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MITT.ZOOLGES.BRAUNAU Bd. 8. Nr. 2:193-197 Braunaua.!.. Oktober 2002 ISSN 0250-3603

Feststellungen von Feld-Sandläufem campestrismA Dünen- Sandläufern Cicindela hybrida am unteren Inn in Niederbayern

von JOSEF H.REICHHOLF

Die Sandlaufkäfer oder Sandläufer bilden che Mittelbinde auf den Flügeldecken unter- eine eigene Familie Cicindelidae, die sich in scheidet sich bei beiden, trotz erheblicher einer Reihe bedeutender Merkmale von den Variabilität, im Ausmaß von Breite und Knik- Laufkäfern (Familie Carabidae) unterscheidet. kung(Abb.i). Auffälligste Eigenschaft ist ihre außerge- Eine genaue Untersuchung der Käfer ist wöhnlich gute Flugfähigkeit. Sie können vom daher für die sichere Bestimmung unerläss- Stand aus oder aus dem schnellen Lauf her- lich, so dass ein kurzzeitiger Fang geboten ist, aus blitzschnell starten und in weiten Bögen auch wenn die Sandlaufkäfer dem Arten- davonfliegen, was mitunter auch ziemliche schutz unterliegen. Geeignete Bestimmungs- Schwierigkeiten bereitet, wenn man, bei literatur ist vorhanden, um die Käfer diagno- heißer Witterung etwa, die Käfer fangen stizieren zu können, ohne sie zu töten möchte. Für die genaue Bestimmung ist je- (TRAUTNER & GEIGENMÖLLER 1987, WACHMANN, doch nicht selten ein Fang unerlässlich, da PLATEN & BARNDT 1995). Weniger Schwierig- die Arten regelrechte Artenschwärme bilden, keiten bereitet der grünmetallische, durch innerhalb derer die einzelnen Spezies einan- zwei auffällig gelbe, rundliche Flecken auf den der sehr ähneln. So lassen sich zum Beispiel Flügeldecken, die dunkel eingefasst sind, die beiden Sandläufer-Arten Cicindela hybrida schon auf einige Entfernung gekennzeichnete und C. silvicola nur bei sehr genauer Überprü- Feld-Sandläufer Cicindela campestris in sei- fung minutiöser Merkmale unterscheiden: nem mitteleuropäischen Arealkemgebiet. Die Beim Berg-Sandläufer C. silvicola trägt die verschiedenen Arten trennen sich ökologisch Stirn eine weiße Behaarung, die dem Dünen- ziemlich gut in der Wahl ihres Lebensraumes, Sandläufer C. nybridaiehk. Bei diesem trägt und können daher vielfach allein schon an- das 1. Fühlerglied nur an der Spitze einige hand des Biotops grob zugeordnet werden wenige weiße Borsten, während es bei C. (TRAUTNER &DETZEL 1994). sylvicola zahlreiche Borsten trägt. Die weißli-

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Abb. 1: Flügeldecken-Zeichnung von Dünen- Chybrida, Berg- Cs/Mco/aund Wiener Sandläufer Carenaria viennensis (nach TRAUTNER & GEIGENMÜLLER 1987). Fig. 1: Characteristic wing pattern of Chybrida, CsilvicolawA Carenaria accoMmg to TRAUTNER & GEIGENMÖLLER 1987.

Hügeldecken (Elytren) Zeichnung von Dönen-Sandläufer Cicindela hybrida Berg-Sandläufer Cicindela silvicola Wiener Sandläufer Cicindela arenaria viennensis

sehr kleines Exemplar

£ hybrida C. silvicola Carenaria 11 -16 mm 12-17 mm 6.5-10.5 mm Gesamtlänge des Käfers

Feld-Sandläufer Cicindela campestris

Alle Feststellungen stammen vom Eringer wanderweg und der Erhöhung. Folgende Damm flussaufwärts vom Innkraftwerk Ering- Daten liegen in den Notizbüchern des Verfas- Frauenstein vor dessen Ausbau zum Rad- sers vor:

9. April 1969 1 Ex. bei Russ-km 49/5 und 1 Ex. bei Russ-km 50/2 auf der Dammkrone. 1. Mai 1973 Eine Anzahl von Larven-Löcher auf dem Eringer Damm im selben Abschnitt, die in Form und Größe und ihrer vereinzelten Verteilung C. campestris zugeordnet werden können. 9. Mai 1981 1 Ex. auf diesem Dammabschnitt, bei Annäherung abfliegend 9. April 1986 1 Ex. " 17. April 1988 1 Ex. + 2 tot getretene oder von Fahrrad überfahrene auf diesem Abschnitt 16. Mai 1988 4 Ex. in diesem Dammabschnitt 2.Mai1990 "mehrere" " (3 - 5 wahrscheinlich)

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Am sehr ähnlich aufgebauten und fast im Randbereich zum (meistens trockenen gleich alten Egglfinger Damm fand ich dage- oder nur sehr wenig verockertes Wasser gen in 35 Jahren regelmäßiger Begehung zur führenden) Sickergraben. Dafür spricht das "passenden" Zeit keine Feld-Sandläufer. Es neuerdings dort auch festzustellende Vor- wäre vorstellbar, dass sich am Eringer Damm kommen des Schweizer Moosfams Selaginel- nach den in den letzten Jahren durchgeführ- la helvetica, der früher kennzeichnend mit ten Pflegemaßnahmen neue Ansiedlungs- großen Beständen im Bereich des Feld- oder Existenzmöglichkeiten für diese Art am Sandläufer-Vorkommens auf der Dammkrone Dammfuß landseitig ergeben, und zwar direkt gewesen war.

Dünen-Sandläufer Cicindela hybrida

Von dieser insbesondere auf größerflächi- Die eigentlich extrem geringe Zahl von gen Sandanschwemmungen des Inns nach Feststellungen des Dünensandläufers an Hochwassern, wie sie vor allem im Stauwur- einem so buchstäblich sandträchtigen Fluss zelbereich der Stauseen auftreten können, zu gibt Anlass zu einigen nachträglichen Überle- erwartenden, meist in Gruppen oder größeren gungen. Denn C. hybrida kommt zum Beispiel Kolonien lebenden Art fand ich nur ein einzi- an der Isar südlich von München recht häufig ges Vorkommen in einer aufgelassenen und auch in vergleichsweise großen Kiesgrube in der Au flussaufwärts von "Kolonien" vor. Egglfing: Am 16. April 1971 waren auf einer Möglicherweise wirken zwei Umstände etwa 10 m2 großen Sandstelle ohne Be- für den Dünen-Sandläufer am unteren Inn wuchs bei 23°C Lufttemperatur 6 Cicindela ungünstig zusammen. Die eine Gegebenheit hybridaattw. Drei Monate später, am 16. Juli hängt mit der üblichen jahreszeitlichen Dy- 1971, notierte ich ca. 20 Käfer dieser Art an namik der Wasserführung zusammen, die diesem Ort. den Inn als typischen (Früh) Sommerhoch- Eine weitere Feststellung von einem Käfer wasser-Fluss kennzeichnet. Gerade in den dieser Art am 26. April 1986 auf dem Eringer Monaten des Sommerhalbjahres, von Mai bis Damm im Bereich des C. campestris- August in der Regel, bringt der Inn recht viel Gebietes bleibt ohne Belang, weil der Dünen- Schmelzwasser aus dem zentralalpinen Ein- Sandläufer hier keine geeigneten Biotopver- zugsbereich und gibt gerade zu dieser Zeit hältnisse hätte finden können und somit kaum Sandbänke lange genug frei, dass sich höchstens einen Kurzzeitaufenthalt eingelegt Sandläufer-Kolonien etablieren könnten. Die- hatte (auf der Suche nach einem besseren se natürliche Wasserfährungs-Dynamik (vgl. Platz?!). Da Feld- und Dünen-Sandläufer leicht Abb. 1 in REICHHOLF 2001) wird durch die voneinander zu unterscheiden sind, lässt sich Effekte der Stauhaltungen am unteren Inn eine diesbezügliche Verwechslung aus- noch verstärkt, weil in die Länge gezogen; vor schließen. Nicht aber eine andere Möglich- allem in den Sommer hinein. Deshalb besie- keit, nämlich dass es sich um einen Berg- delte C. hybrida, wie das beispielsweise auch Sandläufer C. si/vicola gehandelt hatte, der überwiegend in Baden-Württemberg der Fall dem Dünen-Sandläufer sehr ähnlich sieht. ist (TRAUTNER & DETZEL 1994), die Sandstelle Gegen diese Möglichkeit spricht allein der Ort in der aufgelassenen Kiesgrube, deren Exi- des Vorkommens. stenz in geeignetem Zustand aber von zu kurzer Dauer war. Für den Feld-Sandläufer

195 © Mitt. Zool. Ges. Braunau/Austria; download unter www.biologiezentrum.at hingegen waren die alten Dämme vor ihrer ßen Kiesgruben gesucht werden, wo an den Umwandlung zu Femradwanderwegen gera- Steilhängen unter Umständen auch die öko- de so gut geeignet wie etwa Waldwege, die logische "Nachbarart", der Berg-Sandläufer zu den Hauptvorkommen dieser Sandläuferart Cicindela silvicola, vorkommt (und anhand in Mitteleuropa zählen. Dünen-Sandläufer der beschriebenen Merkmale von C. hybrida sollten daher im Inntal insbesondere in gro- zu unterscheiden ist).

Vorkommen des Wiener Sandläufers am unteren Inn ?

Der Wiener Sandläufer Cicindela arenaria Wie zu dieser Art speziell beschrieben, viennensis könnte nach Lage seines Areals entwickelt gerade der untere Inn großflächig und von den speziellen Ansprüchen an seinen solche Feinsand- und Schlickbänke, wie sie Lebensraum durchaus auch am unteren Inn etwa 1963/64 im Delta der Salzachmündung vorkommen und ist von mir möglicherweise vorhanden waren oder bei der Bildung der auch in den frühen 60er-Jahren des 20. Jahr- Inseln und Halbinseln von 1965 bis 1973 im hunderts an der Salzachmündung und im Egglfinger Stausee am bayerischen Ufer, Staubereich von Eggrfing-Obernberg beob- später bei der Entwicklung der großen Kat- achtet, aber nicht erkannt worden. Dieser zenberger Insel mitten im Fluss und danach kleine kupfergrünlichbraun glänzende, stark wieder auf den noch jüngeren Schlickbänken an den Dünensandläufer erinnernde Käfer am Ende des Leitdammes in der Kirchdorfer trägt kräftiger geschwungene gelbliche Bin- Bucht des Stausees Eggrfing-Obernberg vor- den auf den Flügeldecken, die mit einem handen waren. Möglicherweise verändern flachen C beginnen (Ansatzbereich der Deck- sich diese Schlickbänke aber zu rasch oder flügel) und dann im Mittel- und Endstück sie werden zu häufig und zu lang anhaltend jeweils eine W-artige, stark geschwungene von hohen Wasserständen im Sommer be- Binde bilden. Am Außenrand der Flügeldecke einträchtigt als Lebensraum für diesen Käfer. fließen die Binden ineinander zu einer gelben Ein echter Laufkäfer dagegen, der Uferlaufkä- Randleiste zusammen. Größe nur 6,5 bis 10,5 fer Elaphrusriparius, hat diese Schlickufer in mm [C. hybrida'm Vergleich dazu mit 11 -16 großen Beständen genutzt. mm erheblich und auffallend größer!). Der Ich meine, mich an "davonfliegende Käfer" Wiener Sandläufer, nach der hier möglicher- bei den damaligen Exkursionen zu den neuen weise vorkommenden Unterart so bezeich- Schlickbänken im Delta der Salzachmündung net, besiedelt feinsandig-schlammige Ufer; im Sommer 1963 und 1964 oder nach dem also eigentlich genau das Substrat, das sich Hochwasser 1965 erinnern zu können, doch an den "jungen" Schlickbänken zeitweise sind diese Erinnerungen zu vage. Sie können großflächig am unteren Inn ausgebildet hat. jedoch Anlass geben, die gegenwärtigen Die Art war in Bayern 1939 letztmals am Verhältnisse auf diesen seltenen, nur sehr Lech festgestellt worden, galt danach als lokal vorkommenden Sandlaufkäfer hin ge- ausgestorben, wurde aber 1998 im Isartal nauer zu untersuchen. Das gilt auch für die unterhalb von Landshut wiederentdeckt (D. beiden nachgewiesenen Arten, den Feld- und FRANZEN in einem Vortrag in der Zoologischen den Dünensandläufer. Letztere könnten auch Staatssammlung München am 15. März in den großen Kiesgruben im niederbayeri- 2000). schen Inntal vorkommen.

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Zusammenfassung

Vom Eringer Damm am unteren Inn liegen Eindrücken zufolge und im Hinblick auf das von 1969 bis 1990 Einzelbeobachtungen von vor wenigen Jahren entdeckte Vorkommen Feld-Sandläufem Cicindela campestris vor, an der unteren Isar wäre auch mit dem Vor- während eine kleine und möglicherweise nur kommen des Wiener Sandläufers auf größe- kurzzeitig existierende Kolonie von Dünen- ren Schlickflächen am unteren Inn zu rech- Sandläufern 1971 in einer Kiesgrube im Au- nen, sofern diese nicht zu stark von hohem wald bei Egglfing gefunden wurde. Vagen Sommerwasserstand beeinflusst werden.

Summary

Notes on the Occurrence of the Tiger Cicindela campestris and C. hybrida near the Lower Inn River. Lower Bavaria

For the period from 1969 to 1990 several evidences for a former occurrence of the very observations of the Field Tiger Cicin- rare Viennese C. arenaria vien- dela campestris are listed for a certain nensis'm the decade of rapid upsilting of the Stretch of the dam upstreams of the Ering impoundments on the lower Inn river be- hydroelectric power plant on the lower Inn tween 1960 and 1975, which might be quite river. A small and perhaps unstable popula- plausible due to the very Special habitat con- tion of the Dune Tiger Beetle C. hybrida has ditions of fine sand and silt under quite wet been found in the year of 1971 in a gravel pit conditions. A thorough search after tiger within the riverine forest dose to the Inn beetles in the area is suggested, therefore. river. And there are also some circumstantial

Literatur

REICHHOLF, J.H. (2001): Der Inn - ein sommerkalter Fluss: Ökologische und klimatologische Aspekte seiner Wassertemperatur. MittZool.Ges.Braunau 8:1-19. TRAUTNER, J. & P. DETZEL (1994): Die Sandlaufkäfer Baden-Württembergs. Margraf Vlg. TRAUTNER, J. & K. GEIGENMÖLLER (1987): Tiger Beetles.Ground Beetles. Cicindelidae. Carabidae. Margraf Vertag, Weickersheim. WACHMANN, E., R. PLATEN & D. BARNDT (1995): Laufkäfer. Beobachtung, Lebensweise. Natur Buch Vertag, Augsburg.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Josef H. Reichholf Zoologische Staatssammlung Münchhausenstr. 21 D-81247 München

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