Reisen durch Andreas Jüttner / Martina Leidig ein Bühnenland BADEN-WÜRTTEMBERGISCHE THEATERTAGE SEIT 1968 RÜCKBLICKE, EINBLICKE, AUSBLICKE

Herausgegeben vom Deutschen Bühnenverein, Landesverband Baden-Württemberg Vorhang auf...

Foto: Klaus Teepe/Städtische Bühnen Freiburg Foto: Maurice Korbel

unternommen. So haben wir in Tübingen, wo 1981 der Für alle Fehler und Lücken, die beim Stöbern durch darauf gelegt, dass alle langjährig teilnehmenden Durchbruch für das Kinder- und Jugendtheater gelun- die Chronik entdeckt werden, bitten wir vorbeugend­ Bühnen vertreten sind. Der gleiche Ansatz liegt der gen ist, mit Vertretern dieser Sparte über das „Modell um Nachsicht – die Auflistung erfolgte nach ­Zusammenstellung der fünf genannten Gesprächs- Zwei Fotos – eine Festivalgeschichte: Am 7. Juni 1968 Bei dem Versuch herauszufinden, was zwischen diesen vermitteln. Zudem haben wir ausführliche Gespräche Baden-Württemberg“ gesprochen. In der Kantine des ­best­möglicher Auswertung der verfügbaren Quellen. runden zugrunde – es ist der Ansatz, mit dem die eröffnete das Theater Freiburg im eigenen Haus mit über vier Jahrzehnte auseinander liegenden Aufführ­ mit Zeitzeugen geführt. Denn was Theater gewesen Heidelberger Theaters ging es um Dramaturgie und Theatertage seit nunmehr 45 Jahren den Blick auf eine der Uraufführung „Die Tübinger Mahlzeit“ die ersten ungen geschehen ist, haben wir mit detektivischer ist, bleibt vor allem in der Erinnerung der Zuschauer Spielplangestaltung, im Theater Pforzheim (Gastgeber Bei der Bebilderung der Chronik haben wir Wert einzigartige Bühnenlandschaft öffnen. Baden-Württembergischen Theatertage. Am 10. Juli Freude und mit großer Hilfsbereitschaft der beteiligten lebendig – in anderen Medien kann es nur behelfs­ der Theatertage 2013) trafen sich künstlerische Leiter 2011 spielte das gleiche Theater (diesmal im Badischen Theater sowie etlicher Stadtarchive die auffindbaren mäßig dokumentiert werden. des Festivals, ein Schauspielergespräch gab es im Staatstheater Karlsruhe) die bis Redaktionsschluss Archivmaterialien zu den mittlerweile 20 Theatertagen Badischen Staatstheater Karlsruhe und im „Hexagon“ dieses Buches letzte Theatertage-Vorstellung mit dem zusammengetragen und ausgewertet. Das brachte Und weil es bei den Theatertagen stets um das Durch- der Badischen Landesbühne Bruchsal diskutierte eine „Kaufmann von Venedig“. eine Fülle von Aha-Erlebnissen mit sich, von denen queren einer Bühnenlandschaft geht, haben wir die Intendanten-Runde über die Bühnenstruktur sich hoffentlich einige bei der Lektüre dieses Buches Reise nicht nur historisch, sondern auch geografisch des Landes.

2 3 Prolog Interviews

2 Vorhang auf 24 „In den 70ern war man sehr neugierig“ Inhalts- 6 Grußworte Achim Thorwald, Intendant in Esslingen (1976-1985) und Karlsruhe (2002-2011) 40 „Allein ist man sowieso genug“ Aufsätze Ulrich Khuon, zwischen 1980 und 1993 Dramaturg und Intendant in Konstanz 60 „Es geht darum, die Sternstunden zu zeigen“ 8 Der Idealfall eines Ermöglichers Friedrich Schirmer, zwischen 1985 und 2005 Intendant in Esslingen, Freiburg verzeichnis Ministerialdirigent Dr. Dr. Hannes Rettich: Versuch einer Würdigung und Stuttgart 14 Landschaftspflege 76 „Wir sind keine Jongliermasse mehr“ Die Baden-Württembergischen Theatertage seit 1968: Versuch einer Zeitreise Brigitte Dethier, Leiterin des Jungen Ensembles Stuttgart

87 Ohne Junges Theater fehlt etwas 100 „Auf das Rollenspiel kommt man immer wieder zurück“ Die Baden-Württembergischen Theatertage als kulturpolitische Notwendigkeit: Berth Wesselmann, seit 1980 Schauspieler am Theater Baden-Baden Versuch eines Überblicks Gesprächsrunden Epilog 32 „Da braucht man gar keinen Aufreger“ 116 Die Theater im Überblick Bühnenverein und Ministerium über die Theatertage 122 Applausordnung/Impressum 48 „Wir haben das Problem der Volksparteien“ Intendanten-Runde zu Theaterstrukturen

Chroniken 68 „Ein Motto kann ein Sprungbrett sein“ Diskussion zu Spielplänen und Dramaturgie 10 Freiburg 1968 56 Pforzheim 1993 12 1970 58 Aalen 1995 82 „Wir sind eine Gewerkschaft für Inhalte“ 20 Mannheim 1977 64 Heidelberg 1997 30 Jahre Arbeitskreis Kinder- und Jugendtheater 22 Karlsruhe 1979 66 Freiburg 1999 92 „Da hat das Stück richtig abgehoben“ 28 Tübingen 1981 74 Heilbronn 2001 Austausch über Schauspiel-Erfahrungen 30 Esslingen 1983 80 Ulm 2003 36 Heilbronn 1985 90 Baden-Baden 2005 106 „Die Kompromisse kommen sowieso“ 38 Ulm 1987 98 Konstanz 2007 Rückschau und Ausblick von Theatertage-Leitern 44 Konstanz 1989 104 Freiburg 2009 46 Bruchsal 1991 114 Karlsruhe 2011

4 5 Grußworte

Die Baden-Württembergischen Theatertage sind der Theater prägen ihre Stadt und Städte prägen ihr Ort, an dem die professionellen Sprechtheater des ­Theater. Die Theatertage bieten Gelegenheit, unter- Landes ihre Kunst zeigen, der Ort, an dem man sich schiedliche Schwerpunkte und Sichtweisen kennen- begegnet, miteinander redet, gemeinsame Pläne zulernen. Sie sind ein Forum der Begegnung und schmiedet. Ein überzeugender Grund, dieses ebenso des Dialogs – zwischen den Mitwirkenden ebenso Sehr geehrte Theaterinteressierte, der mittleren und großen Städte und des Landes Ein besonderer Reiz liegt auch darin, dass sich seit traditionsreiche wie zukunftsweisende Theaterfestival wie zwischen ihnen und dem Publikum. Dies gilt seit Baden-Württemberg. Den Entscheidungsträgerinnen 1981 auch die Kinder- und Jugendtheater am Festival nach 20 erfolgreichen Veranstaltungen seit 1968 mit langem auch für die Kinder- und Jugendtheater. Die in rechtzeitig zu den 21. Baden-Württembergischen und -trägern, die in den vergangenen Jahren und beteiligen und so zu einer weiteren Aufwertung der einer Sonderpublikation zu würdigen. einem eigenen Arbeitskreis zusammengeschlossenen­ Theatertagen in Pforzheim ist sie fertig geworden: Jahrzehnten diese Kontinuität ermöglicht haben, gilt Theatertage beigetragen haben. ­Ensembles nutzen die Theatertreffen, um einem Unsere Dokumentation aller Baden-Württem­berg­ unser besonderer Dank. Es ist zu hoffen, dass auch in Die bevorstehenden 21. Theatertage in Pforzheim jungen Publikum ihre Stücke zu zeigen und über die ischen Theatertage seit 1968. Zukunft die Kunst und Kultur in diesem Land die selbe Ich wünsche Ihnen nun viel Freude und viele Aha- ­bieten eine willkommene Gelegenheit, die ­letzten aktuelle künstlerische Entwicklung ihrer Arbeit nach- Aufmerksamkeit erfährt, die notwendig ist, um die Erlebnisse beim Lesen dieser Dokumentation. 40 Jahre Theaterarbeit im Land noch einmal ­Revue zudenken. Bei der Lektüre werden Sie sehen, der Aufwand hat bisherige Arbeit auf dem erreichten, hohen Niveau passieren zu lassen. Und sich von der Vielfalt, der sich gelohnt! Begeben Sie sich auf eine spannende fortzuführen. Der besondere Dank des Bühnenvereins Baden-­ ­Leistungskraft und der Qualität der Theater in Die nachfolgenden Seiten geben Ihnen ebenso Reise durch die Vielfalt der Baden-Württembergischen Württemberg gilt Frau Leidig und Herrn Jüttner für Baden-Württemberg zu überzeugen. Ein solch breites ­informative wie spannende Einblicke in die ­Geschichte Bühnenlandschaft und auf eine Zeitreise durch die Diese Dokumentation gibt aber auch einen reich­ die Redaktion und Konzeption und dem Land Baden- Spektrum und hohes Niveau über einen langen Zeit- der Baden-Württembergischen Theatertage. Ich Geschichte der Theatertage, die 1968 erstmals statt- haltigen Einblick darüber, wie sich die Theater­tage Württemberg für die finanzielle Unterstützung. raum hinweg wären nicht möglich gewesen ohne die wünsche Ihnen viel Freude und Kurzweil mit dieser fanden und seit 1977 alle zwei Jahre durchgeführt im Laufe der vergangenen 45 Jahre geändert und dezentral ausgerichtete Kunstförderung des Landes, Dokumentation. ­wurden – bislang insgesamt 20 mal in 13 verschie­ ­gewandelt haben und sich doch im Kern treu ohne die kontinuierliche finanzielle ­Unterstützung denen Städten des Landes . geblieben sind. der Theaterstädte und ohne das ­außerordentliche Engagement der Theaterschaffenden und des Kaum ein anderes Bundesland kann auf ein so einzig­ Ob mit oder ohne Motto: Jede der 20 Theatertage- ­Landesverbandes Baden-Württemberg des Deutschen artiges Theaterfestival blicken. Ein Festival, das ein Ausgaben hatte ihren Reiz und ihre eigene Dynamik Ulrich v. Kirchbach Bühnenvereins. überzeugender Beleg für eine überaus reiche und und hat dem Publikum des veranstaltenden Theaters Theresia Bauer MdL aktive Theaterlandschaft in Baden-Württemberg ist einen komprimierten Überblick über das Theater- Landesvorsitzender des Deutschen Bühnenvereins mit ihren Landes- und Kommunaltheatern sowie den schaffen innerhalb des Landes Baden-Württemberg Landesverband Baden-Württemberg Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Landesbühnen. Diese Vielfalt ist nur möglich dank des gegeben. des Landes Baden-Württemberg großen und dauerhaften finanziellen Engagements

6 7 Der Idealfall eines Ermöglichers

Hannes Rettich bei den Theatertagen 1989, Ministerialdirigent Dr. Dr. Hannes Rettich: Versuch einer Würdigung Foto: Hella Wolff-Seybold Von Achim Thorwald

„Mir brauchet koi Konscht, mir brauchet Grombiere!“ Er war Sportsmann durch und durch; übrigens spielte er Spende für den Zahnersatz für Gudrun Ensslin aufrief, ganz dem Kinder- und Jugendtheater zu widmen und Dieses Zitat eines württembergischen Landtagsab- Hannes Rettich, Professor Dr. phil. Dr. jur., geboren 1927 in Ulm, studierte in Erlangen Germanistik, hervorragend Tennis. Lothar Späth genoss es, mit ihm konnte auch Rettichs Diplomatie und Vermittlungs­ auch da für Uraufführungen Preisgelder bereitzustellen, geordneten des 19. Jahrhunderts benützte Hannes Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte und in München Rechtswissenschaften. 1959 wurde als Doppelpartner oft als Sieger vom Court zu gehen versuch nicht mehr helfen. gerne aufgriff, war fast selbstverständlich. Rettich gern, um daran seine ureigenste Überzeugung er Rechtsreferent im Oberschulamt Tübingen und 1961 Referent in der Kunstabteilung des Kultus­ – und unter der Dusche konnte Rettich ihm manches festzumachen: Kunst, Theater ist ein Lebensmittel, ja ein ministeriums Baden-Württembergs, wo er 1965 zum stellvertretenden Leiter und 1974 als Ministerial­ wichtige Zugeständnis für die Kultur entlocken. Die Baden-Württembergischen Theatertage lagen Hannes Rettich war der Idealfall eines Ermöglichers, der Überlebensmittel! Dieser Überzeugung widmete er sei- dirigent zum Leiter avancierte. 1988 bis 1990 Kunstkoordinator der Landesregierung von Baden- ihm besonders am Herzen. Er unterstützte jede Idee, sich nie ungebührlich einmischte, aber immer da war, ne ganze Kraft. Mit dieser Kraft, gepaart mit viel ­Humor, Württemberg, ab 1990 Professor für Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigs­ Wir Intendanten wussten, dass wir mit allen Sorgen und diesen „Leistungsnachweis“ der Theater immer wieder wenn er gebraucht wurde, sei es zur Hilfestellung oder Eloquenz, Durchsetzungsvermögen, einem ­hohen burg. 1990 legte er eine vielbeachtete Kunstkonzeption für Baden-Württemberg vor. 1974 bis 1998 Nöten zu ihm kommen konnten. Manchmal rückte er interessant zu gestalten. Und als die drei Landes­ zur Durchsetzung neuer Ideen – wenn man ihn davon Verständnis für Fairness, politischem Instinkt für das war er Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg des Deutschen Bühnenvereins. auch Dinge zurecht, bevor zuviel Porzellan zerschlagen bühnen sich gezielt für Kinder- und Jugendtheater überzeugen konnte. Die baden-württembergische Machbare und großer Offenheit für neue Ideen brachte In der dpa-Meldung zu seinem Tod im April 2004 hieß es, Rettich habe „das Fundament für eine wurde, aber nie durch Druck, sondern immer durch stark machten, war es wieder Rettich, der zusätzliches Theaterlandschaft stünde auch heute nicht so da, er – besonders im Zusammenspiel mit Lothar Späth – Theaterlandschaft im Südwesten“ gebaut. Überzeugung. Er stand zu seinen Theaterleuten, auch in Geld locker machte – aus seinem „Juliusturm“, wie er wie wir sie vorfinden, wenn es nicht die Zeit des die Kultur- und Theaterszene Baden-Württembergs an (Biografische Daten bis 1998 nach: Hannes Rettich „Zwischen Kunst und Politik – Erinnerungen eines musischen Bürokraten“. schwierigen Situationen. Aber als Claus Peymann 1977 die Toto-Lotto-Mittel nannte – um eigene Ensembles Dr. Dr. Hannes Rettich gegeben hätte. Wir haben ihm die Spitze der bundesdeutschen Länder. Hohenheim Verlag Stuttgart/Leipzig 2000, Klappentext und S. 162) am Schwarzen Brett des Stuttgarter Schauspiels zur dafür aufzubauen. Dass er die Idee, Theatertage einmal viel zu verdanken.

8 9 Spielplan Randnotiz ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Tankred Dorst Pressestimmen zur Eröffnungspremiere: „Die Figur des Sailer, Freiburg „Die Kurve“ (R: Bernd Rademaker) den die Eröffnung der Ärzte, er habe nicht länger als dreißig FREIBURG, Städtische Bühnen: Egon Menz „Die Tübinger Tage noch zu leben, aus der Bahn der Vernunft und Sittlichkeit Mahlzeit“ (UA, R: Claus Leininger) / Martin Sperr „Jagdszenen geworfen hat, konturierte Adolf Laimböck mit künstlerischem aus Niederbayern“ (R: Max Löhlein) Takt und Können.“ (Lahrer Zeitung, 29.5.1968) / „Menz, knapp in FREIBURG, Kleines Theater im Wallgraben: Otto F. Walter „Die der Diktion, liefert sein Lebensbild gleichsam im Holzschnitt. Katze“ (DEA, R: Heiner Schmidt) Marionetten artikulieren, exerzieren Allgemeingültigkeit: HEIDELBERG, Städtische Bühne: Max Frisch „Biografie. Ein Regisseur Claus Leininger führt sein Ensemble exakt. Freche Spiel“ (R: Alfons Lipp) Verdeutlichung wechselt mit choreographischer Brillanz, ma- HEILBRONN, Theater: Heinar Kipphardt „Der Hund des gische Impression durch phantastisch-bunte Schminkmasken Generals“ (R: Walter Bison) mit abstrahierender Demonstration“ (Münchner Abendzeitung, 19687. – 28. Juni KONSTANZ, Theater: Peter Hacks „Der Schuhu und die 21.5.1968) fliegende Prinzessin“ (R: Kraft-Alexander) An den 15 Tagen des Festivals fanden in den drei Spielstätten MANNHEIM, Nationaltheater: Bertolt Brecht „Der aufhaltsame Großes Haus, Kammertheater und Kleines Theater am Wallgra- Aufstieg des Arturo Ui“ (R: Ilo von Janko) ben 36 Vorstellungen statt – aber nur elf davon im Rahmen der PFORZHEIM, Theater: Gerald Szyskowitz „Genosse Gastgebender Intendant Theatertage. Das Repertoire lief weiter und bot im Großen Haus Brüggemann“ (R: Gerhard Jelen) u.a. die Opernpremiere „Wozzeck“ (Alban Berg), Mozarts „Hoch- Hans­Reinhard Müller STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Ödön von zeit des Figaro“ und zwei Sinfoniekonzerte, im Kammertheater Horváth „Italienische Nacht“ (R: Hans Hollmann) weitere Vorstellungen der „Jagdszenen aus Niederbayern“ ULM, Theater: Peter Weiss „Der Gesang vom lusitanischen Spielstätten sowie Stücke von Brecht und Synge und im Kleinen Theater Popanz“ (R: Alf Reigl) Großes Haus, Kammertheater, Kleines Theater unter anderem Handkes „Publikumsbeschimpfung“ und einen am Wallgraben Tucholsky-Abend. Bilanz Pressestimme: „Was niemand erwartet hatte, geschah: nahezu alle Vorstellungen, auch die der kleineren Bühnen, waren gut bis sehr gut besucht und einige Male auch ausverkauft. (...) Das berechtigt dazu, an eine Fortführung dieses Versuchs zu denken, wobei man sich allerdings Gedanken über die Thematik machen muß, denn es kann kaum bezweifelt werden, dass viele vor allem der jüngeren Besucher hauptsächlich wegen der Stücke kamen. Ob dies auch gelten wird, wenn man etwa versuchen wollte, Klassike­ rauff ührungen zu bieten, bleibe dahingestellt.“ (Badische Zeitung, 22.5.1968)

Städtische Bühnen Freiburg: „Jagdszenen aus Niederbayern“, 10 11 Foto: Landesarchiv Baden­Württemberg, Staatsarchiv Freiburg, W 134 Sammlung Willy Pragher Spielplan BADEN-BADEN, Theater: Bertolt Brecht „Die heilige Johanna Ulm der Schlachthöfe“ (R: Günther Penzoldt) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Albert Camus „Die Gerechten“ (R: Friedrich Bremer) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Edward Bond „Trauer zu früh“ (R: Bernd Rademaker) FREIBURG, Städtische Bühnen: Harold Pinter „Die Heimkehr“ (R: Karl Heinz Roland) HEIDELBERG, Städtische Bühne: Peter Terson „Die Lehrlinge“ (R: ) HEILBRONN, Theater: Jean-Claude van Itallie „Amerika Hurra“ 197013. – 25. Juni (R: Klaus Riehle) KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Heiner Müller „Philoktet“ (R: Willi Rohde) KONSTANZ, Stadttheater: Stanislaw Ignacy Witkiewicz „Jene“ Motto (R: Curt Bock) MANNHEIM, Nationaltheater: Albert Camus „Der „Der Mensch in der Revolte“ Belagerungszustand“ (R: Andreas Gerstenberg) PFORZHEIM, Stadttheater: Hartmut Lange „Die Gräfin von Gastgebender Intendant Rathenow“ (R: Alf Reigl) STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: William Detlof Krüger Shakespeare „Heinrich IV.“ (R: Peter Palitzsch) TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: José Spielstätten Triana „Die Nacht der Mörder“ (R: Stefan Ganz) Großes Haus, Podium ULM, Theater: Jewgeni Schwarz „Der Drache“ (R: Erich Geiger)

12 Theater Ulm „Der Drache“, Foto: Theater Ulm 13 Landschaftspflege

Die Baden-Württembergischen Theatertage seit 1968: Versuch einer Zeitreise Von Andreas Jüttner

Worin liegt die Stärke des deutschen Theaters? Im Das maßstabbildende Zentrum ist ausgefallen. Es gibt wenn der rechte Wille am Werke ist, aus der Not die sich vor jenem kleinen Publikum, das die frühe Stunde das Festival trotz eines erfolgreichen Auftakts 1968 in in Karlsruhe zu hören, die Theatertage seien eine Reichtum seiner Provinz. Zu diesem Schluss kommt der nur noch Provinz.“ Tugend gemacht werden, die zum Ensemble führt.“ nicht scheute, „eine unvorhergesehene Sensation“ Freiburg schon nach einer offenbar enttäuschenden „fragwürdige kulturbürokratische Erfindung, deren damalige „Theater heute“-Mitherausgeber Siegfried (Südkurier, 19.5.2007): Reto Fingers Stück über familiäre Zweitauflage 1970 in Ulm wieder beerdigt zu sein. Die Inhalt im Augenblick nicht aufzufinden“ sei (der Melchinger in seinem Essay „Provinz – Zur Geschichte Provinz als Chance Diese Theorie wurde bei den ersten Theatertagen Verhärtungen in einem abgeschiedenen Schweizer Tal für 1972 in Mannheim anvisierte Ausgabe fiel aus – offi- Stuttgarter Dramaturg Jens O. Jensen, zitiert nach und Idee des deutschen Theatersystems“. Erschienen offenbar prompt in der Praxis bestätigt: „Der Besucher wurde von den sechs Darstellern allein durch Körper- ziell wegen der Uneinigkeit einer Journalisten-Jury über Badische Neueste Nachrichten, 25.4.1979). Sekundiert ist dieser Text im Juni 1968 in dem Buch „Eine Theater- Gemeint ist das viel positiver, als es auf den ersten konnte beurteilen, dass nicht immer das Geld allein sprache und Stimmkunst so plastisch und packend über spezifische Auswahlkriterien, doch auch „mangelnde wurde diese kritische Haltung durch Pressestimmen landschaft – Theater in Baden-Württemberg“, das zu Blick wirkt. Gleich die nächsten beiden Sätze lauten: eine gute Inszenierung zustande bringt“, befand der die Rampe gebracht, dass die lokale Rezension zu Recht Bereitschaft der Bühnen nach dem Ulmer Ergebnis wie jener Einwurf von Gerhard Stadelmaier, der in den ersten Baden-Württembergischen Theatertagen in „Aber das heißt doch, dass der Begriff nicht mehr der „Staatsanzeiger“ am 29. Juni 1968 in einer Festivalbilanz, enden konnte: „An Stück und Aufführung wird man sich führte zur Absage.“ So zumindest ist es festgehalten im der „Stuttgarter Zeitung“ (29.4.1981) unter der Über- Freiburg herausgegeben wurde.* gleiche sein darf! Wir müssen alles dazu tun, ihm die in der vor allem die Beiträge der eher kleinen Theater lange erinnern.“ Vorwort der Pressedokumentation der letztlich dann schrift „Theatertage oder: Ist das Konstanz?“ das vor abschätzige Bedeutung zu nehmen.“ Melchinger wirbt aus Heidelberg (Frischs „Biografie“) und Konstanz (Peter doch in Mannheim durchgeführten dritten Theatertage, allem durch Raum­probleme missglückte Gastspiel der Melchinger umreißt hier die historische Entwicklung für eine Provinz ohne Provinzialismus und versteht die Hacks‘ „Schuhu“) gelobt wurden. Ein deutlich jüngeres Umstrittene Anfänge die mit fünfjähriger Verzögerung über die Bühne gin- ­Konstanzer bei den fünften Theatertagen in Tübingen von den fahrenden zu den stehenden Bühnen im Situation eindeutig als Chance. Sein Hauptargument Aha-Erlebnis, bei dem aus äußerer Kargheit theatrali- gen. Dort heißt es auch über die entscheidende Sitzung zum Anlass nahm, das Festival als „grausam“ einzustu- 19. Jahrhundert, von der Rollenfächer-Compagnie zum lautet: Weil die Zeiten des Star-Theaters vorbei sind, scher Reichtum entsprang, gab es beispielsweise 2007 Eindrucksvolle Momente dürfte es in den 45 Jahren, in des Landesverbandes im November 1974 in Freiburg, fen, seine Inhalte „beliebig“­ und „zusammengeklaubt“ Ensemble der vielseitigen Talente im Realismus und von muss die Theater­kunst als Ensemblearbeit begriffen in Konstanz: Da stand am Himmelfahrtstag vormittags denen der Landesverband Baden-Württemberg des dass bei „sehr differenzierten Meinungen“ letztlich „der zu nennen und sein Ambiente abzustempeln als der großen Theater-Ära mit dem leuchtenden Zentrum werden. Und das ist nirgends besser zu lernen als in der die Mannheimer Inszenierung „Kaltes Land“ auf dem Deutschen Bühnenvereins nun die Baden-Württem­ Wunsch nach Wiederaufnahme überwog“ und auch der ­„schicke, flotte ­Tübinger Festival-Drumherum-Formen“, im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bis zum Provinz: „Hier, wo der Apparat bescheiden ist und die Programm – zurückhaltend angekündigt als ­„szenische bergischen Theatertage initiiert, immer wieder Vorschlag der Autorenförderung aufkam. die plötzlich „ziemlich schal und fragwürdig“ wirkten. deutschen Theater nach dem Zweiten Weltkrieg, über Mittel beschränkt sind, lernen jungen Schauspieler, dass Lesung“, weil das Bühnenbild nicht auf die kleine gegeben haben. Dennoch war die mit logistischem und Demgegen­über stand die Bilanz von Christoph Müller das er schreibt: „Es hat viele Köpfe und keinen Kopf. sie aufeinander angewiesen sind. Dabei kann jederzeit, ­Konstanzer Bühne zu bauen war. Doch dann ereignete finanziellem Aufwand verbundene Initiative, alle zwei Daraus erwuchs der einzigartige Ansatz der Theater­ im ­„Schwäbischen Tagblatt“ (5.5.1981), die, das ganze Jahre die Bühnen des Landes an einem Ort zusammen- tage 1977, eine Woche voller Uraufführungs-­Premieren ­Festival berücksichtigend, den Gewinn einer „gemein-

* Eine Theaterlandschaft. Theater in Baden-Württemberg. Herausgegeben von Hans Peter Doll. Unter Mitarbeit von Kraft-Alexander, Hans-Reinhard Müller, Hannes Rettich, Hans-Werner Rückle im Auftrag der Intendanten des Landes zutrommeln, in den Anfangsjahren nicht unumstrit- aufzufahren. Damit erntete man enormes und über­ samen Solidarzuständigkeit“ erkannte: „Keiner stirbt Baden-Württemberg. Rombach & Co. GmbH Freiburg 1968. 132 Seiten (Essay von Siegfried Melchinger S. 9-17). ten – auch bei den Bühnen selbst. Schließlich schien regionales Presse-Echo – um postwendend 1979 hinfort an den baden-württembergischen Bühnen für

14 15 sich allein – auch nicht Bruchsals bedrängte Landes- das Geschäft eines Subventioneurs betreibe, habe ich nie verbunden mit Gründungen oder Eröffnungen: Dieses bislang letzte Festival krönte mit dem umfang- wird, um auf die zunehmende Zersplitterung der darunter Baden-Baden (von 23 auf 17), Karlsruhe (von bühne, auch nicht Karlsruhes von seinem Intendanten das Gefühl gehabt, dass das Geld so gut angelegt ist wie Mehrmals bekamen Theaterneubauten, die gerade reichsten Programm auch das bisher stetige quan- ­Zuschauerschichten zu reagieren. Und ein Blättern 31 auf 23), Konstanz (von 26 auf 21), Mannheim (von schmählich aufs Abstellgleis gedrängter Schauspiel­ bei dieser Aufführung.“ (zitiert nach Reutlinger General- mal ein oder zwei Jahre alt waren, durch das Festival titative Wachstum. Kommen die ersten Theatertage durch alte Festivalkataloge lässt erahnen, mit welchen 30 auf 21). Stuttgart verzeichnet derzeit 33 (früher direktor Günter Ballhausen, auch nicht Pforzheims noch anzeiger, 27.4.1981). Und es triumphierte eben nicht nur einen besonderen Aufmerksamkeitsschub in ihrer Stadt, noch mit zehn Stücken von neun Theatern aus (von ästhetischen Veränderungen die Programmdiffe- 39) feste Stellen, Ulm 15 (früher 23) und Pforzheim 13 immer in einem armseligen Nachkriegsprovisorium dieses Stück, sondern eine ganze Sparte, für die 1983 etwa in Esslingen 1983, in Heilbronn 1985, in Bruchsal denen sieben das offizielle und drei das Beiprogramm renzierung einhergegangen ist: In den ganz frühen (früher 16).* Die damit einhergehende Frage, wie sich notuntergebrachtes Drei-Sparten-Theater und schon eine Arbeitsgemeinschaft gegründet und ein Parallel­ 1991, in Pforzheim 1993, in Aalen 1995 (kein Neubau, bilden), so sind elf Jahre später in Karlsruhe bereits 19 Jahrgängen stößt man auf Gastspiele mit 29, 33, gar die Neigung zur kleinen Besetzung nicht nur auf die gleich nicht die bedachtsam klugen Reformer am festival als Arbeitstreffen eingerichtet wurde. aber mit dem Studio im Alten Rathaus endlich eine Auf­führungen von 13 Theatern angesetzt. Wieder acht 38 (!) Namen auf der Besetzungsliste (den Rekord hält ­Regiekonzeption bei Klassikern, sondern auch auf die altabonnentendiktierten und lokalpressegepreßten feste Spielstätte) oder erneut in Heilbronn 2001 (das Jahre später in Ulm 1987 gibt es 24 Aufführungen von Mannheim mit Brechts „Arturo Ui“ von 1968). Formen zeitgenössischer Dramatik ausgewirkt hat Konstanzer Stadttheater.“ Nach diesem Erfolg waren die Theatertage erst einmal neue Komödienhaus). Im Bedarfsfall war freilich auch 21 Ensembles (acht davon Kinder- und Jugendtheater) Selbst in Heilbronn 1985 gibt es noch Produktionen mit ­(gerade angesichts des Trends zum Auftragswerk), gesichert. Und sie blieben am Leben, da der drohenden das ­„Gegenteil“ möglich: 2007 in Konstanz wurde kein zu sehen. 2003 laufen in Ulm dann schon 32 Stücke von 26 (Mannheim), 25 (Tübingen) oder 21 Mitwirkenden wäre durchaus eine eigene Untersuchung wert. Durchbruch mit Kindertheater Beliebigkeit durch Routine, vor der bereits in der Ab- Neubau gefeiert, sondern die 400-jährige (!) Theater­ 28 Ensembles (13 Kinder- und Jugendtheater). Und 2011 (Esslingen). In Karlsruhe 2011 lag die Obergrenze bei 13, schlussdiskussion 1983 gewarnt wurde, immer wieder geschichte an konstant gleicher Spielstätte. Aber auch in Karlsruhe stehen auf dem Programm 43 Produktio- in Handkes „Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ Nah dran an der Gegenwart Ohnehin wurde mit diesen fünften Theatertagen der mit Festivals getrotzt wurde, die – den Presseresümees in Konstanz setzten die Theatertage neue Impulse: 1989 nen von 29 Bühnen (elf Kinder- und Jugendtheater). vom gastgebenden Staatstheater. Durchbruch geschafft – und zwar nicht mit der Ambition nach zu urteilen – Aufbruchstimmung, Begeisterung führten sie zur Gründung einer eigenen Kinder- und Die Gegenwartsdramatik haben die Theatertage der Autorenförderung, sondern mit einer Sparte, die und Begegnung vermittelten, sei es Konstanz mit dem Jugendtheatersparte. Größere Vielfalt, kleinere Ensembles Nun haben sich die Theater von der Tatsache, dass sie immer gefördert, ohne explizit Autorenfestival zu sein. sich damit vom Ruf befreite, ein Betätigungsfeld für Theaterzelt am See 1989 oder Aalen 1995 mit der Inbe- die Kosten ihrer Gastspiele selber tragen müssen, fast Das erste­ Festival fuhr ausschließlich zeitgenössische „Anfänger und Aufhörer“ zu sein: mit dem Kinder- und schlagnahme der ganzen Stadt. Ohnehin war bereits Mehr als einmal waren die Theatertage auch mit dem Dieses stetige Wachstum (dessen Karlsruher Gipfel- nie davon abschrecken lassen, mit repräsentativ-auf- deutschsprachige Dramatik auf, um zu fragen: „Welche Jugend­theater, dessen richtungsweisendes „Modell 1985 in Heilbronn festgestellt worden, die Bedeutung Beginn oder Abschluss von Intendanzen verbunden: punkt wohl auch mit dem Festivaljubiläum zusam- wendigen Arbeiten anzureisen – eine Ausnahme bildet Stücke werden in diesem Raum gespielt, jetzt, im Juni Baden-Württemberg“ sich nicht zuletzt dank der Theater­ der Theatertage habe „sich verschoben. Den größten Sie gaben 1989 der ersten Intendantensaison von Ulrich menhängt) scheint ein anderes Dauerthema der bis Ende der 80er Jahre das Staatsschauspiel Stuttgart, 1968? Wie werden sie gespielt – von ganz großen und tage etablierte (mehr dazu im Beitrag von Manfred Nutzen hat die gastgebende Stadt und ihr Theater­ Khuon ebenso eine zusätzliche Dimension wie etwa Theaterbranche Lügen zu strafen: die Geldknappheit. „die höchstdotierte Bühne des Landes, die aber mit ganz kleinen Theatern? Und vor allem: Wie kommen sie Jahnke, S. 87-89). Hier glückte sogar etwas, womit sich die publikum, und das ist auch gut so.“ (Esslinger Zeitung, 2005 dem Start von Nicola May in Baden-Baden (der Tatsächlich aber lenkt die Programmvielfalt den Blick ihrem Beitrag zu den Theatertagen stets aufs schäbigste an? Was richten sie aus?“, so der Freiburger Intendant Theatertage ebenso wie andere Festivals oft vergeblich 27.4.1985). auch mit der Gründung einer Kinder- und Jugend­ auf die vielleicht größte Verschiebung im Theater­ knausert“ (Mannheimer Morgen, 29.4.1985). Aber der Hans-Reinhard Müller im Grußwort des ersten Festival­ mühten: die Eröffnung mit einer Premiere, deren Wirkung theatersparte einherging) oder 2007 in Konstanz jenem geschehen seit Gründung des Festivals: Im Programm Vergleich mit den Statistiken zur Saison 1966/67 im katalogs. Zumindest die vorletzte Frage nach der Reso- nicht bis zum Erscheinen der Rezensionen verpufft, son- Festival der Eröffnungen von Christoph Nix, während Achim Thorwald 2011 in der Theatertage spiegelt sich, wie die Arbeit der Buch „Eine Theaterlandschaft“ zeigt, dass viele Bühnen nanz fand eine positive Antwort: „Was niemand erwartet dern nachhaltige Impulse setzt. Nach der Uraufführung Karlsruhe seine 35-jährige Intendanten-Laufbahn mit ­Bühnen über die Jahre hinweg immer differenzierter seither etliche Schauspielerstellen verloren haben, hatte, geschah: nahezu alle Vorstellungen, auch die der von Paul Maars „Mützenwexel“ entschlüpfte „Festival- Und das gilt nicht nur für die zehn Tage voller Auf­ der Jubiläumsausgabe, den 20. Theatertagen, aus­ Vater“ Hannes Rettich (Portrait S. 8/9) der Satz: „Seit ich führungen. Über Jahre hinweg waren die ­Theater­tage klingen lassen konnte. * Gemäß Angaben der Theater. Eigene Sparten für Kinder- und Jugendtheater nicht eingerechnet.

16 17 kleinen Bühnen, waren gut bis sehr gut besucht und engagiert und Otto Sander in Heidelberg, 1970 lief ­Theater, mit dem Heidelberg sich zwischen 1981 und die Theatertage die Unentbehrlichkeit eines wichtigen man noch nicht mal wisse, ob er echt sei (zitiert nach: einige Male auch ausverkauft“, bilanzierte die „Badische Ulrich Wildgruber in zwei Nebenrollen für Stuttgart auf, 1987 gleich drei Mal präsentiert. Auch Kammer- und Kulturträgers unserer Zeit, nämlich des Theaters, ent- Aalener Volkszeitung, 12.5.1995). Zeitung“ am 22.6.1968. während Gottfried John und Elisabeth Trissenaar für ­Solo-Opern aus Karlsruhe und Stuttgart finden sich in sprechend unterstreichen werden.“ Heidelberg spielten. 1979 war Gert Voss im Stuttgarter den Katalogen – beispielsweise die Karlsruher Urauf- Die seitdem verstrichene Zeit hat gezeigt, dass Ein wegweisender Erfolg: In der Geschichte der „Endspiel“ noch einmal dabei - als Mülltonnenbewoh- führung einer Kammeroper des damals 25-jährigen Der bereits erwähnte Publikumserfolg erfüllt diese Schwarzbrot und Kaviar sich keineswegs ­kannibalisieren Theatertage kommen Gegenwartsdramatik und ner Negg, während Branko Samarovski und Peter Satt- Wolfgang Rihm 1977 in Mannheim. Wohl am buntesten Hoffnung, doch die Finanzdebatte verschwindet in müssen. Das Festspielhaus Baden-Baden, das aus Zuschauerinteresse so häufig zusammen, wie das wohl mann Hamm und Clov gaben. Die „Metamorphosen“- ging‘s 2001 in Heilbronn zu, als Tanztheater aus Heidel- den 45 seither vergangenen Jahren nie so richtig aus den damals noch obskuren Plänen hervorging, steht nur bei einem Festival möglich ist. Indem die Bühnen Bearbeitung eines gewissen René Pollesch war 1991 als berg und Stuttgart sowie Opern aus Karlsruhe und Ulm der Bühnenlandschaft. Immer wieder flackern bei den mittlerweile seit 15 Jahren – und das Theater Baden- mit Stücken anreisen, mit denen sie sich repräsentiert Heidelberger Produktion in Bruchsal zu sehen, der heu- auf dem Programm standen. ­Festivals Warnfeuer auf: 1981 in Tübingen beispiels- Baden feiert quasi nebenan sein 150-jähriges Bestehen sehen wollen, entsteht ein Programm, das wohl mehr tige Frankfurter Intendant Oliver Reese stellte mit dem weise kommt während einer Diskussion die prekäre mit einer Saison, die vom „Faust“ über Elfriede Jelinek als nur ein Querschnitt der Spielpläne im Land ist – und eigenen Text „Bartsch Kindermörder“ 1993 in Pforzheim Dauerthema Finanzdebatte Situation der Badischen Landesbühne Bruchsal zur bis zum Auftragswerk im Kindertheater alles bietet, was dadurch Neugier weckt. So kamen Stücke von Franz- seine erste Regiearbeit vor – in einem Gastspiel aus Sprache, 1983 wird offenkundig, wie ruppig das Theater ein Stadttheater dieser Tage auffahren kann. Gleichwohl Xaver Kroetz, Fitzgerald Kusz und Horst Wolf Müller, von Ulm, wo wenig später Roland Schimmelpfennig ein Mit der Bereitschaft, das eigene Tafelsilber auch mal Baden-Baden von seinem Träger gegängelt wird, 1993 stehen die Theater vor enormen Herausforderungen, zu Werner Schwab, Oliver Reese und Gerlind Reinshagen, Stück von Brad Fraser inszenierte und 1997 bei den Hei- woanders auszupacken, wird ein Zeichen gesetzt warnt Hannes Rettich in seinem Grußwort im Festival- denen vor allem der gesellschaftliche Wandel gehört. von Lukas Bärfuss, Dea Loher und Elfriede Jelinek auch delberger Theatertagen zeigte. Ein Einar-Schleef-Projekt gegen eine Diskussion, die zu den Theatertagen gehört Programmbuch, es drohe „eine drastische Senkung der Dass die nun anstehenden 21. Theatertage mit ihrem in Städte, in denen sie nicht gerade auf dem Spielplan von Armin Petras gehörte zum Programm 2003, und wie zur Bühnenlandschaft an sich: die Debatte um Etats Landeszuschüsse für die kommunalen Bühnen mit der Motto „Fremdwahrnehmung“ diesen Aspekt aktiv standen. Und natürlich dürfte es der Durchsetzung von 2009 boten die Theatertage mit gleich drei Philipp-Löh- und Zuschüsse. Schon vor den allerersten Theatertagen Folge von Spartenstreichungen an fast allen städtischen annehmen, lässt erwarten, dass die Bühnenlandschaft Kindertheater-Autoren wie Paul Maar, Ad de Bont oder le-Stücken geradezu eine kleine Autoren-Retrospektive. wurde übers Geld geredet, und zwar ausgerechnet Bühnen.“ Dieses Worst-Case-Szenario – es ging um die weit davon entfernt ist, sich passiv umpflügen zu lassen. Pauline Mol alles andere als geschadet haben, dass ihre Fazit: Auch in kleinen Produktionen erwischt man mit- an den gastgebenden Städtischen Bühnen Freiburg. so genannten „globalen Minderausgaben“ – wird noch Der Austausch über Ideen, Ansätze und Erfahrungen, Stücke beim Treffen der jungen Sparten immer wieder unter einen Blick auf die Theatergrößen von morgen. Die Situation lässt sich erahnen aus einem Pressezitat: einmal abgewendet. Aber schon 1995 sieht sich Rettich den die Theatertage erlauben, ist ein wesentlicher Teil präsentiert wurden. „Intendant Hans-Reinhard Müller (...) stellte als beson- wieder zu klaren Worten genötigt: Anlässlich der Fest- der Landschaftspflege. Was sich gewinnen lässt, wenn Was ebenfalls erwähnenswert ist: Die Theatertage deren Lichtpunkt in der Schattenzeit des Theaterlebens spielpläne des Landes in Baden-Baden bei gleichzeitig diese Chance ergriffen wird, hat der damalige Freibur- Bekannte Namen beginnen zwar dezidiert als Schauspielfestival, bringen heraus, dass für die Spielzeit 1967/68 keine Kürzungen ungesicherter Finanzierung der kommunalen Bühnen ger Intendant Hans-Reinhard Müller als erster Theater- aber immer wieder andere Sparten in Städte, deren im Theateretat zu erwarten sind.“, schreibt die „Badische sagt er, Ministerpräsident Erwin Teufel bezeichne zwar tage-Gastgeber in seinem Grußwort so formuliert: „Wir Ohnehin begegnet man in den Programmen immer Theater hier schwächer oder gar nicht bestückt sind. Volkszeitung“ am 14.6.1967. Insofern ist es weniger Kunst als Lebensmittel, aber es zeuge von schlechter erwarten von diesem Versuch keine Lösung. Bestenfalls: wieder bekannten Namen – manchmal an etwas Am naheliegendsten ist das bei genreüberschreitenden pathetisch als pragmatisch, wenn es am gleichen Tag Ernährung, einerseits das ohnehin rare Schwarzbrot zu genauere Gedanken. Ein paar Antworten, die wir noch unerwarteter Stelle. 1968 war Gert Voss in Konstanz Ansätzen wie Johann Kresniks choreographischem in der „Badischen Zeitung“ heißt: „Es ist zu hoffen, dass rationieren und andererseits Kaviar zu reichen, von dem nicht alle kennen. Das wäre schon viel.“

18 19 Spielplan Randnotiz BADEN-BADEN, Theater: Wolfgang Weyrauch „Fußgänger“ Zur Eröffnung gibt es die Podiumsdiskussion „Die Theater – Mannheim (R: Lothar Schluck) Totengräber oder Entwicklungshelfer neuer Stücke und Auto- BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Autorenkollektiv „Apachen ren?“, moderiert von Manfred Beilharz. Es diskutieren Karlheinz in der Rumpelkammer“ (R: Karl Heinz Moos, Kinderstück) Braun (Dramaturg), Dieter Hirschberg (Autor), Claus Peymann ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Helmut Wal- (Regisseur), Klaus Pierwoß (Dramaturg), Gerlind Reinshagen bert „Geschäft am Nachmittag“ (UA, R: Gerhard A. Matten) (Autorin) und Günther Rühle (Kritiker). FREIBURG, Städtische Bühnen: Hermann Essig „Der Schwei- Ausgangsthese: Es gibt im Theater zu wenig zeitgenössische nepriester“ (R: Roland Gall) / Werner Geifrig „Bravo, Girl“ (R: Reto Stücke. Einzelthesen zur Erklärung: Die Regisseure profilieren Babst, Jugendstück) als Ersatz für die wegen Protest des Autoren sich lieber mit eigenwilligen Klassiker-Zugriffen (Karlheinz Dieter Hirschberg kurzfristig abgesagte Uraufführung „15,16,17“ Braun). Theater wird durch Bürokraten in Leitungspositionen HEIDELBERG, Städtische Bühne: Friedrich Beyer / Hartwin zum Verwaltungsakt, bei dem nur noch Zuschauerzahlen 197723. – 30. April Gromes „Homers Odyssee“ (R: Friedrich Beyer) und Marktgegebenheiten zählen (Claus Peymann). Weil die KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Wolfgang Rihm „Faust Markthierarchie dazu führt, dass die attraktiven Stücke erst den und Yorick“ / Bruno Maderna „Don Perlimplin“ (R: Hans Peter Metropoltheatern angeboten werden, setzen kleinere Theater Knell, Oper) auf Alternativen wie Stückausgrabungen (Klaus Pierwoß). Gastgebender Intendant MANNHEIM, Nationaltheater: Volker Braun „Tinka“ (EA, Den zeitgenössischen Autoren fehlt mit Ausnahme von Franz R: Jürgen Bosse) Xaver Kroetz, Thomas Bernhard und Botho Strauß die große Arnold Petersen STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Thomas dramatische Linie (Günther Rühle). Bernhard „Minetti“ (R: Claus Peymann) Resümee: „Der Zuhörer wurde (...) den Verdacht nicht los als Spielstätten TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: werde die konkrete Situation des Autors (...) bewußt unter Volker Ludwig / Detlef Michel „Das hältste ja im Kopf nicht aus“ den Tisch gekehrt. So blieb zum Beispiel ungeklärt, wie das Bühne, Studio (R: Falko Gottsberg) eingestandenermaßen ungerechte Tantiemensystem (das ULM, Theater: Heinrich Beens „Villon“ (R: Peter Borchardt) beispielsweise einem Autor für ein Stück, an dem er ein halbes Bilanz Jahre gearbeitet hat, unter Umständen eine Abrechnung 4.500 Besucher, Auslastung 91 Prozent von rund 200 Mark beschert) ersetzt oder verbessert werden könnte.“ (Die Rheinpfalz, 25.4.1977) Große Presseresonanz: 139 Presseplätze bei „Faust und Yorick / Don Perlimplin“, 119 bei „Tinka“, je 74 bei „Minetti“ und „Villon“ Pressestimmen: „Utopien werden nicht gegeben, dafür szenische Botschaften aus der Zeit nach dem Zukunftsglauben.“ (Stuttgarter Nachrichten, 27.4.1977) / „Eine Lanze wurde für das Ungesicherte, das Gewagte gebrochen.“ (Rhein­Neckar­Zeitung, 2.5.1977) / „Revue der guten Absichten und geplatzten Träume“ (Stuttgarter Zeitung, 3.5.1977)

kursiv = Kinder- und Jugendtheater

20 Württembergisches Staatstheater Stuttgart: „Minetti“, Foto: Deutsches Theatermuseum München, Archiv Abisag Tüllmann 21 Spielplan Rahmenprogramm BADEN-BADEN, Theater: Roberto Athayde „Auftritt Dona Workshop für Kritiker und Theaterleute / Fernsehaufzeichnung Karlsruhe Margarida“ (R: Friedhelm Schauwienhold) des SWF „Zu Gast bei... Den Theatern in der Provinz“ (Diskus- BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Paul Maar „Maschima- sion mit den Landesbühnen) / Symposion „Von Lessing bis schine“ (R: Karl Heinz Moos, Kinderstück) / Wolfgang Spielvogel Müller“, Kritiker diskutieren Probleme regionaler Theaterkritik / „Alleweil Freiheit“ (UA, R: Wolfgang Lichtenstein) Symposion „DDR-Autoren auf den Bühnen der Bundesrepublik ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Harald Mueller Deutschland“ / Mittags Tischgespräch, abends Stammtisch / „Frankfurter Kreuz“ (UA, R: Heinrich Staehle) Autorenlesungen: Dieter Hirschberg, Erasmus Schöfer, Bernd B. FREIBURG, Städtische Bühnen: Georg Büchner „Woyzeck“ Wördehoff, Paris Kosmidis, Peter Greiner. (R: Dieter Bitterli) / Arghyris Kounadis „Die Baßgeige“ (R: Siegfried Schoenbohm) Randnotiz HEIDELBERG, Theater der Stadt: Helmut Walbert „Geschäft am 197921. – 29. April Nachmittag / Der Pornofilm“ (R: Eike Mewse) Der erstmals verliehene Preis „Nashorn“ für die größte kultur- HEILBRONN, Theater: Akos Kertész „Witwen“ (R: Georg Hahn) politische Fehlleistung ging an den Karlsruher Oberbürger- KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Dominick Argento meister Otto Dullenkopf für das Betreiben der Nicht-Vertrags- „Postkarte aus Marokko“ (UA, R: Friedrich Petzold, Oper) / Georg verlängerung des künstlerisch erfolgreichen, aber unliebsamen Gastgebender Intendant Büchner „Woyzeck“ (R: H. Dieter Jendreyko) / Martin Sperr Karlsruher Schauspieldirektors István Bödy. „Jagdszenen aus Niederbayern“ (R: István Bödy) Günter Könemann KONSTANZ, Stadttheater: Wilhelm W. Schütz „Vom freien Leben träumt Jan Hus“ (UA, R: Wilhelm List-Diehl) Spielstätten MANNHEIM, Nationaltheater: Dario Fo „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ (R: Jürgen Bosse, als Ersatz für Fitzgerald Kusz Großes Haus, Kleines Haus, Schauspielhaus am „Stinkwut“, aus technischen Gründen geändert) Festplatz PFORZHEIM, Stadttheater: Carlo Goldoni „Mirandolina“ (R: Eberhard Feik) Bilanz STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Samuel Beckett „Endspiel“ (R: Alfred Kirchner) / Hans Werner Henze 8000 Besucher, Auslastung 88 Prozent. „El Cimarron“ (Leitung; Hans Werner Henze, Oper/Rezital) Pressestimmen: „Karlsruhe demonstriert, TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: dass es allenfalls eine Opern­ oder Operetten­ Franz Xaver Kroetz „Mensch Meier“ (R: Peter Kock) / Volker stadt ist“ (Stuttgarter Zeitung, 26.4.1979) / „Das Ludwig/Detlev Michel „Die schönste Zeit im Leben“ (R: Falko Gotts- berg, Jugendstück) größte Defi zit entstand beim Posten ‚Teilhabe ULM, Theater: Ferdinand Silhanek nach Martin Sperr „Jagd- der Bevölkerung‘. Es war ein Theatertreff en im szenen aus Niederbayern“ (UA, R: Peter Borchardt, Oper) Ghetto, eine Konferenz der Professionellen ohne Strahlkraft auf die Menge.“ (Badische Neueste Nachrichten, 5.5.1979)

kursiv = Kinder- und Jugendtheater

22 Württembergische Landesbühne Esslingen: „Frankfurter Kreuz“, Foto: Peter Strnad 23 Die Theatertage waren nach der Stimmen, aber letztlich hat dann doch Thorwald: Die waren auch die Ziel- Nürnberg erlebt, was möglich ist, wenn „In den 70ern war zweiten Ausgabe quasi schon der Reiz überwogen, es am Ort uraufzu- gruppe. Wir haben in Esslingen 1976 man Kinder- und Jugendtheater so wieder beerdigt, doch dann wurde führen und dabei auch ein ganz anderes ganz gezielt angefangen mit Kinder- und ernst nimmt wie Erwachsenentheater nach einer Lücke von sieben Jahren Publikum zu erreichen – und mehr Presse. Jugendtheater. Ich wollte das als eigene und nicht glaubt, dass das nur etwas für der bis heute genutzte Zwei-Jahres- Ich war damals ein ganz junger Intendant Sparte haben, denn ich hatte zuvor in Anfänger und Aufhörer ist. So ist dann man sehr Rhythmus initiiert. Wie haben Sie und deshalb vielleicht auch der Frechste. auch das „Modell Baden-Württemberg“ das miterlebt? Für mich war klar: „Toll, wir machen das“ entstanden: Um die eigene Sparte von – und natürlich habe ich hinterher ge- Achim Thorwald studierte Rettich fi nanziert zu bekommen, hat Thorwald: Die beiden ersten Festivals merkt, mit welchen Schwierigkeiten das Schauspiel, Musik­, Kunst­, Rettich mir geraten, die anderen Landes- waren off enbar eher ungeliebt, denn es verbunden war. Aber es haben insgesamt Literatur­ und Theaterge­ bühnen mit ins Boot zu nehmen. Da sind neugierig“ ist auch deshalb plötzlich nicht mehr vor allem die kleineren Theater diesen schichte in Salzburg. Als Klaus Pierwoß in Tübingen und Alf André weitergegangen, weil sich keiner mehr Ansatz mit Begeisterung aufgegriff en. Schauspieler arbeitete er in in Bruchsal drauf angesprungen, wir sind gemeldet hat. Dann gab es 1974 eine Hamburg am Ernst­Deutsch­ zu dritt nach Stuttgart gefahren und sehr turbulente Sitzung, bei der die Frage Sie haben aus Esslingen damals Theater, an den Städtischen haben in Rettichs Vorzimmer per Hand- im Raum stand: Sollen wir das noch mal „Liebe am Nachmittag“ von Helmut Bühnen Nürnberg sowie in schlag die AG Kinder- und Jugendtheater versuchen? Und Hannes Rettich hat das Walbert gebracht. Das war ein ganz Freiburg, wo er auch Schau­ gegründet. dann vorangetrieben. Sein Vorschlag klar jugendorientiertes Stück – war spieldramaturg und Oberspiel­ war, die Theatertage weiterzuführen – im das so gewollt? leiter war. Er war Intendant Lag deshalb 1981 bei den Theater- Achim Thorwald, ehemaliger Intendant Zwei-Jahres-Rhythmus, damit auch der der Württembergischen tagen in Tübingen der Fokus auf Landesverband zwischendurch Geld sam- Thorwald: Vom Festival war es nicht Landesbühne Esslingen dieser Sparte? der Württembergischen Landesbühne meln kann. Also hat man es 1977 wieder vorgegeben, aber wir wollten das. Es (1976­1985), des Stadttheaters Esslingen (1976­1985) und des Badischen versucht, und da haben sich Arnold gab damals entweder Kinderstücke oder Würzburg, der Städtischen Thorwald: Nach dem Festival 1979 hatte Staatstheaters Karlsruhe (2002­2011) über Petersen und sein Verwaltungs direktor Erwachsenenstücke, aber fast gar nichts Bühne Münster und des ich Rettich auf der Heimfahrt in meinem die Anfänge der Theatertage, den Fokus Hanns Maier unheimlich engagiert, das für Jugendliche. Für diese Lücke wollte Hessischen Staatstheaters Auto mitgenommen und er sagte, nach auf die Jugend und die Größe war wirklich sehr gut organisiert. ich von Walbert ein Stück, und es wurde Wiesbaden. Von 2002 bis 2011 den Impulsen von Mannheim und Karls- von Ensembles. dann ja eine Geschichte über eine puber- war Achim Thorwald General­ ruhe müsste jetzt noch was kommen. Damals ging es ja darum, dass alle täre erste Liebe, von der sich viele junge intendant und Operndirektor Worauf ich gesagt habe: „Dann machen Theater beim Festival eine Urauf- Leute angesprochen fühlten. des Badischen Staatstheaters wir in Tübingen nur Kinder- und Jugend- führung herausbringen sollten. Karlsruhe. Er ist Gründungsmit­ theater.“ Und genau das ist passiert. Klingt das nur für heutige Verhält- „Frankfurter Kreuz“, das Sie 1979 glied von Opera Europe und nisse extrem ambitioniert oder war in Karlsruhe uraufgeführt haben, Jurymitglied internationaler Wie ist das denn angenommen das schon damals ein ungewöhn- ist dann gewissermaßen eine Operngesangswettbewerbe. worden? licher Aufwand? Mischform – da treten verschiedene Bis 2011 war er Geschäftsführer Generationen auf, im Zentrum aber der Intendantengruppe im Thorwald: Wir haben die Stadt da richtig Thorwald: Es gab durchaus kritische stehen Jugendliche. Deutschen Bühnenverein. aufgemöbelt. Wir haben auf der grünen

24 Foto: Jochen Klenk 25 Wiese Theater gespielt, wir sind auf den tivals, die ja bis heute funktioniert – und berichtet von einer Podiumsdiskus- Affen Zucker – und das ist dann Kinder- Kinder- und Jugendtheater in dieser Form Thorwald: Durchaus. Weil da die konnte: Wir haben eine Idee, also Thorwald: Es ändert sich die Art der Marktplatz gegangen und haben da das System, dass die Ensembles vor Ort sion, in der die Haltung der Presse theater. Auch da hat das Tübinger Festival aber war neu und hat sich auch bei den ­Erwartungshaltung groß war. In Esslingen machen wir‘s jetzt auch? Stücke ebenso wie der Umgang damit. improvisiert, und haben am Anfang einen bleiben und miteinander­ austauschen. zum Kinder- und Jugendtheater ein deutliches Umdenken gebracht: Weil Theatern selber erst dadurch durch­gesetzt. zum Beispiel ist das Nationaltheater Bei einem Klassiker werden eben kleinere halben Marsch durch die Stadt gemacht. vehement beklagt wird... wir es alle gemacht haben, hat man es Und das hat dann zumindest in dieser Mannheim mit Jürgen Bosses „Bockerer“- Thorwald: Ja, das war definitiv die Zeit. Rollen gestrichen und es gibt Mehrfach- Dadurch hatten wir große Aufmerksam- Sie haben damals „Mützenwexel“ plötzlich ernst genommen. ­Sparte auch bei den Autoren viel bewegt. Inszenierung gekommen, die in unserem In der Folge von 1968 hat sich ja auch in besetzungen. Und man kann seltener keit. Außerdem hat Tübingen wirklich von Paul Maar gezeigt, was dessen Thorwald: Das war damals in der Tat Häuslein nicht auf die Bühne gepasst hat. den Theatern eine ganze Menge getan, spielen: In Esslingen hatten wir fast 600 enorm viel dafür getan, die Schulen zu Karriere stark befeuert hat. Wie noch ganz schlimm. Es galt eben als Die Theatertage haben erst zeit­ Die späteren Festivals mussten Da haben wir eine Turnhalle gemietet diese ganzen Emanzipationsschritte, die Vorstellungen im Jahr, haben also fast aktivieren, so dass die Vorstellungen kam es zu der Zusammenarbeit? „nur“ Kindertheater, und da wurden die genössische Dramen gefördert und dann nicht mehr so grundsätz- und dort gespielt, und das war für die Theater und auch die Theaterleute jeden Abend an zwei Orten gespielt. Die gut besucht waren. Da muss ich den Nachwuchsschreiberlinge hingeschickt, dann das Kinder- und Jugend­ lich werden,­ sondern haben sich ­Esslingen eine Sensation. Das hätten wir freier gemacht haben erzielten Mehreinnahmen haben wir di- ­damaligen Verwaltungsdirektor Hans Thorwald: Zu der Zeit hat man immer denen man nicht zutraute, über eine theater – warum war der zweite ­Themen oder Motti gesetzt. Kann fünf Mal zeigen können. rekt wieder in den Ausbau des Ensembles Tränkle erwähnen, der sich da unheimlich nach Autoren gesucht, und eines Tages Schiller-Inszenierung zu schreiben. Man Ansatz so viel erfolgreicher? ein Festival dadurch Inhalte trans- War man da auch neugieriger gesteckt. Wird das Ensemble kleiner, kann engagiert hat. Der wollte, dass das ein sagte mir mein Chefdramaturg ­Heinrich musste kämpfen gegen die Meinung: Die portieren, die im Normalbetrieb an- Das bringt ein weiteres Stichwort: ­darauf, was die anderen machen? man nur kleinere Stücke spielen – oder Erfolg wird. Staehle, da gäbe es jemanden, der sei Schauspieler, die zu schlecht sind fürs Thorwald: Uraufführungen sind ja auch sonsten weniger Platz oder weniger Kann ein Festival neue Räume für eben nur einmal am Abend, was bei Lehrer und müsse, wenn er für uns Erwachsenentheater, geben mal dem vorher immer wieder gemacht worden, Aufmerksamkeit fänden? Theater erschließen? Thorwald: Man war sich auch nicht zu Landesbühnen hieße: entweder zuhause schade, mal in andere Spielpläne zu oder woanders. Auf jeden Fall wäre man „Erst gab‘s nur das Grips-Theater, Thorwald: Eine thematische Konzentra- damit wieder weniger präsent. das haben alle nachgespielt. tion ist in jedem Fall hilfreich, indem sie „Bei den Theatertagen ist immer auch Dank Paul Maar sind dann den Blick fokussiert. Und vom Publikum die Stadt neu entdeckt worden.“ Abschließend: An welche Besonder­ wird ein Festival stärker angenommen, heiten aus Ihrer zweiten Baden- unsere Stücke nachgespielt worden.“ weil man sagt: Oh, Stuttgart gastiert Württemberg-Phase ab 2002 in Pforzheim, das muss ich sehen. Thorwald: Ja, es war auch von vornher- gucken und da zu räubern. Ich hatte den erinnern Sie sich? Das waren damals ja nicht so viele schreiben solle, fest angestellt werden, ­Problematisch ist es, wenn in einer ein immer in der Überlegung: Wo spielt Eindruck, dass man in den 70er Jahren Ensembles wie heute... um davon leben zu können. Das haben großen Stadt ein kleines Theater gastiert. man? Was für ein Raum müsste das sein? sehr neugierig war. Und wir hatten hier Thorwald: Das Besondere war, dass es wir gemacht – und das war Paul Maar, Sehen Sie sich mal die Gastorte der Da haben die Theaterleute auch ihren in Baden-Württemberg mit Rettich eben Themen gab und man vom Spiel- Thorwald: Nein, das waren die drei Lan- der dann insgesamt fünf Stücke für uns ­Theatertage an – wir haben von vorn­ Ehrgeiz reingelegt, ungewöhnliche ­jemanden, der die Theater gestützt hat, plan her darüber nachdenken musste. desbühnen, das Schnawwl in Mannheim geschrieben hat, mit denen wir viel Erfolg herein gesagt: Die kleinen Häuser müssen ­Spielorte zu finden. Oder die Theater das gab es nirgendwo in dem Maße. Was mir in Erinnerung ­geblieben ist, und das Freiburger Kinder- und Jugend- hatten. Vorher gab‘s eigentlich nur das die Unterstützung haben von den großen haben angeboten: Wir hätten ein Stück, ist Baden-Baden 2005, weil da wie- theater von Dieter Kümmel, das heute Grips-Theater, das hatte tolle Stücke, aber Häusern. Teilweise hat sich Stuttgart da das muss man aber im Bunker spielen Apropos Maße: Im Programm von derum einiges­ so klein war, dass man Theater im Marienbad heißt. Es haben die haben eben alle nachgespielt. Das rausgezogen, mit der Haltung: Wir gehen – hättet ihr da was? So ist bei einem Heilbronn 1985 stehen für die Ess- wieder klein denken musste, und das aber auch alle anderen Bühnen etwas war mir zu langweilig. Dank Paul Maar doch nicht nach Heilbronn. Das hat uns ­Festival auch immer eine Stadt neu linger Produktionen „Zweifel“ und kriegte wieder etwas ganz elementar beigetragen und sich bemüht, das mehr in sind dann unsere Stücke nachgespielt immer geärgert. Die anderen haben entdeckt worden. „Hinkemann“ über 20 Darsteller­ ­Theatralisches. Da war plötzlich das, was ihren Spielplan einzubauen. Das Tübinger worden – das war mir schon lieber. (lacht) immer mitgezogen. namen. Solche Besetzungen sind mich am meisten interessiert – wenn Festival war der entscheidende Motor, und Stichwort Entdecken: Waren die heute kaum noch denkbar. Welche Theater sich reduziert auf einen Stuhl und dann kam bei den nächsten Theatertagen Wie war denn die Außenwahrneh- Hat man an der Zuschauerzahl Anfänge da eher eine gewisse Auswirkungen hat das Schrumpfen zwei Menschen, und zwischen denen in Esslingen die Teilung in zwei Parallelfes- mung? Der Tübinger Pressespiegel einen „Großstadt-Bonus“ gemerkt? „Goldgräberzeit“, in der man sagen der Ensembles auf den Spielbetrieb? passiert was.

Achim Thorwald 1979 als Darsteller in „Frankfurter Kreuz“, 26 Foto: Peter Strnan 27 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater BADEN-BADEN, Theater: Brian Clark „Ist das nicht mein BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Wilhelm Pevny „Clinch“ Tübingen Leben?“ (R: Bert Ledwoch) (UA, R: Wilhelm Pevny) / Volker Ludwig „Max und Milli“ BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Erwin Sylvanus nach Paul (R: Christoph Eichler) J. Schrag „Exil – Reise in die Heimat“ (R: Laszlo Kornitzer) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Paul Maar FREIBURG, Städtische Bühnen: Carlos Trafic „Das Cabinet des „Mützenwexel“ (UA, R: Mauro Guindani) / Volker Ludwig/ Dr. Caligari“ (R: Carlos Trafic) / Peter Greiner „Fast ein Prolet“ Christian Sorge „Ein Fest bei Papadakis“ (R: Holger Scharnberg) (R: Hermann Treusch) FREIBURG, Städtische Bühnen: Ingeborg Bayer „Die vier HEIDELBERG, Theater der Stadt: Johann Kresnik/H. Stierlin Freiheiten der Hanna B.“ (R: Dieter Neuhaus) „Familiendialog“ (R: Johann Kresnik, Choreographisches FREIBURG, Kinder- und Jugendtheater: „Wo spielen wir oder Theater), Ernst Jandl „ Aus der Fremde“ (R: Peter Stoltzenberg) Wenn die Grolligs kommen“, nach einer Vorlage des Teatro del HEILBRONN, Theater: Marsha Norman „Draußen“ (R: Klaus Sole, Mailand (R: Die Gruppe) / Volker Ludwig/Detlef Michel 198125. April – 3. Mai Wagner) „Do drehsch jo durch, he!“ (R: Dieter Kümmel) KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Arnolt Bronnen KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Anneli Wagner nach „Die Kette Kolin“ (R: Günter Ballhausen) Lewis Carroll „Alice im Wunderland“ (R: Anneli Wagner) KONSTANZ, Stadttheater: Georg Heym „Atalanta oder Die KONSTANZ, Stadttheater: Markus Weber „Lisa oder Drunter Gastgebender Intendant Angst“ (R. Dieter Bitterli) und drüber und kopfüber“ (UA) MANNHEIM, Nationaltheater: „Heiße Kartoffeln“ (eine MANNHEIM, Schnawwl: Paul Maar „Kikerikiste“ (R: Pavel Klaus Pierwoß „Tramödie“ der Theaterwehr Brandheide) Mikulastik) / Rote Grütze Berlin „Was heißt hier Liebe?“ (R: Pavel PFORZHEIM, Stadttheater: Georg Büchner „Woyzeck“ Mikulastik) Spielstätten (R: Gerhard Weber) PFORZHEIM, Stadttheater: Hansjörg Schneider „Robinson STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Hans­günther lernt tanzen“ (R: Hansjörg Schneider) Großer Saal, Werkstatt, Theaterzelt Heyme „Größerer Versuch über den Schmutz“ (Leitung: Hans- TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: günther Heyme) „Langfinger“ (R. Rainer Escher) / Carlo Formigoni „Die Stadt der Bilanz TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Tiere“ (R: Carlo Formigoni) / Karl-Heinz Scherfling „Nix los in Über 10.000 Besucher, 31 Vorstellungen „Irrtrümmer – Schauspielerszenen zum bundesdeutschen Strinz“ (R: Stefan Viering) Alltag ‚81“ (29 ausverkauft), insgesamt 62 Veranstaltungen. ULM, Theater: Barrie Keeffe „Gimme Shelter – Helden ohne Rahmenprogramm Pressestimmen: „Es waren ereignisreiche, es Hoffnung“ (R: Dietrich Hilsdorf) Autorenlesungen: Paul Maar, Andreas Schmidt, Werner Geifrig, waren auch ertragreiche Tage. (...) Die Verbin­ Gerhard Eikenbusch, Melchior Schedler / Forumsdiskussion dung von Arbeitstreffen und Festival, die Breite „Spielplan und Lehrplan“ / Werkstattgespräch „Kinder- und und Fülle der Begegnung von Theaterleuten Jugendtheater in der Presse“ unter sich wie mit Theaterbegeisterten aller Art – das war noch nie so glücklich erreicht, und nie in so wunderbarer, wärmender anregender Atmosphäre.“ (Mannheimer Morgen, 5.5.1981), „Jugendtheater im Aufwind (…) Aufführungen wie ‚Nix los in Strinz‘ und ‚Lisa‘ stimmen hoff­ nungsvoll, dass sich die Theater ernsthaft und nicht nur zur Weihnachtszeit um die jüngeren Zuschauer bemühen.“ (Süddeutsche Zeitung, 13.5.1981)

28 Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen: „Nix los in Strinz“, Foto: Peter Neumann/Stadtarchiv Tübingen D150/KBF445.4 29 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater BADEN-BADEN, Theater: Heiner Müller „Philoktet“ (R: Rolf ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Paul Maar / Esslingen Hartmann) Mauro Guindani „Eine große Reise durch das Schweigen“ BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Adolf Muschg (R: Mauro Guindani) / Edward Bond „Gerettet“ (R: René Geiger) „Rumpelstilz“ (R: Roland Bertschi) FREIBURG, Städtische Bühnen: Helfrid Foron nach Collodi ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Fitzgerald „Pinocchio“ (R: Helfrid Foron) Kusz „Unkraut – Die Grillparty“ (UA, R: Heinrich Staehle) / Sibylle MANNHEIM, Schnawwl: „Schlußphase“ (R: Pavel Mikulastik) Birkenmeier/Ingeborg Süber „...ohne in anderer Sprache zu TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: sein...“ (R: Sibylle Birkenmeier/Ingeborg Süber) Carlo Formigoni „Die Schöne und das Tier“ (R: Carlo Formigoni) / FREIBURG, Städtische Bühnen: Rainer Mennicken „Starker Franz-Xaver Kroetz „Jumbo Track“ (UA, R: Gunther Möllmann) Hans“ (R: Dieter Bitterli) / Peter Siefert nach E.T.A. Hoffmann „Der Sandmann“ (R: Peter Siefert) Rahmenprogramm 198316. – 24. April HEIDELBERG, Theater der Stadt: Manuel Puig „Der Kuß der Spinnenfrau“ (R: Jossi Wieler) Täglich Schauspieler-Workshops mit Günther Einbrodt (ein- HEILBRONN, Theater: Madeleine Lienhard „Galerie der gesprungen für George Tabori), Dieter Schnebel und Brigitta Shakespeare-Frauen mit Heinrich Heine“ (R: Madeleine Trommler / Podium-Treff: Journalisten – Theatermacher / Motto Lienhard/Klaus Wagner) Podiumsdiskussion „Autoren heute und ihr Publikum“ KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Volker Braun „Simplex „Theater der zeitgenössischen Deutsch“ (R: Willi Händler) Randnotiz Autoren – Zeittheater?“ KONSTANZ, Stadttheater: Martin Walser „Eiche und Angora“ Der Negativ-Preis „Nashorn“ geht an Sigrun Lang, Chefin der (R: Markwart Müller-Elmau) Kur- und Bäderverwaltung Baden-Baden, für ihren „offenen Gastgebender Intendant MANNHEIM, Nationaltheater: Peter Preses/Ulrich Becher Einfluss aufs Theater, den man schon als Zensur bezeichnen „Der Bockerer“ (R: Jürgen Bosse) muss“. Achim Thorwald PFORZHEIM, Stadttheater: Franz Kafka „Ein Bericht für eine Akademie“ (R: Kay Karius) Spielstätten STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Jochen Berg „Klytaimnestra“ (R: Paul Schalich) Schauspielhaus, Podium, Schelztorhalle ULM, Theater: Gerlind Reinshagen „Eisenherz“ (R: Guido Bilanz Huonder) 5600 Zuschauer in 21 Vorstellungen, Ausnutzung rund 90 Prozent. Pressestimme: „Die Theatertage, sagte während der Abschlussdiskussion der Freibur­ ger Dramaturg Rainer Mennicken, drohen zum Routinebetrieb zu werden. (...) Sie laufen Gefahr, sekundierte WLB­Intendant Achim Thorwald, in die Beliebigkeit zu werden. (...) Dabei war war das Niveau der Auff ührungen akzeptabel, teilweise sogar ungewöhnlich hoch.“ (Esslinger Zeitung, 25.4.1983)

30 Nationaltheater Mannheim: „Der Bockerer“, Foto: Wolfgang Detering 31 Lassen Sie uns mit einem Zitat irgendwohin transportiert: Was ist geführt wird, auch mal frischer Wind von sich die Städte entwickeln? Immer mehr „Da braucht man beginnen: „Es ist zu hoffen, dass der Nutzen? anderen Bühnen mit reingeblasen. Theater gehen in Stadtteile mit sozialem die Theatertage die Unentbehr- Entwicklungsbedarf und engagieren sich lichkeit eines wichtigen Kultur- Radolko: Es geht nicht nur dar- Kommunaltheater als Avantgarde – dort mit kultureller Bildung, aber auch trägers unserer Zeit, nämlich des um, irgendetwas irgendwohin zu das klingt zunächst mal ungewöhn- Angeboten für Erwachsene. Als Beispiel gar keinen Aufreger“ Theaters, entsprechend unterstrei- transportieren. Man kann im Rahmen der lich. Wie lässt sich das an konkreten aus Freiburg nenne ich den Finken- chen helfen.“ Das stand 1967 in Präsentation auch aktuelle Diskussionen Beispielen festmachen? schlag in Haslach. Dort ist auch nicht der „Badischen Zeitung“, als die in Gang bringen. Vor zwei Jahren in der Reichtum zuhause, aber dort hat die allerersten Theatertage in Freiburg Karlsruhe ist zum Beispiel der halbe Kirchbach: Das Kommunaltheater muss Tanzsparte pvc 2011 eine Dependance angekündigt wurden. Muss diese Gemeinderat von Baden-Baden angereist sich einerseits am meisten rechtfertigen, errichtet. Durch solche Aktionen wird Unentbehrlichkeit auch heute noch und hat sich über Kinder- und Jugend- ist aber andererseits ein Ort, wie es ihn in das Theater in Freiburg nicht mehr in unterstrichen werden, und können theater informiert. Solche Anlässe sind den Städten sonst kaum noch gibt. Wo Frage gestellt. Im Gegenteil: Wir konnten die Theater tage das leisten? hilfreich, eine zeitgemäße Diskussion zu sonst kann man diskutieren über gesell- gerade im Gemeinderat die nächste führen: Wo wollen wir hin mit unserer schaftliche Veränderung, über den reinen Zielverein barung für die nächsten Radolko: Der Satz gilt auf jeden Fall Kultur? Und ich glaube wirklich, dass die Kunstbetrieb hinaus? Deshalb verstehen fünf Jahre sogar mit einem erhöhten sich immer mehr Theater als Diskursorte Budget abschließen. Das ist geradezu „Als Schaufenster sind zu Fragen wie: In welcher Zukunft wollen sensationell. Zudem stehen die Theater die Theatertage ganz wichtig.“ wir leben und arbeiten, wohin sollen in Baden-Württemberg ja insgesamt

noch heute, auch wenn sich die Priori- Kommunaltheater dafür in den Städten Hans Peter Radolko, Jahrgang 1949, Ausbildung im gehobenen täten zum Teil geändert haben. Gerade die Lokomotive sind. Verwaltungsdienst, 1971 Eintritt in das Kultusministerium Baden­Württem­ Hans Peter Radolko, Ministerialrat im Kunstministerium, Kommunaltheater haben eine starke berg, 1978 Wechsel in das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und Ulrich von Kirchbach, Kulturbürgermeister in Freiburg, gesellschaftliche Rolle übernommen – Kirchbach: Als Schaufenster der Baden­Württemberg, dort von 1984 bis 1990 und seit 1996 in verschiedenen ich denke nur an Freiburg, wo man in Theaterlandschaft sind die Theatertage Funktionen Mitglied der Kunstabteilung, seit 2007 Leiter des Referats 51 Vorstandsmitglieder des Bühnenverein­Landesverbandes, die Vorstädte geht und sich kulturelle ganz wichtig. Ich denke, dass die Grundsatzangelegenheiten, Theater, Festspiele, Orchester, über avantgardistische Kommunaltheater, Routinevermeidung Bildung und Interkultur auf die Fahnen Kommunaltheater im gesellschafts- Literaturförderung. und den nachhaltigen Plausch nach der Vorstellung. schreibt. Daher glaube ich, dass eine politischen Bereich oft Avantgarde wa- Darstellung der Theater im Lande nach ren, weil sie das Ohr noch näher an den Ulrich von Kirchbach, geboren am 28.03.1956, Ausbildung Volljurist, wie vor ganz wichtig ist. Entwicklungen in der Stadt haben. Und 1985 – 1992 Referatsleiter beim Regierungspräsidium Freiburg, 1992 – 2002 der am Anfang zitierte Satz hat auch des- Dezernent für Schulen, Soziales und Kultur beim Landratsamt Rastatt (Baden), Nun ist es ja ein wichtiges Merkmal halb seine Berechtigung, weil die Theater 1999 – 2002 Stadtrat in Freiburg. Februar 2002 Wahl zum Bürgermeister der des Stadttheaters, dass es spezifi sch als so genannte freiwillige Aufgabe sich Stadt Freiburg, bis heute als solcher zuständig für die Bereiche Kultur, für eine Stadt gemacht wird. Wenn immer neu darstellen müssen – und da Integration, Soziales und Senioren. Derzeit Vorsitzender des Landes­ man das nun alle zwei Jahre wird in jeder Stadt, in der das durch- verbandes Baden­Württemberg des Deutschen Bühnenvereins.

32 33 ­finanziell gut da, und das hängt mögli- Theaters und b) für die Priorisierung der Radolko: Das ist der richtige Weg, dass treten. Bei den Kinder- und Jugend­ Vielleicht wäre ja zumindest eine Radolko: Organisatorisch ist das meines Außerdem waren die ersten Tage Stellenwert. Wenn etwas schon 20, 30 cherweise auch mit der Kontinuität der kulturellen Bildung. Früher galt der Ansatz, man bei jeder Veranstaltung neu fragt: theatertagen legt man ja ausdrücklich Übernachtung drin... Erachtens zu bewältigen. Wenn man will. von enorm viel Presse begleitet. Jahre dabei ist – da weckt das Presse­ Theatertage zusammen. die Schülerinnen und Schüler ins Theater Was berührt uns denn aktuell? Wert darauf, dass die Verantwortlichen Lässt sich eine solche Breitenwir- gespräch keine Neugier mehr, auch wenn zu holen. Seit ein paar Jahren aber geht mit vor Ort sind und diskutieren, dass Kirchbach: ...und dann machen wir noch Das Festival stellt die Theater ja kung heute noch erreichen oder ist sich die Inhalte verändern. Aber dass Radolko: Ein anderes Beispiel wäre das es den Kultureinrichtungen zunehmend Spielt das auch eine Rolle für das Schauspieler, Regisseure und Intendanten Frühstücksgespräche... auch in einen Kontext, was beim das gar nicht mehr das Ziel, geht es die Theatertage seit 1968 stattfinden, ist Badische Staatstheater Karlsruhe. Im ers- darum, mit den Schulen zusammenzuar­ Publikum? Schließlich sollen die in den Kommunikationsprozess einge- ersten Anlauf auch betont wurde, da eher um die Nachhaltigkeit in eigentlich das Spektakuläre. Man muss ten Jahr der Intendanz von Peter Spuhler beiten. Da haben wir Riesenschritte ­Theatertage ja auch in den jeweili- bunden werden. Das ist etwas, das diese ...wenn die Schauspieler nicht indem man landesweit plakatiert der Gastgeberstadt? immer wieder deutlich machen, dass wurde das Kinder- und Jugendtheater gemacht. Allerdings fehlt manchmal an gen Gastgeberstädten etwas auslösen. Plattform interessant macht... am nächsten Tag in den Proben hat. Jedes Haus bekam Poster, das Kontinuierliche das Aufregende ist, als Sparte eingeführt. Dann gibt es das den Schulen der kontinuierliche Ansprech­ ­disponiert werden, zumindest nicht um zu demonstrieren: a) Es gibt Kirchbach: Alles was neu ist, hat für so dass man gar keinen Aufreger mehr Bürgertheater, und gerade erst hat eine partner, das hängt eben am Engagement Kirchbach: Es sind ja keine zehn Tage ...aber im Abendspielplan schwierig am Vormittag. Theatertage, und b) Wir sind dabei. Außenbetrachter einen ganz anderen braucht. Wenn Sie irgendwas abschaffen, Kooperation mit der Universität, dem der jeweiligen Lehrkräfte oder Rektoren. der Unterhaltung, die man danach zu realisieren ist... ist die Aufregung riesengroß. Es wird KIT, begonnen, bei der Studenten die abhakt. Man sieht in diesen Wochen aber meist viel zu wenig gewürdigt, dass tagsüber leeren Flächen im Foyer nutzen Wäre es dann sogar eine mögliche meist mehrere Stücke, und durch das Kirchbach: Natürlich ist ein Gastspiel etwas kontinuierlich stattfindet. können, womit man wiederum versucht, Tendenz für die Theatertage, dass Motto, die thematische Verbindung, die für jedes Theater zunächst einmal ein in die Stadt hineinzuwirken. Ähnliches man irgendwann gar nicht mehr ­Publikumsgespräche und die Treff- Aufwand. Aber man muss ja erst mal Schon bei der Abschlussdiskussion kann man aus Mannheim berichten. etwas geben, um später etwas zurück­ der Theatertage 1983 wurde vor der Dort hat Burkhard Kosminski auch eine „Unsere Intendanten muss man zubekommen, denn man profitiert ja auch Gefahr der Routine gewarnt. Wie Bürgerbühne gegründet. Es gibt unheim- nicht zum Jagen tragen.“ davon, wenn man selber mal Ausrichter lässt sich diese Gefahr vermeiden? lich viele Ansatzpunkte, die genau in ist. Und das Standing für die ­Theater in diese Richtungen kulturelle Bildung und Baden-Württemberg wird größer. Es lohnt Radolko: Es liegt an jedem Veranstalter, Interkultur hineinwirken – da muss man die Aufführungen in den Mittel- punkte gibt es ein Nachbetrachten und sich aber auch zu erleben, wie auf eine diese Routine aufzubrechen und attrak- unsere Intendanten gar nicht zum Jagen punkt stellt, sondern sich über Kon- auch eine Konfrontation mit anderen Inszenierung, deren Publikumsecho in tive Themen zu finden, die auch über tragen. Die erkennen vieles genauer als zepte zur gesellschaftlich-kulturellen Sicht­weisen, und dadurch bleiben diese der eigenen Stadt man schon kennt, in das Theater hinaus für die Bevölkerung es ein Landesparlament erkennen könnte. Bildung austauscht? Stücke stärker in Erinnerung. einer anderen Stadt reagiert wird. Das interessant sind. kann vollkommen anders sein, und das Lassen sich solche Entwicklungen Kirchbach: Es kann sein, dass kulturelle Wenn wir jetzt so ausgiebig über zu erleben, lässt einen vielleicht auch Kirchbach: Abgesehen davon, dass in die Theatertage integrieren? In Bildung in ein paar Jahren gar kein Thema den großen Nutzen der Kommu- reflektieren über die Inszenierung. Schade jeder begriffen hat, dass man vom Pferd Freiburg fand die Eröffnung ja dezi- mehr ist, weil‘s einfach so selbstverständ- nikation während der Theatertage ist natürlich, dass es bei einem Abend getreten wäre, ein solches Schaufenster diert nicht im Theater statt... lich ist. Und bei allen Öffnungen und ­reden, drängt sich die Frage auf: bleibt und man die anderen Stücke nicht mutwillig aufzugeben, denke ich, dass Bildungsangeboten gilt: Die Kunst sollte Was haben die Bühnen selbst von anschauen kann. Aber alle für eine Woche sich die Frage der Routine seit einigen Kirchbach: Ja, das war in der Albert- die zentrale Rolle spielen. Was dabei dem Festival, wenn sie anreisen, unterzubringen, würde das Gesamt­ Jahren nicht mehr stellt. Seit den Recht- Schweitzer-Förderschule im Stadtteil dann der Schwerpunkt ist, muss immer spielen und wieder abreisen? budget sprengen, und es wäre auch fertigungsdiskussionen der 90er Jahre Landwasser. Das war eine bewusste neu erarbeitet werden – das ist ja gerade die Frage, ob die Theater­ überhaupt die weiß man, welchen Wert die Theatertage Entscheidung des Theaters, weil man ein das Spannende an diesem Festival. Radolko: Auch für die Bühnen ist es Möglichkeit hätten, ihre Schauspieler eine haben, und ich finde, dass es seitdem Signal setzen wollte a) für die Öffnung des wichtig, dass sie mit anderen in Kontakt Woche dort zu belassen. spürbar neuen Schwung gibt.

34 Hans Peter Radolko Ulrich von Kirchbach 35 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater BADEN-BADEN, Theater: Keine Teilnahme wegen terminlicher BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Christine Nöstlinger Heilbronn Dispositionsprobleme der für das geplante „Woyzeck“-Gastspiel „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“ (R: Teja benötigten Spielstätte Piegeler) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Michail Krausnik ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Andreas „Die Sinti-Revue“ (UA, R: Rolf Johannsmeier) Marber/Helfried Foron nach Sophokles „Antigone“ (R: Helfried ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Heinrich Foron) Henkel „Zweifel“ (UA, R: Dominik Neuner) / Ernst Toller FREIBURG, Kinder- und Jugendtheater: F. K. Waechter „Hinkemann“ (R: Konrad Höller) „Kiebich und Dutz“ (R: Dieter Kümmel) FREIBURG, Städtische Bühnen: Krisztina Horváth „Waltz – HEIDELBERG, Theater der Stadt: Rainer Hachfeld/Reiner Nocturne“ (R: Krisztina Horváth, Tanz) / Marc Neikrug „Through Lücker „Banana“ (R: Christian Sorge) Roses“ (R: Ulrich Brecht, Musikprojekt) HEILBRONN, Theater: „Was heißt hier Liebe?“ (Jugendstück der 198520. – 28. April HEIDELBERG, Theater der Stadt: Christine Brückner „Wenn du Roten Grütze Berlin) geredet hättest, Desdemona“ (R: Peter Stoltzenberg) / Johann KARLSRUHE, Sandkorn-Theater: Wilfried Grote „Das Krokodil Kresnik „Sylvia Plath“ (R: Johann Kresnik, Choreographisches weint mit“ (R: Siegfried Kreiner) Theater) MANNHEIM, Schnawwl: Boris Aprilow „Timmi“ (R: Konrad Gastgebender Intendant HEILBRONN, Theater: Schauspielerprojekt „Reden“ / Marsha Schrage) Norman „‘Nacht, Mutter“ (R: Klaus Wagner) / Phil Young PFORZHEIM, Theater: Margarethe Jehn/Ingeburg Kanstein/ Klaus Wagner „Kristallklar“ (R: Peter M. Preisler) / Margarethe von Trotta Eugen Helmle/Joachim Mock „Papa, Charly hat gesagt ...“ „Die Bleierne Zeit“ (R: Titus Horst) (R: Peter Loeweneck) Spielstätten KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: John Cassavetes TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: „Messer“ (R: Carsten Bodinus) / Jürg Amann „Ach, diese Wege Peter Enke/Ronald Richter „Freispiel“ (UA, R: Peter Möbius) Großes Haus, Kammerspiele, Theater in der sind sehr dunkel“ (R: Martin Rengel) Kelter, Harmonie KONSTANZ, Stadttheater: Horst Wolf Müller „Und wie die Welt so weit“ (R: Markwart Müller-Elmau) / Fitzgerald Kusz „Burning Bilanz Love“ (R: Mark Zurmühle) MANNHEIM, Nationaltheater: Eberhard Streul/Franz Witten- 9100 Besucher in 33 Vorstellungen, mit brink „Die Leiche im Sack“ (R: Eberhard Streul, Operngrusical) / Rahmenprogramm 11500 Besucher. Peter Zadek/Gottfried Greifenhagen nach Fallada „Jeder stirbt Pressestimmen: „Die massive Kritik, die sowohl für sich allein“ (R: Jürgen Bosse) / „Weana Bluad – Hinrichtung an der mangelnden Konzeption als auch an der einer Metropole“ (Idee und Leitung: Eckhard Börschinger) PFORZHEIM, Stadttheater: Ilse Langner „Cornelia Kungström“ fehlenden Kommunikation geübt wurde, triff t (R: Jan Friso Meyer) auf eine Theatersparte bestimmt nicht zu: Den STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Friedrich Kinder. und Jugendtheater­Ensembles gelang Dürrenmatt „Die Physiker“ (R: Barbara und Jürgen Esser) als ein eindrücklicher Erfolg.“ (Badische Zeitung, kurzfristiger Krankheitsersatz für Friedrich Schiller „Der Parasit“ (R: Hansgünther Heyme) 4.5.1985) / „Die meisten Veranstaltungen waren TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: ausverkauft – aber so richtig an sich ranlassen Franca Rame/Dario Fo „Nur Kinder, Küche, Kirche“ (R: Johannes will man die Kultur auch nicht.“ (Süddeutsche Klaus) / Klaus Pohl „Das alte Land“ (R: Johannes Klaus) Zeitung, 10.5.1985) ULM, Theater: Patrick Süskind „Der Kontrabass“ (R: Ralf Milde) / Martin Sherman „Rosa Winkel“ (R: Dietrich Hilsdorf)

36 Theater Heilbronn "Kristallklar", Foto: Theater Heilbronn 37 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater BADEN-BADEN, Theater: Bertolt Brecht „Die Antigone des BRUCHSAL, Boing & Co/Badische Landesbühne: Georg Ulm Sophokles“ (R: Frieder Lorenz) Büchner „Leonce und Lena“ (R: Lothar Maninger) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Friedrich Dürrenmatt ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: John „Play Strindberg“ (R: Eva Niedermeiser) Millington Synge „Ein schöner Held“ (R: Claus Meyer) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Otto FREIBURG, Kinder- und Jugendtheater: Beat Fäh „Max“ Junggeburth „...dann hätten wir ein Haus am Meer“ (UA, R: Otto (R: Dieter Kümmel) Junggeburth) / Martin Schleker jun. „Der Sonnenwirtle von HEIDELBERG, Theater: Susanne Osten/Per Lysander Ebersbach“ (UA, R: Martin Schleker/Friedrich Schirmer) „Prinzessin Ohnetrauer“ (R: Bernd Köhler) FREIBURG, Städtische Bühnen: Heinar Kipphardt „Bruder KARLSRUHE, Sandkorn-Theater: Leif Sundberg „Ein Fremder“ Eichmann“ (R: Eva Diamantstein) (R: Stefanie Lackner) HEIDELBERG, Theater der Stadt: Johann Kresnik „Mörder MANNHEIM, Schnawwl: Ken Campbell/Friedrich Karl 19872. – 10. Mai Woyzeck“ (R: Johann Kresnik, Choreographisches Theater) / Waechter „Ausflug mit Clowns“ (R: René Geiger) „Das Weib entzückt durch seine Beine“ (Beiprogramm) STUTTGART, Jugendtheater am Theaterhaus: Nigel Williams HEILBRONN, Theater: Arthur Miller „Spiel um Zeit“ (R: Klaus „Der Klassenfeind“ Wagner) / Nonsense-Revue „El Grande de Coca-Cola“ (R: Nicolas TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Gastgebender Intendant Kemmer) Friedrich Karl Waechter „Schule mit Clowns“ (R: Marcelo Diaz) KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Germinal Casado Pavel Fieber „Lorca“ (R: Germinal Cassado, Ballett) Randnotiz KONSTANZ, Stadttheater: Horst Wolf Müller „Komarek“ Spielstätten (R: Markwart Müller-Elmau) / „Oha! Oder der ganz alltägliche In der Wagnerschule, deren Turnhalle bis 1969 als Nachkriegs-In- Wahnsinn“ (Beiprogramm) terimsspielstätte genutzt wurde und somit auch Station für Kurt Großes Haus, Podium, Wagnerschule, Foyer MANNHEIM, Nationaltheater: Maxim Gorki „Sommergäste“ Hübner und Peter Zadek war, wird mit Mitteln der Theatertage (R: Harald Clemen) / „Die lasterhaften Balladen und Lieder des eine Bühne für Kinder- und Jugendtheater aufgebaut. Doch Bilanz Francois Villon“ (Beiprogramm) trotz der Zusage, diese Bühne nach dem Festival weiter für eine solche Sparte zu nutzen, wird sie schon kurz nach den Pressestimme: „Dass nämlich das Staatstheater PFORZHEIM, Stadttheater: Jerome Lawrence/ Robert E. Lee „Wer den Wind sät...“ (R: Jan Friso Meyer) Theatertagen wieder abgebaut. Da half auch der Wink mit dem Stuttgart, dem (...) die besondere Freigebigkeit STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Mauricio Zaunpfahl nichts, den Hannes Rettich im Grußwort gab mit der des Ministerpräsidenten gilt, nur ein Teufels­ Kagel „Der mündliche Verrat“ (R: Brian Michaels, Oper) „ein wenig sentimentalen Schlussbemerkung“, dass diese Aula seinen Lebens- und Berufsweg mitgeprägt habe und somit Operchen von Kagel (...) beizusteuern hat, durfte TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: auch „ein wenig mitursächlich“ für die Theatertage gewesen sei. ein Zeichen von Desinteresse sein. Ob es wohl Christoph Hein nach Lu Xun „Die wahre Geschichte des Ah Q“ (R: Meinhardt Zanger) / Ödön von Horváth „Geschichten aus Offizieller Grund für den Abbau: Sicherheitsmängel. Dafür gibt ein Zufall war, dass die Intendanten der baden­ dem Wiener Wald“ (R: Petra Dannenhöfer) es bei den Theatertagen 1989 den Negativ-Preis „Nashorn“ für württembergischen Staatstheater den Minister­ ULM, Theater: Axel Plogstedt „Der Mann, der Donnerstag war“ den Ulmer Kulturdezernenten Götz Hartung. präsidenten an diesem Eröff nungsabend allein (UA, R: Donald Berkenhoff) / Jürgen Hofmann „Hänseln und ließen, während die Intendanten der kleineren Kritteln“ (UA, R: Pavel Fieber) Bühnen, deren Beiträge (...) sehr beachtlich sind und sogar vier Urauff ührungen enthalten, erschienen waren?“ (Badische Neueste Nachrich­ ten, 4.5.1987)

38 Theater der Stadt Heidelberg: „Mörder Woyzeck“, Foto: Manfred Zentsch/Stadtarchiv Heidelberg 39 Wann hatten Sie zum ersten Mal mit in kleineren Städten, bei denen das Sie haben ab 1983 die Theatertage man schon mittags für Aufmerksamkeit „Allein ist den Baden-Württembergischen The- noch viel mehr zu einer Mittelpunkts- regelmäßig miterlebt. Haben Sie sorgen und bis spät in die Nacht Akzente atertagen zu tun – war das schon zu geschichte für das städtische Leben daraus etwas mitgenommen für setzen muss. Wir haben dafür ein Zelt Ihrer Zeit bei der Badischen Zeitung wird. Als ich später Intendant wurde, hat- Konstanz? aufgebaut in der Nähe vom Hafen, und zwischen 1977 und 1980? ten wir das Glück, dass wir die Theater- dort hinein engagierten wir das Noie man sowieso tage gleich am Ende der ersten Spielzeit Khuon: Ja, zum Beispiel dass man versu- Paratheater mit Georg Schramm. Die Idee Khuon: Nein, mit dem Festival bekam ich bekamen. Das hilft, denn in einer Stadt chen sollte, ein Zentrum zu schaff en. Dass war, eine Art Mittagstheater anzubieten, erst zu tun, als wir mit Hans Ammann in wie Tübingen, Esslingen, Konstanz so eine Art Fortsetzungsgeschichte täglich Konstanz begonnen haben. Das war 1980, oder Bruchsal, da wird die ganze Stadt zwischen eins und zwei. Aber dann hatte und ich war auch beim Festival 1981 noch plötzlich vom Theater überschwemmt, Ulrich Khuon, seit 2009 Inten­ ich mit denen eine Grundsatzdebatte: genug“ nicht selber dabei. Die Anfangsjahre in und das gibt einen Rückenwind für das dant des Deutschen Theaters Sie wollten ihre Serie „Die Wichsers von Konstanz waren ein starker Behauptungs- Theater vor Ort. Berlin, begann seine Theaterar­ nebenan“ nennen, als Anspielung auf kampf, bestimmte Entwicklungen haben beit 1980 als Chefdramaturg am diese Dienstags serie „Die Wicherts von erst mit uns stattgefunden, die woanders Das unmittelbare Presse-Echo auf Stadttheater Konstanz, dessen nebenan“, und ich dachte: Was wird da los Intendanz er 1988 übernahm. sein in Konstanz? Sie haben aber darauf Er leitete ab 1993 das Nieder­ beharrt, und irgendwann fand ich das „Man muss als Gastgeber sehr früh sächsische Staatsschauspiel auch ein wenig überängstlich von mir. signalisieren: Das Festival ist auch Hannover und ab 2000 das Und letztlich hat sich kein Mensch drüber Ulrich Khuon, Intendant am Deutschen für uns eine Hauptsache.“ Thalia Theater Hamburg, das aufgeregt. Im Gegenteil: Das war ein rich- während seiner Intendanz zwei tiger Erfolg und für viele ein Grund, schon Theater Berlin, zwischen 1980 und Mal „Theater des Jahres“ wurde. mittags in dieses Zelt zu gehen. Man muss 1993 Chefdramaturg und Intendant schon längst durchgesetzt waren. Das Konstanz 1989 war ja sehr positiv. 1997 wurde er zum Professor solche Anker setzen. Es reicht nicht, dass am Stadttheater Konstanz, über Gast­ muss man ja für jede Stadt entwickeln, da Empfi nden Sie das auch im Rück- an der Hochschule für Musik es da Spaghetti und Rotwein gibt, sondern gebertricks, Autorenförderung und kann man nicht einfach sagen: In Freiburg blick als schöne Phase? und Theater Hannover ernannt. es muss auch was Theatrales sein. das Ausbügeln von Verrissen. war das schon mit Beilharz oder in Frank- Khuon ist Jury­Mitglied für den furt war das schon mit Palitzsch oder in Khuon: Ja, sehr. Wobei: Wir haben das Else­Lasker­Schüler­Preis sowie Das alles zu organisieren ist ja mit Düggelin. Für die Zuschauer, die auch sehr ernst genommen. Ich glaube, Mitglied der Deutschen Akade­ gerade in der ersten Saison dann ein da sitzen, ist das nun mal neu, da muss das ist wichtig, sehr früh zu sagen: Das mie der Darstellenden Künste, besonderer Kraftaufwand... man sie erst mal dran gewöhnen. ist auch für uns eine Hauptsache. Wir des Senats der Deutschen Natio­ haben sehr früh mit den Vorbereitungen nalstiftung und des Stiftungs­ Khuon: Wir waren dann auch stehend Kann denn so ein Festival dazu angefangen. Ich hatte zwei Mitarbeiter rats des Friedenspreises des k.o. – aber das ist ja guter Stress, wenn beitragen, dass diese eingeschränkte direkt darauf angesetzt, und wir haben Deutschen Buchhandels. Seit man merkt: Es kommt an. Da ist Vieles gut Sicht erweitert wird? auch überlegt: Wie kriegen wir jenseits 2011 ist er Vorsitzender der In­ aufgegangen, schon bei der Eröff nung, dieser Auff ührungen eine Atmosphäre in tendantengruppe im Deutschen bei der Lothar Späth gesagt hat: Ihr müsst Khuon: Das glaube ich absolut. Gerade die Stadt rein? Bühnenverein. ‚ne junge Sparte kriegen – das war wie ein

40 Foto: Arno Declair 41 Extraschub aus Stuttgart. Und Bürger- das es bei den Festivals davor so Khuon: Klar. So etwas wird ja auch in Mit Müller haben Sie ja mehrmals dann eher so ein Festival, um das ­Nachbarschaft, der Verbindung, nicht meister Eickmeyer hat direkt daraufhin noch nicht gegeben hatte: Sie haben Konstanz gelesen, und dann hat man eine gearbeitet. überhaupt überregional zeigen zu nur als Netzwerk, sondern als Bewusst- gesagt: Ja, wir kriegen die junge Sparte. da einen eigenen Auftritt hingelegt... Doppelfront. Das Interessante ist: Als Chef- können. sein, dass alle auf der gleichen Baustelle Das war der Impuls, über den diese Sparte dramaturg war ich damals fest überzeugt, Khuon: Ja, „Komarek“ war das zweite ­arbeiten. Mit Friedel Schirmer saß ich gegründet wurde. Khuon: (lacht) Ja, ich hatte ab und zu dass wir gut unterwegs sind. Wenn man Stück. Das erste war „Und die Welt so weit“; Khuon: Das Durchsetzen ist uns damals in Esslingen nächtelang und wir haben solche kabarettistischen Geschichten Intendant ist, dann irritiert einen so eine das war schon besonders. Man hat das eher mit anderen Sachen gelungen. gestritten und diskutiert, und dadurch Das Festival hat also auch zur Eta- gemacht. Weil Eröffnungen oft so etwas Pressebrutalität oder Strenge viel mehr. gemerkt, wenn zum Beispiel die Kollegen Wir haben zum Beispiel „Burning Love“ ist eine große Nähe entstanden. Zuviel blierung der Kinder- und Jugend­ Steifes, Seriöses und Formales haben, habe aus anderen Häusern sagten: Toll, was ihr ­gemacht von Fitzgerald Kusz, ein Zwei­ ­Kommunikation, zuviel an Kontakt gibt es theater in Baden-Württemberg ich eine Richling-Nummer paraphrasiert, Hatten Sie trotzdem das Gefühl, 1983 da riskiert. personenstück, von Mark Zurmühle nicht. Allein ist man ja sowieso genug. beigetragen? in der er das Fernsehprogramm aufs Korn eine Scharte auswetzen zu müssen inszeniert. Das war ein Riesenknaller, nimmt, und mich dabei aufs Theater bezo- und beim Festival zu zeigen, was Am Anfang der Theatertage bekam gute Kritiken und wurde, auch Khuon: Das war kulturpolitisch gewollt. gen, auf die Theatertage und auf das Pro- Konstanz eigentlich macht? stand ja dezidiert das Ziel der weil’s eine kleine Besetzung hatte, viel Das Problem dieser Theatertage war ja gramm. Mir war es immer wichtig, dass das ­Autorenförderung. Wenn Sie als nachgespielt. In diesem Fall haben wir die immer: Die Ensembles reisen an, dann Theater bei aller Ernsthaftigkeit auch über Ulrich Khuon (Mitte) 1989 als Zuschauer im Festivalzelt, Foto: Hella Wolff-Seybold Khuon: Ja, wir haben dann sorgfältiger ­Dramaturg beispielsweise Müller Türen geöffnet. ausgewählt. In Ulm waren wir mit „Ko- bei zwei Festivals präsentieren – hilft marek“ von Horst Wolf Müller. Das wurde das einem Autor vielleicht mehr als „Mir war es immer wichtig, dass das Häuser ein solches Signal geben. Das geht gebrochen, die vorher geradezu greifbare signifikant für uns, dass wir mit Autoren der Uraufführungshype? „Die Uraufführung an einem Theater bei aller Ernsthaftigkeit auch über mir jetzt umgekehrt auch so, wo ich ein Skepsis war da schon umgekippt. gearbeitet haben, die man nicht überall kleinen Haus öffnet leider nicht Selbstironie und eine Leichtigkeit verfügt.“ größeres Haus habe, dass ich denke: Man gespielt hat, dass es Uraufführungen gab... Khuon: Das ist schwer zu sagen. Ich habe unbedingt die Türen.“ muss sich verbünden, damit man sich Beim Stichwort Umkippen muss ich leider das Gefühl: Gerade wenn ein Autor nicht in eine splendid isolation begibt. nochmal auf „Atalanta“ 1981 in an einem kleinen Haus uraufgeführt wird, spielen sie und reisen wieder ab. Unser Selbstironie und eine Leichtigkeit verfügt Tübingen zurückkommen. Die Pres- Ulrich Khuons Kabarett-Auftritt bei der Eröffnung ist das fast wie ein Bremsklotz für ein Letzte Frage an einen Theatermann 1989, Foto: Hella Wolff-Seybold Gedanke war: Wie können die ­Ensembles und dass man sich nicht durch ­Feierlichkeit Wie ist es mit den tatsächlichen sestimmen waren damals ziemlich ­großes Haus, den nachzuspielen. Müller mit bundesweiter Erfahrung: Warum in Kontakt kommen? Das war kaum schützt. Wir waren damals auch eine Folgen des Festivals für Konstanz, scharf, und Gerhard Stadelmaier wurde sogar abgedruckt in „Theater gibt es eine solche Festivaltradition möglich, aber bei den jungen Ensembles Generation, die die Theater öffnen wollte abgesehen von der Gründung der hat anhand dieses Gastspiels das heute“, das war schön für ihn und für uns. eigentlich nur in Baden-Württem- haben wir‘s hingekriegt, dass sie die ganze – etwas, das wir jetzt ja wieder auf andere jungen Sparte? Gab es zum Beispiel Festival insgesamt in der „Stuttgar- Es war auch ein gutes Stück, aber es wurde berg und Bayern? Woche da waren. Sie haben dann auch Weise diskutieren. Das ist damals, glaube Auswirkungen auf die Publikums- ter ­Zeitung“ als unnötig oder sogar nicht viel nachgespielt. Die Uraufführung­ ihre eigene Arbeit ziemlich hart und streng ich, gelungen. Ich weiß noch: Bei uns war bindung? potenziell schädlich abqualifiziert. an einem kleinen Haus öffnet nicht die Khuon: Das hat viel mit der Politik zu tun. und gut kritisiert. Und sie haben natürlich klar, dass auch die Stuttgarter kommen Seine rhetorische Frage „Ist das ­Türen. Die an einem großen Haus gele- Da war Hannes Rettich ganz wichtig, und die Theatertage genutzt, um ihre Pflöcke und die Karlsruher, und dass die sich nicht Khuon: In der Ära Ammann hatte sich so- Konstanz?“ hat allerdings einen gentlich schon. Wenn wir hier in Berlin man muss sagen, dass die Landespolitik einzuschlagen und zu sagen, was sie versteckt haben hinter Ausreden wie „Ja, wieso viel verändert, insofern war es eher heiklen Punkt berührt: Besteht durch etwas von Dea Loher herausbringen, wird unter Späth sehr kulturbewusst war. Und wollen und was sie brauchen. eure Bühne ist zu klein, was sollen wir eine organische Weiterentwicklung. Das die Theatertage auch das Risiko, das viel nachgespielt. untereinander waren wir viele engagierte denn da machen?“ Wir hatten von Jürgen Festival hat zwar alles noch mal weiterbe- dass sich eine Bühne durch eine und gemeinschaftsfähige Intendanten. Kommen wir noch mal auf die Bosse eine Koltes-Inszenierung zu Gast, fördert, aber das Eis war schon im dritten unvorteilhafte Präsentation Schaden Da wird ja auch mehr hingeschaut. Ich glaube, Theater braucht ganz stark ­Eröffnung zurück. Da gab es etwas, und das ist einfach toll, wenn die großen Jahr bei der Verlängerung von Ammann zufügt? Eine Bühne wie Konstanz braucht so ein Gefühl der Gemeinsamkeit, der

42 43 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater BADEN-BADEN, Theater: Heinrich von Kleist „Der zerbrochne BRUCHSAL, Boing & Co/Badische Landesbühne: Ad de Bont / Konstanz Krug“ (R: Frieder Lorenz) Allan Zipson „Das besondere Leben der Hilletje Jans“ BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Fugard/Kani/Ntshona (R: Christoph Benkelmann) „Die Insel“ (R: Barbara Herold) / André Weckmann ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Hannelore „Grenzgespenster“ (UA, R: Rolf P. Parchwitz) und Elmar Gehlen nach Janusz Korczak „König Hänschen“ ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Oliver Storz (R: Hermann Florin) „Die barmherzigen Leut‘ von Martinsried“ (R: Roland Gall) / Ken FREIBURG, Kinder-. und Jugendtheater: Beat Fäh „Max“ Campbell „Mr. Pilkes Irrenhaus“ (R: Hermann Florin) als Ersatz für (R: Dieter Kümmel) den Krankheitsausfall von Horst Brandstätter „Der Mond braust HEIDELBERG, Theater: Horst Hawemann nach Kipling „Die durch das Neckartal“ Katze“ (R: Lothar Maninger) FREIBURG, Städtische Bühnen: Ljudmilla Petruschewskaja KONSTANZ, Stadttheater: Paul Maar „Eine Woche voller 198922. – 30. April „Cinzano“ (R: Kai Braak) Samstage“ (R: Mani Wintsch) HEIDELBERG, Theater der Stadt: Christa Wolf „Kassandra“ MANNHEIM, Schnawwl: Jura Soyfer „Der Lechner-Edi schaut (R: Peter Stoltzenberg) ins Paradies“ (R. René Geiger) / „Der Junge im Bus“ HEILBRONN, Theater: Dimitri Frenkel Frank „Tschechow – (R: Schnawwl-Trio) Gastgebender Intendant Musical“ (R: Brigitte Maier) / Rafael Lima „El Salvador“ (R: Maria TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Schüller) Nöstlinger/Zielinski/Paulis „Auf immer und ewig“ (R: Jürgen Ulrich Khuon KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Denis Diderot Zielinski) „Rameaus Neffe“ (R: Helmut Straßbuger/Ernstgeorg Hering) als Spielstätten Ersatz für den Ausfall von John Murray/Allen Boretz „Theater Rahmenprogramm im Hotel“ Stadttheater, Werkstatt, Lokschuppen, KONSTANZ, Stadttheater: Eugene Labiche „Ein wahrer Lunch-Theater mittags im Theaterzelt am See: Noies-Para- Theaterzelt Menschenfeind“ (DSE, R: Klaus Kusenberg) / Klaus Theater präsentiert eine Soap-Opera Hoggenmüller „Sack und Asche“ (R: Hanspeter Bader) Bilanz MANNHEIM, Nationaltheater: Joshua Sobol „Die Randnotiz Palästinenserin“ / Samuel Beckett „Endspiel“ (R: Bruno Klimek) 5.500 Besucher in den Vorstellungen (ausver­ Der Negativ-Preis „Nashorn“ geht an den Ulmer Kultur- PFORZHEIM, Stadttheater: Willis Hall „Das Ende vom Lied“ dezernenten Götz Hartung (siehe Chronik-Eintrag 1987). kauft), 7.700 beim Beiprogramm. (R: Rolf Heiermann) Pressestimmen: „In Konstanz hat sich jetzt, STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Bernard- allem publizistischen Geunke zum Trotz, die Marie Koltés „In der Einsamkeit der Baumwollfelder“ (R: Jürgen Bosse) Idee dieses Festivals in der Provinz doch wieder TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: bewährt.“ (Badische Zeitung) / „Den Rest des Martin Walser „Eiche und Angora“ (R: Bernd Leifeld) Rundum­Gelingens trugen die stimmungs­ ULM, Theater: Slawomir Mrozek „Tango“ (R: Anna Badora) machenden Konstanzer Veranstalter unter der Anleitung Ulrich Khuons bei.“ (Südwestpresse)

44 Theater Konstanz: „Eine Woche voller Samstage“, Foto: Guido Kasper 45 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater BADEN-BADEN, Theater: Bertolt Brecht/Kurt Weill „Die BRUCHSAL, Boing & Co/Badische Landesbühne: Ensemble- Bruchsal Dreigroschenoper“ (R: Frieder Lorenz) projekt „Der Rattenfänger von Hameln“ (R: Peter Andersonn) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Rolf P: Parchwitz nach ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Ad de Bont Gogol „Der Revisor“ (UA, R. Mathias Bleckman, Musical) / Rainer „Die Ballade von Garuma“ (R: Jürgen Flügge) Kaufmann „Unschädlichmachung“ (UA, R: Christian Pätzold) / FREIBURG, Theater im Marienbad: Ingegerd Monthan Werner Koj/Claus Vindon/Yvonne Racine „Danke, das war‘s“ „Die Geschichte vom Baum“ (R: Dieter Kümmel) (R: Harald F. Petermichl) HEIDELBERG, Theater: Carlos Traffic/Rainer Mennicken „Alice ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Robert im Spiegelland“ (R: Hubert Habig) Gernhardt „Die Toscana-Therapie“ (R: Ralf-Günther Krolkiewicz) / KONSTANZ, Junges Theater: Georg Seidel „Jochen Schanotta“ Michael Hatry nach Peter Härtling „Waiblingers Augen“ (R: Armin Kerber) (R: Jochen Neuhaus) MANNHEIM, Schnawwl: Nino d‘Introna/Giacomo Ravicchio 19913. – 12. Mai FREIBURG, Theater: Federico Garcia Lorca „Die wundersame „Robinson & Crusoe“ (R: Stephan Hintze) / Reinhard P. Gruber/ Schustersfrau“ (R: Jürgen Kruse) Anton Prestele „Heimatlos“ (Beiprogramm) HEIDELBERG, Theater der Stadt: René Pollesch/Wolfgang TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Hofmann nach Ovid „Metamorphosen“ (R: Wolfgang Hofmann) Bjarne Reuter „Wir beide, Oskar...“ (R: Volker Quandt) Gastgebender Intendant HEILBRONN, Theater: C.F. Ramuz/Igor Strawinsky „Die Geschichte vom Soldaten“ (R: Helge Grau, Musiktheater) Rahmenprogramm Rolf P. Parchwitz KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Thomas Bernhard „Die Berühmten“ (R: Helmut Straßburger/Ernstgeorg Hering) / Mittagstheater „Kabale Banale“ / Hochseiltheater („Handlung: Spielstätten Liederabend „Ick wund‘re mir über ganischt mehr“ (Beipro- Shakespeares Gesamtwerk in einem Akt, besonders die Morde“) / gramm) Tage der Amateurtheater Großer Saal, Kleiner Saal, Hexagon, Theaterzelt KONSTANZ, Stadttheater: Markus Köbeli „Zimmer frei“ (R: Stefan Viering) / Witold Gombrowicz „Yvonne, Prinzessin von Randnotiz Bilanz Burgund“ (R: Hartmut Wickert) Der Negativ-Preis „Nashorn“ geht an den Stuttgarter Ober­ 5.300 Besucher in 26 Vorstellungen (21 ausver­ MANNHEIM, Nationaltheater: Bernard-Marie Koltès „Kampf bürgermeister Manfred Rommel „wegen seines stillos-­ des Negers und der Hunde“ (R. Bruno Klimek) / Edward Albee kauft), 12.000 beim Rahmenprogramm. unmöglichen Umgangs mit den Stuttgarter Privattheater- „Die Zoogeschichte“ (R. Manfred Weiß) Machern“. Pressestimme: „Er (Hannes Rettich, d. Red.) PFORZHEIM, Stadttheater: Georg Büchner „Leonce und Lena“ verwies auf die starke Resonanz, die das Angebot (R: Rolf Heiermann) / Ausschnitte aus der „Rocky Horror Show“ beim Publikum fand und betonte insbesondere (Beiprogramm) STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Jura Soyfer die gelungene Zusammenarbeit zwischen Profis „Der Lechner-Edi schaut ins Paradies“ (R: Katharina Kreuzhage) / und Laien: Chöre, Laiendarsteller und andere Chansonabend „Alone Together“ (Beiprogramm) Theaterbegeisterte seien wie noch nie vorher in TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: die Gestaltung der Theatertage einbezogen wor­ Vievienne Newport „Rétouche“ (UA, R: Vievienne Newport, Tanztheater) den.“ (Badische Neueste Nachrichten, 13.5.1991) ULM, Theater: George Tabori „Mein Kampf“ (R: Markwart Müller-Elmau) / Klabund-Revue „Klabautermann und Vagabund“ (Beiprogramm)

46 Badische Landesbühne Bruchsal: „Der Revisor“, Foto: Peter Empl 47 Wenn man im Archiv entdeckt, fen und Leute engagieren, desto billiger Kultur. Da müssen wir immer wieder neu begonnen hat, hatte noch Wahlkampf „Wir haben das dass schon im Vorfeld der ersten können wir arbeiten. Letztlich sind vermitteln, was wir denn tun, warum wir damit gemacht, das Theater zu schlie- Theatertage 1968 am Freiburger wir gezwungen, unsere Träger immer es tun, und warum das auch noch Geld ßen. Inzwischen ist er einer meiner Theater gravierende Einsparungen wieder zu „beschummeln“, indem wir für kostet, im Gegensatz zu den Amateur- treuesten Zuschauer. Ich will gar nicht gerade noch abgewendet wurden, Spielzeiten, für die wir noch gar keine theatern, die jeder kennt. behaupten, ihn zu einem Theaterenthu- Problem der bekommt man den Eindruck, dass Haushalte haben, Verträge machen, weil siasten bekehrt zu haben, aber er hat Bedrohung ein Dauerzustand für wir sonst die interessanten Künstler gar Kreuzhage: Man kann Politikern Kultur offenbar gemerkt, dass relativ viele Aale- die Bühnenlandschaft ist. Trifft das nicht mehr bekommen beziehungs- auch nahebringen. Der Oberbürger- ner ins Theater gehen und eine relevante zu? weise bezahlen könnten. Es wäre doch meister, der zeitgleich mit mir in Aalen Wählerschicht darstellen. von Vorteil für beide Seiten, wenn man Volksparteien“ Spuhler: Erst vor knapp zwei Jahren gemeinsam bestimmt, was man in den wurde in Karlsruhe eine Kürzung von nächsten fünf Jahren erreichen will und Katharina Kreuzhage, Intendantin am Theater Aalen. Inszenierte am zwei Millionen diskutiert – das war für wie man das finanziert. Nationaltheater Mannheim, Staatstheater Stuttgart, an den Theatern uns eine ganz vehemente Bedrohung, Marburg, Ingolstadt und Parchim. Außerdem war sie Oberspielleiterin am Schauspiel .

„Das Fatale ist, dass sich Ingoh Brux studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Soziologie Strukturdebatten immer in München. Dramaturg am Ulmer Theater, Staatstheater Kassel, Theater Über Etatdebatten, Ensemblestrukturen aus Finanznöten entwickeln.“ Dortmund, Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit 2006 Chefdramaturg und stellvertretender Schauspielintendant in Mannheim. und die Bühnenlandschaft diskutieren vier Theaterleiter: Carsten Ramm, der seit 15 denn es hätte die Schließung von Brux: Das ist eine Idealvorstellung, Carsten Ramm, Regisseur und Dramaturg, seit 1998 Intendant der Jahren die Badische Landesbühne Bruchsal mindestens einer Sparte bedeutet. Diese weil die Politiker ja immer wieder neu Badischen Landesbühne Bruchsal. Inszenierte in Dinslaken, , steuert, Katharina Kreuzhage, die in Aalen Idee wurde dank intensiver Informations- gewählt werden, und es müsste schon Zwickau, Tel Aviv, Hannover und Trier. Von 1990 bis 1992 Oberspielleiter das jüngste und kleinste Stadttheater des arbeit abgewendet. Das wirklich Fatale der Zufall eintreten, dass die Legislatur- am Rheinischen Landestheater Neuss, von 1994 bis 1998 Schauspiel­ Landes leitet, Ingoh Brux, der als stellvertre­ an solchen Diskussionen ist, dass sich periode mit der Vertragsdauer am direktor der Landesbühnen Sachsen Radebeul. tender Schauspielintendant des National­ Strukturdebatten immer aus Finanznö- Theater übereinstimmt. ten entwickeln. Anstatt einmal in Ruhe Peter Spuhler, seit 2011 Generalintendant des Badischen Staatstheaters theaters Mannheim den dortigen Fokus auf darüber nachzudenken, was die beste Ramm: Man verhandelt tatsächlich Karlsruhe, arbeitete als Dramaturg am Schauspielhaus in Wien, am Theater Gegenwartsdramatik mitverantwortet und Struktur für ein Haus und fürs Land ins- immer von Neuem, weil wir es nun mal der Altmark in Stendal und als leitender Dramaturg und Schauspieldirek­ Peter Spuhler, der über das Landestheater gesamt wäre, geht es immer darum, wo mit unterschiedlichen Politikern zu tun tor am Volkstheater Rostock. 2002 bis 2005 Intendant am Landestheater Tübingen und das Stadttheater Heidelberg man sparen könnte. Warum kann man haben. Die sind unterschiedlich gewählt, Tübingen, 2005 bis 2011 am Theater Heidelberg. 1996 Mitbegründer des ans Staatstheater Karlsruhe kam. nicht diskutieren über eine Zielverein- sitzen in unterschiedlichen Gremien Forums junge Dramaturgie, ab 1998 Vorstandsmitglied und 2007 bis 2011 barung und langfristige Finanzierung? und haben auch ganz unterschiedliche Vorsitzender der Dramaturgischen Gesellschaft. Seit 2011 Vorstandsmitglied Denn je früher wir Entscheidungen tref- Erfahrungen im Bereich Theater und im Landesverband Baden­Württemberg des Deutschen Bühnenvereins.

48 49 Brux: Und es gibt Politiker, die gezielt auf und von diesem Horizont aus zeitlich machen. Sondern dann entwickeln wir wurde. Wir spielen das im Großen Haus Kultur setzen, um eine Stadt zu entwi- zurückgerechnet. Ohne diese Visionen zum Beispiel eine Linie mit philoso- und es ist voll. Das ist allerdings auch ckeln. Das ist ein ganz anderes Konzept kann man nicht vernünftig Struktur­ phischem Theater. Es wäre ja unsinnig, schon ihr fünftes Auftragsstück für uns. als das weit verbreitete Abwägen:­ Finan- politik betreiben. wenn wir uns alle um Uraufführungen Wir machen seit der ersten Spielzeit ziere ich jetzt Kindergärten, Schwimm- reißen würden. neue Texte auf der Großen Bühne und bäder, Müllabfuhr oder soll ich was in die Auch Theater betreiben ja Struktur­ haben das Glück, dass wir ein großes Kultur stecken? Wir in Mannheim haben politik, wenn sie ihre Profile ent­ Kreuzhage: Ein kleineres Theater hat Abonnementpublikum haben, das hier das Glück, Peter Kurz als Oberbürger- wickeln. Wie wichtig ist es für ein eine andere Notwendigkeit, vor Ort zu auch mitzieht. Wir haben Ostermeier, meister zu haben, für den Kultur eine einzelnes Theater, sich von ande- funktionieren, weil die schiere Existenz Nußbaumeder, Löhle, Zeller und eben stadtplanerische Vision ist bei der Frage: ren Bühnen abzugrenzen? immer wieder mal zur Debatte steht. fünf Mal Walser präsentiert und das läuft Wie sieht die Stadt in 20 Jahren aus? Trotzdem haben die drei Intendanten, durchs Abo. Oder „Vor dem Gericht“ von Spuhler: Wir haben eine Besucher­ die in den bisher 20 Jahren in Aalen Sibylle Lewitscharoff, das wurde bei der Spuhler: Das passt zu den Theaterta- umfrage gemacht, und die besagt: Die gearbeitet haben, jeweils ein ganz per- Presse nicht so toll aufgenommen, läuft gen. Deren Gründer Hannes Rettich war Mehrzahl unserer Besucher kommt nicht sönliches Profil eingebracht. Ich selber aber gut. habe dabei nicht sehr nach rechts und links geguckt, weil das gar keinen Sinn Spuhler: Das ist der Konsequenz ge- „Die Produktionsbedingungen sind hätte. Die Produktionsbedingungen sind schuldet, mit der ihr das gemacht habt. so speziell, dass ich mir von woanders so speziell, dass ich mir von woanders nichts abkupfern kann.“ nichts abkupfern kann. Eigentlich war Brux: Genau. Wir haben uns aber auch es immer der Versuch, mit den sehr zunutze gemacht, dass es diesen Abon- begrenzten Mitteln, die in Aalen zur nentenstamm gibt und die Tradition des auch ein Politiker mit einer Vision und aus Karlsruhe. Wir sind also ein Wirt- Verfügung stehen, das zu machen, was Hausautoren. Wir haben versucht, etwas mit Initiativen, zu denen ja auch die schaftsfaktor, weil wir Leute in die Stadt uns interessiert. Und komischerweise mitzunehmen, was in der Stadt schon ­Etablierung des Kinder- und Jugend- hineinziehen, die dort vielleicht noch hat das dann, ohne dass ich mir darum angelegt ist und uns auch interessiert. theaters in Baden-Württemberg gehört. mehr Geld ausgeben als nur für den Gedanken gemacht habe, ein Profil nach Aber muss das immer an eine einzelne Theaterbesuch. Von wo sollten wir uns außen gegeben. Leider klappt es dabei Kreuzhage: In den knapp eineinhalb Person gebunden sein? Man könnte also abgrenzen? Für unseren Publikums- nur ganz selten, dass das Uraufführungs­ Jahren, in denen ich in Mannheim war, doch gemeinsam überlegen: Wo wollen besuch ist es vergleichsweise egal, was stück, mit dem man überregionale hatte ich auch den Eindruck, dass das wir denn hin mit unserer Kulturinstitu- man in Stuttgart macht. Aber für den Presse anlockt, auch der Publikums­ Abo sehr stark in der Stadt verwurzelt tion? Wo wollen wir, egal ob Museum Spielplan und die Profilbildung überle- magnet wird. ist. Der Mannheimer geht da einfach hin oder Theater, in zehn Jahren sein? Diese gen wir natürlich: Wenn Heidelberg mit und guckt sich vielleicht auch Dinge an, Frage würde ich gerne den Kultur­ dem Stückemarkt auf Uraufführ­ungen Brux: Da hätten wir ein Gegenbei- die er nicht sofort versteht. politikern in Baden-Württemberg stellen. setzt und Mannheim ein starkes Urauf- spiel. Franziska Walsers „Ich bin wie ihr, Hannes Rettich hatte, glaube ich, diese führungsprofil hat, dann müssen wir in ich liebe Äpfel“ ist eine Komödie, die Wie sind denn andere Zuschauer- Frage für sich innerlich beantwortet Karlsruhe nicht auch ­Uraufführungen überregional ganz gut aufgenommen typen? Zum Beispiel der Aalener?

Katharina Kreuzhage 50 Peter Spuhler 51 Kreuzhage: Abonnenten haben wir ­Verpflichtungen und welche Frei- Damit bringen wir nicht nur unsere Kreuzhage: Heute macht man eben Spuhler: Ja, und dass wir es immer ist zu sehen, wie viele Leute anwesend in Aalen genau 19. Die kenne ich alle heiten sind damit verbunden? Vorstellungen, sondern auch Herzblut in den Klassiker zu dritt, das hält doch fast wieder hinkriegen, mit interessanten sind, die nicht eingreifen. Das hat bei persönlich. Die kommen auch nicht un- die Spielstätten mit rein. jeder Klassiker aus. (lacht) Wir haben Minimalbesetzungen große Werke Andrea Breths Inszenierung in Salzburg bedingt zu ihren Aboterminen, sondern Ramm: Die Spielplangestaltung und „Hamlet“ gemacht und zum Beispiel für aufzuführen, darf nicht heißen, dass das inhaltlich ganz viel ausgesagt. Aber das irgendwann, wenn es ihnen passt. Die die Stoffe richten sich nach der Struktur, Spuhler: Weil gerade von Geschichten die problematische Geschichte mit der ein Idealzustand wäre. Das ist wie mit geht selbst bei einem so großen Haus Aalener Zuschauer insgesamt fliegen auf und das heißt bei der Landesbühne: Ich die Rede ist: Seht ihr das auch so, dass Mausefalle, in der definitiv mehr Schau- der Strukturdebatte: Spannend wäre es, wie dem Staatstheater Karlsruhe nicht Geschichten. Und wenn die Geschichten habe nicht nur eine Stadt und nicht nur es zur Zeit eine große Chance für das spieler auf der Bühne sein müssten, wenn man aus künstlerischer Überzeu- mehr ohne weiteres. für sie auch nur halbwegs nachvoll- mein Publikum. Sondern ich habe es Zeitgenössische gibt, weil die Zuschauer als ich auch nur ansatzweise bezahlen gung entscheidet und nicht, weil man ziehbar erzählt sind, dann machen sie mit 15 Gastspielorten oder Abstecher- eben verstärkt Geschichten wollen, die kann, einen Stummfilm gedreht. Was nur sechs Schauspieler hat. In meiner Brux: Ich finde es schon allein innerbe- eigentlich alles mit. Weil es das Theater orten zu tun, die zwar regelmäßig die sie angehen, auch mit einem sozial en- ziemlich gut funktioniert hat. Zur Zeit Tübinger Zeit hatten wir bei Klassikern trieblich wichtig, dass wir Klassiker spie- erst seit 20 Jahren gibt, sind sie relativ Badische Landesbühne sehen, die uns gagierten oder politischen Hintergrund? machen wir gerade „Faust I“, und zwar immer eine Mangeldiskussion. Zum len, wegen der Schauspieler. Wir spielen naive Theatergänger, und das ist ein dann aber mit anderen Theatern oder Mir scheint, dass die Klassiker etwas aus zu sechst. Da entstehen eben Lösungen, Beispiel: Können wir das altersgerecht ja viele neue Texte, die sprachlich ganz Vorteil. Da macht es keinen so großen auch anderen Kulturanbietern verglei- dem Fokus des Interesses gerückt sind die sehr viel mit den Umständen in besetzen? Wenn ich den Protagonisten andere Sachen erfordern, und da wäre Unterschied, ob man ein Uraufführungs- chen. Wir haben in Bruchsal Zuschauer, und es eher wichtig ist, dass eine voll- Aalen zu tun haben. Lieber sind mir aber zwischen 40 und 50 aus finanziellen es eine absolute Verarmung für den ständige Geschichte erzählt wird – zum Schauspieler, wenn wir auf die Klassiker Beispiel in einem Stück über Demenz, verzichten würden. Auch die Schauspie- „Wir sind glücklicher, seit wir sagen: über Homosexualität oder ein anderes „Selbst wenn wir es wollten, ler wollen Klassiker spielen. Aber um auf Wir erzählen die Geschichten, Thema, das die Gesellschaft gerade könnten wir viele Stücke nicht mehr die Ensembles zurückzukommen: Die die uns wichtig sind.“ beschäftigt. adäquat besetzen.“ Altersstruktur finde ich katastrophal. Das hat nichts mehr mit der Gesellschaft zu Erwartet das Publikum die tun. Das hat mit den Finanzen zu tun. Ein stück oder die Dramatisierung eines die auch regelmäßig nach Heidelberg, Klassiker vielleicht auch deshalb die ­Produktionen, in denen ich mich Gründen nicht haben kann, aber den 40- bis 50-jähriger ist einfach teurer als Films oder einen Pinter zeigt. Nur daran, Mannheim oder Karlsruhe fahren, und nicht mehr, weil sie nicht mehr so nicht so nach der Decke strecken muss. besten Schauspieler für die Haupt- jemand, der zwei Jahre Theater gespielt dass sie „Das letzte Band“ langweilig wir haben es im Odenwald teilweise mit bekannt sind? Und liegt das daran, Und ich hätte gerne mal wieder einen rolle will, muss ich für Brechts Galilei hat. Als Abbild einer Gesellschaft funkti- finden, werde ich wohl nichts ändern Theatergängern zu tun, die sieben Mal dass sie nicht mehr so häufig ge- Klassiker, der nicht darauf abgeklopft einen Anfangdreißiger nehmen. Wir oniert das schon lange nicht mehr. können. Ich habe es trotzdem gemacht, im Jahr zu unseren Vorstellungen kom- spielt werden, weil die Ensembles wird, wie man ihn in Jeans und Pullover sind in eine Schieflage geraten: Selbst aber nach fünf oder sechs Aufführungen men und uns sonst mit dem vergleichen, immer kleiner werden? Wenn man erzählen könnte. Ich wünsche mir, dass wenn wir es wollten, könnten wir viele Spuhler: Genau. Schauen wir weiter: war es abgespielt, das war dort einfach was das Unterhaltungsprogramm im sich zum Beispiel den Katalog von Theater, die das können, einen Klassiker Stücke nicht mehr adäquat besetzen. Entspricht der Frauen-Männer-Anteil in nicht nahezubringen. Fernsehen bietet. Wir haben versucht, in 1985 in Heilbronn anschaut: Da auch mal in seiner ganzen historischen In Karlsruhe machen wir gerade Kleists den Ensembles dem in der Wirklichkeit? den ersten Jahren, in denen ich hier war, fährt Mannheim allein in einer Entrücktheit auf die Bühne bringen: Die „Homburg“, und ich würde gerne einmal Werden sie adäquat bezahlt? Wo kann Nahebringen ist ein interessantes das irgendwo mit zu bedenken. Wir sind Produktion 26 Schauspieler auf... „Räuber“ sind 200 Jahre alt, und das darf jede Rolle, die Kleist geschrieben hat, mit sich das Kinder- und Jugendtheater noch Stichwort. Eine Landesbühne hat glücklicher und die Arbeit ist einfacher man auch mal merken. Das sind keine einem einzelnen Schauspieler besetzen. ältere Männer leisten, wenn sie nicht aus ja den dezidierten Auftrag, das geworden, seit wir sagen: Wir erzählen Brux: Und das war wahrscheinlich erst Großstadt-Gangs, die gegen ihre türki- Nicht weil das für die Darsteller so ein Enthusiasmus bereit sind, sich ausbeuten Theater den Menschen im wahrs- Geschichten, die uns wichtig sind, wir das halbe Ensemble, oder? (lacht) schen Väter rebellieren. großes Vergnügen wäre, sondern weil zu lassen? Es gibt auch da ein eklatantes ten Sinne nahezubringen. Welche erzählen sie so, wie sie uns wichtig sind. es gerade bei diesem Stück interessant Finanzierungsproblem. Und da reden wir

52 Carsten Ramm 53 noch gar nicht davon, dass zu unserer Spuhler: Wir haben als Theater das anderen Aufführungsbedingungen natürlich sehe, dass man miteinander von migrantisch geprägten Deutschen Gesellschaft selbstverständlich auch Problem der Volksparteien: Es gibt nicht treffen... konkurriert. Das Festival sollte eigentlich auf die Bühne bringen können. Wäre das Menschen mit migrantischem Hinter- mehr das bürgerliche Kernpublikum, ein Ort der Begegnung sein. Vielleicht nicht etwas, was man fördern könnte? grund gehören, zu unseren Ensembles sondern viele unterschiedliche Gruppen, Ramm: Also Landesbühnen-Alltag. ließe sich das ja gezielt organisieren, Unsere Bürgerbühnen und Theaterclubs aber kaum. Gleiches gilt übrigens für die die wir alle mit Angeboten zu erreichen (Lachen) Nein, im Ernst, es ist natürlich dass man sich zum Beispiel für zwei, drei auch noch zu den Theatertagen zu Theaterleitungen. versuchen. Und deswegen brauchen wir etwas anderes als ein normales Gast- Stunden austauscht über Autorentheater schippern, das wäre sicher sehr lustig, viele unterschiedlich große und flexible spiel, schon weil es in einem anderen oder Finanzierung oder Bürgerbühne. aber doch eher ein höherer Betriebs­ Brux: Aber das kommt. Es ist noch nicht Räume, so wie die Kinos unterschied­ Kontext steht. Weil die Sachen anders Und zwar nicht nur auf der Intendan- ausflug... so weit wie in England oder in Frank- liche Räume anbieten müssen. beobachtet werden von Leuten, die tenebene, sondern auf der Ebene der reich, aber in den Schauspielschulen es an anderen Aufführungen messen, Leute, die es dann wirklich machen. Ramm: Ein Thema so frühzeitig zu ist es schon angekommen, wenn auch Ramm: Ich glaube, dass bei den unter- Feedback geben und dir auch sagen, wo Denn die Intendanten treffen sich ja haben, dass wir in den Spielplänen darauf noch nicht in den Theatern. Es gab schiedlichen Publikumsgruppen und du selber stehst mit deinem Theater, mit sowieso immer... ­reagieren können, das wäre mal ein neuer zwar ­Versuche, Karin Beier ist aber auch den unterschiedlichen Ansprüchen, deiner künstlerischen Arbeit. Ansatz. Man könnte dieses Thema so in gescheitert. Aber das ist die einzige die es gibt, für uns auch ganz neue Begonnen haben die Theaterta- den Raum stellen, dass man landesweit Chance, denn die Bevölkerungsentwick- ge als Förderfestival, indem 1977 eine künstlerische Auseinandersetzung lung geht dahin. Von den Kindern, die zu gezielt Auftragswerke für Urauf­ damit hinbekommt und möglicher­weise uns ins Schnawwl kommen, haben 70 bis „In ihrer Struktur funktionieren führungen bestellt worden sind. Die auch im Vorfeld unter den Theatern 80 Prozent migrantischen Hintergrund. die Ensembles schon lange nicht mehr Autorenförderung hat sich seither kommuniziert, wie die jeweilige Ausein- Zur Identifikation, warum die überhaupt als Abbild einer Gesellschaft.“ stark verbreitert. Welchen Bereich andersetzung mit dem Thema aussieht. ins Theater gehen sollen, ist ein Wandel könnten die Theatertage denn Darüber bekäme man dann ganz einfach notwendig. heute­ fördern? verschiedene Facetten, die auch ernst ­Möglichkeiten entstehen. Allerdings wird Spuhler: Das Gute ist, dass es dabei keine gemeint sind und nicht so, dass man Kreuzhage: Aber wir hinken ja auch eine Zielgruppe allein wohl nie ganz aus- Standesgrenzen gibt. Das ist jedenfalls Brux: Als Trend ist die Bürgerbühne sich ein Stück nachträglich auf das Motto mit den Geschichten völlig hinterher. reichen, um neue Wege zu legitimieren. mein Gefühl, dass man in einem positiven ein ganz großes Thema. Und perfor- zurechtbiegt. Das würde bedeuten: Wir Gemessen daran, wie gravierend diese Man muss schon die anderen mitreißen Wettbewerb ist. Wenn man zum Beispiel mative Formate, auch Stadtbespielung als Theater setzen uns mit diesem Motto Entwicklung ist, ist gar kein ausreichen- und mitnehmen auf diesem Weg, und als Landesbühne „Die Räuber“ zeigt und und ­Internationalität. Im Prinzip all die auseinander und beschäftigen auch der Pool an Stücken da, so dass sich alle das braucht auch ein bisschen Atem. ein größeres Theater das auch spielt, und Sachen, die eigentlich nicht durchs unser Publikum damit, so dass die Zu- auf „Verrücktes Blut“ und Lutz Hübners man sieht, dass die eigenen Darsteller da Abo gehen. Das sind Entwicklungen, in schauer vielleicht nochmal ganz anders Ehrenmordgeschichte stürzen. Man macht sich also immer mehr mithalten können, ist das motivierend. denen wir derzeit stecken. dazu animiert werden, die Theatertage Gedanken, was man speziell für Für die Schauspieler ist es übrigens auch wahrzunehmen, weil sie dort sehen Aber gibt es „die Gesellschaft“ heute eine Stadt bietet – und dann gibt es eine Chance gesehen und vielleicht an ein Kreuzhage: Aber gäbe es nicht etwas können, was andere Bühnen mit diesem überhaupt noch? Müssen die ­Theater, alle zwei Jahre diese Theatertage, größeres Haus engagiert zu werden. zu fördern, was wir noch nicht alle Thema machen. Ich könnte mir vorstellen, um die Zuschauer zu halten, nicht bei denen sich diese ortsspezifisch machen? Zum Beispiel waren wir uns ja dass das ein spannender Schritt wäre, der immer mehr Angebote für unter- entwickelten Produktionen an Brux: Ich habe das auch nie als nicht einig, ob es wirklich schon so viele das Festival weiterführt. schiedliche Splittergruppen machen? einem ganz anderen Ort mit ganz ­Konkurrenz empfunden, obwohl ich Stücke gibt, mit denen wir die Interessen

54 Foto: Arno Declair Ingoh Brux 55 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater AALEN, Theater: Gerlind Reinshagen „Die Clownin“ AALEN, Kinder- und Jugendtheater der Stadt: Beat Fäh „Der Pforzheim (R: Udo Schoen) Transatlantik-Surfer“ (R: Jürg Schlachter) BADEN-BADEN, Theater: A.R. Gurney „Love Letters“ BRUCHSAL, Boing & Co/Badische Landesbühne: Shakes- (R: Wolfgang Schön) peare-Collage „Liebe, Tod und Teufel“ (R: Peter Andersonn) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Tankred Dorst ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne Junior: Staffan „Ferndando Krapp hat mir diesen Brief geschrieben“ (R: Barbara Westerberg „Ein kleines Traumspiel“ (R: Greet Vissers) Herold) / Judith Herzberg/Henk van der Meulen „Mark“ (R: Petra FREIBURG, Theater im Marienbad: Beat Fäh „Käthi B.“ Morsbach, Kammeroper) (R: Dieter Kümmel) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Eugene HEIDELBERG, Jugendtheater: Pauline Mol „Iphigenie Ionesco „Die kahle Sängerin“ (R: Allan Zipson) Königskind“ (R: Jasmine Hoch) FREIBURG, Theater: James Joyce „Anna Livia Plurabelle“ KONSTANZ, Junges Theater: Gabriele Erler „Der Einsiedler und 199314. – 23. Mai (R: Stephan Kimmig) der Bär“ (R: Gabriele Erler) HEIDELBERG, Theater der Stadt: Franz Xaver Kroetz „Bauern MANNHEIM, Schnawwl: Hansjörg Schertenleib „Rabenland“ Sterben“ (R: Peter Stoltzenberg) (R: Raimund Finke) HEILBRONN, Theater: Ulrich Zaum „Die müde Jagd“ TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Gastgebender Intendant (R: Ralf Nürnberger) Lotte Möller „Ein reines Mädchen“ (R: Irmgard Paulis) KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Yasmina Reza „Reise Manfred Berben in den Winter“ (R: Wolf Seesemann) / William Mastrosimone Rahmenprogramm „Tagträumer“ (R: Beate Potočnik) Spielstätten KONSTANZ, Stadttheater: Thornton Wilder „Wir sind noch Nachmittagstheater an der Ruine / Rockmusical „Alice“ (Stefan einmal davongekommen“ (R. Hartmut Wickert) Wurz/Martin Doll) / Straßentheater in der Fußgängerzone / Großes Haus, Podium, Kleiner Saal der Stadthal­ MANNHEIM, Nationaltheater: Gotthold Ephraim Lessing Abendliche Konzerte im Spiegelzelt le, Spiegelzelt „Nathan der Weise“ (R: Mark Zurmühle) PFORZHEIM, Stadttheater: Jean-Claude Grumberg „Dreyfus“ Randnotiz Bilanz (UA, R: Jan Friso Meyer) Der Negativ-Preis „Nashorn“ geht an Ministerpräsident Erwin STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Werner 6.500 Besucher in 25 Vorstellungen (Auslastung Teufel und Wirtschaftsminister Dieter Spöri für die Erfindung Schwab „Der Himmel mein Lieb meine sterbende Beute“ des „Gemischtwarenladens Ministerium für Frauen, Familie, über 90 Prozent). (R: Katharina Kreuzhage) Weiterbildung und Kunst“, die den Stellenwert der Kultur in der Pressestimme: „Die Theatertage in Pforzheim TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Regierungskoalition dokumentiere. könnten ein Beweis dafür sein, dass es in der „Gespenster“ (R: Axel Richter) ULM, Theater: Oliver Reese „Bartsch Kindermörder“ Bevölkerung auch oder gerade in einer Zeit (R: Oliver Reese) / Euripides „Medea“ (R: Beat Fäh) wirtschaftlicher Flaute rege Nachfrage nach Theaterkultur gibt. Die Zuschauerbilanz spricht dafür.“ (Pforzheimer Kurier, 24.5.1993)

56 Theater Pforzheim: „Dreyfus“, Foto: Sabine Haymann 57 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater AALEN, Theater der Stadt: Maya Franke „Nach Moskau...“ AALEN, Kinder- und Jugendtheater der Stadt: Pauline Mol Aalen (R: Udo Schoen) / Dylan Thomas „Unter dem Milchwald“ „Hallo Monster“ (R: Jürg Schlachter) / Ad de Bont „Mirad, ein (R. Frank Grupe) / Brigitte Schwaiger „Führer, befiehl!“ Junge aus Bosnien“ (Lesung) BADEN-BADEN, Theater: Willy Russell „Shirley Valentine oder BRUCHSAL, Boing & Co/Badische Landesbühne: Die Heilige Johanna der Einbauküche“ (R: Wolfgang Schön) / L. Rasumowskaja „Liebe Jelene Sergejewna“ (R: Gero Wachholz) / Frank Geerk „Die siebte Feindfahrt“ (R: Frieder Lorenz) Janosch „Ich sag, Du bist ein Bär“ BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Friedrich Dürrenmatt ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne Junior: Hanns „Der Besuch der alten Dame“ (R: Peter Dolder) / Christiane Reiff Jörg Krumpholz „Sechzehn im Sommer“ / Mario Guindani „Efeu „Die da!“ und die Dicke“ (R: Gabriele Meinl) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Hannes FREIBURG, Theater im Marienbad: „Norbert Nackendick“ / Glarner nach Gottfried Keller „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ „Voyeurs“ 199511. – 21. Mai (UA, R: Hannes Glarner) HEIDELBERG, Jugendtheater: Nach Sophokles „Antigone“ FREIBURG, Theater: Urs Troller nach Euripides „Troerinnen“ (R: Hubert Habig) / Collage „Pommerland ist abgebrannt“ (R: Urs Troller) / Heinrich Heim „Tischgespräche mit Herrn H.“ (R: Hubert Habig) HEIDELBERG, Theater der Stadt: George Tabori „Die Goldberg- KONSTANZ, Junges Theater: Ingeborg von Zadow Gastgebender Intendant Variationen“ (R: Peter Stoltzenberg) „Pompinien“ HEILBRONN, Theater: Michael Wildenhain „Hungrige Herzen“ MANNHEIM, Schnawwl: Beat Fäh nach Shakespeare „Rose und Udo Schoen (R: Thomas Heise) / Alexander Waechter „Chansons und Satiren Regen, Schwert und Wunde“ (R. Vitali Kotovitski) / Hanne Trolle aus Theresienstadt“ „Die Verwandlungskugel“ (R: Victor Carcu) / Gitte Kath/Jakob Spielstätten KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: George Tabori „M“ Mendel „Nebensache“ (R: Stefan Dan-Sloboda) (R: Stefan Karthaus) / Udo Zimmermann „Weiße Rose“ TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Nils Stadthalle, Studio im Alten Rathaus, Landrats­ (R. István Bödy, Stück für zwei Sänger und Orchester) Gredeby „Metamorphosen“ (R: Brigitte Dethier) / Franz amt, Gartenmeisterhalle, Paul­Ulmschneider­Saal KONSTANZ, Stadttheater: Wolfgang Maria Bauer nach August Fühmann nach Shakespeare „Ein Sommernachtstraum“ im Torhaus, Rathaus Strindberg „Fräulein Julie“ (R: Wolfgang Maria Bauer) (R: Brigitte Dethier/Frank Söhnle) MANNHEIM, Nationaltheater: Max Frisch „Nun singen sie SARAJEVO, Kinder- und Jugendtheater Mladih: Goran Simic Bilanz wieder“ (Lesung, Einrichtung: Michael Schlicht) / Joshua Sobol „Märchen über Sarajevo“ „Auge in Auge“ (R: Clemens Bechtel) / Roland Topor „Ein Winter Über 11.000 Besucher inklusive unterm Tisch“ (R: Andreas von Studnitz) Rahmenprogramm PFORZHEIM, Stadttheater: Bernard Pomerance „Der Rahmenprogramm Figurentheater im Bürgerhaus Wasseralfingen mit Tristans Pressestimme: „Sie (die Theatertage, d. Elefantenmensch“ (R: Rolf Heiermann) STUTTGART, Altes Schauspielhaus: Wolfgang Borchert Puppenbühne „Gibt es ein Leben nach der Vorstellung?“ / Red.) wurden zum Theaterereignis mit echter „Draußen vor der Tür“ (R: Marion Poppenborg) Schattentheater Fortuna Sol aus Stuttgart / Figurentheater Festivalatmosphäre, das bei weitem nicht nur STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: August Stuttgart „Paradise Now“ / Kuckucksei aus Aalen Insider erreicht hat. (...) Den notorischen Kritikern Strindberg „Schwanenweiß“ (R: Matthias Merkle) / wird es deshalb künftig viel schwerer fallen, die „Nachtexpress: Gute Nacht“ (Texte und Lieder) / Andreas Marber „Das sind sie schon gewesen, die besseren Tage“ Aalener Bühne als unnötige, weil elitäre Einrich­ (R: Günther Gerstner) tung abzutun.“ (Aalener Volkszeitung, 23.5.1995). TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Slobodan Snajder „Die Schlangenhaut“ (UA, R: Manfred Weber) ULM, Theater: Tennessee Williams „Die Glasmenagerie“ (R: Alexander Kagan) / Wallace Shawn „Das Fieber“ (R: Thomas Janßen) / „Dance Style“ (Choreographie: Qu Ping, Ballett)

58 Theater der Stadt Aalen: „Nach Moskau...“, Foto: Schwäbische Post, Aalen 59 1985 haben Sie in Esslingen Ihre Brecht und Horvath. Der Witz ist, dass telefoniert und dabei so laut ge- vier Stunden dauern sollte, und da hatte „Es geht darum, die erste Intendanz angetreten, aber der Bockerer eigentlich zu konservativ brüllt, dass fünf Minuten später eine die Theaterleitung sofort Sorgen, dass in Baden-Württemberg waren Sie ist, um den Nationalsozialismus mit- Etaterhöhung bewilligt war. Oder ein das nicht funktioniert bei einem so un- schon vorher mal tätig gewesen, zumachen, der für ihn nur modischer anderes Beispiel: Zehn Tage vor der bekannten Stück. Worauf Bosse nur ganz nämlich 1978 als Dramaturg in Schnickschnack ist. Und dann haben die Premiere sickerte durch, dass der Abend trocken gesagt hat: „Wieso? Der ganze Sternstunden zu Mannheim. Also fast im Anschluss Mannheimer das sieben Jahre gespielt Schwachsinn sollte doch tausend Jahre an den 1977 erfolgten Neustart der und sind auch viel gereist damit, nicht dauern, da können die Leute auch mal Theatertage... nur nach Esslingen, sondern auch nach Friedrich Schirmer, 1951 in vier Stunden im Theater sitzen.“ Das hat China. Köln geboren, begann als Dra­ mir unheimlich imponiert. Schirmer: Ja, nach Mannheim wollte maturg unmittelbar nach dem zeigen“ ich wegen Jürgen Bosse. Der hatte eine Dass eine Inszenierung sieben Abitur 1970 am Westfälischen Wenn Sie das teure Bühnenbild große Offenheit und zugleich eine ent- Jahre läuft, erscheint aus heutiger Landestheater Castrop­Rauxel. erwähnen: Das war ja eine richtig schlossene Sturheit, mit dem wollte ich Sicht unvorstellbar. Sein Weg führte ihn über Berlin aufwendige Produktion. Wie kriegt unbedingt arbeiten. Und das habe ich (Freie Volksbühne, Intendant: man es denn hin, damit zu reisen? Friedrich Schirmer, zwischen 1985 und 2005 Kurt Hübner), Nürnberg, Intendant der Landesbühne Esslingen, des Mannheim und Dortmund zu Schirmer: Man weiß nie im Voraus, Theaters Freiburg und des Staatsschauspiels „Dass ‚Der Bockerer‘ eine so großartige seiner ersten Intendanz an der ob ein Stück so ein Potenzial hat. Von Stuttgart, über vorbildliche Sturheit, Inszenierung wurde, lag eben auch Württembergischen Landes­ Stuttgart aus sind wir mit zwei ganz daran, dass Jürgen Bosse sehr stur war.“ bühne Esslingen (1985­1989). gegensätzlichen Stücken am meisten theaterfremde Räume und den Es folgten Intendanzen an den gereist. Das eine war die Uraufführung Enthusiasmus der Gastgeber. Städtischen Bühnen Freiburg von „Die arabische Nacht“ von Roland dann auch sehr intensiv erlebt, als Bosse Schirmer: Es war der Ausnahmeerfolg, (1989­1993), am Schauspiel Schimmelpfennig. Mit der waren wir 1978 den „Bockerer“ inszeniert hat... von dem wir Theaterleute träumen, Staatstheater Stuttgart in Moskau, in Budapest und sonstwo, den man aber nicht planen kann. Und (1993­2005) und ab 2005 am aber die brauchte auch nur ein Sofa und ...der dann fünf Jahre später, 1983, dass es eine so großartige Inszenierung Deutschen Schauspielhaus in ein paar wunderbare Schauspieler. Das bei den Theatertagen in Esslingen wurde, lag auch daran, dass Bosse eben Hamburg. Im September 2010 andere war „I Furiosi“ von Stefan Nübling gezeigt wurde... stur war. Das Bühnenbild war selbst für trat er infolge nicht eingehal­ mit einem Bühnenchor aus 50 bis 60 Mannheimer Verhältnisse relativ teuer, tener finanzieller Zusagen und Fußballfans. Da waren wir ein Tross von Schirmer: Genau. Ich hatte das Stück der Ausstattungsetat längst ausge- erheblicher Zuschusskürzun­ allein 70 Leuten auf der Bühne und aus meinem Bücherregal gefischt, schöpft, der Verwaltungsdirektor ge- gen seitens der Stadt Hamburg mehreren Lkw, und damit sind wir auch nachdem ich den wunderbaren Schau- nehmigte keine weiteren Ausgaben. Da zurück. Im Herbst 2012 wurde in Hamburg, Zürich, Wien und Teheran spieler Adolf Laimböck gesehen hatte, in hatte Bosse dann einen gut inszenierten er wieder zum Intendanten der gewesen. Bei den Theatertagen hat Bosses Inszenierung von „Was ihr wollt“. Auftritt: Er hat, so wurde es erzählt, in Württembergischen Landes­ eine Einladung zwar auch oft mit der Das Besondere an diesem Text ist sein der Mittagspause in der vollbesetzten bühne Esslingen (ab 2014/15) Bühnengröße zu tun. Aber Achim Thor- ganz eigener Blick, irgendwo zwischen Kantine mit dem Verwaltungsdirektor berufen. wald wollte den „Bockerer“ unbedingt in

60 Foto: Asja Schubert 61 Esslingen zeigen und hat das auch hin- gearbeitet und haben von ihm „... dann Holland gereist bin. Es war klar, dass wir das Mannheimer Uraufführungs- ­Kruse absehe. Bei seiner „Schustersfrau“ bei der Entscheidung, was man sie zuwenig wahrgenommen hat, was ­theaterfremden Landratsamt zu spielen. gekriegt. Er hat das in die Turnhalle eines hätten wir ein Haus am Meer“ uraufge- nicht mit den großen Arbeiten kommen Experiment mit der sicheren Bank im neuen Bruchsaler Saal, da war in zeigt? für Schauspieler­ damals in Freiburg Da war Udo Schoen genau so wunderbar Gymnasiums gewuchtet, da musste führt, und dann noch von Martin Schleker konnten – Kruses „Timon von Athen“ war „Minetti“ dominiert? dieser etwas seltsamen Halle plötzlich waren: Hans Josef Eich, Robert Hunger- enthusiastisch wie Thorwald, wenn es man erst mal einen Bühnenboden legen „Der Sonnenwirtle von Ebersbach“, was eine großartige Arbeit, aber da hätten wir richtig was los: Theaterzauber. Schirmer: Große Inszenierungen Bühler, Anne Tismer, Peter Loth, Klaus darum ging, was er zeigen wollte. In An- lassen – ich glaube, die Landesbühne bei Presse und Publikum ein Riesenerfolg drei Lkw gebraucht. Also haben wir uns Schirmer: Ja, da muss man aufpassen. werden immer getragen von gro- Weiß... und in der „Schustersfrau“ war dreas Marbers Stück „Das sind sie schon war auf Jahre hinaus mit Tischlerplatten war. Für mich waren die Theatertage bemüht, mit den kleineren Arbeiten zu Deshalb sind wir ja auch nicht mit so In einer damaligen Rezension wird ßen Schauspielern. Anne Tismer war der kleine Konradin­ Kunze dabei, damals gewesen, die besseren Tage“ gab‘s eine versorgt. Das bestätigt, was ich bei Bosse immer wichtig, um zu zeigen, wo wir zeigen: Das ist das Haus, das machen wir. süffigen Titeln gekommen, sondern neben Anne Tismer auch Robert Anfängerin, aber sie war begnadet. zwölf Jahre alt, der ist mittlerweile ein Szene, in der drei Schauspieler als Riesen- gelernt habe: Wenn man etwas wirklich stehen. Natürlich spielt irgendwann die es waren, wie etwa „Der Gehülfe“ von Hunger-Bühler als besonders Das sah man. Wir hatten ein bisschen wunderbarer Schauspieler und auch ein Pommes mit Ketchup begossen werden. will, dann kriegt man das hin. Nach dem Bühnengröße eine Rolle. Das Freiburger Stuttgart wiederum haben Sie von Robert Walser, schon eher die stilleren ­beeinruckend erwähnt. Welches das Pech, dass die Freiburger Presse zu erfolgreicher Autor. Wir sitzen also in diesem Saal und Schoen Prinzip haben wir in Stuttgart mit Grab- Theater hatte ja vor dem Umbau fast 1200 dem Ruf befreit, als größtes Theater Arbeiten – wenn ich mal von Jürgen Gewicht haben die Schauspieler dieser Zeit so auf Basel fixiert war, dass sagt: „Hier wollen wir das sehen, wie die bes „Herzog Theodor von Gothland“ Plätze – mit den Produktionen für diese im Land die Theatertage arg zu Ging es dann bei den Theatertagen drei über die Bühne hoppeln und dann angefangen, inszeniert von dem damals Bühne konnten wir gar nicht reisen, des- vernachlässigen. auch darum, Künstler als Ent­ von oben der Ketchup runterkommt.“ noch unbekannten Martin Kusej. Diese halb sind wir damals mit den Podiums­ deckungen zu präsentieren? Entscheidend ist also immer auch der Aufführung war großartig und zugleich produktionen gekommen. Schirmer: Ja, weil Hans Tränkle als Enthusiasmus der Gastgeber. Geschäftsführender Intendant und ich beide von Landesbühnen kamen. Er „Große Inszenierungen werden immer hatte seine „theatralische Sozialisie- „Entscheidend ist auch getragen von großen Schauspielern.“ rung“ in Tübingen erfahren und ich in der Enthusiasmus der Gastgeber.“ Castrop-Rauxel und Esslingen. Uns war wichtig: Wenn wir das Festival schon ein Schock – und sie hat unsere zwölf Schaut man in die Programm­ nicht in unsere Stadt holen können, Schirmer: Nein, es geht für mich immer Gastgeber waren Sie selbst trotz Jahre in Stuttgart geprägt. hefte, dann scheint es, dass Sie was bei Stuttgart aus verschiedenen wieder darum, mit den Sternstunden einer zwei Jahrzehnte dauern- von Esslingen aus vor allem Stücke Gründen nicht sinnvoll gewesen wäre, einer Saison zu kommen. Das können den Ära als Intendant in Baden-­ Bevor es 1993 in Stuttgart losging, präsentiert haben und von Freiburg dann gehen wir zum Festival mit dem, stille Sternstunden sein, auch umstrit- Württemberg nie. Bedauern Sie haben Sie zwei ganz unterschied- aus Regiehandschriften. was wir haben, und mit so viel davon tene – aber etwas, das ich als gelungen das? liche Bühnen geleitet und von dort wie möglich. Deshalb hat es mich zum empfinde. aus auch ganz unterschiedliche Schirmer: Ja, genau das hat sich da geän- Beispiel so gefreut, dass Udo Schoen in Schirmer: Schon, aber das kann sich ja Beiträge zu den Theatertagen dert. Von Freiburg aus waren wir 1991 in Aalen und Hans Ammann in Freiburg so Können auch Theatertage-Gast­ noch ändern... geschickt. Bruchsal mit „Die wundersame Schusters- offen waren, uns mit drei verschiedenen spiele zu Sternstunden werden? frau“, weil es mir wichtig war, eine Arbeit Produktionen einzuladen. Schirmer: An der Landesbühne Esslingen von Jürgen Kruse zu zeigen – und eine mit Schirmer: Ja, unsere Ensembles war es unser Ehrgeiz, uns mit Urauffüh- Anne Tismer. Und 1993 in Pforzheim waren Droht da nicht die Gefahr, dass kamen eigentlich immer stolz zurück. rungen zu präsentieren. Das hat man wir mit „Anna Livia Plurabelle“, denn das man das Festival vereinnahmt – so Manchmal gab es auch wirklich tolle 1987 in Ulm exemplarisch gesehen. Wir war die erste Arbeit in Deutschland von wie 1977, als es durchaus kritische ­Überraschungen. Zum Beispiel fanden haben damals viel mit Otto Junggeburth Stephan Kimmig, für den ich noch nach Stimmen dazu gab, dass Stuttgart es 1995 in Aalen alle klasse, in diesem

Dramaturgiesitzung am Staatstheater Stuttgart: Michael Propfe, Marie Zimmermann, 62 Friedrich Schirmer und Frank M. Raddatz (v.l.) , Foto: Gudrun Bublitz 63 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater AAALEN, Theater der Stadt: Judith Herzberg „Und/Oder“ AALEN, Kinder- und Jugendtheater der Stadt: Suzanne van Heidelberg (R: Udo Schoen) / „Geiler Freitag“ Lohuisen „Wer hat meinen kleinen Jungen gesehen?“ / „Ihr BADEN-BADEN, Theater: Samuel Beckett „Glückliche Tage“ Lieben, viel zu weit entfernten – Die Brief der Louise Jacobson“ (R: Peter Lüdi) / David Mamet „Oleanna“ (R: Bernd Mottl) / Claude Morand „Der Drache von Tschernobyl“ BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Michael Seyfried „Private BRUCHSAL, Boing & Co/Badische Landesbühne: Pauline Mol Life Show“ (R: Peter Dolder) / George Tabori „Die Massen- „Iphigenie Königskind“ / Nach Michael Ende „Das Traumfres- mörderin und ihre Freunde“ (R: Martin-Michael Driessen) serchen“ ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Herbert ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Philip Ridley Neubecker nach Franz Kafka „Die Verwandelten“ (R: Hermann „Der Geist aus der Blütezeit“ Schmidt-Rahner) / „Lass doch das ewige Fummeln!“ FREIBURG, Theater im Marienbad: Lars-Eric Brossner/Thomas (R: Heidemarie Rohweder, Theaterschiff) von Brömssen „Die Geschichte vom Onkelchen“ / „Geschichten 199710. – 20. April FREIBURG, Theater: Luigi Pirandello „Die Riesen vom Berge“ gespielt und erzählt“ (R: Urs Troller) HEIDELBERG, Zwinger 3: Michel Marc Bouchard „Die HEIDELBERG, Theater der Stadt: Ödön von Horváth „Kasimir Geschichte von Teeka“ / Marivaux „Der Streit“ und Karoline“ / Heinrich von Kleist „Der zerbrochne Krug“ / KONSTANZ, Junges Theater: Nach Shakespeare „Mondfieber“ Motto Stephan Kimmig „Die Reeperbahn-Girlies singen wieder“ / MANNHEIM, Schnawwl: Mark Wetter/Paul Steinmann „Jeda, „Liebe-Macht-Nix“ (Theaterschiff) der Schneemann“ / Ted Kejser „Feuerwehrmänner“ „Wäsche weg – Theater kommt!“ HEILBRONN, Theater: Olaf Bauer/Stephan Benger „Asyl“ STUTTGART, Theater im Zentrum: Volker Quandt „Das kleine (Rockmusical) als Ersatz für Christian Martin „Winterkrieg“ / Mädchen mit den Schwefelhölzern in Brasilien“ / „... und Gastgebender Intendant „Erotic pur“ (Theaterschiff) Wünsche klettern an den Beinen aufwärts – Wir jandln KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Martin Walser mit Musik“ Volkmar Clauß „Kaschmir in Parching“ / „Stay Well – Ein Kurt-Weill-Abend“ TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: (R: Urs Affolter, Theaterschiff) Heiner Kondschak „Die fürchterlichen Fünf“ / Alma Jongerius Bilanz KONSTANZ, Stadttheater: Irmgard Keun „Das kunstseidene „Gute Nacht, mein Bär“ 7723 Besucher in 47 Vorstellungen, Auslastung Mädchen“ (R: Rainer Menniken) / Suzanne von Lohuisen „Dossier Ronald Akkerman“ (R: Daniel Ris) als Ersatz für den 78,64 Prozent. krankheitsbedingten Ausfall von Yasmina Reza „Kunst“ Pressestimme: „Hannes Rettich (...) freute sich MANNHEIM, Nationaltheater: Sarah Kane „Zerbombt“ / „Ich besonders darüber, dass die Auff ührungen der küsse heiß den warmen Sitz – Ein Gerhard-Rühm-Abend“ Tübinger und Esslinger Theater so gut ankamen, (Theaterschiff) PFORZHEIM, Stadttheater: Hermann Heijermans „Ketten“ da diese zwei Landesbühnen der Gefahr der Auf­ (R: Rolf Heiermann) lösung ausgesetzt seien.“ (Rhein­Neckar­Zeitung, STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Josef Hader/ 22.4.1997) Alfred Dorfer „Indien“ (R: Franz Burkhard) / James Joyce „Anna Livia Plurabelle“ (R: Stephan Kimmig) als Ersatz für den krank- heitsbedingten Ausfall von Georg Büchner „Leonce und Lena“ TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Tony Kushner „Angels in America“ (R: Donald Berkenhoff) ULM, Theater: Peter Turrini „Alpenglühen“ (R: Alexander Kagan) / Brad Fraser „Unidentifi zierte Leichenteile & Das wahre Leben der Liebe“ (R: Roland Schimmelpfennig)

64 Zwinger 3 Heidelberg: „Der Streit“, Foto: Frank Heller 65 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater AALEN, Theater der Stadt: Barbara Frischmuth „Mister Rosa oder AALEN, Kinder- und Jugendtheater der Stadt: Mark Wetter/ Freiburg die Schwierigkeit kein Zwerg zu sein“ (R: Werner Gerber) / Elfriede Paul Steinmann „Jeda, der Schneemann“ (R: Beate Lanz) Jelinek „Ein Sportstück“ (R: Udo Schoen) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Gina Moxley „Danti-Dan“ BADEN-BADEN, Theater: Heinrich von Kleist „Penthesilea“ (R: Monika Querndt) / Lutz Schäfer nach den Brüdern Grimm (R: Judith Kuckart) / Henrik Ibsen „Nora oder Ein Puppenheim“ „Der Froschkönig“ (R: Lutz Schäfer) (R: Jürgen Flügge) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne Junior: Mark BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Olaf Hörbe nach Wetter/Paul Steinmann „Platt‘n‘Spieler“ (R: Corinna Schaefer) Grimmelshausen „Simplicius Simplicissimus“ (R: Carsten Ramm) FREIBURG, Theater im Marienbad: Guus Ponsioen „Perô oder ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: „Aus dem Die Geheimnisse der Nacht“ (R: Dieter Kümmel) / Gotthart Tagebuch der Anne Frank“ (R: Natascha Kalmbach) / Georg Kuppel nach Ernst Jandl „Schmackel Bunz oder Der gelbe Hund“ Büchner „Dantons Tod“ (R: Frank Hellmund) (R: Gotthart Kuppel) 199925. Juni – 4. Juli FREIBURG, Theater: Walter Mossmann/Cornelius Schwehr HEIDELBERG, Zwinger 3: Friedrich Karl Waechter „Schule mit „Heimat – Oper zur Erinnerung an die Badische Revolution von Clowns“ (R: Hubert Habig) 1848/49“ (UA, R: Gerd Heinz, Oper) / Markus Bothe/Klemens Re- HEILBRONN, Kinder- und Jugendtheater in den Kammer- nolder „Prinz Stammelt Von Dänemark“ (R: Markus Bothe) / Heiner spielen: Melanie Peter „Über die Kunst of Saying Good-Bye“ Gastgebende Intendanten Müller „Die Hamletmaschine“ (R: Dieter Welke/Ronald Steckel) (R: Ralf Nürnberger) / Heiner Kondschak „Das Schätzchen der HEIDELBERG, Theater der Stadt: Ulrich Hub „Die Beleidigten“ Piratin“ (R: Astrid Griesbach) Hans J. Ammann (Theater Freiburg), (R: Pit Holzwarth) KONSTANZ, Junges Theater: Lutz Hübner „Das Herz eines Dieter Kümmel (Theater im Marienbad) HEILBRONN, Theater: Frank Pinkus „Zurück zum Happy End“ Boxers“ (R: Regina Busch) / Barbro Lindgren/Cecilia Torudd (R: Carsten Bodinus) / Sadallah Wannus „Die Vergewaltigung“ „Algot Storm“ (R: Birgit Oswald) / Spielstätten (R: Friederike Pannewick) MANNHEIM, Schnawwl: Kirsten Thorup „Romantica“ (R: Brigitte KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Paul Hindemith/Darius Dethier) Großes Haus, Schauspielhaus Kurbel, Kamera, Milhaud/Ernst Toch/Kurt Weill „Kunststücke Baden-Baden 1927“ STUTTGART, Theater im Zentrum: Ingegerd Monthan „Die Theatercafé, Theater im Marienbad, AKK im (R: Patrick Guinard, Musiktheater) / Felix Mitterer „In der Löwen- Geschichte vom Baum“ (R: Michael Blumenthal) / Alain und E­Werk grube“ (R: Pavel Fieber) Didier de Neck „Julie und der Junior Riese oder Kein Sonntag KONSTANZ, Stadttheater: Joop Admiral „Du bist meine Mutter“ wie jeder andere“ (R: Betty Hensel) Bilanz (R: Rose Kneissler) / Urs Widmer „Top Dogs“ (R: Alexander Seer) TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: MANNHEIM, Nationaltheater: Anton Tschechow „Onkel Michael Miensopust nach Michael Ende „Lenchens Geheimnis“ Pressestimme: „Aus Freiburger Sicht erfreulich Wanja“ (R: Bruno Klimek) / „Was dem Apfel die Kerne, sind der Erde (R: Michael Miensopust) / Gunille Boëthius „Die Frau, die einen der Erfolg des Theaters im Marienbad, das sich die Ameisen“ (Meret-Oppenheim-Abend mit Musik) Truthahn heiratete“ (R: Donald Berkenhoff) PFORZHEIM, Theater: Johann Wolfgang von Goethe „Iphigenie nicht nur als fürsorglicher Gastgeber empfahl, auf Tauris“ (R: Martina Wrobel) Rahmenprogramm sondern auch mit seinen beiden Produktionen STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Josef Hader/ (...) zu überzeugen wußte. Auff ällig, dass neben Alfred Dorfer „Indien“ (R: Franz Burkhardt) / Georg Kreisler Ausstellung Home Stories – 30 Autorinnen und Autoren des Kinder- und Jugendthetaers fotografi ert von Norbert Spitzer / den Freiburgern und den (...) ästhetisch wie „Meschugge wie immer – Vorletzte Lieder“ / Marcus Mislin nach Robert Walser „Der Gehülfe“ (R: Deborah Epstein/Marcus Vortrag „Denker auf der Bühne. Niklas Luhmann – Beobachtungen schauspielerisch interessanten Ensembles vom Mieslin) / „Die bitteren Tränen der Petra der Moderne“ (Dietrich Schwanitz) / Diskussionen „Visionen gegen Schnawwl Mannheim und der Kondschak­Truppe von Kant“ (R: Erich Siedler) die Eventkultur – Das deutsche Schauspiel an der Jahrtausend- vom Landestheater Tübingen auch die Esslin­ TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: wende“, „Das liebste Feindbild der Theaterwelt – Theater und ger wieder an alte Zeiten anknüpfen konnten.“ Botho Strauß „Die Zeit und das Zimmer“ (R: Donald Fernsehen“, „Moden, Marktwerte, Machthaber – Die gegenwärtige Berkenhoff ) / Jeremias Gotthelf „Die schwarze Spinne“ Rolle der Theaterkritik“, „Theater mit unbeschränkter Haftung“ (Badische Zeitung, 5.7.1999) (R: Donald Berkenhoff ) / Heiner Kondschak/Helge Thun (Spardiskussion), „Zur aktuellen Lage der Theater in Baden- „Der Schöne und das Biest“ Württemberg – Die Ergebnisse der Strukturkommission ULM, Theater: Hugo Claus „Die Erlösung“ (R: Jörg van Dyck) / im Streitgespräch“ Armando Llamas „Lisbeth ist total zu“ (R: Isabel Osthues) Mitternachtsprogramm „Das ewig Goethliche...“

66 Theater im Marienbad Freiburg: „Perô oder Die Geheimnisse der Nacht“, Foto: Klaus Fröhlich 67 Es scheint fast kein Theater mehr Sommer: Bei uns läuft das anders – Afrikaner für Projekte nach Konstanz. Da Hat sich bei Ihnen in Heidelberg „Ein Motto kann ohne Spielzeitmotto zu geben – mit auch, weil bei uns das Motto für alle ging es vom Vorurteil der Fantasie zur überhaupt die Frage nach einem Heidelberg ist eine der wenigen drei Sparten gilt und das Musiktheater haptischen Realität. Im Idealfall weckt Motto gestellt? Ausnahmen hier in der Runde ver- den Löwenanteil am Gesamtspielplan ein Motto, wie bei „Afrika“, Fantasien, treten, während in Stuttgart, Kons- hat. Da können wir nicht so differenziert und die nähren dann die Neugierde Popig: Wir waren uns einig, dass wir kein ein Sprungbrett tanz und Ulm auf sehr unterschied- agieren. Mit dem aktuellen Motto eines Zuschauers auf die konkreten Motto wollen. Ich merke gerade, dass ich liche Weise ganz ausdrücklich mit „GEMEIN.DE“ bin ich ganz glücklich, weil Früchte. noch nie an einem Theater gearbeitet einem Motto gearbeitet wird. Auch es auch mit der Rolle des Stadttheaters die Theatertage haben ein Motto. zu tun hat: Einerseits nicht allzu brav Wozu gibt‘s das eigentlich? daher zu kommen, andererseits sich Kekke Schmidt, geboren in Turin/Italien, aufgewachsen in Argentinien sein“ natürlich mit der Stadt auseinanderzu- und Norddeutschland, studierte Romanistik und Germanistik in Freiburg Schmidt: Ein Motto schafft eine große setzen. Und das tun wir ganz dezidiert, und Paris. 1989­1991 Dramaturgieassistentin am Thalia Theater Hamburg, Konzentration auf ein bestimmtes zum Beispiel mit Projektreihen. Das seitdem Dramaturgin am Theater Basel, Schauspiel Hannover, National­ Thema und eine Fokussierung bei der Motto resultiert also aus dem Spielplan, theater Mannheim und Schauspiel Staatstheater Stuttgart. Ab Sommer 2013 Dramaturgin am Schauspielhaus Bochum.

„Das ist eine Art intellektuelle Jürgen Popig, geboren 1961 in Esslingen am Neckar, arbeitete als Disziplinierung, die umgekehrt Dramaturg am Theater „Die Färbe“ in Singen, am Freiburger Theater, am Fantasie eröffnet.“ Staatstheater Stuttgart und am Theater Osnabrück. Seit 2011 ist er Leiten­ der Schauspieldramaturg am Theater und Orchester Heidelberg. Daneben schreibt und übersetzt er Theaterstücke. Suche nach Stücken und Stoffen. Das ist kann dann aber auch als Sprungbrett eine Art intellektuelle Disziplinierung, dienen, um sich weiterzubewegen. Michael Sommer stammt aus Kassel, studierte in Freiburg und Oxford die umgekehrt Fantasie eröffnet. Von au- Anglistik und Germanistik und ist seit 2003 am Theater Ulm tätig. Neben ßen denkt man ja gern, das Motto wird Portmann: Den Ansatz, eine Spielzeit in seiner Arbeit als Dramaturg übersetzt er aus dem Englischen und später draufgepappt, aber das stimmt einem Bild zusammenzufassen, finde ich entwickelt eigene Stücke: „nutters“ (2010) über Kinder psychisch kranker nicht. Wir haben uns stets daran gehal- eine sehr schöne Mischung von intellek- Eltern, „Rommel – Ein deutscher General“ (2012, mit Stephan Suschke), ten, unsere Stoffe aus einem zugrunde tueller Anstrengung und spielerischem „Antigone/Sophie“ (2013). Spielplan­Diskussionen in der Heidelberger Kantine: Kekke gelegten Werk wie „Faust“ oder „Ulysses“ Umgang mit dem Theater und dem Schmidt (Stuttgart), ihre Dramaturgie­Kollegen Jürgen Popig zu ziehen oder aus einem Begriff Zeitmaß einer Spielzeit. Die Konstanzer Mario Portmann, Jahrgang 1967, studierte Theaterregie in Zürich, (Heidelberg) und Michael Sommer (Ulm) sowie Oberspielleiter wie „Gegenwelten“ oder „Generation Afrika-Spielzeit zum Beispiel hatte eine beteiligte sich an der Gründung der Theaterhaus Jena gGmbH und leitete Hamlet“, und das hat sich produktiv fort- innere Bewegung im Nachdenken über die „Theaterfabrik“ am Theater Altenburg­Gera. Als freischaffender Mario Portmann (Konstanz) über Fantasieanregung, gesetzt in andere Formate, wie Vorträge Afrika. In der ersten Hälfte wurde das Bild Regisseur inszenierte er an Häusern in Berlin, Bremen, Niedersachsen, Stadtthemen und den Trend zu Projekten. oder Performances bis zu Themen- von Afrika in unseren Köpfen untersucht, Baden­Württemberg und der Schweiz. Seit 2011 ist er Oberspielleiter wochenenden mit Expertengesprächen. in der zweiten Hälfte kamen dann die am Theater Konstanz.

68 69 habe, das sich ein Motto gesetzt hat. wegentwickeln und die Frage nach den Schmidt: Der Heidelberger Stückemarkt Medien sehr abgenommen hat. Über Das bin ich nicht gewohnt und ich habe wichtigen Themen in der Stadt mehr hat früher eine, wie ich finde, sehr gute diesen Weg könnten wir uns selbst eine kein Bedürfnis danach, weil ich finde, und mehr an Bedeutung gewinnt. Und Praxis eingeführt, die sich dann auch Öffentlichkeit schaffen, etwa indem dass eine Spielzeit eine möglichst große vor allem: Welche Geschichten wollen bei anderen Festivals durchgesetzt hat: man einige Vorstellungen live streamt. Bandbreite darstellen soll. In Heidelberg wir erzählen? Wenn wir im Großen Haus Experten einzuladen für ein paar Tage. So könnte man sich die neuen Medien haben wir einige rote Fäden, die sich nur vier Positionen haben, müssen Dass zum Beispiel Dramaturgen oder zunutze machen, nicht um das Theater über die Jahre durchziehen werden. die Geschichten wirklich Relevanz anderen Theaterleuten die Chance zu ersetzen, sondern um es zu verbreiten Das sind Themen, die uns an der Stadt haben. Letzte Spielzeit hatten wir eine ermöglicht wird, für eine gewisse Zeit und den Austausch zu befördern. interessieren, zum Beispiel das Thema Uraufführung über Erwin Rommel. Das vor Ort zu sein und die Veranstaltungen Sinti und Roma, deren Zentralrat hier ist Zeitgeschichte mit Ulm-Bezug – und dadurch viel qualifizierter beurteilen Portmann: Aber das, was die BWTT an sitzt, oder das Verhältnis zu Amerika,­ weil da hat man ganz deutlich gemerkt: Das und vergleichend kommentieren zu Bereicherung, an Erweiterung bedeuten hier das Nato-Hauptquartier war und interessiert die Leute wirklich. können. Denen eröffnet sich dann könnten, ist doch so nicht ausgeschöpft. die ganzen Kasernen gerade geräumt tatsächlich der Blick, was in der Thea- Idealerweise müsste es so sein, dass werden. Das soll aber nicht Wenn das Theater darauf ausge- terlandschaft gerade so läuft, und von sämtliche Ensembles anreisen und die mit einer Spielzeit abgefrühstückt richtet ist, sehr spezifisch vor Ort dieser Horizont­ erweiterung­ profitieren komplette Zeit dort sind. Die direkte werden, sondern­ über die Jahre präsent zu sein – wie ist das dann, ­weitergehen. wenn man alle zwei Jahre irgend- „Derzeit ist die Einladung kaum von einem wo zusammenkommt und sich dort anderen Gastspiel zu unterscheiden.“ Schmidt: Manchmal verheiratet sich präsentiert? Werden die Theater­ das ja auch, so dass man mit den Motti tage mitreflektiert bei dem, was auch die Themen der Stadt abholt, etwa man macht? wiederum die übrigen Teilnehmer der Begegnung der Künstler untereinander als bei „Metropolis“ ganz stark Stuttgart Diskussion. wäre von unschätzbarem Wert. 21 mit eingeflossen ist und das Motto Schmidt: Das ist, fürchte ich, zu ein Gefäß wurde, um dieses politische idealistisch gedacht. Die Entsendung Popig: Eine Gruppe, vielleicht eine Art Schmidt: Polemisch gesagt, ist die Streitobjekt zu diskutieren. der Stücke muss oft sehr pragmati- Jury, die die ganzen Tage mitbekommt­ Einladung bei den Theatertagen derzeit schen Gründen folgen: Was ist noch und in den Diskussionen für eine kaum von einem anderen Gastspiel zu Popig: So kann es funktionieren. Aber im Spielplan, wann kann man‘s wieder ­gewisse Kontinuität sorgt – das ist unterscheiden: Man spielt das Stück Motti oder rote Fäden, das hat doch aufnehmen, wie transportfreundlich ist ­sinnvoll. So machen wir es jetzt auch vor einem anderen Publikum, in einer auch viel mit Marketing zu tun. Bei uns das Bühnenbild? wieder. anderen Stadt und ist gespannt darauf, ist es ganz klassisch: ein neues Stück, wie andere Zuschauer im Vergleich zum ein altes Stück, eine Komödie – das ist Portmann: Die Theatertage sind ja ein Sommer: Zum Stichwort Austausch Stammpublikum reagieren. Wenn man immer noch vornehmlich ein Kriterium. Geschenk für die Theatergänger der fällt mir ein, dass in Freiburg 2009 zum Glück hat, erlebt man noch eine gut Stadt, die sie durchführt. Wir Theater- Festival erstmals Internetforen ein- moderierte Diskussion vor informiertem Sommer: Für Ulm kann ich sagen, dass leute profitieren kaum davon. Und ich gerichtet worden sind, auch weil die Publikum. Aber dass es sich um einen wir uns von einer solchen Struktur glaube, da muss man weiterdenken. Bericht­erstattung in den klassischen Austausch der Theater des Bundeslandes

Michael Sommer, Mario Portmann 70 Kekke Schmidt 71 handelt, tritt nicht so hervor. Wenn man wie einen kollektiven Forschungsas- werfe, dann steht der für politisch rele- Hauptachse fehlt. Im Gegenteil: Das extra etwas für die Theatertage produ- pekt hätten, fände ich das faszinierend. vante, vernetzende Projekte, bei denen ist der Weg, den wir gehen müssen. In zieren müsste, wäre es ein ganz anderer Vielleicht wieder­ über Uraufführungen er fast immer Leute aus der Stadt auf die die Breite, in die Stadt, in die Themen, Aufwand und hätte dann wohl auch aus den Spielplänen nachzudenken Bühne holte und davor dokumentarisch auf die Menschen zu, mit den Men- einen anderen Stellenwert. oder dass man sich neuen Medien unterwegs war. Und das war dann immer schen. Wir haben ja das Monopol auf widmet. Nicht nur mit dem Streamen im Abendspielplan. die Kunstform, die von Menschen für Das war früher in der Tat der Ansatz. von Aufführungen,­ sondern indem Menschen mit Menschen gemacht wird. 1977 in Mannheim hat man dezidiert mit einem neuen Medium auch was Sommer: Die Rolle von Projekten möch- In Konstanz haben wir die Einbindung nur Uraufführungen gezeigt – und Neues versucht wird. Man könnte das ja te ich etwas ketzerisch beschreiben: von Bürgern zwar nicht in der Linie von zwar so, dass die Uraufführungs­ ausschreiben und die Projekte, die dazu Die Suche nach neuen Formaten und Volker Lösch geleistet, aber zum Beispiel premiere beim Festival stattfand. erarbeitet werden, beim Festival zeigen. Projektideen verhält sich proportional mit einer sehr großen Sommerproduk- zu den Kürzungen im Standardbudget. tion, und das stiftet eine andere Ver- Popig: So etwas haben wir einmal von Stichwort Projekte: In jüngster Zeit Es ist schlichtweg eine Notwendigkeit, bindung des Theaters in der Stadt. Und Stuttgart aus in Heilbronn gemacht, mit wird sehr viel darüber gesprochen, dass in den nächsten 15 Jahren sehr wenn man sich darauf einlässt und sich viel mehr über Projektförderung laufen nicht zurücksehnt nach der Zeit, als es muss. Die Standardspielpläne sind jetzt reichte, acht Premieren im Großen Haus „Wenn die Theatertage einen schon auf Kante genäht, es wird ausge- herauszubringen, ist das doch gut. kollektiven Forschungsauftrag hätten, presst, was ausgepresst werden kann an das fände ich faszinierend.“ Finanzmitteln für Eigenproduktionen. Die werden abnehmen, es wird weniger Eigenproduktionen geben und mehr „Calamity Jane“. Das war zwar ein kleines was Theater in ihrer Stadt außer- Projekte. Das hat Vorteile. Ich bin über- Stück, aber es war extrem aufwändig, für halb des klassischen Spielplans zeugt, dass es gut ist, sich umzuschauen, die Endproben nach Heilbronn zu fahren machen. Mitunter scheint das fast was in der Stadt passiert. Aber es ist und innerhalb des Festivalbetriebs dort stärker wahrgenommen zu werden ein Strukturwandel. Man kommt weg eine Generalprobe zu spielen. Da kann als der tägliche Spielbetrieb. Welche vom klassischen Arbeiten mit Stücken, ich schon verstehen, dass man von Rollen spielen Projekte? Und haben mit „unserem“ Ensemble, in „unserem“ diesem Prinzip abgekommen ist. die mit dem Abendspielplan zu tun Haus, mit „unseren“ Mitteln. Aufgrund oder sind das zwei Schienen, die des ­finanziellen Drucks, den man hat, Portmann: Als Gedanken finde ich das man anbietet? ­müssen neue Wege gefunden werden. aber sehr schlagkräftig. Weil da Theater etwas tut, in gemeinsamer Anstrengung Schmidt: Das hängt sehr von den Portmann: Für die Aufgabe eines Stadt- eines Bundeslandes, um der Frage ­Personen ab, die dafür stehen. Wenn ich theaters ist die Abkehr von traditionellen nachzugehen: Was ist Theater heute jetzt von Stuttgart spreche und etwa Formaten positiv zu bewerten. Nicht für uns? Wenn Theatertage so etwas den Namen Volker Lösch in die Runde als Mangel. Nicht, weil das Geld für die

Jürgen Popig 72 Mario Portmann 73 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater AALEN, Theater der Stadt: Heiner Müller „Quartett“ (R: Udo Schoen) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Sven Geese/Lutz Schäfer Heilbronn / „Ein Sommernachtstraum“ (R: Udo Schoen) „I don‘t like mondays“ (R: Lutz Schäfer) / Astrid Lindgren „Pippi BADEN-BADEN, Theater: William Shakespeare „Hamlet“ Langstrumpf“ (R: Lutz Schäfer) (R: Kai Festersen) / David Harrower „Messer in Hennen“ ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Marco Ballani (R: Bernd-Michael Baier) „Saturnus“ (R: Natascha Kalmbach) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Edmond de Rostand FREIBURG, Theater im Marienbad: „Geschichten – gespielt „Cyrano de Bergerac“ (R: Carsten Ramm) und erzählt“ (R: Dieter Kümmel) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Marie von HEIDELBERG, Zwinger 3: Lutz Hübner „Herzmündung“ Ebner-Eschenbach „Maria Stuart in Schottland“ (R: Marion (R: Matthias Messmer) / Heleen Verburg „Vielleicht werd ich ein Poppenborg) Schwan“ (R: Steffi Bürger) FREIBURG, Theater: Ödön von Horváth „Geschichten aus dem HEILBRONN, Kinder- und Jugendtheater: Anna Langhoff 200129. Juni – 8. Juli Wiener Wald“ (R: André Turnheim) / Jon Fosse „Der Name“ „Unsterblich und reich“ (R: Michael Miensopust) / Katrin Eppeler (R: Hinrich Schmidt-Henkel) „Das Kofferkind“ (R: Michael Miensopust) HEIDELBERG, Theater der Stadt: Irina Pauls „Bald gras ich am KONSTANZ, Junges Theater: Nicky Silver „Pterodactylus“ Neckar“ (R: Irina Pauls, Tanztheater) (R: Daniel Ris) Gastgebender Intendant HEILBRONN, Theater: Heinrich von Kleist „Das Käthchen von MANNHEIM, Schnawwl: Tom Sijtsma „Erik oder Das kleine Heilbronn“ (R: Klaus Wagner) Insektenbuch“ (R: Brigitte Dethier) / Nach Grimm „Sechse ziehen Klaus Wagner KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Yasmina Reza „Drei Mal durch die Welt“ (R: René Schack/Florian Stiehler/Annette Weber) Leben“ (R: Solveig August) / Grigori Frid „Das Tagebuch der Anne PFORZHEIM, Theater: Claire Dowie „Warum trägt John Lennon Spielstätten Frank“ (R: Michel Beretti, Oper) einen Rock?“ (R: Flora Fick) KONSTANZ, Stadttheater: „Dreifünfundsechzig, steigend – Ein STUTTGART, Theater im Zentrum: Wilfried Grote „Es war im Großes Haus, Komödienhaus, Kammerspiele, Heimatabend“ (R: Deborah Epstein) / Friedrich Christian Delius „Die Bremerwald“ (R: Jutta Schubert) Zigarre, Theaterkiste Flatterzunge“ (Alexander Seer) TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: MANNHEIM, Nationaltheater: Armand Amar/Philippe Talard Marius von Mayenburg „Feuergesicht“ (R: Jochen Fölster) / Bilanz / Randnotiz „Sekai“ (R: Philippe Talard, Ballett) / Friedrich Christian Delius „Die Philip Ridley „Märchenherz“ (R. Jochen Fölster) nachlassende Geschmeidigkeit der Lippen“ (R: Karsten Wiegand) ULM, Junges Forum: Gunilla Boëthius „Die Frau, die einen 9737 Besucher in 48 Auff ührungen, Auslastung PFORZHEIM, Theater: Frederico Garcia Lorca „Bernarda Albas Truthahn heiratete“ (R: Christel Gissmer) 80 Prozent. Haus“ (R: Martina Wrobel) Mit der Aktion „Theater gegen rechts“ folgen STUTTGART, Altes Schauspielhaus: Molière „Tartuff e“ Rahmenprogramm die Theatertage einem „Aufruf gegen Frem­ (R: Volkmar Kamm) STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: „Ballett- Kunstorte für das Theater mit 14 Skulpturen von u.a. Guntram denhass“, den Bühnenvereins­Präsident Jürgen abend“ (R: Dominique Dumais, Kevin O‘Day, Douglas Lee) / Conor Prochaska, Frank Gehry, Peter Lenk / Diskussionen „Leben Flimm verfasst hatte. Im Hauptprogramm gab es McPherson „Das Wehr“ (R: Elias Perrig) / Theaterkiste: James Lyons heute“ (zur Jugendstudie 2000), „Utopie des schönen Lebens“, „Doku-Soap – Theater vs. Fernsehen“, „Haben Engel kurze hierzu zwei Umsetzungen eines Textes von F.C. „Calamity Jane – unterwegs!“ (R: James Lyons) / Peter Hacks „Ge- Beine? Über die Kunst, Fragen zu stellen“ / Diskussionen zum Delius („Die Flatterzunge“ / „Die nachlassende spräche im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ (R: Rainer Schwarz) / Bernard-Marie Koltès „Die Nacht kurz vor den Kinder- und Jugendtheater „Autorschaft“, „Ist Qualität herstell- Geschmeidigkeit der Lippen“) sowie die Mono­ Wäldern“ (R. Hans-Joachim Ruckhäberle) / Eve Enssler „Die Vagina- bar?“, „Nicht noch weniger, sondern viel mehr!“ Oper „Das Tagebuch der Anne Frank“. Hinzu Monologe“ (R: Martina Wrobel) kamen Lesungen der Landesbühnen Bruchsal TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: und Tübingen, der Theater Freiburg, Heidelberg Robert Wilson/Tom Waits/Williams S. Burroughs „The Black Rider“ (R: Donald Berkenhoff ) / „...immer wieder wächst das Gras – Lieder und Pforzheim und des Staatstheaters Karlsruhe. und Leben von Gerhard Gundermann“ (R: Heiner Kondschak/ Monika Hunze) ULM, Theater: Herbert Lauermann „Die Befreiung“ (R: Bruno Berger-Gorski, Oper)

74 Schnawwl Mannheim: „Sechse ziehen durch die Welt“, Foto: Nina Urban 75 Sie kamen 1989 von München Dethier: (lacht) Ich will es mal so sagen: Nun beziehen sich diese Gespräche eine Produktion durch ein Gastspiel „Wir sind keine nach Esslingen. War das Kinder- Ich fi nde, das haben wir in den Jahren immer auf die gemeinsam erlebten auf einer ganz anders proportio- und Jugendtheatertreffen 1991 in seitdem sehr professionalisiert. Damals Festivalaufführungen, während die nierten Bühne nicht auch verzerrt Bruchsal die erste Begegnung mit gab es noch keine Moderatoren, nichts, Inszenierungen ja meist für eine be- werden? den Theatertagen? was die Diskussion aufgefangen hätte stimmte Bühne gemacht sind. Kann Jongliermasse – und die alten Haudegen wie Jürgen Dethier: Die Raumfrage ist tatsächlich Dethier: Nein, meine ersten Theatertage Zielinski, Dieter Kümmel oder Hubert einschneidend. Man kann sich die habe ich 1989 in Konstanz erlebt. Da war Flachhuber haben sich so richtig ins Zeug Brigitte Dethier, seit 2002 In­ Auswirkungen nicht immer ausmalen – bis ich noch nicht im Amt, aber als Gast für gelegt. Da war dermaßen was los, dass mir tendantin des Jungen Ensem­ man drin sitzt und merkt, dass man unter- drei, vier Tage beim Festival, und das war die Kinnlade runterfi el und ich nur noch ble Stuttgart, studierte Germa­ schätzt hat, wie sehr sich das Stück allein mehr“ überhaupt mein erstes Erlebnis in staunen konnte. nistik, Theaterwissenschaften dadurch verändert, dass die Zuschauer Baden-Württemberg. und Psychologie in weiter weg sitzen. Im Kinder-und Jugend- Welche Folgen hat dieser Austausch am Main und absolvierte par­ theater kann man allerdings manchmal Und wie haben Sie das in für die eigene Arbeit? allel dazu eine Schauspielaus­ den Raum gleich mitbringen. Es gab eine Erinnerung? bildung in Heidelberg. Sie Phase, da ist man gerade bei kleineren Brigitte Dethier, Leiterin des Jungen Dethier: Ich habe das Gefühl, durch diesen war Künstlerische Leiterin des intimeren Vorstellungen gar nicht auf die Dethier: Sehr eindrücklich war für mich, Austausch unglaublich gewachsen zu sein. Kinder­ und Jugendtheaters Bühne gegangen, sondern hat im Foyer Ensembles Stuttgart (JES), über die dass diese Theatertage mit der Grün- Ich habe in Baden-Württemberg gelernt, an der Württembergischen sein eigenes Zelt hingestellt. Das lag auch Kunst der Kritik, das Ende des Neids dung eines Kinder- und Jugendtheaters wie man Kritik zu formulieren hat. Gerade Landesbühne Esslingen, am am Blick auf die internationale Szene in und die Vermischung von Genres. in Konstanz verbunden waren. Es war negative Kritik konstruktiv zu formulieren Landestheater Tübingen und Schweden, Dänemark oder Italien, wo toll, da zu sehen: Aha, dieses Festival ist ist ja nicht einfach. Man kennt das von Direktorin des Schnawwl, die Theater auch viel reisen. Zu gucken, da platziert, und der Intendant packt Premieren: Wenn es einem gefallen hat, Nationaltheater Mannheim. welche Raumkonzepte es dort gibt, war die Gelegenheit beim Schopf für eine fällt man allen in die Arme und sagt „Oh, Dethier ist stellvertretende eine starke Bereicherung für das deutsche Spartengründung. Das fand ich großartig, war das toll“, und wenn‘s nicht gefallen Vorsitzende der deutschen Kinder- und Jugendtheater. zumal es in Bayern, wo ich meine ersten hat, verdrückt man sich und sagt, man ASSITEJ, der internationalen drei Jahre absolviert hatte, ja keine Arbeits- ist erkältet und muss ganz schnell nach Vereinigung für das Kinder­ Braucht die Sparte eigentlich immer gemeinschaft gab. Überhaupt in so einen Hause. Und klar benennen zu müssen, was und Jugendtheater, Mitglied noch den Gründungs- und Anschub- Kollegenkreis einzutreten, war für mich als einem nicht gefällt, hat auch meinen Blick des Vorstands des Deutschen impuls, den die frühen Theatertage Youngster schon sehr spannend. als Regisseurin geschärft. Natürlich ist es Bühnenvereins, Landesver­ setzen wollten? auch ein bisschen Survival of the fi ttest. Ich band Baden­Württemberg und Da waren Sie selber noch nicht be- bin auch schon mal heulend dagesessen, Mitglied des Kuratoriums der Dethier: Nein, das nicht. Prinzipiell hat troffen von den berühmt-berüchtig- wenn ich selber als Regisseurin kritisiert Stiftung Geißstraße. Für ihre sich schon viel geändert. Wenn vor 15 ten Auswertungsgesprächen. Wie war worden bin – aber mit zwei, drei Jahren Inszenierung „Noch 5 Minuten“ Jahren eine Etatkürzung anstand, hieß es denn das Diskussionsklima damals? Abstand kann man sagen: Wahrscheinlich erhielt sie 2009 den Deutschen schnell mal: Dann muss eben das Kinder- hatten die anderen recht. Theaterpreis „DER FAUST“. und Jugendtheater gestrichen werden.

76 Foto: Tom Pingel 77 Das macht heute niemand mehr. Wir ein stärkerer ästhetischer Impuls Dethier: Enorm, deswegen müssen wir stolz sein auf die Theaterstrukturen in und Jugendtheater weniger hat als Dethier: Konstanz mit dem Spiegel- sind keine Jongliermasse mehr. Auch die erwartet wird? beim Programmablauf auch aufpassen. unserem Land, besonders auf das Modell das ­Erwachsenentheater, das sind die zelt am See ist mir schon sehr im Kopf Haltung bei den Theatertagen hat sich Schließlich sind Gespräche zwischendurch Baden-Württemberg beim Kinder- und ­finanziellen Mittel, um Auftragsarbeiten zu geblieben. Bei den Theatertagen 2009 in geändert. Anfangs war da der Neid: „Die Dethier: Natürlich gibt es im Arbeitskreis ja auch produktiv. Das ist wie bei einer Jugendtheater. Inhaltlich gibt es eine vergeben. Und früher haben wir öfter mal Freiburg war ich sehr beeindruckt von den sind das ganze Festival über da und wollen stärkere und schwächere Ensembles, Tagung: Da gibt es den Hauptvortrag, und große Experimentierfreude, vor allem im Stücke aus dem Ausland erarbeitet, zum Kollegen vom großen Haus, wie geschickt auch noch ein gemeinsames Hotel“ und so aber das hat immer mit den Strukturen der ist hoffentlich gut, aber das Spannen- Jugendbereich. Was ich sehr begrüße, Beispiel aus Holland. Das waren aber auch die es geschafft haben, pädagogische weiter. Mittlerweile hat sich das gedreht, eines Hauses zu tun. Die Frage ist: Sucht de sind die drei Stunden dazwischen, in ist das Überschreiten von Genregrenzen, nicht immer komplette Texte, sondern Themen und Diskussionen über Schule zu weil man gemerkt hat, dass es eben auch sich ein Intendant einen starken Kinder- denen man am Tisch mit Kollegen diese zum Beispiel bei Mischformen mit Tanz. eher Notate von Stückentwicklungen. Und integrieren. Und da waren diese langen für eine Festivalstimmung sorgt, wenn und Jugendtheaterleiter, der auch eine bilateralen Gespräche führt. Und wenn Und die Arbeit von Andrea Gronemeyer dann habe ich irgendwann gedacht: Wenn weißen Tafeln, dieser Verbindungstisch es einen Grundstamm an Festivalgästen starke Gruppe um sich gründet, oder wird man bei „Schöne Aussicht“ zwölf interna- für die Junge Oper Mannheim ist für mich man versucht, auf der Probe rauszufinden, zwischen den zwei Theatern... da waren so neben dem Publikum gibt. Das Publikum häufig gewechselt, so dass man bei jedem tionale Gruppen und zwölf Ensembles aus wirklich großartig und beispielhaft, das ist was die anderen damals auf der Probe ge- viele tolle Ideen und da hat die Stadt auch merkt ja auch, dass da Künstler anwesend Festival einen neuen Leiter begrüßt? Denn Baden-Württemberg hat, oder bei den federführend für ganz Deutschland. Dafür macht haben – das ist eigentlich pervers, richtig gelebt mit diesen Theatertagen, da sind, und dann kriegt so ein Festival eine so etwas sieht man den Produktionen Theatertagen in zehn Tagen 18 Produkti- gebührt ihr ein Orden. Musiktheater ist ein oder? Dann macht man doch lieber das ging einfach richtig viel ab, und auch die Brigitte Dethier beim Auswertungsgespräch („Schöne Aussicht“, 2004), Foto: Tom Pingel andere Atmosphäre. Das hat man zum meistens an. Zum Stichwort Reisen finde onen gezeigt werden, zu denen es immer Thema, Tanztheater ist ein Thema, und das ganze Stück selbst. Auch darüber tauscht Brücke zum Kinder- und Jugendtheater noch Auswertungsgespräche gibt, dann war sehr gut geschlagen. Ach, und an eine ist die Schlagzahl schon ziemlich hoch. „Vor 20 Jahren haben wir aufs Aufführung erinnere ich mich, die mich „Die Stärke oder Schwäche eines Arbeitskreis hat diskutiert, wie man Kinder- treffen? Das Land fördert uns ja sehr stark, Schon deshalb schaffen wir es nicht im- europäische Ausland geguckt, und jetzt wirklich schwer beeindruckt hat. Das war Ensembles hat immer mit den sund Jugendtheater installieren kann, aber aber die Finanzierung muss zu 50 Prozent mer, uns bei den Theatertagen auch noch beginnt das europäische Ausland auf in Pforzheim vor 20 Jahren, da hat Ulm Strukturen eines Hauses zu tun.“ wir hatten keine maßgeblichen Ansprech- von der gastgebenden Stadt mitgetragen die Abendvorstellungen anzuschauen. „Bartsch“ von Oliver Reese gezeigt, diesen partner. Prinzipiell war es in den Städten, werden. Und wir haben, ehrlich gesagt, Zumal das für die Gastgeber inzwischen uns zu gucken.“ Kindermörder-­Monolog. Das war eine irr- in denen es die Sparte nicht gab, immer keine Städte mehr gefunden, die 50.000 gar nicht mehr so leicht wäre, uns alle sinnige Aufführung im Podium mit einem Beispiel in Baden-Baden im Festivalzelt ich, dass es in kleineren Städten prinzipiell schwieriger für uns, weil sich niemand Euro für ein Kinder- und Jugendtheaterfes- unterzubringen: Früher waren wir 50 bis Theater für die Allerkleinsten auch. Und es man sich aus. Wir brauchen diese Fokus- ganz tollen Schauspieler, der das einfach gemerkt. mehr Sinn hat. Ich werde nie vergessen, richtig verantwortlich gefühlt hat. tival geben würde. Wenn sich eine Stadt 60 Leute, heute sind wir 80 bis 100 und gibt viele Stückentwicklungen. sierung auf unsere künstlerische Arbeit, in einem schwarzen Raum mit Kreide wie wir in Aalen waren. Dort gab es auf schmückt, dann mit den Theatertagen, hier in Stuttgart hatte ich sogar mal 120 die das Festival ermöglicht. Deshalb geht gemacht hat. Das fand ich ganz großartig. Stichwort Publikum: Sie haben in der Straße fast nichts anderes als Plakate Die Arbeitskreis-Treffen in den nicht mit dem Treffen des Arbeitskreises. Arbeitskreis-Mitglieder zu Gast. Letzteres ist schon ganz früh bei es bei den Auswertungsgesprächen auch Und das hätte ich ohne die Theatertage Esslingen und Tübingen an Landes- für die Theatertage und man hat gemerkt: Jahren zwischen den Theatertagen den Kinder- und Jugendbeiträgen nicht darum, welches Feedback das be- nicht gesehen. bühnen gearbeitet, wo das Reisen Hier hat das Theater wirklich die Chance, waren ja früher auch ein Wander- Eine Herausforderung für eventuelle Die Sparte ist also gewachsen. zu den Theatertagen thematisiert sprochene Stück schon von Jugendlichen zum Alltag gehört, und an zwei eine Stadt aufzumischen. zirkus. Seit es am JES das interna- Gastgeber wäre ja auch die Tatsache, Wie hat sie sich denn inhaltlich worden. Dass die Schauspieler selbst bekommen hat, sondern da reden wir stehenden Großstadtbühnen, wie wir tionale Festival „Schöne Aussicht“ dass sich die Dichte der Kinder- und ent­ wickelt?­ gewissermaßen zu Autoren werden – unter Kollegen drüber, von Erwachsenen das Schnawwl und das JES jetzt mal Hat das vor Ort dann auch gibt, sind sie dort integriert und also Jugendtheater sehr erhöht hat. Wenn gehört das einfach zum Wesen dieser zu Erwachsenen und von Profi zu Profi. nennen möchten. Gab es da Unter- langfristige Folgen? regelmäßig in Stuttgart. Woran liegt Sie einen Bogen spannen würden Dethier: Was formale Dinge angeht, Sparte? schiede in der Hinsicht, dass die The- das? von Konstanz 1989 bis jetzt, wie kann man sagen: Vor 20 Jahren haben wir Nun dürfen sich ja auch Profis atertage für eine Landesbühne eben Dethier: Nicht unbedingt. In Ulm 2003 stark hat sich die Sparte da entwi- aufs europäische Ausland geguckt, und Dethier: Es werden natürlich immer durchaus mal begeistern. Was ist ein weiteres Gastspiel sind, während zum Beispiel hat man schon gemerkt, dass Dethier: Die Frage ist: Welche Stadt gibt ckelt? jetzt beginnt das europäische Ausland wieder Texte von Autoren gespielt denn für Sie im Rückblick ein beson- von den Ensembles mit Großstadtruf da nicht wirklich was gewollt war. Der Geld für ein Kinder- und Jugendtheater- auf uns zu gucken. Da können wir sehr oder bearbeitet. Was aber das Kinder- derer Moment bei den Theatertagen?

78 79 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater AALEN, Theater der Stadt: Durs Grünbein nach Aischylos AALEN, Theater der Stadt: Kristo Sagor „Fremdeln“ (R: Simone Ulm „Sieben gegen Theben“ (R: Ralf Siebelt) Sterr) BADEN-BADEN, Theater: Thomas Bernhard „Der Ignorant und BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Dea Loher „Leviathan“ der Wahnsinnige“ (R: István Bödy) (R: Olga Wildgruber) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Lutz Hübner „Tränen ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Heiner der Heimat“ (R: Lutz Schäfer) / Bernard-Marie Koltès „Roberto Kondschak „Von Fall Zufall oder Wie das Leben so spielt“ Zucco“ (R: Carsten Ramm) (R. Michael Miensopust) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Walter Jens FREIBURG, Theater im Marienbad: „Geschichten aus dem nach Aischylos „Orestie“ (R: Frank Hellmund) Marienbad“ (R. Dieter Kümmel) FREIBURG, Theater: William Shakespeare „Ein Sommernachts- HEIDELBERG, Zwinger 3: Edna Mazya „Die Schaukel“ traum“ (R: Amélie Niermeyer) (R: Annette Büschelberger) 20039. – 19. Mai HEIDELBERG, Theater der Stadt: Johann Wolfgang von HEILBRONN, Junges Theater: Paul Maar „In einem tiefen Goethe „Die Leiden des jungen Werther“ (R: Davud Bouchehri) dunklen Wald“ (R: Michael Miensopust) HEILBRONN, Theater: Israel-Palästina-Projekt „Gegenseiten“ KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Heiner Kondschak (R: Elmar Fulda) „In der Höhle des Prinzen“ (R: Heiner Kondschak) Motto KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: William Shakespeare KONSTANZ, Junges Theater: Daniil Charms „Die Reise nach „Der Kaufmann von Venedig“ (R: Hasko Weber) Brasilien“ (R: Gertrud Pigor) „Wahr, gut und schön? Klassiker heute“ KONSTANZ, Stadttheater: Maxim Gorki „Sommergäste“ MANNHEIM, Schnawwl: Katrin Lange „Das Mädchen Kiesel und (R: Dagmar Schlingmann) der Hund“ (R: Andrea Gronemeyer) Gastgebender Intendant MANNHEIM, Nationaltheater: Armin Petras nach Einar Schleef PFORZHEIM, Theater: Nino D‘Introna/Giacomo Ravicchio „Zigaretten“ (R: Armin Petras) „Robinson & Crusoe“ (R: Jeanette Alice Krinner) Ansgar Haag PFORZHEIM, Stadttheater: Carlo Goldoni „Der Diener zweier STUTTGART, Theater im Zentrum: Katja Kandel „Kleiner Herren“ (R: Thorsten Pitoll) Elefant, was nun?“ (R: Peter Galka) Spielstätten STUTTGART, Altes Schauspielhaus: Friedrich Schiller „Maria TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Großes Haus, Podium, Roxy­Halle, Roxy­Studio Stuart“ (R: Christian Tschirner/Christian Weise) Claire Dowie „Warum trägt John Lennon einen Rock?“ (R: Birgit STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Peter Scholten) / Kim Fupz Aakeson „Party“ (R: Jochen Fölster) Handke „Kaspar“ (R: Alex Novak) / Peter-Jakob Kelting nach Josef ULM, Junges Forum: Suzanne von Lohuizen „Mein Vater Bilanz Rölz „Zug um Zug – Budapest 1944“ (R: Elias Perrig) Che Guevara“ (R: Gisela Maria Schmitz) 9155 Zuschauer in 32 Vorstellungen, TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Bertolt Brecht „Leben des Galilei“ (R: Corinna Bethge) Auslastung 87 Prozent Rahmenprogramm ULM, Theater: Friedrich Schiller „Don Carlos, Infant von Spanien“ (R: Michael Jurgons) / Andreas Laudert „Immer“ (UA, Podiumsgespräche „Die Gegenwart der Vergangenheit – Zur R: Thilo Voggenreiter) Präsenz klassischer Dramen auf der Bühne“, „Schule und Theater – Bilanz und Perspektive“, „Bündnis für Theater – Sind unsere Theater noch zu retten?“. Vortrag „Literatur und Bühne – Eine Beziehung in der Krise?“ (Peter Iden)

80 Landestheater Württemberg­Hohenzollern Tübingen: „Leben des Galilei“, Foto: Frank Pieth 81 Wenn es den Arbeitskreis der Kinder- gelungen ist, Politiker für die Idee zu Süß: Ich würde den Arbeitskreis eine stark mit der Arbeit im Arbeitskreis zu tun. „Wir sind eine und Jugendtheater noch nicht gäbe, gewinnen, Kinder- und Jugendtheater mit Gewerkschaft für Inhalte nennen. Es geht warum müsste man ihn dann dem gleichen Anspruch wie Erwachsenen- nicht mehr, dass einer sagt: Oh, Kinder- Sind das Nachwehen der historischen e r fi n d e n? theater zu machen. theater will ich auch machen, und dann Rolle von Tübingen, wo die Thea- holt er sich zwei freie Clowns. tertage 1981 als Gründungsimpuls Gewerkschaft Miensopust: Weil es nach wie vor Gorath: Und wenn es den Arbeitskreis ganz im Zeichen des Kinder- und ein starkes Bedürfnis gibt, Impulse zu nicht gäbe, gäbe es auch nicht so eine Miensopust: Bei uns gibt es demnächst Jugendtheaters standen? be kommen. Auch weil Kinder- und Lobby, die der Arbeitskreis in der Politik einen Wechsel in der Theater-Leitung. Es Jugendtheater noch immer einen jetzt hat, wie im „Kontaktkreis Theater“, wo steht aber jetzt schon fest, dass der nächs- Miensopust: Dass die Theater, die in die- Nischen charakter hat, ist der Austausch sich Theatermacher und Kultusministerium te Intendant an der Struktur des Kinder- ser Zeit entstanden sind, durchgehend auf für Inhalte“ wichtig, damit man immer wieder klärt, austauschen zur Frage: Was brauchen wir, und Jugendtheaters nicht so leicht rütteln hohen Anspruch geachtet haben, merkt mit welcher Haltung man dieses Theater was brauchen die Schulen? kann. Der kann zum Beispiel nicht einfach man hier am Publikum. Diejenigen, die macht. Das gilt gerade für Newcomer: Da sagen, die bekommen jetzt nur noch zwei damals als Kinder hier waren, sind heute kommen junge Schau spieler, bei denen es Miensopust: Gerade mit den Schulen gibt Schauspieler. Das hat natürlich auch ganz Eltern, die mit ihren Kindern kommen.

„Wir haben es immer noch mit Rektoren Michael Miensopust ist Regisseur, Schauspieler und Autor. Engagements zu tun, die ihren Lehrern verbieten, als Schauspieler u.a. am Kleinen Theater Salzburg, am Theater im Marienbad ins Theater zu gehen.“ Freiburg und 1998­2000 am Landestheater Tübingen (LTT), wo er sowohl im Kinder­ und Jugendtheater (KJT) als auch im Abendspielplan spielte. Seit dieser Zeit arbeitet er regelmäßig als Regisseur und Autor am KJT. 2000­ im Abendspielplan nicht geklappt hat und es noch ein großes Defi zit. Obwohl wir 2003 leitete er das „junge theater“ am Theater Heilbronn. Danach war er 30 Jahre Arbeitskreis Kinder­ und die jetzt im Kindertheater vorsprechen, schon Jahrzehnte daran arbeiten, haben wieder freiberufl ich tätig u.a. als Hausregisseur am KJT, dessen Künstlerische ohne genau zu wissen, was wir machen. wir es immer noch mit Lehrern zu tun, die Leitung er mit Beginn der Spielzeit 2009/10 übernommen hat. Jugendtheater: Die Spartenleiter Und junge Regisseure haben manchmal nicht wissen, was wir von ihnen wollen Michael Miensopust (Landes­ das Gefühl: „Naja, das ist etwas leichter“ – und das Wort Theaterpädagogik gar nicht Marco Süß, geboren 1972 in Karl­Marx­Stadt, Abitur in Chemnitz, 1992 theater Tübingen) und Marco was ja nicht stimmt, im Gegenteil. Dafür einordnen können. Und mit Rektoren, die Studium bei Rudolf Münz, freies Theater „struktur fokal“ Leipzig, 1998 Regie­ Süß (Landestheater Esslingen) muss es den Austausch geben. ihren Lehrern verbieten, ins Theater zu assistent Theater Junge Generation, 2000 freier Regisseur, seit 2004 Leiter und die Theaterpädagogin Anne gehen, weil die keine Zeit haben. Junge WLB, Kinder­ und Jugendtheater an der Landesbühne Esslingen. Gorath (Schnawwl Mannheim) Süß: Ich würde sogar sagen: Wenn es den über kritische Eltern, kreative Arbeitskreis nicht gäbe, gäbe es die Kinder- Gorath: Ja, weil dann zum Beispiel Mathe Anne Gorath, seit der Spielzeit 2008/2009 Theaterpädagogin am Schnawwl und Jugendtheater nicht, so wie sie sich ausfallen könnte. Wenn ein Theater da – Theater für junges Publikum am Nationaltheater Mannheim. Sie studierte Politiker und den Wert entwickelt haben, wie sie auftreten und alleine versucht, etwas zu erreichen, ist Kulturwissenschaften und Ästhetische Praxis in Hildesheim und Drama­ kontinuierlicher Strukturen. was sie können. Baden-Württemberg hat das immer schwieriger als wenn man als turgie in Århus/Dänemark. Am Schnawwl organisiert sie die Mannheimer den Vorteil, dass es hier vor über 30 Jahren Arbeitskreis zusammen auftritt. Schultheaterwoche und das Festival „Junges Theater im Delta“.

82 83 Und die haben einen gewissen Anspruch. Kinderbespaßer, die jetzt nicht mehr für Und so etwas befruchtet dann sehr. Süß: Die meisten haben das Bewusstsein Süß: Das liegt mir schon die ganze Zeit auf Miensopust: Wichtig sind auch die Das wirkt also auch in das Ensemble hinein. Wie öffentlich sind die Aufführungen Die schimpfen, wenn „Kinderkram“ ange- das Kind kaspern, sondern mit dem Kind dafür. Für mich ist es immer sehr schwierig, der Zunge. Wir werden ja häufig gefragt: Workshops, da bringen die Schauspieler bei den Theatertagen überhaupt, boten wird. Das liegt sicherlich mit daran, kaspern. Aber es bleibt beim Kaspern. Süß: Bei der Kunst gibt es eigentlich Kritik zu äußern, wenn ich nicht das Gefühl „Was macht ihr denn in den Gesprächen? hinterher Ideen mit oder man diskutiert vor Süß: Im Kinder- und Jugendtheater wenn durch dieses Arbeitstreffen dass es hier kontinuierlich diese Arbeit immer eine zweite Öffentlichkeit. Es gibt habe, das auch selber einhalten zu können Macht ihr euch da fertig?“ Natürlich nicht! dem Arbeitstreffen, was man da eigentlich werden ja viele Stücke von den Ensembles ­viele Plätze durch Kollegen besetzt gab und die Strukturen sich nicht ständig Welche Rolle spielt denn angesichts Kritiken, Dokumentationen und oft auch was ich fordere. Wir würden gerne aus den Gesprächen ge- will. Drei bis vier Schauspieler in meinem entwickelt, und da sind die Schauspieler sind? änderten, wie es leider in anderen Städten dieses Bewahrungsdrucks die Kritik wissenschaftliche Begleitungen. Nur für meinsame Dinge weiterentwickeln, Dinge ­Ensemble haben das Treffen schon ein genauso wichtig wie die Regisseure und wie Konstanz oder in Ulm passierte. bei den Arbeitstreffen? Kinder und Jugendliche nicht. Es gibt auch Miensopust: Das mach‘ ich nur so. (lacht) gemeinsam betreiben. Aber die Ensembles­ paar Mal mitgemacht, die geben dann Dramaturgen. Sie müssen als Persön- Gorath: Nun ja, es sind schon alle froh, nur ein einziges Institut für Kinderliteratur. sind viel zu eingebunden, um aus solchen schon vorab gute Anregungen. Man merkt, lichkeit sehr zu dem stehen, was sie da wenn neben den ganzen Fachleuten auch Offenbar war es wichtig, Stimmung Süß: Diese Rückmeldungen schärfen nicht Deswegen ist es an uns, diese zweite Süß: Genau, es gibt eben genug Leute wie produktiven Zusammen­treffen mal ein dass die Schauspieler mit der Zeit wissen, machen. Wenn man auf die Schauspiel- Kinderpublikum da ist. Wir wollen das ja für die Gründung zu machen. Nun nur das kritische Bewusstsein, sondern ma- Öffentlichkeit selbst herzustellen. Wir Micha, bei denen ich das immer wieder Stück zu machen, oder ein Festival zu ge- ­worauf sie sich einlassen und dass sie gro- schule kommt, lernt man das dort nicht. nicht für uns alleine haben. klingt es, als ob die Bewahrung fast chen mir Mut, meinen ästhetischen Willen ­brauchen die, so wie Lyriker die auch bewundere. Für mich ist es spannend, stalten, wo wir alle gemeinsam spielen. ße Lust haben sich auszutauschen. Dort lernt man Techniken. schwieriger ist. weiter zu leben. Man ist ja schnell drin, brauchen. den anderen zuzuhören. Ich erfahre das Miensopust: Als ich 2001 Gastgeber bei etwas zu machen, von dem man glaubt, meiste nicht über das, was sie über meine den Theatertagen in Heilbronn war, hatte Süß: Wenn Politiker sich bemüßigt fühlen, dass die Zielgruppe das will. Wenn man sich regelmäßig trifft, Stücke sagen, sondern darüber, was sie sich ich gerade angefangen, Kinder- und Ju- etwas Neues zu machen, ist das an sich ja gegenseitig sagen und wie sie eine Sache gendtheater zu etablieren. Da traf es sich richtig. Die Frage ist nur, ob die Kunstpo- beschreiben, die ich anders gesehen habe. gut, dass viele Theater kamen, die auch litik guckt, was die Künstler machen und „Wir werden häufig gefragt, ob wir uns Und es geht um die Differenzierung zwi- mal ganz andere Räume bespielten, und brauchen, oder ob sie sich selbst was in den Gesprächen gegenseitig schen Qualität und Geschmack. Letztes Mal dass wir auf die Schulen anders zugehen ausdenkt. Im Moment hat sie sich selber fertigmachen. Natürlich nicht!“ hat ein Kritiker gesagt, die Hauptdarstellerin konnten, weil wir eben nicht nur ein Stück etwas ausgedacht, und dadurch stehen sei zu kühl und distanziert gewesen, und von uns, sondern ein ganzes Festival an- Strukturen zur Debatte. Nach 30 Jahren darauf haben sofort drei Leute gemeint: bieten konnten. Das hat Wirkung gehabt. Erfahrung, die wir uns im Spiel für Kinder Gorath: Bei den Theatertagen können wir kommt das Kindertheater an sich Aber genau das war doch die Stärke! Man ist anders präsent in der Stadt, und erarbeitet haben, will man jetzt ganz auf auch mal Experimente mitbringen. Da sind dann ästhetisch weiter? die Stadt sieht dann ja auch anders aus. In die spielenden Kinder setzen. Dabei gibt dann die Gespräche zu den Aufführungen Gorath: Wenn man dem Gespräch zuhört, Heilbronn zum Beispiel hat ein Parcours es viele Kinder, die im aktiven Zuschauen ganz wichtig. Miensopust: Man fährt hauptsächlich hin positioniert man sich ja selbst. Es gab aus Figuren von einer Spielstätte zur viel mehr miterleben können als in diesem um zu klauen, oder? (Lachen) Aber um auf vielleicht Punkte, die man gar nicht so be- anderen geführt. partizipativen Mitspielen. Das Seltsame an Miensopust: Ja, ich habe von euch mal die Streitgespräche, die ja durchaus sehr wusst wahrgenommen hat. Dadurch kann dieser politischen „Entdeckung“, dass das ein Tanzstück gesehen. Das war überhaupt kritisch sein können, zurückzukommen: man sortieren und bekommt einen neuen Kann diese geballte Präsenz auch Kind auch ein Künstler sein kann, ist, dass nicht mein Ding, aber es war total interes- Da kann es Verletzungen geben, aber das Blick. Deshalb ist schon das Gespräch der jetzt helfen, wo es weniger ums das bei uns von Anfang an dazu gehört sant darüber zu reden. passiert einfach. Mich hat einmal allein anderen eine Bereicherung. Gründen als ums Erhalten des hat – und jetzt erzählt man uns, man das Wort „beliebig“ zu einer Szene so ­Modells Baden-Württemberg geht? müsste da was nachholen. Und plötzlich Gorath: Das war genau so ein Experiment. gewurmt, dass ich drei Tage sauer war. Entstehen durch die Gespräche auch werden die Mittel, die uns zur Verfügung Wir waren nicht der Meinung, das war Kritische Auseinandersetzungen muss Kontakte, indem man sagt: Deren Süß: In Karlsruhe haben wir mit vielen stehen, dafür umgeleitet. Witzigerweise ­unser allerbestes Stück. Das war ein Ver- man lernen. Und auch, dass andere Leute Sichtweise interessiert mich, mit de- Veranstaltungen versucht, kulturpolitisch findet man jetzt verstärkt wieder die such und wir wollten darüber diskutieren. einfach anders sehen. nen will ich mal was machen? Aufmerksamkeit zu erregen. Da hatte

84 Michael Miensopust, Anne Gorath 85 gerade der Regierungswechsel statt- Hat der Zuwachs der Jugendclubs gefunden und uns wurde gesagt, wir mit der großen Nachfrage zu tun? Ohne müssten jetzt lauter werden. Was uns alle Oder befolgt man die politische sehr schockiert hat, weil wir uns als laut, Vorgabe, dass es schon kulturelle deutlich und klar verständlich empfunden Bildung ist, wenn man die Kinder haben. Deswegen sind wir dort sehr laut selber machen lässt? Junges Theater gewesen. Da muss man aber auch sagen, dann verändert sich das Treffen. Dann ist Süß: Dieser politische Frühling fürs das eine Lobbyveranstaltung, da kann ich Selberspielen macht mich misstrauisch, die Schauspieler zuhause lassen. Das hat weil ich die Erfahrung gemacht habe, uns auch nicht befriedigt. dass so was auch wieder vorbeigehen fehlt etwas kann. In den zehn Jahren, in denen ich Hat sich in 30 Jahren Arbeitskreis jetzt Kinder- und Jugendtheater mache, nun etwas entwickelt – oder muss hieß es immer, wir sollen mit den Schulen Die Baden-Württembergischen Theatertage als kulturpolitische Notwendigkeit: Versuch eines Überblicks man, weil immer neue Zuschauer- Kooperationen entwickeln. Und jetzt wird Von Manfred Jahnke generationen heranwachsen, immer viel Geld versprochen, wenn wir außerhalb das Gleiche neu erfinden? der Schulzeit kulturelle Teilhabe verschaf- „Denn der erkennbare Trend der Kulturpolitik, der sich fen. Nachdem wir jahrelang alles getan in einer intensiven Hinwendung zum Humanen, in einer Dr. Manfred Jahnke, Theaterwissenschaftler Miensopust: Ich glaube, es gibt eine haben, um die Schulen zu begeistern und Wiederbelebung der Phantasie und des Schöpferischen und Dramaturg. Lehraufträge in München, Erweiterung. Es gab ja immer Phasen, die Strukturen zu schaffen, auch über das ausdrückt, sollte gerade vom Theater aufgenommen und Stuttgart und Ulm. Träger des ASSITEJ- neue Einflüsse in die Theaterlandschaft Kultusministerium, heißt es jetzt aus Berlin: umgesetzt werden.“ (1), schrieb Dr. Dr. Hannes Rettich in Preises. Kurator bei „Augenblick mal 2013 brachten. Mal waren es die Holländer, mal Bitte bloß nicht mehr im Unterricht, macht seinem Grußwort zu den 5. Baden-­Württembergischen­ – Festival für junges Publikum“. Langjähriger die Dänen, Italiener, Belgier. Ich glaube die Kunst lieber nachmittags. Jetzt müssen Theatertagen, die vom 25. April bis zum 3. Mai 1981 in journalistischer Begleiter der Kinder- und nicht, dass wir besser oder schlechter sich die Theaterpädagogen überlegen: Wo Tübingen stattfanden. Sie standen erstmals unter dem Jugendtheater. Mitbegründer des jungen werden. Aber die Theaterästhetik ändert und wie macht man das ohne die Lehrer, kulturpolitischen Trend, den gerade durch das „Modell akademietheater ulm 1996. und erweitert sich. außerhalb der Schule? Baden-Württemberg“ (2) ermöglichten Kinder- und Jugendtheater an den Landesbühnen Bruchsal, Esslingen Gorath: Neu bei den Theatertagen ist ein Gorath: Und irgendwann ist man beim und Tübingen, sowie dem kommunalen­ Nationaltheater Beitrag der Theaterpädagogik: Die hat sich betreuten Nachmittag für die Ganztags- Mannheim mit seiner Sparte „Schnawwl“ ein Forum immer weiter entwickelt und ist fast schon schule – da übernehmen wir, was die zu geben: „Deren Arbeit und die entsprechenden eine Art Paralleltheater geworden. Bei den Schule nicht leisten kann. ­Aktivitäten der übrigen Theater zu zeigen und zu fördern Theatertagen in Karlsruhe gab es zum ist ein Zweck dieser Theatertage.“ So war mit dem ersten Mal einen Tag der Jugendclubs, ersten geballten Auftreten von Kinder- und Jugend­ um zu zeigen, was an den Theatern mit theateraufführungen auf den Baden-Württembergischen Jugendlichen gemacht wird. Theatertagen 1981 schon jener kulturpolitische Impuls

86 Marco Süß Manfred Jahnke, Foto: Tobias Metz 87 eingeschrieben, der bis heute das Theater für ein junges und Schauspielertreffen (später dann auch solche und führte mit Schülern Workshops durch, sondern Publikum im Ländle bestimmt. für ­Theaterpädagogen) stattfanden, in der berufs­ die Stadt richtete auch das alte Zadek-Theater für eine spezifische Probleme verhandelt wurden, Work- Reihe grandioser Aufführungen her, die beeindruckend Aufbrüche, wie sie die „theatertage 81“ in diesem Genre shops angeboten und die gesehenen ­Aufführungen die Vielfalt der Formate vorführten. Was denn aber im darstellen, haben immer den Reiz eines „heroischen“ gemeinsam diskutiert wurden. Es brauchte für diesen pietistischen Ulm trotz aller Mühen doch nicht gelang, Anfangs. Ein Blick in das damalige Programm mit einer letzteren Punkt einen langwierigen Lernprozess und funktionierte zwei Jahre später im badischen Konstanz: Autorentagung und Workshops für Schauspieler (u.a. mit ­verschiedene Experimente, um eine Form der Kritik Zum Abschluss des Treffens 1989 gab Ulrich Khuon die Carlos Trafic und Carlo Formigoni), die Stiftung zu finden, die nicht über ästhetische Defizite hinweg Gründung einer eigenen Sparte bekannt, die dann 1990 des Baden-Württembergischen Jugendtheater-Autoren- täuschte und doch eine weitere Kommunikation erfolgte. preises mit der Festigung ihres Verkünders, der AG zwischen den Ensembles ermöglichen konnte: Das Kinder- und Jugendtheater der baden-württembergi- gelang bis ins vergangene Jahrzehnt nicht immer. Über die Jahre hinweg, alle zwei Jahre von 1981 bis schen Kulturämter, verdeutlicht aber auch rückblickend 2013, hat sich das Junge Theater auf den baden-­ etwas Erstaunliches: die Formate, die gegenwärtig Eine der Errungenschaften der Arbeitsgemeinschaft württembergischen Theatertreffen etabliert, es ist Der Arbeitskreis baden-württembergi- diskutiert werden, sie waren 1981 schon alle in Tübingen war die Einrichtung eigener Kinder- und Jugendtheater­ bis heute seiner kulturpolitischen Orientierung treu scher Kinder- und Jugendtheater (AK), versammelt: Authentisches Theater vom Stadttheater treffen alternierend zu den alle zwei Jahre stattfindenden ge­blieben, wie zuletzt die kulturpolitische ­Diskussion ursprünglich als Arbeitsgemeinschaft (AG) Freiburg („Die vier Freiheiten der Hanna B.“), gemischte gegründet, entstand als Ort, um über die Formen von Professionellen und „Experten des Alltags“ „Das Junge Theater ist bis heute seiner ­Diskussion der spezifischen Interessen der am Stadttheater Konstanz („Lisa“), ­Improvisationstheater Württembergische Landesbühne Esslingen: „Mützenwexel“, kulturpolitischen Orientierung treu geblieben.“ einzelnen Kinder- und Jugendtheater zu von Formigoni in Tübingen („Die Stadt der Tiere“), Foto: Württembergische Landesbühne Esslingen einer gemeinsamen Vertretung zu finden. politisches Jugendtheater aus Ulm („Gimme ­Shelter“), In der Kommunizierung der Probleme Bruchsal (das Rockmusical „Clinch“ ), Tübingen („Nix los in „großen“ Baden-Württembergischen Theatertreffen. Ein 2011 in Karlsruhe zeigte, an der Kommunal- und Landes­ wurde eine starke kulturpolitische Strategie Strinz“) oder dem Freiburger Kinder- und Jugendtheater Sicherlich ist es der Euphorie des Anfangs geschuldet, ­Orientierung von Dieter Kümmel zu dem wichtigen solches fand erstmalig 1986 statt und umfasste zunächst politiker ebenso wie Theaterleute und Lehrer teilnah- entwickelt, um die Situation des Kinder- („Do drehsch jo durch, he!“), natürlich ein Stück vom dass ich heute noch zu einzelnen Inszenierungen Forum geworden ist, den der Arbeitskreis heute noch nur die Kernensembles, die „Gründer­bühnen“ Bruch- men. Auch die theaterpädagogische Einbettung gehört und Jugendtheaters öffentlich zu machen Hausautor aus Esslingen, Paul Maar („Mützenwexel“), Bilder im Kopf habe. Die folgenden Treffen haben sich immer repräsentiert. Schon für Esslingen (aber auch in sal, Esslingen, Mannheim, Tübingen und Heidelberg, mittlerweile zu den Essentials dieses Treffens. Die und zu stärken. Zu den wichtigsten Auf­ Grips natürlich auch, aus Bruchsal („Max und Milli“) und mir weniger in ihren ­ästhetischen Ausformungen und Tübingen) war es möglich geworden, dass alle Ensem- das 1984 dazugekommen war. Wenn an den großen Aufführungen zeigen einen hohen schauspieler­ischen gaben gehört neben dem regelmäßigen Esslingen („Ein Fest bei ­Papadakis“), ­partizipatives Theater ­Formaten in Erinnerung ­gehalten. Aber die dem Genre bles für ein junges Publikum (die „integrierten Sparten“ Theatertagen denn auch immer wieder Mitgliedsbühnen Standard, dem der dramaturgische nicht immer stand- Problemaustausch die Organisation der (damals hieß das noch Mitspieltheater, später interakti- eingeschriebene kulturpolitische Offensive führte allerdings nur mit Einschränkung) zwecks gemeinsamer vom Bühnenverein-Landesverband mit Kinder- oder hält. Nach wie vor bildet dabei der AK die gewichtige Baden-­Württembergischen Kinder- und ves), „Langfinger“ vomAutorenteam ­ der Birne in einer gleich beim nächsten Treffen 1983 in Esslingen zur Fortbildung die gesamten Theatertage über am Ver- Jugendtheater-Inszenierungen vertreten waren, so war kulturpolitische Spitze, die Zeichen setzt. Und wenn Jugendtheatertage und die Verleihung des Tübinger Inszenierung, ja und der damalige Jugend­ Gründung der Arbeitsgemeinschaft (seit 2011: Arbeits­ anstaltungsort bleiben konnten, eine Errungenschaft,­ es doch ein großes Ziel der AG, an den Orten, an denen in den beiden vergangenen Jahrzehnten da auch eine Baden-Württembergischen Jugendtheater­ theaterklassiker schlechthin: „Was heißt hier Liebe?“ von kreis) baden-württembergischer Kinder- und Jugend- die bis heute gilt. Schon früh auch bildete­ sich ein die Treffen stattfinden sollten, Offensiven zur Gründung Fluktuation stattfand – da waren mal Aalen, mal Heil- preises, die Kontaktnahme zu den beiden der Roten Grütze (vom Schnawwl Mannheim). theater, die auch dank der harten kulturpolitischen Grundkonzept aus, dass nicht nur Leiter-, ­Dramaturgen- einer eigenen Kinder- und Jugendtheatersparte zu bronn, mal Ulm vorübergehend dabei (und manchmal Landesministerien, die für kulturelle Anliegen starten. Einen solchen kulturpolitischen Impuls setzten wieder) – hat sich der AK inzwischen auch der freien zuständig sind, sowie die Unter­stützung in (1) Programmheft „baden-württembergische theatertage 81 im landestheater tübingen“. Tübingen 1981, Rückseite Deckblatt (o.P.) (2) Vgl. zum „Modell“: ASSITEJ (Hg.): Zweites Handbuch Kinder- und Jugendtheater Bundesrepublik die Ensembles 1987 in Ulm. Hier führte man nicht nur das Szene in Baden-Württemberg zugewendet. Alles ist im Städten, in denen das Kinder- und Jugend­ Deutschland. Sonderteil Modell Baden-Württemberg. Kulturpolitik für Kinder- und Jugendtheater. Duisburg 1981; Schnawwl Mannheim (Hg.): Wie alles anfing, was wir wollten, was daraus wurde. 10 Jahre Kinder- und Jugendtheater Fluss. Man darf auf die Geschichte neugierig sein, die in Baden-Württemberg. Stellungnahmen, Erinnerungen, Berichte. Dokumente. Mannheim 1992; Jahnke, Manfred: Kinder- und Jugendtheater als Zwischenstadium von einer freien Gruppe zum richtigen Stadttheaterbetrieb. 25 Jahre ganze Arsenal der Theaterpädagogik vor, ging in Schulen, theater noch über keine ausreichende Modell Baden-Württemberg. In: Mittelstädt, Eckard im Auftrag der ASSITEJ (Hg.): Grimm & Grips 20, Jahrbuch für Kinder- und Jugendtheater 2006/2007. Frankfurt am Main 2006, S. 25 – 52 machte Vor- und Nachbereitungen zu den Aufführungen­ mit Pforzheim 2013 beginnt. ­politische Lobby verfügt.

88 89 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater AALEN, Theater der Stadt: George F. Walker „Nur für AALEN, Kinder- und Jugendtheater der Stadt: Nach Agota Baden-Baden Erwachsene“ (R: Ralf Siebelt) Kristof „Das große Heft“ (R: Andrea Udel) BADEN-BADEN, Theater: Jens Roselt nach Ivan Turgenev BADEN-BADEN, Theater: Lutz Hübner „Scratch!“ (R: Katja „Rauch“ (R: Hans Peter Cloos) Fillmann) / Kuzio & Liebold „Eine Elektrodyssee“ (R: Lorenz BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Henning Mankell „Butter- Liebold/Christian Kuzio) fly Blues“ (R: Jörn-Udo Kortmann) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Jerome Savary „Vom ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Lukas Bärfuss dicken Schwein, das dünn werden wollte“ (R: Wolf E. Rahlfs) / Eric „Vier Bilder der Liebe“ (R: Anna Schildt) Bogosian „Notes from the Underground“ (R: Jörn-Udo Kortmann) FREIBURG, Theater: Tom Peuckert „Dionysos Deutschland“ ESSLINGEN, Junge Württembergische Landesbühne: Adam (R: Daniela Kranz/Jenke Nordalm) Rapp „Wintervogel“ (R: Marco Süß) HEIDELBERG, Theater der Stadt: Ronald Harwood „Der Fall FREIBURG, Theater im Marienbad: Lars-Eric Brossner/Thomas 200510. – 19. Juni Furtwängler, Kategorie IV“ (R: Günther Beelitz) von Brömssen „Die Geschichte vom Onkelchen“ (R. Dieter Küm- HEILBRONN, Theater: Friedrich Schiller „Die Räuber“ mel) / Nach Amelie Fried/Jacky Gleich „Hat Opa einen Anzug (R: Andreas Nathusius) an?“ (R: Christoph Müller) KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Carlo Gozzi „Der HEIDELBERG, Zwinger 3: Cedric Pintarelli/Lorenz Hippe „Sky is Motto schöne grüne Vogel“ (R: Philippe Besson) the limit“ (R: Cedric Pintarelli/Lorenz Hippe) KONSTANZ, Stadttheater: Elfriede Jelinek „Bambiland“ HEILBRONN, Theater: Nach Johann Wolfgang von Goethe „Wahre Helden“ (R: Dagmar Schlingmann) „Werther“ (R: Britta Schreiber) MANNHEIM, Nationaltheater: Stephanie Mohr/Till Löffler KONSTANZ, Junges Theater: Paula Bettina Madler nach Joyce Gastgebende Intendantin „Wovon träumst du wenn du träumst“ (R: Stephanie Mohr) Carol Oates „Big Mouth & Ugly Girl“ (R. Anke Gregersen) / „Pop- PFORZHEIM, Stadttheater: Axel Hellstenius „Elling“ (R: Günther pele und Pumphut – Sagen zum Lachen und Fürchten“ Nicola May Mollmann) (R: Jörg Wesemüller) STUTTGART, Altes Schauspielhaus: Thomas Finn/Volker MANNHEIM, Schnawwl: Charles Way „Eye of the Storm“ Spielstätten Ullmann „D‘Artagnans Tochter und die Drei Musketiere“ (R: Antonia Brix) / Roberto Frabetti „Die Reise einer Wolke“ Theater, Theater im Kulissenhaus, Bénazet­Saal (R: Volker Ullmann) (R: Annette D. Weber) STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Eve Ensler STUTTGART, Junges Ensemble: Esther Gerritsen „Gras“ im Kurhaus, Theater­Kiste des Staatstheaters „Die Vagina-Monologe“ (R: Martina Wrobel) / Bernard-Marie (R: Brigitte Dethier) Stuttgart, Studio 5 des SWR. Koltès „Die Nacht kurz vor den Wäldern“ (R: Jacqueline Korn- TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: müller) / Brian Friel „Der Wunderheiler“ (Premiere, R: Pia Pod- Robert Parr „Eines schönen Tages“ (R. Jochen Fölster) / Kira Bilanz gornik) / Adam Long/Daniel Singer/Jess Winfield „Shakespeares Elhauge/Michael Ramløse „Die Geschichte von Lena“ (R: Michael sämtliche Werke (leicht gekürzt)“ (R: Marclus Grube) Miensopust) Über 5.500 Besucher in 36 Auff ührungen TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Daniel Mursa „Dreitagefieber“ (R: Gerald Gluth) / Von und nach Rahmenprogramm Schiller „Die Räuber“ (R: Martin Nimz) ULM, Theater: Molière „Der eingebildete Kranke“ (R: Wolfgang Nachmittagslesungen für Jugendliche, Spätprogramm im Hagemann) Festivalzelt, Diskussion „Welch eine Zumutung! Für wen machen wir Theater?“ / Vortrag Markus Lüpertz „Kunst und Theater – Die Verlobung der Musen“

90 Junges Ensemble Stuttgart: „Gras“, Foto: Nina Urban 91 Zwei in dieser Gesprächsrunde Tank: Das hab‘ ich bei uns in Karlsruhe wieder heimgefahren. Das ist aber bei nur auf so ein Treffen konzentriert, so „Da hat das waren bei den Theatertagen nicht fast gar nicht geschafft, weil ich da den sächsischen Theatertagen, die dass man was sehen und sich danach nur Gast, sondern haben das gerade in harten Vorproben steckte, ich aus meinen vorigen Engagements auch unterhalten kann, ohne so sehr im Festival auch am eigenen Haus mehrere Aufführungen in der Woche kenne, auch nicht anders. Ich sehne Hamsterrad des Produzierens zu stecken. erlebt: Nadine Kettler 2005 in hatte und auch in die Zusatzprogramme mich danach, dass mal eine Woche Stück richtig Baden-Baden und Timo Tank 2011 ziemlich viel Zeit reingehängt habe, alle Theater frei machen und man sich Tank: Toll ist aber auf jeden Fall der in Karlsruhe. Hat man als Schau- weil es mich so gefreut hat, das Festival Kontakt mit dem Publikum, wenn man spieler davon auch etwas oder nicht nur für einen Tag zu erleben. Denn merkt, wie anders das in einer anderen ist das nur Zusatzstress in einer es ist ja meistens so, dass man einfach Nadine Kettler, Schauspielerin Stadt reagiert. Das war für uns ganz Phase, in der man ohnehin schon nur anreist, die Vorstellung spielt, und am Theater Baden­Baden seit extrem bei Handkes „Spiel vom Fragen“: abgehoben“ auf Reserve läuft, nämlich am dann abends gleich wieder zurückfährt. 2004. Vorige Engagements am Das kam hier in Karlsruhe nur bedingt Spielzeitende? Außer in Freiburg, da waren wir mit zwei Nordharzer Städtebundtheater, an, und in Freiburg sind uns die Herzen Stücken in ähnlicher Besetzung kurz am Theater Trier. Ausgezeich­ entgegen geflogen. Da hat das ganze Kettler: Bei uns war das sehr aufre- hintereinander – das war super, weil net mit der goldenen Theater­ Stück richtig abgehoben, weil die Leute gend. Es war unsere erste Saison, und wir dann drei Tage da waren. Da hat nadel der Stadt Baden­Baden. das so gefeiert haben. Das macht einen glücklich, weil du spürst: Aha, es liegt „Manchmal hilft einem auch eine Nils Brück, seit 2008 am nicht immer nur an einem selber, ungewohnte Publikumskultur.“ Theater Heilbronn. Studierte manchmal ist es auch eine ungewohnte Schauspiel an der Berliner Publikumskultur, die einem helfen kann. Hochschule „Ernst Busch“. da herrschte ohnehin die ganze Zeit man mal auch ein bisschen von dem Engagements am Berliner Max Brück: Bei uns war es in dem Jahr Aufbruchstimmung. Wir haben uns als mitgekriegt, was man sich eigentlich Gorki­Theater, am Staatsthe­ gerade umgekehrt: Zuhause hatten wir Ensemble gerade erst kennengelernt, wünscht von diesen Theatertagen. ater Cottbus, an den Städti­ das Gefühl, die Heym-Dramatisierung und dann zusätzlich so viele andere schen Bühnen Chemnitz, am „In seiner frühen Kindheit ein Garten“ Theater und Theatermenschen in der Kriegt man als Gast nicht Staatstheater Schwerin, am käme ganz gut an, aber in Freiburg... Es Stadt zu haben – und so viele Stücke zu wenigstens am Abend selbst etwas Volkstheater Rostock. 2013 als lag vielleicht auch daran, dass unsere sehen, das war toll. Festivalatmosphäre mit? Staatsschauspieler geehrt. Bühne sehr groß und sehr breit ist und man relativ dicht dran sitzt. In Freiburg Schauspiel­Erfahrungen: Nils Brück (Theater Heil­ Ihr seid als Gastgeber also auch in Brück: Nun ja, als wir in Karlsruhe mit Timo Tank, seit fast 20 Jahren fühlte es sich an, als würden wir in einen bronn), Nadine Kettler (Theater Baden­Baden) und Vorstellungen gekommen? „heimat.com“ waren, war das ja gar nicht im Beruf des Schauspielers, endlos langen Schlauch hineinspielen Timo Tank (Badisches Staatstheater Karlsruhe) über hier im Haus, sondern im ZKM. Wir sind führte ihn sein Weg von Kiel, und keinen Kontakt mit dem Publikum Kettler: Oh ja, ich hab‘ da ziemlich da angefahren worden, ausgestiegen Münster, Tübingen nach Karls­ bekommen. ungewohnte Bühnengrößen, unerwartete Publikums­ viel gucken können. Die Vorstellungen in einer Gegend, die nach Industrie- ruhe, wo er seit 11 Jahren En­ liebe und die Sehnsucht nach mehr Austausch. waren ja immer ab 14 Uhr gestaffelt, da gebiet aussah, haben gespielt, hatten semblemitglied des Badischen Kettler: Meine Fremderfahrung mit „Das konnte man viel sehen. das Publikumsgespräch und sind dann Staatstheaters ist. Fest“ in Konstanz 2007 war sehr schön,

92 93 obwohl da eigentlich auch widrige Tank: Stimmt. Freiburg war toll, ­irrwitzig­sten Bühnen umzugehen haben, wieder in Quedlinburg waren, Umstände waren: Die Bühne war halb in ­Konstanz mit den „Goldberg-­ – auch mit Räumen, wo gar keine sagte eine ältere Kollegin in der Pause so groß, wir hatten keine Seitenbüh- Variationen“ war es nicht so prickelnd. richtigen Bühnen­ waren. Aber das hat zu uns: „Kinder, schreit doch nicht mehr ne – aber die Leute haben den Abend Aber Baden-Baden war ganz großartig: schon seinen Reiz. Und die gemeinsa- so, wir sind wieder zuhause!“ geliebt. Vielleicht ist durch die ganzen Da haben wir den „Schönen grünen men Fahrten schweißen ein Ensemble Umstände alles noch einmal dichter ­Vogel“ gespielt – und in diesem ­schönen ­richtig gut zusammen. Als ich hierher Auf den Klang muss man sich ja geworden. Wer weiß: Wenn wir noch Barocksaal ­passte das ­Bühnenbild, das ans Staatstheater gekommen bin, auch einstellen... drei-, vier Mal auf dieser Bühne gespielt uns hier in Karlsruhe völlig ­deplatziert hab‘ ich richtig gemerkt, wie dieses hätten, wär‘s vielleicht zerbröselt... aber vorkam, plötzlich ­perfekt. Und auch die ­Gewachsene etwas verläpperte, weil Brück: Man macht natürlich eine da hat‘s auf den Punkt gepasst. ganze ­Inszenierung: Die hat wirklich diese Klassenfahrten fehlen. Verständigungsprobe vorher, aber nie wieder so gut funktioniert wie in gerade bei Konversationsstücken ist Brück: Es ist ja wie auch sonst bei Baden-Baden. Brück: Ich finde das auch schade, es schon schwer. Wenn die ohnehin Gastspielen. Komischerweise ist es so: Heilbronn fährt ja auch ganz selten. Als auf Trockenheit gedrillt sind und dann Wenn man drei Vorstellungen hat in Können solche Erlebnisse eine In- ich in Cottbus engagiert war, haben in einen größeren Raum müssen, hat einem neuen Raum, kriegt man das nie szenierung zuhause weitertragen? wir drei oder vier Gastspiele im Jahr man plötzlich das Gefühl, man schreit gemacht, immer für mehrere Tage. Das sich an. „In größeren Räumen hat man plötzlich war immer ein Höhepunkt, auf den sich das Gefühl, man schreit sich an.“ das ganze Ensemble gefreut hat. Damit wären wir beim Stichwort Kommunikation, für die das Fes- Kettler: In Baden-Baden bieten tival bei entsprechender Zeitpla- wieder so hin wie bei der Premiere. ­ Tank: Ich denke schon. Es kann natürlich sich Gastspiele kaum an, da wir die nung wohl besser zwischen den Es ist wie bei einer Umbesetzung, wo auch ein kalter Dämpfer sein, wenn ­Vorstellungen vieler Stücke relativ Theatern genutzt werden könnte. die Probleme erst später beginnen. man zurückkommt. Aber man entdeckt ­zügig hintereinander wegspielen – Beim parallel laufenden Arbeits- ja auch Sachen, die man dann kultivie- meist sind es etwa zwölf ­Vorstellungen. treffen der Kinder- und Jugendthe- Woran liegt das? ren kann. Nach Freiburg war bei dem Ich glaube, „Das Fest“ hatten wir ater wird diese Kommunikation ja Handke-Stück ein Selbstvertrauen da, das nach Konstanz abgespielt. In meinen ausdrücklich gefordert. Brück: Man wird wacher, glaube ich. wir dann auch für die Heim­spiele hatten. ­Anfängerjahren am Nordharzer Städte­ Man muss mehr aufeinander reagieren, bundtheater bin ich aber auch viel Kettler: Ich habe das selbst erlebt, einander zuhören und nicht so seine Wie geht man denn um mit der rumgereist. Woran ich mich erinnere: als ich vergangenes Jahr bei „Schöne automatisierten Sachen laufen lassen. Umstellung auf einen anderen Unser eigener Zuschauerraum war Aussicht“ dabei war mit „Lilys Leben Das macht dann so ein Flirren aus. Raum? damals für rund 120 Besucher ausge- eben“. Vier Tage war ich am Stück in legt. Und als wir einmal nach einer Stuttgart und das war super. Deshalb Das kann ja trotzdem sehr unter- Tank: Ich war vier Jahre am Landes­ Märchen-Gastspiel-Woche in Wolfen- kann ich den Impuls von vorher nur schiedlich ausfallen... theater Tübingen. Wenn man büttel, wo wir im Theater vor etwa 700 unterstützen; man müsste eine Woche ständig rumfährt, lernt man, mit den ­Zuschauern zwei Mal täglich gespielt zur Verfügung haben, in der sich jeder

Nadine Kettler 94 Nils Brück 95 alles angucken und hinterher darüber gewöhnen sich ja mit der Zeit an eine Haltung der Leute: Da war eine große Kettler: Ich möchte berührt werden. austauschen kann. Das ist unglaublich Linie, die ein Theater für sich findet. Bei Offenheit, ohne kritiklos zu sein. Ich möchte zum Lachen, zum Weinen inspirierend. Festivals schauen sich die Zuschauer oder zum Nachdenken gebracht meist mehrere Vorstellungen an und Wirkt sich das Feedback aus werden. Das Schlimmste ist, wenn man Wie hast du die Auswertungsge- sehen in kürzester Zeit sehr unter- ­solchen Gesprächen ensemblein- hinterher nur denkt: Och ja... spräche dort erlebt? Da wird ja schiedliche Ansätze – das löst sicher tern aus? durchaus Klartext gesprochen... auch eine höhere Diskussionsbereit- Tank: Natürlich guckt man erst mal schaft aus. Brück: Es kommt vielleicht darauf darauf, wie die Kollegen spielen. Ob da Kettler: Ich fand das sehr gut, auch an, wie frisch die Inszenierung ist. Schauspieler sind, die etwas machen, wenn es mal richtig zur Sache ging. Es Kettler: Mein Eindruck ist, dass auch Bei Sachen, die schon länger laufen, das man noch nicht gesehen hat. Daran ist ein guter Raum dafür, Dinge klar zu da immer erst einmal eine Gesprächs­ ist man sicherer. Mich zum Beispiel kann man sich ja auch bereichern. benennen. kultur erarbeitet wird. Bei den Festival­ ­beeinflussen Kritiken sehr, deshalb besuchern, die mehrere Stücke sehen lese ich keine, bis ich mich in einer Handwerklich? Brück: Auch Gespräche, die einen und an mehreren Gesprächen teil­ Inszenierung sicher fühle. Das gilt auch ärgern, bewirken ja etwas, indem sie nehmen, hat man das Gefühl, dass die für positive Kritik. Wenn da nach der Tank: Das auch, aber man guckt einen aufwühlen und etwas auslösen. ihre ganz eigene Art entwickeln, sich in diesen Gesprächen einzubringen. Die „Man müsste eine Woche haben, Kettler: Natürlich. Und man hat in Zuschauer üben offenbar auch. in der sich jeder alles angucken kann.“ dieser Runde das Gefühl, wenn man dabei sitzt, muss man auch Stellung Brück: Interessant ist auch, dass man beziehen. Davor kann man sich nicht innerhalb der Ensembles einen eigenen Premiere gelobt wird, was ich gemacht einfach: Wie spielt der? Was macht den drücken. Blick auf Kollegen hat, weil man sie ein- habe, will ich das wieder herstellen – aus? Was ist das Tolle daran? Und dann fach so oft gesehen hat. Und die Abon- und dann komm‘ ich aus der Bahn. natürlich: Wie ist das inszeniert? Und Da ist der interne Austausch nenten haben die auch schon oft ge- wenn man dann einen Abend erlebt, besonders offen, weil er nicht sehen. Da kann man beim ­Beobachten Tank: Man denkt eben grundsätzlich der einen wirklich berührt, dann finde öffentlich ist. Können öffentli- gar nicht mehr die Offenheit haben, die mal nach. Wenn man in kurzer Zeit ich das wichtig für die eigene Entwick- che Publikumgespräche bei den jemand hat, der einen Schauspieler zum ein paar andere Theater sieht, stellt lung, denn dann geht wieder eine Tür ­Theatertagen ähnlich effektiv sein ersten Mal erlebt und dann beschreibt, man sich auch generelle Fragen, auf und man merkt: Da kann man noch oder sind die eine Pflichtübung? was er gesehen hat. Und um noch zum ­Beispiel ob es unterschiedliche hin, in diese Richtung kann man mal mal auf unseren Auftritt in Karlsruhe ­Ästhetiken gibt oder gerade alle auf denken. Tank: Ich fand die zumindest ­immer zurückzukommen: Da haben wir zwar den gleichen Zug springen. spannender als bei normalen Vor- von der Stadt und dem Festival nichts stellungen. Am eigenen Haus ahnt mitbekommen, aber die Vorstellung war Was würdet ihr denn suchen, man irgendwann,­ welche Fragen da gut und das Gespräch hinterher sehr wenn ihr viel Theater sehen ­kommen könnten. Die Zuschauer intensiv. Sehr positiv erinnere ich die könntet?

96 Timo Tank 97 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater AALEN, Theater der Stadt: Lisa Stadler „Frau Hegnauer kommt“ AALEN, Junges Theater der Stadt: Beat Fäh nach Shakespeare Konstanz (R: Katharina Kreuzhage) „Rose und Regen, Schwert und Wunde“ (R: Ingmar Otto) BADEN-BADEN, Theater: Nach Thomas Vinterberg/Thorsten BADEN-BADEN, Theater: David S. Craig „Agent im Spiel“ Rukov „Das Fest“ (R: Claudia Brier) (R: Maria-Elena Hackbarth) / Michael Ende „Das Traum- BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Riverbend „Bagdad fresserchen“ (R: Maria-Elena Hackbarth) Burning“ (R: Carsten Ramm) / Nach Kafka „Process_Matrix“ BRUCHSAL, Badische Landesbühne: James Matthew Barrie (R: Carsten Ramm) „Peter Pan“ (R: Peter Seuwen) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Lukas Bärfuss ESSLINGEN, Junge Württembergische Landesbühne: Edith „Der Bus. Das Zeug einer Heiligen“ (R: Jan Neumann) Erhardt „Traumzeit“ (R: Edith Erhardt) FREIBURG, Theater: Dea Loher „Das Leben auf der Praça FREIBURG, Theater im Marienbad: Nach Edmond de Rostand Roosevelt“ (R: Sandra Strunz) „Chantecler“ (R: Wjatscheslaw Kokorin) 200710. – 20. Mai HEIDELBERG, Theater der Stadt: Nach Heinrich von Kleist HEIDELBERG, Zwinger 3: Georg Büchner „Leonce und Lena“ „Michael Kohlhaas“ (R: Martin Nimz) / David Lindemann „Ulzanas (R: Rogier Hardemann) / Nach Goethe „Faust Eins“ (Figuren- Rache. Der mystische Grund der Zivilisation“ (R: Mareike Mikat) theatersolo Michael Schwyter) HEILBRONN, Theater: Anne Meara „After-Play“ (R: Peter KONSTANZ, Junges Theater: Mario Portmann/Jutta M. Staerk Motto Hatházy) nach Günther Grass „Katz und Maus“ (R: Mario Portmann) / KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: George Tabori Ulrich Hub „An der Arche um Acht“ (R: Gertrud Pigor) „Fremde Heimat“ „Goldberg-Variationen“ (R: Hermann Beil) MANNHEIM, Schnawwl/Junge Oper: Alma Jongerius „Müll- KONSTANZ, Stadttheater: Dea Loher „Fremdes Haus“ (R: Nina maus“ (R: Anja Michaelis) / Sophie Kassies nach Flora Verbrugge Gastgebender Intendant Gühlstorff) / Gerhard Zahner „Ich bin James Joyce, mein Name „Schaf“ (R: Andrea Gronemeyer, Oper) ist George...“ (R: Philip Stemann, Beiprogramm) / Ad de Bont STUTTGART, Junges Ensemble: Thomas Richhardt „Bonnie Christoph Nix nach Homer „Odyssee“ (R: Gabriele Wiesmüller, Beiprogramm) und Clyde“ (R: Klaus Hemmerle) / Friedrich Karl Waechter MANNHEIM, Nationaltheater: Theresia Walser „Ein bisschen „Nix erzählt“ (R: Frank Hörner, Beiprogramm) Spielstätten Ruhe vor dem Sturm“ (R: Burkhard C. Kosminski) / Reto Finger TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Stadttheater, Werkstatt Inselgasse, Spiegel­ „Kaltes Land“ (Lesung nach der Inszenierung von Burkhard C. Jean Debefve „Liebeskummer“ (R: Karin Eppeler) / Michael Kosminski) Miensopust „Toms Pleite“ (R: Michael Miensopust) halle, Dachboden Spiegelhalle, Dreispitz PFORZHEIM, Stadttheater: Beate Schaefer „Blinde Hoffnung“ ULM, Theater: Katharina Schlender „Plumpsack“ (R: Antje Kreuzlingen, Theater­Schiff (R: Frank Asmus) Thoms) / Paul Shipton „Die Wanze“ (R: Jan-Aiko zur Eck, STUTTGART, Altes Schauspielhaus: Edward Albee „Wer hat Beiprogramm) Bilanz Angst vor Virginia Woolf?“ (R: Otto Kukla) STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Willy Daum/ Rahmenprogramm 10.000 Besucher in 40 Auff ührungen, Ralf R. Ollertz „Carcrash oder Gefährliche Momente eines längst Auslastung 90 Prozent. verlorenen Zeitgefühls“ (R: Willy Daum/Ralf R. Ollertz, Oper) / Diskussionsrunden „Fremd in Konstanz“, „Boat People“, „Festung Nach Karl Philipp Moritz „Anton Reiser“ (R: Anja Gronau) / Sibylle Europa“. Autorenlesungen und -gespräche mit Stephanie Pressestimme: „Waren es im ‚Fest‘ (aus Baden­ Zweig, Dea Loher, Jan-Christoph Hauschild, Reto Finger, Baden) vor allem die glänzend besetzten Schau­ Berg „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“ (R: Annika Hartmann, Beiprogramm) Theresia Walser und David Lindemann. spieler, bestach Freiburg durch die fantasievolle TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: und mit dem Stück schon kongeniale Regie von Christoph Nußbaumeder „Mindlfinger Goldquell oder Wir Sandra Strunz.“ (Südkurier, 21.5.2007) scheißen auf die Ordnung der Welt“ (R: Clemens Bechtel) ULM, Theater: Aischylos „Die Orestie“ (R: Andreas von Studnitz)

98 Theater Baden­Baden: „Das Fest“, Foto: Jochen Klenk 99 1980 kamen Sie nach Baden- sehr viele Studenten, es war rappelvoll gespielt, in einem tollen Theaterzelt, Das ist ein interessantes Phäno- „Auf das Baden, haben 1981 gleich die und die Zuschauer haben schon während das war eine wunderbare Atmosphäre men: Über die Theatertage 2005 in Hauptrolle im Theatertage-Beitrag des Stückes sensationell reagiert. Dass in mit starker Diskussion danach. Auch da Baden-Baden hört man aus dem gespielt – und mussten dabei die dem Stück auch viele Pointen drin waren, war die Resonanz deutlich stärker als in Karlsruher Ensemble, deren Komö- ganze Zeit im Bett liegen, sogar hatten wir in Baden-Baden gar nicht so Baden-Baden. die „Der schöne grüne Vogel“ habe Rollenspiel beim Applaus... erlebt, weil da viel weniger direkte Re- dort endlich so gezündet wie es in aktion kam. Und der Schlussapplaus war Karlsruhe nie der Fall war. Wesselmann: Das war das Stück „Ist einfach grandios. Die wollten nicht raus, Berth Wesselmann gehört das nicht mein Leben?“. An das kann ich bevor wir uns verbeugen, aber das haben seit 1980 zum Ensemble des Wesselmann: Vielleicht gibt es bei Thea- mich noch sehr gut erinnern, obwohl wir eben nicht gemacht. Theaters Baden­Baden und tertagen prinzipiell ein Festivalpublikum. kommt es von allen Theatertagen am längsten hat hier bislang zahlreiche Aber die Theatertage 2005 habe ich auch zurückliegt. Das war eine sehr intensive 16 Jahre später waren Sie wieder große Rollen gespielt, darunter insgesamt als großes Fest in Erinnerung. Arbeit mit einem britischen Stück über der Hauptdarsteller in einem Stück, Brechts Galilei, Mackie Messer, Da war die Stadt, ähnlich wie beim jähr- einen Querschnittsgelähmten, der darum das vor allem durch sein Thema Mephisto, Faust und zuletzt lichen New Pop Festival, ganz besonders man immer kämpft, sterben zu dürfen, indem man für Diskussionen gesorgt hat: David die Vater­Figur in Elfriede belebt – auch mit Altersklassen, die man ihn von den Maschinen im Krankenhaus Mamets „Oleanna“, in dem das Jelineks „Winterreise“. Zudem hier sonst nicht so häufi g triff t. Und es abtrennt. Ich war noch ein junger Hüpfer, Dogma der „political correctness“ ist er als Hörspiel­Darsteller war zum ersten Mal so, dass ich von dem und der Regisseur Bert Ledwoch, den ich aufs Korn genommen wird. und als Sprecher (u.a. für arte) Festival etwas mitbekommen und mit wieder für einen ganz Großen halte, hat mich tätig. Bei den Theatertagen vielen Kollegen sprechen konnte. Da gab sehr gut geführt damals. Und es war Wesselmann: Dieses Stück hat mich fas- war er zu Gast mit „Ist das es wirklich einen starken Austausch, was tatsächlich so, dass ich schon in dem ziniert, weil ich mich beim Lesen fragte: nicht mein Leben?“ (1981), ja sonst leider so gut wie nie möglich Krankenbett lag, als die Leute in den Was ist denn da passiert? Was hat der „Die Antigone des Sophokles“ ist, weil man anreist, eine Bühnenprobe Zuschauerraum kamen, und wir die Leute Professor mit der Studentin gemacht? Hat (1987), „Die Dreigroschenoper“ macht, spielt und wieder wegfährt. Ich zurück“ auch so entlassen haben, ohne Applaus- er sie vergewaltigt? Aber da ist ja nichts (1991), „Love Letters“ (1993), würde mir sehr wünschen, dass man die ordnung. Es sollte die Zuschauer wirklich passiert – und daraus entwickelt sich „Oleanna“ (1997), „Rauch“ Zeit hätte, wenigstens noch einen Tag treff en. Das ist uns schon in Baden-Baden dann diese Geschichte voller Schuld- (2005), „Das Fest“ (2007), „Der zu bleiben und sich etwas anschauen Der Schauspieler Berth Wesselmann, zwischen 1981 geglückt, aber der Abstecher nach zuweisungen. Diese Entwicklung vom Besuch der alten Dame“ (2011). zu können, dann wäre das sicher noch und 2011 acht Mal mit dem Theater Baden­Baden Tübingen war ein absolutes Highlight. souveränen Professortypen zum reumü- Er gehörte auch zum Ensemble fruchtbarer und erkenntnisreicher. Da bin bei den Theatertagen zu Gast, über ein Debüt im Ich erinnere mich sehr gut, dass ich tigen Sünder zu spielen war faszinierend. der 1985 wegen Dispositions­ ich auf die Kinder- und Jugendtheater, die damals nicht im Bus mitgefahren bin, Die Bühne war aufgebaut wie in einem gründen nicht anreisenden sich meist eine ganze Woche lang treff en, Liegen, einen Einsatz als Bühnenarbeiter und das sondern mit dem Regisseur im Auto. Und Boxring: Da war nur der Schreibtisch, der „Woyzeck“­Produktion. Bei den fast ein bisschen neidisch. Schauspiel in der Textflächen­Ära. wir hatten auf der Fahrt ein intensives in den einzelnen Akten ein wenig gedreht Theatertagen 2013 wird er in Gespräch, das dem Stück noch mal einen wurde, so dass alle Teile des Publikums „Die Entfernung der Amygda­ Können Gastspiele an sich eine Schub gegeben hat. Das Übrige tat dann uns von verschiedenen Seiten zu sehen la“ in einer Video­Einspielung Bereicherung sein? das Tübinger Publikum: Viele junge Leute, bekamen. Das haben wir in Heidelberg zu sehen sein.

100 Foto: Jochen Klenk 101 1981 „Ist das nicht mein Leben?“, Foto: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden

Wesselmann: Früher haben wir zu viele im Repertoiretheater wünschen, ein Stück Große Rollen bei den Theatertagen „althergebrachten Illusionstheater Abstecher gemacht, das war für den direkt nach der Premiere noch ein, zwei hatten Sie auch 1991 und 1993... mit seinen direkten Identifikations- Betrieb eher störend. Da hatten wir ein Mal spielen zu können, damit die ganzen angeboten“. 33 Jahre später gibt Gebiet, das im Süden bis Singen am Ho- Abläufe, an denen man ja meist bis zur Wesselmann: 1991 den Mackie in der es neben Textflächen und Perfor- hentwiel ging und im Norden bis Hanau. Premiere arbeitet, eine Selbstverständ- „Dreigroschenoper“ zu spielen, war mance das klassische Rollenspiel Wenn man man dann spät in der Nacht lichkeit bekommen. natürlich von der Rolle her schön, mit der immer noch. Gehört das einfach zurückkommt, kann am Morgen nicht Inszenierung war ich aber nicht so glück- zum Wesen von Theater? geprobt werden, obwohl das notwendig Eine gewisse Konzentration fordern lich. Die entstand in der Zeit, in der wir in wäre. Das wurde unter Frieder Lorenz in ja auch die Theatertage durch die einem Provisorium gespielt haben, weil Wesselmann: Ich bin offen für alle Ver- den 80er Jahren abgeschafft, was ich erst- Umstellung auf eine oft ganz ande- das Haus saniert wurde. Da waren wir im suche, das Theater interessant und wach mal gut fand – aber ganz ohne Gastspiele re Bühnensituation. Alten Bahnhof, wo später das Festspiel- zu erhalten. Allerdings stelle ich fest, dass ist es auch nicht schön. Zwei bis drei haus gebaut wurde, und der Raum war man auf das Rollenspiel immer wieder Abstecher im Vierteljahr könnte ich mir Wesselmann: Das gibt dem Ganzen wirklich schwer zu bespielen. An „Love zurückkommt. Auch bei Texten, die das als sehr erfrischend vorstellen. Zum Bei- natürlich neue Spannung. Witzig war es Letters“ erinnere ich mich wiederum nicht vorgeben. Ich finde auch die Arbeit sehr gerne. Das halte ich überhaupt für ein gigantisches Stück: Da sitzen zwei „Witzig war es in Karlsruhe: Da mussten Menschen und lesen sich Briefe vor. Man „Wenn die Leute ins Theater kommen, wir mit Schraubern und Bohrern braucht keine Requisiten, man braucht sollen sie auch etwas arbeiten, weil es keine Drehbühne gab.“ kein Bühnenbild außer zwei Stühlen, und mitnehmen können.“ trotzdem werden zwei Leben aufgerollt mit allen Höhen und Tiefen. Es hat alles spiel habe ich wegen einer Kooperation 2011 in Karlsruhe: In Baden-Baden haben was ein Theaterstück braucht, obwohl auf mit Textflächen hochinteressant, aber der Sie kam hier ungeheuer gut vorbereitet mit dem Stadttheater Bern dort gerade wir eine Drehbühne, die im „Besuch der der Bühne nichts passiert. Und die Ima- Prozess ist eben langwieriger. Wir haben an, sonst hätten wir das in der kurzen einen Monat das Stück „Rot“ über den alten Dame“ stark genutzt wird – aber gination der Zuschauer wird ungeheuer 2001 „Gier“ von Sarah Kane gemacht, Zeit gar nicht geschafft. Und dass dann Maler Rothko gespielt und dabei noch in Karlsruhe gibt es keine Drehbühne. angeregt. Das hat mich seitdem nicht und da hat sich in diesem Text ganz klar auch mit einem solchen Text eine Figur eine besondere Erfahrung gemacht. Das Da mussten wir Schauspieler üben, mit mehr losgelassen: Am Theater habe ich eine Missbrauchsgeschichte gezeigt. Um entsteht, das passiert, glaube ich, im Stück hatte seit der Premiere in Baden- Schraubern und Bohrern das Bühnenbild es noch in zwei weiteren Produktionen das herauszuarbeiten, mussten wir uns Hinterkopf: Man will dem Text einen Sinn Baden vor einem Jahr ohnehin dadurch umzubauen und die Türen zu versetzen. gespielt und werde es dieses Jahr im richtig hart zusammenraufen, aber dann geben. Dabei entstehen zwangsläufig gewonnen, dass wir Schauspieler eben Wir haben hier in Baden-Baden extra Sommertheater wieder machen. wurde die Aufführung ein überraschen- Bilder, und die führen einen letztlich zu mit dem Stück ein Jahr gelebt haben. Und noch mal geprobt, denn das wurde rich- der Knüller. Oder jetzt gerade habe ich in einer Art Rollendenken. Ich denke auch, wenn man en suite spielt, ist man nach tig in die Inszenierung eingebaut, dass Theater ohne formale Experimente „Winterreise“ von Elfriede Jelinek gespielt dass das dem Publikum hilft: Wenn die dem dritten, vierten Mal in der Auffüh- wir unsere eigenen Bilder bauen. Und so wird mitunter als etwas altmodisch – eine Arbeit, für die ich der Regisseurin Leute ins Theater kommen, sollen sie rung so zuhause, dass man an Nuancen sind wir zwar in die größere Stadt gefah- betrachtet. So ist schon 1981 in der Maria-Elena Hackbarth, die auch 2011 den etwas mitnehmen können, und das ist feilen kann, zu denen man sonst nie ren – aber in diesem Punkt kamen wir uns Tübinger Kritik zu „Ist das nicht „Besuch der alten Dame“ inszeniert hat, über Figuren immer noch am ehesten zu kommt. Deshalb würde ich es mir auch fast großstädtischer vor. (lacht) mein Leben?“ kritisch die Rede vom ein großes Kompliment machen darf. erreichen.

102 1997 „Oleanna“ (mit Renate Leitgeb), Foto: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden 103 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater AALEN, Theater der Stadt: Franz Xaver Kroetz „Der Drang“ AALEN, Theater der Stadt: Philipp Löhle „Die Rattenfalle“ Freiburg (R: Katharina Kreuzhage) (R. Ingmar Otto) BADEN-BADEN, Theater: Philipp Löhle „Morgen ist auch noch BADEN-BADEN, Theater: Maria-Elena Hackbarth/Catharina ein Tag“ (R: Katharina Kreuzhage) Kottmeier „Selma“ (R: Maria-Elena Hackbarth) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Miguel de Cervantes BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Esther Rölz „Ratten- „Don Quijote“ (R: Carsten Ramm) klatschen“ (R: Peter Derks) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Ad de Bont ESSLINGEN, Junge Württembergische Landesbühne: nach Homer „Eine Odyssee“ (R: Marco Süß) F. K. Waechter „Der schwarze Stern“ (R: Marco Süß) FREIBURG, Theater: Ensembleprojekt „Bettleroper“ FREIBURG, Theater im Marienbad: Nach Lewis Carroll „Alice (R: Christoph Frick) / Uta Krause „Petra Kelly“ (R: Jarg Pataki) / im Wunderland“ (R: Marc Günther) Paul Brodowsky „Regen in Neukölln“ (Studierende der HEIDELBERG, Zwinger 3: L. Beagley/A. Siegrot nach Homer 200919. – 27. Juni Universität Freiburg) „Odysseus‘ Sohn“ (R. Lee Beagley) / Annette Büschelberger FREIBURG, Seniorengruppe „die methusalems“: Tankred „Kreis, Kugel, Mond – Eine Entdeckungsreise für 2- bis 5-Jährige“ Dorst „Ich bin nur vorübergehend hier“ (R: Carsten Fuhrmann) KONSTANZ, Junges Theater: Franz Kafka „Der Process“ HEIDELBERG, Theater der Stadt: Rainald Goetz „Krieg“ (R: Marc (R: Johannes Schmid) Motto Becker) / Christian Lollicke „Verzeihung, ihr Alten, wo finde ich MANNHEIM, Schnawwl: Roel Adam „Alles für das Feuer“ Zeit, Liebe und ansteckenden Irrsinn?“ (R: Matthias Huhn) (R: Marcelo Diaz) / Christian Morgenstern „Das große Lalula“ „Alles ist politisch“ HEILBRONN, Theater: Christoph Hein „In seiner frühen (R: Marcela Herrera/Nicole Libnau) Kindheit ein Garten“ (R: Axel Vornam) / Jugendtanzprojekt „Man STUTTGART, Junges Ensemble: Jörg Menzke-Peitzmeyer Gastgebende Intendanten müsste eigentlich schweben“ (Choreographie: Nadja Raszewski) „Mandy – Im Tal der Ahnungslosen“ (R: Frank Hörner) KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Peter Handke „Das TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Barbara Mundel (Theater Freiburg), Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land“ (R: Michael Heinrich von Kleist „Die Familie Schroffenstein“ (R: Michael Hubertus Fehrenbacher (Theater im Marienbad) Simon) / Noah Haidle „Mr. Marmalade“ (R: Thomas Krupa) Miensopust) / Mats Kjelbye „Softgun“ (R: B. Benedetti) KONSTANZ, Stadttheater: Lukas Holliger „Menschliches Spielstätten Versagen“ (R: Wulf Twiehaus) Rahmenprogramm MANNHEIM, Nationaltheater: Theresia Walser „Ein bisschen Spielstätten: Großes Haus, Kleines Haus, Ruhe vor dem Sturm“ (R: Burkhard C. Kosminski) / Ewald Mittsommernachtstisch zwischen dem Stadttheater und dem Theater im Marienbad, Kammerbühne, E­Werk, Palmetshofer „hamlet ist tot. keine schwerkraft“ (R: Cilli Drexel) Theater im Marienbad / Open-Air-Spektakel „Transition“ vom Freiburger Aktionstheater Panoptikum / Thementag „Schule Kesselhaus PFORZHEIM, Stadttheater: Simon Stephens „Motortown“ (R: Thomas Krauß) träumen im Theater“ / Vorträge zum Thema Bildung: „Ohne Bilanz STUTTGART, Altes Schauspielhaus: John von Düffel nach Gefühl geht gar nichts – Worauf es beim Lernen ankommt“ Thomas Mann „Die Buddenbrooks“ (R: Carl Philip von (Gerald Hüther) und „Alle Kinder sind verschieden und jedes 11.000 Besucher bei 40 Auff ührungen, 9000 Maldeghem) STUTTGART, Theater Rampe: Kai Hensel „Das lernt anders“ (Remo H. Largo). beim Mittsommernachtstisch, 3000 beim Open­ Meerschweinchen“ (R: Heike Scharpff) Air­Theater Panoptikum. STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: René Pollesch „Liebe ist kälter als das Kapital“ (R: René Pollesch) Pressestimme: „Die Vielfalt ist enorm. Man kann / Stefan Nolte/Jörn J. Burmester nach Francois Emmanuel nicht umhin, von einer fl orierenden Theaterland­ „Humankapital“ (R: Stefan Nolte) schaft im Südwesten zu reden. Manche erfolgrei­ TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: che Bühne – so das Alte Schauspielhaus Stuttgart Carl-Henning Wijkmark „Der moderne Tod. Vom Ende der Humanität“ (R: Reto Finger) / Nach Shakespeare „Die Purpur- (…) ­ nahm man überhaupt…“ erst einmal richtig heuchler“ (R: Simone Sterr) wahr. Dessen ‚Buddenbrooks‘­Inszenierung war ULM, Theater: Lutz Hübner „Ehrensache“ (R: Andreas von S ein Renner.“ (Badische Zeitung, 27.6.2009) tudnitz) / Philipp Löhle „Genannt Gospodin“ (R: Daniel Heßler)

104 Altes Schauspielhaus Stuttgart: „Buddenbrooks“, Foto: Jürgen Frahm 105 Die erste Frage geht an die zwei nicht selber Gastgeber ist, kann man als sehr interessiert. Theatertage waren die ersten, bei denen „Die Kompromisse ehemaligen Ausrichter: Woran erin- Moderator auch freier und unbefangener ich dabei war und ich fand, das hatte nern Sie sich denn beim Rückblick agieren. Das Publikum hat das gut Was macht das Festival mit wirklich Festivalstimmung. Man kam in auf „Ihre“ Theatertage am liebsten? angenommen und sich rege beteiligt. einer Stadt und mit dem Theater- die Stadt rein, sie war lebendig, alles war publikum? relaxt und man war voller Erwartungen… kommen Mackert: An die Begegnung mit den Wie nimmt man als Gast so eine Schauspielstudenten aus Stuttgart, die Festivalstimmung wahr? Mackert: Es freut mich sehr, dass Sie ganz N e u ff e r :Und ich dachte, das wär‘ immer als Festivalbeobachter dabei waren. Die selbstverständlich den Begriff Festival so und habe das für uns als Verpfl ichtung haben sich abends die Vorstellungen Yeginer: Bei unserem Gastspiel in verwenden. Im Vorfeld der Theatertage genommen (lacht). Im Ernst: Für uns war aufgeteilt, um alles zu sehen. Und wir Karlsruhe war schon Adrenalin dabei. in Freiburg war es noch umstritten, ob es wichtig, es genau so anzugehen, als sowieso“ haben uns dann jeden Mittag getroff en. Und trotzdem war es eine ungeheuer man das überhaupt so nennen darf. Uns Festival. Zur Eingangsfrage nach der liebs- Ihre einzige Verpfl ichtung war, dass sie entspannte Atmosphäre, auch bei diesen war aber klar: Diesen Groove zu erzeugen ten Erinnerung: Das ist neben vielen ande- sich gegenseitig beschreiben, was sie Publikumsgesprächen. Da war auch im Theater und in der Stadt, der das ren Dingen die Zusammenarbeit mit Stu- gesehen haben. Und im Sprechen über beim Ensemble eine gewisse Erwartung Publikum verführt, tatsächlich für ein paar dentinnen und Studenten der Hochschule diese Vorstellungserfahrungen von jun- da, eine Vorfreude – und nicht so, dass Tage irrsinnig viel Theater zu sehen – das für Gestaltung. Wir haben ein Jahr vorher gen Schauspielschülern stellten sich all man das pfl ichtbewusst macht, weil da kriegt man nur über einen besonderen angefangen und mit denen grundlegend die Fragen, die uns ohnehin beschäftigen vielleicht eine Schulklasse sitzt. Es war Festivalcharakter hin. diskutiert: Was könnte das für die Stadt – aber in einer frischen, unverstellten beiderseitig: Das Publikum war sehr inter- bedeuten, hinsichtlich Außenraumaktion, Weise. Diese Gespräche waren mein essiert daran und auch die Künstler waren Yeginer: Unbedingt. Die Freiburger Platzbespielung oder Festivalzentrum? persönliches Highlight.

Kriegt man in Publikumsdiskussi- Josef Mackert, Chefdramaturg am Theater Freiburg, schreibt Beiträge für „Theater heute“, „Die Deutsche Bühne“ und onen diese Art von Feedback nicht die Arbeitsbücher Stück­Werk von „Theater der Zeit“. 2011 erschien das von ihm herausgegebene Buch „Das Gehirn hin? als Projekt“. 2009 war Josef Mackert Mitglied der künstlerischen Leitung der Baden­Württembergischen Theatertage und 2010 Mitglied der Preisjury bei den Mülheimer Theatertagen. Mackert: Mitunter schon. Von Karlsruhe sind mir genau die Publikumsgespräche Tilman Neuffer, derzeit Gastdramaturg in Mannheim und Essen. Seit 1989 arbeitet er als Dramaturg am Staatstheater Die künstlerischen Leiter dreier Theatertage halten noch in guter Erinnerung, auch wegen Kassel, Schauspiel Bonn, am Staatstheater . Diverse Regiearbeiten in der freien Theaterszene. Rückschau und Ausblick: Josef Mackert (2009, der tollen Idee, die Gespräche von Von 2003 – 2011 Dramaturg am Badischen Staatstheater Karlsruhe, wo er im künstlerischen Leitungsteam die Freiburg), Tilman Neuffer (2011, Karlsruhe) und Kollegen der anderen Häuser moderieren 20. Baden­Württembergischen Theatertage 2011 in Karlsruhe ausrichtete. Murat Yeginer (2013, Pforzheim) über augen­ zu lassen. So hatten wir die Verpfl ich- tung, oder zumindest den charmanten Murat Yeginer, seit 2008 Schauspieldirektor am Theater Pforzheim. Regisseur, Dozent für Literatur und Theater. öffnende Studenten, neugierige Zuschauer und Vorwand, nicht wie sonst gleich wieder Als Schauspieler war er in mehr als 35 Bühnenjahren u.a. tätig: Staatstheater Saarbrücken, Staatstheater Oldenburg, die Pflicht zum Risiko. abzureisen, sondern mindestens zwei, Theater Bonn und Kiel. In der letzten Spielzeit Inszenierung „Iphigenie auf Tauris“ am Staatstheater Meiningen, wofür drei Tage da zu sein. Und wenn man er den Publikumspreis für die beste Regie erhielt.

106 107 Daraus ist dann auch entstanden, dass die gesellschaftliche Gruppen sich beteiligen ­Produktionen ja unter ganz ande- zu einem Einladungsfestival werden. Für für ein Jahr, der die Möglichkeit einer ­Drehbühne einfach nicht transportierbar Studenten die ganze Corporate Identity können. ren Umständen entstanden sind? mich hat das auch mit künstlerischem­ ­Festivalleitung hat. Das würde eine war. Da stößt man dann an Grenzen, auch und die Ausgestaltung übernommen ­Respekt und Neugier zu tun, die stärkere Profilierung ermöglichen. Die finanziell. haben und diese nicht einer abstrakten Man kann eine Stadt ja sehr un- Neuffer: Es kommt auf das Thema an. ­Vorschläge im Vorfeld anzuschauen und Kompromisse kommen dann sowieso. Agentur übergeben wurde. terschiedlich bespielen: Freiburg „Alles ist politisch“ war sehr weit gefasst, unter Freunden zu sagen: Ich finde ein Wir hätten aus Mannheim damals z.B. Yeginer: Mit größeren Theatern ist es hat eine Tischkette von Theater zu aber es trifft den Kern von Theater: Wofür anderes Stück von euch viel spannender gern die spektakuläre Uraufführung ­interessanterweise leichter als mit den Mackert: Das hatten wir mit den Studen- Theater aufbauen lassen, Karlsruhe steht es? Was bewirkt es? „Ungerecht“ als das, das ihr mir anbietet. Dann fängt von Dietmar Dath gehabt, „Waffen­ kleineren. Auf Repertoire kann man ten der Hochschule für Grafik in Freiburg hat den Platz vor dem Theater mit als Thema hat eine ähnliche Qualität, zu man an sich zu streiten und lotet aus. wetter“, die wie gespuckt ins Programm wirklich zurückgreifen. Bei den kleineren­ auch so gemacht und dabei wieder mal schwarzen Wänden quasi dem viele Stücke gut gepasst haben. Wenn es aber Sinn machen soll, alle zwei gepasst hätte, aber technisch wegen der Theatern kann es schon ein echtes gelernt: Je mehr Leute im Vorfeld schon zugestellt... Allerdings sind die Theatertage kein Einla- Jahre zusammenzukommen und nicht mit der Sache befasst sind, als Teilnehmer, dungsfestival. Jedes Theater entscheidet nur einen bunten Teller zu servieren, als Beiträger oder Mitentwickler, desto Mackert: Wir wollten gleich am Anfang selbst, was es schicken will. Wir sind dann ist eine solche Themensetzung die mehr führt das zu Interesse in der Stadt. des Festivals einen großen Hingucker möglichst früh in Diskussionen gegangen Grundlage, um überhaupt ein Gespräch organisieren, so dass möglichst viele Murat Yeginer und haben gesagt, was uns interessieren zu beginnen. würde. Und, wenn ich das noch ergänzen „Die Theatertage sind ja darf: Es muss auch nicht unbedingt 1:1 Neuffer: Vollkommen einverstanden. kein Einladungsfestival, aber wir Wände da einzufügen, wurde dann heiß provozierenden Überschrift „Alles ist dazu passen. Es gibt ja auch die Neben- Es wäre viel spannender, wenn man das haben den Theatern früh gesagt, diskutiert. Das hat neue (Denk-) Räume politisch“ zum Teil heftigste Reaktionen veranstaltungen zum Thema, mit denen stärker ausrichten könnte. Eine Schwierig­ geschaffen und auf diesem architekto- ausgelöst: Kann man das sagen? Was an man einen Diskursrahmen schafft. keit besteht aber: Wenn ein Programm was uns interessieren würde.“ nisch doch äußerst schwierigem Terrain. diesen Stücken ist politisch? Was wollt festgelegt werden muss, haben etliche Es war im guten Sinne umstritten. ihr überhaupt mit der Formel? Da wir fast Yeginer: Ich glaube, das ist das Entschei- Produktionen, die in Frage kämen, noch Das heißt, das Festival beginnt Menschen in der Stadt wahrnehmen, dass ausschließlich zeitgenössische Stücke dende. Auch wenn bei unserem Thema gar nicht Premiere. damit schon… jetzt etwas stattfindet. Das hat mit dem Yeginer: Das muss ein Theaterfestival versammelt hatten, waren auch viele „Fremdwahrnehmung“ viele Stücke so genannten Mittsommernachtstisch auch haben, dass man über etwas disku- Autoren da. Und auch unter denen gab es genau in diese Thematik passen, möchte Yeginer: Es gibt dabei Einschränkungen, Yeginer: Es fängt wirklich ein Jahr vorher wunderbar funktioniert und ist auch tieren kann. Gerade durch umstrittene ein interessantes Streitgespräch: Inwiefern ich fast wetten, dass wir 80 Prozent der gegen die kann man nichts machen, an. Es ist uns auch ein ganz großes über die Theatertage hinaus in der Stadt Geschichten ergeben sich ja Freiräume, ist mein Stück politisch, inwiefern soll Stücke auch unter unseren Mottos hätten etwa wenn ein Stück schon abgespielt ­Anliegen, diese Stadt zu involvieren, über legendär geworden. in denen man Dinge neu denken und und will es das sein? Das ballt sich einfach austauschen können. Fast jedes Stück ist. Wir haben bei der Planung mit die Hochschule oder Institutionen wie überdenken kann. besser bei einem Festival, weil man jeden hat doch mit Recht oder Politik zu tun. einigen Theatern diskutiert und gesagt: das Kupferdächle und kleine Einrichtun- Neuffer: Wir wollten eigentlich Verbin- Abend weiter spricht. Aber die Rahmenbedingungen, die man Dieses Stück passt eigentlich besser zu gen im soziokulturellen Bereich. dungslinien legen quer durch die Stadt, Kann man bei einem Festival eher schafft – die nehmen das Thema in den unserem Thema. Und da wurde es auch zwischen den einzelnen Spielorten. Das mal Sachen zum Streiten anbieten Ein Stadttheater arbeitet immer Fokus. richtig spannend, da fing in der Tat die Neuffer: Aber dazu gehört auch, dass hat sich dann aber finanziell als schwierig als im normalen Betrieb? für sein Publikum am Ort. Wer ein ­künstlerische Reibung an. man sich ein Thema gibt, durch das über herausgestellt. Daraus resultierte die Idee Festival macht, bietet das eben- Mackert: Mein Wunsch für die Zukunft die einzelnen Stücke hinaus Diskussionen der Platzbespielung direkt vorm ­Theater. Mackert: Jedenfalls klappt es da sehr gut. falls einer bestimmten Stadt an. wäre, dass die Theatertage auch durch Mackert: Wenn man das weiterdenkt, entstehen können und entsprechende Die Idee, die schwarzen Balken als Wir hatten schon mit der nur gemäßigt Welche Rolle spielt es da, dass die solche Themensetzungen noch mehr bräuchte es so etwas wie einen Kurator

108 Tilman Neuffer 109 Problem sein, wenn etwas ein halbes Jahr es möglichst einfach zu halten. Das Beglückendes und lässt sich entzünden die ­ehrenvolle Pflicht, anzureisen. Im interessiert die Zuschauer meist gar nicht. liegt und dann wieder aufgenommen Bewusstsein dafür, dass es sich lohnt, sich zu etwas, das dem Theater vor Ort auch ­normalen Alltag rechnen unsere kauf- Die sehen die Schauspieler und wollen werden soll. mit etwas Besonderem zu präsentieren,­ weiterhilft. männischen Direktoren doch, ob es sich wissen, ob das ein spannendes Stück ist. setzt sich aber immer mehr durch. rentiert oder nicht. Dazu passt, dass Stuttgart in Frei­ Yeginer: Wie waren denn eure Yeginer: Wir versuchen in diesem Punkt burg mit „Humankapital“ eine Pro­ Wer profitiert denn letztlich am ­Erfahrungen nach dem Festival? Yeginer: Es ist tatsächlich schwer. Die eine gute Mischung hinzukriegen, indem duktion gezeigt hat, die schon vier meisten davon, die Gäste oder Logistik auf der einen Seite und der große Häuser auch mal im kleinen Jahre alt war. Das ist für ein Festival der Gastgeber? Mackert: Die Leute haben uns lange finanzielle Aufwand – gerade für Theater ­Podium sind und kleine Theater im auch eher ungewöhnlich, oder? darauf angesprochen und sozusagen eine unserer Größenordnung ist das immens. Großen Haus. Das ist eine Mischung, mit Yeginer: Im Idealfall sollten beide Grundsympathie für das Haus entwickelt. der man ein kleineres Theater kollegial Mackert: Ja, und es ist ein sehr ­schönes ­voneinander profitieren. Für die Stadt ist Und auch für die anderen Bühnen war Da klingt ein weiterer wichtiger aufwertet und sagt: Theater an sich hat Beispiel. Die Stuttgarter haben uns da- es ein Fest – und für die, die kommen, soll es toll, weil viele Sachen in Freiburg sehr Aspekt an: die kleinen Bühnen. eine Wertigkeit. mals schon einen tollen Pollesch-Abend­ es auch ein Fest sein. Ich würde das gar gut ankamen, manchmal sogar besser als Bei denen waren die Theatertage geschickt. Aber „Humankapital“ hat nicht trennen wollen. vorm heimischen Publikum. Wir Stadt- in ­ihrer Geschichte ja meistens zu Neuffer: Für kleinere Häuser bringt das theater in Baden-Württemberg kommen Gast. Wie war das denn, wenn Festival ein gewisses Risiko, weil sich sehr selten zum Gastieren. Das ist für „Die Rahmenbedingungen unsere Spieler eine eher seltene, aber „Im Idealfall sollten die Gäste und die die man schafft – die nehmen deshalb auch eine unglaublich wichtige Gastgeber gleichermaßen profitieren.“ das Thema in den Fokus.“ Erfahrung, an einem anderen Ort zu sein und auch ein bisschen improvisieren zu müssen. in großen Städten die kleineren natürlich immer die Frage stellt, ob ­thematisch zu drei, vier anderen Neuffer: Das kann ich nur unterstreichen. ­Häuser gastiert haben? genug Leute kommen. Da hatte ich sogar einge­ladenen Stücken einen so guten Die Erfahrung, wie das gleiche Stück in Hätte es da nicht Sinn, das auch in Karlsruhe am Anfang tatsächlich ein ­Zusammenhang gebildet, dass wir wirk- einem anderen Zusammenhang oder mal außerhalb des Festivals anzu- Mackert: Das hat unser Publikum bisschen Angst, es ist dann zum Glück lich gefleht haben: Schickt uns diese Auf- in einem anderen Raum plötzlich eine bieten? Etwa so: „Das Erfolgsstück ­interessanterweise überhaupt nicht anders geworden. führung, die ist toll, die passt da rein. Und neue Wirkung entfaltet, das ist natürlich der Theatertage jetzt noch mal für interessiert. Es war alles sehr gut verkauft, vor allem: Schickt sie uns zusätzlich und fantastisch. zwei Tage im November!“ ganz ohne die Attitüde: Das ist Stuttgart, Mackert: Aber da wir das alle gemeinsam nicht „stattdessen“. Seit der ­Konstanzer da müssen wir hin und das ist X-Stadt, tragen, über den Landesverband und all Setzung 2007 mit einem klaren Thema Mackert: Ich stimme zu, aber ich glaube Mackert: Gute Idee (Lachen). So etwas da müssen wir nicht hin. Die Leute sind unsere Institutionen, würde ich sagen: ist bei den Bühnen die Bereitschaft trotzdem, dass der Gastgeber ungleich wie die Karlsruher Handke-Inszenierung wirklich nach den Themen, nach den Wann darf man denn mal Risiko fahren, gewachsen, nicht nur das kleinste und mehr profitiert. Die Stadt kriegt für eine auf der großen Bühne hätten wir Stoffen gegangen. wenn nicht bei dieser Gelegenheit? pragmatischste Stück zu schicken. Das Woche so viel geballte Theaterkraft ver- sicher noch zwei Mal einladen können. gnadenlose Gesetz ist nun mal, dass die schiedener Handschriften. Das würde ich Andererseits muss man ehrlich sagen: Neuffer: Wir vom Theater neigen auch Yeginer: Genau, das denke ich Bühnen selber den Aufwand tragen, auch bis heute von Freiburg berichten: Natürlich spielt auch das Geld eine Rolle. dazu, die Frage zu überschätzen, wer das auch. Wofür sonst haben wir dieses und das kann natürlich dazu verführen, Das Publikum erfährt das als etwas sehr Bei den Theatertagen haben wir alle nun an welchem Haus inszeniert hat. Das ­subventionierte Theatersystem?

110 Josef Mackert 111 Außerdem werden in ein Festival ohnehin Mackert: Es gehört zu den schönsten Mackert: Wir arbeiten seither z.B. ver- Die Leute hatten wirklich frei. Auch Sicherheitsventile eingebaut: Da gibt es Erfahrungen eines solchen Festivals, dass stärkt mit Thementagen. Da bündeln wir Wagner hat in Bayreuth versucht, mit den noch ein Rahmenprogramm und Unter- die übliche Routine unterbrochen wird. ein-, zweimal in der Spielzeit Veranstal- Festspielen zu sagen: Unterbrecht mal haltung im Spiegelzelt. Aber das ist mit dem Betrieb natürlich tungen zu einem Thema. Dazu gehören Euren Alltag, konzentriert Euch mal ein schwer zu vereinbaren, das wissen fast immer auch Gastspiele. Das ist dann paar Tage auf die Kunst und macht das zu Neuffer: Da kommen wir wieder wir alle. ein kleines Festival, über ein ­Wochenende einem Fest. Dadurch nimmt man Theater darauf zurück: Wichtig ist, dass Festival­ hinweg, und das hat bei uns zu der anders wahr, und das setzt sich, glaube atmos­phäre entsteht, dass etwas Yeginer: Wir haben versucht, das durch Erfahrung geführt, dass das Publikum ich, in einer manchmal gar nicht mehr zu Besonderes stattfindet. Wenn man das den Zeitplan zu ermöglichen. Es hat mich tatsächlich auch mal drei Tage hinter­ ­fassenden Erinnerung in der Stadt fort. ­kommunizieren kann, erreicht man die immer gestört an den Theatertagen, dass einander kommt und nicht nur zu einem Leute ja offenbar. die, die eigentlich Gastgeber sind, nicht einzelnen Event. Diese Art von Fokus- so präsent waren, weil sie zu tun hatten sierung, die über Einladungen erweitert Mackert: Einen Begriff finde ich da oder dachten: Naja, jetzt haben wir wird, das ist eine Konsequenz aus unseren besonders wichtig: Gute Gastgeberschaft. gerade nichts zu sagen, weil die anderen Theatertagen. Das beginnt beim Vorbereitungsdialog mit den anderen Bühnen und setzt sich fort, indem man das eigene Haus so „Ein Festival setzt sich in einer vorbereitet, dass die Kollegen auch gut manchmal gar nicht mehr zu fassenden empfangen werden. Und richtig gut wird Erinnerung in der Stadt fort.“ es, wenn die Stadt selber das Gefühl hat, sie müsste die Gäste gut empfangen. das Haus in Beschlag genommen haben. Yeginer: Ich kann dazu noch nichts Yeginer: Wenn man diese Leidenschaft Ich würde mir sehr wünschen, dass meine sagen, außer, dass ich immer wieder höre, wecken kann in den Leuten, ist das Leute mal hier und mal dort mitmischen. wie toll das vor 20 Jahren hier war mit genau richtig. Für mich war von Anfang Auch das haben wir mit dem Verband den Theatertagen. Da redet man heute an klar, dass mein Schauspiel-Ensemble schon besprochen: Dass auch meine noch drüber. Es ist absolut im Gedächtnis probenfrei hat in dieser Zeit, dass sie Schauspieler die Möglichkeit haben, beim geblieben als ein Fest. Das bringt uns ein zum Beispiel an Workshops teilnehmen Treffen der Kinder- und Jugendtheater wenig unter Druck, und jetzt sitzen wir können. Sie haben sich auch schon die dabei zu sein. natürlich mit etwas Herzklopfen da. Bühnen aufgeteilt, von denen bekommt jeder einen „Fremdenführer“ an die Hand. Mal über das Festival hinausge- Mackert: Letztlich spielt das Ganze mit Und es gibt eine Theaterband, die werde blickt: Kann man dessen Impulse einer grundsätzlichen Theatererfahrung ich am 22. Juni zum ersten Mal hören, langfristig nutzen? Wie kann man wie in der Antike: Wenn es dort Auf­ aber die übt schon. verhindern, dass das im normalen führungen gab, war das ja auch für ein Spielbetrieb wieder versandet? paar Tage ein Ausnahmezustand.

112 Murat Yeginer, Josef Mackert, Tilman Neuffer 113 Abendspielplan Kinder- und Jugendtheater AALEN, Theater der Stadt: T.C. Boyle „Das wilde Kind“ AALEN, Theater der Stadt: Nach Franziska Biermann „Der Karlsruhe (R: Katharina Kreuzhage) faulste Kater der Welt“ (R: Katharina Kreuzhage/Nikolais Boitsos) BADEN-BADEN, Theater: Friedrich Dürrenmatt „Der Besuch der BADEN-BADEN, Theater: Eva Rottmann „Die mich jagen“ alten Dame“ (R: Maria-Elena Hackbarth) (R: Laura Huonker) BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Gisela Elsner „Otto der BRUCHSAL, Badische Landesbühne: Anja Hilling „Sterne“ Großaktionär“ (R: Carsten Ramm) / Collage „Gudrun Ensslin – Es (R: Steffen Popp) / Michael Ramløse/Kira Elhauge „Die gibt kein richtiges Leben im Falschen“ (R: Carsten Ramm) Geschichte von Lena“ (R: Nora Hecker) ESSLINGEN, Württembergische Landesbühne: Jaan Tätte ESSLINGEN, Junge Württembergische Landesbühne: Isa „Fasten Seat Belts oder Viel Glück zum Alltag!“ (R: Manuel Schöler „Edgar vom Stern“ (R: Marco Süß) / Edith Erhardt nach Soubeyrand) Wolf Erlbruch „Die große Frage“ (R: Edith Erhardt) / „Zeig mir FREIBURG, Theater: Jarg Pataki/Viola Hasselberg „Die Grünen. deine Wunde. In memoriam Christoph Schlingensief“ 20111. – 10. Juli Eine Erfolgsgeschichte“ (R: Jarg Pataki/Viola Hasselberg) / William (R: Martina Duffner, Beiprogramm) Shakespeare „Der Kaufmann von Venedig“ (R: Avishai Milstein) FREIBURG, Theater im Marienbad: Seamus Heaney nach HEIDELBERG, Theater der Stadt: Nis-Momme Stockmann „Der Sophokles „Antigone“ (R: Gerd Heinz) Mann der die Welt aß“ (R: Dominique Schnizer) / Nina Gühlstorff / HEIDELBERG, Zwinger 3: Holger Schober „Und sie bewegt sich Motto Nina Steinhilber „They Call Me Jeckisch“ (R: Nina Gühlstorff ) doch“ (R: Dominik Günther) HEILBRONN, Theater: Holger Schober „Heimat.com“ KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Ulrich Hub „An der „Ungerecht“ (R: Dominik Günther) Arche um Acht“ (R: Ulrich Hub) / Lothar Kittstein „Zu Besuch“ KARLSRUHE, Badisches Staatstheater: Peter Lund/Thomas (R: Kathrin Wunderle) / Wajdi Mouawad „Die Durstigen“ Gastgebender Intendant Zaufke „Big Money“ (R: Peter Lund, Musical) / Peter Handke „Die (R: Matthias Bauerkamp) Stunde da wir nichts voneinander wussten“ (R: Thomas Krupa) / KONSTANZ, Junges Theater: Horst Hawemann „Tülliknüllifülli“ Achim Thorwald / Schauspieldirektor: Knut Hans-Werner Kroesinger „Karlsruhe – Stadt der Gerechten“ (R: Bernd Schlenkrich) / Annette Gleichmann „Bonnie und Weber (R: Hans-Werner Kroesinger, Beiprogramm) Clyde“ (R: Annette Gleichmann) KONSTANZ, Stadttheater: Hjalmar Söderberg „Gertrud“ MANNHEIM, Schnawwl: Hans Christian Andersen „Das häss- Spielstätten (R: Wulf Twiehaus) als Krankheitsersatz für Bertolt Brecht „Mutter liche Entlein“ (R: Andrea Gronemeyer) / Ad de Bont „Anne und Courage und ihre Kinder“ (R: Thorleifur Örn Arnasson) Zef“ (R: Daniel Pfluger) / Ad de Bont „Haram“ (R: Theo Fransz) Schauspielhaus, ZKM­Medientheater, Insel, MANNHEIM, Nationaltheater: Felicia Zeller „Gespräche mit STUTTGART, Junges Ensemble: Brigitte Dethier/Christian Nancyhalle, Stadtraum, Landgericht Astronauten“ (R: Burkhard C. Kosminski) / Philipp Löhle „Superno- Schönfelder „Pizza Senza Mamma“ (R: Brigitte Dethier) va (Wie Gold entsteht)“ (R: Cilli Drexel) TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: Bilanz PFORZHEIM, Stadttheater: Marc Becker „Meier Müller Schulz Anne-Kathrin Klatt „Mein Tuvalu“ (R: Anne-Kathrin Klatt) / oder Nie wieder einsam!“ (R: Martin Kammer) Franziska Steiof „Artus“ (R: Michael Miensopust) 10.000 Besucher in 42 Vorstellungen, 4.500 STUTTGART, Theater Rampe: Torsten Buchsteiner „Nordost“ beim Rahmenprogramm, Auslastung 87 Prozent. (R: Eva Hosemann) Rahmenprogramm STUTTGART, Schauspielbühnen: Eliam Kraiem „Sechzehn Pressestimme: „Die Werbung war schwarz­weiß Mobiles theatrales Einsatzkommando „Recht auf Zuruf“ / Theat- – das Ergebnis rundum farbig. (...) Bemerkens­ Verletzte“ (R: Ulf Dietrich) STUTTGART, Württembergisches Staatstheater: Georg rale Tribunale „Freiheit am Hindukusch? Todsicher!“, „Bagatelle? wert zudem die hohe Zahl an neuen Stücken. Sie Büchner „Dantons Tod“ (R: Nuran David Calis) / Nis-Momme Lebenslang!“ / Podiumsdiskussion zum Urheberrecht in der wurden off enbar gut angenommen – ein Zeichen Stockmann „Kein Schiff wird kommen“ (R: Annette Pullen) Kunst / Beschwerdechor / Late Night / Vortrag „Kinder haben Rechte“ / Symposien „Theater für Kinder im 21. Jahrhundert“, dafür, dass die Karlsruher Theatergänger durch­ TÜBINGEN, Landestheater Württemberg-Hohenzollern: „Theaterspiel als Schulprofil“, „Theater und Politik“, „Theater und aus nicht so verstockt sind, wie ihnen manchmal Ödön von Horváth „Der jüngste Tag“ (R: Ralf Siebelt) / Juli Zeh „Corpus Delicti“ (R: Jenke Nordalm) Migration“. unterstellt wird.“ (Badische Neueste Nachrichten, ULM, Theater: Euripides „Medea“ (R: Andreas von Studnitz) 9. Juli 2011) ULM, Theater in der Westentasche: Carlos Padrón „Theater für Eilige“

114 Badisches Staatstheater Karlsruhe: „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten““, Foto: Jochen Klenk 115 Badische Württembergische Theater und Theater der Stadt Theater Landesbühne Landesbühne Theater Theater im Marienbad, Orchester Aalen Baden-Baden Bruchsal Esslingen Freiburg FREIBURG Heidelberg Gründung: 1.9.1991 Gründung: 1862 Gründung: 1949 Gründung: 1919 Gründung: 1910 Gründung: 1978 Gründung: 1853 Rechtsträger: Stadt Aalen Rechtsträger: Stadt Baden-Baden Rechtsträger: 15 Städte/4 Landkreise/ Rechtsträger: Land Baden-Württemberg Rechtsträger: Stadt Freiburg Rechtsträger: eingetragener Verein Rechtsträger: Stadt Heidelberg Ministerium für Forschung, Wissenschaft Intendanz: Katharina Kreuzhage Intendanz: Nicola May Intendanz: Manuel Soubeyrand Intendanz: Barbara Mundel Intendanz: Hubertus Fehrenbacher und Intendanz: Holger Schultze und Kunst/Ministerium für Wirtschaft und Leitungsteam Verwaltungsdirektion: Philipp Förstner Verwaltungsdirektion: Nicole Schommer Finanzen Verwaltungsdirektion: Ulrich Heinzelmann Verwaltungsdirektion: Kaufmännischer Verwaltungsdirektion: Andrea Bopp Direktor Dr. Klaus Engert Verwaltungsdirektion: Hubertus Fehren­ Sparten: Schauspiel Sparten: Ein-Sparten-Haus; jedoch eine Intendanz: Carsten Ramm Sparten: Schauspiel, Kinder- und Jugend- Sparten: Schauspiel, Musiktheater (Oper/ bacher und Leitungsteam musikalische Produktion im Jahr; Kinder- und theater Sparten: Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Operette), Tanz, Kinder- und Jugendtheater, Anzahl der beschäftigten Künstler: Verwaltungsdirektion: Norbert Kritzer Jugendtheater Junges Theater, Konzert Sparten: 1 Orchester- und Konzertbereich 6 Schauspieler fest im Ensemble plus Gäste Leitung Kinder- und Jugendtheater: Sparten: Abendspielplan / Kinder- und Anzahl der beschäftigten Künstler: Marco Süß Anzahl der beschäftigten Künstler: 204 Anzahl der beschäftigten Künstler: Leitung Kinder- und Jugendtheater: Spielstätten: Wi.Z, Altes Rathaus, Frei- Jugendtheater 28 (mit dabei ist die Intendanz, Dramaturgie, 8 Festangestellte und Gäste Franziska-Theresa Schütz lichtbühne Schloss Wasseralfingen, Mobile Anzahl der beschäftigten Künstler: Spielstätten: Großes Haus, Kleines Haus, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Betriebs- Leitung Kinder- und Jugendtheater: Produktionen fest angestellt 26 SchauspielerInnen Werkraum, Kammerbühne, Finkenschlag, Spielstätten: 2 Anzahl der beschäftigten Künstler: 305,5 büro) Joerg Bitterich Konzerthaus, diverse Außenspielstätten Mitarbeiter; davon 128 Künstler Anzahl der Premieren: 9 Spielstätten: 4 (Schauspielhaus, Podium I, Anzahl der Premieren: 2 Spielstätten: Theater, TIK (Theater im Kulis- Anzahl der beschäftigten Künstler: Podium II/Kindertheater im Schauspielhaus, Anzahl der Premieren: ca. 60 Spielstätten: Alter Saal und Neuer Saal, Pro- Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: senhaus), Spiegelfoyer 12 Abendspielplan / 6 Kinder- und Jugend- Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Studiobühne am Zollberg) bebühne Friedrich5, Zwinger1 und Zwinger3, 236 (585 inkl. Beiprogramm) – Spielzeit theater Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: ca. 240 Anzahl der Premieren: 9 Abo-Produktionen Schloss Heidelberg, Stadthalle, Peterskirche, 2011/2012 Anzahl der Premieren: 20 – 22 ca. 780 und 1 Weihnachtsmärchen; im TIK: 5; im Spielstätten: Großes Haus (650), Hexagon Gesamtbesucherzahl: ca. 18.000 Schloss Schwetzingen: Rokokotheater, Gesamtbesucherzahl: 23.308 (Spielzeit Spiegelfoyer: 1 (94), PROFA (50) und 100 Gastspielorte Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Gesamtbesucherzahl: ca. 220.000 Schlosskapelle Etat: 700.000 Euro 2011/2012) 600 – 680 Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Anzahl der Premieren: 8 Abendspielplan/ Etat: ca. 26 Mio. Euro Anzahl der Premieren: 32 (Spielzeit www.marienbad.org Etat: 1,34 Mio. Euro (Spielzeit 2012/2013) 330; zzgl. Sonderveranstaltungen 7 KiJu Gesamtbesucherzahl: 102.000 2010/2011) www.theater.freiburg.de www.theateraalen.de Gesamtbesucherzahl: 57.500 Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Etat: 7,15 Mio. Euro Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: mehr als 400 ca. 1.000 (Spielzeit 2010/2011) Etat: 6,66 Mio. Euro www.wlb-esslingen.de Gesamtbesucherzahl: 70.000 Gesamtbesucherzahl: ca. 170.000 (Spielzeit www.theater-baden-baden.de 2010/2011) Etat: 4 Mio. Euro Etat: 21,21 Mio. Euro (Spielzeit 2010/2011) www.dieblb.de www.theaterheidelberg.de

im Überblick Stand: Programmbuch der Baden-Württembergischen Theatertage 2013 Die Theater 116 117 Badisches Theater Staats­theater Stadttheater NATIONALTHEATER Theater Staatstheater JUNGES ENSEMBLE SChauspielbühnen Heilbronn Karlsruhe Konstanz MANNHEIM Pforzheim Stuttgart STUTTGART STUTTGART Gründung: 1951 (seitdem in verschiedenen Gründung: 1719 Gründung: 1607 Gründung: 1779 Gründung: um 1900 Gründung: 1750 Gründung: Spielzeit 2003/04 Gründung: 1984 Rechtsformen) Rechtsträger: Land Baden-Württemberg Rechtsträger: Stadt Konstanz Rechtsträger: Eigenbetrieb der Stadt Rechtsträger: Stadt Pforzheim Rechtsträger: Land Baden-Württemberg Rechtsträger: Verein Kinder- und Jugend- Rechtsträger: Schauspielbühnen in Stutt- Rechtsträger: seit 1. Januar 1982 Eigenbe- Mannheim kultur e.V. gart – Altes Schauspielhaus und Komödie im Generalintendanz: Peter Spuhler Intendanz: Prof. Dr. Christoph Nix Intendanz: Gustl Weber (Verwaltungsdirek- Intendanz: Jossi Wieler (Intendant Oper trieb der Stadt Heilbronn Marquardt e. V. Intendanz: Dr. Ralf Klöter (Geschäftsführen- tor), Wolf Widder (Operndirektor), Stuttgart), Reid Anderson (Intendant Intendanz: Brigitte Dethier Verwaltungsdirektion: Michael Obermeier Verwaltungsdirektion: Sabine Bilharz-Jones Intendanz: Axel Vornam (und kaufmänni- der Intendant), Prof. Dr. Klaus-Peter Kehr Murat Yeginer (Schauspieldirektor) Stuttgarter Ballett), Hasko Weber (Intendant Intendanz: Manfred Langner Verwaltungsdirektion: Dr. Conrad Solloch scher Betriebsleiter) Sparten: Oper/ Ballett/ Schauspiel/ Konzert/ Sparten: eine, mit integriertem Kinder- und (Intendant Oper), Burkhard C. Kosminski (In- Schauspiel Stuttgart), Marc-Oliver Hendriks Verwaltungsdirektion: Uwe Dürigen Verwaltungsdirektion: Ines Pieper Junges Staatstheater/Volkstheater Jugendtheater tendant Schauspiel), Kevin O´Day (Intendant (Geschäftsführender Intendant) Sparten: Kinder- und Jugendtheater Verwaltungsdirektion: – Ballett), Andrea Gronemeyer (Intendantin Sparten: 3 (Musiktheater, Schauspiel, Ballett) Sparten: Schauspiel, Musical, International Leitung Kinder- und Jugendtheater: Leitung Kinder- und Jugendtheater: Verwaltungsdirektion: – Anzahl der beschäftigten Künstler: Sparten: Schauspiel Schnawwl) Theatre Ulrike Stöck N.N. Anzahl der beschäftigten Künstler: 211 Fest: 4 Schauspieler, 5 Theaterpädagogen, Sparten: Oper Stuttgart, Stuttgarter Ballett, Anzahl der beschäftigten Künstler: 170 Verwaltungsdirektion: Dr. Ralf Klöter Mitarbeiter (davon 136 künstlerisch Tätige) 1 Dramaturg, 1 Regieassistent sowie zahl­ Anzahl der beschäftigten Künstler: durch- Anzahl der beschäftigten Künstler: 385 Anzahl der beschäftigten Künstler: 22 Schauspiel Stuttgart Mitarbeiter (davon 21 Schauspieler) reiche gastweise engagierte Künstler schnittl. 100 Mitarbeiter, plus durchschnittl. Sparten: Oper, Schauspiel, Ballett, Theater für Spielstätten: 2 (Großes Haus, Podium und Spielstätten: Großes Haus / Kleines Haus / Spielstätten: 3 feste Spielstätten in Kons- Anzahl der beschäftigten Künstler: rund (ca. 30 pro Spielzeit) 100 künstler. Personal pro Spielzeit Spielstätten: Großes Haus (705 Plätze); junges Publikum „Schnawwl“ temporäre Außenspielstätten) Studio / Insel/ Sonstige tanz, plus Sommertheater in Überlingen 1.300 Personen Komödienhaus (314 Plätze), Spielstätten: 3 Spielstätten: Altes Schauspielhaus, Komödie Anzahl der beschäftigten Künstler: 370 Anzahl der Premieren: ca. 24 (Spielzeit Kammerspiele (120 Plätze) Anzahl der Premieren: 45 (Spielzeit 2011/12) Anzahl der Premieren: 29 Spielstätten: Opernhaus, Schauspielhaus, im Marquardt, Theater unterm Dach, Theater 2012/2013) Anzahl der Premieren: 5 – 6 Premieren Spielstätten: Opernhaus, Schauspielhaus, Nord, Kammertheater, Liederhalle über den Wolken Anzahl der Premieren: 25 Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Schauspiel, 5 – 6 Premieren Spielclubs Studio, Schnawwl und Junge Oper in der Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: 786 (Spielzeit 2011/12) 981 (Spielzeit 2011/12) Anzahl der Premieren: ca. 35 – 40 pro Anzahl der Premieren: 14 – 18 Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Alten Feuerwache, Tanzhaus Alstom und 385 Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Spielzeit ca. 550 Gesamtbesucherzahl: 275.623 (Spielzeit Gesamtbesucherzahl: 101.751 (Spielzeit weitere diverse Außenspielstätten 404 (Spielzeit 2011/12) Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Gesamtbesucherzahl: ca. 135.000 2011/12) 2011/12) Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: ca. 650 Gesamtbesucherzahl: ca. 170.000 Anzahl der Premieren: ca. 40 Gesamtbesucherzahl: 42.060 (Spielzeit Etat: ca. 13,3 Mio. Euro ca. 980 inkl. Gastspiele auswärts und Begleit- Etat: 43,72 Mio. Euro (Haushaltsjahr 2012) Etat: 6,7 Mio. Euro 2011/12) Gesamtbesucherzahl: ca. 200 000 Etat: 5,95 Mio. Euro von der Stadt Heilbronn, Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: veranstaltungen www.theater-pforzheim.de 3,36 Mio. Euro vom Land Baden-Württem- www.staatstheater.karlsruhe.de www.theaterkonstanz.de ca. 1.100 Etat: ca. 2 Mio. Euro Etat: 6,1 Mio. Euro Gesamtbesucherzahl: ca. 450.000 berg Gesamtbesucherzahl: ca. 330.000 www.jes-stuttgart.de www.schauspielbuehnen.de Etat: ca. 95 Mio. Euro hälftig getragen von www.theater-heilbronn.de Etat: 53 Mio. Euro der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg www.nationaltheater-mannheim.de www.staatstheater-stuttgart.de

118 119 Landestheater junges Württemberg-Hohen­ Theater akademietheater zollern Tübingen ULM ulm Reutlingen Gründung: 1781 Gründung: 1. März 1996 Gründung: 1947 Rechtsträger: Stadt Ulm Rechtsträger: gemeinnütziger Verein Rechtsträger: Land Baden-Württemberg Intendanz: Andreas von Studnitz Intendanz: Ralf Rainer Reimann (Intendant), Intendanz: Simone Sterr Dr. Manfred Jahnke (Künstlerischer Leiter) Verwaltungsdirektion: Angela Weißhardt Verwaltungsdirektion: Thomas Heskia Verwaltungsdirektion: Ralf Rainer Reimann Sparten: Musiktheater, Ballett, Schauspiel, Sparten: Schauspiel, Kinder- und Jugend- (GF) Konzertwesen, Junges Forum theater Ziele und Aufgaben Sparten: Sprechtheater KiJu/Erwachsenen- Anzahl der beschäftigten Künstler: Leitung Kinder- und Jugendtheater: und Figurentheater/Theaterpädagogische 111 im Festengagement (Schauspielen- Michael Miensopust Die im Land Baden- Württemberg ansässigen Mitglieder des Deutschen Bühnenver- Der Landesverband Baden- Württemberg unterstützt den Deutschen Bühnenverein Projekte semble, Musiktheater-Solisten, Opernchor, eins e. V., Bundesverband Deutscher Theater und Orchester, mit Sitz in Köln, bilden bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Anzahl der beschäftigten Künstler: 24 Philharmonisches Orchester der Stadt Ulm, Anzahl der beschäftigten Künstler: 12 den Landesverband Baden-Württemberg. Er gehört damit zu den insgesamt acht Ballettensemble) Spielstätten: Großer Saal, Werkstatt und Spielstätten: 4 Landesverbänden des Deutschen Bühnenvereins. Hierzu gehören insbesondere LTT-oben Spielstätten: Hauptspielstätten Großes Haus Anzahl der Premieren: 42 (Stücke, Lesun- und Podium sowie Foyerbühnen, Congress Anzahl der Premieren: 20 gen, Performances, Konzerte, Ausstellungen In Übereinstimmung mit den Aufgaben des Deutschen Bühnenvereins verfolgt der die ihm durch die Satzung des Deutschen Bühnenvereins Centrum Ulm (Philharmonische Konzerte), etc.) Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Ulmer Münster, Open Air alle zwei Jahre auf Landesverband Baden-Württemberg den Zweck, die ihm angehörenden Theater und ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben. 853 der Wilhelmsburg; dazu kommen produkti- Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Orchester zu erhalten, zu festigen und fort zu entwickeln. Er will sie bei der Erfüllung onsbezogene Spielstätten wie Gedenkstätte 277 (Spielzeit 2011/12) Gesamtbesucherzahl: 115.000 seiner Aufgaben fördern, ihre Gesamtinteressen wahrnehmen, den Erfahrungs- die Beratung der Mitglieder im Bereich des Landesverbandes. Oberer Kuhberg, Theaterkantine, Gewölbe- Gesamtbesucherzahl: 44.100 (Spielzeit keller unter der Valentinskapelle Etat: 6,5 Mio. Euro austausch unter Ihnen pflegen sowie der Gesetzgebung und Verwaltung mit Rat 2011/12) und Gutachten dienen. Dabei wird eine enge Zusammenarbeit seiner Mitglieder die Vorberatung von Anträgen an die Organe des Deutschen Bühnenvereins. Anzahl der Premieren: 26 (Spielzeit www.landestheater-tuebingen.de Etat: 400.000 Euro (davon Zuschüsse 124.200 2012/2013) untereinander und mit den verwandten Institutionen angestrebt und insbesondere Euro Stadt Ulm/47.100 Euro Land Baden- das Zusammenwirken zwischen den Rechtsträgern und den künstlerischen Leitern die Erledigung der Aufgaben, die dem Landesverband von der Hauptversammlung Anzahl der Aufführungen pro Spielzeit: Württemberg) ca. 550 (variiert in jedem Jahr leicht) gefördert. oder dem Verwaltungsrat des Deutschen Bühnenvereins allgemein oder im Einzel- www.adk-ulm.de fall übertragen werden. Gesamtbesucherzahl: 188.579 (Spielzeit 2011/2012) Im Übrigen nimmt der Landesverband Baden-Württemberg die regionalen Aufgaben Etat: ca. 17 Mio. Euro im Bereich des Landesverbandes Baden-Württemberg in eigener Verantwortung www.theater.ulm.de wahr; er hat das Recht, Anträge an den Deutschen Bühnenverein, insbesondere an Hauptversammlungen und Verwaltungsrat zu stellen.

www.landesverband-badenwuerttemberg-dbv.de

120 121 Applausordnung

Impressum

Fotos: Fotografennennung beim Motiv. Be­ reitgestellt von den Theatern, von Archiven sowie den Fotografen. Historische Fotos in Einzelfällen aus dem jeweiligen Theaterta­ Dieses Buch ist nur durch den Einsatz und die Unterstützung von vielen Seiten Manfred Jahnke für seinen profunden Beitrag aus der Sicht eines langjährigen ge-Programmbuch gescannt (1968, 1970, Martina Leidig, Studium der Thea- Andreas Jüttner, geboren 1970, jour- möglich geworden. Beobachters des Kinder- und Jugendtheaters in Baden-Württemberg. 1983, 1985). terwissenschaft mit Abschluss an der nalistisch tätig seit 1990, volontierte Universität Wien. Daneben Dramatur- ab 1998 bei den „Badischen Neuesten Herzlich gedankt sei an dieser Stelle: Allen Theater-Pressestellen sowie den Stadt- und Zeitungsarchiven, Foto Vorderseite: Carola Hölting („An der gieassistenzen am Burgtheater Wien. Im Nachrichten“ Karlsruhe und ist dort seit die hilfsbereit schnellstmöglich jegliches auffindbare Material zur Verfügung Arche um Acht“, Theater Ulm, 2007/08) ersten Engagement Dramaturgin und 2000 Kulturredakteur, seit 2010 stell- Dem Deutschen Bühnenverein Landesverband Baden-Württemberg gestellt haben. später Leiterin des Kinder- und Jugend- vertretender Ressortleiter. Studium der ­(Vorsitzender: Ulrich von Kirchbach, Geschäftsführer: Dr. Dieter Deuschle) für die Fotos der Gesprächsrunden: Andreas Jüttner theaters an der Badischen Landesbüh- Deutschen und Englischen Literaturge- Initiative, eine Dokumentation der Baden-Württembergischen Theatertage erstellen Murat Yeginer, Gustl Weber, Uwe Dürigen, Anita Molnar und Tina Züscher ne Bruchsal. Über mehrere Spielzeiten schichte sowie Theaterwissenschaften zu lassen, sowie für den Auftrag und für die Unterstützung bei dieser Aufgabe. vom Theater Pforzheim. Redaktion, Interviews, historische Dramaturgin am Schauspielhaus Zürich. in Erlangen, dort 1995 Gründung und Dokumentation: Andreas Jüttner Im Anschluss für 3 Semester Lehrauf- Leitung der Festivalzeitung „spots“ zum Dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Unser besonders herzlicher Dank gilt Achim Thorwald, der uns großzügig trag an der Hochschule für Gestaltung internationalen Theaterfestival „Arena“. Baden-Württemberg­ für die finanzielle Unterstützung. ­sämtliche relevanten Unterlagen aus seinem umfangreichen Privatarchiv zur Konzept, Koordination, redaktionelle HfG Karlsruhe. Als freischaffende 2005 Mitglied im ersten Jahrgang des ­Verfügung gestellt und auch mit weiterführenden Auskünften den Einstieg in Mitarbeit: Martina Leidig Dramaturgin am Theater Bern, Theater Stipendienprojektes „Festivalzeitung“ Allen Gesprächspartnern für den anregenden Austausch, die erhellenden die historischen Aspekte erheblich erleichtert hat. Baden-Baden, Staatstheater Karlsruhe, beim Berliner Theatertreffen. Autor ­Einblicke – und für das kurzfristige Unterbringen der gemeinsamen Interview-­ Herausgeber: Deutscher Bühnenverein, Stadttheater Ingolstadt. für „Theater heute“ und „Die Deutsche Termine mit teils mehrstündiger Anreise in ihre vollen Terminkalender. Landesverband Baden-Württemberg Bühne“, Mitglied diverser Jurys (u.a. Organisationsleitung und Mitglied der ­Heidelberger Stückemarkt 2009). Gestaltung: HWS converso GmbH, Künstlerischen Leitung der Baden- Pforzheim Württembergischen Theatertage 2005 Theater Baden-Baden, 2011 Staatsthea- Druck: Alpha Druckhaus GmbH, Birkenfeld ter Karlsruhe, 2013 Theater Pforzheim.

Redaktionsschluss: 16. Mai 2013

122 123 Seit 1968 richtet der Landesverband Baden-Württemberg des Deutschen Bühnenvereins die Baden-Württembergischen Theatertage aus. Doch was hat sich alles getan in diesen 45 Jahren Theatergeschichte? Warum lag vor der dritten Ausgabe 1977 eine lange Pause – und mit welchem ehrgeizigen Ziel wurde beim Neustart dann bundesweit Aufmerksamkeit erregt? Warum wirken die Theatertage von 1981 bis heute nach? Welche Inszenierung gastierte erst in China und dann bei den Theatertagen? Wann waren Beiträge von Johann Kresnik, René Pollesch oder Armin Petras zu sehen? Wann traten Gert Voss, Otto Sander oder Bernhard Minetti auf? Von welchem zeitgenössischen Autor standen 2009 gleich drei Stücke im Programm?

Diese und andere historische Fragen beantwortet dieses Buch mit einer Chronik der bislang 20 Festival-Ausgaben sowie Interviews mit Zeitzeugen, die das Festival geprägt haben und von ihm geprägt worden sind. Weil Theater aber immer eine Gegenwartskunst ist, wurden zudem ausführliche Gespräche geführt mit Theaterleuten, die gegenwärtig an den Landes-, Stadt- und Staatstheatern im Land wirken. Sie bieten Rückblicke, Einblicke und Ausblicke auf das Geschehen in dieser besonderen Bühnenlandschaft, die zu durchreisen dieses Buch einladen möchte.

Herausgegeben von Unterstützt von

Baden-Württemberg MINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT, FORSCHUNG UND KUNST