

Vernetzung der LSK Eine Vernetzung der bundesdeutschen Lebendspendekommissionen würden 50 % (10) begrüßen, 35 % (7) hingegen ablehnen. Drei Kommissionen (15 %) sind unentschieden. Mit einer Kooperation zwischen den Kommissionen in Deutschland könnte bspw. ein Abgleich der Vorgehensweise bei der Antragsbearbeitung erfolgen, Richtlinien zur Begutachtung der gesetzlichen Aufträge erstellt und durch übergreifende Information aller Kommissionen bei Aussprache eines negativen Votums ein „Tourismus“ der Organspender von Kommission zu Kommission verhindert werden. Der generelle Trend zeigt, dass eine Vernetzung der Kom- missionen positiv bewertet wird. Sechs Kommissionen haben sowohl den bundeseinheitlichen Richtlinien für ihre Arbeit (s. S. 106) als auch der Ver- netzung der Kommissionsarbeit zugestimmt. Zwei Kommissionen sprachen sich gegen beides aus. Bei den anderen LSK zeigt sich kein Trend der Bevor- zugung einer der Möglichkeiten.

Ein Schritt in diese Richtung ist z.B. ein Arbeitskreis der Transplantations- medizin in Mainz, der sich seit 1999 mit Langzeitergebnissen der Lebend- organspende in Rheinland-Pfalz und dem Saarland befasst. Teilnehmer sind Vertreter der Medizin, der Ethik, der Psychosomatik und des Rechts.

„Lebendspende-Tourismus“ Die Meinung, dass durch die Kommissionsarbeit „Lebendspende-Tourismus“ von einem Bundesland in ein anderes verhindert wird, vertreten 32 % (6) der Kommissionen. Lediglich eine Kommission drückt hierbei starke Zustimmung aus. Eine ablehnende Haltung nehmen 42 % (8) der Gutachtergruppen ein. Hiervon vertreten vier Kommissionen eine starke Ablehnung. Keine differenzierte Position vertreten 26 % (5). Drei Kommissionen haben diese Frage nicht beantwortet.

Fünf Kommissionen sehen sowohl keine Notwendigkeit für einen einheitlichen Ablauf des Begutachtungsverfahrens (s. S. 106) als auch keinen Erfolg bei der Verringerung des „Lebendspende-Tourismus“ in Deutschland durch ihre der- zeitige Arbeit. Diese Aussagen sind widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 111

Um Lebendspende-Tourismus zu verhindern, wären einheitliche Richtlinien notwendiger. Da dies abgelehnt wird, liegt der Schluss nahe, dass der Touris- mus nicht verhindert werden soll oder aber als nicht gegeben eingeschätzt wird. Vier Kommissionen bewerten beides mit einem „ja“, so dass sie ihrer Arbeit optimistischer gegenüber stehen. Wieder fünf Kommissionen sind für einheit- liche Richtlinien und äußern sich negativ über den Einfluss ihrer Arbeit auf den Tourismus bei der Lebendspende.

Eine Möglichkeit, wie dieser Tourismus von einer Gutachterkommission zur nächsten verhindert werden kann, ist im bayrischen AG des TPG aufgeführt. Hier findet sich unter Art. 4 (2): „Von ablehnenden Voten einer Kommission setzt die bayrische Landesärztekammer die übrigen Kommissionen in Ken- ntnis.“ Wiederum wäre die Klärung der rechtlichen Verbindlichkeit der Kom- missionsvoten sowie eine bundesweite Regelung des Vorgehens in einem ab- gelehnten Fall notwendig, um einen „Tourismus“ zu verhindern.

Verpflichtendes negatives Votum Es stimmen 58 % (11) der Befragten der Aussage zu, dass das negative Votum (Ablehnung) der Kommission verpflichtend sein soll. 32 % (6) lehnen eine solche Regelung stark ab. 11 % (2) äußern sich indifferent. Drei LSK machen keine Aussage zu dieser Frage (s. Diagramm 6, S. 112). Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 112

Ein negatives Votum (Ablehung) der Kommission sollte verpflichtend sein 57,9 60 50 40 31,6 30 in % in 20 10,5 10 0 Indifferent Ablehnung vollständige Zustimmung

Diagramm 6: Verteilung der Antworten auf die Aussage, dass ein negatives Votum der Kommission verpflichtend sein soll

Es wird deutlich, dass mehrheitlich eine Änderung der bisherigen Verfahrens- weise gewünscht wird. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu unter- suchen, inwiefern sich die betreffenden Transplantationschirurgen ein ver- pflichtendes Votum der Kommission wünschen oder es ablehnen. In der momentan vorliegenden Situation ist rechtlich nicht geklärt, welche Folgen es hat, wenn sich ein Arzt über ein negatives Kommissionsvotum hinwegsetzt. Die Klärung der rechtlichen Verbindlichkeit der gutachtlichen Stellungnahme der Kommissionen sollte angestrebt werden. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 113

2.3.4.2 Bewertung der Funktion der Kommission

Veränderte Zusammensetzung der Mitglieder Die These, dass eine andere Zusammensetzung der Kommission zu einer möglichen Verbesserung der Durchführung der vorgeschriebenen Aufgaben führt, wird von 85 % (17) zurückgewiesen. 10 % (2) würden eine Veränderung begrüßen, 5 % (1) vertreten einen neutralen Standpunkt. 16 von den 17 Kommissionen mit ablehnender Haltung verneinen die Aussage, dass die Änderung der Kommissionszusammensetzung zu einer verbesserten Wahrnehmung ihrer Aufgaben führen könnte. Diese eindeutige Antwort legt dar, dass eine deutliche Mehrheit der deutschen Lebendspendekommissionen mit der gesetzlich vorgeschriebenen Zusammensetzung zufrieden ist. Die LSK fühlen sich durch ihre Besetzung kompetent, die Begutachtung durchzuführen. In diesem Kontext soll noch einmal auf die personelle Besetzung der Kommissionen (2.3.2.2 S. 77) verwiesen werden. Hier hat sich gezeigt, dass in lediglich zwei Kommissionen insgesamt drei Personen arbeiten, die weder Arzt noch Jurist oder Psychologe sind. Eine dieser drei Personen ist ein Patientenvertreter. In diesem Zusammenhang sei auf den Vergleich mit anderen Kommissionen hingewiesen (s. 3.1, S. 122).

„Alibifunktion“ der Kommission Der Aussage, dass die Kommissionen lediglich eine „Alibifunktion“ ausüben, haben 71 % (15) widersprochen. Dabei drücken acht Prüfungsgruppen eine starke Ablehnung aus und sieben eine weniger starke. 29 % (6) bestätigen die Aussage, dass die Kommissionen eine Alibifunktion ausüben. Davon stimmen zwei Gruppen vollständig zu und vier mit Einschränkungen. Eine Gruppe äußerte einen indifferenten Standpunkt. Es zeigt sich somit, dass mehr als 2/3 der Lebendspendekommissionen ihre Arbeit für geeignet halten, die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen. Eine Kom- mission macht dabei die Angabe: „ Man [sollte] daran denken, dass schon das Bestehen des Erfordernisses, eine Kommission einzuschalten, präventiv wirkt und nicht erst die eigentliche Tätigkeit der Kommission.“ Diese Aussage legt den Schluss nahe, dass der Prozess bis zur Antragstellung bei der Kommission die größte Hürde im Begutachtungsverfahren darstellt. Andererseits glaubt fast 1/3 der Gruppen, dass sie lediglich eine Alibifunktion erfüllen. Dies legt die Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 114

Vermutung nahe, dass die Notwendigkeit der Vorlage des Antrages auf Lebendorganspende an eine LSK, nicht aber unbedingt das eigentliche Begut- achtungsverfahren selbst, präventiv wirkt. In der vorangegangenen Frage hat die Mehrheit der LSK sich für personell kompetent erklärt, die vorgegebenen Aufträge erfüllen zu können. Dennoch hatten 1/3 der Kommissionen Zweifel ihrer Tätigkeit und das, obwohl diese sechs LSK vorher angegeben haben, dass sie personell kompetent sind. Bei Betrachtung der Antworten dieser sechs Kommissionen zu vorangegangenen Fragen fällt auf, dass in einer dieser LSK zwei Laien vertreten sind. Mit Zahlen zwischen 17 und 69 Anträgen in den drei Jahren, sind es eher kleinere LSK, die Zweifel am Sinn ihrer Tätigkeit äußern. Drei der sechs Kommissionen üben außerdem noch Kritik an den Prüfungsaufträgen zur Verbundenheit, Freiwilligkeit und Organhandel (s. S. 98; S. 100). Es ergibt sich die Frage, weshalb die Kommissionen zu dieser Selbsteinschätzung ihrer Arbeit gelangt sind. Ob es negative Erfahrungen bei den Prüfungsverfahren sind oder die Unmöglichkeit, die gesetzlich vorgeschriebenen Aufträge zu erfüllen, bleibt offen. Jedenfalls ist sicher, dass sich an der Arbeitsweise etwas ändern sollte. Schließlich kann mit der Überzeugung, nur eine Arbeit pro forma zu leisten, kein gesetzlicher Auftrag erfüllt werden.

2.3.4.3 Bewertung der Arbeit der Kommission

Beurteilung der Freiwilligkeit 62 % (13) der Kommissionen stimmen der Einschätzung zu, ihre Arbeit sei geeignet, die Freiwilligkeit der Organspende zu überprüfen. Dabei stimmen sieben Gutachtergruppen dieser Aussage sehr stark zu und sechs mit Einschränkungen. Insgesamt behaupten 29 % (6) der Kommissionen, dass sie nicht die Freiwilligkeit einer Lebendspende überprüfen können. Zwei Kommissionen (10 %) vertreten einen neutralen Standpunkt (s. Tabelle 14). Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 115

Indifferent Indifferent Anzahl der der Anzahl Ablehnung Ablehnung Ablehnung Vollständige Vollständige Zustimmung Vollständige Zustimmung Antworten der Antworten Überwiegende Überwiegende Überwiegende Kommissionen Kommissionen Frage 19 21 2 4 2 6 7 10 % 19 % 10 % 29 % 33 % Tabelle 14: Antworten von 21 Kommissionen auf die Aussage, dass ihre Arbeit geeignet ist, die Freiwilligkeit einer Organspende zu überprüfen.

Beurteilung des Organhandels In einer weiteren Frage wird nach der Selbsteinschätzung der Kommission bzgl. des Ausschlusses möglichen Organhandels gefragt. Das Ergebnis ist bemerkenswert, da es die Unsicherheit der Kommissionen hinsichtlich der Ausführung ihres gesetzlichen Auftrages widerspiegelt. Lediglich vier Kom- missionen geben klare Antworten. Davon stimmen zwei voll zu und zwei drücken eindeutige Ablehnung aus. Die übrigen 17 Antworten sind weniger eindeutig. Acht Kommissionen (38 %) treffen sogar eine indifferente Aussage. Insgesamt bejahen 33 % (7) die Feststellung, dass sie möglichen Organhandel ausschließen können. Jedoch sind mit 29 % (6) fast genauso viele der Meinung, dass sie nicht dazu in der Lage sind (s. Tabelle 15, S.115). Diese Antworten belegen die Vermutung, dass der Ausschluss möglichen Organhandels eine große Schwierigkeit darstellt. Indifferent Indifferent Anzahl der der Anzahl Ablehnung Ablehnung Ablehnung Vollständige Vollständige Vollständige Vollständige Zustimmung Zustimmung Zustimmung Antworten der Antworten Überwiegende Überwiegende Überwiegende Überwiegende Kommissionen Kommissionen Frage 20 21 2 4 8 5 2 9,5 % 19,0 % 38,1 % 23,8 % 9,5 % Tabelle 15: Antworten von 21 Kommissionen auf die Aussage, dass ihre Arbeit geeignet ist, möglichen Organhandel auszuschließen

In der vorangegangenen Frage sind noch gut 60 % der Kommissionen der Meinung, mögliche Unfreiwilligkeit erkennen zu können. Den Ausschluss eventuellen Handeltreibens bejahen allerdings nur noch 33 %. Jedoch sind genau diese beiden Punkte die elementaren Bestandteile der gesetzlich Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 116 vorgeschriebenen gutachtlichen Stellungnahme der Kommissionen. In Anbetracht dieses Ergebnisses ist fraglich, warum 71 % der Kommissionen glauben, dass sie keine Alibifunktion ausüben (s. „Alibifunktion“ der Kommission, S. 113), obwohl sie nach ihrer Selbsteinschätzung nicht die nötigen Prüfungen durchführen können. Dieses Ergebnis spiegeln auch die Antworten zu den Fragen nach dem Anteil der Spender wider, die nicht erst- oder zweitgradig mit dem Empfänger verwandt sind, und die Kriterien zur Freiwilligkeit und zum Ausschluss möglichen Organhandels. Hier ist bereits deutlich geworden, dass keine Kriterien vorhanden sind, anhand derer die Kommissionen ihre Stellungnahme bzgl. des Antrages überprüfen können. Eine Kommission gibt als Anmerkung zu bedenken, dass „Missbrauch durch den Antragsteller und Täuschung der Kommission nicht verlässlich auszuschließen“ sind. Das Diagramm 7 zeigt die Einschätzung der LSK, Freiwilligkeit insgesamt besser sicherstellen zu können als Organhandel auszuschließen. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 117

Die Arbeit unserer Kommission ist geeignet, ...

45 40 38,1 33,3 35 ... die Freiwilligkeit 28,6 der Organspende zu 30 23,8 überprüfen 25

in % 20 19 19 ... den Organhandel 15 auszuschließen 9,59,5 9,5 9,5 10 5 0 Indifferent Ablehnung vollständige vollständige Ablehnung Zustimmung Zustimmung überwiegende überwiegende

Diagramm 7: Vergleichende Darstellung der Antworten zu den Fragen nach der Überprüfung der Freiwilligkeit und des Ausschlusses möglichen Organhandels durch die LSK

Beitrag zur ethischen Qualitätssicherung der Lebendspende Der Frage, ob die Kommissionen einen Beitrag zur Moral der Lebendspende leisten, stimmen 48 % (10) zu. Hier gibt es nur eine volle Zustimmung. Ablehnend äußern sich 24 % (5) der Prüfungsgruppen, davon drei mit starker Ablehnung. Sechs (29 %) Kommissionen äußern einen indifferenten Standpunkt. Dieser große Anteil an unschlüssigen Antworten zeigt erneut, dass einige Kommissionen ihren Stellenwert im Organspendeprozess nicht eindeutig bestimmen können. Der Beitrag der Kommissionen bei der Lebendorganspende kann z.B. darin gesehen werden, dass die Einschaltung einer unabhängigen Prüfungsgruppe in das Organspendeverfahren einige Spender und Empfänger mit fragwürdigen Motiven von vornherein abschreckt. Diese Ansicht wurde von einigen LSK erwähnt. Manche Kommissionen nehmen die moralischen Aspekte ihres Gutachterauftrages sehr ernst. Dies wird deutlich, wenn bspw. die Antworten zu den Fragen nach Kriterien für Überprüfung der Freiwilligkeit und des Ausschlusses von Organhandel betrachtet werden (s. Freiwilligkeit und Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 118

Organhandel, S.100). Dabei wird häufig das Ausmaß der Aufklärung von Spender und Empfänger erwähnt. Eine Kommission verweist speziell auf diese Problematik. Ihrer Meinung nach sollte hinterfragt werden, „wie viele Spender und Empfänger wirklich vollständig, also nicht nur medizinisch, sondern auch in Bezug auf Versicherungsschutz etc. aufgeklärt waren, bevor sie in die Kom- mission kamen.“ Es ist den Kommissionen überlassen, auf welche Weise sie sich ein Bild von Spender und Empfänger machen, um ihre Stellungnahme abzugeben. Auffallend ist aber, dass nur 48 % der Kommissionen von sich behaupten, durch ihre Arbeit einen Beitrag zur ethischen Qualitätssicherung im Bereich der Lebendorganspende leisten zu können. Drei Kommissionen unterstützen die Meinung, dass sie eine „Alibifunktion“ erfüllen und bestätigen gleichzeitig ihre Unfähigkeit, die Freiwilligkeit einer Spende zu überprüfen oder aber Organhandel auszuschließen. 281 Des Weiteren vertreten diese drei LSK einen indifferenten Standpunkt bzgl. des moralischen Beitrags ihrer Arbeit in der Lebendspende. Diese drei Prüfungsgruppen sagen deutlich aus, dass sie sich nicht in der Lage sehen, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Von einer dieser „skeptischen“ LSK wird entsprechen explizit die Anmerkung gemacht, dass generell nach dem Sinn der Kommissionen gefragt werden sollte.

281 Vgl. hierzu „Alibifunktion“ der Kommission, S. 113, Beurteilung der Freiwilligkeit und Beurteilung des Organhandels, S. 114 ff. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 119

2.3.4.4 Ausweitung der Organspende

Finanzielle Anreize Die Förderung der Lebendorganspende in Deutschland durch finanzielle Anreize für den Organspender wird von 71 % (15) der LSK weiterhin abgelehnt. Dies ist ein deutliches Ergebnis, denn 14 der 15 Kommissionen haben eine starke Ablehnung gegenüber einer finanziellen Anreizförderung gezeigt. Lediglich 14 % (3) stimmen für diese Möglichkeit, ebenfalls 14 % (3) geben eine neutrale Auskunft. Eine Kommission, die sich gegen finanzielle Anreize ausspricht, gibt jedoch an, dass das Problem des „Organmangels“ nur durch Änderungen der An- gebotsseite gelöst werden kann. Dies würde eine Veränderung der gesetzlichen Lage hin zu einer Widerspruchslösung, bezahlte Spenden in einen Organpool oder eine gesetzliche Erlaubnis zum Cross-over-Tausch erforderlich machen. Diese Aussage spiegelt die internationale Diskussion über mögliche Anreiz- zahlungen in der Organspende wider. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die klare Mehrheit der LSK weiterhin an der unbezahlten altruistischen Organ- spende festhalten will.

Cross-over-Lebendspende Keine Meinungstendenz ergibt sich bei der Frage nach der Legalisierung der sog. Cross-over-Lebendspenden in Deutschland. 36 % (8) stimmen für diese Möglichkeit, darunter vier mit voller Zustimmung. 33 % (7) der Kommissionen stimmen dagegen, wobei allerdings sechs vollständige Ablehnungen vorliegen. 29 % (6) haben keine differenzierte Meinung zu dieser Frage. 282 Von einer LSK wird zusätzlich die Anmerkung gemacht, dass Cross-over- Spenden legalisiert werden können, wenn man sie denn für verboten hielte.

Anonymer Organpool Die Möglichkeit, dass potenziell Spendewillige in einen Organpool spenden dürfen, lehnen 45 % (9) der Kommissionen ab. Hierbei finden sich sechs starke Ablehnungen. Hingegen stimmen dieser Option 30 % (6) zu. Eine

282 Am 12.09.2005 wurde im Transplantationszentrum in Essen legal eine Überkreuz- Lebendspende nach einem Überkreuz-Nierentransplantationsprogramm durchgeführt, s.a. 3.8.3, S. 151. Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 120 neutrale Angabe machen 25 % (5) der Kommissionen. Zwei Gutachtergruppen geben keine Antwort.

Bei der Betrachtung der vorangegangenen Fragen fällt auf, dass die deutlichste Antwort auf die Frage nach den möglichen finanziellen Anreizen für eine Organspende vorliegt (s. Diagramm 8, S. 121). Hier sagen 15 Kommissionen klar, dass dies weiterhin nicht erlaubt sein dürfe. Lediglich drei Gremien sprechen sich für eine Änderung dieser Regelung aus. Bei den Fragen nach Legalisierung der Cross-over Spende und möglicher anonymer Spende in einen Organpool vertreten jeweils fünf bzw. sechs Kommissionen einen neutralen Standpunkt. Insgesamt stimmen sechs bzw. acht Kommissionen für diese beiden Optionen. Hierbei fällt auf, dass acht Kommissionen für die Legalisierung der Cross-over Spende sprechen, aber nur sechs für die Spende in einen Organpool. Würde man eine Rangfolge aufstellen, die die Zu- stimmung der Kommissionen zu diesen Diskussionspunkten aufzeigt, würde als erstes die Cross-over Lebendspende legalisiert werden. Danach würde über anonyme Spenden in einen Organpool und ganz zuletzt über mögliche finanzielle Anreize nachgedacht werden. Insgesamt beantworten zwei Kommissionen alle drei Fragen mit Zustimmung und fünf alle mit Ablehnung. Die übrigen nehmen mindestens einmal eine indifferente Haltung ein. Die beiden Befürworter der Ausweitung der Lebendspende gehören ebenfalls in die Gruppe der Skeptiker bei ihrer Arbeit in der LSK (s. S. 117). Kapitel 2: 2.3 Ergebnisse der Befragung 121

Lebendorganspenden sollten durch finanzielle Anreize für Spender gefördert werden. Spendewillige sollen anonym in einen Organpool spenden dürfen.

Cross-over Lebendspenden sollten legalisiert werden.

70 71,4 60 50 45,0 38,1 in in % 40 33,3 28,6 30 30 25 20 14,3 14,3 10 0 Ablehnung Indifferent Zustimmung

Diagramm 8: Vergleichende Darstellung der Antworten zu den Fragen nach Legalisierung finanzieller Anreize, Cross-over-Lebendspende und Spenden in einen anonymen Organpool

3

Ethische Kernprobleme der Lebendspendepraxis: Diskussion und Perspektiven Kapitel 3: 3.1 Zusammensetzung 123

3.1 Zusammensetzung Die bundesdeutschen LSK sind in ihrer Zusammensetzung strikt den Vorgaben des Gesetzgebers gefolgt. Lediglich zwei Kommissionen haben die vorgegebene Besetzung – ein Arzt, ein Jurist und eine in psychologischen Fragen erfahrene Person – erweitert. Bei diesen zusätzlichen Personen handelt es sich um einen Patientenvertreter, einen Pastor und einen Medizinethiker (s. 1.6.1, S. 64). Im Jahr 2003 arbeiteten insgesamt 195 Personen in den LSK, davon gehörten aber nur drei Mitglieder nicht den gesetzlich erforderlichen Berufsgruppen an (s. S. 77). Somit spielen zusätzliche Personen in den LSK nur eine marginale Rolle. Dabei ist anzunehmen, dass eine Erweiterung des Mitgliederkreises durch Pflegekräfte, Patientenvertreter (z.B. Diabetes mellitus), Seelsorger oder sonstige Personen, die Transplantationspatienten betreuen, zur Entscheidungsfindung in den Kommissionen beitragen können. Gerade in Bezug auf mögliche Spannungs- oder Problemfelder dürften eigene berufliche Erfahrungen für das Begutachtungsverfahren hilfreich sein. Allerdings ist dieses Ergebnis nicht überraschend wie der Vergleich mit den für Forschung zuständigen Ethikkommissionen zeigt. Beispielsweise zeigte eine Umfrage unter den deutschen Ethik-Kommissionen, dass auch dort selten Laien als Mitglieder vertreten sind. 283,284 Das Votum einer Ethik-Kommission ist vor Beginn jedes medizinischen Forschungsvorhabens mit Patienten oder Probanden erforderlich. Bei der Untersuchung wurde deutlich, dass in den Ethik-Kommissionen hauptsächlich Forschende sitzen, nicht aber die Gruppen, die durch zukünftige Forschungstätigkeit (z.B. Doktoranden), Laien (als Patienten oder Probanden) oder als Pflegepersonal direkt betroffen sind. Dabei könnte eine Erweiterung des Personenkreises die „Akzeptanz von Studien, Vertrauen in die Forschung und valide Erfüllung der Aufgaben einer Ethik- Kommission“ verbessern. 285 Des Weiteren wird die Arbeit einer Kommission in starkem Maße durch ihre Zusammensetzung beeinflusst. In Deutschland muss eine Ethik-Kommission mindestens aus einem Juristen und vier Ärzten bestehen. Weltweit finden sich vereinzelt Vorgaben für die Zusammensetzung der Ethik-Kommissionen. So ist in einigen Ländern ein bestimmter Anteil an

283 Neitzke (2003) S. 104 ff. 284 Neitzke (2000) S. 109. 285 Ebenda, S. 123. Kapitel 3: 3.1 Zusammensetzung 124

Laien, weiblichen Mitgliedern oder Vertretern verschiedener Kulturen vor- gegeben. In Nordrhein-Westfalen schreibt das AG-TPG vor, dass mindestens eine Frau der Kommission angehören muss. Ähnliche Bedingungen gibt es allerdings in den übrigen Bundesländern nicht. Die Umfrage unter den LSK ergab sogar, dass in zehn Kommissionen keine einzige Frau vertreten ist. Insgesamt lag der Anteil weiblicher Mitglieder in den LSK bei 26 % zu 74 % der männlichen Mitglieder (s. Diagramm 1, S. 81). Die Lebendorganspende-Statistik aus dem Jahr 1999 zeigt allerdings, dass in Deutschland 64 % der Nierenlebendspender weiblich und nur 36 % männlich waren. Die Empfänger der Lebendnierenspenden waren hingegen in 62 % der Fälle männlich. 286 D.h. zwei von drei Nieren werden von Frauen gespendet, bei den Empfängern kommen umgekehrt zwei Männer auf eine Frau. Dabei spenden Frauen ihren Ehemännern, Mütter ihren Kindern und Schwestern ihren Brüdern. 287 Dieses Ergebnis bestätigt sich auch international. Bloembergen et al. schrieben 1996: „Women are more likely to donate but less likely to receive a kidney.“ 288,289 Die Ursachen für diesen „Netto-Organverlust“ von Frauen sind bisher nicht vollständig untersucht und verstanden. Unter Berücksichtigung dieser Zahlen scheint es aber unverzichtbar, in Zukunft auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den LSK zu achten. Eine vermehrte weibliche Vertretung in den Kommissionen könnte evtl. Spenderinnen schützen, bei denen die Freiwilligkeit zur Entscheidung zweifel- haft erscheint. Gerade bei der Entscheidung pro oder contra Organspende können Machtstrukturen und Abhängigkeitsverhältnisse zum Tragen kommen und diese im Sinne einer „black sheep donation“ verstärken. 290 Bei der An- hörung der Enquête-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema Organlebendspende wurde die Forderung nach einem aus- gewogenen Verhältnis von Frauen und Männern in den Kommissionen ebenfalls befürwortet 291 .

286 Biller-Andorno (2002) S. 201 287 Schneider (2004), S. 4 288 Bloemenbergen et al. (1996) 289 Biller-Andorno (2002), S. 200 290 Schneider (2004), S. 4 291 Ebenda, S. 6 Kapitel 3: 3.1 Zusammensetzung 125

In der Untersuchung fiel auf, dass weibliche Mitglieder am häufigsten in der Gruppe der in psychologischen Fragen erfahrenen Personen zu finden waren (s. S. 79). Dieses Ergebnis bestätigte auch die Studie von Fateh-Moghadam et al.. 292 Es resultiert daraus wiederum die Feststellung, dass Frauen vorrangig bei der psychologischen Evaluation der potenziellen Spender und damit zahlenmäßig vor allem der Spenderinnen tätig werden. Die Kommissionen wurden gebeten selbst einzuschätzen, ob eine veränderte Zusammensetzung der Mitglieder zu einer verbesserten Durchführung des Prüfungsauftrages führen würde. 85 % verneinten diese Möglichkeit. Es bleibt somit festzuhalten, dass die Kommissionen sich selbst in ihrer Zusammensetzung für kompetent halten, die vorgegebenen Aufgaben zu erfüllen (s. 2.3.4.2, S. 113) und die hier dargelegten und diskutierten Defizite nicht wahrnehmen.

292 Fateh-Moghadam et al. (2004a), S. 22. Kapitel 3: 3.2 Antragsverfahren 126

3.2 Antragsverfahren Die Umfrage zeigte, dass in den drei betrachteten Jahren (2000, 2001 und 2002) insgesamt 1.641 Anträge auf Lebendorganspende an die bundes-deut- schen LSK gestellt worden sind. Der Trend der Antragszahlen war steigend. Zieht man die Statistik der Deutschen Stiftung Organtransplantation hinzu, wird deutlich, dass die Lebendspende an Häufigkeit absolut und relativ enorm zugenommen hat. Im Jahr 1995 lag der Anteil der Lebendnierenspenden an der Gesamtnierentransplantation noch bei 3,9 % und 2002 schon bei 19,1 %. 293 Diese Tendenz findet international Bestätigung. In den USA gibt es seit 2001 mit steigender Tendenz jährlich sogar mehr Lebendspender (52 %) als Leichenspender. 294 Die Absicht des Gesetzgebers, durch die gutachtliche Stellungnahme der Lebendspendekommissionen „Sicherheit durch Verfahren“ zu gewährleisten, ist damit deutlich anspruchsvoller geworden. 295 Kritische Stimmen merken deshalb bereits an, dass das TPG und damit die LSK nicht die erwartete Rechtssicherheit schaffen konnte. 296 Von den 1.641 gestellten Anträgen wurden 1.616 mit einem positiven Votum begutachtet, sechs erhielten ein bedingt positives Votum und 17 ein negatives Votum (s. Tabelle 8, S. 87). Noch während des Begutachtungsverfahrens verstarb ein Patient und ein Antrag wurde vom potenziellen Spender zurückgezogen. Die 17 negativen Voten verteilten sich auf neun LSK. In den drei betrachteten Jahren begutachteten diese Kommissionen von minimal 0,8 % (ein Antrag von 130 Anträgen) bis maximal 33,3 % (ein Antrag von drei Anträgen) der Anträge mit einem negativen Votum. In neun Fällen war die fehlende Freiwilligkeit des Spenders bemängelt worden, in je drei Fällen waren die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt oder Organhandel war nicht auszuschließen. In zwei Gutachten war das Näheverhältnis zwischen Spender und Empfänger für die Kommission nicht eindeutig genug. Das Begutachtungsverfahren ist zwar gesetzlich vorgeschrieben, es ist aber nicht geklärt, wie mit dem Votum der LSK umgegangen werden soll. Für den Arzt liegt keine rechtliche Bindung an das Begutachtungsergebnis vor, 297 d.h.

293 dso (2004), S. 24. 294 Gutmann (2004), S. 10. 295 Laufs (1995), S. 2398. 296 Gutmann und Schroth (2004). 297 Lilie (2004), S. 4. Kapitel 3: 3.2 Antragsverfahren 127 es gab zwar 17 negative Voten in den drei betrachteten Jahren, aber es ist nicht geklärt, ob sich die Transplantationschirurgen an diesen negativen Voten orientieren müssen. Eine weiterführende Untersuchung, wie die Transplanteure mit einem negativen Votum der LSK momentan umgehen, wäre von Interesse. Schließlich liegt durch das Kommissionsvotum für den Operateur (noch) keine verfahrensrechtliche Sicherheit vor. Der Münchner Jurist Thomas Gutmann fordert vom Gesetzgeber eine Überprüfung der faktischen Bindungswirkung der Kommmissionsvoten. Diese sollten entweder „rechtlich verbindlich unter Gewährleistung der entsprechenden rechtsstaatlichen Verfahrens- und Rechts- schutzgarantien“ 298 oder lediglich beratend sein. Weiterhin sieht Gutmann in dieser fehlenden faktischen Klärung die Gefahr, dass „die Kommissionen in eine[r] Zwitterstellung zwischen Beratung und Ent- scheidung“ geraten könnten. 299 Die Befragung der LSK zeigte, dass diese sich mehrheitlich ein für den Chirur- gen rechtlich verpflichtendes Votum wünschen (s. S. 111). In der Studie von Fateh-Moghadam et al. wurde dieser Wunsch ebenfalls von einigen LSK ge- äußert. 300 Die Autoren der Studie aus dem Jahr 2004 sind der Ansicht, dass „bereits die Existenz der Kommissionsverfahren potentielle Interessenten für gehandelte Organe abschrecken dürfte und die Anwerbung von bezahlten Lebendspendern aus Armutsregionen für Organlebendspenden in deutschen Transplantations- zentren weitgehend ausgeschlossen sein sollte.“ 301 Dieses Argument wurde auch in unserer Befragung genannt. Wenn bereits die Existenz einer LSK der Abschreckung potenzieller Organhändler dient, stellt sich allerdings die Frage, ob die Aufgaben, die den Kommissionen durch das TPG zugesprochen worden sind, nicht überbewertet werden. Die geführten Diskussionen über die Zu- ständigkeit in speziellen Prüfungsfragen, ob bspw. die besondere persönliche Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger überhaupt Prüfungs- gegenstand der LSK sei, wären somit hinfällig. 302

298 Gutmann (2004), S.4. 299 Ebenda, S. 4. 300 Fateh-Moghadam et al. (2004b), S. 86. 301 Ebenda, S. 90. 302 Fateh-Moghadam et al. (2004b), S. 87. Kapitel 3: 3.2 Antragsverfahren 128

Wenn bereits das Einschalten der Kommission präventiv wirken würde, dann könnte der Prüfungsauftrag klarer gegliedert und deutlicher als bisher be- schrieben werden. An dieser Hypothese ist jedoch ohnehin Zweifel anzu- melden. Dass nicht allein die Existenz der Kommissionen ausreicht, um kom- merzielle Organspenden zu unterbinden, zeigen Pressemitteilungen z.B. über Organtransplantationen zwischen israelischen Spender-Empfänger-Paaren. 303

303 Keller (2002b), Blech und Grossbongardt (2003). Kapitel 3: 3.3 Der „Lebendspende-Tourismus“ 129

3.3 Der „Lebendspende-Tourismus“ Des Weiteren wurde in der Umfrage von Fateh-Moghadam et al. von einer befragten Kommission der Vorschlag gemacht „eine Revision für den Fall eines ablehnenden Votums vor einer anderen Kommission zu ermöglichen.“ 304 Dieser daraus resultierende „Lebendspende-Tourismus“ von einer LSK zur nächsten, bis der Antrag positiv bewertet wird, ist durch die Art der Kommis- sionstätigkeit momentan nicht zu verhindern. So lautet die Selbsteinschätzung von 42 % der Kommissionen der vorliegenden Studie (s. S. 110). Ob eine Revision vor einer anderen LSK wünschenswert ist, erscheint fraglich. Vielmehr sollte ein Antrag von allen bundesdeutschen Kommissionen mit dem gleichen Ergebnis begutachtet werden, so dass sich die Frage einer Revision vor einer anderen Gutachtergruppe gar nicht erst stellt. Nach der Meinung von Hans-Ludwig Schreiber, Vorsitzendem der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der BÄK, geben die Kommissionen nur Empfehlungen ab, die nicht an ein anderes Transplantationszentrum oder eine andere Kommission weitergegeben werden müssen 305 . Im Rahmen der freien Arztwahl hat Schreiber keine Bedenken, wenn ein Patient an einer Klinik abgewiesen wird und sich dann an ein anderes Haus wendet. Hans Lilie machte bei der Anhörung der Enquête-Kommission 2004 den Vor- schlag, dass „die transplantierenden Ärzte und Organspender und Organ- empfänger zu erklären haben, ob sie bereits vor einer anderen Kommission zum Vorhaben der Organtransplantation mit Organspende gehört worden sind. Für den Fall, dass eine solche Anhörung stattgefunden hat, ist das Ergebnis dieser Kommission vorzulegen.“ 306 Von großer Bedeutung wäre allerdings eine Art Register, in dem die negativen Entscheide der bundesdeutschen Kommissionen erfasst und weiter ausgewertet werden können. In Bayern werden bspw. alle sechs Kommissionen von dem negativen Votum einer bayerischen LSK in Kenntnis gesetzt. 307 Eine derartige Praxis wäre m.E. für Gesamt-Deutschland wünschenswert. Dies würde zusätz-

304 Fateh-Moghadam et al. (2004b), S. 86. 305 Müller (2003). 306 Lilie (2004), S. 8. 307 Fateh-Moghadam (2003), S. 247. Kapitel 3: 3.3 Der „Lebendspende-Tourismus“ 130 lich dazu führen, dass die Arbeit der LSK vergleichbarer und transparenter wird. Eine gewisse Kontrolle der Arbeit der Kommissionen erfolgt über die zuständigen LÄK, die in der Regel die schriftliche Stellungnahme der LSK erhalten und verwahren. 308 Durch Datenschutz und vertrauliche Behandlung der Daten ist der Transparenz der Arbeit ohnehin von vornherein eine Grenze gesetzt. Allerdings sollte dabei auf den Informationsbedarf der Bevölkerung geachtet werden, um eine positive Einstellung zur Transplantationsmedizin zu fördern. Hierzu ein Beispiel: Großes Aufsehen bereitete 2003 das Bekanntwerden einer fragwürdigen Transplantation aus dem Jahr 2001. Ein nierenkranker Mann aus Israel stellte sich mit seinem vermeintlichen Neffen aus Moldawien in Essen zur Lebendspende vor. In Wahrheit hatten sich die beiden Männer durch einen „Organbroker“ in Israel kennen gelernt. Diesem hatte die Familie des Nieren- kranken mehrere hunderttausend Dollar bar gezahlt, um dann sowohl einen Organspender, die Reise und die Operationskosten zu erhalten. Die zuständige LSK der ÄK in Nordrhein lehnte es aufgrund unklarer Verwandtschafts- verhältnisse ab, sich mit dem Fall zu beschäftigen. Daraufhin soll der Essener Chirurg Christoph Broelsch Spender und Empfänger nach Jena verwiesen haben, wo sie sich bei der zuständigen Kommission vorstellten, die zu der Transplantation ihre Zustimmung gab. Am 6. Dezember 2001 kam es in Jena zur Operation. Broelsch transplantierte die Niere des 37-jährigen Moldawiers in den Körper des nierenkranken 66-jährigen Mechanikers aus Tel Aviv. Der Spender verlässt bereits nach einem Tag das Krankenhaus, der Organempfänger verstirbt, da die transplantierte Niere nicht ausreichend arbeitet. 309 Derartige Berichte über mögliche kommerzielle Organspenden häufen sich zeitweilig in den Pressespiegeln und stellen die Transplantationsmedizin ins Zwielicht. Der oben genannte Fall wäre durch eine Information der übrigen bundesdeutschen LSK nicht eingetreten. Negative Presseberichte über die Transplantationsmedizin werden lediglich dazu beitragen, die Spenderzahlen

308 Gutmann (2004), S. 5. 309 Blech und Grossbongardt (2003); s.a. Keller (2002b) und (2002a), Deutsche Presseagentur (2003), Schlingensiepen (2002). Kapitel 3: 3.3 Der „Lebendspende-Tourismus“ 131 zu senken und somit das Vertrauen der Bevölkerung in die Transplantations- medizin zu reduzieren. Ein erster Schritt auf der Kommissionsebene wäre, einen vermehrten Informationsaustausch zwischen den einzelnen LSK anzuregen. Durch eine Vernetzung der bundesdeutschen Lebendspendekom- missionen wäre außerdem eine weitere Angleichung der Vorgehensweisen möglich. Eine derartige Kooperation wünschten sich 50 % der Kommissionen (s. S. 110). Diese Idee fand auch in der Studie von Fateh-Moghadam et al. Erwähnung. Es wurde von einem „Wissenstransfer zwischen den einzelnen Kommissionen wie auch zwischen den Transplantationszentren und Kommissionen“ gesprochen 310 . Hier kam zusätzlich der Wunsch nach Rückmeldung von den Transplantationszentren an die LSK über Transplantationserfolge oder auch etwaige -misserfolge zur Sprache. Die gesellschaftliche Stimmung ist v.a. durch Angst vor Missbrauch geprägt. Die Lebendspende ist stark von der Unterstützung der Bevölkerung abhängig und diese kann nur durch kontinuierliche Aufklärung nachvollziehen, dass einige Transplantationsmediziner ihre Einstellung von Gegnern zu Protagonisten der Lebendspende radikal geändert haben. 311

310 Fateh-Moghadam et al. (2004b), S. 86. 311 Lück (2003), S. 527. Kapitel 3: 3.4 Standardisierung des Begutachtungsverfahrens 132

3.4 Standardisierung des Begutachtungsverfahrens Bei Betrachtung der Komplexität des gesetzlichen Begutachtungsauftrages der Kommissionen lag die Vermutung nahe, dass ein Wunsch nach Vereinheitlich- ung des Ablaufes bestehen könnte. Lediglich 50 % der LSK würden aber bundesweit einheitliche Regelungen begrüßen. Eine gesetzliche Verankerung solcher Regeln befürworten sogar nur noch 47 % (s. S. 106). Der Wunsch nach einem standardisierten Fragenkatalog für die Gespräche mit den Beteiligten wurde auch bei Fateh-Moghadam et al. ausgesprochen. 312 Außerdem befürworteten hier 69,4 % der Befragten die gesetzliche Verpflicht- ung, psychologische Gutachten einzuholen. Hierbei war die fachspezifische Affinität bei den Psychologen am höchsten und bei den Juristen am geringsten. In der momentanen Praxis gaben 82,9 % der Befragten an, dass bereits den medizinischen Voruntersuchungen eine psychologische Beratung vorgeschaltet sei. 313 Die gesetzliche Verpflichtung, eine psychologische Begutachtung durch- zuführen, wäre ein begrüßenswerter Schritt für die Schaffung einheitlich standardisierter Abläufe im Begutachtungsprozess. In diesem Zusammenhang forderte Gutmann die Schaffung „einheitliche[r] Standards in materiell-inhaltlicher (Entscheidungskriterien) und prozedural- organisatorischer Hinsicht (Verfahrenskriterien)“. 314

Die Sitzungshäufigkeit der einzelnen LSK variierte von minimal drei bis maxi- mal 40 Sitzungen pro Jahr. In den drei Sitzungen behandelten die Mitglieder jeweils zwei Anträge, in denen 40 Sitzungen waren es jeweils vier bis fünf An- träge (s. 2.3.2.3, S. 82). Es ist anzunehmen, dass die Erfahrungen von LSK mit 40 Sitzungen pro Jahr wesentlich größer sind als die derjenigen, die sich seltener treffen. Hingegen impliziert die geringere Anzahl der zu bearbeitenden Anträge auch, dass die einzelnen Punkte evtl. genauer geprüft werden können. Tatsächlich wurden von den 17 negativen Voten 12 von LSK mit relativ niedrigen Antragszahlen zwischen 12 bis 35 Anträgen pro Jahr ausgesprochen (s. 2.3.2.4, S. 82).

312 Fateh-Moghadam et al. (2004b), S. 86. 313 Ebenda, S. 85. 314 Gutmann (2004), S. 4. Kapitel 3: 3.4 Standardisierung des Begutachtungsverfahrens 133

Weitere ungeregelte Schritte im Begutachtungsverfahren sind die Ent- scheidungsfindung durch Einstimmigkeit oder Mehrheitsregelung und der Um- gang mit Enthaltungen. Elf LSK treffen ihre Entscheidung durch Einstimmig- keit. Eine weitere Kommission gab an, dass bereits eine einzige Gegenstimme zur negativen Begutachtung führt. Wiederum eine andere Regelung ist die Mehrheitsregelung oder die schriftliche Stellungnahme, sobald eine Ablehnung vorliegt. Dass bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden entscheidet, ist eine weitere divergierende Regelung. In zehn LSK ist eine Enthaltung nicht zulässig, fünf Kommissionen lassen Ent- haltungen zu und vier Kommissionen gaben an, dass dies noch nie vorgekom- men sei. Kapitel 3: 3.5. Das Begutachtungsverfahren 134

3.5 Das Begutachtungsverfahren Von 22 Kommissionen gaben 18 an, dass sie neben dem schriftlichen Antrag zusätzliche Unterlagen für die Begutachtung anfordern. Ein psychologisches Gutachten wurde dabei von zwölf LSK gefordert (s. S. 92). Dies ist angesichts des häufigen Wunsches nach einer gesetzlich vorgeschriebenen psycho- logischen Begutachtung nicht verwunderlich. Von elf Kommissionen wurde die medizinische Begründung für die Transplantation als zusätzliches Dokument gewünscht. Diese Regelung er- scheint fragwürdig, denn schließlich ist es nicht die Aufgabe der LSK, über die medizinischen Indikationen zu entscheiden. Bei der Befragung wurde allerdings auch sechsmal die Vergabe eines „bedingt positiven Votums“ von den Kommissionen erwähnt. Der Terminus „bedingt positiv“ wurde dabei von den LSK als positives Votum nach Ausschaltung bestimmter medizinischer Risikofaktoren erklärt. Jedoch stellt sich die Frage, ob eine derartige Votumvergabe über die Erfüllung medizinischer Kriterien wirklich Aufgabe der LSK ist. Des Weiteren wurden u.a. die Meldung des Empfängers bei Eurotransplant, die Kostenübernahmeerklärung der Versicherung des Spenders und der schriftliche Nachweis über die Aufklärung des Spenders und Empfängers gefordert (s. Tabelle 9, S. 91). Diese ausschnitthaft erwähnte Heterogenität der Wünsche der einzelnen Kom- missionen sowie die unterschiedlich detaillierten Angaben in den AG-TPG (s. S. 91) der Bundesländer zeigt eine deutliche Unsicherheit der LSK im Umgang mit ihrem gesetzlichen Prüfungsauftrag. Festzuhalten bleibt, dass es keine bundesweit einheitlichen Vorgaben über Unterlagen gibt, die dem Antrag auf Lebendorganspende zusätzlich beizufügen sind. Grundsätzlich sind die LSK berechtigt, von den Transplantationszentren weitere Dokumente oder Begründungen neben dem schriftlichen Antrag einzu- fordern. Bemerkenswert erscheint dabei allerdings, dass in einzelnen Bundes- ländern „der Prüfungsgegenstand der Kommissionen scheinbar auf alle Vor- aussetzungen des § 8 TPG, insbesondere auf die persönliche Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger ausgedehnt wird, während § 8 Abs. 3 S. 2 Kapitel 3: 3.5. Das Begutachtungsverfahren 135

TPG den Kommissionen lediglich die Aufgabe der Prüfung von Anhaltspunkten für Unfreiwilligkeit und Organhandel zuweist“ 315 (s. hierzu 1.4, S. 41). In anderen Bundesländern fehlen hingegen Angaben über Unterlagen, die dem Antrag beizulegen sind, so dass hier die Frage des Prüfungsgegenstandes ungeklärt bleibt. Im Rahmen der Vergleichbarkeit der Arbeit der einzelnen Prüfungskommis- sionen wäre eine Standardisierung der für die Begutachtung vorzulegenden Dokumente wünschenswert. Unsicherheiten der Kommissionen bzgl. der zu- sätzlich einzufordernden Unterlagen lassen sich durch eine gesetzliche Fest- legung und zwar sowohl im TPG als auch in den AG-TPG beheben. Somit ständen den einzelnen Kommissionen für ihre Prüfung annähernd gleiche Informationen zur Verfügung, so dass deren Arbeit und Voten vergleichbar werden könnten.

315 Fateh-Moghadam (2003), S. 249. Kapitel 3: 3.6 Bearbeitung 136

3.6 Bearbeitung 91 % (20) der befragten Kommissionen gaben an, dass sie nie einen Antrag auf Lebendorganspende ausschließlich nach Aktenlage entschieden haben. In zwei Kommissionen wurde hingegen eine Anzahl von Fällen nur nach Durchsicht der Akten begutachtet (s. S. 94). In welcher Art sich die Kommissionen einen persönlichen Eindruck vom Spender verschaffen sollen, wird in einigen Bundesländern durch das AG-TPG geregelt. Dabei ist die Anhörung des Spenders z.T. obligatorisch, in den meisten Ländern hingegen nur als „Soll-Vorschrift“ vorgegeben. 316 In der Regel erfolgt also eine Anhörung des Spenders. Eine Anhörung des Em- pfängers ist hingegen sehr uneinheitlich geregelt. Sobald überhaupt ein per- sönliches Gespräch stattfindet, wird dies in 100 % der Fälle mit dem Spender geführt, aber nur in 59 % der Fälle mit dem Empfänger. Dieses Ergebnis findet sich in der Studie von Fateh-Moghadam et al. bestätigt. Es gaben dort 59,9 % der Kommissionsmitglieder an, dass in der Regel ein Gespräch mit dem Spender stattfindet, während nur gut 50,5 % der Befragten eine Anhörung des Empfängers bestätigten. 317 36 % der LSK machten die Angabe, noch andere Personen zu befragen. Diese sind zumeist Verwandte, aber auch Lebenspartner, Dolmetscher oder Ärzte. In der Regel scheint also den Kommissionen die Befragung des Spenders und z.T. des Empfängers auszureichen, um eine gutachterliche Stellungnahme vorzu- nehmen. Anhand der Spendergespräche sollen die Freiwilligkeit und der Ausschluss möglichen Organhandels begutachtet werden. Der Schutz des Spenders hat dabei oberste Priorität. Es stellt sich allerdings die Frage, ob nicht auch der Empfänger schutzbedürftig ist. Gutmann stellt fest, dass „die Rolle des Empfängers im Kommissionsverfahren vollkommen ungeklärt [ist]“ 318 . Diese Unsicherheit basiere auf einer Unklarheit des TPG, das im Wortlaut nur von der „Einwilligung in die Organspende“ spricht. Es bleibt dabei offen, ob lediglich der Spender oder aber auch der Empfänger in die Organspende ein- willigen muss (s. 1.6.1, S. 64 ff.). Die informierte Einwilligung des Em-

316 Fateh-Moghadam (2003), S. 250. 317 Fateh-Moghadam et al. (2004b), S. 85. 318 Gutmann (2004), S. 7. Kapitel 3: 3.6 Bearbeitung 137 pfängers sollte deshalb auch von den Kommissionen geprüft werden. Gutmann fordert weiter, der Gesetzgeber solle festlegen, dass „der Empfänger nicht nur über die eigenen Risiken, sondern auch über diejenigen des Spenders aufzu- klären ist.“ 319 Aufgrund der einzigartigen Konstellation der Lebendorgans- pende im Medizinrecht sei eine derartige gesetzliche Grundlage erforderlich. Der vorrangig starke Schutz für den Spender ist unumstritten. Eine häufig er- wähnte Forderung ist die Einführung eines Lebendspenderegisters. Auf der An- hörung der Enquête-Kommission des Bundestages im März 2004 wurde ge- fordert, ein solches Register einzuführen, in dem „alle Daten der Eingriffe ge- sammelt und möglichen Spendern zur Abschätzung von Risiken zugänglich ge- macht werden [können]“. 320 Schneider sprach sich für ein Register aus, in dem alle Todesfälle sowie alle Komplikationen, von leichten bis schweren, während und nach einer Lebendspende sowohl bei Spendern als auch Empfängern auf- geführt werden. Für eine valide Datensammlung sei eine entsprechende gesetz- liche Meldepflicht notwendig, so Schneider. 321 Ein derartiges Register würde einer umfassenden Aufklärung über Risiken und Folgen einer Lebendspende eine fundierte Grundlage liefern. Die Kompli- kationsrate ist trotz des medizinisch-technischen Fortschritts noch recht hoch: Zwischen 0 und 20 % lag sie in den großen internationalen Transplantations- zentren innerhalb der letzten 15 Jahre. 322 „Viele Patienten klagten über Schmerzen und Beschwerden, die von den Ärzten kaum beachtet würden. Mehr als ein Drittel der Spender sei nach dem Eingriff drei Monate und länger arbeitsunfähig.“ 323 Es sollte dabei nicht vergessen werden, dass ein Lebend- spender nicht als Patient, sondern als Gesunder in eine Klinik kommt und diese auch wieder als solcher verlassen sollte. Zwar kann der Spender keine Garantie für einen komplikationslosen Verlauf erhalten, aber anhand eines Lebend- spenderegisters könnte er sich ein möglichst objektives Bild über die Risiken eines solchen Eingriffes machen. Die besonderen Risiko-Nutzen-Kalkulationen, die bei Fragen der Lebend- spende entstehen, werden auch durch weitere gesetzliche Vorgaben nicht ver-

319 Gutmann (2004), S. 7. 320 Stürmer (2004) . 321 Schneider (2004), S. 7. 322 Die Angaben schwanken hierbei zwischen 0 und bis zu 20 %, vgl. S. 18. 323 Müller-Jung (2004). Kapitel 3: 3.6 Bearbeitung 138 einfacht. Eine dieser grundsätzlichen Fragen ist bspw., ob es - angesichts des individuellen Risikoprofils des Spendewilligen - ein maximales Sterberisiko gibt, das dem Spender noch zugemutet werden kann. Siegler schlägt dabei vor, den zu erwartenden Nutzen für den Organempfänger gegen das Risiko für den Spender abzuwägen. Ein höheres Risiko für den Spender sei somit bei einer guten Prognose für den Empfänger akzeptabel. 324 Allerdings stellt sich dann die Frage, wann eine Prognose für den Empfänger als „gut“ bezeichnet werden kann. Gutmann kritisiert diese Aussage. „Wenn man generell sagt, eine Trans- plantation darf nicht stattfinden, weil ein Patient eine zu schlechte Prognose hat, dann sagt man, er ist es nicht wert. Das ist moralisch fragwürdig.“ 325 Es bleibt also weiter festzuhalten, dass Entscheidungen, die eine Lebendspende betreffen, immer an Einzelfallentscheidungen getroffen werden müssen. Eine Generalisierung ist dabei nicht möglich. Einhergehend mit der Einführung eines Lebendspenderegisters ist zu fordern, dass der Spender ausreichend abgesichert wird. Nach dem deutschen TPG sind Lebendspender lediglich gesetzlich unfallversichert. Inwieweit ein Spender im Falle einer Berufsunfähigkeit oder gar die Angehörigen im Falle des Todes des Lebendspenders abgesichert sind, ist äußerst fraglich. Deshalb forderten die Teilnehmer des internationalen Kongresses über die Ethik der Organtrans- plantation 2002 in München: „Living organ donors and their families must be adequatley insured against the risk of death and disability caused by the act of donation.” 326 Als Vorbild für eine derartige Absicherung wird die Schweiz ge- nannt. Dort haben die Kliniken mit einzelnen Versicherungsgesellschaften Ver- träge über Erwerbsunfähigkeits- und Lebensversicherungen für Spender ent- wickelt und abgeschlossen. 327 Ein weiterer viel diskutierter Punkt ist die Einführung eines sog. „donor-advocate“, eines Anwaltes zum Spenderschutz. Der Grundgedanke dabei ist, dass „potentielle Spender häufig damit überfordert sind, zu ihrem eigenen Schutz eine Grenze zu ziehen“. 328 Dies ist also ein auf Fürsorgepflicht begründetes Argument für einen moderaten Paternalismus (s. hierzu 1.5,

324 Keller (2003). 325 Ebenda; s.a. Kapitel 1 S. 60. 326 Gutmann (2004), S. 19. 327 Schneider (2004), S. 7. 328 Keller (2003). Kapitel 3: 3.6 Bearbeitung 139

S. 51). Eine Studie in den USA zeigte, dass potenzielle Spender sogar ein Sterberisiko von 21 % akzeptieren würden, wenn sie da durch das Leben eines geliebten Menschen retten könnten. Im Staat New York wurde bspw. ein Komitee zur Qualitätssicherung der Leberlebendspende eingesetzt. Dieses stellt dem Spender ein Anwalt-Team zur Seite, von dem mindestens einer aus- schließlich die Interessen des Spenders vertreten soll. Arthur Caplan, ein Bio- ethiker aus den USA, beschreibt eine stärkere Betreuung des Spenders durch unabhängige Personen. „Prospective donors must be given opportunities to discuss their options with persons who have no connection with the transplant team or the prospective recipient. In addition to talking to someone who can act as a “donor advocate”, prospective donors must also have the opportunity to meet with the transplant teams privately, and if desired, secretly, to ensure that their wishes are authentic and genuine and not merely the product of familial or cultural pressures.” 329 Wie wichtig es ist, die kulturelle Vielfalt in der Diskussion der Lebendspende zu beachten, zeigt die Warnung von Friedrich Wilhelm Eigler, dem ehemaligen Vorsitzenden der deutschen Transplantationszentren.330 Er wies darauf hin, dass Europa für benachbarte Kulturen anderer religiöser Prägung, insbesondere im Vorderen Orient, eine Vorbildfunktion besäße. Das Propagieren der Lebendspende unter Eheleuten könnte in Zukunft in diesen Ländern zu einem verstärkten Druck auf Ehefrauen erkrankter Männer führen. Grundsätzlich sollte man deshalb die globalen Auswirkungen bei einer generellen Werbung für die Lebendspende bedenken. Im Rahmen der Anhörung der Enquête-Kommission im März 2004 forderte Biller-Andorno, seinerzeit Ethikerin bei der Weltgesundheitsorganisation in Genf, dass „ein Anwalt unabhängig vom Transplantationszentrum dem Spender beratend zur Seite stehen [solle]“. 331 Gutmann forderte in diesem Zu- sammenhang von den Transplantationszentren die Installation von Beratungs- verfahren, die „im Sinne einer aktiven Intervention den autonomen Entscheidungsprozess der Betroffenen unterstützen und absichern können, die ihnen helfen, eine wirklich überlegte, eigene Entscheidung für oder gegen den

329 Caplan (1993), S. 1999. 330 Eigler (1997), S. 1400. 331 Stürmer (2004). Kapitel 3: 3.6 Bearbeitung 140

Eingriff zu treffen.“ 332 Den Spendern soll somit die Möglichkeit offen gehalten werden, zu jedem Zeitpunkt „mit Würde“ aus dem Lebendspendeprozess aus- steigen zu können (s. S. 58). Nach Gutmanns Ansicht könnte ein „donor- advocate“ zusätzlich hilfreich sein, der als Arzt, Psychologe oder als psychologisch geschulter Medizinethiker ausschließlich die Interessen des Spenders vertreten sollte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass neben der Einführung eines Lebendspenderegisters die Absicherung des Spenders sowohl finanziell und gesundheitlich als auch die Betreuung des Entscheidungsprozesses für oder gegen eine Spende mittels eines „Anwaltes“ in Deutschland dringend einer Weiterentwicklung bedarf.

332 Gutmann (2004), S. 16. Kapitel 3: 3.7 Der gesetzliche Auftrag 141

3.7 Der gesetzliche Auftrag laut TPG

3.7.1 Freiwilligkeit (§ 8 Abs. 3 S. 2 TPG) Bei der Befragung der Kommissionen nach Kriterien zur Bewertung der Freiwilligkeit einer Spende waren fünf LSK der Meinung, dass dies letztlich nicht prüfbar sei. Von zwei Kommissionen wurde sogar die Aussage gemacht, dass „staatsanwaltliche Ermittlungen“ nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehören (s. S. 100). Somit glaubt fast ein Viertel der Gutachtergruppen, den gesetz- lichen Auftrag nicht erfüllen zu können. Hieraus ergibt sich die Frage, ob diese Aussage auf Resignation, d.h. auf der Einsicht, Freiwilligkeit sei unmöglich zu überprüfen, oder aber auf einem Mangel von Bewertungskriterien für Frei- willigkeit basiert. Denn letztlich kann eine Beurteilung erst stattfinden, wenn vorher Maßstäbe zur Bewertung entwickelt wurden. Von den übrigen Kommissionen vertraten 60 % die Meinung, dass psychischer Druck oder aber die Abhängigkeit von der Familie der häufigste Anhaltspunkt gegen die Freiwilligkeit einer Spende ist. Dieses Ergebnis findet sich auch in der Studie von Fateh-Moghadam et al. wieder. Der „Grad der Einflussnahme auf die Entscheidung des Spenders durch Dritte“, etwa durch Druck von außen oder von Familienangehörigen, wurde als eines der drei „harten Kriterien“ 333 für die Bewertung der Freiwilligkeit eingestuft. 334 Die „generelle Ein- willigungsfähigkeit/Entscheidungskompetenz des Spenders“ und die „hin- reichende medizinische Aufklärung des Spenders“ wurden ebenfalls als harte Kriterien bewertet. Auffallend an der Studie war das Ergebnis, dass gut 30 % der Befragten der Aufklärung des Spenders hinsichtlich sonstiger Umstände der Transplantation – bspw. Erfolgsaussichten beim Empfänger oder Alternativen zur Lebend- spende – kein großes Gewicht bei der Beurteilung von Freiwilligkeit zu- schrieben 335 . Eine Einwilligung zur Lebendspende kann jedoch nur freiwillig erfolgen und wirksam sein, wenn der Spender umfassend über alle Risiken, Aussichten und sonstigen Umstände aufgeklärt wurde (vgl. hierzu § 8 Abs. 2 S. 1 TPG).

333 Unter einem harten Kriterium wurden die Kriterien verstanden, die von 75-100 % der Befragten der Studie als entscheidend eingeschätzt wurden. 334 Fateh-Moghadam et al. (2004a), S. 22. 335 Ebenda, S. 29. Kapitel 3: 3.7 Der gesetzliche Auftrag 142

Das grundsätzliche Problem bei der Ausführung des gesetzlichen Auftrages durch die LSK basiert auf einem uneinheitlichen Verständnis des Begriffes „Freiwilligkeit“. Das BSG versuchte in seinem Urteil vom 10.12.2003 (Az: B9 VS 1/01 R) „Freiwilligkeit als Kriterium des Ausdrucks des Respekts vor der Autonomie der Entscheidung des Spenders und dessen Schutz vor Schäden durch Fremdbestimmung“ zu interpretieren. 336 Die Erläuterung der vielfältigen Interpretationen von Freiwilligkeit würde den Rahmen dieser Arbeit über- schreiten. Letztendlich bleibt anzunehmen, dass der Begriff „Freiwilligkeit“ als Konstrukt dienen soll, um die Legitimation für einen operativen Eingriff an einem gesunden Körper anhand der Einwilligung zu messen. 337 Die Vorsitzenden der LSK wurden gebeten, ihre Arbeit bzgl. der Beurteilung der Freiwilligkeit selbst einzuschätzen. 62 % der Kommissionen gaben dabei an, dass sie glauben, Freiwilligkeit valide beurteilen zu können (s. S. 114). Es ist jedoch auffallend, dass 29 % der Befragten nicht glauben, diesen Prüfauftrag erfüllen zu können. Dies gehört jedoch zum zentralen Auftrag, den die Kommissionen laut Gesetz erfüllen sollen (§ 8 Abs. 3 TPG).

3.7.2 Ausschluss von Organhandel (§8 Abs. 3 S. 2 TPG) Die Frage nach Kriterien zum Ausschluss möglichen Organhandels beantwort- eten sieben LSK mit der Aussage, dass diese Problematik bei ihnen bisher noch nicht aufgetreten sei. Wie schon bei der Frage nach Kriterien der Freiwilligkeit der Spende machten zwei Kommissionen den Zusatz, dass „juristische Re- cherchen“ nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehören. Wie schon oben erwähnt, kann etwas nur ausgeschlossen werden, wenn klar definiert ist, auf welche Weise geprüft werden soll. Es stellt sich somit die Frage, wie diese LSK dem Prüfungsauftrag nachkommen können, wenn sie keine Kriterien zur Prüfung erarbeitet haben. Zehn LSK erklärten die wirtschaftliche Lage von Spender und Empfänger als ein wichtiges Kriterium der Prüfung. Dabei sagten 42 % aus, dass darunter ein Ungleichgewicht der finanziellen Möglichkeiten von Spender und Empfänger sowie auch Vorteilsversprechungen fallen (s. S. 101). In der Studie von Fateh-

336 Lilie (2004), S. 7, BSG (2003), Schroth (2004). 337 Weitere Ausführungen hierzu bei Fateh-Moghadam et al. (2004a), S. 28. Kapitel 3: 3.7 Der gesetzliche Auftrag 143

Moghadam und seinen Mitarbeitern antworteten 44,1 % auf die folgende Frage mit einem klaren „nein“: „Inwiefern werten Sie Dankbarkeitsgesten (etwa eine Essens- oder Urlaubseinladung) des Empfängers gegenüber dem Spender als Organhandel?“. 338 Auch hier merkten 12,6 % der Befragten an, dass ein solcher Fall im Laufe ihrer Tätigkeit noch nicht vorgefallen oder nicht bekannt ge- worden sei. Auf die Frage, welche Auslöser zu kontroversen Diskussionen über Organ- handel innerhalb der Kommissionen geführt haben, bezogen sich die Ant- worten v.a. auf die Beziehungsstruktur zwischen Spender und Empfänger. Nach ungeklärter oder fehlender persönlicher Verbundenheit folgten finanz- ielle Abhängigkeit, Dankbarkeitsgesten und ein starkes Altersgefälle zwischen Spender und Empfänger. Fragwürdige Fallkonstellationen waren dabei offen- bar überdurchschnittlich oft mit der Beteiligung ausländischer Spender ver- bunden. In einem Fall wurde die Spende angeblich sogar mit einem Asylantrag verknüpft. Fateh-Moghadam et al. berichten von drei Kommissionsmitgliedern, die angaben, dass „Organhandel nie völlig ausgeschlossen werden könne. Für den Fall, dass keine Anzeichen dafür sichtbar werden, würde der Transplantation jedoch zugestimmt.“ 339 Die Kommissionsmitglieder wurden in unserer Umfrage gebeten, selbst einzuschätzen, ob sie ihr Vorgehen für geeignet halten, möglichen Organhandel auszuschließen. Es gab interessanterweise diesbezüglich keine einheitliche Antwort (s. S. 101). 33 % der Befragten glaubten, dass sie durch ihre Arbeit potenziellen Organhandel verhindern können. Andererseits sind 29 % der Meinung, dies nicht leisten zu können. Somit liegt die Vermutung nahe, dass dieser Prüfauftrag eine noch problematischere Thematik als schon die Beurteilung der Freiwilligkeit darstellt. Die beiden wesentlichen Aufträge des Gesetzgebers, die Prüfung der Frei- willigkeit und der Ausschluss von Organhandel, werden von jeweils knapp 30 % der befragten Kommissionen als in der Praxis nicht erfüllbar angesehen.

338 Fateh-Moghadam et al. (2004b), S. 84. 339 Ebenda, S. 84. Kapitel 3: 3.7 Der gesetzliche Auftrag 144

Die LSK wurden weiter demonstrativ gefragt, ob sie in ihrer Arbeit eine „Alibifunktion“ sehen würden. Überraschenderweise verneinten 71 % der LSK diese Möglichkeit. Mehr als 2/3 der Kommissionen halten demnach ihre Arbeit für geeignet, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Von einer Kommission wurde dabei die Anmerkung gemacht, dass bereits „das Bestehen des Erfordernisses, eine Kommission einzuschalten, präventiv wirkt und nicht erst die eigentliche Tätigkeit der Kommission.“ Diese Aussage legt den Schluss nahe, dass die eigentliche Hürde im Begutachtungsverfahren der Prozess bis zur Antragsstellung bei den Kommissionen ist. Die Prüfung liefe demnach nur noch pro forma ab. Durch diesen Umstand wird die Arbeit der LSK zu einer Alibifunktion abgewertet. Insgesamt sehen knapp 30 % der Befragten in ihrem Handeln eine „Alibifunktion“ und gestehen damit indirekt die Defizite bei der Erfüllung der Aufgaben ein (s. S. 113). In der Umfrage von Fateh-Moghadam et al. wurde der Existenz der Kommis- sionen ebenfalls eine abschreckende Funktion bzgl. potenzieller Interessenten für gehandelte Organe zugesprochen. Außerdem wurde behauptet, dass „die Anwerbung von bezahlten Lebendspendern aus Armutsregionen für Organ- lebendspenden in deutschen Transplantationszentren weitgehend ausgeschlossen sein [dürfte]“. 340 Wie oben bereits erwähnt, ist diese Aussage allerdings nicht ganz unproblematisch zu werten (s. hierzu ein Beispiel S. 130). Fateh-Moghadam et al. stellen weiterhin fest, dass die Kommissionsmit- glieder den äußerst weit gefassten gesetzlichen Organhandelstatbestand einschränkend auslegen und somit „sozialübliche und in den konkreten Beziehungsverhältnissen übliche Dankbarkeitsgesten ausgenommen werden müssten. Auch die versicherungsrechtliche Absicherung von Risiken des Lebendspenders“ wurde für unproblematisch gehalten.341 Des Weiteren wurde aber auch darauf hingewiesen, dass die Angemessenheit von Dankbarkeits- gesten im Einzelfall schwer abzugrenzen sei. Die Problematik des Organ- handels ist ein international wichtiges Thema. Das Bestehen von Organhandel und kommerziellem Organtourismus in einzelnen Ländern wie Indien oder Iran kann nicht geleugnet werden. 342

340 Fateh-Moghadam et al. (2004b), S. 90. 341 Ebenda, S. 89. 342 Vgl. Radcliffe-Richards et al. (1998), Steiner (2003), Zargooshi (2001). Kapitel 3: 3.7 Der gesetzliche Auftrag 145

3.7.3 Persönliche Verbundenheit (§ 8 Abs. 1 S. 2 TPG) Die Kommissionen wurden in einer offenen Frage darum gebeten, Kriterien aufzuführen, anhand derer sie die „besondere persönliche Verbundenheit“ von Spender und Empfänger bewerten. Drei LSK machten die Angabe, dies sei kein Prüfungsgegenstand der Kommissionen. Eine dieser LSK gab sogar an, dass das Ministerium des betreffenden Bundeslandes der Kommission keine Kompetenz hinsichtlich der Bewertung dieses Kriteriums zugesprochen haben. Die „besondere persönliche Verbundenheit“ wird im TPG unter § 8 Abs. 1 als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Organspende verlangt. Der Prüfungsauftrag der Kommissionen wird tatsächlich erst unter Abs. 3 definiert, so dass unklar bleibt, ob die Verbundenheit Gegenstand des Prüfverfahrens ist oder nicht. 17 Kommissionen geben Kriterien für diese Prüfung an, dabei zeigte sich v.a. das Beziehungsmuster der Betroffenen als prüfungsrelevant: die Häufigkeit ge- meinsamer Tätigkeiten in der Freizeit oder im Urlaub, die Art und Dauer der Bekanntschaft, allerdings auch die Motivation zur Spende und das öko- nomische Verhältnis. 343

In der Untersuchung von Fateh-Moghadam et al. bejahten 88,3 % der befragten Kommissionsmitglieder, dass sie die besondere persönliche Verbundenheit von Spender und Empfänger überprüfen. 344 Der eigentliche Wortlaut des Prüfungs- auftrages der LSK spricht zunächst gegen diese Prüfung. Daraus ergibt sich die Frage, in wieweit die Kommissionen die Befugnis besitzen, dieses Kriterium zu überprüfen und mit in ihre Begutachtung einfließen zu lassen. Fehlende besondere persönliche Verbundenheit kann ein Indiz dafür sein, dass „die Organspende nicht freiwillig erfolgt oder ein Fall von Organhandel vorliegt“. 345 Andererseits besteht gerade innerhalb enger persönlicher Verhält- nisse die Gefahr von unzulässiger Einflussnahme durch nötigenden Druck oder auch finanzielle Anreize. Von Fateh-Moghadam et al. wurde aus diesem Grund die Aussage gemacht, dass die über den gesetzlichen Wortlaut hinausgehende Kompetenzzuweisung rechtsstaatlich nicht unbedenklich sei und hier unter den

343 Vgl. hierzu S. 100. 344 Fateh-Moghadam et al. (2004b), S. 82. 345 Ebenda, S. 87. Kapitel 3: 3.7 Der gesetzliche Auftrag 146

Kommissionen Unsicherheiten bestünde, die durch den Gesetzgeber Klar- stellung verlangten. 346

3.7.4 Zusätzlich geprüfte Kriterien Es wurde nach weiteren Kriterien der Prüfung im Begutachtungsverfahren zur Lebendspende gefragt. 59 % sagten aus, dass neben der Freiwilligkeit, dem Ausschluss möglichen Organhandels und der Beziehung zwischen Spender und Empfänger keine weiteren Kriterien begutachtet würden. Bei den übrigen 41 % spielte v.a. der Umfang der Aufklärung sowie die finanzielle Absicherung des Spenders eine große Rolle. Von zwei LSK wird der Hinweis gegeben, dass auch medizinische Kriterien betrachtet werden und bei Bestehen eventueller Risikofaktoren um eine Wiedervorstellung nach Ausschaltung dieser Faktoren gebeten wird (s. S. 104). Streng genommen besteht der gesetzliche Auftrag nur darin, dass die LSK die unter § 8 Abs. 3 beschriebenen Voraussetzungen prüfen, wobei allerdings eine Einschränkung gemacht wurde: „Das Nähere, insbesondere zur Zusammen- setzung der Kommission, zum Verfahren und zur Finanzierung, wird durch Landesrecht bestimmt.“ Somit besteht hier ein gewisser Spielraum, damit durchaus von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Vorgaben gemacht werden können, wie genau diese Prüfung zu erfolgen hat.

Es wurde weiter nach der Selbsteinschätzung der Kommissionen gefragt, inwieweit sie glauben, durch ihre Arbeit einen Beitrag zur besseren Moral im Bereich der Lebendspende leisten zu können. Etwa die Hälfte (49 %) der LSK vertreten die Meinung, die Moral in der Lebendspende positiv beeinflussen zu können. Allerdings hatten 29 % der Befragten keine eindeutige Meinung zu dieser Frage, so dass darüber spekuliert werden kann, dass knapp 1/3 der Kom- missionen nicht in der Lage sind, ihren Stellenwert im Organspendeprozess klar zu bewerten.

346 Fateh-Moghadam et al. (2004b), S. 88. Kapitel 3: 3.8 Ausweitung der Organspende 147

3.8 Ausweitung der Organspende Anhand von drei Fragen wurde die allgemeine Einschätzung der LSK zur möglichen Ausweitung der Organspende untersucht.

3.8.1 Finanzieller Anreiz Eine deutliche Absage erteilten die Kommissionen hierbei der Einführung von finanziellen Anreizzahlungen für eine Organspende. 71 % lehnten diese ab, lediglich 14 % würden finanzielle Anreize begrüßen (s. S. 119). Hans Lilie brachte 2004 bei der Anhörung „Organspende“ der Enquête- Kommission den Vorschlag ein, dass im Fall einer finanziellen Entschädigung für Spender an eine individuelle Staffelung entsprechend dem Prinzip des Tagessatzsystems bei der Strafbemessung von Geldstrafen gedacht werden könnte. Auf diese Weise würde dem Einzelnen durch die Entschädigung kein unverhältnis- mäßiger Anreiz zur Spende geboten. 347 Johannes Reiter, katholischer Moral- theologe, plädierte ebenfalls für die Ausweitung der Lebendspende in Richtung finanzieller Anreize, die allerdings nicht die Motivation des Spenders beeinflusse , sondern alle Folgeschäden kompensieren sollen. 348 Seit Anfang der 1990er- Jahre wurde der Begriff des „rewarded gifting“ in der internationalen Debatte der Organspende geprägt (s. Kapitel 1.5.7, S. 62). Der englische Arzt Robert Sells beschrieb die Situation in Indien wie folgt: „Kidney donation with incentive (called `rewarded gifting`) has been adopted at at least one Indian hospital: briefly, recipients pay a `solatium` to the donor, either through the hospital or directly; agents are apparently not used, […]. The solatium consists of a modest payment to the donor, who is also offered free health insurance for a period of 3 years after the kidney is donated.” 349 Die fundamentalen Kontraargumente zu dieser Idee der finanziellen Entschädigung sind die gesellschaftliche Spaltung in eine Gruppe, die ein Transplantat benötigt und in eine Gruppe, die bereit ist, ein Organ gegen einen bestimmten Geldbetrag abzugeben. Trotz des medizinischen Fortschritts besteht weiterhin die Gefahr der Übertragung von Krankheiten wie z.B. HIV oder Hepatitis v.a. natürlich bei Transplantation eines erkauften Organs im Ausland. Wenn die Organspende auf diese Weise ausgeweitet wird, begibt man

347 Lilie (2004), S. 9-10. 348 Reiter (2005), S. 87 ff., Achilles (2007) 349 Sells (1992), S. 2095. Kapitel 3: 3.8 Ausweitung der Organspende 148 sich wegen des „slippery slope“ auf unsicheren Grund, der wahrscheinlich bei der vollen Kommerzialisierung der Lebendspende endet. 350 Zu guter Letzt besteht die Gefahr der Ausbeutung und Unterdrückung derer, die durch den Organverkauf einen Weg aus ihrem wirtschaftlichen Engpass sehen. Vermarkt- ung verhindert altruistische Spenden. Gilt eine Einwilligung auch im Fall ex- tremer Armut? Oder gilt die allgemeine Ablehnung der Vermarktung des menschlichen Körpers? 351 Robert Veatch, Professor für Medizinethik in den USA, befürchtet, dass attrak- tive Metaphern wie „rewarded gifting“ oder „Spende“ positive Umschreib- ungen sind, um über die linguistische Veränderung von einem Organspender zu einem Organverkäufer hinwegzutäuschen 352 . „Once the organ is supplied in response to payment, it is hard to continue to refer to the organ source as a `donor`. He or she becomes a `vendor`, one who is paid for a product. [...] The term `rewarded gifting` seems to be proposed only because liberal western societies are so strongly committed to the gift model that it is attractive to try to make sales sound like gifts.” Die Begriffe „Belohntes Geschenk“ oder „Be- zahlte Spende“ sind Euphemismen, um negative Assoziationen zu umgehen, die mit dem Wort „Handel“ verbunden sind. In der Öffentlichkeit werden in- direkte Bezahlungen eher akzeptiert, so gibt es bspw. Vorschläge, dass Träger von Organspendeausweisen zu Lebzeiten Rabatte bei den Kranken- versicherungen gewährt bekommen sollten. 353 Sind solche ökonomischen Gedanken in der Transplantationsmedizin zulässig? Tobias Schmidt-Wilcke wies darauf hin, dass seit der Einführung des neuen Vergütungssystems (DRG) in den Krankenhäusern der Begriff „Krankheit“ um einen ökonomischen Aspekt erweitert worden ist. Anhand der ICD 10 müssen Ärzte Krankheiten einordnen, um verursachte Kosten zu rechtfertigen. Bei diesem System besteht die Gefahr, dass Patienten „kränker“ gemacht würden, nur damit Kosten erklärbar werden. Inwiefern kann eine derartige Fall- pauschale die entstehenden Kosten für eine Lebendspende decken? Immerhin

350 Birnbacher (2000), S. 23. 351 Sells, S. 2095. 352 Veatch (2003), S. 21-22. 353 Keller (2002a); weitere Ausführungen zu diesem Thema s. Veatch (2003), Delmonico et al. (2002); Daar (1992); Dossetor (1992). Kapitel 3: 3.8 Ausweitung der Organspende 149 betrifft die Operation mindestens zwei, im Fall von Überkreuz-Spenden sogar vier Personen. 354 In Deutschland ist eine finanzielle Entschädigung des Spenders gesetzlich untersagt. Fraglich dabei ist, ob eine finanzielle Absicherung des Spenders im Sinne einer Versicherung für Zukunftsschäden sowie andere Folgeprobleme der Spende nicht sinnvoll wäre 355 . Es wird immer schwierig sein, die finanzielle Absicherung des Spenders klar abzugrenzen gegenüber einer Bezahlung des gespendeten Organs. Unerwünschte Szenarien sind die bekannt gewordenen Beispiele von zwei jungen deutschen Männern, die ihre Niere über das Internet zum Verkauf angeboten hatten. Beide sind von Gerichten verurteilt worden, bevor es zu einem Organverkauf kommen konnte. 356 Dennoch bleibt die Vermutung, dass es auch zu erfolgreichen Organtransaktionen gekommen ist, die nur nicht an die Öffentlichkeit gelangt sind. 357 Die Art einer möglichen Entschädigung wird breit diskutiert. Eine Verknüpf- ung von der Leichen- und Lebendspende wurde vorgeschlagen: „Wer sich als gesunder Mensch zur Totenspende bereit erklärt, soll im Krankheitsfall zeitlich vor den Nichtspendern mit einem Organ bedient werden, soweit die medizini- schen Gegebenheiten dies zulassen.“ 358 Sogar die Möglichkeit des Straferlasses bei Organspende wurde in den USA diskutiert. 359 In einer Befragung von 80 deutschen Nierenlebendspendern hat sich gezeigt, dass sich kein finanzieller Nachteil für den Spender ergeben hat. 92 % der Spender würden erneut spenden, 53 % sagen aber auch, dass sich die Bereitschaft zur Spende durch einen finanziellen Ausgleich erhöhen ließe. Ihrer Vorstellung nach bewege sich eine angemessene Entschädigung zwischen 5.000 und 15.000 Euro. 360

354 Schmidt-Wilcke (2003). 355 Lilie (2004), S. 9. 356 Associated Press (2003). 357 Blech und Grossbongardt (2003) beschreiben, dass am Universitätsklinikum Essen jeweils „eine Niere von einem moldawischen, einem ukrainischen und einem weißrussischen Spender explantiert und jeweils einem israelischen Empfänger eingepflanzt [wurde]“. 358 Horn (2003). 359 Bartz (2003): die „Operation Blue“ bezeichnet einen Programmvorschlag eines U.S.- Häftlings, der Sträflingen, die ein Organ lebend oder postmortal spenden wollen, einen Strafnachlass gewähren soll. Hierzu auch: FAZ (2003b), Taupitz (1998) und Taupitz (2003). 360 Senninger und Wolters (2005), S. 59. Kapitel 3: 3.8 Ausweitung der Organspende 150

Eine Annäherung in der Frage der finanziellen Anreizzahlungen ist für Deutschland in nächster Zeit nicht zu erwarten, aber es wird weiterhin sehr wichtig bleiben, die internationale Debatte diesbezüglich zu verfolgen.

3.8.2 Anonymer Organpool Der Möglichkeit, in einen anonymen Organpool zu spenden, widersprechen 49 % der Kommissionen. Hingegen würden 30 % dieser Option zustimmen (s. S. 119). Aufgrund der guten internationalen Erfahrungen sowie der nicht strikt ab- lehnenden Haltung der LSK bzgl. möglicher Poolspenden, sollte diese Variante auch in Deutschland zumindest intensiver diskutiert werden. Der Transplantationsmediziner Broelsch appellierte an die „Bereitschaft der Menschen zur Solidarität“ und verwies auf staatlich kontrollierte Programme zur Lebendspende unter Nichtverwandten in den Niederlanden und in Israel. 361 In beiden Ländern existiert ein zentrales Register, das lebend gespendete Organe zuteilt. In Israel wurde auch über die Einführung einer finanziellen Ent- lohnung der Spender aus der Staatskasse nachgedacht, um illegalem Handel den Nährboden zu entziehen. In Deutschland sprach sich u.a. der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation der BÄK Schreiber dafür aus, anonyme Organspenden in Deutschland zuzulassen. 362 Er regte die Möglichkeit an, eine Lebendspende an einen Spenderpool geben zu dürfen, aus dem die Organe wie Leichenspenden nach bestimmten Kriterien frei von jeder Kom- merzialisierung verteilt werden sollten. 363 Eine Aufwandsentschädigung für den Spender sei seiner Meinung nach erforderlich. In den USA wird bereits ein Austauschmodell für Lebend- und Leichenorgane durchgeführt. 364 Der Organ- empfänger erhält ein postmortal gewonnenes Organ im Austausch gegen ein für ihn von einem Lebendspender an den „Organpool“ gespendetes Organ. Dieses Vorgehen wird als „list-paired exchange of kidneys“ beschrieben. 365 Die medizinischen Ergebnisse sind bisher als positiv bewertet worden. Ge- nerell müssen auch bei einer Poolspende alle medizinischen und gesetzlich ge- forderten Voraussetzungen vom Spender erfüllt sein. Als Argument gegen eine

361 Müller-Jung (2004). 362 Stürmer (2004). 363 Müller (2003). Beckmann (2007) 364 Delmonico et al. (2002), Gutmann (2004) S. 10. 365 Gutmann (2004), S.10. Kapitel 3: 3.8 Ausweitung der Organspende 151

Ausweitung des Spenderkreises wird immer die Gefahr der Kom- merzialisierung sowie der Spenderschutz genannt (s.a. S. 58 und 1.5.7, S. 62).

3.8.3 Cross-over-Spenden 36 % der LSK stimmten der Möglichkeit der Legalisierung von Cross-over- Lebendspenden in Deutschland zu. 33 % lehnten dies ab (s. S. 119). In der europäischen Diskussion zu diesem Thema wird deutlich, dass die Zulässigkeit der Überkreuz-Lebendspende den einheitlichen Trend der strikten Begrenzung des Spenderkreises lockert. Die Schweiz, Niederlande und auch Spanien haben dabei z.T. bereits Programme geschaffen. 366 Beispielsweise wurde in den Niederlanden 2004 ein nationales Überkreuz-Nierenspendeprogramm be- schlossen, das innerhalb des ersten Jahres zu 60 Transplantationen führte. 2003 wurde mit dem Urteil des BSG festgestellt, dass Überkreuz-Nierenspenden prinzipiell mit dem Transplantationsgesetz vereinbar seien (s. S. 44). Daraufhin wurde in den nephrologischen und transplantationschirurgischen Abteilungen der Universitätskliniken Düsseldorf, Essen und Köln-Merheim begonnen, ein gemeinsames Überkreuz-Nierenspendeprogramm aufzubauen. 367 Am 12.09.2005 wurde die erste Überkreuz-Nierenspende nach dem neuen Konzept durchgeführt. Die gesetzlich geforderte persönliche Verbundenheit wurde von den Paaren schriftlich bestätigt und notariell beglaubigt. Die Arbeitsgruppe hat weiterhin begonnen, überregionale Patientenlisten mit immunologischen Daten zu schaffen, um den Paaren die Basis für die Entwicklung der notwendigen persönlichen Verbundenheit zu geben. Auch muss die Verbundenheit für jeden Einzelfall individuell festgestellt werden, das alleinige Kennenlernen im Rahmen des Spendeprozesses reicht sicher nicht als Begründung aus. 368 Der erste Schritt für die Ausweitung der Lebendorganspende in Deutschland ist somit getan. Bei Betrachtung der Akzeptanz möglicher Erweiterungen des Spenderkreises zeigt sich, dass die LSK am ehesten einer Überkreuzspende zustimmen würden. Ein anonymer Organpool würde noch vor der Einführung

366 Gutmann (2004), S. 10, zur Handhabung in den USA s.a. National Kidney Foundation et al. (2000); Witzke et al. (2005), S. 2699. 367 Witzke et al. (2005), S. 2701 ff.; Das Programm beinhaltet folgende Selektionskriterien: Geschlechtsgleichheit zwischen Spender und Empfänger, der Altersunterschied zwischen Spender und Empfänger soll kleiner 10 Jahre sein, Anzahl der Summe der HLA-Differenzen beider Paare und die Wartezeit. 368 Schreiber (2005), S. 2693. Kapitel 3: 3.8 Ausweitung der Organspende 152 einer finanziellen Entschädigung akzeptiert. Eine mehrheitliche Zustimmung findet jedoch keine dieser Möglichkeiten. Kapitel 3: 3.9 Konsequenzen für Klinik und Praxis 153

3.9 Konsequenzen für Klinik und Praxis Es gibt kein internationales Gremium, das sich mit der deutschen LSK vergleichen lässt. Durch die mittlerweile z.T. achtjährige Existenz der Kommissionen sind sie zu einem festen Bestandteil des Lebendspende- prozesses geworden. Allerdings sollte in Zukunft vermehrt Wert auf die Vergleichbarkeit der Arbeitsweise und den an die LSK herangetragenen Auftrag gelegt werden. Folgende Themen sollten für die Zukunft besondere Beachtung: 1.) Die Begutachtungspraxis durch die LSK weicht teilweise erheblich voneinander ab. Daraus resultiert eine ethische und juristische Unsicherheit für die Transplantationsmedizin, die durch das TPG eigentlich verringert werden sollte. 2.) Die LSK wünschen zwar keine verbindlichen nationalen Regelungen, aber eine Vernetzung untereinander wird mehrheitlich begrüßt. Daher sollten auf dieser Ebene einheitliche Begutachtungskriterien für Anträge auf Lebendspende erarbeitet werden. 3.) In erster Linie sollte geklärt werden, ob in jedem Fall eine persönliche Anhörung des Spenders erforderlich ist, welche Dokumente einem Antrag auf Lebendspende beigefügt werden müssen und ab wann eine Bevorzugung des Spenders als Organhandel zu werten ist. Dadurch könnte die Glaubwürdigkeit des TPG und das Vertrauen in die Transplantationsmedizin insgesamt gestärkt werden.

Weiterhin ist es von großer Bedeutung, dass die internationalen Erfahrungen in der Lebendspende immer wieder in die Diskussion mit einbezogen werden. Gerade in Bezug auf eine mögliche Ausweitung der Organspende wird man sich in Zukunft viel an internationalen Erfahrungen orientieren können. Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Transplantationsmedizin zu stärken, sind strikte Regelwerke unumgänglich. Kapitel 3: 3.10 Zusammenfassung 154

4 Zusammenfassung Die Lebendorganspende ist als Bestandteil der Transplantationsmedizin fest etabliert. Das Transplantationsgesetz (TPG) macht in Deutschland seit 1997 die Einrichtung von Lebendspendekommissionen (LSK) erforderlich. Diese LSK dienen zur juristischen und ethischen Absicherung des Lebendorganspendever- fahrens. Sie haben den gesetzlichen Auftrag, die Freiwilligkeit der Spende und das Verbot von Organhandel sicherzustellen. Bisher war wenig über Struktur und Vorgehensweise der LSK bekannt. In der vorliegenden Arbeit werden die Ergebnisse einer deutschlandweit durchgeführten Umfrage unter den LSK dar- gestellt. Darüber hinaus wurden Daten zur Selbsteinschätzung der juristischen und moralischen Funktion der LSK und zur Bewertung ethischer Aspekte der Lebendorganspende erhoben. An der Umfrage haben sich alle deutschen LSK beteiligt (n = 23).

Insgesamt arbeiteten im Untersuchungszeitraum 195 Personen als ordentliche Mitglieder oder deren Stellvertreter in den bundesdeutschen LSK. 49 % der Mitglieder waren Ärzte, es folgten Juristen mit 30 % und Psychologen mit 13 %. In der Struktur der Kommissionen ist auffällig, dass weibliche Mit- glieder mit 26 % gegenüber 74 % männlicher Mitglieder deutlich in der Minderheit sind. Betrachtet man hingegen das Geschlecht der Lebendspender, so zeigt sich, dass wesentlich mehr Frauen Organe spenden und Männer häufiger Organempfänger sind. Dieses Ergebnis hat sich auch international bestätigt. Die Ursachen für diesen „Nettoorganverlust“ bei Frauen sind bisher nicht vollständig geklärt. Auch aus diesen Gründen sollte ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis innerhalb der LSK in Zukunft angestrebt werden. Ins- gesamt nahmen die Antragszahlen in den Jahren 2000 bis 2002 stetig zu.

Die LSK traten je nach Antragslage zu drei bis maximal 40 Beratungen pro Jahr zusammen. Insgesamt wurden 17 von 1.641 Anträgen (1 %) abgelehnt. Das Begutachtungsverfahren ist zwar gesetzlich vorgeschrieben, aber bisher herrscht keine Klarheit darüber, wie mit einem negativen Votum der Kommis- sion umgegangen werden muss. Das Kommissionsvotum stellt also für den Operateur momentan keine verfahrensrechtliche Sicherheit her. Von den LSK Kapitel 3: 3.10 Zusammenfassung 155 wurde mehrheitlich der Wunsch nach einer gesetzlichen Verpflichtung des Chirurgen durch das Votum geäußert. 91 % der LSK gaben an, dass Anträge nie ausschließlich nach Aktenlage entschieden werden. In zwei Kommissionen wurde hingegen ein Teil der Fälle nur nach Durchsicht der Akten begutachtet. Wenn im Rahmen der Begutachtung persönliche Gespräche stattfanden, wurden sie immer mit dem Spender geführt, aber nur in 59 % der Fälle mit dem Empfänger. 36 % der LSK machten die Angabe darüber hinaus, noch andere Personen zu befragen. Diese waren zumeist Verwandte, aber auch Lebenspartner, Dolmetscher oder Ärzte. Von 22 Kommissionen gaben 18 an, dass sie neben dem schriftlichen Antrag zusätzliche Unterlagen für die Begutachtung anforderten. Ein psychologisches Gutachten wurde dabei von zwölf LSK gefordert. Des Weiteren wurden u.a. die medizinische Begründung für die Transplantation, die Meldung des Empfängers bei Eurotransplant, die Kostenübernahmeerklärung der Ver- sicherung des Spenders oder aber auch der schriftliche Nachweis über die Auf- klärung des Spenders und Empfängers gefordert. Die Heterogenität der Wünsche der einzelnen Kommissionen zeigt ihre deutliche Unsicherheit im Umgang mit ihrem gesetzlichen Prüfungsauftrag.

Die Kommissionen sehen sich nur teilweise in der Lage, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. 60 % der LSK geben an, Unfreiwilligkeit erkennen zu können, den Ausschluss von Organhandel halten 33 % für möglich. Obwohl die konkrete Beurteilung von Freiwilligkeit und Organhandel heterogen ge- handhabt wird und klare Bewertungskriterien fehlen, werden verbindliche Re- gelungen des Verfahrens von den LSK nicht gewünscht. Auf die Frage nach konkreten Prüfkriterien führten zwei LSK an, dass eine solche Prüfung nicht zu ihren Aufgaben gehöre, da sie „keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen“ durchführten. Viele Kommissionen gaben an, dass das Problem des Organ- handels im bisherigen Verlauf der Kommissionstätigkeit keine Rolle gespielt habe und sie deshalb keine Kriterien erarbeitet hätten. Diesbezüglich muss kritisch angemerkt werden, dass erst das Vorliegen von Kriterien überhaupt eine Prüfung auf Handeltreiben oder Freiwilligkeit ermöglicht. In der Umfrage wurden u.a. folgende Kriterien von den LSK bei ihrer Überprüfung angegeben: Kapitel 3: 3.10 Zusammenfassung 156

Erkenntnisse über Geldzahlungen, Vorteilsversprechen – konkret z.B. Schenkung eines Autos oder Beschaffung eines Arbeitsplatzes – ausländische Spender und Existenz möglicher Vermittler. Zwei Drittel der LSK bewerteten ihre Arbeit diesbezüglich eher skeptisch und gaben an, Organhandel durch das beschrittene Verfahren nicht ausschließen zu können. Sechs der befragten Kommissionen betrachteten ihre Arbeit sogar überwiegend als „Alibifunktion“. Die Notwendigkeit der Klärung der Frage, wo eine zulässige und sozial übliche Dankbarkeitsgeste des Organempfängers endet und wo verbotener Organhandel beginnt, wird besonders deutlich daran, dass eine LSK jede finanzielle Entlohnung und Vorteilsversprechen jeglicher Art als unzulässig wertete, während eine andere Kommission die spätere Über- eignung eines Hauses nicht als unzulässigen Handel ansah. Für die zukünftige Diskussion der Lebendorganspende in Deutschland ergeben sich weiterhin interessante Aspekte: So befürworten 14,3 % der LSK finanzielle Anreize für Spender, die aus ihrer Sicht offenbar nicht unter verbotenes Handelstreiben fallen. Die inzwischen in Deutschland in Einzelfällen durchgeführte Cross- over-Spende wird von knapp 38,1 % befürwortet, während die anonyme Pool- spende, die nicht der Gefahr des Handeltreibens unterliegt, nur von knapp 30 % der LSK unterstützt wird.

Die Bedeutung der LSK wird auch in Zukunft weiter zunehmen. Dies wird deutlich, wenn man die steigenden Zahlen der Lebendspende betrachtet. Der Anteil der Lebendnierenspenden an der Gesamtnierentransplantation lag 1995 noch bei 3,9 %, aber 2004 bereits bei 19,7 %. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit belegen eindeutig, dass eine Vereinheitlichung der Verfahrensweisen erforderlich ist. Da die LSK bezüglich gesetzlicher Regelungen zurückhaltend eingestellt sind, wird deshalb für eine Vernetzung der LSK untereinander plädiert.

Aus den Ergebnissen der Studie lässt sich ableiten, dass es für die weitere Arbeit der LSK unerlässlich ist, gemeinsame Kriterien für die Beurteilung von Freiwilligkeit und Organhandel zu entwickeln. Sonst könnte diese junge Kom- missionsform schon bald ihre Daseinsberechtigung verlieren. Momentan re- sultiert aus der uneinheitlichen Begutachtungspraxis der LSK ein Fortbestehen Kapitel 3: 3.10 Zusammenfassung 157 der juristischen und ethischen Unsicherheit, die durch das TPG gerade verringert werden sollte. Wünschenswert wären weitere differenzierte Analysen zur Arbeit der LSK unter Einbeziehung aller an den Anträgen beteiligten Personen, um klare Prüfkriterien und -modalitäten zu entwickeln und dadurch den Beitrag der LSK zur Ethik der Lebendorganspende im Sinne des TPG abzusichern. 4. Literaturverzeichnis 158

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202. Zellmer, N. MHH hilft mit neuem Verfahren. HAZ ;26.10.2004; S.1. 5. Abkürzungsverzeichnis 176

6 Abkürzungsverzeichnis

AG Ausführungsgesetz ÄK Ärztekammer BÄK Bundesärztekammer BDO Bundesverband der Organtransplantierten BMI Body Mass Index BT-Drs. Bundestag-Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BZgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung DSO Deutsche Stiftung Organtransplantation Fn Fußnote gesetzl. Gesetzlich GO Geschäftsordnung HLA Human Leukocyte Antigen ICD International Classification of Diseases LÄK Landesärztekammer LG Landesgesetz LSG Landessozialgericht LSK Lebendspendekommission ONT Organizacion Nacional Transplantes pmp per million people SGB Sozialgesetzbuch sog. Sogenannt TPG Transplantationsgesetz etc. et cetera Evtl. Eventuell UNOS United Network for Organ Sharing v.a. vor allem vgl. Vergleiche VO Verordnung WHO Weltgesundheitsorganisation WMA World Medical Association 6. Verzeichnis der Tabellen, Diagramme und Abbildungen 177

7 Verzeichnis der Tabellen, Diagramme und Abbildungen

Tabelle Seite 1 Notwendige Erhebungen bei potenzieller Nieren- 16 Lebendspende 2 Gesetzliche Regelungen in Europa 27 3 Organtransplantationszahlen in Europa 29 4 Gesetzliche Regelungen international 33 5 Verteilung der Berufsgruppe Ärzte in den LSK 79 6 Verteilung der Berufsgruppe Juristen in den LSK 79

7 Verteilung der Berufsgruppe 80 Psychologen/Psychotherapeuten in den LSK 8 Antragszahlen für das Jahr 2000 84 9 Antragszahlen für das Jahr 2001 85 10 Antragszahlen im Jahr 2002 86 11 Zusammenfassung aller negativen Voten in den Jahren 87 2000 - 2002 12 Heterogenität der zusätzlich zum Antrag beizufügenden 91 Dokumente 13 Angaben von 15 LSK zu ihren Gesamtantragszahlen in den 98 Jahren 2000-2002 und dem prozentualen Anteil nicht- verwandter Spender 14 Antworten von 21 Kommissionen auf die Aussage, dass ihre 115 Arbeit geeignet ist, die Freiwilligkeit einer Organspende zu überprüfen. 15 Antworten von 21 Kommissionen auf die Aussage, dass ihre 115 Arbeit geeignet ist, möglichen Organhandel auszuschließen

Diagramm Seite 1 Fachgebiet und Geschlechterverteilung in den 81 Kommissionen. Anmerkung: Die Differenz der Mitarbeiterzahl zu 195 ergibt sich, da zwei Kommissionen ihre zwölf Stellvertreter nicht nach Geschlecht differenziert 6. Verzeichnis der Tabellen, Diagramme und Abbildungen 178

habe 2 Antragszahlen der LSK in den Jahren 2000-2002 83 3 Anträge an 21 Lebendspendekommissionen in den Jahren 88 2000 - 2002 mit ihren Ergebnissen 4 Antworten auf die Frage nach der Schaffung einheitlicher 107 Richtlinien für den Ablauf des Begutachtungsverfahrens 5 Zusammenfassende Darstellung der Antworten der Kommis- 109 sionen auf die Frage nach einheitlichen Richtlinien und gesetzlichen Grundlagen für den Ablauf des Begutachtungsverfahrens. 6 Verteilung der Antworten auf die Aussage, dass ein 112 negatives Votum der Kommission verpflichtend sein soll 7 Vergleichende Darstellung der Antworten zu den Fragen 117 nach der Überprüfung der Freiwilligkeit und des Ausschlusses möglichen Organhandels durch die LSK 8 Vergleichende Darstellung der Antworten zu den Fragen 121 nach Legalisierung finanzieller Anreize, Cross-over- Lebendspende und Spenden in einen anonymen Organpool

Abbildung Seite 1 Beinwunder der heiligen Cosmas und Damian 4 2 Modell einer sog. Cross-over Nierenlebendspende 49 7. Der Fragebogen 179

8 Der Fragebogen

I. Fragen zur Kommission 1. Besteht für Ihre Kommission eine eigene Geschäftsordnung ?

" ja " nein Falls Ja : Bitte fügen Sie ein Exemplar bei. 2. Zusammensetzung der Kommission: Wieviele Personen gehören Ihrer Kommission an? ______(Anzahl) Beruf Fachrichtung Arbeitsfeld (z.B. Arzt/Ärztin, (z.B. Chirurg, Psychiater, (z.B. Klinik, t Jurist(in)) Amtsrichter ) Praxis, Gericht,

Universität) / w eschlech Mitglied Stellvertreter Titel G m 1.) 2.) 3.) 4.) 5.) Bei mehr als 5 Personen verwenden Sie bitte die Fortsetzung dieser Liste. Wer führt den Vorsitz (1. – 20.)?______Werden auch die Stellvertreter/innen regelmäßig in die Sitzungen einbezogen? " ja " nein 3. Wie häufig tagt Ihre Kommission durchschnittlich? ______pro Jahr. 4. Anträge an die Lebendspendekommission: Jahr Anzahl Ergebnisse ( Anzahl ) der Anträge positives Votum bedingt positives Votum negatives Votum (Zustimmung) (Zustimmung mit Auflagen) (Ablehnung) 2000 2001 2002

Falls es Ablehnungen gab, wodurch wurden diese begründet? ______7. Der Fragebogen 180

II. Fragen zum Begutachtungsverfahren 5. Folgende Unterlagen müssen dem Antrag beigelegt sein: ______6. Wie lange befassen Sie sich durchschnittlich mit einem Antrag (Gespräche, Diskussion, Votum ...)? ______7. Wieviel Prozent der Anträge werden ausschließlich nach Aktenlage entschieden? " 0 % " 1- 33% " 34- 66% " 67- 99% "100%

8. Im folgenden sollen nur die Anträge berücksichtigt werden, bei denen persönliche Gespräche geführt wurden (= 100 %):

Mit welchen Personen werden Gespräche geführt?

Gespräch mit: Häufigkeit nie immer manchmal, nämlich ca. ...%

Spender/in """ ca...... % der Anträge

Empfänger/in """ ca...... % der Anträge

Andere (s.u.) """ ca...... % der Anträge

Wer sind diese Anderen Personen? ______

Welche Art von Gesprächen wird geführt? Häufigkeit nie immer manchmal, nämlich ca. ...%

Einzel gespräch mit Spender/in """ ca. . . . . % der Anträge

Einzel gespräch mit """ ca. . . . . % der Anträge Empfänger/in

Gespräch mit Spender/in und """ ca. . . . . % der Anträge Empfänger/in zugleich 7. Der Fragebogen 181

Wie häufig findet mehr als 1 Gespräch mit dem/den Betroffenen statt? " nie " immer " manchmal, nämlich ca. ______%

9. Welches Abstimmungsverfahren wenden Sie in der Kommission an? ______

Sind Enthaltungen zulässig? " ja " nein

10. Wie häufig sind Spendewillige nicht Verwandte ersten oder zweiten Grades bzw. (Ehe-)Partner des Empfängers? ca. ______% der Anträge.

An welchen Kriterien messen Sie die „besondere persönliche Verbundenheit“ (§ 8 TPG) dieser Personen? ______11. Anhand welcher Anhaltspunkte schließen Sie darauf, dass die Organspende nicht freiwillig erfolgt? ______

12. Anhand welcher Anhaltspunkte schließen Sie auf verbotenen Organhandel? ______

13. Welche weiteren Kriterien werden von Ihrer Kommission außerdem geprüft? ______7. Der Fragebogen 182

III. Ausblick und Einschätzungen

Ich stimme der Aussage gar nicht voll zu (1) zu (5) 14) Es sollte bundesweit einheitliche Richtlinien für den Ablauf 1 2 3 4 5 des Begutachtungsverfahrens geben.

15) Für diesen Ablauf sollte es eine gesetzliche Grundlage geben. 1 2 3 4 5

16) Durch eine andere Zusammensetzung der Kommission könnten die vorgeschriebenen Aufgaben besser wahrgenommen 1 2 3 4 5 werden. 17) Es sollte eine Vernetzung der deutschen Lebendspende- 1 2 3 4 5 kommissionen geben.

18) Die Kommission hat überwiegend eine Alibifunktion. 1 2 3 4 5

19) Die Arbeit unserer Kommission ist geeignet, die 1 2 3 4 5 Freiwilligkeit der Organspende zu überprüfen. 20) Die Arbeit unserer Kommission ist geeignet, den 1 2 3 4 5 Organhandel auszuschließen. 21) Die Kommission leistet einen Beitrag zur Moral der 1 2 3 4 5 Lebendorganspende. 22) Ein negatives Votum (Ablehnung) der Kommission sollte 1 2 3 4 5 verpflichtend sein. 23) Durch finanzielle Anreize für den Spender sollte die 1 2 3 4 5 Lebendorganspende in Deutschland gefördert werden.

24) Cross-over-Lebendspenden sollten legalisiert werden. 1 2 3 4 5

25) Spendewillige sollten anonym in einen Organpool spenden 1 2 3 4 5 dürfen. 26) Durch die Kommissionen wird „Lebendspende-Tourismus“ 1 2 3 4 5 von einem Bundesland in ein anderes verhindert. Anregungen/Kommentare zu den Fragen 14 – 26: 8. Adressen der Lebendspendekommissionen 183

9 Adressen der Lebendspendekommissionen in Deutschland

Bundesland Adresse der LSK Berzirksärztekammer Nordwürttemberg Jahnstr. 32 70597 Stuttgart Bezirksärztekammer Nordbaden Keßlerstr. 1 76185 Karlsruhe Baden-Württemberg Bezirksärztekammer Südbaden Sundgauallee 27 79114 Freiburg Bezirksärztekammer Südwürttemberg Haldenhaustr. 11 72770 Reutlingen Transplantatationszentrum Klinikum Großhadern der LMU Bayern Machionistr. 15 81377 München Transplantationszentrum Chirurgische Klinik und Poliklinik d. TU München Klinikum Rechts der Isar Ismaninger Str. 22 81675 München Transplantationszentrum Klinikum der Universität Regensburg Franz-Josef-Strauss-Allee 11 93053 Regensburg Transplantatationszentrum der Julius-Maximillians-Universität Josef-Schneider-Str. 2 97080 Würzburg 8. Adressen der Lebendspendekommissionen 184

Transplantationszentrum Klinikum der Friedrich-Alexander-Universität Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen Transplantationszentrum Zentralklinikum Augsburg Steuglinstr. 2 86156 Augsburg Ärztekammer Berlin Berlin/Brandenburg Flottenstr. 28-42 13407 Berlin Ärztekammer Bremen Bremen Schwachhauser Heerstr. 30 29209 Bremen "Kommission Lebendspende" Hamburg Heinrich-Hertz-Str. 125 22083 Hamburg Landesärztekammer Hessen Hessen Im Vogelsgesang 3 60488 Frankfurt Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg- Humboldtstr. 6 Vorpommern 18055 Rostock Ärztekammer Niedersachsen Niedersachsen Berliner Allee 20 30175 Hannover Ärztekammer Nordrhein Geschäftsstelle der Kommission Transplantationsmedizin Nordrhein-Westfalen Tersteegenstr. 31 40474 Düsseldorf 8. Adressen der Lebendspendekommissionen 185

Saarländische Ärztekammer Saarland Faktoreistr. 4 66111 Saarbrücken Sächsische Ärztekammer Sachsen Schützenhöhe 16 01099 Dresden Landesamt für Versorgung und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt Neustädter Passage 15 06122 Halle Ärztekammer Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein Bismarckallee 8-12 23795 Bad Segeberg Landesärztekammer Thüringen Thüringen Im Semmicht 33 07751 Jena-Maua 9. Auszüge aus dem Transplantationsgesetz 186

10 Auszüge aus dem Transplantationsgesetz

Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen Datum: 5. November 1997 Fundstelle: BGBl I 1997, 2631 (Auszugsweise)

Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften TPG § 1 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt für die Spende und die Entnahme von menschlichen Organen, Organteilen oder Geweben (Organe) zum Zwecke der Übertragung auf andere Menschen sowie für die Übertragung der Organe einschließlich der Vorbereitung dieser Maßnahmen. Es gilt ferner für das Verbot des Handels mit menschlichen Organen. (2) Dieses Gesetz gilt nicht für Blut und Knochenmark sowie embryonale und fetale Organe und Gewebe.

TPG § 2 Aufklärung der Bevölkerung, Erklärung zur Organspende, Organspenderegister, Organspendeausweise (1) Die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Bundesbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit, insbesondere die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, sowie die Krankenkassen sollen auf der Grundlage dieses Gesetzes die Bevölkerung über die Möglichkeiten der Organspende, die Voraussetzungen der Organentnahme und die Bedeutung der Organübertragung aufklären. Sie sollen auch Ausweise für die Erklärung zur Organspende (Organspendeausweise) zusammen mit geeigneten Aufklärungsunterlagen bereithalten. Die Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungsunternehmen stellen diese Unterlagen in regelmäßigen Abständen ihren Versicherten, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben, zur Verfügung mit der Bitte, eine Erklärung zur Organspende abzugeben. (2) Wer eine Erklärung zur Organspende abgibt, kann in eine Organentnahme nach § 3 einwilligen, ihr widersprechen oder die Entscheidung einer namentlich benannten Person seines Vertrauens übertragen (Erklärung zur 9. Auszüge aus dem Transplantationsgesetz 187

Organspende). Die Erklärung kann auf bestimmte Organe beschränkt werden. Die Einwilligung und die Übertragung der Entscheidung können vom vollendeten sechzehnten, der Widerspruch kann vom vollendeten vierzehnten Lebensjahr an erklärt werden. (3) Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates einer Stelle die Aufgabe übertragen, die Erklärungen zur Organspende auf Wunsch der Erklärenden zu speichern und darüber berechtigten Personen Auskunft zu erteilen (Organspenderegister). Die gespeicherten personenbezogenen Daten dürfen nur zum Zwecke der Feststellung verwendet werden, ob bei demjenigen, der die Erklärung abgegeben hatte, eine Organentnahme nach § 3 oder § 4 zulässig ist. Die Rechtsverordnung regelt insbesondere 1. die für die Entgegennahme einer Erklärung zur Organspende oder für deren Änderung zuständigen öffentlichen Stellen (Anlaufstellen), die Verwendung eines Vordrucks, die Art der darauf anzugebenden Daten und die Prüfung der Identität des Erklärenden, 2. die Übermittlung der Erklärung durch die Anlaufstellen an das Organspenderegister sowie die Speicherung der Erklärung und der darin enthaltenen Daten bei den Anlaufstellen und dem Register, 3. die Aufzeichnung aller Abrufe im automatisierten Verfahren nach § 10 des Bundesdatenschutzgesetzes sowie der sonstigen Auskünfte aus dem Organspenderegister zum Zwecke der Prüfung der Zulässigkeit der Anfragen und Auskünfte, 4. die Speicherung der Personendaten der nach Absatz 4 Satz 1 auskunftsberechtigten Ärzte bei dem Register sowie die Vergabe, Speicherung und Zusammensetzung der Codenummern für ihre Auskunftsberechtigung, 5. die Löschung der gespeicherten Daten und 6. die Finanzierung des Organspenderegisters. (4) Die Auskunft aus dem Organspenderegister darf ausschließlich an den Erklärenden sowie an einen von einem Krankenhaus dem Register als auskunftsberechtigt benannten Arzt erteilt werden, der weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe des möglichen Organspenders beteiligt ist und auch nicht Weisungen eines Arztes untersteht, der an diesen Maßnahmen beteiligt ist. Die Anfrage darf erst nach der Feststellung des Todes gemäß § 3 9. Auszüge aus dem Transplantationsgesetz 188

Abs. 1 Nr. 2 erfolgen. Die Auskunft darf nur an den Arzt weitergegeben werden, der die Organentnahme vornehmen soll, und an die Person, die nach § 3 Abs. 3 Satz 1 über die beabsichtigte oder nach § 4 über eine in Frage kommende Organentnahme zu unterrichten ist. (5) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch allgemeine Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrates ein Muster für einen Organspendeausweis festlegen und im Bundesanzeiger bekanntmachen. [...]

Dritter Abschnitt Organentnahme bei lebenden Organspendern TPG § 8 Zulässigkeit der Organentnahme (1) Die Entnahme von Organen einer lebenden Person ist nur zulässig, wenn 1. die Person a) volljährig und einwilligungsfähig ist, b) nach Absatz 2 Satz 1 aufgeklärt worden ist und in die Entnahme eingewilligt hat, c) nach ärztlicher Beurteilung als Spender geeignet ist und voraussichtlich nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt wird, 2. die Übertragung des Organs auf den vorgesehenen Empfänger nach ärztlicher Beurteilung geeignet ist, das Lebens dieses Menschen zu erhalten oder bei ihm eine schwerwiegende Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Beschwerden zu lindern, 3. ein geeignetes Organ eines Spenders nach § 3 oder § 4 im Zeitpunkt der Organentnahme nicht zur Verfügung steht und 4. der Eingriff durch einen Arzt vorgenommen wird. Die Entnahme von Organen, die sich nicht wieder bilden können, ist darüber hinaus nur zulässig zum Zwecke der Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Lebenspartner, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen. (2) Der Organspender ist über die Art des Eingriffs, den Umfang und mögliche, auch mittelbare Folgen und Spätfolgen der beabsichtigten Organentnahme für seine Gesundheit sowie über die zu erwartende Erfolgsaussicht der 9. Auszüge aus dem Transplantationsgesetz 189

Organübertragung und sonstige Umstände, denen er erkennbar eine Bedeutung für die Organspende beimißt, durch einen Arzt aufzuklären. Die Aufklärung hat in Anwesenheit eines weiteren Arztes, für den § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 entsprechend gilt, und, soweit erforderlich, anderer sachverständiger Personen zu erfolgen. Der Inhalt der Aufklärung und die Einwilligungserklärung des Organspenders sind in einer Niederschrift aufzuzeichnen, die von den aufklärenden Personen, dem weiteren Arzt und dem Spender zu unterschreiben ist. Die Niederschrift muß auch eine Angabe über die versicherungsrechtliche Absicherung der gesundheitlichen Risiken nach Satz 1 enthalten. Die Einwilligung kann schriftlich oder mündlich widerrufen werden. (3) Die Entnahme von Organen bei einem Lebenden darf erst durchgeführt werden, nachdem sich der Organspender und der Organempfänger zur Teilnahme an einer ärztlich empfohlenen Nachbetreuung bereit erklärt haben. Weitere Voraussetzung ist, daß die nach Landesrecht zuständige Kommission gutachtlich dazu Stellung genommen hat, ob begründete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Einwilligung in die Organspende nicht freiwillig erfolgt oder das Organ Gegenstand verbotenen Handelstreibens nach § 17 ist. Der Kommission muß ein Arzt, der weder an der Entnahme noch an der Übertragung von Organen beteiligt ist, noch Weisungen eines Arztes untersteht, der an solchen Maßnahmen beteiligt ist, eine Person mit der Befähigung zum Richteramt und eine in psychologischen Fragen erfahrene Person angehören. Das Nähere, insbesondere zur Zusammensetzung der Kommission, zum Verfahren und zur Finanzierung, wird durch Landesrecht bestimmt. [...]

Sechster Abschnitt Verbotsvorschriften TPG § 17 Verbot des Organhandels (1) Es ist verboten, mit Organen, die einer Heilbehandlung zu dienen bestimmt sind, Handel zu treiben. Satz 1 gilt nicht für 1. die Gewährung oder Annahme eines angemessenen Entgelts für die zur Erreichung des Ziels der Heilbehandlung gebotenen Maßnahmen, insbesondere für die Entnahme, die Konservierung, die weitere Aufbereitung einschließlich 9. Auszüge aus dem Transplantationsgesetz 190 der Maßnahmen zum Infektionsschutz, die Aufbewahrung und die Beförderung der Organe, sowie 2. Arzneimittel, die aus oder unter Verwendung von Organen hergestellt sind und den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes über die Zulassung oder Registrierung unterliegen oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt sind. (2) Ebenso ist verboten, Organe, die nach Absatz 1 Satz 1 Gegenstand verbotenen Handeltreibens sind, zu entnehmen, auf einen anderen Menschen zu übertragen oder sich übertragen zu lassen.

Siebter Abschnitt Straf- und Bußgeldvorschriften TPG § 18 Organhandel (1) Wer entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 mit einem Organ Handel treibt oder entgegen § 17 Abs. 2 ein Organ entnimmt, überträgt oder sich übertragen läßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 gewerbsmäßig, ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) Das Gericht kann bei Organspendern, deren Organe Gegenstand verbotenen Handeltreibens waren, und bei Organempfängern von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs).

TPG § 19 Weitere Strafvorschriften (1) Wer entgegen § 3 Abs. 1 oder 2 oder § 4 Abs. 1 Satz 2 ein Organ entnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Wer entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a, b, Nr. 4 oder Satz 2 ein Organ entnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (3) Wer entgegen § 2 Abs. 4 Satz 1 oder 3 eine Auskunft erteilt oder weitergibt oder entgegen § 13 Abs. 2 Angaben verarbeitet oder nutzt oder entgegen § 14 Abs. 2 Satz 1 bis 3 personenbezogene Daten offenbart, verarbeitet oder nutzt, wird, wenn die Tat nicht in § 203 des Strafgesetzbuchs mit Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. 9. Auszüge aus dem Transplantationsgesetz 191

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 ist der Versuch strafbar. (5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. [... 10. Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin 192

11 Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin

Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin MENSCHENRECHTSÜBEREINKOMMEN ZUR BIOMEDIZIN (Auszugsweise)

PRÄAMBEL Die Mitgliedstaaten des Europarats, die übrigen Staaten und die Europäische Gemeinschaft, die dieses Übereinkommen unterzeichnen, eingedenk der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 verkündeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, eingedenk der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950; eingedenk der Europäischen Sozialcharta vom 18. Oktober 1961; eingedenk des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966; eingedenk des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981; eingedenk auch des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989; in der Erwägung, daß es das Ziel des Europarats ist, eine größere Einheit unter seinen Mitgliedern herbeizuführen, und daß eines der Mittel zur Erreichung dieses Ziels die Wahrung und Fortentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist; in dem Bewußtsein der raschen Entwicklung in den Bereichen Biologie und Medizin; überzeugt von der Notwendigkeit der Achtung des Menschen sowohl als Individuum als auch als Mitglied der menschlichen Gattung und in Anerkennung der Bedeutung der Wahrung der Menschenwürde; 10. Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin 193 in dem Bewußtsein, daß der Mißbrauch von Biologie und Medizin zu Handlungen führen kann, die die Menschenwürde gefährden; in Bestätigung, daß die Fortschritte in Biologie und Medizin zum Wohl der jetzigen und der künftigen Generationen genutzt werden sollten; unter Betonung der Notwendigkeit einer internationalen Zusammenarbeit, damit die Menschheit insgesamt in den Genuß der Errungenschaften von Biologie und Medizin kommen kann; in der Erkenntnis der Bedeutung, die der Förderung einer öffentlichen Diskussion über die Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung von Biologie und Medizin und die darauf zu gebenden Antworten zukommt; in dem Wunsch, alle Mitglieder der Gesellschaft an ihre Rechte und Verantwortlichkeiten zu erinnern; unter Berücksichtigung der Arbeit der Parlamentarischen Versammlung auf diesem Gebiet, einschließlich der Empfehlung 1160 (1991) über die Ausarbeitung eines Übereinkommens zur Bioethik; entschlossen, im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Gewährleistung des Schutzes der Menschenwürde und der Grundrechte und -freiheiten erforderlich sind; sind wie folgt übereingekommen:

KAPITEL I Allgemeine Bestimmungen Artikel 1 (Zielsetzung und Gegenstand) Die Vertragsparteien dieses Übereinkommens schützen die Würde und die Identität aller Menschen und gewährleisten jedem ohne Unterschied die Wahrung seiner Integrität sowie anderer Rechte und Grundfreiheiten im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin. Jede Vertragspartei ergreift in ihrem innerstaatlichen Recht alle notwendigen Maßnahmen, um den Bestimmungen dieses Übereinkommens Wirkung zu verleihen. Artikel 2 (Vorrang des Menschen) Die Interessen und das Wohlergehen des Menschen haben Vorrang vor dem alleinigen Interesse von Gesellschaft oder Wissenschaft. Artikel 3 (Gleicher Zugang zu Gesundheitsleistungen) 10. Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin 194

Die Vertragsparteien treffen unter Berücksichtigung der medizinischen Erfordernisse und der verfügbaren Ressourcen geeignete Maßnahmen, die darauf abzielen, innerhalb ihres jeweiligen Rechtssystems jedem gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen von angemessener Qualität zu eröffnen. Artikel 4 (Grundsätze der Berufsausübung) Jeder Eingriff im Gesundheitsbereich, einschließlich des Eingriffs zu Forschungszwecken, hat unter Einhaltung der einschlägigen beruflichen Pflichten und berufsethischen Grundsätze zu erfolgen. [...]

KAPITEL VI Entnahme von Organen und Gewebe von Lebendspendern für Transplantationszwecke Artikel 19 (Allgemeine Bestimmung) (1) Die Entnahme von Organen oder Gewebe von Lebendspendern für Transplantationszwecke darf nur zum therapeutischen Nutzen des Empfängers und nur in den Fällen vorgenommen werden, in denen es kein passendes Organ oder Gewebe einer verstorbenen Person gibt und eine andere alternative therapeutische Methode von vergleichbarer Wirksamkeit nicht zur Verfügung steht. (2) Die nach Artikel 5 erforderliche Einwilligung muß ausdrücklich und spezifisch entweder in schriftlicher Form oder vor einem offiziellen Gremium erteilt worden sein. Artikel 20 (Schutz von einwilligungsunfähigen Personen bei Organentnahme) (1) Die Entnahme von Organen oder Gewebe darf an einer Person, welche die Einwilligungsfähigkeit nach Artikel 5 nicht besitzt, nicht vorgenommen werden. (2) In Ausnahmefällen und nach Maßgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Schutzbestimmungen kann die Entnahme regenerierbaren Gewebes bei einer einwilligungsunfähigen Person zugelassen werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: i) Ein passender einwilligungsfähiger Spender steht nicht zur Verfügung, ii) der Empfänger ist ein Bruder oder eine Schwester des Spenders, iii) die Spende muß geeignet sein, das Leben des Empfängers zu retten, 10. Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin 195 iv) die nach Artikel 6 Absätze 2 und 3 erforderliche Einwilligung wurde spezifisch und in schriftlicher Form in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen und mit Zustimmung der zuständigen Gremien erteilt, v) der betreffende potentielle Spender widerspricht nicht.

KAPITEL VII Verbot der Erzielung eines finanziellen Gewinns und Weiterverwendung eines entnommenen Körperteils Artikel 21 (Verbot der Erzielung eines finanziellen Gewinns) Der menschliche Körper und Teile davon dürfen als solche nicht zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden. Artikel 22 (Weiterverwendung eines entnommenen Körperteils) Wird im Verlaufe eines Eingriffs ein Teil des menschlichen Körpers entnommen, so darf er nur dann zu einem anderen Zweck als jenem, der bei der Entnahme vorgesehen war, aufbewahrt und verwendet werden, wenn dies in Übereinstimmung mit angemessenen Aufklärungs- und Einwilligungsverfahren geschieht. [...] Lebenslauf

Lebenslauf von Edda Kathrin Birthe Sievers geb. am 14.05.1979 in Hannover

1985 – 1989 Grundschule 1989 – 1991 Ludwig Windthorst- Schule 1991 – 1998 St. Ursula- Schule 1995/1996 Highschool- Aufenthalt in Kanada 1998 Abitur 1998 Beginn des Medizinstudiums an der Medizinischen Hochschule Hannover 2000 Physikum 2001 1. Staatsexamen 2004 2. Staatsexamen

Praktisches Jahr 2004/2005: 26.04 – 30.06: Chirurgie im St. Clare´s Hospital in St. John´s, Kanada 01.07 – 15.08: Chirurgie im Städtischen Krankenhaus Braunschweig 16.08 – 05.12: HNO am Marienhospital in Osnabrück 06.12 – 27.03: Innere Medizin im Robert- Koch- Krankenhaus in Gehrden 13.04.2005 3. Staatsexamen seit 01.07.2005 Assistenzärztin in der HNO-Klinik am Marienhospital in Osnabrück Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei meiner Familie und meinen Freunden bedanken, die mich in den Jahren der Erstellung der Dissertation vor allem moralisch unterstützten und somit zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.

Mein besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Brigitte Lohff und Herrn Dr. Gerald Neitzke von der Abteilung für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin für die Überlassung des Themas und die fachliche Betreuung und Beratung bei der Fertigstellung der Arbeit. Erklärung

Erklärung nach § 2 Abs. 2 Nrn. 5 und 6

Ich erkläre, dass ich die der Medizinischen Hochschule Hannover zur Promotion eingereichte Dissertation mit dem Titel: Die Lebendspendekommissionen in Deutschland Struktur, Arbeitsweise und Ethikdiskurse

in der Abteilung Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin unter Leitung von Frau Prof. Dr. Lohff mit der Unterstützung durch Dr. Gerald Neitzke ohne sonstige Hilfe selbst durchgeführt und bei der Abfassung der Dissertation keine anderen als die dort angeführten Hilfsmittel benutzt habe. Ich habe diese Dissertation bisher an keiner in -oder ausländischen Hochschule zur Promotion eingereicht. Weiterhin versichere ich, dass ich den beantragten Titel bisher noch nicht erworben habe. Ergebnisse der Dissertation wurden in folgendem Publikationsorgan veröffentlicht: Sievers, K., Neitzke, G. Struktur, Arbeitsweise und Ethik von Lebendspendekommissionen - Ergebnisse einer bundesweiten Befragung, DMW (2006); 131 (22): 1283-1287.

Neitzke, G., Sievers, K. Kommerzialisierung der Lebendorganspende und die Rolle der Lebendorganspendekommissionen. In: Taupitz, J. (Hrsg.). Kommerzialisierung des menschlichen Körpers. Heidelberg: Springer 2007, S. 337-352.

Hannover, den 15.05.2007

______(K. Sievers)