Retrospektive Friedrich Wilhelm Murnau

Murnau – das war sein Künstler - name. Eigentlich hieß er Friedrich Wilhelm Plumpe, kam 1888 in Bie - lefeld zur Welt, machte in Kassel sein Abitur, studierte in und Heidelberg Kunstgeschichte und Literatur und engagierte sich früh u

im Studententheater. Ab 1913 ge - a n r u

hörte er zum Ensemble der Rein - M

m hardt-Bühnen in Berlin. Da nannte l e h l er sich bereits Murnau – nach i W

h c dem Künstlerort in Oberbayern, i r d e i

der ihm bei einem Besuch offen - r F

,

bar gut gefallen hatte. Den Ersten s g n i

Weltkrieg überlebte er als Kriegs - n n a J

freiwilliger, am Ende im Range l i m e

eines Leutnants, interniert in der : T

Schweiz. Er kehrte nach Berlin zu - S U A F rück und drehte 1919 seinen ers - u z

ten Film – DER KNABE IN BLAU – n e t i e

dem in schneller Folge fünf wei - b r a h

tere folgten. Leider sind diese ers - e r ten Filme von Murnau nicht erhal - D ten, wir können uns nur aus der zeitgenössischen Kritik Mit . EINE SYMPHONIE DES GRAUENS ein Bild von ihnen machen. Zu Murnaus Darstellern ge - schuf Murnau sein erstes klassisch gewordenes Werk, hörten damals schon Conrad Veidt, Fritz Kortner und das Urbild aller Vampir-Filme, gedreht nach Bram Sto - Eugen Klöpfer. kers Roman »Dracula«. Es hat Tom Tykwer bis in seine Im Gegensatz zu seinen Regie-Kollegen und Träume verfolgt: »Das war heimliches Fernsehgucken. u

a lebte Murnau eher zurückgezogen; er Ich weiß, dass der Film schon angefangen hatte und n r

u verbarg sein Privatleben wohl auch, weil er homosexu - dass ich ’ne halbe Stunde geschafft habe. Ich hab’ M ell war. Er galt als distanziert, sein Wirkungsfeld waren mich derartig gegruselt, dass ich irgendwann abge - m l schaltet habe, was ein Riesenfehler war, weil ich noch e die Filmstudios. An gesellschaftlichen Ereignissen h l

i nahm er selten teil. Als Fotograf hat er in Berlin, später nicht einmal die Konklusion mitbekommen habe, dass W auch in Amerika und in der Südsee, gern Aktaufnah - der Vampir wenigstens stirbt. Ich habe jahrelang den h c i Film nicht sehen können, weil ich mich wirklich so ge -

r men junger Männer gemacht. In dem Band »Friedrich d

e Wilhelm Murnau. Die privaten Fotografien 1926-1931« fürchtet habe davor. (…) Dass man den Film nicht ver - i r

F ist 2013 eine Auswahl bei Schirmer/Mosel publiziert gessen kann, liegt an dieser Entschlossenheit der Bild - worden. gestaltung, an der stillen ikonografischen Geste, die 72 DER GANG IN DIE NACHT, das Melodram eines Augen - der Film hat, und an der Masse an eindrucksvollen Ge - arztes, einer Tänzerin und eines blinden Malers, ist der mälden, die irgendwo im Unterbewusstsein mitschwim - älteste erhaltene Murnau-Film, er wurde im Januar men und die gesamte Filmgeschichte mitgeprägt 1921 in Berlin uraufgeführt. Wie so oft bei diesem Re - haben.« (in: AUGE IN AUGE, 2008). gisseur standen große Darsteller im Mittelpunkt; hier Für Murnaus folgende Filme, DER BRENNENDE ACKER, waren es Olaf Fönss, Erna Morena und Conrad Veidt. PHANTOM, DIE AUSTREIBUNG und DIE FINANZEN DES Willy Haas, der als Filmkritiker früh die Bedeutung Mur - GROSSHERZOGS (1921-24), schrieb Thea von Harbou, naus erkannte, schrieb im Film-Kurier : »Es ist das Wun - die damals mit Fritz Lang liiert war, die Drehbücher. derbarste, dessen unser Herz überhaupt fähig ist: eine Zeitgleich entstanden dessen Filme DR. MABUSE, DER neue Musik schlägt leise in uns die Augen auf.« SPIELER und DIE NIBELUNGEN. Für Verbindungen zwi - schen Lang und Murnau sorgte der Produzent Erich dreht und galt als Regisseur von Weltrang. An jenem Pommer. Und: es waren die Inflationsjahre – die deut - Märztag war Charles Chaplin gerade in Berlin zu Be - sche Filmkunst florierte mehr als die Wirtschaft. such. Am Abend hörte er während einer Varieté- Emil Jannings war der Hauptdarsteller in drei Murnau- Vorstellung von Murnaus Tod. Überliefert ist sein Kom - Filmen Mitte der 1920er Jahre: DER LETZTE MANN, mentar: »Er war einer der besten Männer, die Deutsch - TARTÜFF und FAUST. Die Tragikomödie um einen al - land nach Hollywood entsandt hat. Ich kann das ternden Hotelportier, der zum Toilettenmann degradiert Schreckliche noch gar nicht fassen.« wird, gilt als Murnaus Meisterwerk. Willy Haas schrieb Am 19. März fand eine kleine Trauerfeier in Hollywood nach der Premiere enthusiasmiert und Goethe variie - statt. Dann wurde Murnaus Leichnam nach Deutsch - rend: »Kinder, von hier und heute beginnt eine neue land überführt und am 11. April 1931 auf dem Stahns - Epoche in der Geschichte der Kinematographie.« Der dorfer Waldfriedhof zu Grabe getragen. Fritz Lang Film war auch in Amerika erfolgreich. Die Molière- sprach damals Gedenkworte am Sarg: »Er trat – stets Komödie vom Erbschleicher Tartüff erweiterte Murnaus guter Laune und verbindlich lächelnd – mit weit aus - Drehbuchautor um eine Rahmenhandlung greifenden Schritten ins Atelier und verbreitete schon aus dem Filmmilieu, die Haupthandlung verlegte er ins durch seine bloße Anwesenheit Arbeitslust und Elan. Preußen des Alten Fritz. »Eine deutsche Volkssage« war Wirkend wie ein gutsituierter Herr aus großem Hause, der Untertitel zum FAUST-Film mit Gösta Ekman als Ti - der sich aus bloßer Neugier mit der Materie ›Film‹ wie telfigur, Jannings als Mephisto und Camilla Horn als zur Zerstreuung befasst, war er im Gegenteil ein zäher Gretchen. Ein Lichtspiel und ein Schattenspiel. Eric und intensiver Arbeiter; denn hinter seinem saloppen Rohmer hat darüber seine Dissertation geschrieben. Charme stand verbissene Energie, die er aber nie Als FAUST im August 1926 in Berlin uraufgeführt merken ließ. Wenn einmal Jahrzehnte vergangen sein wurde, war Murnau schon in Amerika. Dorthin hatte ihn werden, dann wird man wissen, dass hier ein Pionier William Fox, der Chef des großen Fox-Studios, mit mitten aus dem Schaffen abtrat, dem der Film die ei - einem Vierjahres-Vertrag gelockt. Nur seinen ersten gentliche Basis verdankt, sowohl in künstlerischer wie Film, SUNRISE, nach der Erzählung »Die Reise nach in technischer Beziehung. Er erkannte, dass der Film Tilsit« von Hermann Sudermann, konnte Murnau ohne weit mehr als die Bühne das Leben als Gleichnis darzu - Eingriffe des Studios drehen, dann wurden ihm die stellen berufen ist – denn alle seine Werke waren ei - kommerziellen Erwartungen der Produzenten und der gentlich in Bildform vorgetragene Balladen. Mit dem rasche Wechsel vom Stummfilm zum Tonfilm zum Ver - Wunsch und der Mahnung, der Hingeschiedene möge hängnis. Man nahm ihm bei THE FOUR DEVILS (der als Beispiel für alle ernsthaft Schaffenden weiter fort -

Film ist leider nicht erhalten) und bei CITY GIRL (Dreh - wirken, mit dem Begrüßungswort der Südseeinsulaner u a n

buch: Berthold Viertel) die Fertigstellung aus der Hand. ›Alo ha’Oe Murnau‹.« (zitiert nach Robert Herlth und r Es wirkt wie eine Flucht aus der Realität, dass Murnau Lotte H. Eisner). u M

) t dann ein Projekt auf einer Süd - m l u H e

t i seeinsel realisierte: TABU, be - h l i m (

u gonnen mit dem Dokumentaris - W

a n h ten Robert Flaherty, nach einem r c u i M r

Streit mit dem Co-Regisseur d m l e e i h r allein zu Ende geführt. Diese l i F W

Liebeserklärung an eine ferne h c i r

Kultur war für Frieda Grafe d 73 e i r F

»eine Kosmogonie des Ki nos: , n die Entstehung seiner Formen a m k e aus gleißenden, glitzern den a t s

Wasseroberflächen.« Die Pre - ö G

: miere von TABU hat Murnau T S U A

nicht mehr erlebt. F

u z Am 11. März 1931 starb er n e t i

nach einem Autounfall in Santa e b r a

Barbara, Kalifornien. Er war 42 h e r

Jahre alt, hatte 21 Filme ge - D Im Murnau-Buch der Deutschen Kinemathek zur Retro - spektive 2003 schrieb Thomas Koebner im Schlussab - satz seines Essays: »Im Kern war der ›romantische Preuße‹ Murnau ein Elegiker : ein Erzähler vom verlore - nen Paradies, vom verlorenen Glück, dessen Wieder - kehr oder schwache Spiegelung – wenn es überhaupt dazu kommen sollte – er selbst ironisch brach (DER LETZTE MANN) oder nur nach einer Beinahe-Katastro - phe gewährte (SUNRISE). Außenseitern gehörte seine Sympathie und seine Einfühlung: den Verlierern und An - geprangerten, den Einfältigen und den Mutigen, auch den Schönen (gerade in seinem Spätwerk), die offen - sichtlich den Neid der Götter erregen. Wer sich auf seine Filme einlässt, erspürt alsbald eine unvergleichli - 81 min | viragiert | Der Augenarzt Eigil Börne verlässt che Stimmung von leiser, dennoch nachhaltiger Innig - seine Verlobte für die Varieté-Tänzerin Lily. Doch Lily keit und diskreter Trauer, von Lebhaftigkeit und Bedau - fühlt sich zu einem Maler hingezogen, den Börne von ern, von unaufdringlichem Mitleid für seine Figuren, seiner Blindheit geheilt hat. »Murnaus Variante von versetzt mit kleinen Blitzen eines weichen Humors, Sternbergs Verfilmung des ›Professor Unrat‹, das einer milden gelassenen Heiterkeit.« (Friedrich Wilhelm Ganze ins Mythologische überhöht und mit Elementen Murnau. Ein Melancholiker des Films. Berlin 2003) des Zombiefilms gekreuzt. Wenn man den Film ge - Er war einer der Großen des deutschen Films, beein - nauer ansieht, lehrt er in seinen großen Momenten flusst von Malerei, Literatur und Schauspiel. Sein Bei - nicht die abgedroschenen Weisheiten eines filmhistori - trag zur Entwicklung einer spezifischen Filmsprache ist schen Kanons, sondern etwas ganz anderes: Dann früh erkannt worden. Er arbeitete mit den besten Kame - sieht man auch, dass in den Abgründen der düsteren raleuten seiner Zeit zusammen: Fritz Arno Wagner, Karl Filmgenres zumeist ein tieferes Wissen über die Freund, Carl Hoffmann, Charles Rosher, Ernest Palmer, menschliche Psyche haust.« (Dominik Graf) Gezeigt Floyd Crosby. Die prominentesten Schauspieler drängte wird erstmals eine neu rekonstruierte Version des Film - es in seine Filme. Und für viele Nachgeborene in museums München, ausgehend vom Originalnegativ. Europa, zum Beispiel für François Truffaut, Eric Rohmer, ▶ Sonntag, 8. Januar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: Jacques Rivette und Jean-Luc Godard, für Werner Her - Richard Siedhoff

u zog, Ulrike Ottinger und Wim Wenders, war er die Inkar - a n

r nation deutscher Filmgeschichte. Schloss Vogelöd | Deutschland 1921 | R: Friedrich Wil - u Murnaus Filme sind beredt und voller Zwischentöne, helm Murnau | B: Carl Mayer, nach dem Roman von Ru - M

m auch wenn es in ihnen noch keine gesprochenen Dia - dolf Stratz | K: Fritz Arno Wagner, László Schäffer | D: Ar - l e

h loge, keine originalen Geräusche, keine synchronen nold Korff, Lulu Kyser-Korff, Lothar Mehnert, Olga l i

W Töne gibt. »Stummfilm« – das klingt weit entfernt. Aber Tschechowa, Julius Falkenstein | 81 min | viragiert | Zu

h wenn wir uns in den Bildern, zwischen melancholi - einer Gesellschaft auf Schloss Vogelöd trifft ungeladen c i r

d schen Träumen und melodramatischen Gefühlen bewe - Graf Johann Oetsch ein, der im Verdacht steht, vor drei e i

r gen, dann kann es eine Nähe geben, die das Damals Jahren seinen Bruder ermordet zu haben. »Bezwingend F mit dem Heute verbindet. Murnau entdecken! In einer der Raum, in dem die Baronin und Safferstätt nach der 74 Ausstellung im Lenbachhaus, in einer Retrospektive Tat vor Schuld gekrümmt verharren: ein hohes, wie leer - des Münchner Filmmuseums. Hans Helmut Prinzler geräumtes Zimmer mit zwei erleuchteten Türöffnungen, Eine Filmreihe des Filmmuseums München zur Ausstellung Augenschlitze eines Raubtiers, im Hintergrund; reines, »Friedrich Wilhelm Murnau. Eine Hommage« im Lenbachhaus abstraktes Bühnenbild, mehr Leichenhalle und entseel - (25. Oktober 2016 bis 26. Februar 2017). ter Tempel als Wohnraum. Unentrinnbare Einsamkeit, unüberwindliches Verhängnis – sagt dieser Raum. Im Der Gang in die Nacht | Deutschland 1920 | R: Fried - ganzen übrigen Film gibt es kein Bild, das diesem rich Wilhelm Murnau | B: Carl Mayer, nach dem Film - gleicht. Man könnte es als eine ästhetische Erzwingung szenario »Sejren« (Der Sieger) von Harriet Bloch | K: lesen.« (Hanns Zischler) Max Lutze | D: Olaf Fönss, Gudrun Bruun-Steffensen, ▶ Freitag, 13. Januar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: Conrad Veidt, Erna Morena, Clementine Plessner | Sabrina Zimmermann, Mark Pogolski Der brennende Acker | Deutschland 1922 | R: Fried - Kunst uns auf dem Höhepunkt der Krankheit Hoffnung rich Wilhelm Murnau | B: Thea von Harbou, Willy Haas, auf ein Happy-End gemacht und uns Trost gespendet? Arthur Rosen | K: Fritz Arno Wagner, Karl Freund | D: Wäre es die Unschuld vom Lande wie in NOSFERATU? Werner Krauß, Eugen Klöpfer, Wladimir Gaidarow, Edu - Vielleicht der schöne Knabe aus TABU, der uns rechtzei - ard von Winterstein, , Alfred Abel | 100 min tig gewarnt, unser Blut gereinigt hätte, oder hätten wir | viragiert | Der als Sekretär eines Grafen arbeitende mit ihm, wie Murnau selbst beim Orgasmus, das Zeitli - Bauernsohn Johannes erfährt von einer Petroleum - che gesegnet, ohne lange Qual, ohne Abschied?« (Rosa quelle unter dem so genannten »Teufelsacker«, der sei - von Praunheim) nem Arbeitgeber gehört. Als der Graf stirbt, heiratet ▶ Freitag, 27. Januar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: Gün - Johannes aus Berechnung dessen Witwe. »Die Aus - ter A. Buchwald einandersetzung mit Filmen wie diesem ist gewinnbrin - gend, weil – Jahrzehnte entfernt – der selbstbewusste Phantom | Deutschland 1922 | R: Friedrich Wilhelm Murnau ein Spiel mit allen Mitteln und gegen alle Um - Murnau | B: Thea von Harbou, nach dem Roman von stände angezettelt hat. Die Selbstdisziplinierung in der Gerhart Hauptmann | K: Axel Graatkjær, Theophan Ou - Chiffrierung – eine souveräne Reaktion auf Markt und chakoff | D: Alfred Abel, Frida Richard, Aud Egede Nis - Mode. Treue statt Promiskuität – Authentizität in der sen, Hans Heinrich von Twardowski, | Kunst statt gedankenlose Karikatur. Ermutigung für die 134 min | viragiert | Der verträumte Ratsschreiber eigene Arbeit geht von einem solchen Melodram aus – Lorenz Lubota stürzt sich in eine verzweifelte Liebe. Ermutigung zur Expressivität und ausgespielten Leiden - »Erst jetzt, im Nach hinein, als Phantombild sozusagen, schaft.« (Horst Königstein) erahne ich allmählich den Film, den Murnau machen ▶ Samstag, 14. Januar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: wollte. Der allerdings hat mich gerissen. Auch wenn es Sabrina Zimmermann, Mark Pogolski ihn nicht gibt, besser: nicht geben konnte, noch nicht geben konnte, sehe ich ihn in Umrissen vor mir. Am Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens | deutlichsten im existierenden PHANTOM wird dieser Deutschland 1922 | R: Friedrich Wilhelm Murnau | B: unsichtbare Murnau-Film immer dann, wenn es um Henrik Galeen, nach dem Roman »Dracula« von Bram nichts geht, wenn keine Geschichte bedient werden Stoker | K: Fritz Arno Wagner | D: , Alexan - muss, wenn der arme Lorenz Lubota zum Beispiel ein - der Granach, Gustav von Wangenheim, Greta Schröder, fach durch die Gassen seiner Schreckensstadt nach Georg Heinrich Schnell | 93 min | viragiert | Im Auftrag Hause schleicht. Immer, wenn sich die Geschichte in des Maklers Knock reist der junge Hutter in die Karpa - den Vordergrund drängt, verbleicht der Film, den Mur -

ten, um dem Grafen Orlok ein Haus zu verkaufen. Doch nau hätte machen können. Er war seiner Zeit einfach u a n

seine Reise wird von unheimlichen Vorzeichen beglei - Lichtjahre voraus.« (Wim Wenders) r tet. »Der Film, der Mythos, die Legende, ach wie schön ▶ Samstag 28. Januar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: u M

und schrecklich und doch so wahr. Bei so viel Blut und Günter A. Buchwald m l e h l i

Die Finanzen des Großherzogs | Deutschland 1924 | W

R: Friedrich Wilhelm Murnau | B: Thea von Harbou, h c i r

nach dem Roman von Frank Heller | K: Karl Freund, d e i

Franz Planer | D: Harry Liedtke, Mady Christians, Robert r Scholz, Alfred Abel, Hermann Vallentin | 85 min | vira - F giert | Komödie um ein bankrottes Großherzogtum, das 75 sich sowohl ein Erpresser als auch ein Industrieller, eine Großfürstin und eine Gruppe von Revolutionären unter den Nagel reißen möchten. »Ein sekundäres Werk, das dennoch der Beachtung wert ist, weil es aus der Hand eines Meisters kommt. Die Meisterschaft Murnaus zeigt sich darin, wie flüssig und leicht er diese Geschichten in Filmbilder umsetzt, wie schwerelos sich Sterben denke ich unwillkürlich an die große Seuche die Szenen abspielen und verknüpfen, wie zärtlich – Aids. Wie hätte der schwule Murnau heute den großen kein anderes Wort will mir einfallen – die winzigsten Aids-Film gemacht, wie hätte er mit seiner großen Details und Gesten gesehen sind, und wie musikalisch sich das alles zusammenfügt, kurz und gut: wie schön die Ursachen des Fanatismus, sondern die darstellba - das ist und wie gern man dem ganzen Kuddelmuddel ren Auswirkungen. Natürlich, da die Geschichte die deshalb zusieht. Dieser Film macht nicht die leiseste eines Heuchlers und seines Opfers erzählt, wo der Anstrengung, den düsteren Tatsachen der Welt vor der Heuchler eben nicht fromm sein kann, sein Opfer nur Kinotür etwas anderes entgegenzusetzen als ein biss - mit seiner Gestalt, nicht mit seinem Glauben beein - chen Schaumgebäck.« (Helma Sanders-Brahms) druckt, ist der Blick von Murnau auf dieses Stück ▶ Sonntag, 29. Januar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: (heute, nach so vielen Interpretationen) zwingend. Eine Günter A. Buchwald auf verbaler Vermittlung beruhende Handlung ins Stumme zu übersetzen, brachte den Regisseur auf das Der letzte Mann | Deutschland 1924 | R: Friedrich Wil - Wesentliche der Heuchelei: Alles, was man mit rollen - helm Murnau | B: Carl Mayer | K: Karl Freund | D: Emil den, nach oben blickenden Augen, alles, was man über - Jannings, Maly Delschaft, Max Hiller, Emilie Kurz, Hans haupt über die Lüge, die Ohnmacht, das Entsetzen Unterkircher | 88 min | Kammerspiel-Melodram um durch den Körper ausdrücken kann, die Geilheit mit einen alternden Hotelportier, der zum Toilettenwärter den Zähnen und Lippen, die Leidenschaft mit dem Rü - degradiert wird. »Ein beeindruckender Stummfilm in cken.« (Luc Bondy) dem Sinn, dass er ganz und gar auf eine Bilderzählung ▶ Samstag, 4. Februar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: abgestimmt ist und zu keinem Zeitpunkt die Sprache Joachim Bärenz

Faust – Eine deutsche Volkssage | Deutschland 1926 | R: Friedrich Wilhelm Murnau | B: Hans Kyser | K: Carl Hoffmann | D: Gösta Ekman, Emil Jannings, Ca - milla Horn, Frida Richard, Wilhelm Dieterle | 108 min | »Der Film ist ein Abenteuertrip. Er ist eine Reise in eine phantastische Welt, die wir, eine Friedensgeneration, überhaupt nicht mehr kennen. Man macht sich plötz - lich über Geschichte Gedanken. In Deutschland hat Ge - schichte durch die banale Tatsache der völligen Zerstö - rung von Städten und Architektur jede Sinnlichkeit ver - loren. Mit ihr ist unsere Kultur versunken und hat einer Unkultur Platz gemacht, einer primitiven Form augen -

u zwinkernder, gesichts- und geschichtsloser Unterhal - a n

r oder Zwischentitel benötigt, oder man gar den Eindruck tung. Die wenigen Bausteine, die wir hervorholen kön - u hat, dem Film würde eine Dimension fehlen. In diesem nen, um uns unsere Kultur bewusst zu machen, sind M

m Film begreift man, warum in Deutschland die Entwick - eben solche Schlüsselwerke wie Murnaus FAUST – l e

h lung des Tonfilms nicht schneller vorangetrieben, der und wenn man ihn sieht, bekommt man auch eine sinn - l i

W Ton sogar als störend empfunden wurde und die Film - liche Erkenntnis unserer Geschichte und eine Sehn -

h schaffenden in ihrer Kreativität einschränkte. In diesem sucht danach, in ihr zu forschen und ihren geheimen c i r

d Film wäre jedes Wort zu viel, und die Inszenierung, die Klang wieder zu hören.« (Oskar Roehler) e i

r Schauspieler, die Kamera wären alle Knechte von Dialo - ▶ Freitag, 5. Februar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: Joa - F gen geworden.« (Kai Wessel) chim Bärenz 76 ▶ Freitag, 3. Februar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: Joa - chim Bärenz Sunrise – A Song of Two Humans (Sonnenaufgang – Ein Lied von zwei Menschen) | USA 1927 | R: Fried - Herr Tartüff | Deutschland 1926 | R: Friedrich Wilhelm rich Wilhelm Murnau | B: Carl Mayer, nach der Erzäh - Murnau | B: Carl Mayer, nach der Komödie »Le Tartuffe lung »Die Reise nach Tilsit« von Hermann Sudermann | ou l’imposteur« von Molière | K: Karl Freund | D: Emil K: Charles Rosher, Karl Struss | M: Hugo Riesenfeld | D: Jannings, Werner Krauß, Lil Dagover, André Mattoni, Janet Gaynor, George O’Brien, Margaret Livingston, Lucie Höflich | 84 min | viragiert | »Das vollkommen Bodil Rosing, J. Farrell MacDonald | 95 min | OF | Überzeugende, Frappierende beim Filmregisseur Mur - Movietone | »Es wird (in dieser Reihenfolge:) begehrt, nau ist, dass er Heuchelei und Manipulation allgemei - verraten, bereut, vergeben, geliebt, verloren, getrauert ner als nur theologisch auffasst. Ihn interessieren nicht und wiedervereint. Viel mehr Existentielles passt in kein Melodram. Aber das wirklich Substantielle versteckt bestand aus einer nicht mehr erhaltenen Musik von sich hier im Detail: Scheinbares Ornament birgt die Es - Georg Fliebiger, die auf Schallplatten synchron zum senz dieses Films. Das Kino ist eine Wundermaschine, Film abgespielt wurde. Murnau war an dieser Umarbei - und SUNRISE will dies beweisen, jede Sekunde, jeden tung seines Films nicht beteiligt. Augenblick. Ein Film, der nie nachlässt, alles zu wollen, ▶ Sonntag, 12. Februar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: seiner Geschichte alles abzuverlangen, seinen Figuren, Richard Siedhoff seinen Bildern, seiner Stimmung, seinen Gefühlen. Und der sich dabei bevorzugt der freieren, assoziativen Phantombilder | BRD 1988 | R+B: Frieda Grafe, Enno Sprache eines Traums bedient. Wie nah steht das Kino Patalas | M: Takemitsu Toru | 44 min – Satanas | dem Traum? SUNRISE antwortet: Das Kino ist ein Deutschland 1919 | R: Friedrich Wilhelm Murnau | B: Traum. Die geträumte Erzählung einer Geschichte aus | K: Karl Freund | D: Fritz Kortner, Sadjah der sogenannten Wirklichkeit.« (Tom Tykwer) Gezza, Ernst Hofmann, Margit Barnay, Conrad Veidt | ▶ Freitag, 10. Februar 2017, 18.30 Uhr 5 min | viragiert | Fragmente – , genannt die Schmuggler-Madonna | Deutschland 1922 | R: Fried - City Girl (Die Frau aus Chicago) | USA 1930 | R: rich Wilhelm Murnau | B: Hans Janowitz | K: Karl Friedrich Wilhelm Murnau | B: Berthold Viertel, H.H. Freund | D: Tzwetta Tzatschewa, Adele Sandrock, Harry Caldwell, nach dem Stück »The Mud Turtle« von Elliott Frank, Hans Heinrich von Twardowski | 14 min | vira - Lester | K: Ernest Palmer | D: Charles Farrell, David Tor - giert | Fragment – Murnaus’s – Traces of a rence, Mary Duncan, Dick Alexander, Edith Yorke | Lost Film (Murnaus Vier Teufel: Spuren eines ver- 89 min | OF | »Wenn Lem staunend wie ein kleiner lorenenen Films) | USA 2003 | R+B: Janet Bergstrom Junge vom Land in die Großstadt Chicago kommt, ist er | 40 min | OF | Eine filmkundliche Fernsehsendung umgeben von einem Heer von Statisten, die äußerst be - über Friedrich Wilhelm Murnau und seine Filme, Frag - wegt den Bildhintergrund bevölkern. Der Regisseur mente verlorener Filme aus der Frühphase seiner deut - muss eine Unzahl von Assistenten beschäftigt haben, schen Filme und eine filmwissenschaftliche Spurensu - um die Komparsenmassen derart virtuos zu dirigieren. che nach seinem zweiten Hollywoodfilm 4 DEVILS, Wo im Tonfilm der Lärm der Großstadt zu hören wäre, 1928, mit Janet Gaynor, Mary Duncan, Charles Morton, lässt uns Murnau in CITY GIRL, einem der letzten Barry Norton und Nancy Dressel, von dem sich nur Stummfilme Hollywoods, die Geräusche der Stadt förm - Fotos, ein Script und Dokumente erhalten haben. lich sehen. Aber auch die Emotionen der Figuren offen - ▶ Freitag, 17. Februar 2017, 18.30 Uhr baren sich nicht nur durch die Schauspielkunst ihrer

Darsteller, sondern immer wieder in der filmischen Be - Tabu: A Story of the South Seas (Tabu) | USA 1931 | u a n

wegung. Murnau sprach einmal von der ›fließenden Ar - R: Friedrich Wilhelm Murnau | B: Friedrich Wilhelm Mur - r chitektur durchbluteter Körper im bewegten Raum‹. nau, Robert J. Flaherty | K: Floyd Crosby, Robert J. Fla - u M

Was er damit gemeint hat, ist in CITY GIRL auf faszinie - herty | M: Hugo Riesenfeld | D: Reri, Matahi, Hitu, Jean, m l e

rende Weise zu sehen.« (Stefan Lukschy) Ah Fong | 86 min | OF | Movietone | »Mitte der 1960er h l ▶ i

Samstag, 11. Februar 2017, 18.30 Uhr | Live-Musik: Jahre habe ich als junger Filmkritiker der Süddeut - W

schen Zeitung TABU zum ersten Mal gesehen. Der Film h

Richard Siedhoff c i r

war für mich ein Mythos. Ich kam aus dem Kino mit Trä - d e i

Die zwölfte Stunde … eine Nacht des Grauens | nen in den Augen. TABU war von diesem Moment an r Deutschland 1930 | Künstlerische Bearbeitung: Walde - für mich der schönste Film aller Zeiten. Ich war auf der F mar Roger | R: Friedrich Wilhelm Murnau | B: Henrik Stelle verliebt in Reri, und die Szene, in der Reri und 77 Galeen, nach dem Roman »Dracula« von Bram Stoker | Matahi zusammen tanzen, war die schönste Liebes - K: Fritz Arno Wagner, Günther Krampf | D: Max Schreck, szene, die ich je gesehen hatte. Mit entwaffnender Alexander Granach, Gustav von Wangenheim, Greta Einfachheit erzählt Murnau diese erschütternde Ge - Schröder, Ruth Landshoff | 65 min | Eine nachsynchro - schichte einer unmöglichen Liebe. Das scheint auf den nisierte Tonfilm-Bearbeitung von NOSFERATU. EINE ersten Blick ein europäisches Motiv zu sein. Die Südsee SYMPHONIE DES GRAUENS (1921), bei der Waldemar ist ein Traum in den Köpfen der Europäer, aber die Wirk - Roger alle Rollenbezeichnungen änderte und von ihm lichkeit der Südsee ist alles andere als eine Traumwelt. selbst nachgedrehte Szenen sowie von Murnau ausge - Das Leben dort ist so traurig wie das Leben hier. Meis - sondertes Material hinzufügte. So schaffte er es, den tens noch trauriger.« (Rudolf Thome) Film mit einem Happy-End zu versehen. Die Tonspur ▶ Samstag, 18. Februar 2017, 18.30 Uhr