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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Entomologische Nachrichten und Berichte

Jahr/Year: 1996/1997

Band/Volume: 40

Autor(en)/Author(s): Trautner Jürgen

Artikel/Article: Historische und aktuelle Bestandssituation des Sandlaufkäfers arenaria Fuesslin , 1775 in Deutschland (Col., Cicindelidae). 83-88 © Entomologische Nachrichten und Berichte; downloadEntomologische unter www.biologiezentrum.at Nachrichten und Berichte, 40,1996/2 83

J. T rautner , Filderstadt

Historische und aktuelle Bestandssituation des Sandlaufkäfers Cicindela arenaria F u e s s l in , 1775 in Deutschland (Col., Cicindelidae)*

Summary The past and present status of Cicindela arenaria Fuesslin , 1775 in and the adjacent areas of as well as is shown. In addition to the eastern subspecies C. arenaria viennensis Schrk . the western subspecies C. arenaria arenaria is also considered native, based on a credible record for the German side of Lake Constance. However, it is extinct there since long, and was so probably already during the last century. C. a. viennensis presently occurs in regional areas in the upper Rhine valley as well as in the Mark Brandenburg, Saxonia and Sachsen-Anhalt. It inhabits only secondary habitats there, mainly in mining areas and gravel pits. The strong danger to the species and necessary measures for protection are described. A lasting protection of C. arena­ ria in Germany is only possible if the natural dynamic in flood plains along selected river sections is re-established. Because the species is at high risk in Central , there is a special responsibility for ist protection. The species should be included in the Appendices II and IV of the FFH-Guidelines of the European Communities Council.

Résumé La situation historique et actuelle de Cicindela arenaria Fuesslin , 1775 en Allemagne ainsis que les ré­ gions adjacentes, de la Suisse et de l’Autriche est démontrée. La race de l’est C. arenaria viennensis Schrk . et la race d’ouest font partie de la fauna indigène en raison de preuves pour la côté allemagne du lac de Constance. L’exi­ stence de cette espèce dans ces régions, pourtant, est éteinte depuis longtemps - probablement depuis le ciècle passé. Actuellement, il y a de preuves de C. arenaria de l’aires partielles de l’haut-Rhin ainsi que de Brandenburg, la Saxe et Sachsen-Anhalt. Dans ces régions, l’espèce s’établit seulement dans des habitats secondaires surtout dans les régions d’exploitation et mines. On y explique le menace immense de l’espèce est présente des possibilités de pro­ tection. Seulement par la restauration de la dynamique naturelle de la prairie dans des sections choisises de la fleuve il est possible d’assurer durablement l’espèce C. arenaria en Allemagne. Il serait nécessaire de prendre ces espèces dans les appendices II et IV des FFH directives du Conseil de la Communauté européenne.

1. Einleitung nudoscripta Horn , 1915 aus Südrußland. Diese Rassen Cicindela arenaria1 ist von Westsibirien (Baikal-See) sind anhand äußerer Merkmale zwar meist gut zu diffe­ über den Balkan und Italien bis nach Frankreich und ins renzieren2, dennoch kam es im mitteleuropäischen südliche sowie südöstliche Mitteleuropa verbreitet. Im Raum in der Vergangenheit in einzelnen Fällen zu Kon­ Gesamtareal werden im allgemeinen drei Rassen unter­ fusionen. So wurde das Vorkommen von C. arenaria schieden (vgl. W iesner 1992): Die Westrasse C. arena­ am Oberrhein, erstmals durch Lauterborn (1921) ge­ ria arenaria mit bislang bekannten Vorkommen von meldet, zunächst der Westrasse zugerechnet (vgl. Ho ­ Frankreich über die Schweiz bis Vorarlberg, die rion 1941). Belege späterer Wiederfunde gehören je­ Ostrasse C. arenaria viennensis Schrank, 1781 mit doch eindeutig zu C. arenaria viennensis, wie N iehuis Vorkommen in den übrigen Teilen des mitteleuropäi­ (1976) konstatiert. schen Verbreitungsgebietes, in Italien und auf der Bal­ Aufbauend auf die Arbeit von T rautner & D etzel kanhalbinsel sowie schließlich die Rasse C. arenaria (1994), welche die Situation von C. arenaria viennensis im Bundesland Baden-Württemberg unter Bezugnahme * Dr. Paul B ühler (t) gewidmet, der im Sommer dieses auf andere Länder beleuchtete, soll im folgenden ein Jahres plötzlich und unerwartet verstarb. Er ließ mir vor Überblick über die historische und aktuelle Bestandssi­ allem während meiner Studienzeit in Hohenheim wich­ tuation von C. arenaria in Deutschland gegeben wer­ tige persönliche und fachliche Unterstützung zuteil den, wobei auch die vorliegenden Daten aus der werden. Schweiz sowie dem nordwestlichen Österreich berück­ ' Nach W iesner (1992) ist die Art der Gattung Cylin- sichtigt sind. dera W estwood und hier der Untergattung Cicindina A dam & M erkl zuzuordnen. Im vorliegenden Artikel 2 Dies gilt zumindest für Zentral- und Südwesteuropa. wird jedoch der in Deutschland überwiegend noch ge­ Die prinzipielle Frage der Abgrenzung und des Status bräuchlichen Zuordnung zur „Sammelgattung“ Cicin­ einzelner Rassen von C. arenaria kann hier nicht be­ dela gefolgt. handelt werden. 84 Entomologische Nachrichten© Entomologische und Berichte, Nachrichten 40,1996/2 und Berichte; download unter www.biologiezentrum.at

2. Grundlagen und Dank Theil des Bodensees Vorkommen“ schreibt nämlich Die Ergebnisse fußen auf einer Auswertung von Litera­ R oth von Schreckenstein 3 (1801: 25) unter Cicindela turangaben, Sammlungsbelegen sowie Fundmitteilun­ (Sandkäfer): gen zahlreicher Kollegen. Zur Darstellung der histori­ „136. Sinuata. Fabr. Suppl. Panzer 6. = C. Viennensis schen Verbreitung wurde im wesentlichen Horion Schrank (Austr. 356) H. Garrand hat ihn mit dem vori­ (1941) herangezogen, darüber hinaus wurde jedoch in gen [Anm.: Dies bezieht sich auf die im Verzeichnis bestimmten Fällen auch ältere Originalliteratur berück­ unmittelbar vorstehende Art Cicindela hybrida ] um sichtigt. Ueberlingen angetroffen.“ Die Funddaten wurden in eine Datenbank eingegeben Der Artbezug zu Cicindela arenaria (syn.: sinuata und weiter ausgewertet, die Datenaufnahme wurde im Panzer ) an sich ist unzweifelhaft. Für die Richtigkeit Mai 1996 abgeschlossen. In Abb. 1 ist die Verbreitung der Meldung spricht, daß jenes Verzeichnis auch an­ von Cicindela arenaria auf Basis des Meßtischblatt- sonsten glaubwürdige und z.T. weitergehend kommen­ Rasters (MTB) zeitlich differenziert dargestellt. In eini­ tierte Artmeldungen umfaßt sowie ein konkreter Fund­ gen Fällen war aus den Fundangaben keine eindeutige ort genannt wird. Roth von Schreckenstein war sich Zuordnung zu einem bestimmten Meßtischblatt abzu­ sehr wohl der Bedeutung der Faunistik bewußt und leiten, z. B. wenn der angegebene Ort direkt auf der stand u.a. in Kontakt mit Sturm , dem er offenbar Mate­ Meßtischblattgrenze lag. Unter diesen Bedingungen rial übersandte. So schreibt er am Schluß seines Ver­ wurde der Fund pragmatisch einem der betreffenden zeichnisses: „Wir erstatten hier dem Herrn D. Hoppe in Meßtischblätter zugeordnet. Neben bislang unpubli- Regensburg und dem Herrn Sturm in Nürnberg, welche zierten Funden und den in den folgenden Abschnitten nicht nur unsere Sammlungen mit vielen seltenen Arten zitierten Arbeiten sind die Meldungen von D onath bereichert, sondern auch bey zweifelhaften Inseckten (1984), G ebert (1986), K albe (1966), N iehuis et al. uns ihre Hülfe nicht versagt haben, unsern verbindlich­ (1978, 1979), Peschel (1981, 1983) und R ichter sten Dank. Findet sich je etwas merkwürdiges in unse­ (1986) berücksichtigt. rer Gegend, so werden wir selbiges in das reiche Cabi­ Folgenden Kollegen möchte ich herzlich für die Über­ net des H. Sturm abgeben; und da in dessen entomolo- mittlung von Funddaten oder anderweitige hilfreiche gischem Handbuche jeder Käfer, wovon noch keine Informationen danken: B. B üche (Berlin), P. D ynort Abbildung bekannt ist, abgebildet werden wird, so ist (Öhringen), J. G ebert (Rohne), W. L orenz (Tutzing), dies der Weg, wodurch sowohl dem entomologischen J. M eid (Waghäusel), Dr. M. N iehuis (Albersweiler), Publicum überhaupt, als den Freunden der Naturge­ M. Persohn (Herxheimweyher), Dr. H. Reck (Filder­ schichte unserer Gegend am meisten gedient seyn stadt), Prof. Dr. K. R ichter (Bemburg), Dr. I. wird.“ Scheffler (Potsdam), Dr. P. Schnitter (Halle/S.), J. C. arenaria besiedelt sonnenexponierte, vegetations­ W iesner (Wolfsburg). arme Feinsedimentufer an Fließgewässern, Auf­ schwemmungen in der Aue und vergleichbare Stand­ 3. Historische und aktuelle Bestandssituation orte u. a. in Abbaugebieten. Nach Angaben verschiede­ ner Autoren (s. M arggi 1992) wird bindiges Substrat - 3.1 Cicindela arenaria arenaria F uesslin , 1775 z. B. toniger Sand - bevorzugt. Entsprechend geeignete Auf das Vorkommen der Nominatform in Deutschland Lebensräume waren für C. arenaria mit Sicherheit bis gab es bisher keine Hinweise, nachdem die oberrheini­ in die zweite Hälfte des 18. und Anfang des 19. Jh. in schen Funde C. arenaria viennensis zugerechnet wer­ größerer Ausdehnung am Bodensee, der nährstoffarme den mußten (s. N iehuis 1976). Allerdings reichten die Verhältnisse und starke Wasserstandsschwankungen dokumentierten Funde aus der Nordschweiz und aus aufwies, vorhanden. Fragmente exisitieren heute noch, Vorarlberg bis an den Bodensee (z.B. Bregenz-Vorklo- hier finden sich auch letzte Reste der Uferfauna des Bo­ ster, s. M üller 1912). Bei der Auswertung älterer densees mit Laufkäferarten wie Nebria lìvida (L.) und Quellen tauchte nun eine nach meiner Auffassung Nebria picicornis (F.). Auf frühere geeignete Lebens­ glaubwürdige Angabe für die deutsche Seite des Bo­ räume für C. arenaria lassen u.a. die Darstellungen von densees auf. Lang (1968) und T homas et al. (1987) für die Uferve­ In seinem „Verzeichniss der Kaefer, welche um den Ur­ getation sowie die Ausführungen bei Hölzinger (1987) sprung der Donau und des Nekars, dann um den untern zu ehemals natürlichen Habitaten der Flußseeschwalbe am Bodensee schließen.

Freiherr Friedrich R oth von Schreckenstein , * 12.10.1753, t 13.06.1808, Erbtruchseß des Fürsten­ Abb. 1: Verbreitung von Cicindela arenaria F u e s s lin , 1775 mit ih­ rer West- und Ostrasse in Deutschland und angrenzenden Bereichen tums Kempten, veröffentlichte auch Verzeichnisse der Österreichs sowie der Schweiz. Nicht berücksichtigt ist die alte An­ Blütenpflanzen und Schmetterlinge dieser Gegend. gabe für Stettin in Polen (s. Text). © Entomologische Nachrichten und Berichte; downloadEntomologische unter www.biologiezentrum.at Nachrichten und Berichte, 40,1996/2 85

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12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 08 02 04 06 08 10 12 14 16 18 20 22 24 26 20 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56

O vor 1901 © © Anf. Anf. -1901 1901 © ö Anf. Anf. 1951 1951 © « Anf. Anf. 1971 1971 • ab 198Î bis Ende 1950 bis Ende 1970 bis Ende 1984 86 Entomologische Nachrichten© Entomologische und Berichte, Nachrichten 40,1996/2 und Berichte; download unter www.biologiezentrum.at

Wie sieht es aber nun mit der Rasse aus? Roth von benflüsse (Inn, Lech) vorkam, ist C. a. viennensis dage­ Schreckenstein (1801) verwendet für die Meldung der gen schon seit Jahrzehnten erloschen. Ihr letzter Nach­ Art zwar diejenigen Namen ( sinuata Panzer , viennen­ weis datiert hier aus dem Jahr 1939 (Landsberg am sis Schrank ), die sich auf die Ostrasse beziehen. Lech, coll. R ieger in der Zoologischen Staatssamm­ Hierzu ist aber anzumerken, daß die Trennung der bei­ lung München, Lorenz in litt.). Auch aus Österreich den Rassen C. a. arenaria und C. a. viennensis damals liegen von der Donau bis Linz sowie aus Tirol (s. K ah ­ sicher in vielen Fällen nicht korrekt vorgenommen len 1987) keine neueren Funde mehr vor. wurde. Selbst ein Jahrhundert später wurden z.B. die Aufgrund ihres lokalen und teilweise inkonstanten Auf­ Vorarlberger Funde noch falsch zugeordnet, wie Ho ­ tretens sowie ihrer zudem stark wechselnden Häufig­ rion (1941) vermerkt. keit stellte Horion (1966) C. a. viennensis in eine Ar­ Aufgrund des Verbreitungsschemas der Art gehe ich tengruppe, die er „Binnenwanderer“ nannte und als davon aus, daß R oth von Schreckenstein eine kor­ einheimische Arten mit wenig Ortstreue bezeichnete. rekte Artangabe lieferte, es sich aber bei dem Überlin- N iehuis (1976) diskutiert Häufigkeitsschwankungen ger Fund um die Westrasse C. a. arenaria gehandelt ha­ der Art sowie ihre Ansiedlung am Oberrhein im Zu­ ben muß, die auch für die Schweizer und Vorarlberger sammenhang mit klimatischen Einflüssen. Sicherlich Seite des Bodensees historisch belegt ist. Die letzten unterliegt die wärmeliebende C. a. viennensis starken Nachweise datieren hier aus dem ersten Drittel dieses Bestandsschwankungen, und ihre lokal erhöhte Häufig­ Jahrhunderts (M arggi 1992, B randstetter et al. keit sowie die begrenzte Wiederausbreitung im Osten 1993), weiter rheinaufwärts bei Chur wurde C. a. Deutschlands seit Mitte der 1980er Jahre könnte in Zu­ arenaria noch bis Anfang der 1960er Jahre gefunden sammenhang mit dem Trend einer zunehmenden Er­ (M arggi 1992). Auf deutscher Seite des Bodensees wärmung zu sehen sein, wie O tt (1986) für die Feuer­ dürfte die Rasse spätestens Anfang dieses, wahrschein­ libelle (Crocothemis erythraea) darlegt. Ausbreitungs­ lich aber schon im letzten Jahrhundert erloschen sein. möglichkeiten sind durch die Flugfähigkeit der Imagi­ nes von C. a. viennensis prinzipiell gegeben. 3.2 Cicindela arenaria viennensis Schrank , 1781 Im Hinblick auf die von Horion angesprochene geringe Von Cicindela arenaria viennensis liegen rund 80 „Ortstreue“ spielen die Habitatansprüche der Art eine Fundmeldungen aus Deutschland vor, einige weitere besondere Rolle. Betrachtet man nämlich den Lebens­ aus dem angrenzenden, nordwestlichen Österreich (Do­ raum von C. a. viennensis, so ist eine gewisse Inkon­ nau, Inn). Mehrere der Fundmeldungen beziehen sich stanz vorgegeben. Wie die Nominatform besiedelt auch jeweils auf den selben Fundort, stammen dann aber von die Ostrasse sonnenexponierte und vegetationsarme verschiedenen Sammlern, oder das Funddatum ist un­ Bereiche, die ein feinkörniges Substrat aufweisen. An terschiedlich. Insgesamt liegen bundesweit Meldungen Fundorten in der Niederlausitz siedelten die Larven aus 38 Meßtischblättern vor, in 18 Meßtischblättern „ausschließlich im Grenzbereich von durchfeuchtetem wurde die Art seit 1985 registriert. zu oberflächlich trockenem Boden“ (D onath 1986). Im 19. Jh. war C. a. viennensis im Gebiet der heutigen Den primären Lebensraum von C. a. viennensis in Mit­ Bundesrepublik Deutschland offenbar nur in Südbay­ teleuropa stellten mit Sicherheit überwiegend die ern nachgewiesen, hier stammen Meldungen und großen, heute weitgehend verschwundenen dynami­ Sammlungsbelege aus der Umgebung von Ingolstadt, schen Flußauen mit offenen Flachufern, Bänken und Passau und München (z.B. K ittel 1873). Bekannt war Aufschwemmungen als wesentlichen Habitatbestand­ außerdem ihr Vorkommen über Österreich und Mähren teilen dar. Von hier stammen ja auch die bayerischen bis nach Schlesien und Preußen, wo sie z.B. an der Funde des vergangenen Jahrhunderts bis ins erste Drit­ Ostsseküste in der Umgebung von Pillau festgestellt tel dieses Jahrhunderts, ebenso die österreichischen wurde: „n.s. [=nicht selten] in den Schluchten der Dü­ Nachweise. Durch die Auedynamik war ein natürlicher nen, nach Lentz 1879 und viele spätere Sammler“ (Ho ­ zeitlich-räumlicher Wechsel geeigneter Lebensräume rion 1941). Zweifelhaft erschien Horion (1941) der bedingt aber eben auch deren Existenz auf großer Fundort Stettin (coll. Horn ), „da sonst aus Pommern Fläche gesichert. Entsprechendes ist im Küstenbereich gänzlich unbekannt“. Mit Blick auf die neuen branden- und an großen Seen möglich. burgischen Funde (s.u.) ist ein früheres Vorkommen bei Aktuell gibt es in Deutschland keine Nachweise mehr Stettin aber sicher nicht auszuschließen. von C. a. viennensis aus ihrem Primärlebensraum, und Erst Anfang des 20. Jh. wurde C. a. viennensis dann auch zu Zeiten Horions waren entsprechende Standorte auch in Brandenburg sowie am Oberrhein nachgewie­ bereits erheblich eingeschränkt bzw. im Verschwinden sen, später in Sachsen und in den letzten Jahren auch in begriffen. Überwiegend handelt es sich bei den Fundor­ Sachsen-Anhalt (s. G ebert 1991, U nruh 1994). In ten seit 1985 um durch den Braunkohletagebau entstan­ Bayern, wo sie an der Donau und einzelnen ihrer Ne­ dene Lebensräume oder andere Abbaugebiete (Kies-, © Entomologische Nachrichten und Berichte; downloadEntomologische unter www.biologiezentrum.at Nachrichten und Berichte, 40,1996/2 87

Lehm- und Tongruben), die in frühen Sukzessionssta­ 261). Ihre Aufnahme in die Anhänge II und IV der dien auf Rohböden ähnliche Strukturen wie Flußauen FFH-Richtlinie (Rat der Europäischen G emein ­ aufweisen. schaften 1992) ist dringend notwendig (Trautner & D etzel 1994). 4. Gefährdung und notwendige Schutzmaßnahmen Die nachhaltige Sicherung der Art kann nur in dynami­ Die aktuellen Vorkommen der Sandlaufkäferart Cicin­ schen Aueabschnitten mit räumlich-zeitlicher Konti­ dela arenaria in Deutschland beschränken sich inzwi­ nuität besiedelbarer Standorte erreicht werden, deren schen auf Sekundärlebensräume, vor allem in Abbau­ Wiederentwicklung am Oberrhein sowie im Einzugsge­ gebieten. Auch hier liegen insgesamt nur wenige Nach­ biet der Elbe (Elbe, Spree, Elster, Mulde, ggf. Saale) weise vor (in 18 Meßtischblättern seit 1985, d.h. Ra­ ein vorrangiges Ziel darstellt. Inwieweit für die Donau sterfrequenz deutlich <1%), so daß die Art - trotz einer und den Bodenseeraum noch ein Besiedlungspotential möglicherweise klimatisch bedingten Häufigkeitszu­ vorhanden ist, ist fraglich. Bis entsprechende „Primär­ nahme und begrenzten Wiederausbreitung in den letz­ lebensräume“ von Cicindela arenaria wiederentwickelt ten Jahren - als sehr selten einzustufen ist. sind, müssen zur Erhaltung der Art ihre Vorkommen an In mehreren Fällen ist belegt, daß C. arenaria in Se­ Sekundärstandorten mit hoher Priorität geschützt und kundärlebensräumen nur kurzzeitig (unter 5 Jahren) gefördert werden. eine lokale Population aufbauen und aufrechterhalten Literatur konnte. Mehrfach wurden lokale Vorkommen durch BArtSchV - Bundesartenschutzverordnung in der Fassung vom 18. Rekultivierungsmaßnahmen oder Bebauung vernichtet Sept. 1989. (z.B. am Oberrhein). In anderen Fällen bestehen Vor­ Brandstetter, C.M., K app, A. & F. S c h a b e l (1993): Die Laufkä­ fer von Vorarlberg und Liechtenstein. 1. Band (Carabidae). - 603 S.; kommen länger und könnten prinzipiell durch Pflege­ EVCV, Bürs. maßnahmen gestützt oder im Rahmen von laufenden D o n a th , H. (1984) Cicindela arenaria F u e s s ly in rekultivierter Bergbaufolgelandschait der Niederlausitz (Col., Cicindelidae). Abbauvorhaben im Umfeld gefördert werden. Hier Ent. Nachr. Ber., 28 (1): 39. stellen sich jedoch mehrere Probleme: Einerseits beste­ D o n a th , H. (1986): Verbreitung und Ökologie der Sandlaufkäfer hen vielfältige Ansprüche an Abbau- und Rekultivie­ (Coleoptera, Cicindelidae) in der nordwestlichen Niederlausitz. Biol. Stud. Luckau, 15: 28-34. rungsplanungen, insbesondere mit den Zielsetzungen G a s s n e r, E. (1995): Das Recht der Landschaft. Gesamtdarstellung einer raschen Begrünung und landschaftlichen Wieder­ für Bund und Länder. - 360 S.; Neumann Verlag, Radebeul. G e b e r t, J. (1986): Über einige bemerkenswerte Käferfunde im eingliederung sowie der Folgenutzung als Freizeitge­ Kreis Weißwasser (Bezirk Cottbus). - Ent. Nachr. Ber., 30 (4): 180. biete. Hinzu kommt, daß von Pflegemaßnahmen ab­ G e b e r t, J. (1991): 432. Über die Verbreitung und Biologie von Cy- hängige Vorkommen alleine schon aus organisatori­ lindera (Eugrapha) arenaria (Fuesslin, 1775) in der Mark Bran­ denburg und Sachsen (Col., Cicindelidae). - Ent. Nachr. Ber., 35 (4): schen und finanziellen Gründen einem höheren Risiko 2.75-276. unterliegen und es weder ein prinzipielles Ziel des G e is e r, R. (1984): Rote Liste der Käfer (Coleoptera). - In: B la b , J., N o w a k , E., Trautmann, W., Sukopp, H. (Hrsg.): Rote Liste der ge­ Naturschutzes sein kann, neue Abbaugebiete zu for­ fährdeten Pflanzen und Tiere in der Bundesrepublik Deutschland: dern, noch eine Dauerpflege in solchen Gebieten zu 75-114; Naturschutz aktuell, 1; Kilda Verlag, Greven. veranlassen. Die Bestandserhaltung in Sekundärle­ Hölzinger, J. (1987): Die Vögel Baden-Württembergs, Gefährdung und Schutz. Band 1, Teil 1 -3: 1796 S.; E. Ulmer Verlag, Stuttgart. bensräumen ist daher nur eine kurz- bis mittelfristige H o rio n , A. (1941): Faunistik der deutschen Käfer. Bd. I: Chance. - Caraboidea. - 464 S.; Hans Goecke Verlag, Krefeld. Horion, A. (1966): Neue und bemerkenswerte Käfer in Deutsch­ Beim derzeitigen Kenntnisstand kann Cicindela arena­ land. 8. Nachtrag zum „Verzeichnis der mitteleuropäischen Käfer“. ria (mit der aktuell noch vorkommenden Rasse vien­ -Ent. Bl., 61 (3): 134-181. nensis) in Deutschland nicht als nachhaltig gesichert K a h le n , M. (1987): Nachtrag zur Käferfauna Tirols. - Veröff. Mus. Ferdinandeum, Beil.-Bd. 3: 288 S.; Innsbruck. angesehen werden. Die Einstufung der Art durch G e i­ K a lb e , L. (1966): Funde von Cicindela arenaria (litterata) in der s e r (1984) als „vom Aussterben bedroht“ muß für die Niederlausitz. Veröff. Bez.-Heimatmus. Potsdam, 12: 31; Pots­ dam. Neubearbeitung der Roten Liste Deutschlands (vgl. K i t t e l , G. (1873): Systematische Uebersicht der Käfer, welche in Trautner & M üller-M otzfeld 1995) deshalb auch Baiem und der nächsten Umgebung Vorkommen. - Corresp.-blatt unter Einbeziehung der neuen Bundesländer aufrecht­ zool.-mineral. V. Regensburg, 27: 131-144, 169-175, 189-192. L a n g , G. (1968): Vegetationsänderungen am Bodensee in den letz­ erhalten werden; die Rasse C. a. arenaria ist bereits er­ ten hundert Jahren. - Sehr. Ver. Gesch. Bodensee, 86: 295-313. loschen. Lauterborn, R. (1921): Faunistische Beobachtungen aus dem Ge­ biet des Oberrheins und des Bodensees. - 1. Mitt. Bad. Landesver. Durch ihre hohe Gefährdungsdisposition in ganz Mittel­ Naturkde. Naturschutz, N. F. (5): 113-120. europa besteht für Cicindela arenaria auch in Deutsch­ M arggi, W. A.(1992): Faunistik der Sandlaufkäfer und Laufkäfer land eine besondere Schutzverantwortung. Sie ist als der Schweiz (Cicindelidae & Carabidae), Coleoptera. - Documenta Faunistica Helvetiae, 13: 477 S. (Teil 1/Text), 243 S. (Teil 2/Ver­ besonders geschützte Art in der Bundesartenschutzver­ breitungskarten); Neuchâtel. ordnung (BArtSchV) berücksichtigt, wodurch bei kon­ M ü l l e r , J. (1912): Verzeichnis der Käfer Vorarlbergs. - Jber. Lan­ desmuseumsverein Vorarlberg, 48: 203 S.; Bregenz. sequentem Gesetzesvollzug auch ein indirekter Schutz N ieh u is, M. (1976): Der Wiener Sandlaufkäfer Cicindela arenaria ihrer Lebensräume gegeben ist (s. G a s s n e r 1995: 260- F u e s s ly ssp. viennensis S c h r a n k , im Naturschutzgebiet Hördter 88 Entomologische Nachrichten© Entomologische und Berichte, Nachrichten 40,1996/2 und Berichte; download unter www.biologiezentrum.at

Rheinaue (Coleoptera; Cicindelidae). - Mz. Naturw. Arch., 14: 143- T h o m as, P., D ie n s t, M., Peintinger, M. & R. B u c h w a ld (1987): 150. Die Strandrasen des Bodensees (Deschampsietum rhenanae und Lit- N ieh u is, M., S ch im m el, R. & W. V o g t (1978): Funde sehr seltener torello-Elocharietum acicularis). Verbreitung, Ökologie, Gefähr­ Käfer in der Pfalz und in unmittelbar benachbarten Gebieten. - Pfäl­ dung und Schutzmaßnahmen. Veröff. Naturschutz Landschafts­ zer Heimat, 29 (1): 21-23; Speyer. pflege Bad.-Württ., 62: 325-346. N ieh u is, M., Schimmel, R. & W. V ogt (1979): Funde sehr seltener T r a u t n e r , J. & P. D e t z e l (1994): Die Sandlaufkäfer Baden-Würt- Käfer in der Pfalz und in Nachbargebieten. - Pfälzer Heimat, 30 (1): tembergs (Coleoptera: Cicindelidae). Verbreitung, Lebensrauman­ 4-10; Speyer. sprüche, Gefährdung und Schutz. - Ökologie und Naturschutz, 5: 60 O t t , J. (1996): Zeigt die Ausbreitung der Feuerlibelle in Deutsch­ S; Weikersheim. land eine Klimaveränderung an? Mediterrane Libellen als Indikato­ T r a u t n e r , J. & G. M üller-M otzfeld (1995): Faunistisch-ökologi- ren für Änderungen in Biozönosen. - Naturschutz und Landschafts­ scher Bearbeitungsstand, Gefährdung und Checkliste der Laufkäfer. planung, 28 (2): 53-61. Eine Übersicht für die Bundesländer Deutschlands. Naturschutz Peschel, R. (1981): Ein neuer Fund von Cicindela arenaria F u es- und Landschaftsplanung, 27 (3): 96-105,1-XII (Beilage). sly in der DDR (Col., Cicindelidae). - Ent. Nachr. Ber. 25 (7/8): 124. U n ru h , M . (1994): Ein syntopes Vorkommen von Cicindela arena­ Peschel, R. (1983): Weitere Funde von Cicindela arenaria F u e ss- ria (Fuesslin, 1775) und Cicindela germanica L inné, 1759 in einem ly in der DDR (Col., Cicindelidae). - Ent. Nachr. Ber. 27 (1): 37. Tagebaurestloch im südlichen Sachsen-Anhalt (Col., Cicindelidae). Rat der Europäischen Gemeinschaften (1992): Richtlinie 92/43 - Ent. Nachr. Ber., 38 (4): 275-276. EWG des Rates vom 21. M ai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Le­ W ie s n e r, J. (1992): Verzeichnis der Sandlaufkäfer der Welt. - 364 bensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. - Amtsblatt S.; Verlag E. Bauer, Keltern. der Europäischen Gemeinschaften, Nr. L 206: 7-50. R ic h te r , F. (1986): Weitere Funde von Cicindela arenaria F u ess- Anschrift des Verfassers: l y , 1775 in der Niederlausitz (Col., Cicindelidae). - Ent. Nachr. Ber. 30(4): 181. Jürgen Trautner Roth von Schreckenstein, F. (1801): Verzeichniss der Kaefer, Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung welche um den Ursprung der Donau und des Nekars, dann um den untem Theil des Bodensees Vorkommen. - 67 S.; J. G. Cotta’sche Johann-Strauß-Str. 22 Buchhandlung, Tübingen. D-70794 Filderstadt

Besonderen Wert erhält die Arbeit W archalowskis durch die zahlreichen Detailzeichnungen. Für alle Ar­ ten sind Aedoeagus und Spermathek abgebildet. Frei­ BUCHBESPRECHUNGEN lich sind die Aedoeagi nicht überall einheitlich darge­ stellt, denn immer wieder einmal wird statt der üblichen W archalowski, A.: Fauna Poloniae, Band 17/V Unterseite die Oberseite gezeigt, z.B. bei Abb. 41, 43, Chrysomelidae: U-Familie Halticinae, Gattungen 45...62... An dieser Stelle muß auch ein ärgerliches Phyllotreta bis Longitarsus. Warschau 1995. 360 S., Versehen erwähnt werden: statt der Abb. 642 bis 649 995 Abb. wurden noch einmal die Abb. 624 bis 631 gesetzt. Be­ achtenswerte nomenklatorische Änderungen gibt es nur Wie schon in den bisherigen Bänden behandelt der Au­ wenige: W archalowski bringt den Namen der U-Fa­ tor weit mehr als nur die für Polen nachgewiesenen Ar­ milie Halticinae wieder zu Ehren. Zu bedauern ist aber, ten. Behandelt werden vielmehr alle westpaläarktischen daß Longitarsus exoletus nun nach fast zwei Jahrhun­ Arten, die der Kanaren und Madeiras ebenso wie die derten aufgrund starrer Priorität in L. exsoletus geändert Arten Nordafrikas, Skandinaviens und Ost- und Süd­ werden soll. osteuropas bis Kleinasien. Das Buch ist ganz in polnischer Sprache geschrieben Nach der allgemeinen Einführung folgt ein Schlüssel und damit leider für die meisten Mitteleuropäer unver­ für alle in Europa vorkommenden Gattungen und dann ständlich. Ein mehrsprachiges Glossar der wichtigsten zu jeder Gattung ausführliche Bestimmungstabellen für Ausdrücke wäre eine große Hilfe vor ^llem für eine fau- die Imagines. Zur Bestimmung der Larven ist ein Gat­ nistische Auswertung. Desungeachtet ist die Arbeit für tungsschlüssel enthalten, wie auch knappe Larven- den Faunisten wie für den Systematiker ungemein wert­ Schlüssel für die Gattungen Phyllotreta und Longitar­ voll durch die Fülle der Abbildungen und ebenso durch sus. Erstmals legt der Autor eine ausführliche Tabelle das umfassende Literaturverzeichnis mit ca. 700 Titeln. der Longitarsus-Untergattung Testergus vor. Anschlie­ Der Autor hat selbst entlegenste Arbeiten erfaßt, so daß ßend wird in alphabetischer Reihung jede einzelne Art hier zugleich ein wichtiger Beitrag zu einem Kompen­ behandelt, wobei vor allem auf ihre Faunistik eingegan­ dium der Alticinen-Literatur vorliegt. gen wird. Zu den zahlreichen instruktiven Verbrei­ Das Buch ist erhältlich bei der Polnischen Entomologi- tungskarten ist zu bemerken, daß die angezeigten Gren­ schen Gesellschaft, Instytut Zoologiczny Uwr., Sien- zen nicht als starre Linien betrachtet werden dürfen. Es kiewicza 21, PL-50-335 Wroclaw. Der Preis (incl. ist jeweils das Kerngebiet dargestellt, innerhalb dessen Porto) liegt bei knapp 50,- DM. eine Art verbreitet ist; Einzelfunde bzw. isolierte Vor­ kommen außerhalb dieser Grenzen sind bei vielen Ar­ ten extra vermerkt. M. Döberl