Befreite Emme, Lebendiger Fluss
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Befreite Emme, lebendiger Fluss Naturnaher Wasserbau bringt den Geschiebe- haushalt der Emme wieder ins Gleichgewicht Tiefbauamt des Kantons Bern Oberingenieurkreis IV 4768_Broschüre.indd 1 16.2.2005 11:25:04 Uhr Inhalt Vor mehr als einhundert Jahren wurde damit begonnen, den Lauf der Emme* mit grossem Aufwand zu begradigen und über weite Strecken zu kanalisieren (rechts). Durch diese Korrektion und durch spätere Nacharbeiten konnte die Hochwassergefahr erfolgreich ge- bannt werden. Seither hat sich der Fluss aber so stark eingetieft, dass die fortschreitende Sohlenerosion die bestehenden Schutzbauten gefährdet. Mit naturnahen Massnahmen wird jetzt der Lauf der Emme schrittweise stabili- siert und gleichzeitig revitalisiert. Sechs Vor- haben (unten) wurden bereits ausgeführt bzw. eingeleitet oder sind im Planungsstadium. Documenta Natura Aare Solothurn Langenthal Emme, Sektion Solothurn Aufweitung Altisberg Seiten 16 und 20 Utzenstorf Emme, I. Sektion Aufweitung Aefl igen-Utzenstorf Seite 10 Kirchberg Aufweitung Kirchberg-Lyssach Seite 20 Burgdorf Aufweitung Winterseyschache Seite 14 Emme, II. Sektion Lützelflüh Aufweitung Ranfl ühschache Seite 18 Bern Emmenmatt Langnau i.E. Ilfi s Aufweitung Aeschau-Horben Seite 13 Emme, III. Sektion Eggiwil * Seit Beginn der umfassenden Emmekorrektion im 19. Jahrhundert wird der insgesamt rund 80 Kilometer lange Flusslauf der Emme aus administrativen und organisatorischen Gründen in folgende fünf Sektionen aufgeteilt: • Sektion Solothurn: Aaremündung bis Kantonsgrenze (km 0 – 6,470) Emme, IV. Sektion • Bern, I. Sektion: Kantonsgrenze bis Kirchberg/Burgdorf (km 0 – 14,250) • Bern, II. Sektion: Kirchberg/Burgdorf bis Emmenmatt (km 14,250 – 34,240) • Bern, III. Sektion: Emmenmatt bis Räbloch (km 34,240 – 54,380) • Bern, IV. Sektion: Räbloch bis Kemmeriboden (km 54,380 – 65,650) Thun 4768_Broschüre.indd 2 16.2.2005 11:26:13 Uhr Liebe Leserin, lieber Leser Die im Jahr 1987 vorgelegte Studie «Emme 2050» zeigte, dass die proble- matisch gewordene Sohlenerosion mit Massnahmen unterbunden werden kann, die sowohl den Geschiebehaushalt stabilisieren als auch den Fluss aus 1987, also vor inzwischen 18 Jahren, begann zu erhalten oder sogar wiederherzustellen. seinem engen Korsett befreien. Davon für den Wasserbau an der Emme eine neue Gesucht werden deshalb auch an der Emme profitiert nicht nur die Natur im und am Phase. Damals legten die Versuchsanstalt für Lösungen, die dem Fluss vermehrt Freiräume Wasser. Ein wiederbelebter Flusslauf Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) gewähren, ohne aber dadurch den Hochwas- wird auch von vielen Menschen als der ETH Zürich und das Geographische Insti- serschutz zu vernachlässigen. attraktiver und nahe gelegener Ausflugs- tut der Universität Bern (GIUB) die Ergebnisse Der Wasserbau muss also vielen Ansprüchen ort geschätzt. Im Jahr 1988 machte eine einer Studie vor, die sie gemeinsam im Auftrag genügen, und nicht immer sind die entspre- Kurzfassung (oben) der wissenschaftli- der Baudirektion des Kantons Bern (Tiefbau- chenden Anstrengungen frei von Interessen- chen Studie das neue Verbauungskon- amt, OIK IV) und des Baudepartements des konfl ikten. Die hier vorgestellten Beispiele zept bei Betroffenen und Interessierten Kantons Solothurn (Amt für Wasserwirtschaft) zeigen aber, dass solche Lösungen gefunden bekannt. 1992 erschien eine aktualisierte über das Einzugsgebiet und den Lauf dieses und umgesetzt werden können. zweite Aufl age dieser Broschüre. Flusses verfasst hatten. Erfreulich ist, dass nach vollbrachter Arbeit Das fächer- und grenzüberschreitende Vor- eigentlich alle Betroffenen zufrieden sind. haben trug den visionären Namen «Emme Kinder entdecken die Herausforderungen des 2050». Denn es zeigte, wie der aus dem fl iessenden Wassers, bauen Kanäle und Däm- Gleichgewicht geratene Geschiebehaushalt me auf den Kiesbänken und plantschen im der Emme bis etwa zum Jahr 2050 stabilisiert unterschiedlich tiefen Wasser. Erwachsene ge- werden kann – und das mit naturnahen Mit- niessen Spaziergänge am lebendiger gewor- teln und unter Ausnutzung der Kraft des Flus- denen Ufer und fi nden sich zum Grillplausch ses selbst. Seither bildet die Studie «Emme am Flussufer zusammen. Naturfreunde beo- 2050» die Grundlage für die Planungs- und bachten, wie Flora und Fauna die Flussland- Projektierungsarbeiten an der Emme. schaft zurückerobern. Und als Vertreter einer Gestützt auf diese wissenschaftlichen Erkennt- kantonalen Behörde freue ich mich – ich gebe nisse – und ergänzt durch spätere Detailab- das gerne zu – über die überwiegend positi- klärungen über Abfl uss und Geschiebe – sind ven Reaktionen, die den Prozess der Revitali- inzwischen an der Emme sechs Einzelvorha- sierung der Emme begleiten. ben so weit gediehen, dass mit dieser Bro- schüre über das jeweilige Vorgehen und über Walter Brodbeck erste Erfahrungen berichtet werden kann. Die Kreisoberingenieur Tiefbauamt, OIK IV hier dokumentierten Projekte zeigen, dass es beim Wasserbau längst nicht mehr nur darum geht, ein Gewässer mit allen Mitteln zu bän- digen. Zeitgemässer Wasserbau nimmt auch Rücksicht auf die vielfältigen Funktionen der Gewässer und sucht sie, wo immer es geht, 1 4768_Broschüre.indd 3 16.2.2005 11:26:21 Uhr 1597 1733 Erster obrigkeitlicher Versuch, die Flösserei «Geometrischer Plan des dissmahligen Emmen-Betts» auf der Emme zu unterbinden (auch wegen der bei Burgdorf von Johann Adam Riediger an Uferverbauungen verursachten Schäden) (gestrichelte Linie zeigt eine geplante Begradigung) 1569 1643 1711 1766 Das Trachselwalder Urbar (Güterverzeichnis) Der Burgdorfer Burgermeister Nach grossen Überschwemmungen Umfassende Schwellen- auferlegt Schwellenpfl icht an Verursacher Jakob Fankhauser organisiert erlässt Burgdorf eine «Neuwe ordnung für das von Einschlägen im Schachenwald eine eigentliche Wasserwehr Ordnung» zum Schwellenwesen Amt Trachselwald Sohlenerhöhung durch frühe Verbauungen 1525 1550 1575 1600 1625 1650 1675 1700 1725 1750 1775 Schwere Hochwasserschäden Wassermassen und Geschiebefrachten entlang der Emme vor 1800 (Datenlage unvollständig) Die Emme hat zwei ganz verschiedene Gesich- die Emme von Zeit zu Zeit durch ihr Tal wälzt, ter. Monatelang bildet dieser Fluss bloss ein gibt es noch heute keine eindrücklichere Schil- klägliches Rinnsal, das zwischen Kiesbänken derung als jene des wortgewaltigen Jeremias plätschernd seinen Weg sucht. Aber die Breite Gotthelf über die Wassernot im Emmental des Flussbetts ist verdächtig. Plötzlich bricht vom 13. August 1837. die Emme los und kann zur Gefahr für Leib Besonders betroffen von solchen Ereignissen und Leben werden: «Grau und grausig auf- waren naturgemäss die Dörfer und Wohnstät- geschwollen durch hundert abgeleckte Berg- ten in den fl ussnahen Niederungen, in den wände, stürzt sie aus den Bergesklüften unter so genannten Schachen. Ursprünglich hatten dem schwarzen Leichentuche hervor, und in diese häufi g überschwemmten Talgründe grimmigem Spiele tanzen auf ihrer Stirne hun- einen breiten und dicht bewaldeten Puffer dertjährige Tannenbäume und hundertzentri- zwischen dem Flusslauf und den höher ge- Zeiten wuchs die Bevölkerung rasch so stark ge Felsenstücke, moosischt und ergraut.» Um legenen frühen Siedlungsgebieten gebildet. an, dass das landwirtschaftlich nutzbare Land die enorme Wucht zu begreifen, mit der sich Doch schon um das Jahr 1400 haben sich knapp wurde. Vor allem den armen Familien Talbewohner in die Schachen vorgewagt, den blieb nichts anderes übrig, als in die hoch- Wald gerodet und Äcker, Wiesen oder Gärten wassergefährdeten Schachen auszuweichen angelegt. Jedenfalls belegt eine Urkunde aus und dort ihre bescheidenen «Taunerhüsli» zu dem Jahr 1417, dass es nach einem solchen errichten. Diese an sich widerrechtliche Land- «Die Emme» als allegorische Flussnymphe Einschlag in den Schachenwald zwischen Has- nahme von obrigkeitlichem Grundeigentum hält in ihrem rechten Arm den nie versiegen- le und Rifershüsere zu Streitigkeiten gekom- veränderte die Siedlungsstruktur im Emmental den Krug der Emmequelle (Ausschnitt aus dem men sei. Das war beileibe kein Einzelfall. Nach grundlegend: Im Laufe des 15. Jahrhunderts, 1733 von Johann Adam Riediger gezeichneten den Seuchenzügen und Kriegswirren früherer spätestens aber im frühen 16. Jahrhundert Korrektionsplan der Emme bei Burgdorf). gab es überall entlang der Emme Einschläge in die früher gemiedenen Flussufer. Um diese neuen Lebens- und Wirtschaftsorte wirksamer zu schützen, musste der wilde Fluss gebändigt werden. Seit den 1570er-Jahren haftete – als Gegenleistung für die Landnah- me – eine obrigkeitlich verordnete Schwellen- pfl icht als Reallast auf dem Uferland. Dieser Aufgabe waren aber die in den Emmenscha- chen wohnenden Menschen, die «Schäche- ler», nicht gewachsen. Zu bescheiden waren ihre Mittel, zu improvisiert die Massnahmen, zu wenig koordiniert das Vorgehen. 4768_Broschüre.indd 4 16.2.2005 11:26:41 Uhr Frank (3); Schlossmuseum Burgdorf (2); TBA-OIK IV (1) TBA-OIK Schlossmuseum Burgdorf (2); (3); Frank 1810 1886 1939 1985 –1987 Emme-Skizze Einteilung der Emme auf bernischem Einschränkung der Studie «Emme 2050» von H.C. Escher Gebiet in 4 Sektionen und Beginn Entnahme von Bollen- über mögliche zukünftige von der Linth der eigentlichen Korrektionsarbeiten steinen aus der Emme Verbauungskonzepte 1837 1857 1877 1990/1991 «Wassernot im Emmen- Wasserbau- Wasserbau- Neue Wasserbaugesetze tal» (Abfl uss bei polizeigesetz polizeigesetz auf Kantonsebene (WBG, 1990) Emmenmatt: 525 m³/s) des Kantons des Bundes und auf Bundesebene (WBG, 1991) erwünschte Sohlenerosion zu starke Sohlenerosion