Historischer Atlas 4, 22 Von Baden
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HISTORISCHER ATLAS 4, 22 VON BADEN-WÜRTTEMBERG Erläuterungen Beiwort zur Karte 4,22 Ortsgrundriß, Grundherrschaft und Sozialstruktur (Beispiele) Einleitung VON HERMANN GREES 1. Bernstadt VON HERMANN GREES 6. Westerstetten VON HERMANN GREES 2. Obersulmetingen VON HERMANN GREES 7. Grötzingen VON GUDRUN SCHULTZ 3. Merklingen VON HERMANN GREES 8. Rintheim VON MEINRAD SCHAAB 4. Breitenholz VON HERMANN GREES 9. Spechbach VON MEINRAD SCHAAB 5. Altheim (Alb) VON HERMANN GREES 10. Brühl VON MEINRAD SCHAAB Einleitung Die Auswahl der Beispiele für dieses Kartenblatt er- Vier Beispiele stammen aus Baden (untere Reihe), folgte nicht nach systematischen Gesichtspunkten. Im die übrigen aus Württemberg. Diese Unterscheidung Unterschied etwa zu der formalen Siedlungstypologie, ist insofern wichtig, als für die württembergischen die der Karte 4,16 zugrunde liegt, soll hier die Vielfalt Beispiele als Kartengrundlage und gleichzeitig als historischer Dorfstrukturen, wie sie sich in der jeweili- sicherer Ausgangspunkt für die Ortsanalyse die würt- gen sozialen Zusammensetzung der Gemeinde und in tembergischen Flurkarten im Maßstab 1:2500 mit dem den grundherrschaftlichen Verhältnissen zeigt, an un- dazugehörigen Primärkataster (1818-1840) zur Verfü- terschiedlichen Beispielen aus verschiedenen Teilen gung stehen, die auch eine Fortschreibung bis zur des Landes demonstriert werden. Die Auswahl der Gegenwart ohne prinzipielle Schwierigkeiten ermög- Beispiele mußte sich dabei nach bereits vorliegenden lichen. Für die badischen Beispiele mußte auf ältere entsprechenden Ortsanalysen richten, deren Zahl nicht Katasteraufnahmen aus dem 18.Jahrhundert mit unter- sehr groß ist, so daß sich die dargestellten Orte auf das schiedlichen und auch unterschiedlich genauen Flur- nördliche Oberrheinische Tiefland mit dem Kraichgau karten zurückgegriffen werden. Als einheitliche sowie die mittlere und östliche Schwäbische Alb samt Grundlage für die kartographische Darstellung kam dem nördlichen Oberschwaben konzentrieren mit ei- nur die Deutsche Grundkarte mit Ausgaben aus der nem Beispiel auch aus dem Neckarland. Nimmt man Nachkriegszeit in Frage (1959-1965). Das hat zwar aber die übrigen Atlasbeispiele hinzu, in denen u.a. ja den Vorteil, daß aus der Kartengrundlage auch die auch auf die jeweilige Ortsstruktur eingegangen wird, jüngere Entwicklung abgelesen werden kann. Der zeit- so ergibt sich doch eine recht gute regionale Streuung: liche Abstand zum eigentlichen Karteninhalt ist aber Von den 19 Beispielen liegen 5 im Oberrheinischen wesentlich größer als bei den württembergischen Tiefland mit Kraichgau, 3 im Schwarzwald, 3 im Nek- Beispielen. karland, 5 auf der Schwäbischen Alb und 3 im Alpen- Ein weiterer Unterschied zwischen den badischen vorland. Durch die Beispiele im Beiheft zu Karte 4,16 und den württembergischen Beispielen, der von größ- wird die Streuung zugunsten des Neckarlandes (Keu- ter Bedeutung auch für den dargestellten Sachverhalt perbergland, Neckarbecken), des Alpenvorlandes und ist, liegt darin, daß die badischen Dörfer alle aus einem des Schwarzwalds noch verbessert. Gebiet stammen, in dem über Jahrhunderte die »Real- teilung« üblich oder mindestens möglich war, während 1 4,22 HERMANN GREES / EINLEITUNG sich unter den württembergischen Beispielen nur ein Im Unterschied zu Atlasblatt 4,14 gehören die Sied- Realteilungsdorf befindet, Breitenholz. Aber gerade an lungen dieses Blattes zum Altsiedelland im Sinne diesem Beispiel ist es möglich, für jedes Anwesen zu Robert Gradmanns mit Ausnahme allenfalls von Rint- zeigen, wie weit die Teilungen seit dem beginnenden heim, einer »hochmittelalterlichen Rodungssiedlung« 16.Jahrhundert gingen, wobei freilich auch früher schon (trotz des Namens) im Randbereich. Neben Altsied- geteilt worden sein muß. lungen, die sich im übrigen durch ihre Ortsnamen als Die übrigen Beispiele sind neuwürttembergische Dör- solche ausweisen, sind allerdings auch einige jüngere fer, die vor 1810 bzw. 1803 zum Gebiet der Reichsstadt Ausbausiedlungen darunter (Spechbach und Breiten- Ulm gehörten (Merklingen, Bernstadt, Altheim seit dem holz gehören zum Beispiel mit Sicherheit dazu). Auch 14./15.Jahrhundert) oder zu klösterlichen Herrschaften wenn zweifellos ein enger Zusammenhang zwischen (Westerstetten zu Kloster Elchingen seit dem Ort und Flur besteht, soll sich hier aus praktischen 15.Jahrhundert, Obersulmetingen zu Kloster Ochsen- Gründen die sozialräumliche Analyse auf die Ortschaft hausen seit 1699, vorher wechselnde adlige Herrschaf- beschränken und die Flur weitgehend unberücksichtigt ten). Dies hat zwei wichtige Konsequenzen: lassen. Der Grundriß mit den Eintragungen kann frei- 1. Es handelt sich hierbei in der Zeit der konservativen lich die herrschaftlichen und sozialen Verhältnisse nur Stadt- und der Klosterherrschaft um »geschlossene« sehr unvollkommen widerspiegeln, deshalb müssen Dörfer, in denen weder die Gemeinde als Genossen- die dazugehörigen Beschreibungen relativ ausführlich schaft ihrer Mitglieder noch das Dorf als Siedlung er- sein. weitert werden durfte (abgesehen von den wenigen In der Mehrzahl der Beispiele handelt es sich um Kleinhäuslern des 17./18.Jahrhunderts). »Haufendörfer mit Gewannfluren«. Auf Karte 4,16 2. In diesen geschlossenen Dörfern konnte sich eine sind nur Spechbach und Westerstetten als »Straßen- sehr viel klarere, stabilere soziale Schichtung ausbilden dörfer« ausgewiesen (1850). Für Spechbach trifft das und halten als in den Realteilungsdörfern, in der Abstu- auch 1787 zu, wenn man den Begriff nicht zu eng faßt. fung Bauer, Seldner als Gemeindegenosse anfangs mit Brühl und Rintheim sind dagegen im 18.Jahrhundert geringerem Recht, Häusler und ähnliche als Dorfbe- noch weitgehend von linearer Gestalt und werden al- wohner ohne Mitgliedschaft in der Gemeinde. Die Vor- lenfalls durch die jüngeren Erweiterungen zu Haufen- gänge der Dorfentwicklung, auf welche diese soziale dörfern. Umgekehrt erweist sich das »Straßendorf« Schichtung und ihr siedlungsgeographischer Nieder- Westerstetten durch die sozialräumliche Analyse als schlag schließen lassen, müssen also in eine Zeit zu- kleines Haufendorf, als Haufenweiler mit jüngerer li- rückreichen, in der die Dörfer noch nicht gegen jeden nearer Erweiterung entlang einer alten Römerstraße. Zuwachs abgeschlossen waren. Dieser Unterschied zu Schon allein durch diese Bemerkungen zeigt sich, den »offenen« Realteilungsdörfern hat es auch verhin- wie problematisch der Begriff Haufendorf ist. Er hat dert, daß eine durchgehende gemeinsame Legende für die Funktion einer Restgröße, der weitaus die Mehr- alle Beispiele aufgestellt werden konnte. zahl aller Dörfer des Altsiedellandes zugeordnet wird Bei den hier dargestellten Beispielen gibt es auch Un- (siehe Karte 4,16). Das ist so lange nicht zu bean- terschiede in den Funktionen der Orte. Neben der tra- standen, als man damit nicht die Vorstellung des ditionellen Landwirtschaft, der Dreifelderwirtschaft mit Amorphen und Ungegliederten, des Zufälligen und Brache, am Oberrhein auch der Zweifelderwirtschaft Beliebigen verbindet. Keineswegs aber darf es die (Rintheim), spielt in einigen Dörfern der Weinbau mit Siedlungsforschung bei der Feststellung »Haufendorf« seiner bevölkerungsverdichtenden Wirkung eine ent- bewenden lassen. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, die scheidende Rolle für die Siedlungsentwicklung (Gröt- Komplexität eines Haufendorfes sichtbar zu machen zingen, Breitenholz), wobei sicher auch ein Zusam- und seine jeweilige Gliederung zu erklären, es als ge- menhang mit der Entwicklung der Erbsitten besteht. wachsenes Gebilde zu begreifen. Dies gilt spätestens, Außerdem sind einige der Dörfer auch kirchliche, herr- seitdem weitgehend anerkannt ist, daß unsere großen schaftliche oder administrative Mittelpunkte (Amtssitze Dörfer des Altsiedellandes so, wie wir sie im 18./ zum Beispiel in Altheim, Bernstadt und Merklingen). 19.Jahrhundert fassen können, nicht gegründet worden Dabei ist es wichtig, ob die Herrschaft am Ort präsent sein können. Sie haben sich aus kleineren Anfängen ist, wie zum Beispiel in Grötzingen und Obersul- und einfacher strukturierten Formen entwickelt, denen metingen, wobei in beiden Fällen die einstige Funktion man mit Hilfe einer Analyse der herrschaftlichen und als Marktflecken vielleicht von noch größerer Bedeu- sozialen Verhältnisse näherkommen kann, wie es auf tung war. Besonders am Beispiel von Obersulmetingen diesem Atlasblatt versucht wird. Damit erfaßt man läßt sich der Zusammenhang zwischen Markt und dann einen ganz wesentlichen Aspekt der Individu- Siedlungsentwicklung anhand der sozialräumlichen alität eines Dorfes, die ihm ebenso zukommt, wie sie Gliederung eindrucksvoll zeigen. In Spechbach als einer Stadt jederzeit fraglos zugestanden wird. einem pfälzischen Dorf ergibt sich ein interessanter Versucht man den so verschiedenartigen Beispielen Zusammenhang zwischen den konfessionellen Verhält- etwas Allgemeines, auch auf andere Übertragbares ab- nissen und der Sozialstruktur. zugewinnen, so zeigt sich als eine Möglichkeit der Entwicklung die Verbindung eines älteren Kernes mit 2 HERMANN GREES / EINLEITUNG 4,22 einer meist linearen Erweiterung (oder mehreren), die analyse sich mit der Entwicklung zu beschäftigen. zu unterschiedlichen Zeiten erfolgt sein kann. Dabei Eine umfassende Systematik ist nicht in Sicht, viel- gehören die Glieder einer solchen Wachstumsphase leicht wird es sie nie geben. Einstweilen ist man darauf meist derselben sozialen Gruppierung zu. Diesem angewiesen, sich hermeneutisch um den Einzelfall zu Muster lassen sich sicher die Beispiele