1

Stellungnahme BUND Rheinland-Pfalz A 643, 6-streifiger Ausbau zwischen der AS - und der AS Mainz- in den Gemarkungen Gonsenheim, Mombach und Finthen

Grundsätzliches/Zusammenfassung

Der BUND Rheinland-Pfalz lehnt den geplanten sechsstreifigen Ausbau der A 643 ab. Die Ablehnung des Vorhabens gilt nicht nur für den Abschnitt Mombach – Gonsenheim, sondern für den gesamten Streckenabschnitt der A 643 bis zum Autobahndreieck Mainz. Falls dem Einspruch stattgegeben werden sollte, würden wir dem Neubau der maroden Vorlandbrücke ohne Ausbau des erdgebundenen Teils der A 643 nicht widersprechen.

Eine hohe bis extrem hohe naturschutzfachliche Wertigkeit des Mainzer Sandes und des Lennebergwaldes wird durch alle Gutachten belegt. Eine Alternativprüfung hätte aus diesem Grund zum Ergebnis führen müssen, dass zwar die Schiersteiner Brücke und die Vorderlandbrücke fertig gebaut werden müssen, jedoch der gesamte weitere erdgebundene Ausbau der A 643 zu unterlassen ist. Diese mögliche Alternative wurde nicht untersucht, sodass ein schwerwiegender Abwägungsfehler vorliegt, der die Zulässigkeit des Vorhabens insgesamt in Frage stellt.

Auch Kompromisslösungen wurden nur unzureichend untersucht. Zum einen könnte ein solcher Kompromiss die sogenannte „4+2-Lösung“ darstellen. Diese beinhaltet die Beibehaltung der bisherigen 4 Streifen bei Verringerung des Mittelstreifens und die Ertüchtigung der Standstreifen mit temporärer Freigabe zu verkehrlichen Stoßzeiten. Auf eine Lärmschutzwand wird dabei verzichtet. Der Lärmschutz wird gewährleistet durch Aufbringen von Flüsterasphalt und eine Tempobegrenzung auf 80 km/h auf der gesamten Länge der A 643 vom Dreieck Mainz bis zum Kreuz . Diese Lösung wurde nur aus oberflächlich genannten Gründen untersucht und dann ausgeschlossen. Eine eingehende Alternativenprüfung wurde nicht durchgeführt.

Zum anderen ist eine weitere Alternative in den Planunterlagen nur kurz aufgeführt (Alternative 3.1.4). Diese Alternative sieht tiefergelegte Gradienten und eine Abdeckung mit besserer bzw. kompletter Schonung der Naturschutzgebiete vor. Auch hier fand keine eingehende Alternativenprüfung statt.

B. Grundsätzliche Einwendungen

Moratorium Die Entscheidung des Bundesverkehrsministers zum sechsstreifigen Ausbau der gesamten A 643 zwischen Dreieck Mainz und Schiersteiner Brücke erfolgte im Jahre 2013. In den letzten Jahren haben sich gravierende Änderungen des gesellschaftlichen und politischen Umfeldes ergeben. Es wird immer deutlicher, dass die von Wissenschaftlern aufgezeigten dramatischen Folgen der Klimaerwärmung tatsächlich eintreten. Klimaschutz und Nachhaltigkeit werden für die nächsten Jahrzehnte ein relevantes Dauerthema sein. Die notwendige Änderung der Lebensstile betrifft alle; 2

Politik und Gesellschaft sind davon nicht ausgenommen. Es muss reflektiert werden, ob das Prinzip der Nachhaltigkeit - insbesondere auch im Verkehrssektor - eingehalten wurde.

In diesem Kontext muss darüber nachgedacht werden, dass die bestehenden Probleme nicht durch Neubau und Verbreiterung gelöst werden können. Es müssen Konzepte zur Reduzierung des Straßenverkehrs entworfen und umgesetzt werden. So besteht die Lösung des Problems vielmehr in der Verminderung des Straßenverkehrs, z. B. durch Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene, durch Angebote kostenlosen oder -günstigen Nahverkehrs etc. Der Fokus der Verkehrspolitik lag jedoch in den letzten 10 Jahre fast ausschließlich auf dem Auto. Bahn und öffentlicher Nahverkehr wurden vernachlässigt.

Im Rahmen einer notwendigen Verkehrswende sollte es deshalb ein Moratorium für alle Straßenneubau- und Ausbaumaßnahmen, z.B. für einen Zeitraum von 10 Jahren geben. Die freiwerdenden Mittel sollen für die Bahn und die Verbesserung des Öffentlichen Nahverkehrs eingesetzt werden. Vom Moratorium ausgenommen sind lediglich Instandsetzungen und notwendige Sanierung bzw. Ersatzbauten von Brücken. Die Notwendigkeit eines solchen Moratoriums ergibt sich auch aus den vorliegenden Prognosen zur Verkehrsentwicklung. Es wird allgemein eine Zunahme des Straßenverkehrs in den nächsten 10 Jahren von etwa 30 % angenommen; für den Schwerverkehr geht der Bundesverkehrswegeplan sogar von einem Zuwachs von 39 % aus. Dies bei gleichbleibenden oder sogar geringeren Bevölkerungszahlen. Die gesamte Straßeninfrastruktur ist diesen Zuwachsraten nicht mehr gewachsen, das Klima ebenfalls nicht, und eine vernünftige Begründung für diese Entwicklung fehlt völlig. Nachhaltigkeit im Verkehrssektor sieht anders aus. Mobilität muss umgedacht werden und vor allem nicht notwendiger Verkehr muss vermieden werden.

Angesichts der Klimakrise ist ein umfassendes oder teilweises Moratorium mit Sicherheit zu erwarten. Für die A 643 bedeutet diese Überlegung, die Schiersteiner Brücke fertig zu bauen und auch die marode Vorlandbrücke wie vorgesehen (d.h. sechsstreifig) durch einen Neubau zu ersetzen. Die weiteren, erdgebundenen Ausbaumaßnahmen durch den Mainzer Sand und den sollen ausgesetzt und zunächst nicht weiterverfolgt werden. Technisch wäre dies ohne weiteres möglich. Es bietet sich die Chance, danach und ohne weitere Kosten zu verursachen zu beobachten, ob sich die Verkehrssituation nicht bereits durch die Brückenneubauten und die notwendige allgemeine Reduzierung überflüssigen Verkehrs spürbar verbessert. Denn der sechsstreifige Ausbau beider Brücken plus Ertüchtigung des Schiersteiner Kreuzes werden die durch diese Engstellen geprägte Staudynamik entzerren.

Mängel in den Planunterlagen Bei allen in den Gutachten untersuchten Alternativen fehlt das Kriterium „Verkehrsvermeidung bzw. –reduzierung“. Untersuchungen über die Wirkung einer Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs auf das Vorhaben fehlen ebenfalls weitgehend. Die Notwendigkeit einer solchen Verbesserung wird immer stärker und drängender diskutiert. Ergebnis der bisherigen Mobilitätsdiskussion ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Reduzierung des Straßenverkehrs und der Fahrzeugdichte vor allem in den Städten. Das hat Folgen für die A 643, denn sie ist ganz überwiegend eine Stadtautobahn mit regionalem Bezug. Verkehrsverminderungen in den Städten Mainz und Wiesbaden sowie generell im Rhein--Gebiet bedeuten Entlastungen auch der regionalen Autobahnen, und hier besonders der A 643. Dies ist in den Unterlagen nirgendwo quantifiziert. 3

Kosten werden nur für den Vollausbau genannt, die Kosten alternativer Lösungen werden nicht ausreichend gegenübergestellt. Eine Kostendarstellung der „Null-Lösung plus Brückenbau“ fehlt völlig, ebenso die Kosten einer 4+2-Lösung und der möglichen Alternative 3.1.4. Außerdem fehlt eine Kosten-Nutzen-Analyse, die bei Vorhaben solcher Größenordnungen zwingend notwendig ist.

Nicht ausreichende Alternativ-Untersuchungen gelten auch für den naturschutzfachlichen Teil. Die Gutachter kommen durchweg zwar zu dem Ergebnis, dass es sich um hochwertige Habitate handelt und eine massive Beeinträchtigung der Lebensräume und Arten vorliegt. Diese – richtige - Bewertung hätte zu dem Ergebnis führen müssen, dass der geplante Voll-Ausbau nicht mit den Schutz- und Erhaltungszielen der geschützten Natura 2000-Gebiete und der Naturschutzgebiete zu vereinbaren und daher eine Realisierung des Vorhabens in der vorgesehenen Form nicht möglich ist. Bei der Bewertung der Befunde wurde nicht nur das Verschlechterungsverbot, sondern auch das Optimierungsgebot der EU-Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie komplett außer Acht gelassen. Bei strenger Anwendung von Geist und Buchstabe des europäischen Naturschutzrechts kann der Ausbau daher als nicht als genehmigungsfähig betrachtet werden. Beide vorgenannten Gründe haben die Bedeutung eines rechtlich relevanten Abwägungsfehlers.

Die parallele Durchführung des Planfeststellungsverfahrens zeitgleich mit der Prüfung der Unterlagen durch die Europäische Kommission ist unseres Erachtens nicht rechtmäßig. Denn im Zeitpunkt der Offenlegung ist die Haltung der Europäischen Kommission zu dem Vorhaben nicht bekannt und kann daher bei Stellungnahmen und der Abwägung alternativer Lösungen nicht berücksichtigt werden. Gerade die europarechtlichen Naturschutzrichtlinien sind für die Beurteilung jedoch zwingend erforderlich. Insofern bewirkt das Parallelverfahren eine Rechtsverkürzung für die Träger öffentlicher Belange und kann nicht hingenommen werden.

C Einwände im Einzelnen

01 – Erläuterungsbericht

Zu 1.2 Straßenbauliche Beschreibung (S. 8): In der Verkehrswegekategorie wird die A 643 als „Autobahn mit kontinentaler Verbindungsfunktion“ eingeschätzt. Diese Einschätzung ist durch Gutachten nicht belegt und dem Augenschein nach falsch. Der wirklich überregionale (kontinentale) Nord-Süd-Verkehr wird ganz überwiegend von den Autobahnen A 61 und A 3 mit Fortsetzung A 67 aufgenommen. Der großräumige West-Ost-Verkehr verläuft eher über die Ballungszentren Köln/Ruhrgebiet bzw. Mannheim/Karlsruhe. Regional bedeutender als die A 643 sind die A 60 und A 66. Die A 643 spielt in diesem Kontext nur die Rolle einer Querverbindung zwischen der A 60 und A 66, die übrigens auch noch an anderen Stellen besteht, z.B. durch die A 671/B 455. Demnach hat die A 643 eher den Charakter einer Stadtautobahn als den einer Kontinental-Verbindung. Dies bestätigt sich durch Augenschein: Durch einfache Beobachtung ist festzustellen, dass die Anzahl der Fahrzeuge mit Kennzeichen MZ, WI oder KH sehr hoch ist, Kennzeichen aus weit entfernt liegenden Regionen sind selten. Allein die Betrachtung des großräumigen deutschlandweiten Autobahnnetzes macht deutlich, dass die A 643 für eine Reise etwa von Norddeutschland oder Brüssel in den Süden keine Rolle spielt. 4

Eine genaue Untersuchung des überregionalen oder auch regionalen Quell- und Zielverkehrs mit Bezug zur A 643 ist in den Unterlagen nicht enthalten. Diese Unterlassung stellt einen gravierenden Mangel dar. Es ist zu vermuten, dass die Darstellung der A 643 als „kontinental hochrangig“ dazu dienen soll, das Ausbauvorhaben hochzustilisieren und dadurch politisch unantastbar zu machen. Historisch gesehen war die A 643 zunächst eine Bundesstraße. Ein Ausbau als Autobahn wäre unter den heute geltenden rechtlichen Bestimmungen völlig unmöglich.

Abb. 4 (S. 10): Die Maßangabe in der zeichnerischen Darstellung des Ausbaus ist unzureichend. Es wird eine Breite von 32 Metern angegeben (mit einseitig offenen Bemaßungslinien). In den folgenden Plänen (Regelquerschnitt 14-1 Blatt 2) ist die Breite im Regelfall mit 35,60 m angegeben – und dies ohne die benötigten Flächen für Lärmschutzwand plus Betriebsweg und Gabionenwände. Maßangaben dafür fehlen komplett. Dem maßstäblichen Augenschein nach werden dafür an jeder Seite rund 2 m benötigt, sodass die gesamte Breite des Ausbaus mindestens 39 m betragen dürfte. Die oben genannte unzureichende und falsche Maßangabe findet sich in allen weiteren Planunterlagen und auch in den Unterlagen, die den Europäischen Behörden vorgelegt wurden. Der Fehler ist geeignet, den Flächenverbrauch geringer einzuschätzen als er tatsächlich ist, und es könnte der Verdacht der Täuschung entstehen.

2.3.2 Bestehende und zu erwartende Verkehrsverhältnisse (S. 18 und 19): Zu den Verkehrsprognosen im Einzelnen wird bei den entsprechenden Gutachten Stellung genommen. Allerdings ist hier bereits festzuhalten, dass die Verkehrsbelastung in allen Prognosen direkt auf der Schiersteiner Brücke um 20.000 bis 25.000 Fahrzeuge höher ist als im Abschnitt Dreieck bis Mombach. Umgekehrt betrachtet liegt das Fahrzeugaufkommen im erdgebundenen, südlichen Teil der A 643 somit um diesen Betrag niedriger. Ursache sind die Zuflüsse in den Anschlüssen Mombach und Äppelallee. Diese Zuflüsse werden bereits berücksichtigt durch den sechsstreifigen Ausbau der Schiersteiner Brücke. Die Zunahme an diesen Stellen ist dementsprechend kein Grund für den weiteren erdgebundenen Ausbau. Zudem belegt das Gutachten, dass es allein durch den sechsstreifigen Ausbau zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen gegenüber dem aktuellen Zustand kommt. Die Gutachten berücksichtigen ferner nicht einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (teilweise beschlossene, ansonsten geplante bzw. bereits in der konkreten öffentlichen Diskussion befindliche neue Straßenbahn- und Buslinien bis weit ins Umland, neuer Bahnknoten Mainz-Nord) und ein verändertes Mobilitätsverhalten (z.B. stärkere Nutzung des Fahrrads), welches mit Sicherheit im Rahmen einer Verkehrswende zu erwarten ist. Sie berücksichtigen nicht die ebenso zu erwartenden Anstrengungen im Sinne Reduzierung des Verkehrs (Erhöhung LKW-Maut, Verlagerung auf Schiene und Wasser, autonomes Fahren). Allein die prognostizierte Erhöhung des Schwerverkehrs um 39 % (Bundesverkehrswegeplan) in den nächsten 10 Jahren macht deutlich, dass die Verkehrsinfrastruktur dieser Belastung nicht mehr gewachsen ist und es sozusagen eine „natürliche Sättigungsgrenze“ geben wird. Diese Grenzen zeigen sich bereits jetzt, denn nicht einmal die notwendigen Parkplätze für die Ruhezeiten der LKW-Fahrer können noch bereitgestellt werden. Und da das Staugeschehen weniger von der Anzahl der Fahrstreifen, sondern überwiegend von den Engstellen in den Aus- und Abfahrten abhängt, scheitert eine Verbesserung schon an den vorhandenen baulichen Verhältnissen der Anschlussstellen (Zwangspunkte vorhandener Bebauung und Straßenverhältnisse). Dies alles macht deutlich, dass es in Zukunft massiv um eine Verringerung des Straßenverkehrs gehen wird. Dies wird in den Gutachten in den Planfeststellungsunterlagen nicht ausreichend einbezogen. 5

2.3.3 Verbesserung der Verkehrssicherheit (S. 21): Die viel zu kurzen Ein- und Ausfädelungsstreifen im AS Mombach werden zu Recht als ein „Sicherheitsrisiko und als Behinderung des Verkehrsflusses“ (also Mitursache für Staus) bezeichnet. Mit dem sechsstreifigen, aktuell in Bau befindlichen Neubau der Schiersteiner Brücke und dem geplanten ebenfalls sechsstreifigen Ersatzbau der Vorlandbrücke werden diese Hindernisse allerdings bereits beseitigt. Die Forderung eines weiteren Vollausbaus bis zum Dreieck Mainz ist dadurch nicht gerechtfertigt. Die vielen Verflechtungsvorgänge auf engem Raum sprechen auch gegen eine Planung mit der „Richtgeschwindigkeit“ von 130 km/h, die tatsächlich in vielen Einzelfällen deutlich höher liegt.

2.4 Verringerung bestehender Umweltbeeinträchtigungen (S. 22): Die Behauptung, „durch den Ausbau der A 643 werden (...) die Schadstoffemissionen vermindert“ ist kaum schlüssig nachgewiesen und daher äußerst spekulativ. Denn durch den Ausbau erhöhen sich Verkehrsaufkommen und Geschwindigkeit. Dies belegen die weiteren Unterlagen und Gutachten. Damit steigen natürlicherweise die Schadstoffemissionen, besonders CO2, Feinstaub und zudem Lärm. Die vorgesehene Lärmschutzwand reduziert CO2 oder Feinstaub nicht, sondern lenkt diese Emissionen nur um, und zwar zu Lasten der Naturschutzgebiete (Verwirbelung, Veränderung Kleinklima). Eine nachhaltige Reduzierung des Lärms „an der Quelle“ wäre allenfalls bei einer deutlichen Geschwindigkeitsbegrenzung zu erwarten, z.B. auf 80 km/h, sowie durch Aufbringung von Flüsterasphalt.

2.5. Zwingende Gründe des öffentlichen Interesses (S. 23): In diesem Absatz werden zwei hauptsächlich zwei Argumente als „zwingende Gründe“ angeführt. Zum einen die verkehrliche Belastung und zum anderen die wirtschaftliche Prosperität der Unternehmen der Region. Nicht beachtet wird jedoch, dass der Schutz von Umwelt und Natur, der gegen einen Vollausbau spricht, einen mindestens ebenso hohen Stellenwert hat und in seiner Bedeutung stetig, grade im Hinblick auf die Klimakrise und des Artensterbens, zunimmt. Die verkehrliche Belastung in Verbindung mit der Schlussfolgerung „Ausbau unerlässlich“ trifft auf die Schiersteiner Brücke zu, aber eher nicht auf die erdgebundenen Streckenabschnitte, denn dort ist das prognostizierte Verkehrsaufkommen immerhin um 20.000 bis 25.000 Fahrzeuge niedriger. Davon abgesehen ist, wie vorstehend ausgeführt, die notwendige Verkehrswende mit verkehrsreduzierender Wirkung nicht bedacht. Eine Beeinträchtigung der „Wirtschaftsleistung regionaler Unternehmen“ und ein „volkswirtschaftlicher Schaden“ im Falle des Nichtausbaus ist in den Unterlagen nirgendwo nachgewiesen oder plausibel begründet. Das sind Allgemeinsätze, die auf jede Situation angewandt werden können.

Nachvollziehbar ist dagegen, dass Staus vermieden werden sollten. Dies geschieht im konkreten Fall aber durch den Neubau der Brücken mit verbesserten Anschlussstellen und im Allgemeinen mit Reduktion des Straßenverkehrs, zuerst des nicht notwendigen Verkehrs. Immerhin haben viele der produzierenden Unternehmen ihre Lagerhaltung auf die Straßen und Autobahnen verlagert. Eine der wesentlichsten Ursachen der enormen und besonders schädlichen Zuwachsraten des Schwerverkehrs wird in der „Just-in-Time-Produktion“ gesehen. Ein großer Teil der Logistikkosten wird hierbei dem Steuerzahler aufgebürdet. Hier wäre somit ein besserer und marktwirtschaftlicher Ansatz nötig, indem beispielsweise die Umweltkosten des Schwerverkehrs in die LKW-Maut eingepreist würden. 6

Dies alles wird nicht untersucht und fließt daher nicht in die Bewertung ein.

3.2.2 Varianten der Voruntersuchung (S. 26 ff.): Einigermaßen verwirrend sind die Darstellungen der Varianten. Es sind viele Varianten dabei, die wegen der bereits in Bau befindlichen Schiersteiner Brücke überhaupt nicht mehr in Frage kommen, z.B. alle „oberstromigen“ Varianten. Vermutlich wurden diese vor dem ersten Bauabschnitt, also Neubau der Schiersteiner Brücke untersucht, sind heute aber obsolet (z.B. die Untertunnelung des Rheins als Alternative, obwohl die Hälfte der Brücke bereits gebaut ist). Allein 10 Varianten und Untervarianten der Schiersteiner Brücke sind dargestellt, obwohl diese Alternativen wegen des Baufortschritts nicht mehr möglich sind. Auch bei der Vorlandbrücke kommen oberstromige Varianten wegen der Zwangspunkte der aktuellen Brückenbauwerksausführung nicht mehr in Betracht, trotzdem sind sie aufgeführt. Der Zweck dieser Aufzählung lässt sich nur schwer nachvollziehen.

Variante 3.1.4 (S. 31 bis 32 und S. 53): a) Die Variante 3.1.4 (Gradienten-Tieferlegung mit Abdeckung des Straßenkörpers auf Geländeniveau) wird hier genannt und in späteren Dokumenten als die naturschutzfachlich am wenigsten beeinträchtigende Variante bewertet. Sie wird dann aber nicht weiter untersucht. Dies ist ein absolut gravierender Mangel der Planfeststellung. b) Tabelle S. 53: Die vorgenannte Variante 3.1.4 bekommt bei „Umweltverträglichkeit“ 3 Punkte bzw. Kreuze, bei „Verkehrssicherheit/Leistungsfähigkeit“ und „Betroffenheit/Akzeptanz“ aber nur 2 Punkte. Dies ist absolut willkürlich, denn die beiden letztgenannten Kriterien bekommen bei anderen Alternativen, die sich prinzipiell nicht unterscheiden, 3 Punkte. Vor allem bei „Betroffenheit“ wäre eine höhere Punktzahl zwingend, weil eine Variante mit Abdeckung sicherlich ein Favorit der breiten Mehrheit der Bevölkerung wäre. Denn damit würde nicht nur zukünftiger Autobahn-Lärm entfallen, sondern auch der bereits jetzt vorhandene. Davon abgesehen kann diese Lösung auch 6 Spuren plus Seitenstreifen aufnehmen. Damit wären die verkehrstechnischen Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums erfüllt. Die notwendige und zwingende Änderung der Punktzahl würde die Variante 3.1.4 in der Rangliste der Alternativen als deutlich überlegen mit der jetzt vorgeschlagenen Variante 3.1.3 ergeben. Wie die Punktevergabe zustande kommt, ist nicht erläutert. Es ist unverständlich, warum die naturschutzfreundlichste Lösung nicht weiter untersucht wurde. c) Auch eine Kostengegenüberstellung dieser 3.1.4-Variante mit anderen Varianten findet nicht statt. Höhere Kosten sind nicht von vorneherein ein Ausschlusskriterium; Gesellschaft und Politik messen dem Naturschutz mittlerweile eine erheblich höhere Bedeutung zu.

3.3.5 Diskussion einer „4+2 Verkehrsführung“ (S. 44 ff.): Es werden rechtlich-formale Gründe aufgezählt, aufgrund deren eine 4+2-Lösung nicht möglich sei und als Alternative nicht weiter geprüft werde. Die genannten Gründe sind weitgehend nicht stichhaltig. „Formalien“ sind änderbar, wenn neue Erkenntnisse dies erforderlich machen. Im Bundesverkehrswegeplan sei der sechsstreifige Ausbau „fest disponiert“: Den Plan kann man ändern. Eine wirkliche Verkehrswende würde der auf Straßenneubau und Straßenausbau fixierte aktuelle BVWP ohnehin nicht überstehen. Temporäre Freigabe von Seitenstreifen käme nur im Vorgriff auf den „regelgerechten Ausbau in Betracht“: Die Regeln sind änderbar, sie sind ohnehin nicht realitätsnah. Temporäre Seitenstreifenfreigaben gibt es in vielen Gegenden Deutschlands seit vielen Jahren, ohne dass ein Ausbau erfolgt ist. 7

Die Verwaltungsvereinbarung zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz sähe einen sechsstreifigen Ausbau vor: Die Vereinbarung kann geändert und neuen Erkenntnissen angepasst werden. Das hessische Verkehrsministerium macht in einem uns vorliegenden Schreiben an die Stadt Mainz deutlich, dass eine solche Anpassung ihren Zielsetzungen nicht widerspricht. Somit ist davon auszugehen, dass das Land Hessen durchaus anderen, vernünftigen Alternativen gegenüber aufgeschlossen ist.

Außerdem wird aufgeführt, dass eine 4+2 Verkehrsführung nicht in der Lage sei, den aktuellen und zukünftigen Verkehr „sicher abzuwickeln“. Als Maßstab wird der prognostizierte Zuwachs von 65.950 aktuell auf 84.100 Fahrzeuge/24h angegeben (Planfall P2). Dies ist eine Steigerung von rund 28 %. Wenn eine solche Steigerung nicht mit einer 4+2-Lösung abzuwickeln ist, ist er es auch nicht mit einer sechsstreifigen Lösung, denn in beiden Fällen steht ja die gleiche Anzahl von Spuren zur Verfügung, mindestens zu den verkehrsreichen Zeiten, und nur die sind hinsichtlich der Abwicklung wirklich relevant. Das „Abwicklungsargument“ berücksichtigt auch nicht, dass auf der Vorlandbrücke und der Schiersteiner Brücke nach dem Neubau auf jeden Fall 6 Fahrstreifen plus 2 Standstreifen vorhanden sind und dadurch die „Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs“ bereits erheblich verbessert wird.

Querschnittsgestaltung (S. 47 und 48): Die Darlegung der Querschnittsgestaltung und der Flächenverluste bezieht sich allein auf den Abschnitt Mombach – Gonsenheim und berücksichtigt nicht die Direktive des sechsstreifigen Vollausbaus bis zum Dreieck Mainz. Der Abschnitt Gonsenheim bis Dreieck Mainz führt durch den Lennebergwald, die Bäume stehen bis dicht am Rand der Autobahn. Ein Verlust von rund 800 Bäumen ist anzunehmen, zumindest gegenüber der Nullvariante.

Aktive Verkehrsbeeinflussungsanlagen (S. 49): Abgesehen davon, dass aktive Verkehrsbeeinflussungsanlagen in verdichteten Abschnitten ohnehin sinnvoll sind, müssen die Kosten einer solchen Anlage den Einsparungen an anderer Stelle gegenübergestellt werden. Dies ist der Verzicht auf eine Lärmschutzwand bei der 4+2-Lösung, dadurch erheblich weniger Kosten und weniger Flächenverbrauch. Eine solche Gegenüberstellung findet nicht statt.

Straßenraumgestaltung (S. 49): Behauptet wird eine „häufig zu beobachtende verringerte Akzeptanz und Unsicherheit“ sowie „nachteilige Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und Verkehrssicherheit“ bei temporären Seitenstreifenfreigaben. Dies ist nicht belegt. Im Gegenteil: Eine temporäre Freigabe der Seitenstreifen stellt kein erhöhtes Sicherheitsrisiko dar. In allen bei LEMKE 2007 („Standstreifenfreigabe – Sicherheitswirkung von Umnutzungsmaßnahmen“ – Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik, Heft V 153) untersuchten Streckenabschnitten konnten nach Einführung der temporären Seitenstreifenfreigabe keine erhöhten Unfallzahlen festgestellt werden (Quelle: https://bast.opus.hbz-nrw.de/opus45- bast/frontdoor/deliver/index/docId/81/file/V153.pdf). Praktische Erfahrungen in der Nachbarschaft bestätigen dies. Beide Richtungsfahrbahnen der A 63 bei Klein-Winternheim waren zunächst dreistreifig, bevor der 3. Streifen gesperrt, aber als temporäre Seitenfreigabe eingerichtet wurde. Dies entspricht genau einer 4+2-Lösung. In kürzester Zeit fand eine Gewöhnung der Verkehrsteilnehmer statt, Probleme ergaben sich nicht. Im Gegenteil: Laut Aussagen der Polizei (AZ vom 2.3.13) gab es nach der temporären Seitenfreigabe sogar weniger Unfälle als vorher. Eine verringerte Akzeptanz und Unsicherheit ist auch deshalb nicht 8

anzunehmen, weil solche Seitenfreigaben im Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus gang und gäbe und die Verkehrsteilnehmer hinreichend damit vertraut sind. Darüber hinaus ist auch der Hinweis auf die kurze Strecke nicht stichhaltig. Eine 4+2 Verkehrsführung mit Geschwindigkeitsbegrenzung auch auf den Vorlandbrücken würde zu einer Harmonisierung des Verkehrsflusses führen und die Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, die bei dieser Stadtautobahn aufgrund der geringen Knotenpunktabstände unweigerlich sind, entschärfen. Damit wäre der gesamte Streckenabschnitt als 4 + 2-Lösung gestaltet, womit in jedem Fall eine ausreichend lange Strecke zur Gewöhnung der Verkehrsteilnehmer gegeben wäre. Der Übergang von Sechsspurigkeit (Brücke) auf 4+2 wäre an der AS Mainz-Mombach recht einfach zu bewerkstelligen.

Lärmschutz (S. 50 und 51): Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung, „bei einer 4+2-Verkehrsführung seien alle Anwohner aufgrund nicht umsetzbaren aktiven Lärmschutzes deutlich höheren Lärmbelastungen ausgesetzt“. Die Aussage bezieht sich offensichtlich allein auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Lärmschutzwand. Diese Ansicht ist aber verkürzt, denn sie berücksichtigt nicht, dass Bestandteil einer 4+2-Lösung das Aufbringen von Flüsterasphalt und eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h sind. Dadurch wird mindestens genauso viel Lärm an der Entstehung gehindert wie durch eine Lärmschutzwand nachträglich eliminiert. Die Lärmschutzwand dient nur dazu, den zusätzlichen Lärm, der durch hohe Geschwindigkeiten entsteht, zu mindern, ganz abgesehen von der Schädigung der Natur durch höhere Emissionen. Die Lärmschutzwand wird als vorteilhaft gegenüber Stickstoffdispositionen dargestellt und es wird eine „abschirmende Wirkung“ und sogar ein „Kamineffekt“ unterstellt. Nachvollziehbar begründet wird dies nicht; es ist vielmehr anzunehmen, dass die Schadstoffe an der Lärmschutzwand hochgewirbelt und durch nachfolgende Verwirbelung und Leewirkung (Sog) umso stärker in den sensiblen Gebieten des Mainzer Sandes abgelagert werden.

4.3 Linienführung, 4.4 Querschnittsgestaltung, 4.5 Knotenpunkte, Wegeanschlüsse und Zufahrten Seiten, 4.6 Besondere Anlagen, 4.7 Ingenieurbauwerke, 4.8 Lärmschutzanlagen, 4.9 Öffentliche Verkehrsanlagen, 4.10 Leitungen, 4.11 Baugrund/Erdarbeiten, 4.12 Entwässerung, 4.13 Straßenausstattung (S. 56 bis 89): Es werden Aussagen zur ingenieurmäßigen Gestaltung und Ausführung der Anschlussstellen, Rampen, der Linienführung, des Baukörpers und seiner Begrenzung, der Entwässerung usw. getroffen. Dazu wird hier nicht weiter Stellung genommen, da der Ausbau in dieser Form insgesamt in Frage gestellt wird.

6.1 Lärmschutzmaßnahmen (S. 92): Durch die Lärmschutzwand wird eine erreichbare maximale Pegelminderung von 13.4 dB(A) gegenüber der Nullvariante konstatiert, allerdings nur bei einem Gebäude. Generell wird von einer „gut hörbaren“ Lärmminderung von rund 5 dB(A) bei 95 % der Gebäude ausgegangen. Nicht untersucht wurden demgegenüber die Aufbringung von Flüsterasphalt und eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 80 km/h. Die angegebenen Vorteile einer Lärmschutzwand relativieren sich vor diesem Hintergrund.

9

14-1 und 14-2 Regelquerschnitte

Allgemein: In allen Regelquerschnitten finden sich keine konkreten Maßangaben über den Flächenanspruch der Lärmschutzwände und der Gabionenwände. Teilweise sind in den Darstellungen Betriebswege zu erkennen (z.B. entlang der Lärmschutzwand), die ebenfalls nicht bemaßt sind. Der Flächenverbrauch ist somit nicht nachvollziehbar. So ist z.B. die Darstellung „Bestand / Planung“ in Regelquerschnitt 2 „freie Strecke“ falsch. Als Bestand wird eine Breite von 25 m angegeben, als Planung eine Breite von 35,60 m. Dies suggeriert einen Unterschied von „nur“ 10,60 m zusätzlicher Breite durch den Ausbau, berücksichtigt aber nicht den Flächenbedarf durch die Lärmschutzwand und die Gabionenwände. Hier hat man Maßangeben (die zweifellos möglich sind) einfach weggelassen. Dies erfüllt u.E. den Tatbestand der Täuschung und stellt einen gravierenden Mangel dar. Die gleiche Querschnittszeichnung findet sich auch in den Unterlagen, die an die Europäische Kommission eingereicht wurden. Dadurch wird den europäischen Behörden suggeriert, dass die Flächeninanspruchnahme geringer ist als sie dann tatsächlich erfolgt. Es ist fraglich, ob eine rechtliche Prüfung dem standhält.

17-1 Schalltechnische Untersuchung

Zu 3. Berechnungsgrundlagen (S. 6): Als Grundlage der Untersuchungen wird eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h und für LKW eine von 80 km/h angegeben. Bei den 130 km/h handelt es sich aber um eine Richtgeschwindigkeit, die in vielen Fällen überschritten wird und auch nicht sanktioniert ist. Der LKW-Verkehr ist real auch deutlich schneller als 80 km/h. Die Schadstoffemissionen sind damit deutlich höher als über Richtlinienwerte errechnet. Dies korrespondiert auch mit der Situation der Abgaswerte bei PKW´s, die infolge der Manipulationen der Autohersteller deutlich höher liegen als die Richtwerte angeben. Bei allen Untersuchungen über Umfang und Höhe der Emissionen müsste eigentlich ein „Realitätszuschlag“ erfolgen, damit die Berechnungen einigermaßen die tatsächlichen Belastungen wiedergeben. Das mag formalrechtlich nicht notwendig sein, würde aber die Glaubwürdigkeit der Gutachten erhöhen.

17-2 Luftschadstoffe Erläuterungsbericht

Zu Zusammenfassung (S. 3): Der Gutachter schließt die Zusammenfassung mit dem Satz „Bezogen auf die geltenden Grenzwerte bestehen aus lufthygienischer Sicht keine Bedenken zur Umsetzung der Baumaßnahme“. Der ausdrückliche Bezug auf die Grenzwerte macht aber zweifellos deutlich, dass „eigentlich“ dennoch lufthygienische Bedenken bestehen. Hier gilt Ähnliches wie bei den schalltechnischen Untersuchungen. Gegenüber dem Nullfall kommt es selbstverständlich zu deutlich mehr Verkehr und demnach zu höheren Schadstoffemissionen. Die Belastungen erhöhen sich prinzipiell durch mehr Verkehr, durch höhere Geschwindigkeiten, durch illegale Abgaseinrichtungen. Letztere werden zwar laut Angaben des Gutachters berücksichtigt, indem das veraltete offizielle Handbuch HBEFA sozusagen „inoffiziell“ aktualisiert wurde. Außerdem wurde ein neues, ebenfalls noch inoffizielles „MISKAM“-Modell angewendet, welches das veraltete Modell „RluS 2012“ des Bundesverkehrsministeriums ersetzen könnte. Dies alles, um hilfsweise bessere Ansatzpunkte zur 10

Ermittlung der Emissionen nach den Abgasmanipulationen zu bekommen und realitätsnähere Ergebnisse zu erreichen. Der Gutachter selbst spricht davon, dass „die Emissionen im Realbetrieb um ein Vielfaches höher liegen“ (S. 6 unten).

Abgesehen davon gelten die Immissionsgrenzwerte nach europäischem Recht seit 2010 in Deutschland, also vor Bekanntwerden der Abgasmanipulationen. Die Berechnungsmethoden und Durchführungsverordnungen hätten insofern angepasst gehört, was offensichtlich nicht geschehen ist. Somit ist zu vermuten, dass die berechneten Grenzwerte nicht die tatsächliche Situation nach einem Ausbau widerspiegeln. Darüber hinaus werden nur die mengenmäßigen Steigerungen der Schadstoffe erfasst, aber keine Aussagen auf die Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen getroffen.

2.5 Eingangsdaten Rechengebiet (S. 10): Der Gutachter hat zwei Teilgebiete für seine Untersuchungen definiert, das Vorhabengebiet und als 2. Teilgebiet den Abschnitt Gonsenheim – Dreieck Mainz. “Ein zweites Teilgebiet umfasst den Bereich AD Mainz – AS Gonsenheim, welches jedoch nicht ausgebaut wird“. Letzteres ist eine Falschangabe, denn es liegt nur noch keine Planfeststellung vor. Der Bundesverkehrsminister hat den kompletten Ausbau der A 643 bereits angeordnet, sodass selbstverständlich auch dieser Teil betroffen ist und betrachtet werden muss.

3. Berechnungen (S. 14): Der Gutachter führt wie folgt aus: „Aufgrund von technischen und rechtlichen Vorgaben wird angestrebt, die Emissionen der o.a. Schadstoffe (Anm. gemeint sind Stickoxide und Feinstaub) in den kommenden Jahren in Deutschland zu reduzieren. Im Sinne einer konservativen Immissionsprognose wird die gemessene Hintergrundbelastung in der vorliegenden Untersuchung nicht auf den Prognosehorizont hochgerechnet“. Dies ist so nicht akzeptabel. Zwar wäre eine allgemeine Schadstoffreduktion zu begrüßen. Aber man kann nicht einerseits einen Ausbau mit einem Zuwachs an Verkehr begründen, andererseits aber die Hintergrundbelastung sozusagen auf den heutigen Stand belassen. Denn in die Hintergrundbelastung fließt der großräumige Verkehr außerhalb des Untersuchungsgebietes sowie der Ferntransport von Schadstoffen auch ein. Umgekehrt bedeutet dies: Wenn man annimmt, die allgemeinen Schadstoffbelastungen würden sich reduzieren, kann man auch damit rechnen, dass sich der Straßenverkehr insgesamt und im Besonderen auf stadtnahen Autobahnen reduziert – womit dann ein Ausbau überflüssig wäre.

3.4 Beurteilung der Kaltluftverhältnisse (S. 17): Die Bedeutung der Kaltluftentstehung im Untersuchungsgebiet wird vom Gutachter als „gering“ eingestuft. Demgegenüber wird im Landespflegerischen Begleitplan (19-1; S. 13), konstatiert, dass die Offenlandschaften des Bezugsraumes aufgrund ihres Kaltluftentstehungspotentials „von hoher klimatischer Bedeutung für die klimatische Ausgleichsfunktion“ seien. Dies ist ein beachtlicher Widerspruch, der nicht weiter erklärt oder aufgelöst wird.

4. Berechnungsergebnisse (S. 18 ff.): Bei mehreren Planfällen stellt der Gutachter fest: „Deutliche Erhöhungen der verkehrsbedingten NO2-Konzentrationen von 5 μg/m³ und mehr sind im Bereich des Widerlagers der Vorlandbrücke am Ende der 8 m hohen Lärmschutzwand, im Bereich der Grünbrücke und auf der westlichen Seite der A 643 zwischen der Grünbrücke und dem Brückenwiderlager der Vorlandbrücke berechnet. Diese Bereiche liegen jedoch vollständig außerhalb bebauter Flächen“. Hier wird ein Mangel der 11

Untersuchungen offenbar, denn Stickoxide und Feinstaub belasten nicht nur die Menschen, sondern auch die Arten. So ist bekannt, dass die Ursachen des Insektensterbens nicht ausschließlich im Bereich der Verwendung von Insektiziden zu suchen sind, sondern dass auch allgemein zunehmende Feinstaub- und Schadstoffkonzentrationen dazu beitragen. Wahrscheinlich setzen die Schädigungswirkungen hier bereits viel früher als beim Menschen an und es sind viel geringere Konzentrationen wirksam. Solche Wirkungen sind seit langem bekannt. Eine bereits 1999 herausgegebene Literaturstudie des Landesamtes für Umweltschutz Baden-Württemberg zu „Wirkungen von Emissionen des Kfz- Verkehrs auf Pflanzen und die Umwelt“ belegt, dass Schadstoffe aus dem Verkehr tief in die Pflanzenorgane eindringen. Durch die Spaltöffnungen tauscht die Pflanze Wasser und CO2 mit der Umwelt aus, so kann z.B. auch Feinstaub in das Pflanzeninnere eindringen. In den so genannten “Atemhöhlen“ kann sich der Feinstaub an den Zellwänden anlagern und Transportprozesse unterbinden. Im Endeffekt kommt es zum Absterben von Pflanzenzellen, der Organe oder gar ganzer Pflanzen. Insekten treten auch über den Gasaustausch mit der Umwelt in Kontakt. Über die Tracheen kommt Sauerstoff ins Körperinnere, Kohlenstoffdioxid wird ausgeschieden. Über die Körperöffnungen können sich Schadstoffe anreichern und so kann sich die tödliche Wirkung entfalten. (Sinngemäße Zitate aus Beitrag P. KELLER, GNOR-Info Nr. 129)

19-1 Landschaftspflegerischer Begleitplan

Zu 1. Einleitung (S. 6) Leider wird nur der geplante Regelquerschnitt dargestellt und nicht die Variante eines Erdbaus mit Tieferlegung und Abdeckung der Autobahn im Bereich der beiden NSG Teile Mainzer Sand I und II (Variante 3.1.4).

Abb. 1-1 Erdbaubereich (S. 6): Die Querschnittszeichnung gibt eine Gesamtbreite von (nur) 32 m an. Dies ist irreführend, da Maßangaben für die Lärmschutzwand und die Gabionenwände fehlen und noch nicht einmal die Bankette im Breitenmaß enthalten sind. Dieser Einwand gilt für alle nachfolgenden Skizzen gleicher Art.

1.2 Methodische Vorgehensweise (S. 9) Hier bereits sind die ersten erheblichen Defizite der Planung feststellbar, da in diesem Schritt normalerweise die verfügbaren, planungsrelevanten Unterlagen zusammengestellt werden. Im gesamten LBP als auch in der UVS als auch im UVP-Bericht fehlen essentielle Unterlagen wie z.B. Literaturauswertungen welche zeigen könnten, dass der Lebensraum in dem der Eingriff stattfinden soll hinreichend ermittelt und ausgewertet wurde. Besonders erschreckend ist hier das Fehlen der zentralen Literaturquelle: „Der Mainzer Sand – Beiträge zur Monographie des Naturschutzgebietes Mainzer Sand und seiner näheren Umgebung“ (Jungbluth, J. H. (1987): Der Mainzer Sand. Mainzer Naturwissenschaftliches Archiv Band 25, 604 Seiten, Mainz). Eine Planung, die dieses Grundlagenwerk nicht berücksichtigt oder anführt, kann sich nicht wirklich mit dem Vorhabensraum adäquat auseinandergesetzt haben. Dies ist als schweres Versäumnis zu werten, zumal diese Monographie weithin als die fachlich anerkannte umfassende Beschreibung der außerordentlich hohen Bedeutung des Mainzer Sandes gilt. 12

Es finden sich aber auch sonst keine Literaturangaben zum Lebensraum der Kalkflugsanddünen. Auch fehlt die Literaturangabe: „Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutschlands“ (BfN 2017). Dass dies keine Lässigkeit darstellt sondern sich wie ein roter Faden durch die gesamten Antragsunterlagen LBP und UVP-Bericht zieht, ist an entsprechender Stelle von uns vermerkt. Aus unserer Sicht zeigt sich hier ein Planungsmangel, da zwar einzelne Arten erfasst und bewertet wurden aber offensichtlich (mangels Kenntnis) keine Gesamtwürdigung des Vorhabens vorgenommen werden konnte. Da der Landschaftspflegerische Begleitplan (LBP) das zentrale umweltfachliche Planungsinstrument im Zuge der Genehmigung des Straßenbauvorhabens darstellt und unmittelbar für die Bewältigung der Eingriffsregelung gemäß §§ 13-17 BNatSchG verantwortlich zeichnet, ist dieser beschriebene Mangel eklatant.

2.1 Planungsraumanalyse Bezugsraum „Mombacher Ober- und Unterfeld mit nördlich angrenzendem Rheinufer“ (S. 12): Am Fehlen des Nachweises der Äskulapnatter wird nochmals deutlich, dass die aktuelle Literatur zum Gebiet nur sehr oberflächlich ausgewertet wurde.

2.2 Planungsraumanalyse Bezugsraum „Mainzer Sand“ (S. 15 ff.): Es ist auffallend, dass wichtige Artengruppen überhaupt nicht untersucht wurden, obwohl es sich um nach Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützte Arten (Wildbienen) oder extrem stark gefährdete Arten (Gruppe der Blattfußkrebse) handelt. Es wurde lediglich eine Wildbienenart, die Dünen-Steppenbiene untersucht. Es fehlen Angaben, weshalb die anderen, ebenfalls besonders geschützten Wildbienen nicht untersucht wurden. Aus Sicht des Artenschutzes besonders bedeutsam sind die temporären Gewässer im Vorhabensgebiet. Hier wurde nur ein Vorkommen der Kreuzkröte beschrieben. Nicht erkannt wurde die Bedeutung der Flächen als Lebensraum für Wechselkröte und eine extrem seltene Blattfußkrebsart.

Weitere zu untersuchende Gruppen sind insbesondere Laufkäfer, Wanzen, Zikaden, Wildbienen sowie Nachtfalter.

Ohne Kenntnis der Artensituation im Vorhabensgebiet kann keine rechtsfeste Beurteilung der Auswirkungen eines Vorhabens erfolgen. Dies umso mehr, als dass die Autobahn mitten in einem Naturschutzgebiet ausgebaut werden soll. Es fehlen aber nicht nur essentielle Angaben zu Fauna und Flora. Es fehlen insbesondere Angaben zum Erhaltungszustand der Populationen. Des Weiteren fehlen Angaben über die Austauschbeziehungen der Arten zwischen den beiden Naturschutzgebietsteilen, welche durch den Ausbau der Autobahn noch stärker fragmentiert werden. Ohne Kenntnis der aktuellen Vernetzungsbeziehungen kann auch keine Aussage zur Zerschneidungs- bzw. Barrierewirkung durch den Ausbau der Autobahn erfolgen. Das Fehlen der Erhebungen und damit das Fehlen der Möglichkeit der Eingriffsbewertung und den daraus evtl. folgenden weiteren Schritten der Eingriffsregelung gemäß BNatSchG stellen für uns einen erheblichen Planungsmangel dar.

3.2.1.2.1 Kleinsäuger (S. 26): Im Bezugsraum existieren Vorkommen des Gartenschläfers welche weder gelistet noch untersucht wurden. Diese Art ist eine besonders geschützte Säugetierart. In den letzten Jahrzehnten waren für 13

die Art in Zentral-, Süd- und Osteuropa erhebliche Bestandsrückgänge, Arealverkleinerungen und auch regionales Aussterben zu verzeichnen. In Deutschland ist der Gartenschläfer als eine nationale Verantwortungsart innerhalb der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der Bundesregierung eingestuft.

3.2.1.2.4 Weitere Arten (S. 29 und 30) Hier benennen die Planer selbst eine unzureichende Erfassung. Nach eigenen Aussagen auf S. 30 sind die „wenigen zufälligen Artnachweise“ und die „reduzierten Untersuchungen im Jahr 2015“ zu dürftig, um eine abgesicherte Bewertung des Mombacher Ober- und Unterfeldes für die erfassten Arten abzugeben. Es wird aufgeführt, dass „die aquatische Lebensgemeinschaft gegenüber dem längerfristigen Trockenfallen sehr empfindlich“ sei und die beeinträchtigenden Wirkungen des zweiten Brückenbauwerks wird gleich relativiert. Es geht aber bei aquatischen Lebensgemeinschaften um das Wasser und nicht primär um die spätere Beschattung der Vorkommen. Hier liegen sowohl Erfassungsmängel als auch Bewertungsmängel vor.

Spätestens seit der Vorlage der Monographie zum Mainzer Sand müsste die herausragende Bedeutung dieses Gebietes auch für die Wanzenfauna bekannt sein. Es ist völlig unverständlich, weshalb diese Gruppe keine Beachtung findet. Besonders gravierend ist der Umstand, dass das letzte Vorkommen einer Verantwortungsart Deutschlands ( Prostemma sanguineum ) vom Ausbau direkt betroffen ist.

Die nachfolgenden Angaben stammen von Helga Simon, einer absoluten Wanzen-Spezialistin:

„Bedeutung des Mainzer Sandes für die Heteropterenfauna Deutschlands

Mittlerweile sind über 300 Wanzenarten am Mainzer Sand nachgewiesen (Günther 1987; Coll. Simon). Hierunter befinden sich etliche Arten der Roten Liste Deutschlands. Carl Ludwig Kirschbaum beschrieb Mitte des 19. Jahrhunderts ein Dutzend Miridenarten nach Tieren vom Mainzer Sand (Locus typicus), die heute noch unter seinem Beschreibernamen geführt werden. Hervorzuheben sind hier unter anderem drei in Deutschland vom Aussterben bedrohte Arten: Phytocoris minor KIRSCHBAUM, 1856 (Familie Miridae): Die an Kiefern lebende Art konnte im Jahr 1999 hier zuletzt für Deutschland nachgewiesen werden. Heterocordylus leptocerus (KIRSCHBAUM, 1856) (Familie Miridae): Die Art lebt an Ginster. Sie gilt in Rheinland-Pfalz als verschollen. Criocoris sulcicornis (KIRSCHBAUM, 1856) (Familie Miridae): Die seltene Weichwanzenart lebt an Galium verum und konnte auch in diesem Jahr für den Mainzer Sand bestätigt werden. Die Sichelwanze (Nabidae) Prostemma sanguineum (ROSSI, 1790) ist eine der seltensten Wanzenarten Deutschlands, Rote Liste Kategorie 1 (Günther et. al. 1998; Simon et. al. im Druck). Sie wird als Verantwortungsart geführt: (http://www.natura2000.rlp.de/artefakt/dokumente/ArtenRP_RechtlVorschriften.pdf; Simon et. al. im Druck).

Nach dem Fund 1985 durch Günther (Günther, 1987) und regelmäßiger Nachsuche in den Folgejahren, ist dies der einzige aktuelle Nachweis von Prostemma sanguineum in Deutschland (0,1 Ex. Mainzer Sand 26.05.-01.06., Barberfalle, Hangkante an Autobahn, Parzelle R1, leg. Ludewig, det. et coll. Simon). Diese Barberfalle befand sich direkt an der Autobahn (siehe Karte – Abbildung 1). 14

Zur weiteren Info ist ein Auszug aus Ureinwohner RLP dem Anhang beigefügt.“

Abbildung 1 Fallenflächen des Laufkäferprojekts im Mainzer Sand 2016

3.2.2.1 Pflanzen (S. 31 ff.): Auffallend ist, dass die beiden wichtigsten Pflanzen des Naturschutzgebietes nicht beschrieben und berücksichtigt sind: es handelt sich um die beiden besonderen Charakterarten des Mainzer Sandes welche bundesweit nur hier vorkommen: Sand-Lotwurz ( Onosma arenaria ) und Sand-Quecke (Elymus arenosus ). Letztere stellt sogar eine endemitische Art dar, d.h. die Art kommt überhaupt nur im NSG Mainzer Sand vor. Hier muss sichergestellt sein, dass es durch den Ausbau der A643 zu keinerlei Betroffenheit bei der Art kommt. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen wurde sich mit beiden extrem seltenen und hochbedrohten Arten nicht beschäftigt. Dies stellt aus unserer Sicht einen erheblichen Planungsmangel dar.

In den unmittelbar an die A 643 angrenzenden Böschungen bestehen Vorkommen der stark gefährdeten Bienen-Ragwurz ( Ophrys apifera ), einer besonders geschützten Orchideenart. Ebenso streng geschützt ist das dort vorkommende Haar-Pfriem-Federgras ( Stipa capillata ). Beide Arten sind für die Böschungsbereiche nicht durch den LBM dokumentiert.

15

Weiterhin ist anzumerken, dass die Violette Schwarzwurzel nicht Scorzonera humilis sondern Scorzonera purpurea heißt. Das heißt, es handelt sich um eine andere Art.

Zudem sind im Bestands- und Konfliktplan (Unterlage 19.1.2 Blatt 1 von 3) lediglich faunistische Wechselbeziehungen zwischen den beiden NSG Teilen Mainzer Sand I und II dargestellt. Dies ist ein Fehler, da es sehr wohl wichtige floristische Wechselbeziehungen zwischen den beiden Teilen gibt. Diese wurden weder erkannt noch dargestellt. Ein weiterer Planungsmangel. Besonders gravierend ist in diesem Zusammenhang die Nichtfeststellung des vorgenannten für die prioritäre FFH-Art Sand-Filzscharte ( Jurinea cyanoides ). Diese Art ist zwingend auf den ungehinderten Austausch mit dem Gebiet NSG Mainzer Sand I angewiesen. Es steht zu befürchten, dass die bestehenden Wechselbeziehungen durch die verbreiterte Autobahn als auch die Sperrwirkung der Lärmschutzwand erhebliche nachteilige und nachhaltige Auswirkungen auf diese stark gefährdete FFH-Art haben.

Auf S. 32 wird konstatiert, dass „der südliche Teil des Gebietes Mainzer Sand I durch Kiefernwald geprägt“ wird. Hier ist anzumerken, dass im Süden des Mainzer Sandes kein Kiefernwald vorkommt.

Außerdem stellen die großen Sandrasen auf dem Übungsgelände des Mainzer Sand II keine „Abbaustadien“ der Sandrasen dar. Dies ist eine völlige Verkennung der örtlichen Situation. Die Sandrasen und Sandsteppenrasen sind keine Abbaustadien, sondern befinden sich im „Aufbau“ nach Jahrzehnten der intensiven militärischen Nutzung der Flächen. Deshalb sind diese Flächen existenziell auf den Eintrag der Arten und Samen aus dem südlich gelegenen NSG I angewiesen. Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt für die Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens. Dies insbesondere auf die Wirkung einer 8m hohen Lärmschutzwand, die einen Samenaustausch bzw. Eintrag in die NSG II Flächen aus dem alten NSG Mainzer Sand I wesentlich erschweren wird. Hier liegt ein Beurteilungsfehler dar sowohl was die Bestandsbeschreibung als auch die Bewertung der Bestände angeht.

Bei der Beschreibung der Lebensraumtypen (S. 34), insbesondere des LRT 6212 Submediterrane Halbtrockenrasen) ist erkennbar, dass die Beschreibung nicht aktuell ist. Die räumliche Verteilung der LRT ist heute deutlich anders. Auch hier sehen wir einen Fehler in der Grundlagenermittlung, der eine Konfliktanalyse und eine korrekte Ermittlung des Eingriffs verunmöglicht. Dem BNatSchG wird hier nicht Genüge getan. Die korrekte Bearbeitung der Eingriffsregelung setzt eine aktuelle und vollständige Grundlagenermittlung voraus, da ansonsten alle Folgeschritte falsch sind.

Außerdem sind folgende Ausführungen von PD Dr. Matthias Kropf und DI Kristina Plenk (Institut für Integrative Naturschutzforschung, Universität für Bodenkultur Wien) bezüglich Poa badensis und Adonis vernalis zu beachten, die die Einzigartigkeit und die Schutzwürdigkeit des Lebensraumes Mainzer Sand unterstreichen:

„Als eines der nordwestlichsten Vorkommen der den Pontisch-Pannonischen Steppen vorgelagerten Trockengebieten stellt der Mainzer Sand ein für ganz Mitteleuropa bedeutendes Refugium für xerotherme Arten in Deutschland dar. Die ehemals an den Rändern des Rheinhessischen Tafel- und Hügellandes relativ häufig vorkommenden Sand-Trockenrasen sind im letzten Jahrhundert fast vollständig einer intensiven Nutzung gewichen. Es gibt insgesamt nur mehr wenige Standorte, die eine ähnliche Vegetation aufweisen und allesamt sind sie auf relativ kleinflächige Extremstandorte zurückgedrängt. 16

Manche rezenten Bemühungen ehemals wirtschaftlich genutzte Flächen zu renaturieren, waren zwar insbesondere was die Wiederansiedlung mit für diese Lebensräume typischen Arten betrifft durchaus erfolgreich (Beispiel NSG Sandgrube am Weilersberg bei Heidesheim). Nichtsdestotrotz zeigten aktuelle Untersuchungen des Badener Rispengrases ( Poa badensis ), einer Steppenpflanze die insgesamt nur noch auf fünf stark isolierten Flächen im Gebiet vorkommt, dass Wiederbesiedlungen wie sie in der Sandgrube am Weilersberg erfolgten trotz offensichtlich großer und gut etablierter Bestände eine geringe genetische Diversität aufweisen. Diese ist jedoch wichtig, um die Anpassungsfähigkeit von Arten auch für die Zukunft zu erhalten. Im Gegensatz dazu zeigten die im NSG Mainzer Sand vorkommenden Individuen des Badener Rispengrases eine vergleichsweise höhere genetische Diversität, die darüber hinaus das gesamte Spektrum der in der Region innerartlich vorkommenden genetischen (cpDNA) Variation repräsentieren. Diese Ergebnisse unterstreichen eindrücklich die herausragende Bedeutung des Mainzer Sandes als wahrscheinlich älteste (für Poa badensis vermutlich seit dem frühen Postglazial) noch existierende Reliktpopulation, der ehemals weit verbreiteten Steppenrasen. Als weitere bedeutende Art des Naturschutzgebietes Mainzer Sand ist das Adonisröschen ( Adonis vernalis ) zu nennen, für die ebenfalls populationsgenetische Erkenntnisse vorliegen. Auch hier hat sich gezeigt, dass die Art im Vergleich mit anderen Steppenregionen in Österreich, Ungarn, und Rumänien erfreulich hohe innerartliche Diversitätswerte aufweist. Dabei besticht wiederrum insbesondere die Population im NSG Mainzer Sand mit der höchsten (AFLP) Variation. Zudem ist anzumerken, dass neben dem Mainzer Sand nur noch Rest-Populationen im NSG Lennebergwald existieren, die im weiteren Verlauf der Autobahn-Führung ebenfalls von erhöhten Verkehrsflüssen und etwaigen Ausbau-Vorhaben (s.u.) betroffen wären. Mehr Vorkommen dieser Steppenart gibt es so weit nordwestlich in Mitteleuropa bzw. in Rheinland-Pfalz nicht mehr. Und dabei war die Art früher nachweislich weiter verbreitet.

Die hier exemplarisch angeführten Arten kommen im Mainzer Sand ( P. badensis und A. vernalis ) bzw. im angrenzenden Gebiet des Lennebergwaldes ( A. vernalis ) vor und sind im Bundesland Rheinland-Pfalz als „stark gefährdet“ auf der Roten Liste geführt.

Quellenhinweise: Blaufuss, A. & Reichert, H. (1992) Die Flora des Nahegebietes und Rheinhessen, Pollichia, Bad Dürkheim. Kropf, M, Bardy, K., Höhn, M. & K. Plenk (2019) Phylogeographical structure and genetic diversity of Adonis vernalis L. (Ranunculaceae) across and beyond the Pannonian region. Flora, submitted tot he Special Issue on Steppe Ecology. Plenk, K., Bardy, K., Höhn, M. & M. Kropf (2019): Long-term survival and successful conservation? Low genteic diversity but no evidence for reduced reproductive success at the north westernmoste range edge of Poa badensis (Poaceae) in Central Europe. Biodiversity and Conservation 28 (5), 1245- 1265.“

3.2.2.2.1 Kleinsäuger (S. 34) Für die Erfassung der Haselmaus gibt es klare methodische Vorgaben. Diese wurden offensichtlich nicht durchgeführt. Vorkommen der besonders geschützten Gartenschläfer sind auf jeden Fall im Untersuchungsraum vorhanden. Diese blieben jedoch unentdeckt und fehlen daher auch in der Ermittlung der Schwere des Eingriffs und dessen Kompensation. 17

3.2.2.2.3 Avifauna (S. 36 ff.): Tabelle 3-5: Es fehlen die folgenden, nachgewiesenen Arten: Baumfalke, Grauspecht, Neuntöter, Schwarzspecht und Ziegenmelker (siehe unsere Ausführungen zum Kapitel Fachbeitrag Artenschutz 19-2 und Faunagutachten 19-8). Damit sind die Wertermittlungen und die darauf aufbauende Bemessung von Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen fehlerhaft.

3.2.2.2.4 Reptilien (S. 38): Hier fehlt der Nachweis der Äskulapnatter.

3.2.2.2.5 Amphibien (S. 39 und 40): Aus Sicht des Artenschutzes besonders bedeutsam sind die temporären Gewässer im Vorhabensgebiet. Hier wurde nur ein Vorkommen der Kreuzkröte beschrieben. Nicht erkannt wurde die Bedeutung der Flächen als Lebensraum für die streng geschützte Wechselkröte (Bufo viridis) und eine extrem seltene Blattfußkrebsart. Außerdem wird angeführt, dass als Tagesverstecke für die Kreuzkröte (was aber auch für die Wechselkröte gilt), auch die Straßenböschung geeignet ist. Diese Vorkommen in der Straßenböschung werden beim Ausbau der A 643 vernichtet.

3.2.2.2.8 Dünen-Steppenbiene (S. 44) Es ist völlig unverständlich, weshalb nicht die gesamte Gruppe der Wildbienen untersucht wurde. Es handelt sich bei allen Arten um Besonders geschützte Tiere nach BNatSchG. Ohne genauen Kenntnisstand über die vorkommenden Arten und deren Erhaltungszustand sowie über deren Austauschbeziehungen zwischen den beiden Teilflächen Mainzer Sand I und II fehlt die Grundlage für die Ermittlung der Eingriffsschwere. Auch fehlen wichtige Beurteilungsgrundlagen für die Beantwortung der Fragen: Eingriffsvermeidung, Minimierung des Eingriffs und schließlich Kompensation des Eingriffs. Nach Angaben der Planverfasser wurde nur ein Streifen von 120m beidseits der Autobahn untersucht ohne Angabe, weshalb man sich auf diese Schmalspur-Untersuchung festgelegt hat zumal die Autoren selbst ausführen, dass für die Art entsprechende Habitatstrukturen im Bereich der offenen Sandmagerrasen sich über das gesamte Gebiet verteilt finden würden.

Die Angaben zur „Bestandsbewertung“ sind dünn und sagen nichts weiter aus, als dass der Mainzer Sand für die Vorkommen der vom Aussterben bedrohten Dünen-Steppenbiene als sehr bedeutendes Wildbienenbiotop einzustufen ist. Diese Erkenntnis ist aber nicht neu, sondern in Literatur bereits hinreichend belegt. Wichtig und relevant für das Planfeststellungsverfahren ist doch, welchen Einfluss ein Ausbau der A643 auf diese Art hat. Wie greift die breitere Trasse in die Austauschbeziehungen der Art zwischen den beiden Teil-Naturschutzgebieten Mainzer Sand I und II ein. Wie ist eine Verstärkung der Trennung der beiden Teile durch eine 8m hohe Lärmschutzwand zu beurteilen?

3.3 Schutzgebiete und –objekte (S. 45) Hier fehlen die Angaben in der Bestands- und Konfliktkarte (Unterlage 19.1.2, Blatt 1 von 3) über die räumliche Ausdehnung der § 30-Schutzflächen. Ohne Darstellung der Schutzflächen kann keine wirksame Konfliktermittlung erfolgen. Dieser Konflikt ist auch graphisch darzustellen. Hier stellen wir wieder einen Mangel in den Planunterlagen fest. 3.4 Zusammenfassung der Bestandsbewertung (S. 46): 18

Die Bestandsbewertung der Lebensraumtypen, der einzelnen Artengruppen und des Landschaftsbildes (S. 22 bis 44) ergibt in allen Einzelfällen eine hohe bis sehr hohe Bedeutung und damit Wertigkeit des Bezugsraumes, somit der Gesamt-Biozönose. Beispiele: „Der Bezugsraum „Mainzer Sand“ ist durch einen extrem hohen Anteil an Biotopen von hoher bis sehr hoher Bedeutung gekennzeichnet“ (S. 33). Die Brutvogelfauna bekommt das Prädikat „hohe Wertigkeit“ (S. 37). Die Bewertungen „Reptilienbiotope mit hoher Bedeutung“ (S. 39), „sehr hochwertiges Tagfalterbiotop“ (S. 42) und „sehr bedeutende Wildbienenbiotope“ (S. 44) vervollständigen eine beeindruckende Naturfunktion über alle Artengruppen hinweg – mit Ausnahme der Käferpopulationen, die aber nur nicht genannt sind, weil sie nicht untersucht wurden. Und um die Beurteilung zu vervollständigen, wird auch das Landschaftsbild trotz Vorbelastung durch die Autobahn als besonders wichtig angesehen: „Der offene Charakter bedingt eine hohe Empfindlichkeit gegenüber anlage- und baubedingten Überformungen“ (Seite 45). Hier ist vor allem die bis 8 m hohe Lärmschutzwand gemeint. Demgegenüber ergibt sich ein seltsam anmutender Argumentationsbruch in der abschließenden Zusammenfassung dieser Bewertungen: „Die Besonderheit des Bezugsraums im Hinblick auf seine Biotopausstattung spiegelt sich auch in einem gewissen Artenreichtum …. wider“. Was auf den Vorseiten eine sehr hohe bis extrem hohe Bedeutung hatte, wird am Ende zu einem „gewissen Artenreichtum“ heruntergespielt. Im vorliegenden Fall hätte die abschließende Bestandsbewertung auch zu dem Ergebnis führen können – sogar müssen, dass ein weiterer Ausbau der A 643 durch die ohnehin stark vorbelasteten Naturschutzgebiete zu unterbleiben hätte.

4.1 Straßenbautechnische Vermeidungsmaßnahmen (S. 48) Als wesentliche Vermeidungsmaßnahme wird der Bau einer Grünbrücke angeführt. Deren positive Wirkung wird nochmals positiv hervorgehoben. Hier stellt sich die Frage, weshalb nicht generell die Autobahn im Bereich der beiden Mainzer Sandteile I und II als „Grünbrücke“ ausgebildet bzw. das Bauwerk auf einer Strecke von 500-600m abgedeckt wird (siehe 01 Feststellungsentwurf Variante 3.1.4). Dadurch würden sich erhebliche Reduktionen des Ausbauquerschnitts erreichen. So könnten die Maßnahmen zur beidseitigen Böschungssicherung sowie die stark in Natur- und Landschaft eingreifende Lärmschutzwand vermieden werden. Diese Alternative muss tiefergehend geprüft werden. Unter anderem könnte man auch prüfen, ob sich durch die Ausbildung einer Mittelwand zwischen den beiden Fahrtrichtungen der Mittelstreifen von derzeit geplanten 3,0m auf 1,0 m Breite reduzieren ließe. Seitlich der Standstreifen könnte ebenfalls die Wand der Abdeckung beginnen, so dass auch dort auf beiden Seiten jeweils 1,5m eingespart werden könnten. Da die Autobahn im Bereich des Mainzer Sandes I und II im Einschnitt verläuft, müsste diese Variante auch nicht all zu tief in den Boden eingebracht werden. Die über die aktuelle Bodenoberfläche herausragenden Teile könnten nach einer Abdeckung mit autochthonem Kalkflugsand als Düne und großflächige Grünbrücke ausgebildet werden. Dies würde sowohl die durch die Autobahn bestehenden Trennfunktionen als auch die künftig entstehenden Zerschneidungs- und Barrierewirkungen so kompensieren, dass keine erheblichen und nachhaltigen Beeinträchtigungen zurückbleiben würden. Damit wären die Forderungen der Eingriffsregelungen des Bundesnaturschutzgesetzes erfüllt.

19

5. Konfliktanalyse / Eingriffsermittlung (S. 51 ff.):

Zu der Analyse der anlagebedingten Wirkungen ist folgendes festzustellen: Die Aussagen des LBM, dass bedingt durch den Projekttyp „Ausbau“ keine anlagebedingte Neuzerschneidung vorliege, werden von uns nicht geteilt. Aktuell liegt die Fahrbahnbreite inklusive Mittelstreifen bei 25 m. Nach Angaben des LBM liegt die Querschnittbreite bei 32 m. Allerdings wurden bei dieser Angabe die zur Böschungssicherung erforderlichen Maßnahmen sowie die Errichtung der Lärmschutzwand mit Unterhaltungsweg vergessen, so dass sich die Ausbaubreite neu auf ca. 40 m belaufen wird. Dies stellt eine massive, anlagebedingte Beeinträchtigung dar. Die Abweichung bei den seitens des LBM in die Berechnung eingestellten Daten und dem tatsächlichen Ausbau sind relevant und müssen, für eine objektive Bewertung (Eingriffsregelung, FFH- und VSG-Verträglichkeitsprüfung, UVS) herangezogen werden. Ohne die tatsächliche Eingriffsschwere (auch quantitativ) können keine rechtlich belastbaren Aussagen und Entscheidungen getroffen werden. Die Unterlagen sehen wir in diesem Fall als rechtsfehlerhaft an. Obwohl angeführt wird, dass die von den Lärmschutzwänden eventuell ausgehenden relevanten Wirkungen hinsichtlich Zerschneidungswirkungen oder veränderten Standortbedingungen zu untersuchen und zu bewerten seien, fehlt dies in den Antragsunterlagen. Weder wird untersucht, für welche Arten und Artengruppen sich eine Verstärkung der Zerschneidungswirkung ergeben noch wird ermittelt, inwieweit eine Beeinträchtigung der (für trockene Sandlebensräume essentiellen) typischen Standortbedingungen entsteht. Hier sehen wir einen gravierenden Planungsmangel. Ohne Aussagen zu diesen Punkten sind keine Entscheidungen (Eingriffsregelung, FFH-VSG Verträglichkeit, Umweltverträglichkeit) rechtssicher möglich.

Zu der Analyse der betriebsbedingten Wirkungen, nehmen wir wie folgt Stellung: “Aufgrund der vorhandenen starken Verkehrsbelastung und der im Vergleich dazu geringen Erhöhung der Verkehrszahlen ist nicht mit erheblichen Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes zu rechnen“ (S. 52). Dies wird unterstellt, aber nicht fundamentiert belegt. Bei einer Verbreiterung des Straßenquerschnittes kommt es nach unserer Einschätzung zu geänderten Austauschbeziehung bei den verschiedenen Arten. Dies wird noch verstärkt durch die zusätzliche Wirkung der neuen Lärmschutzwand. Es ist zu vermuten, dass es durch die beiden Maßnahmen zu erheblichen zusätzlichen negativen Auswirkungen auf die Austauschbeziehungen von Pflanzen und vor allem bei den Tieren zwischen den beiden Naturschutzgebietsteilen kommen wird.

Außerdem ist angesichts der hohen Wertigkeit der Naturschutzgebiete zu hinterfragen, weshalb denn überhaupt ein Ausbau im erdgebundenen Bereich notwendig ist. Denn die zusätzliche Verkehrsbelastung im Bereich der Brücken (verursacht hauptsächlich durch die Zufahrt Mombach) beträgt rund 5.000 Kfz/24h (S. 51 unten), gegenüber nur 1.950 Kfz/24h (S. 52 oben) für den Abschnitt Gonsenheim – Dreieck. Dieser Wert müsste in etwa auch für den erdgebundenen Teil des Abschnittes Mombach – Gonsenheim gelten, denn die hochfrequentierte Zufahrt Mombach liegt außerhalb des erdgebundenen Teils. Somit kann festgehalten werden, dass die Zusatzbelastung durch die dreistreifig ausgebauten Brücken in Verbindung mit dem Ausbau des ÖPNV und einer Abschwächung der allgemeinen Zuwachsraten infolge einer mögliche Verkehrswende leicht aufgefangen werden kann. Für einen Ausbau im erdgebundenen Teil entfallen damit die verkehrsspezifischen Gründe.

20

Tab. 5-1 (S. 53): Hier fehlt bei: - Anlagebedingte Wirkungen: zusätzliche Barrierewirkung durch die Verbreiterung des Straßenquerschnitts - Betriebsbedingte Wirkungen: durch den Betrieb kommt es infolge des breiteren Querschnitts sowie der geänderten Überflugbedingungen für die Arten zu geänderten (d.h. stark negativ veränderten) Lebensraumbedingungen.

Der Aussage auf S. 54 „Schadstoffeinträge durch betriebsbedingte Wirkungen sind (…) bei dem vorliegenden Ausbauprojekt nicht relevant“ ist zu widersprechen (siehe unsere Ausführungen zu Schadstoffe).

5.2.2 Bezugsraum Mainzer Sand (S. 60) Durch die beschattende Wirkung der Lärmschutzwände kommt es zu negativen Beeinträchtigungen für die Offenlandarten des Mainzer Sandes. Durch Änderungen bei Schatten Wind kommt es zu Veränderungen des Mikroklimas. Dieses verschiebt sich zu Ungunsten der stark gefährdeten Sand- Arten. Die konkreten Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet wurden allerdings nicht untersucht. Dies ist ein erheblicher Planungsmangel. Seitens des LBM wird argumentiert, dass die Lärmschutzwände eine ähnliche Wirkung haben werden wie die derzeit vorhandenen Gehölze entlang der Autobahn. Hier wurde verkannt, dass die Gehölze jahreszeitlich unterschiedliche Auswirkungen haben. Zudem wurde nicht erhoben und dargestellt, dass bereits Pflegemaßnahmen des Naturschutzes zur Zurückdrängung dieser die Sandbiotope bestattenden Gehölze stattfinden. Mit öffentlichen Mitteln werden die Lebensraumbedingungen für die offenen Sandlebensräume gefördert. Dies würde durch die Errichtung einer Lärmschutzwand konterkariert.

5.2.2.2 Tiere (S. 61) Hier wird angeführt, dass die aktuell vorhandene Autobahn bereits eine annähernd 100%ige Barriere für die Tierartengruppe: Amphibien, Reptilien, Tagfalter, Widderchen und Heuschrecken darstelle und daher keine weitere Verschlechterung möglich sei. Dies wird von uns in Zweifel gezogen, da keine Analysen der Austauschbeziehungen vorgenommen wurden, sondern einfach Annahmen getätigt wurden. Die Angabe einer %-Zahl ist daher unsauber und fachlich nicht belegt. Kritisch hinweisen möchten wir an dieser Stelle auf die fehlenden Untersuchungen und Bewertungen bei der Gruppe der Bienen und Wanzen. Aus beiden Gruppen liegen Funde von höchster Bedeutung vor (Bundes- bzw. Europäische Bedeutung). Ohne Untersuchungen dieser beider Artengruppen kann keine verlässliche Aussage über die Zerschneidungswirkungen durch den Ausbau getätigt werden. Dieser Erhebungs- und Bewertungsfehler stellt einen massiven Planungsfehler dar.

5.2.2.3 Landschaftsbild (S. 63) Der Mainzer Sand ist ein europaweit bedeutsames Relikt der Nacheiszeit. Dies gilt auch für das äußerst seltene Landschaftsbild der Binnendüne. Allein aufgrund dieser Seltenheit liegt hier eine extrem hohe Schutzbedürftigkeit vor. Der Eingriff in dieses nacheiszeitliche Landschaftsrelikt durch eine mehrere hundert Meter lange und bis zu 8m hohe Lärmschutzwand ist aus unserer Sicht weder genehmigungsfähig noch kompensierbar. 21

Die einzige Möglichkeit zur Sicherstellung des Schutzes der Anwohner liegt bei einer Tieferlegung und Abdeckung der Autobahn im Bereich des Einschnittes und Abdeckung mit autochthonem Kalkflugsand zwischen dem NSG Mainzer Sand I und II.

6. Maßnahmenplanung (S. 66): Im Landespflegerischen Begleitplan sollte auch ein Hinweis auf die notwendige ökologische Baubegleitung enthalten sein.

19 – 2 Fachbeitrag Artenschutz

Allgemein: Grundsätzlich gelten für den Fachbeitrag Artenschutz unsere kritischen Anmerkungen im Kapitel 19- 8 Faunagutachten. Wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass die Brutvogelarten Baumfalke, Grauspecht, Heidelerche, Neuntöter, Schwarzspecht und Ziegenmelker aus der Bewertung herausgenommen wurden bzw. nicht enthalten sind und deshalb die Bewertungen fehlerhaft sind. Als Anlage ist eine aktuelle Auswertung des Online-Portals Ornitho.de beigefügt, die die Vorkommen belegen. Das Portal wird betrieben vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) und listet Vogelbeobachtungen auf und bewertet sie wissenschaftlich und naturschutzfachlich.

Zu 3.1 Arten nach Anhang IV FFH-Richtlinie (S. 20): Tab. 3-6: In der Tabelle „Pflanzen“ wird als einzige Art die Sandsilberscharte aufgeführt. Die Tabelle ist damit unvollständig und mangelhaft. Der Mainzer Sand zeichnet sich vor allem aus durch eine auf Magerstandorte spezifizierte Pflanzengesellschaft mit einem so reichhaltigen Arteninventar, welches schon fast als einmalig zu bezeichnen ist. Nähere Angaben in den einzelnen Kapiteln.

3.2 Europäische Vogelarten nach Art. 1 der Vogelschutzrichtlinie (S. 21 ff.): Tab. 3-7 Baumfalke (S.21): In der Tabelle wird der Baumfalke mit dem Ausschlussgrund „Vorkommen durch die Kartierungen von NATURPROFIL (2007) (außerhalb des Wirkbereichs) und BOSCH UND PARTNER (2015) ausgeschlossen. Die Angabe ist falsch. Das Vorkommen ist nachgewiesen durch M. Schmolz, Ornithologe. Im Einzelnen dazu siehe unsere Angaben zum Faunagutachten.

Tab 3-7 Grauspecht (S. 25): Der Grauspecht wird genauso als „nicht vorhanden“ gekennzeichnet. Dies ist anzuzweifeln. Zwar ist der Grauspecht im Gebiet seltener, aber auch hier liegen Daten zu Bruthinweisen oder Brutnachweisen zumindest bis 2010 vor. Die Beobachtungen konzentrierten sich im Bereich Dreigemarksberg-Mombacher Waldfriedhof-Mombacher Sand (Mainzer Sand II). Siehe auch „Die Vogelwelt von Rheinland-Pfalz, Band 3, S. 791 (C.DIETZEN Et al.) Beobachtungen liegen auch aus dem Gebiet Geiersköpfel vor. Der Grauspecht ist in Rheinhessen in den letzten Jahrzehnten generell seltener geworden. Das Rest- Vorkommen in der Umgebung der A643 scheint sich derzeit auf die Rheinaue bei (NSG Haderaue) zurückgezogen zu haben. Allerdings muss man beachten, dass Grauspechte eine große Revierausdehnung von ca. 1 km² beanspruchen. Daher ist durchaus damit zu rechnen, dass der oben genannte Bereich zumindest temporär weiterhin zumindest als Nahrungsgebiet dient. Die Seltenheit, die die Art in Rheinhessen inzwischen zeigt, darf natürlich nicht als Grund herangezogen werden, sie hier zu vernachlässigen, sondern man sollte im Gegenteil den Schutz seiner früheren und der verbliebenen Habitate im Sinne des Optimierungsgebots der 22

Vogelschutzrichtlinie verstärken, damit sich der Bestand halten und wieder ausweiten kann. Insofern kommt dem gesamten Waldstreifen vom Geiersköpfel bis Mombacher Sand eine hohe Bedeutung für die Erhaltung der Vorkommensreste und für eine mögliche Wiedererstarkung des Bestandes zu.

Tab 3-7 Heidelerche (S. 26): Die Art wird ebenfalls als „nicht nachgewiesen“ bezeichnet und ausgeschlossen. Dies ist fachlich falsch. Insbesondere die Einschätzung einer ab Mitte Mai festgestellten anhaltend singenden Heidelerche als unverpaartes Männchen bleibt fraglich, da diese Art Mitte Mai bei uns gelegentlich Zweitbruten anlegt (siehe auch „Die Vogelwelt von Rheinland- Pfalz, Band 4.1. C.DIETZEN Et al), so dass eine Brut nicht definitiv ausgeschlossen werden kann. Generell sollte man die geeigneten Habitate für eine angestrebte Bestandsstärkung sowieso bereithalten, kann also auch hier aus dem (vermeintlichen) Fehlen nicht die Berücksichtigung der Art ausschließen. Dass die Habitate um den Großen Sand geeignet sind, zeigen die früheren regelmäßigen Brutvorkommen, die mit ein Grund für die Ausweisung als Vogelschutzgebiet waren. Die Heidelerche ist neben dem Wiedehopf eine der Leitarten des Gebietes; die Nichtberücksichtigung dieser Art führt zu Fehlbewertungen.

Tab 3-7 Neuntöter (S. 28): Auch der Neuntöter wird aus der Betrachtung und Bewertung mit dem Hinweis „nicht nachgewiesen“ ausgeschlossen. Auch diese Aussage ist mit ganz erheblichen Zweifeln behaftet, allein schon aus der aus der Betrachtung der Habitatausstattung. Der Neuntöter bevorzugt Waldränder, offene Landschaften mit verstreuten Einzelbüschen und Hecken; vor allem benötigt er eine extensiv genutzte Landschaft mit großem Insektenangebot. Dies alles liegt im Mainzer Sand und im Mombacher Unterfeld reichlich vor. Der Neuntöter muss hier vorkommen, alles andere wäre kaum glaubhaft, und deshalb ist ein Bestand auch im Wirkungskorridor hoch wahrscheinlich. In der bereits zitierten Avifauna „Die Vogelwelt von Rheinland-Pfalz“ ist die Art mit 8 – 20 Brutpaaren (TK 25) verzeichnet. Der Ornithologe H.G FOLZ hat folgende Brutnachweise des Neuntöters:

 11. Juni 2002 1 BP Momacher Unterfeld  15. Juni 2002 1 BP Mombacher Rheinufer  02. Juni 2003 1 BP Finthen Dünen Geiersköpfel  02. Juni 2003 1 BP Mainzer Sand II  13. Juni 2003 1 BP Finthen Dünen Geiersköpfel  17. Juni 2003 1 BP Mombacher Oberfeld  20. Juni 2004 1 BP Mombacher Rheinufer  25. Juni 2004 1 BP Mainzer Sand II  01. Juni 2005 1 BP Mainzer Sand II

Die Daten sind zwar älter, aber sie liegen innerhalb des für Bruthinweise bzw. -nachweise relevanten Wertungszeitraums (Ende Mai bis Ende Juni). Das bedeutet, dass im Grunde alle offeneren, stark besonnten Bereiche des Planungsgebietes von der Art als Brutvogel genutzt werden. Es ist ganz sicher von einem Kartierungsdefizit auszugehen, wenn die Art im Zusammenhang mit den A643- Gutachten nicht festgestellt wurde. Es gibt keinen Grund, warum die Art inzwischen fehlen sollte. Somit ist die Art zu betrachten und zu bewerten.

Tab. 3-7 Schwarzspecht (S. 30): Der Schwarzspecht wird ebenfalls als „nicht vorhanden“ bezeichnet. Dies ist falsch. Abgesehen davon wird er im Kapitel 19-3 Verträglichkeitsprüfung auf Seite 4 mit 5 Brutpaaren aufgeführt. Vermutlich ist die Nichtnennung in der Tabelle ebenfalls auf einen Kartierungsfehler zurückzuführen, stellt hier aber einen Mangel in der Begutachtung dar. Zahlreiche Schwarzspechtnachweise (H.G. FOLZ, Ornithologe) liegen vor für den gesamten Waldstreifen nördlich der A 643 vom Finther Geiersköpfel über Lenneberg, Dreigemarksberg, Mombacher Waldfriedhof bis hin zum ehemaligem Truppenübungsplatz Großer Sand (Mainzer Sand) 23

und am Mombacher Rheinufer, also flächendeckend im Untersuchungsgebiet. Fachlich gelten die Schwarzspechte als Brutvogel im Untersuchungsgebiet mit 2 - 3 Brutpaaren als nachgewiesen, siehe „Die Vogelwelt von Rheinland-Pfalz“, Band 3, S. 805 (C.DIETZEN et al.). Vor allem wenn eine seltene Art mit nur wenigen Brutpaaren im Gebiet vertreten ist, ist der Schutz umso notwendiger, weil eine Beeinträchtigung leicht zu einem völligen Verschwinden führen kann. In einem der Planfeststellungs- Dokumente (Karte) im Kapitel 19-4_FFH-VP_2_Beeintr_EHZ ist er verzeichnet, in allen anderen nicht. Hinweise zu möglichen Erfassungsfehlern (FOLZ): Wichtig ist, die richtige Erfassungszeit zu wählen (was wahrscheinlich im Gutachten nicht angemessen beachtet wurde). Das Revier wird ab Mitte Januar durch die "Lachstrophe" ("glücklücklücklück...") und Trommeln markiert, diese Reviermarkierungen erfolgen zwar bis Ende April, haben ihren Höhepunkt aber meist um Ende Februar/Anfang März. Das führt dazu, dass die Art bei Brutvogelkartierungen, die erst ab Mitte März durchgeführt werden, übersehen werden kann. Als Brutverdacht gilt eine zweimalige Feststellung der genannten Reviermarkierungen im Abstand von mindestens 7 Tagen, möglichst in März und April. Günstige Tageszeit dafür ist von Sonnenaufgang bis Spätvormittag (allerdings nicht bei Frost, der stärker als -5°C ist, nicht bei starkem Wind von über Windstärke 4 und nicht bei Regen). Beobachtung von Höhlenbau bedeutet ebenfalls Brutverdacht. Als Brutnachweis gilt, fütternde Altvögel zu sehen oder Junge führende Altvögel im vorher festgestellten Revier.

Tab 3-7 Ziegenmelker (S. 33 und später S. 122): Eine weitere von den Gutachtern nicht nachgewiesene, aber wertgebende Art ist der Ziegenmelker, ebenfalls eine Art des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie. Die Art ist aufgrund rein nächtlicher Lebensweise (Gesangsbeginn erst weit nach Sonnenuntergang) und vermutlich aufgrund fehlender Nachtexkursionen im Wertungszeitraum (Ende Mai bis Anfang Juli) hier nicht in die Betrachtung einbezogen. Ein Blick in den gültigen Bewirtschaftungsplan der SGD Süd zu den Gebieten FFH 6014-302 „Kalkflugsandgebiet Mainz Ingelheim“ und VSG 6014-401 „Dünen und Sandgebiet Mainz Ingelheim“ hätte den Bearbeitern aber den Hinweis auf die Vorkommen geben können. Zitat aus dem Bewirtschaftungsplan: "Der Ziegenmelker ist in Rheinland-Pfalz eine Charakterart lichter Kiefernwälder und Steppenheiden mit lockerem Baumbestand, aufgelockerten Wäldern aus Kiefern, Eichen und anderen Baumarten mit Heideflächen, Sandrasen oder Steppenrasen und Freiflächen (Waldwegen und Schneisen). Die Bruthabitate befinden sich in aufgelichteten Waldbereichen mit Totholz und Heidevegetation. Die Nahrungshabitate umfassen insektenreiche Brachflächen und Magerrasen. Verbreitung und Vorkommen der Art: Die Vorkommen des Ziegenmelkers beschränken sich auf den Lennebergwald. Hier konnten 2012 14 Revierpaare (rufende Männchen) festgestellt werden. Ein Vorkommen befindet sich im Mainzer Sand Teil I und zwei in den Dünen am Geiersköpfel bei Mainz-Gonsenheim. Die übrigen 11 Vorkommen verteilen sich auf die Steppen Kiefernwälder des Lennebergwaldes. Besiedelt werden v.a. aufgelichtete Kiefernwälder mit offenen Sandflächen, liegendem Totholz und angrenzenden Schneisen sowie großen Lichtungen, die als Nahrungshabitat genutzt werden. (...)Bewertung im Gesamtgebiet: Das Vorkommen des Ziegenmelkers im Lennebergwald ist aktuell das nördlichste Vorkommen in Rheinland-Pfalz. Mit Ausnahme weiterer Nachweise bei Bad Kreuznach stellt dieses ein von den Hauptvorkommen in Bienwald, Speyerer und Bellheimer Wald isoliertes Teilareal von besonderer Schutzwürdigkeit dar. Die Vorkommen im Lennebergwald besitzen aufgrund der günstigen Habitatbedingungen in den Steppenheide- Kiefernwäldern langfristig günstigere Voraussetzungen zum Erhalt als die Vorkommen in den eichendominierten Standorten der Schwemmfächerwälder im südlichen Rheinland-Pfalz."

Daneben findet sich auf der Internetplattform des Dachverbands Deutscher Ornithologen 24

"ornitho.de" ein hervorragend belegter aktueller Nachweis: N. SCHMALZ fand am 3.5.2016 ein totes Ziegenmelker-Männchen, das sich inzwischen im Naturhistorischen Museum befindet. Folgender Screenshot aus der Meldung (https://www.ornitho.de/index.php?m_id=54&id=19798322) zeigt die Lage des Fundortes.

Abbildung 2: Fundort des Ziegenmelker-Männchens (https://www.ornitho.de/index.php?m_id=54&id=19798322)

Zu den bedeutendsten Verlust- und Gefährdungsursachen der Art gehört laut Bauer, Bezzel & Fiedler der Straßenverkehr (2005: Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas). Die Autoren sprechen von "beträchtlichen Verlusten durch Straßenverkehr". Es ist zwar angesichts der geringen Beobachtungsfrequenz der Gutachter verständlich, dass sie das Vorkommen dieser höchst schützenswerten Art nicht erfasst haben, aber zumindest hätte man eine Recherche und die Berücksichtigung des offiziell gültigen Bewirtschaftungsplans erwarten dürfen. Hier zeigt sich somit ein weiterer elementarer Mangel in der Beschreibung des zu schützenden Inventars.

5. Prüfung der Verbotstatbestände sowie der Ausnahmevoraussetzungen (S.37 bis 133): Allgemein: Hier ist tabellarisch die Betroffenheit der Arten und der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände aufgeführt. Die oben genannten Arten fehlen und sind dementsprechend nicht bewertet. Das ist ein gravierender Mangel.

6. Zusammenfassende Darlegung der naturschutzfachlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG (S. 134 ff.): Bezüglich der Ausnahme von artenschutzrechtlichen Verboten ist folgendes anzumerken: Verbotstatbestand und daher die Begründung für eine Ausnahmegenehmigung wird nur für den 25

Grünspecht konstatiert. Die oben genannten weiteren Vogelarten Baumfalke, Heidelerche, Grauspecht, Neuntöter, Schwarzspecht und Ziegenmelker sowie sämtliche Käferpopulationen und ein Großteil der Stechimmenfauna werden nicht behandelt. Für den Grünspecht und alle anderen Arten, so die Aussage, verschlechtere sich der Erhaltungszustand nicht (unter Berücksichtigung von Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen). Dies wird angezweifelt, da es unter den nicht untersuchten Arten streng geschützte und besonders geschützte Arten und Rote-Liste-Arten gibt. Beispielhaft seien hier Käferarten genannt, die in den letzten Jahren im Untersuchungsgebiet nachgewiesen wurden, teilweise sogar auf den Randflächen unmittelbar an der Autobahn:

Artname Deutscher Name RLD RLRLP Laufkäfer Amara apricaria Enghals-Kamelläufer V Amara eurynota Großer Kamelläufer 3 Amara fulva Gelber Kamelläufer V Amara fusca Brauner Sand-Kamelläufer 1 Amara lucida Leuchtender Kamelläufer V Brachinus crepitans Großer Bombardierkäfer V Broscus cephalotes Kopfläufer 2 Calathus ambiguus Breithalsiger Kahnläufer V Cicindela hybrida Dünen-Sandlaufkäfer 3 Harpalus anxius Seidenmatter Schnellläufer V Harpalus autumnalis Herbst-Schnellläufer 3 2 Harpalus calceatus Sand-Haarschnellläufer 2 Harpalus griseus Stumpfhalsiger Haarschnellläufer 3 Harpalus melancholicus Dünen-Schnellläufer 2 D Harpalus picipennis Steppen-Schnellläufer 2 1 Harpalus pumilus Zwerg-Schnellläufer V Harpalus serripes Gewölbter Schnellläufer 3 3 Harpalus servus Ovaler Schnellläufer 3 1 Harpalus smaragdinus Smaragdfarbener Schnellläufer 3 Harpalus subcylindricus Walzenförmiger Schnellläufer G D Licinus depressus Kleiner Stumpfzangenläufer V 1 Masoreus wetterhallii Sand-Steppenläufer 1 Notiophilus germinyi Heide-Laubläufer V

Blatthornkäfer Maladera holosericea Schwarzbrauner Dünnfuß-Laubkäfer V Ochodaeus chrysomeloides Steppen-Trüffelbohrer 1

Dungkäfer Diastictus vulneratus Verwundeter Dungkäfer 2 26

Melinopterus consputus Bespuckter Dungkäfer 2 Nimbus contaminatus Kaninchen-Dungkäfer 3

Allein unter den Laufkäfern befinden sich fünf in Rheinland-Pfalz vom Aussterben bedrohte Arten.

Jüngste botanische Erhebungen auf den direkt an die A643 grenzenden Böschungsbiotopen ergaben sechs auf den Roten Listen von Bund und Land stehende Pflanzenarten, von denen zwei bundesweit stark gefährdet sind:

Artname Deutscher Name RLD RLRLP Ophrys apifera Bienen-Ragwurz 2 2 Orobanche arenaria Sand-Sommerwurz 2 2 Odontites luteus Gelber Zahntrost 3 3 Populus nigra Schwarz-Pappel 3 3 Stipa capillata Haar-Pfriemengras 3 3 Thymus serpyllum Sand-Thymian 2

Quellenhinweise Käferarten: Ludewig, H.-H. (2013): Zur Gefährdung der Mainzer Sandgebiete mit der Meldung einer für Rheinhessen neuen Laufkäferart. – Mainzer Naturw. Archiv 50, 355-359. Ludewig, H.-H. (2015): Aktuelle Laufkäferfunde im Mainzer Sand (Coleoptera: Carabidae). – Mainzer Naturw. Archiv 52, 179-191. Buse, J., Görtz, M. & H.-H. Ludewig (2016): Aktuelle Funde von Blatthornkäfern aus dem Mainzer Sand (Coleoptera: Geotrupidae, Scarabaeidae et Aphodiidae). – Fauna Flora Rh.-Pf. 13(2), 313-321. Ludewig, H.-H. (2017): Laufkäferfunde entlang der Autobahn im Mainzer Sand (Coleoptera: Carabidae). – Mainzer Naturw. Archiv 54, 219-228.

Alle vorgenannten Arten müssten im Sinn der Eingriffsregelung des Bundesnaturschutzgesetzes abgeprüft worden sein, was erkennbar nicht der Fall ist. Insofern sind bezogen auf diese Arten keine Wirkungsprognosen erstellt, was einen schweren Mangel darstellt.

Weiterhin wird als Grund für den Ausbau das „überwiegende öffentlichen Interesse“ aufgrund des Verkehrsaufkommens genannt. Es wird aber nicht weiter spezifiziert und bewertet, dass das Verkehrsaufkommen in allen Prognosefällen auf den Brücken (vornehmlich Schiersteiner ab AS Mombach) um immerhin rund 20.000 Kfz höher ist als im erdgebundenen Bereich. Das ist ein gewaltiger Unterschied, der in der Planung keine Berücksichtigung findet, da die Gesamtstrecke bis zum Dreieck ausgebaut werden soll. Würde man davon ausgehen, dass sich das aktuelle Verkehrsaufkommen nicht weiter erhöht oder, alternativ, die Zuwachsraten niedriger sind als prognostiziert und durch Verlagerung auf den ÖPNV aufgefangen werden können, so hätte man im erdgebundenen Teil „nur“ die aktuelle Belastung von 65.850 Kfz zu „verkraften“. Diese Größenordnung liegt noch im Bereich des RQ 31 mit 4 Fahrstreifen – wenn auch knapp. Durch den 6streifigen Ausbau der Brücken ist allerdings eine deutliche Entlastung im Verkehrsfluss zu erwarten, sodass ein Nichtausbau des erdgebundenen Teils als vertretbar erscheint. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass es absehbar ohne eine allgemeine Verkehrswende mit Verkehrsreduktion (Vermeidung unnötigen Verkehrs) nicht gehen wird. 27

Auch eine andere Überlegung bestätigt das: Im Planfall P2 plus ist die Verkehrsbelastung hochgerechnet, wenn alle umliegenden Autobahnen, also auch die A 60 und die A 66, 6streifig ausgebaut wären, die A 66 sogar ab Erbenheim 8streifig (was langfristig geplant ist). Damit wäre dann eine knapp 30%tige Zunahme des Verkehrsaufkommens verbunden. Das bedeutet „je mehr Ausbau, je mehr Verkehr“. Eine Zunahme des Verkehrs um 30 % gegenüber dem aktuellen Aufkommen ist aber kaum vorstellbar. Somit müssen andere Lösungen her, die nur in einem Verzicht auf weiteren Ausbau liegen können. Denn die bisherigen Zuwachsraten steuern allgemein gesehen eindeutig auf Sättigungsgrenzen zu. Bei gleichbleibenden oder niedrigeren Bevölkerungszahlen sind ständige Zuwächse im Straßenverkehr nicht mehr möglich, wenn das Gesamtsystem nicht zusammenbrechen soll.

19-3 Verträglichkeitsprüfung 6014-401 „Dünen- und Sandgebiet Mainz-Ingelheim“

Allgemein: Da viele Feststellungen in diesem Kapitel bereits in den vorherigen Kapiteln und im Erläuterungsbericht aufgeführt sind (z.B. Beschreibung des Vorhabens, Flächenbeanspruchung, Arten), beschränken wir unsere Einwände auf neue Aspekte.

Zu 3.2. Anlagebedingte Wirkfaktoren (S. 10): Als anlagebedingte Flächenverluste werden 1,26 ha für diesen Abschnitt genannt (immerhin 1,6 Fußballfelder). Sodann wird betont, dass es sich dabei nur um 0,05% bzw. um 0,08% der gesamten Schutzgebietsfläche von 2.391 ha handelt. Diese Darstellung ist ein weiteres (wahrscheinlich unbeabsichtigtes) Beispiel einer interessenbezogenen Begutachtung, indem sozusagen ohne direkten Bezug und ohne Notwendigkeit das Vorhaben herunternivelliert und in seiner Bedeutung marginalisiert wird. Wenn schon ein Vergleich angestellt wird wäre es vielmehr richtiger gewesen, den Flächenverlust in Bezug zur Größe des eigentlichen Mainzer Sandes darzustellen. Der ist rund 127 ha groß, der Flächenverlust darauf bezogen wäre damit 1%, das ist immerhin das 20fache von 0,05

4.1.1 Voraussichtlich betroffene Vogelarten (S. 13): Baumfalke, Schwarzspecht, Grauspecht, Heidelerche, Neuntöter und Ziegenmelker wurden angeblich nicht nachgewiesen, aber nur aufgrund von 4 Begehungen im Jahre 2015. Dies ist fachlich unzureichend. Die Datenlage macht eine Anwesenheit der genannten Arten wahrscheinlich. Sie müssen deshalb mit betrachtet werden (siehe auch unsere Anmerkungen zu Fachbeitrag Artenschutz).

4.2.3 Sonstige für die Erhaltungsziele des Schutzgebietes entscheidende Vogelarten (S. 15): Der „Geiersköpfel“ liegt weiter südwestlich als hier beschrieben wird. Die Verortung der Nahrungsgebiete des Wiedehopfes mit dem Mainzer Sand ist nicht nur „wahrscheinlich“ (wie es abschwächend lautet), sondern ganz sicher. Denn der Wiedehopf findet wegen der großen Insektenanzahl und der für ihn optimalen Bodenstruktur hier ein reiches Nahrungsangebot. Außerdem gibt es jeweils an beiden Seiten der Autobahn in nur rund 300 m Entfernung ein Revier des Wiedehopfes. Da Wiedehopfe wie alle Vögel im Interesse des Minimalaufwandes hauptsächlich reviernahe Nahrungshabitate aufsuchen, müssen der Mainzer Sand I und II als Hauptnahrungshabitat angesehen werden. Dies bestätigen nicht nur die wenigen Begehungen von BOSCH&PARTNER 2015, sondern mehrfach jährlich stattfindende Exkursionen der 28

Naturschutzverbände. Regelmäßig werden Überflüge von Wiedehopfen über die Autobahntrasse beobachtet. Die extrem hohe Wertigkeit des Gebietes für den Wiedehopf ist damit belegt.

Wie oben dargestellt fehlen in der Artbeschreibung die Arten Schwarzspecht, Grauspecht, Heidelerche, Neuntöter, Ziegenmelker und Baumfalke. 5.1.3 Erheblichkeitsmaßstäbe bei der Bewertung betriebsbedingter Beeinträchtigungen (S. 19/20): Hier werden die „Effektdistanzen“ behandelt, d.h. in welcher Entfernung von der Störungsquelle Habitate, hier von Vogelarten, betroffen sind. Es wird ausgesagt, es „sei davon auszugehen, dass bei den einzelnen Arten bereits eine Gewöhnung“ an den Straßen/Autobahnbetrieb stattgefunden hat. Logische Schlussfolgerung müsste nun sein, dass weitere Beeinträchtigungen vermieden werden müssen. Eine solche Aussage wird natürlich nicht getroffen; vielmehr geht es in die Richtung „wo schon Beeinträchtigung ist, können weitere zugemutet werden, denn die Art hat sich ja bereits gewöhnt“. Es ist wichtig, dass eine solche eher zynische Auffassung gegenüber der Natur korrigiert wird.

5.2 Zusammenfassende Prüfung betriebsbedingter Beeinträchtigungen für sämtliche Vogelarten (S. 20): „Schadstoffimmissionen bzw. NOx-Einträge können zu Veränderungen der Pflanzenzusammensetzung und damit zum Verlust von Habitaten für die zu betrachtenden Vogelarten führen“. Hier wird der Zwischenschritt vergessen: Veränderungen der Pflanzengesellschaften führen zu ebensolchen Einbrüchen bei den von Pflanzen abhängigen Insekten, Faltern, Käfern usw. und damit zur Nahrungsreduktion von Vögeln. Vögel sind nicht nur Körnerfresser, sondern ernähren sich auch von Insekten, zur Jungenaufzucht fast ausschließlich. Somit ist immer die Gesamtbiozönose zu betrachten.

5.2 Zusammenfassende Prüfung betriebsbedingter Beeinträchtigungen für sämtliche Vogelarten und 5.3 Bau- und anlagebedingte Beeinträchtigungen von Arten gemäß Art. 4 Abs. 2 der VS-RL (S. 21 ff.): Die behauptete Verbesserung der Situation von Wiedehopf und Wendehals durch die Lärmschutzwand wird bestritten. Lärm wird durch die LSW zwar nach Westen vermindert, aber nach Osten verstärkt (Widerhalleffekt). Davon abgesehen verstärkt sich der Lärm gegenüber dem Nullfall durch deutlich höhere Geschwindigkeiten. Diese verstärken auch das Kollisionsrisiko, zumal Gehölze an der Ostseite entfernt werden. Es ist nicht nachgewiesen, dass Kollisionsschutzzäune dieses Risiko eliminieren (Seite 23). Die vertikale Struktur einer hohen LSW kann zu Vermeidungsverhalten führen. Da der Wiedehopf regelmäßig die Trasse zur Nahrungssuche überfliegt, ist durch das zusätzliche Vertikalhindernis „Lärmschutzwand“ die Aufgabe des Brutreviers eine wahrscheinliche Folge. Für den Wendehals gilt Ähnliches (Seite 22).

5.5.2 Wiedehopf (S. 23 ff.): In der Zusammenfassung werden die genannten Beeinträchtigungen des Wiedehopfes als „unerheblich“ bewertet. Sogar die Gewöhnung des Wiedehopfes an Verkehr und Menschen wird als Argument genutzt, eine weitere Verschlechterung zu negieren. Dies folgt der Gesamtlinie des Gutachtens, wonach der Eindruck entstehen kann, dass Gründe gesucht werden, um eine Vereinbarkeit des Vorhabens mit Natur- und Vogelschutz zu bewerkstelligen. Gleiches gilt für die Darstellung der Situation des Wendehalses, dem aus den gleichen Gründen eine nur „unerhebliche Beeinträchtigung“ zugesprochen wird.

29

6 Beurteilung der Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des Schutzgebietes durch andere zusammenwirkende Pläne und Projekte (S. 27 ff.): Hier werden zu erwartende Wirkungen und Wirkfaktoren aufgrund des geplanten Vollausbaus auf der gesamten Länge, also bis zum Dreieck Mainz, angesprochen. Die Linie folgt dem bisherigen Verfahren: Es gibt negative Wirkungen auf den Naturhaushalt und die Biozönose, diese sind aber unerheblich, da eine Belastung durch die vorhandene Autobahn mit entsprechenden Gewöhnungseffekten bereits vorhanden ist. Diese Ansicht vertreten wir nicht.

7. Zusammenfassung (S. 31): In der Zusammenfassung werden alle relevanten Beeinträchtigungen noch einmal zutreffend aufgezählt und genannt. Schließlich wird festgestellt: „Zusammenfassend kommt die Natura 2000-VP für das VS-Gebiet (…) zu der Ergebnisaussage, dass die Verträglichkeit der Trassenführung der A 643 mit den Erhaltungszielen für das VS-Gebiet gegeben ist. Erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele sind nicht zu erwarten“. Wir widersprechen dem: Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Brutreviere von Wiedehopf und Wendehals sowie der anderen vorgenannten Arten mit der Realisierung des Vorhabens aufgegeben werden. Dies widerspricht eindeutig den Erhaltungszielen dieser Arten und kann nicht hingenommen werden.

19 – 4 Verträglichkeitsprüfung 6014-302 „Kalkflugsandgebiet Mainz-Ingelheim“

Zu 2.2.2 Überblick über die Lebensräume des Anhangs I der FFH-RL (S. 3 ff.): Der Erhaltungszustand aller Lebensraumtypen (LRT) wird komplett als „C“, also mittel bis schlecht, eingestuft. Einen schlechteren Erhaltungszustand als „C“ kennt der Standarddatenbogen (SDB) nicht. Diese Tatsache ist wichtig zur Gesamtbeurteilung des Vorhabens. Es gibt im europäischen Naturschutzrecht nämlich nicht nur das Verschlechterungsverbot, sondern auch das Optimierungsgebot. Selbst wenn die Beurteilung und Bewertung Ermessensspielräume zulässt, so ist es nicht unerheblich, ob der Ausgangszustand einer Art und eines Lebensraumes als gut und günstig oder als schlecht anzusehen ist. Im vorliegenden Fall ist die „C-Einstufung“ sowohl für die Lebensräume als auch für die meisten wertgebenden Arten fast durchgängig gegeben. Deshalb müsste die Bewertungstendenz zum Vorhaben eigentlich „eher nicht“ lauten.

2.2.3 Überblick über die Arten des Anhangs II der FFH-RL (S. 6): Tab. 2-3: In der Tabelle fehlt der Schwarzspecht. Der Schwarzspecht ist im Anhang I der VSR aufgeführt und außerdem in der Kategorie „streng geschützt“ nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Damit ist er eine relevante Art hinsichtlich der Erheblichkeit der Beeinträchtigung und somit bewertungsrelevant auch für ein FFH-Gebiet. Der Erhaltungszustand des Schwarzspechtes ist mit „C“ außerdem in der schlechtesten Stufe. Da es nur 5 Brutpaare im Gebiet gibt, muss der Erhaltungszustand umso mehr wesentlicher Bestandteil der Bewertung sein. Im Dokument 19-4_FFH-VP_2_Beeintr_EHZ.pdf“ taucht der Schwarzspecht auf, in sämtlichen anderen Dokumenten auch anderer Kapitel nicht mehr. Dies alles ist ein schwerer Fehler grundsätzlicher Art. Hinsichtlich eines wahrscheinlichen Kartierfehlers bei der Art verweisen wir auf unsere Ausführungen zu 19-2 Fachbeitrag Artenschutz, Seite 30.

30

4.1.1 Voraussichtlich betroffene Lebensräume und Arten (S. 15): Die Heidelerche kann nicht wie dargestellt ausgeschlossen werden, ebenso nicht der Neuntöter (siehe Ausführungen zu den vorherigen Kapiteln).

4.2.2.5 Kiefernwälder der sarmatischen Steppe (LRT 91U0) (S. 18): Der Schwarzspecht wird als „Teilsiedler“ bezeichnet. Dies ist auf den Schwarzspecht bezogen naturschutzfachlich nicht zutreffend. Ein "Teilsiedler" ist eigentlich eine Tierart, die im Jahresverlauf unterschiedliche Lebensräume besiedelt (z. B. Molche: Fortpflanzung im Wasser, ansonsten Habitate an Land etc.). Manchmal findet man den Begriff auch verwendet, wenn eine Art zur Brutzeit in einem Gebiet zwar festgestellt, aber nicht als Brutvogel nachgewiesen ist. Gebräuchlicher ist in der Ornithologie dafür allerdings die Bezeichnung "Nahrungsgast zur Brutzeit". Den Begriff "Teilsiedler" hier auf den Schwarzspecht im Planungsgebiet der A643 anzuwenden, ist nicht zutreffend. Der Schwarzspecht ist ein ausgeprägter Standvogel mit nur schwacher Neigung zum Zugverhalten. Er bleibt im Wald und nutzt keine anderen Lebensräume. Seine spärlichen Ausflüge, wenn er überhaupt einmal welche unternimmt, führen kaum von der Umgebung des Brutplatzes weg. Die adulten Schwarzspechte des Lennebergwaldes/Mainzer Sandes dürften das Gebiet kaum verlassen. Es ist zu vermuten, dass im Faunagutachten der Begriff "Teilsiedler" genutzt wird, um die Tatsache zu vernebeln, dass die Gutachter z. B. den Schwarzspecht (fehlerhafterweise) nicht als Brutvogel nachgewiesen haben. Man sollte aber deshalb aus dem Schwarzspecht im Lennebergwald/Waldteilen des Mainzer Sandes keinen Nahrungsgast bzw. Teilsiedler machen, schon weil er hier definitiv Brutvogel ist. Dass es zur Brutzeit regelhaft Schwarzspechte gibt, die nicht im Lennebergwald brüten, das Gebiet aber als Nahrungsgast aus anderen Brutgebieten nutzen, schließen Ornithologen aus. Bestenfalls außerhalb der Brutzeit, etwa im Winter, könnte es vorkommen, dass nicht bei uns brütende Schwarzspechte als herumstreifende Gäste erscheinen (Auszüge FOLZ).

5.1 Beschreibung der Bewertungsmethode (S. 20 ff.): Wenn ein Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigt wird, ist ein Vorhaben unzulässig. Im ersten Absatz der Beurteilung wird als bedeutsam dargestellt „(…) wie die Prognose der möglichen Beeinträchtigungen durchgeführt wird und anhand welcher Maßstäbe die Erheblichkeit der Beeinträchtigungen ermittelt wird“. Diese absolut richtige Feststellung wird aber konterkariert, wenn wichtige Arten (siehe vorherige Ausführungen) nicht untersucht werden und daher nicht in die Bewertung eingehen.

Weiterhin heißt es: „Einen wesentlichen Bewertungsmaßstab stellt der Erhaltungszustand dar“ Und etwas weiter: „(…) ein günstiger Erhaltungszustand muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben“ (S. 21). Die Erhaltungszustände werden aber durchgängig mit „C“ eingestuft, also schlecht und unzureichend, das heißt ungünstig. Das Vorhaben belastet den Erhaltungszustand, der schon ungünstig ist, weiter. Somit wird in der Summe der Erhaltungszustand ungünstiger, auch wenn im weiteren Verlauf der gutachterlichen Bewertungen versucht wird, eine Verungünstigung auszuschließen. Auch der auf Seite 22 unten zitierte „Maßstab praktischer Vernunft“ lässt die Unvereinbarkeit des Vorhabens logischer und vernünftiger erscheinen als das Gegenteil.

31

5.1.1 Erheblichkeitsmaßstäbe bei der Bewertung anlage- und baubedingter Beeinträchtigungen (S. 31): Zur Windoffenheit vor allem der Offenbereiche des Mainzer Sandes wird festgestellt: „Die stärkste Minderung (der Windgeschwindigkeit) wird dort erreicht, wo im Ist-Zustand windoffene Flächen vorhanden sind“. Anders, verständlicher, formuliert: Dort wo Windoffenheit besonders notwendig ist, wird sie am stärksten eingeschränkt. 5.3.5.1 Beeinträchtigungen durch anlage- und baubedingte Wirkungen (S. 55 und 56): Hier wird der Schwarzspecht wieder ausgeschlossen. Dazu siehe Bemerkungen in vorherigen Kapiteln. Auf Seite 56 wird konstatiert: „Der Schwarzspecht wurde mit den durchgeführten Kartierungen nicht als Brutvogel sondern lediglich als Teilsiedler bzw. Nahrungsgast nachgewiesen (vgl. auch Unterlage 19.2), sodass eine Betroffenheit als charakteristische Art des LRT 91 VO ausgeschlossen werden kann“. Die Einschränkung „mit den durchgeführten Kartierungen“ und die Bezeichnung „Nahrungsgast“ belegen, dass der Gutachter sehr wohl weiß, um was es geht. Der Schwarzspecht kann eben nicht als charakteristische Art ausgeschlossen werden, weil er Brutvogel in dem Gebiet ist, und überdies als „C“ in einer schlechten Erhaltungsstufe ist – und außerdem eines von insgesamt nur 5 Brutpaaren in dem Gebiet. Dem Schwarzspecht kommt in der Bewertung somit eine zentrale Rolle zu, die so nicht berücksichtigt ist.

6 Beschreibung und Beurteilung der Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des Schutzgebietes im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten (S. 59 ff.) und 6.3 Gesamtdarstellung und Bewertung der Beeinträchtigungen durch das Vorhaben im Zusammenwirken mit anderen Projekten (S. 65 ff.): Hier wird vor allem bewertet, dass der 6streifige Ausbau des Abschnittes 3 Gonsenheim – Dreieck im allgemeinen die gleichen naturschutzfachlichen Probleme aufweist, die aber ebenso ausgeglichen werden könnten. Wahrscheinlicher ist aber der Planfall P2 plus, nämlich ein Ausbau auch der A 60 und der A 66 mit einem Verkehrszuwachs von fast 30%. Damit würden alle LRTs und wertgebenden Arten des Mainzer Sandes und des Lennebergwaldes natürlich noch viel stärker belastet, was zu einem völligen Versagen der Naturfunktion und einem kompletten Wertverlust des Arteninventars führen könnte. Insofern muss auch der Ausbau nur eines Abschnittes der A 643 als Vorstufe oder sogar als Präjudiz eines umfassenden Ausbaus gewertet werden – mit all den Konsequenzen, die dies für die Natur haben würde. Auf Seite 67 der Gesamtbeurteilung wird das Ergebnis wie folgt zusammengefasst: „Zusammenfassend kommt die FFH-VP für das FFH-Gebiet DE 6014 – 302 „Kalkflugsandgebiet Mainz – Ingelheim“ zu der Ergebnisaussage, dass erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele für das FFH-Gebiet nicht auszuschließen sind“. Dieser Aussage schließen wir uns an. Die Beeinträchtigungen können vermieden werden, wenn auf den Ausbau verzichtet wird. Er ist aus naturschutzfachlichen Gründen nicht möglich.

19 – 5 Ausnahmeprüfung 6014-302 „Kalkflugsandgebiet Mainz-Ingelheim“ 19 – 5 Kohärenzmaßnahmenplan

Allgemein: Bei der Alternativenprüfung werden auch Alternativen betrachtet, die wegen des Baufortschritts der Rheinbrücke nicht mehr in Betracht kommen. Es handelt sich um die 32

Untertunnelung des Rheins und alle oberstromigen Ansätze. In unserer Stellungnahme sind diese nicht mehr existenten Alternativen ausgeschlossen. Es gibt nach unserer Auffassung jedoch noch eine weitere alternative Möglichkeit, die in den Planungsunterlagen nicht untersucht wird. Es bestünde nämlich auch die Möglichkeit, die beiden Brücken wie geplant zu fertig zu bauen und im Übrigen auf den erdgebundenen Teil des Ausbaus zu verzichten.

Zu 2.4 Begründung der gewählten Lösung (S. 13): Hier wird dargestellt, dass die „Null-Variante“ keine Alternativlösung sei, da sie die Verkehrssicherheit der Rheinbrücke und der Vorlandbrücke nicht gewährleistet und die Leistungsfähigkeit der vierstreifigen A 643 überschreite. Insofern werden die unterschiedlichen Verhältnisse auf den Brücken und im erdgebundenen Teil nicht betrachtet bzw. verwischt. Immerhin ist die Verkehrsdichte auf den Brücken in allen Varianten um 20.000 bis 25.000 Kfz/24h höher als im Erdbauteil. Gründe sind die Zuflüsse im direkten Bereich der Brücken. Wie an anderer Stelle schon ausgeführt, liegt die aktuelle Belastung im Erdbauteil mit 65.950 Kfz noch knapp innerhalb eines vierstreifigen Querschnittes. Würde es gelingen, die prognostizierten Zuwachsraten mit einer Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs (und ggf. einer Verkehrswende) aufzufangen, könnte sich der Ausbau des erdgebundenen Teils als nicht notwendig erweisen. Damit wären sowohl Kosten gespart als auch der Natur geholfen. Im Übrigen geht die Rechtsprechung vom „gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ (S. 10) aus; genau diesem Grundsatz würde ein Ausbau-Teilverzicht entsprechen.

2.5 Weitere geprüfte Lösungen (S. 14 und 15): Die genannten Gründe, weshalb eine 4+2-Verkehrsführung nicht möglich sei, sind in großen Teilen nicht zwingend, andere nicht nachvollziehbar. Das Bundesfernstraßengesetz und der darauf aufbauende Bedarfsplan sehen zwar den 6streifigen Ausbau vor. Gesetz und Bedarfsplan sind aber jederzeit änderbar. Eine grundlegende Änderung ist aufgrund veränderter gesellschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen ohnehin wahrscheinlich und zu erwarten. Denn es ist absehbar, dass die prognostizierten Zuwachsraten auch durch Straßenneubau- und Ausbaumaßnahmen nicht mehr aufgefangen werden können. Verkehrsverlagerung und Vermeidung unnötigen Straßenverkehrs wird die Folge sein. Finanzielle Mittel werden umgelenkt, die Restmittel für Straßenbau werden zur Instandsetzung und Ersatzbau (Brücken) benötigt. Dass eine 4+2-Lösung nur als „Vorgriff auf einen regelgerechten Ausbau“ in Frage kommt, ist weder rechtlich verbindlich noch in anderen Fällen aktuell umgesetzt. Bei dem als Beleg für die Behauptung angegebenen „ARS Straßenbau 20/2002“ handelt es sich schlicht um ein Allgemeines Rundschreiben Straßenbau des Verkehrsministeriums, und dies aus dem Jahre 2002 17 Jahre nach Herausgabe des Rundschreibens haben sich wesentliche verkehrspolitische Determinanten verändert. Auch aktuell ist kein Fall bekannt, wonach im überschaubaren zeitlichen Anschluss an eine der doch sehr häufigen temporären Seitenstreifenfreigaben ein vollständiger Ausbau erfolgte. Anderenfalls wäre dies nachzuweisen. Das Argument der Vorlandbrücke zieht ebenfalls nicht, da ihr 6streifiger Ausbau nicht bestritten wird. Zur Verwaltungsvereinbarung von 2010 gilt das oben Gesagte sinngemäß: Man kann sie verändern, wenn man zu besseren Erkenntnissen kommt oder sich die Voraussetzungen im Zeitablauf ändern. Unterhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen werden auch an den gegenwärtigen, recht häufig vorhandenen temporären Seitenstreifenfreigaben durchgeführt. Das kann letztlich kein Grund sein, zumal die Mitnutzung des Seitenstreifens nur zeitlich eng begrenzt ist. 33

Die Angabe 6streifig für >80.000 Kfz/24h gilt für die Brücken, nicht für den erdgebundenen Teil. Eine Differenzierung ist notwendig. Das Prinzip der Einheitlichkeit, Begreifbarkeit und Verkehrssicherheit ist in diesem Kontext sehr theoretisch und spielt in der Realität schon lange keine Rolle mehr. An die in Deutschland schon recht häufigen 4+2- (oder auch 6+2-) Lösungen haben sich die Autofahrer längst gewöhnt. Eine Lärmschutzwand sei bei 4+2 nicht umsetzbar: Das ist zwar auch nur ein formales Argument, aber der Lärmschutz wäre bei 4+2 durch Flüsterasphalt und Tempobegrenzung auf 80 km/h verwirklich. Ein Wegfall der LSW hätte sehr positive Auswirkungen auf die Lebensraumtypen im Mainzer Sand (Mikrolima), die Tempobegrenzung würde der Sicherheit dienen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der durchgängig 6streifige Ausbau keine Tempobegrenzung vorsieht und zu hohen Geschwindigkeiten gegenüber dem Ist-Zustand führt Das Argument „auf der Vorlandbrücke nicht möglich“ stimmt nicht mehr, denn die würde ja auf jeden Fall 6streifig ausgebaut, sodass 4+2 auch dort möglich wäre. Verbleibt das Argument der Unterscheidung auf nur 700 m Länge. Hier wird nur der Abschnitt Mombach – Gonsenheim betrachtet, während es im Prinzip um die komplette Länge der A 643 geht. Beim FFH-Alternativenvergleich seien die Unterschiede sehr gering: Bei dem Argument wird nicht beachtet, dass bei 4+2 die LSW entfällt. Dies hätte erheblichen Einfluss auf den Flächenverbrauch und das Mikroklima wie z.B. die wichtige Windoffenheit. Dass Flächenverluste und Stickstoffeinträge auch bei einer 4+2-Lösung vorhanden sind und die LRT´s belasten, wird nicht bestritten. Allerdings ist hier zu bewerten, dass die 4+2-Lösung bereits ein Kompromiss zwischen dem 6streifigen Vollausbau und der Null-Variante darstellt. Ob die LSW wie dargestellt tatsächlich eine Weniger-Belastung durch Critical Loads bewirkt, wird zumindest vom gesunden Menschenverstand als nicht nachvollziehbar angesehen. Denn die Emissionen sind flüchtige Gase, die sich nicht direkt auf der Autobahnseite ablagern, sondern aufgewirbelt und so oder so im Mainzer Sand landen. Ganz abgesehen davon, dass die Geschwindigkeit bei 4+2 80 km/h beträgt und bei 6 Streifen deutlich über 130 km/h liegt, mit all den zusätzlichen Emissionen wie Lärm und Stickoxiden.

3.3 Überwiegen der zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses (S. 21): „Der Ausbau der A 643 ist unverzichtbar, um die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dauerhaft und nachhaltig zu verbessern bzw. zu sichern“. Diese Generalaussage ist so nicht nachvollziehbar, weil sie auch zutreffen würde, wenn nur die Brücken 6streifig ausgebaut würden. Denn wie bereits mehrfach dargelegt ist die Verkehrsdichte direkt auf den Brücken um mindestens 20.000 Kfz höher als im übrigen Bereich. Bei rund 80.000 Fahrzeugen sind dies relevante 25%. Hinsichtlich der Leichtigkeit ist hier vor allem die Fahrtrichtung Wiesbaden, besser Frankfurt zu betrachten. Denn obwohl es in beiden Fahrtrichtungen um etwa gleich große Verkehrsmengen geht, sind die Staus im morgendlichen Berufsverkehr in Richtung Frankfurt deutlich größer und häufiger als abends bei der Rückabwicklung. Der Grund sind kumulative Effekte durch das Zusammentreffen großer Verkehrsströme im Schiersteiner Kreuz, die dann auf die nur 4streifige A 66 treffen. Es handelt sich um die Verkehre aus dem Rheingau, Wiesbaden, Mainz und Rheinhessen bis Hunsrück, der in Richtung Frankfurt unterwegs ist. Der „naturgemäß“ eintretende Rückstau auf die A 643 wird durch die Zuflüsse AS Äppelallee und vor allem AS Mombach weiter verstärkt. Abends teilt sich der Berufsverkehr am Schiersteiner Kreuz wieder in diese Grobrichtungen auf, sodass dann eine deutlich entspanntere Situation vorherrscht. Sofern nur die Brücken 6streifig ausgebaut würden, träte der gewollte Effekt der „Leichtigkeit“ auch ein. Der Verkehr Hauptrichtung Frankfurt würde im erdgebundenen Teil flüssiger, weil mit Beginn der Vorlandbrücke eine Verbreiterung auf 6 Spuren gegeben wäre. Die Hauptzuflüsse AS Mombach 34

und AS Äppelallee würden wegen der dann 3 Spuren schneller und einfacher abgewickelt, im Schiersteiner Kreuz soll die Zuleitung auf die A 66 künftig zweispurig sein anstatt bisher einspurig. Somit ist davon auszugehen, dass allein durch die neuen Brücken eine erhebliche Staureduktion eintritt. Beim Rückreiseverkehr am Abend in Richtung Bingen kommt es in diesem Fall allerdings zu einer Verringerung der Fahrspuren von 3 auf 2. Dies ist wie oben dargelegt aber bedeutend besser zu verkraften bzw. sogar weitgehend unschädlich, weil sich am Schiersteiner Kreuz ohnehin eine Entzerrung ergibt; bekanntermaßen liegt hier das „Staugeschehen“ viel eher im Bereich der A 66 Bereich (siehe auch aktuelle Situation Salzbachtalbrücke). Es kommt hinzu, dass der zurückflutende Verkehr sich am Dreieck Mainz in Richtung Finthen und Mainz teilt und hier sogar nur jeweils eine Spur zu Verfügung hat. Eine „Spurreduzierung“ ist also ohnehin gegeben. Diese Betrachtung relativiert die nachfolgend zitierte Schlussfolgerung erheblich. „Aus diesem Grund (gemeint ist die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs) hat das Gewicht des Integritätsinteresses (gemeint ist die Naturfunktion bzw. Lebensräume) hinter das Gewicht der für das Vorhaben anzuführenden zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses zurückzutreten“. Das Gewicht der Gründe des öffentlichen Interesses wird nämlich schlagartig geringer, wenn die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auch durch den ausschließlichen Brückenausbau sichergestellt bzw. mindestens annähernd sichergestellt werden kann. Dann überwiegt automatisch die Vermeidung der Beeinträchtigung der Lebensräume, die ja durch den Verzicht auf den erdgebundenen Ausbau nicht mehr gegeben sind.

4.1 Zusammenfassung der erheblichen Beeinträchtigungen (S. 27): Hier wird das Zusammenwirken mit anderen Projekten, etwa den Ausbau des 3. Abschnittes der A 643, angesprochen. An dieser Stelle muss aber wieder darauf hingewiesen werden, dass ein 6streifiger Ausbau der Autobahnen an den beiden Endpunkten der A 643 (das sind die A60 und A 66) eine beträchtliche verkehrliche Zusatzbelastung um knapp 30.000 Kfz/24 h bringt. Es ist zweifelhaft, ob die daraus resultierenden weiteren kumulativen Erhöhungen der Immissionen ausgeglichen werden können. Aussagen dazu fehlen bzw. sind sehr unbestimmt.

4.3 Leitbild und Entwicklungsziele des Maßnahmenkonzepts (S. 29): Bezüglich der Maßnahmen am „Geiersköpfel“: Die Maßnahmen an sich werden in naturschutzfachlicher Hinsicht nicht beanstandet. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Maßnahmenfläche „Geiersköpfel“ direkt an der Autobahn A 60, am Dreieck Mainz, liegt. Die mittlere Entfernung zur Trasse beträgt durchschnittlich kaum 150 m. Die Verkehrsdichte auf der A 60 ist höher als auf der A 643, wird zudem im Dreieck Mainz verstärkt, weil sich dort die Verkehre A 60 und A 643 kumulieren. Die Grundschadstoffbelastung dürfte damit um einiges höher sein als im Mainzer Sand, dessen beeinträchtigte Lebensraumtypen ja hier ausgeglichen werden sollen. Zudem ist ebenfalls ein Ausbau der A 60 zu erwarten, bei dem mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitere Zuflußspur (von jetzt einspurig auf zweispurig) vorgesehen wird und es damit wiederum eine Flächeninanspruchnahme gegen die Ausgleichsflächen geben könnte. Es ist schwer erklärlich, dass Ausgleichsmaßnahmen für ein belastetes Gebiet in einem noch stärker belasteten Gebiet durchgeführt werden sollen. Insofern wäre ein Überdenken zumindest der Örtlichkeit der Geiersköpfel-Maßnahmen sinnvoll.

35

19 – 7 Umweltverträglichkeitsbericht

Allgemein: Im ersten Teil des Umweltverträglichkeitsberichtes (bis Seite 32) wird die Ausgangslage präzise und nachvollziehbar beschrieben. Hervorgehoben wird die grundsätzliche hohe bis teils extrem hohe Bedeutung der „Naturfunktion“ der Gebiete, also deren Lebensraumtypen mit den wertgebenden Arten. Auch die Vorbelastungen durch die vorhandene Autobahn werden ausdrücklich genannt. Umso unverständlicher ist am Ende die Akzeptanz der Ausbaupläne. Dies wird besonders deutlich bei der Beschreibung der Beeinträchtigung der Schutzgüter (ab Seite 33). Es wird sowohl eine hohe Natur-Wertigkeit der Bezugsräume, als auch eine bereits vorhandene hohe Vor- und Grundbelastung konstatiert. Dies kommt auch durch die Einstufung des Erhaltungszustandes aller LRT`s und fast aller Arten mit dem schlechtestmöglichen Wert „C“ zum Ausdruck. Dennoch heißt es, die Zusatzbelastung sei gering und ausgleichbar. Das mag formal möglicherweise nicht falsch sein, richtig ist es dennoch nicht. Eine weitere Belastung der Natur ist nicht hinnehmbar.

Zu 1.1 Begründung des Vorhabens (S. 3): Dass alle Beeinträchtigungen ausgeschöpft seien, wird bestritten. Die Grünbrücke ist zu gering dimensioniert, als dass sie die bestehende Zerschneidungswirkung aufheben könnte. Auch bei der Anlage von Stützwänden und Dammböschungen als ortsuntypischen Landschaftselementen wird verkannt, dass die bestehenden, sandigen Böschungsbereiche wichtige Lebensbereiche mit „Original- Flugsand“ darstellen.

2. Beschreibung der angewandten Methoden, des räumlichen Untersuchungsumfangs und des Zeitpunkts der Ermittlung der Umweltauswirkungen des Vorhabens (S. 8 ff.): Es ist auffallend, dass wichtige Artengruppen überhaupt nicht untersucht wurden, obwohl es sich um nach Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützte Arten (Wildbienen) oder extrem stark gefährdete Arten (Gruppe der Blattfußkrebse) handelt. Alleine deshalb ist die Aussage, dass „alle Hinweise auf Vorkommen naturschutzfachlich bedeutsamer Tiere und Pflanzen (…) ausgewertet (worden wären) (…)“ nicht korrekt. Dies zeigt sich z.B. auch daran, dass das Standardwerk der letzten Jahre, die Monographie zum NSG Mainzer Sand der Rheinisch-Naturforschenden Gesellschaft nicht als ausgewertete Literatur aufgeführt und auch nirgends zitiert ist. Erst nach Hinweisen erfolgte 2018 eine Untersuchung einer einzigen Wildbienenart (Unterlage 19.8.6 Dünen-Steppenbiene durch Gerd Reder). Diese mangelhaften Arterhebungen sind hochproblematisch, da so die Grundlagen für eine Beurteilung der zusätzlichen Trennwirkung (breitere Trasse, zwischen den Naturschutzgebieten stehende, bis 8m hohe Lärmschutzwände) fehlen. Wenn die Arten und Populationen und deren Erhaltungszustände nicht bekannt sind, kann keine rechtlich belastbare Auswirkungsprognose erfolgen. Daher sind die Unterlagen rechtsfehlerhaft.

3.2 Schutzgut Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt (S. 12): In diesem Kapitel werden vor allem die Arten und Lebensräume des Natura 2000-Gebietes behandelt. Rote-Liste-Arten spielen keine große Rolle, sofern sie nicht in den Anhängen von FFH- Richtlinie und Vogelschutzrichtlinie aufgeführt sind. Dies führt u.E. dazu, dass die Wertigkeit des Gebietes im Kontext mit Beeinträchtigungen eher zu niedrig angesetzt und die vorgesehenen Eingriffe als „nicht relevant“ dargestellt werden.

36

Ein Beispiel hierfür ist der Storchschnabel-Bläuling. Er ist zwar keine Anhang-Art, in Rheinland-Pfalz jedoch extrem selten und vom Aussterben bedroht. Aktuelle Situation des Storchschnabel-Bläulings im Mainzer Sand (W. DÜRING et al 2019): Im Mainzer Sand befindet sich das Hauptvorkommen des Storchschnabel-Bläulings ( Eumedia eumedon ) in Rheinland-Pfalz. Daneben existiert nur noch eine kleine Population in Wackernheim. Die Art ist gemäß der Roten Liste für Rheinland-Pfalz mit „Vom Aussterben bedroht“ (Schmidt, 2014) eingestuft. Durch den Bau der A643 wurde in den 60er Jahren ein bis dahin weitgehend intaktes Gebiet komplett zerschnitten und teilweise zerstört. Anschließend war ein dramatischer Rückgang der Falterfauna zu beobachten (Rose, 1988). Durch den geplanten Ausbau der Autobahn A643 wird es wieder zu erheblichen Beeinträchtigungen der verbliebenen Falterfauna und insbesondere des Lebensraums des Eumedon-Bläulings im Mainzer Sand kommen. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Beeinträchtigungen des Bestandes dieses seltenen Bläulings. Die Bestände variieren von Jahr zu Jahr erheblich. Im Jahr 2017 wurden noch zufriedenstellende Bestände gesichtet. In den letzten beiden Jahren (2018 und 2019) waren die Bestände extrem niedrig. Von den wenigen beobachteten Tieren wiesen einige Individuen Defekte an den Flügeln auf. Deshalb ist die Situation des Bläulings im Mainzer Sand zurzeit als sehr kritisch anzusehen. Die folgende Karte ist eine Zusammenstellung von fast allen in der Region ansässigen Lepidopterologen, die den Bläuling in den letzten Jahren (2000 bis 2019) im Mainzer Sand beobachtet haben. Es handelt sich um eine Zusammenfassung von Beobachtungen und nicht um ein systematisches Gutachten.

Abbildung 3 Übersicht über die Region, in denen der Bläuling in den letzten Jahren (2000 bis 2019) im Mainzer Sand beobachtet wurde 37

Im Rahmen des Umweltgutachtens zum Ausbau der A643 wurde nur sehr oberflächlich auf den Storchschnabel-Bläuling eingegangen. Es wäre deshalb aus unserer Sicht erforderlich, ein detaillierteres Gutachten der Situation des Bläulings im Mainzer Sand vor Beginn der Bautätigkeiten erstellen zu lassen. Zu erwartende Beeinträchtigungen gemäß aktueller Planung: Im Bereich „1“, dem Kernlebensraum des Bläulings, reicht das Habitat mit Storchschnabel-Beständen bis an die heutige Böschung der Autobahn. Jede Beeinträchtigung dieses Kernlebensraums ist elementar für das Überleben des Bläulings im Mainzer Sand. Durch die Erweiterung der Fahrbahn wird der Streifen direkt neben der heutigen Autobahn gemäß den vorliegenden Plänen als Lebensraum entfallen. Der Bau der Grünbrücke nördlich, direkt neben der Fußgängerbrücke wird wahrscheinlich während der Bauphase zu weiteren Beeinträchtigungen führen, da auch der Bereich nördlich, direkt neben der Fußgängerbrücke zum heutigen Kernlebensraum „1“ des Bläulings gehört. Insbesondere wird vermutet, dass durch die geplante neue Wegführung hier mit Beeinträchtigungen durch Fahrtätigkeiten zu rechnen ist. Durch solche Fahrtätigkeit könnte auch der Lebensraum „4“ beeinträchtigt werden. In den Bereichen „2“ und „3“ reicht der Lebensraum nicht bis unmittelbar an die Autobahn. Hier wird die Situation etwas entspannter eingeschätzt. Im Bereich „6“ wurden nur einzelne Falter gesichtet. Dieser Bereich ist für den Bläuling kein Kernbereich. Dieser Bereich könnte aber nach den Plänen durch Fahrtätigkeiten zu der dort geplanten Versickerungsmulde beeinträchtigt werden. Im Bereich „7“ ist mit einer weitreichenden Beeinträchtigung der Fläche zu rechnen. Dieser Bereich grenzt an den Kernlebensraum „1“. Er ist zwar eine Ausweichfläche für den Bläuling, aber als Verkehrsinsel in schwieriger Lage und deshalb eher von nicht höchster Priorität einzuschätzen. Mögliche Vorschläge für Planänderungen zur Minimierung der Beeinträchtigung: Im Kernlebensraum „1“ muss mit höchster Priorität jede Beeinträchtigung vermieden werden. Die Grünbrücke könnte um 10 bis 20 m in Richtung Norden (Wiesbaden) verschoben werden. Fahrtätigkeiten sollten während der Bauphase und danach auf der westlichen (Budenheimer) Seite im und um den Kernlebensbereich „1“ möglichst komplett unterbleiben. Die geplante Wegführung sollte in dem Bereich der Fußgängerbrücke minimal ausfallen. Fahrtätigkeiten müssen hier während der Bauphase und danach ebenso möglichst unterbleiben. Fahrtätigkeiten zur Versickerungsmulde durch das Gebiet „6“ sollten komplett vermieden werden. Alle Storchschnabelbestände, die während der Bauphase erheblich oder dauerhaft beeinträchtigt werden, sollten unbedingt vorher abgetragen werden und an geeigneter Stelle wieder aufgebracht werden. Da von einer erheblichen Beeinträchtigung des Lebensraumes des Bläulings auszugehen ist, sollten entsprechende Ausgleichsmaßnahmen erfolgen. Diese Ausgleichsmaßnahmen müssten bereits lange (möglichst > 1 Jahr) vor den geplanten Baumaßnahmen an der Autobahn beginnen. Art der notwendigen Ausgleichsmaßnahmen für den Bläuling: Eine Umsiedlung der Art ist faktisch unmöglich. Möglich wäre wohl einzig die Einrichtung neuer, möglichst angrenzender Ersatzlebensräume. Diese Lebensräume sollten offene, an Wald angrenzende Sandrasen mit Storchschnabelbeständen sein. Für solche neu zu schaffenden Ersatzlebensräume bieten sich Flächen im Bereich der ehemaligen Dünen zwischen Mainz und Ingelheim an. Damit könnte auch eine Vernetzung mittels Trittsteinbiotopen zwischen den heutigen Lebensräumen des Bläulings im Mainzer Sand und in Wackernheim geschaffen werden. Nur so wäre wohl ein Aussterben des Bläulings in Rheinland-Pfalz langfristig zu verhindern. 38

Nachdem ausreichend Storchschnabelbestände auf diesen Flächen angelegt worden sind, könnten verpaarte Weibchen aus den heutigen Habitaten auf diesen Flächen eingebracht werden. Dies könnte dann mittelfristig zu neuen Teilbeständen des Bläulings führen. Alle Storchschnabelbestände, die durch den Autobahnbau zerstört werden, sollten vorsichtig abgetragen werden und an anderer geeigneter Stelle, z.B. auf oben beschriebenen Flächen, wieder aufgebracht werden. Wenn dies im Herbst geschieht, könnten eventuell sogar im Bestand ruhende Jungraupen die Umpflanzung überstehen. Neben dem Eumedon-Bläuling leben im Mainzer Sand auch eine ganze Reihe von pontischen Pflanzenarten, die ebenso Anspruch auf ein Dasein haben. Es ist nicht weiter zu verantworten, dass der seit 100 Jahren andauernde Lebensraumschwund weiter bereitwillig in Kauf genommen wird. Ein solcher Eingriff in die Natur, wie er beim Ausbau der A643 geschehen wird, muss mit kompensierenden Maßnahmen einhergehen, die besonders den wertgebenden Arten des Mainzer Sands eine mögliche Zukunft gewährleisten. Die Schaffung neuen Lebensraums ist also unabdingbar." Hinweis: Autorenverzeichnis und Literaturverzeichnis aus Platzgründen entfernt. Beitrag ist auf der Internetseite des BUND Rheinland-Pfalz abrufbar (https://www.bund-rlp.de/themen/tiere- pflanzen/schmetterlinge/artenportraets-der-tagfalter/ ).

3.2.1.2 Tiere (S. 17 und 22): In der Beschreibung der Habitatausstattung der Avizönose und der wertgebenden Arten der Bezugsräume Mombacher Ober- und Unterfeld sowie Mainzer Sand beide Teile fehlen, wie bereits in unseren Aussagen zum Fachbeitrag „Artenschutz“ dargestellt, einige Arten. Es handelt sich um Ziegenmelker, Schwarzspecht, Heidelerche, Neuntöter, Grauspecht und Baumfalke.

3.2.2.1 Pflanzen (S. 18): Der oben bei Kapitel 2 festgestellte Mangel einer fehlenden Berücksichtigung des Standardwerks zum Mainzer Sand (Monographie Mainzer Sand) setzt sich fort beim Fehlen der besonderen Charakterart des Mainzer Sandes welche bundesweit nur hier vorkommt: Sand-Lotwurz ( Onosma arenaria ). Der wissenschaftliche Name der Violetten Schwarzwurzel lautet Sorzonera purpurea und nicht S. humilis .

3.2.2.2 Tiere (S. 22): Das Fehlen von Arten der Offenland-Avizönosen wird zwar festgestellt, jedoch nicht fachlich bewertet. Dies stellt einen fachlichen Mangel der Gutachten dar, da es ein Beleg für die bereits heute bestehende, erhebliche Vorbelastung des Schutzgebietes Mainzer Sand I und II darstellt. Diese starke Vorbelastung ist bei der Ermittlung zusätzlicher Belastungen im Raum (erhebliche Verbreiterung der Autobahn und Installation trennender Lärmschutzwände) und bei der Beurteilung des Erhaltungszustandes der Arten und Populationen zwingend auszuwerten. Ohne diese Aussagen ist eine rechtsfehlerfreie Auswirkungsprognose des Vorhabens nicht möglich.

Auch hier wird deutlich, dass die aktuelle Literatur zum Gebiet nur sehr oberflächlich ausgewertet wurde.

Amphibien (S. 23): Aus Sicht des Artenschutzes besonders bedeutsam sind die temporären Gewässer im Vorhabengebiet. Hier wurde nur ein Vorkommen der Kreuzkröte beschrieben. Nicht erkannt wurde die Bedeutung der Flächen als Lebensraum für Wechselkröte und eine extrem seltene Blattfußkrebsart. 39

Dünen-Steppenbiene (S. 24) Dünen-Steppenbiene: Es ist fragwürdig, warum kein Untersuchungserlaubnis für das Schutzgebiet Mainzer Sand beantragt wurde. Aussagen lediglich entlang der Besucherwege sagen nichts über die zur berücksichtigende Population bzw. deren Erhaltungszustand aus.

3.2.3 Schutzgebiete und –objekte (S. 23): Hier fällt eine falsche Gesetzesbezeichnung auf (gesetzlich geschützte Biotope gemäß § 28 (3) LNatSchG). Dies könnte darauf hinweisen, dass beim UVP-Bericht nur das Datum des Deckblattes angepasst wurde, nicht aber die geltenden, gesetzlichen Grundlagen aktualisiert. Die korrekte Bezeichnung ist: Biotope gemäß § 30 BNatSchG. Des Weiteren fehlt bei den Schutzgebieten die Angabe der pauschal geschützten Binnendünen nach § 15 LNatSchG bzw. § 30 BNatSchG.

3.3.2. Schutzgut Boden (3.3.2 Bezugsraum „Mainzer Sand“) (S. 26): Zur Ermittlung der Minimierung des Eingriffs wäre hier eine detaillierte Betrachtung der Bodenfunktionen bzw. der Vorbelastungen wichtig. Es ist anzunehmen, dass die westlich der A643 gelegenen Bereiche infolge der jahrzehntelangen militärischen Nutzung eine deutlich höhere Vorbelastung aufweisen als die lediglich beim Bau der A643 angeschnittenen Dünenabschnitte des NSG Mainzer Sand I. Ohne diese Untersuchung und Bewertung ist keine fachlich gebotene Minimierung des Eingriffs durchführbar. Hier fehlen wichtige Beurteilungsgrundlagen für die Festlegung des Ausbauortes.

3.4.2 Bezugsraum „Mainzer Sand“ (Grundwasser) (S. 28): Hier werden nur Allgemeinplätze angeführt. Es ist aber zu prüfen, ob es durch den geplanten Ausbau nicht zu erneuten Eingriffen in das Grundwasser und damit in die abiotischen Standortfaktoren kommt wie bereits beim Bau der A643. Ohne Grundlagenermittlung ist keine Auswirkungsprognose möglich.

4.1 Wirkfaktoren (S. 34 ) Im Gegensatz zu den Autoren des UVP-Berichtes widersprechen wir deren Einschätzung, dass die betriebsbedingten Auswirkungen lediglich im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung relevant wären. Betriebsbedingte Auswirkungen sind sehr wohl auch im Rahmen der Eingriffsregelung zu beachten. Als solche ist hier zu nennen insbesondere der erhöhte Eintrag von Stickstoff.

4.3.2 Bezugsraum „Mainzer Sand“ (anlagebedingt) (S. 38) und Tabelle 4.3.4 (S. 40): Hier kommen die Planer zu einer unzulässigen Schlussfolgerung: Gerade durch die bereits bestehenden starken Vorbelastungen sind die zusätzlichen Flächenverluste des siedlungsnahen Freiraums und der noch weiter eingeschränkten Sichtbeziehungen durch die neuen Lärmschutzwände als erhebliche Beeinträchtigung einzustufen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Beeinträchtigungen des Freiraums und der Sichtbeziehungen im Landschaftsschutzgebiet liegen und daher ein besonders hohes Schutzbedürfnis vorliegt und zu beachten ist. Hier liegt planungssystematisch ein Bewertungsfehler vor.

4.4 Schutzgut Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt (S. 40) Entgegen der Aussagen der Planer kommt es durch das Vorhaben neben Anlage- und baubedingten Verlusten auch zu betriebsbedingten Beeinträchtigungen infolge der Änderungen der 40

Windverhältnisse sowie durch den zusätzlichen Eintrag von Stickstoff in das Gebiet des Mainzer Sandes. Zu beachten ist auch, dass die von den Planern beschriebene Situation der bereits derzeit durch Gehölze beschatteten Autobahnränder durch Pflegemaßnahmen sehr leicht in einen für die Lebensgemeinschaften des Mainzer Sandes deutlich besseren Zustand überführt werden kann. Entsprechende Umsetzungspläne gibt es schon. Dies wird durch die anlagebedingten Verluste dort dauerhaft unmöglich gemacht. Das hervorragende Potenzial, welches für eine weitere Vernetzung der beiden Mainzer Sand-Teile wichtig ist, wird dauerhaft genommen. Unbelegt ist die Aussage der Planer auf S. 42, dass durch die Lärmschutzwände die anemochore Verbreitung der Pflanzen nur geringfügig beeinträchtigt wäre. Gerade bei den Pflanzen der Offenland-Lebensräume (gerade auch der prioritären FFH-Art Sand-Silberscharte) spielt die anemochore Verbreitung eine wichtige Rolle. Hier fehlen Angaben, welche Arten eine Beeinträchtigung erfahren und wie stark diese ist. Einfach die Behauptung aufzustellen, die Verbreitung würde „nur geringfügig beeinträchtigt“ erfüllt nicht die Kriterien einer ordnungsgemäßen Situationserhebung und Bewertung. Als unbelegte Behauptung ist sie unbrauchbar und stellt daher aus unserer Sicht einen weiteren Planungsfehler dar.

4.4.2 Tiere (S. 42): Hier wird lediglich der Funktionsverlust von bedeutenden Habitatfunktionen durch Erhöhung der Zerschneidung/Barrierewirkung durch Lärmschutzwände aufgeführt. Über diese hinaus kommt es vor allem durch die deutliche Verbreiterung der Autobahn zu einer erheblichen Verstärkung der bereits bestehenden Lebensraumzerschneidung und der Barrierewirkung. Die Nichtbeachtung dieser für das Vorhaben ganz essentiellen Wirkung stellt einen erheblichen Planungsmangel dar. Es sind bei einem Ausbau (d.h. Verbreiterung) der Autobahn zwingend die bau-, anlage- und betriebsbedingten Auswirkungen zu ermitteln. Dies ist im vorliegenden Fall unterblieben. Es fehlen Angaben darüber, welche Arten bisher noch zwischen den beiden Naturschutzgebietsteilen (Mainzer Sand I und II) einen Austausch haben und welche durch den Ausbau beeinträchtigt werden. Hier sind qualitative und quantitative Aussagen unerlässlich. Zu untersuchende Gruppen sind insbesondere Laufkäfer, Wanzen, Zikaden, Tag- und Nachtfalter, Widderchen und Wildbienen.

4.4.2.2 Bezugsraum „Mainzer Sand“ (S. 43): Auch hier wird lediglich eine Erhöhung der Zerschneidungswirkung der vorhandenen Trasse auf Vorkommen von Amphibien, Reptilien, Tagfalter und Widderchen sowie Heuschrecken in den beiden Gebietsteilen des Mainzer Sandes durch die geplanten Lärmschutzwände ausgeschlossen. Keine Aussage wird gemacht zu der Erhöhung der Zerschneidungs- und Barrierewirkung durch den Ausbau der Autobahn (d.h. die wesentliche und erhebliche Verbreiterung! der Autobahn). Auch hier wird lediglich ohne Beleg von einer bereits bestehenden annähernd 100 %igen Barriere gesprochen. Es ist durchaus anzunehmen, dass z. B. Tagfalter und Widderchen zwischen den beiden Naturschutzgebietsteilen Mainzer Sand I und II unterwegs sind und ein wichtiger genetischer Austausch der Teilpopulationen erfolgt. Eine Autobahn mitten im Naturschutzgebiet erheblich auszubauen und dann die Auswirkungen auf die Tierwelt nur durch Mutmaßungen zu beschreiben stellt einen weiteren, gravierenden Planungsfehler dar. Wir vermissen wissensbasierte Aussagen zu der aktuellen Bestandsituation bei den Artengruppen: Laufkäfer, Wanzen, Zikaden, Tag- und Nachtfalter, Widderchen und Wildbienen (nach Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützte Gruppe). Weiterhin muss zur belastbaren Eingriffsbewertung der aktuell bestehende Austausch zwischen den Teilgebieten des Naturschutzgebietes Mainzer Sand erhoben und bewertet werden und im Anschluss die Auswirkungen der Autobahnverbreiterung (Bau-, anlage- und betriebsbedingten Wirkungen) sowie des Baus der die Lebensräume massiv trennenden Lärmschutzwände auf die Arten ermittelt und beschrieben werden. Erst nach Vorlage dieser Planungsgrundlagen kann die Frage der 41

Zulässigkeit des Eingriffs gemäß Bundesnaturschutzgesetz geprüft werden. Dies gilt ebenso für die Frage der Umweltverträglichkeit des Vorhabens. Es fehlen in Gänze die betriebsbedingten Auswirkungen einer gegenüber heute deutlich verbreiterten Autobahn insbesondere durch die eintretende Verschlechterung infolge Barrierewirkung und deutlich erhöhten Tötungsverlusten bei zahlreichen Tierarten beim Versuch die Autobahn zu überqueren bzw. zu überfliegen. Auch die Auswirkungen durch den Bau und den Betrieb der Lärmschutzwände werden von uns kritisch gesehen. So werden in dem in besonderem Maß vom Wind geprägten Lebensraum (Kalkflugsand-Düne) die Änderung der Windverhältnisse sowie des Mikroklimas durch die Lärmschutzwände nicht ausreichend untersucht und die Auswirkungen dargelegt. Nochmals kritisieren wir, dass wesentliche Arten und Artengruppen (s.o.) auch der besonders geschützten Wildbienen nicht untersucht und bewertet wurden. (Die Untersuchung der Einzelart: Dünen-Steppenbiene erfolgte erst im Nachgang zu den Hauptuntersuchungen und stellt keinen Beleg für eine systematische Erhebung der planungsrelevanten Arten und Artengruppen dar).

4.4.4 Natura 2000 (S. 47): Erhebliche Beeinträchtigungen auf charakteristische Arten der Lebensraumtypen werden laut Aussagen der Planer ausgeschlossen. Da (s.o.) Mängel bei der Grundlagenermittlung (Fehlen wichtiger Arten- und Artengruppen) vorliegen, besonders geschützter Tierarten (Wildbienen) nicht berücksichtigt wurden sowie der Negierung betriebsbedingter, erheblicher Beeinträchtigungen durch den Ausbau- und Betrieb der künftig wesentlich breiteren Autobahn können wir diese optimistische Einschätzung der Planer nicht teilen und vermissen einen Nachweis und Beleg für die Richtigkeit deren Aussage. Nach unserer Einschätzung fehlen daher die Grundlagen für diese Aussage. Deshalb werten wir diese als rechtsfehlerhaft und stellen dies als weiteren Planungsfehler fest.

4.4.5 Zusammenfassung (S. 48): Hier wird auch in der Zusammenfassung angegeben, dass beim Schutzgut „Pflanzen“ durch die teilweise 8m hohen Lärmschutzwände keine Einschränkung der Anemochorie (Windverbreitung) vorliegt. Beim Schutzgut „Tiere“ fehlen die betriebsbedingten Beeinträchtigungen durch die erhebliche Erhöhung der Zerschneidungs- und Barrierewirkung infolge des massiven Ausbaus und der Verbreiterung der Autobahn. Die Verstärkung der Trennwirkung durch den Bau der durchgehenden Lärmschutzwände wird nicht benannt, während eine anlagebedingte Habitatvernetzung durch die (nur ca. 50m breite) Grünbrücke als positive Wirkung des Vorhabens angeführt wird. Hier werden wichtige Wirkfaktoren und Beeinträchtigungen weggelassen, während einzelne, positive Wirkungen überbetont werden. Dies ist keine Grundlage für eine fachgerechte Entscheidung, sondern stellt einen weiteren Planungsmangel dar.

4.8 Landschaftsbild (S. 55 ff.): Die starken Eingriffe und Verschlechterungen im Landschaftsbild durch den Bau einer zweiten Brücke werden in unzulässiger Weise als unerheblich eingestuft. Immerhin findet der Bau der zweiten Brücke im Landschaftsschutzgebiet statt, welches die Eigenheit und Schönheit der Landschaft sichern und erhalten soll. Hier erwarten wir eine objektive Darstellung und keine Überstrapazierung der sicherlich im Raum vorhandenen Vorbelastung. Auch der Eingriff in das Landschaftsbild der bundesweit extrem seltenen Flugsanddüne durch die Verbreiterung der Autobahn und die 8m hohe Lärmschutzwand im Landschaftsschutzgebiet wird lediglich als „weitere Überformung“ beschrieben.

42

6. Beschreibung der geplanten Maßnahmen, mit denen erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzgüter ausgeglichen werden (S. 60): Da weiter oben ausführlich angeführt wird, dass die Grundlagenermittlungen unzureichend sowie die Auswirkungsanalyse fehlerhaft ist sind folglich auch die vorgestellten Maßnahmen nicht ausreichend.

6.2 Maßnahmenraum Mainzer Sand (S. 61): Die ca. 50 m breite Grünbrücke ist prinzipiell ein richtiger Ansatz. Zur Kompensation der Zerschneidungswirkung der A 643 (erhebliche Verbreiterung und Errichtung von trennenden Lärmschutzwänden) sowie zur Kompensation der Eingriffe in das Landschaftsschutzgebiet müsste diese Grünbrücke auf einen Bereich von 500-600 m ausgedehnt werden.

6.4 Maßnahmenraum Lennebergwald (S. 62) Infolge des massiven Kiefernsterbens aufgrund des Klimawandels wird die Maßnahme nicht wie geplant stattfinden können. Derzeit sterben die Kiefern im Gebiet flächig ab.

8 Allgemein verständliche, nichttechnische Zusammenfassung (S. 74 ff.): Hier wird durch den Antragsteller selbst ausgeführt, dass bestehende Barrierewirkungen durch die A 643 verstärkt werden können, aber die Grünbrücke diese Beeinträchtigungen minimieren würde. Diese Verstärkung (und damit erhebliche Verschlechterung und Beeinträchtigung) der Barrierewirkungen wurden von uns oben ausführlich kritisiert. Aufgrund der bundesweiten Bedeutung des Mainzer Sandes halten wir eine weitere Beeinträchtigung für absolut ausgeschlossen. Falls dennoch am Ausbau der A 643 festgehalten werden sollte, müsste als Kompensation durch den Bau einer Querungshilfe mit einer Breite von 500-600m die negative Zerschneidung und Barrierefunktion durch die A 643 kompensiert werden.

19 – 8 Faunistisches Gutachten

Allgemeines: Ein grundsätzlicher und erheblicher Mangel des faunistischen Gutachtens besteht darin, dass eine Auswertung bisheriger publizierter Ergebnisse fehlt. Insbesondere muss hier bemängelt werden, dass auch hier die von Spezialisten erarbeitete und bereits in dem Kapitel zu 19-1 erwähnte Gebietsmonographie („Der Mainzer Sand – Beiträge zur Monographie des Naturschutzgebietes Mainzer Sand und seiner näheren Umgebung“) überhaupt nicht berücksichtigt ist.

Im Gegensatz zur recht umfassend dargestellten Vogelwelt beschränkt sich das faunistische Gutachten unverständlicherweise lediglich auf die weiteren Gruppen Reptilien, Amphibien, Tagfalter und Heuschrecken. Die oben genannte (im faunistischen Gutachten als Quelle nicht berücksichtigte) Gebietsmonographie belegt die auch im internationalen Kontext hohe Bedeutung des Gebietes; zu diesem Zweck stellt sie – weit detaillierter als das Faunagutachten – umfangreiche Artenlisten z. B. zu folgenden weiteren Gruppen zur Verfügung:

Schnecken (26 Arten) Regenwürmer (3 Arten) Weberknechte (12 Arten) Geradflügler (neben Heuschrecken auch Ohrwürmer und Schaben, insgesamt 26 Arten) 43

Wanzen (280 Arten) Zikaden (163 Arten) Stechimmen (317 Arten, davon 129 Grabwespenarten und 115 Bienenarten) Käfer (620 Arten, davon 113 Rote-Liste-Arten)

Zudem sind - im Gegensatz zum Faunagutachten – in der Gebietsmonographie folgende Gruppen bearbeitet:

Pilze (138 Arten) Flechten (16 Arten) Moose (35 Arten) Farn- und Blütenpflanzen (257 Arten, davon 43 Rote-Liste-Arten)

Für eine adäquate Einschätzung der Gebietsbedeutung hätte man zumindest eine Erhebung von Käfer-, Wanzen- und Stechimmenfauna erwarten dürften. Selbst bei den wenigen im faunistischen Gutachten untersuchten Gruppen fallen die Untersuchungsergebnisse gegenüber der Gebietsmonographie von 1987 schwach aus. So fehlen bei den Amphibien nicht nur Hinweise auf historische Vorkommen, sondern auch der rezent nachgewiesene Grasfrosch ( Rana temporaria ). Ähnliches gilt für die Reptilien, wo die Blindschleiche ( Anguis fragilis ) ebenso ohne Nachweis bleibt wie die erst kürzlich von Gerd Reder nachgewiesene und fotografisch belegte Äskulapnatter ( Zamenis longissimus ). Letztere ist auch durch ein Belegexemplar nachgewiesen, das sich in der Landessammlung der Naturhistorischen Museums Mainz befindet. Die Liste der Tagfalter beschränkt sich im faunistischen Gutachten auf nur 23 Arten, wohingegen die Gebietsmonographie 42 Arten nachweist und zusätzlich darauf hinweist, dass um 1900 hier 77 Arten festgestellt sind. Das faunistische Gutachten gibt eine Liste von 19 nachgewiesenen Heuschreckenarten wieder, während die Gebietsmonographie 23 Arten kennt (hier siehe auch Beitrag „Storchschnabel-Bläuling“ zu 19-7 Umweltverträglichkeitsbericht S. 12).

Insgesamt beschreibt das faunistische Gutachten damit die wertgebenden Bestände nur sehr unvollständig. Mit der Beschränkung auf eine sehr schmale Auswahl der untersuchten Artengruppen ist das Fehlen hochbedeutsamer Gruppen verbunden, was zwangsläufig zu einer fatalen Unterinterpretation der Gesamtbedeutung des Gebietes führt. Elementar wichtige Bedeutungskriterien bleiben im faunistische Gutachten bleiben somit völlig unberücksichtigt. Dies ist ein schweres fachliches Versäumnis, da ohne die Ergebnisse der Monographie die extrem hohe Bedeutung des Gebietes nicht dargestellt werden kann. Damit fehlen dem faunistischen Gutachten zur Gesamtbewertung die wichtigsten Grundlagen.

Zu 19.8.1 Avifaunistisches Gutachten

Allgemein: Das Avifaunistische Gutachten erscheint von den Befunden her zufriedenstellend dargestellt. Das Gebiet wird zu Recht als sehr artenreich genannt und als hochwertiger avifaunistischer Lebensraum eingestuft. In der Gesamt-Bewertung ist allerdings auf das Verschlechterungsverbot der Vogelschutzrichtlinie hinzuweisen, welches u. E. eine Planungsrealisierung ausschließt. Denn nicht zuletzt befindet sich im Gebiet eine Fülle von Arten des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie, deren Vorkommen rechtlich 44

nicht nur einer Verschlechterung den Riegel vorschieben muss, sondern sogar zur Gebietsoptimierung verpflichtet. Ungeachtet dessen liegt die herausragende faunistische Bedeutung des Gebietes aber noch stärker im Bereich der Insektenvorkommen (siehe unten zu 19.8.3)

Tabelle 2 (S.) und 3.3 Kurzcharakteristik einzelner wertgebender Brutvogelarten (S. 11 ff.): In der Liste der wertgebenden Arten des Untersuchungsgebietes und der nachfolgenden Steckbriefe fehlen auf jeden Fall die Vogelarten Schwarzspecht, Neuntöter und Heidelerche, teilweise auch Baumfalke. Dieser Mangelhinweis gilt für alle weiteren Abschnitte und Tabellen des Kapitels. Tabelle 3 (S. 17): Auch hier fehlen die vorgenannten Arten. Eine Hineinnahme in die Bewertung würde das Ergebnis der Ausstattung des Untersuchungsraums als „ohne jeden Zweifel als sehr artenreich einzustufen“ (S. 15) noch erheblich unterstreichen.

3.4.2 Lennebergwald (S. 18): Die Aussage, die Gebiete mit „hoher avifaunistischer Wertigkeit“ im Lennebergwald lägen weiter entfernt von der Autobahn, ist zu bestreiten. Der Neuntöter wurde dabei offensichtlich nicht betrachtet, der Schwarzspecht auch nicht. Davon abgesehen sind Waldränder und Übergangsbereiche zum Offenland besonders wertvolle avifaunistische Bereiche. Die sind nahe der Autobahn besonders häufig vorhanden.

Seiten 18 und 19: Die Beschreibung der Avizönose des Mainzer Sandes wird von unserer Seite sozusagen „dick unterstrichen“. Zusätzlich müssten noch die Arten Heidelerche und Neuntöter genannt werden, die beide dort vorkommen und bisher nicht berücksichtigt sind. Ähnlich wie beim Wiedehopf findet der Neuntöter mit dem häufigen Vorkommen von Käfern, Spinnen und Insekten ein optimales Nahrungshabitat.

3.6 Auswertung externer Datenquellen (S. 28 ff.): Der Abdruck der Erfassungslisten des Ornithologen H.G. FOLZ ist sehr zu begrüßen. Daraus ist ersichtlich, dass unsere Angaben zum Fehlen einiger Vogelarten stimmig sind.

8. Zusammenfassung (S. 68): Insgesamt wurden 88 Brutvogelarten, darunter 77 auch mit Brutrevieren, erfasst. Unter diesen befinden sich 20 landes- und/oder bundesweit gefährdete Brutvogelarten der Roten Listen. Besonders herauszustellen sind die Nachweise der vom Aussterben bedrohten Heidelerche ( Lullula arborea ) sowie der stark gefährdeten Arten Wiedehopf ( Upupa epops ) und Baumfalke ( Falco subbuteo ). Insgesamt handelt sich um ein sehr artenreiches Gebiet, welches für einige Arten (z.B. Heidelerche, Wiedehopf) eine überregionale Bedeutung, für andere Arten (z.B. Baumfalke, Schwarzspecht) eine regionale und für zahlreiche weitere Arten lokale Bedeutung als Vogelbrutgebiet besitzt. Avifaunistisch hochwertige Flächen verteilen sich mosaikartig vernetzt nahezu über das gesamte Untersuchungsgebiet.

Zu 19.8.2 Fledermauskundliche Spezialuntersuchungen im Rahmen der UVS

Allgemein: Das methodische Vorgehen zur Erfassung der Artgruppe der Fledermäuse erscheint zunächst angemessen, wenn es auch auffällt, dass die Ergebnisse stark von den Untersuchungen entlang des 45

Rheins geprägt sind, die für das hier vorliegende Planungsvorhaben von untergeordneter Bedeutung sind. Dem Bereich des anstehenden Erdausbaus werden in beiden Kartierungen (Simon&Wittig 2007; Simon&Wittig 2015) lokal eine sehr hohe und regional eine hohe Bedeutung als Lebensraum zugesprochen (z.B. Simon&Wittig 2015, Seite 8). Unseres Erachtens zeigen sich aber gerade bei der Untersuchung des Teilstücks im Bereich des Mainzer Sandes Mängel in der Kartierung. In der Ursprungskartierung (Simon&Wittig 2007) wird auf Seite 13 Folgendes festgestellt: "Im Bereich des Mainzer Sandes und des Lenneberg Waldes (sic) wurden vereinzelt Tiere beim Überfliegen der A 643 beobachtet. Die genaue Flughöhe der Tiere war aufgrund der Lichtverhältnisse zumeist nicht feststellbar. Die Tiere flogen jedoch offenkundig in der Einschnittslage über dem Verkehrsraum." (Hervorhebung Verfasser). Zudem werden in der Folgekartierung an zwei Stellen (FR 3 und FR5) Flugrouten von mittlerer Bedeutung über die Trasse konstatiert. Es zeigt sich, dass es geboten gewesen wäre, im Bereich des Mainzer Sandes ebenfalls einen Netzfangstandort zu positionieren. In der Untersuchung wird zudem nicht diskutiert, welche Auswirkung (insbesondere Zerschneidung) die geplante LSW auf das Jagdverhalten der festgestellten Fledermausarten hat und damit die Nutzung Gebietes als Jagdrevier beeinträchtigt wird. Dies gilt es nachzuliefern.

Zu 19.8.3 Faunabericht

6 Heuschrecken (S. 12):

Als Beispiel für die Schädlichkeit des Ausbaus und auch der Lärmschutzwand sei hier die folgende Aussage zu den Heuschreckenarten zitiert: „Die standorttypische Heuschreckenfauna des Bezugsraums Mainzer Sand ist insbesondere gegenüber den anlagebedingten Verlusten der Sandmagerrasenflächen hoch empfindlich. Zu einer Degradierung solcher Habitate würde auch eine umfangreiche Verschattung beitragen“.

Zu 19.8.4 Erfassung der Fledermäuse, Amphibien und Reptilien - Aktualisierung der Datengrundlagen

Dazu siehe unsere Anmerkungen bei 19.8.2 „Fledermauskundliche Untersuchung“.

Zu 19.8.5 Erfassung Brutvögel im Jahr 2015 - Aktualisierung der Datengrundlagen

Allgemein: Die zur Erhebung aktueller Daten zur Brutvogelwelt 2015 unternommenen vier Begehungen erscheinen insgesamt zwar als überwiegend hinreichend, aber zur Beurteilung des Brutstatus‘ einzelner wertgebender Arten als eher zu gering. Insbesondere die Einschätzung einer ab Mitte Mai festgestellten anhaltend singenden Heidelerche als unverpaartes Männchen bleibt fraglich, da diese Art Mitte Mai bei uns gelegentlich Zweitbruten anlegt (siehe entsprechendes Artkapitel in GNOR- Avifauna „Die Vogelwelt von Rheinland-Pfalz“, Band 4.1), so dass eine Brut nicht definitiv ausgeschlossen werden kann. Zusätzlich kann bei der geringen Begehungsfrequenz auch nicht 46

ausgeschlossen werden, dass einzelne wertgebende Arten wie z. B. die Anhang-I-Arten Wespenbussard, Grauspecht, Mittelspecht und Schwarzspecht übersehen wurden, die ja in früheren Untersuchungsjahren präsent waren. Nicht genannt ist auch der Baumfalke, der sowohl im Mainzer Sand als auch im Lennebergwald gesichtet wurde (Schmolz). In der Tabelle 25 „Kartiereinheiten für den rheinland-pfälzischen Teil fehlt der Baumfalke und wird daher auch nicht bewertet. Ebenso fehlt der Baumfalke im Faunagutachten, speziell Mombach-Gonsenheim (2009), unter 2.2 Ergebnisse und in der Tabelle; außerdem im Landschaftspflegerischen Begleitplan (19-1) und im Fachbeitrag Artenschutz (19-2). Ebenso gilt dies für den Schwarzspecht und den Ziegenmelker. Dies führt dazu, dass diese Arten nicht in die Bewertungen eingehen, was als schwerer Mangel zu bezeichnen ist. Nachfolgen der Beleg zum Baumfalken siehe nachfolgende Screenshots M. Schmolz (Ornithologe):

47

48

Abbildung 4 Belege Vorkommen Baumfalke (Screenshots von M. Schmolz von der Seite des Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) e.V.)

19.8.6 Erfassung der Dünen-Steppenbiene – Nomioides minutissimus (ROSSI)

Allgemein: Hier wird - was positiv hervorzuheben ist - das hochbedeutsame aktuelle Vorkommen der Dünen- Steppenbiene (Gerd Reder) dargestellt. Für eine adäquate Beschreibung der Bedeutung des Gebietes wäre aber die Bearbeitung weiterer Insektengruppen durch Spezialisten unabdingbar gewesen. Gerade die Stechimmenfauna (Aculeata) enthält wie auch die Käfer- und die Wanzenfauna zahlreiche auf den Lebensraum spezialisierte Arten, deren Dokumentation für eine Darstellung der Gesamtbedeutung unerlässlich ist. Dies gilt unabhängig von den in den europäischen Regelwerken FFH-Richtlinie und Vogelschutzrichtlinie sowie Anhängen aufgeführten Lebensraumtypen und deren wertgebenden Arten. Denn die Überschneidung der Natura-2000-Gebiete mit den nationalen Naturschutzgebieten gebietet zwingend eine Betrachtung der Rote-Liste-Arten sowie nicht nur der Arten mit dem Attribut „streng geschützt“, sondern auch „besonders geschützt“. Der Einbezug der Kategorie „besonders geschützt“ in die Untersuchungen würde notwendig machen, zusätzlich zig-Arten zu untersuchen, um zu einer wirklich zutreffenden Gesamtbeurteilung zu kommen. Die würde dann 49

selbstverständlich zu einer noch höheren naturschutzfachlichen Bewertung führen, was seitens des Auftraggebers zwar nicht gewollt ist, aber eben die Realität zutreffender abbildet. So sind von 36 Wildbienenarten 16 mehr oder weniger im Bestand bedroht. Dies sind (alle Mainzer Sand und der Einfachheit halber nur deutsche Namensbezeichnung): Gewöhnliche Filzbiene, Skabiosen-Sandbiene, Große Möhren-Sandbiene, Schwarze Köhlersandbiene, Bärenklau-Sandbiene, Rainfarn-Sandbiene, Rote Maskenbiene, Vierbindige-Furchenbiene, Südliche Goldfurchenbiene, Dünen-Steppenbiene, Schuppenhaarige Kegelbiene, Sandrasen-Kegelbiene, Bedornte Schneckenhausbiene, Goldene Steinbiene, Rosen-Blattschneiderbiene, Dunkelfranzige Hosenbiene, Zahntrost-Sägehornbiene.

19 – 9 Gutachten zum Strömungsgeschehen

Allgemein: Das Gutachten zeigt schwere Mängel, die sich gravierend auf die Zulässigkeit des Vorhabens insgesamt und auf die Bemessung der Ausgleichsmaßnahmen im Besonderen auswirken. Es belegt eine doch beträchtliche Wirkung der geplanten Lärmschutzwand auf die in naturschutzfachlicher Hinsicht besonders bedeutsame Windoffenheit der Naturschutzgebiete mit offenen und halboffenen Sandflächen. Es kommt zu einer Absenkung der Windgeschwindigkeiten in unterschiedlicher Ausprägung. Hinzukommt, dass die Windgeschwindigkeiten, die in diesem Gutachten zur Abschätzung des Einflusses der Lärmschutzwand verwendet wurden, zu gering sind. Dies bedeutet, dass der Einfluss der Lärmschutzmauer deutlich unterschätzt ist.

Die Folgen auf die Biozönose des Gesamtgebietes sind nicht untersucht, weder im Windgutachten noch an anderer Stelle. Auch die kombinierte Wirkung des Schattenwurfs und der Leesitutation auf die Flora und Fauna in Bereichen, in denen beide auftreten, wird nicht weiter geprüft.

Ein weiter wichtiger Punkt wurde im Gutachten stark vernachlässigt. Durch die geplanten baulichen Maßnahmen wird das Mikroklima hinsichtlich der Entstehung von Kaltluft modifiziert. Die durch das physikalische Hindernis der Lärmschutzwand auftretende Verminderung der Windgeschwindigkeit führt zu einer reduzierten Einströmung dieser Kaltluft in die angrenzenden Wohnflächen. Dieser Einstrom von Kaltluft ist vor allem in nächtlichen NW-Windlagen im Hochsommer relevant, in denen vermehrt mit dem Auftreten tropischer Nächte im städtischen Umfeld zu rechnen ist. Hierbei sei noch angemerkt, dass diese besondere Wetterlage durch die Verwendung des mittleren Jahresmittels der Windgeschwindigkeit in der Simulation nicht berücksichtigt wird. Gemäß der Klimprax-Studie des DWD ist der Mainzer Sand signifikant wichtig für die Entstehung von Kaltluft, zwar lokal begrenzt aber dennoch maximal im Bereich der geplanten Wand. Diese Studie ist wissenschaftlich fundiert bzw. evaluiert und deshalb als in hohem Maße verlässlich für die Region anzusehen.

Des Weiteren wird nicht erläutert, in welcher Form die Kleinklima-Veränderung die Trockenrasenvegetation modifiziert. Damit sind die Auswirkungen weder quantifiziert noch bewertet und damit erheblich unzureichend.

Zu 2. Untersuchungsmethodik und meteorologische Eingangsdaten (S. 5): Bezüglich der Repräsentativität der Messdaten des LfU: Die Windmessungen des Landesamts für Umwelt (LfU) werden durch eine Luftmessstation in Mainz-Mombach erhoben. Laut Klassifikation des LfU handelt es sich hierbei um eine Station, die die Luftqualität des städtischen Hintergrunds charakterisieren soll. Dazu ist sie in einer Umgebung mit lockerer Wohnbebauung sowie einzelner 50

Bäume aufgestellt worden. Der Standort der Luftmessstation ist als nicht repräsentativ für die Gegend des Mainzer Sandes anzusehen, weil er über ein städtisch geprägtes Mikroklima verfügt, was sich zum Beispiel in einer reduzierten Windgeschwindigkeit äußert. Eine klare Aussage über die Charakteristik des Windes im Mainzer Sand kann nur durch Messungen vor Ort getroffen werden. Optimal wären hierzu verschiedene Messstandorte im Mainzer Sand I und II. Erst hierdurch kann eine repräsentative Erfassung des Ist-Zustandes ermittelt werden.Gerade die Windgeschwindigkeit in Bodennähe ist sehr wichtig, um den Eintrag von Staub und Sand in die Grenzschicht realistisch einschätzen zu können. Dazu ist es notwendig den vom Bodentyp und Vegetation abhängigen Grenzwert zu kennen, oberhalb dessen Staub und Sand in die Atmosphäre eingetragen wird. Ein Jahresmittelwert der Windgeschwindigkeit, wie sie im Gutachten angegeben wird, lässt solch eine Aussage nicht zu

Des Weiteren sind unserer Meinung nach 30° Sektoren für die verwendete Windrichtung nicht ausreichend, um die heterogenen Strömungseigenschaften des Standortes hinlänglich zu beschreiben. Gleiches gilt für eine Verwendung der gemittelten Geschwindigkeiten.

Zudem wird keine Aussage getroffen über die Performance des Modells für Windspitzen, außerdem fehlt eine Diskussion über die Repräsentativität der Station Mombach für die Fragestellung. Mittlere Windgeschwindigkeiten für einen 10-Jahres Zeitraum sind ebenfalls nicht geeignet um die Besonderheit des Standortes in jahres- sowie tageszeitlichem Kontext zu erfassen.

Durch Verwendung der mittleren Windgeschwindigkeiten wird der Einfluss auf das Strömungsfeld mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich unterschätzt. Der Vergleich zwischen Ist- und Planungszustand in Abbildung 10-12 zeigt deutliche Muster welche unter bestimmten meteorologischen Bedingungen deutlich größer ausfallen können. Hier sei wieder die Problematik der Verwendung mittlerer Windgeschwindigkeiten erwähnt. Außerdem sollte hierbei eine quantitative Aussage darüber getroffen werden, ab welcher Windgeschwindigkeits-Abnahme die Zufuhr von Kaltluft signifikant verringert/modifiziert wird bzw. ob die Abnahme des Kaltluft-Stroms statistisch signifikant ist oder womöglich doch nicht.

Der Transport von Pollen und Samen kann nicht mit einem Jahresmittelwert der Windgeschwindigkeit charakterisiert werden. Hierfür ist vor allem die Turbulenz zu betrachten, die durch die Abweichung vom Mittelwert charakterisiert wird.

Je stärker der Wind, umso eher werden auch Pollen und Samen von den Pflanzen gelöst. Die Mobilisierung von Staub und Sand benötigt je nach Korngröße noch deutlich höhere Windgeschwindigkeiten. Alle Ergebnisse werden aber bezüglich des Jahresmittelwertes der Windgeschwindigkeit besprochen, so z.B.: „In den Abbildungen 15 – 20 sind für vorherrschende West- und Ostwinde die Windgeschwindigkeitsänderungen durch den potenziellen Plan-Zustand dokumentiert. Durch die frontale Anströmung der Lärmschutzanlagen bilden die Ergebnisse ein sogenanntes Worst-Case- Szenario ab. Es wird die maximale Ausprägung der Barrierewirkung aufgezeigt. Herrschen ausschließlich Westwinde vor (Abbildungen 15 – 17), reichen die Lee-Effekte der Lärmschutzanlagen im Südostteil des Naturschutzgebiets Mainzer Sand II ca. 35 – 60 m nach Osten.“ Hier wird von einem Worst-Case-Szenario gesprochen. Dies ist jedoch nur gültig für den Anströmwinkel der Lärmschutzwand. Dieses Szenario beschreibt jedoch nur die Anströmung mit dem Jahresmittel der Windgeschwindigkeit. Diese ist relativ gering, wodurch auch der Einflussbereich der 51

Lärmschutzwand nicht groß wirkt. Daher ist es in unseren Augen irreführend, hier von einem „Worst-Case-Szenario“ zu sprechen.

Der Bereich, der im Lee der Lärmschutzwand beeinträchtigt wird, steigt aber mit steigender Windgeschwindigkeit an. Eine genaue Aussage kann ohne numerisches Modell nicht getroffen werden. Das wäre aber im Gutachten einfach möglich gewesen, wenn man neben der mittleren Windgeschwindigkeit auch noch die maximale Windgeschwindigkeit modelliert hätte. Dadurch hätte man den maximalen Einflussbereich der Lärmschutzwand angeben können und ein tatsächliches Worst-Case-Szenario beschreiben können. Eine Aussage über den Einfluss der Lärmschutzwand anhand der Jahresmittelwindes ist aus unserer Sicht nicht aussagekräftig.

4. Ergebnisse der Modellrechnungen: Seite 6: „Durch den geplanten 6-streifigen Ausbau der A 643 mit begleitenden Lärmschutzwänden wird die Landschaft modifiziert, was eine charakteristische Veränderung des Windfeldes in der unmittelbaren Umgebung zur Folge hat“. Die Auswirkungen dieser Feststellung werden aber nicht weiter geprüft. Es ist als erheblich für die Trocken- und mageren Sandflächen und das Arteninventar einzustufen, wenn sich die Windgeschwindigkeiten um die genannten Werte verringern. Denn die so genannten „kleinklimatischen Bedingungen“ werden sich in unterschiedlicher Weise und mehr oder weniger gravierend verändern.

Insgesamt fallen weitere Unklarheiten auf:

Sind die höchsten Windgeschwindigkeiten bezogen auf den Mittelwert? Das wäre nicht sehr aussagekräftig Auf was stützt sich die Aussage „klimatische Optimierung“ hier? Was passiert mit der atmosphärischen Grenzschicht bei der Überströmung eines Hindernisses? Eine Änderung der Rauigkeit verändert die turbulente Struktur der unteren Grenzschicht, was wiederum ebenfalls zur Reduktion des Kaltluftstromes beiträgt. Ist Sedimentation ein Problem?

Seite 7: „Dort ist östlich der Lärmschutzwände in einem ca. 15 – 45m breiten Streifen eine Windgeschwindigkeitsreduktion von mehr als 0.1 m/s bzw. von mehr als 10% zu bestimmen. Eine Windgeschwindigkeitsabnahme von über 40% ist auf einen ca. 15 - 25 m breiten Streifen östlich der Lärmschutzwände beschränkt“. Im Umkehrschluss ist dies die Feststellung, dass durch den Bau einer Lärmschutzwand eine Barrierewirkung (Leewirkung) unterschiedlicher Intensität vorhanden ist. Abbildung 14 zeigt, dass die Leewirkung auf jeden Fall größer ist als 50 Meter (die Abbildung hört bei 50 Metern auf). Auch hier steckt als Eingangsgröße nur der geringe Jahresmittelwert der Windgeschwindgikeit drin. Daher sind die Bereiche der Windgeschwindigkeitsabnahme auch nur sehr bedingt aussagekräftig. Vergleichende Bewertungen werden auch durch unterschiedliche Bezugsgrößen erschwert bzw. unmöglich gemacht. So bezieht sich z.B. die Abbildung 10 (Ist- Zustand) auf die Windverhältnisse 10 Meter über Geländehöhe, während in der vergleichenden Abbildung 11 (Planzustand) eine Geländehöhe von 1 Meter über Geländehöhe gewählt wurde.

Seite 8: Auf Seite 8 und in Abb. 14 wird konstatiert, dass sich auf der Leeseite der LSW ein Wirbel ausbildet. Der Wirbel könnte Schadstoffe (z.B. Feinstaub) „mitnehmen“ und konzentriert im Naturschutzgebiet ablagern. Eine Untersuchung dazu fehlt. Zusätzlich muss beachtet werden, dass bei der Überströmung eines Hindernisses die turbulente Strömung verändert wird. Hierbei bildet sich in Abhängigkeit der Anströmgeschwindigkeit hinter der 52

Mauer im Lee ein aufwärts gerichteter Sog, welcher auch Sand und Staub nach oben transportieren kann. Im unglücklichsten Fall vielleicht auch auf die Fahrbahn. Eine Untersuchung des Leewirbels wir aber nur kurz angesprochen und nicht ausreichend untersucht.

5 Kurzzusammenfassung und Beurteilung der Ergebnisse (S.10 ff.):

Seite 11: „Die kleinklimatischen Folgeerscheinungen der räumlich eng begrenzten Windfeldmodifikationen lassen sich aufgrund der im Jahresverlauf hohen Komplexität der geländeklimatischen Vorgänge ohne sehr aufwendige und mehrjährige Messungen (vor und nach Realisierung der Planung) kaum quantifizieren.“ Damit konzediert der Gutachter, dass die Vorhersagequalität des Modells unzureichend ist. Dieser entscheidende Aspekt geht in der weiteren Bewertung unter und wird in der Zusammenfassung nicht mehr angesprochen. Bei Modellierungen ist es üblich und erforderlich, nicht nur Mittelwerte, sondern auch Verteilungsmaße anzugeben wie z.B. das 95%-Konfidenzintervall. Solche Verteilungsmaße fehlen, sind aber von großer Bedeutung für eine korrekte Interpretation der Modellierungen. Diese Unterlassung stellt somit einen relevanten Mangel dar. Insbesondere bei Unsicherheiten von Ergebnissen (s. o.) ist eine Worst case-Betrachtung zwingend erforderlich, die aber fehlt. Zudem steht die Aussage „kaum quantifizieren“ in einem krassen Widerspruch zu den an anderen Stellen als exakt suggerierten Ergebnissen der Modelle. Somit stellt sich die Frage, ob die Effekte gravierender sind, als sie vom Gutachter prognostiziert wurden.

Noch Seite 11: „Nachfolgend werden daher allein in überschlägiger Form mögliche kleinklimatische Folgeerscheinungen aufgezeigt. Die Bewertung dieser pflanzen- und tierphysiologischer Relevanz ist nicht Gegenstand des vorliegenden Gutachtens.“ Was ist konkret mit „überschlägig“ gemeint? Der dann folgende Satz zeigt ganz konkret den grundsätzlichen Mangel des Gutachtens und der gesamten Planfeststellungsunterlagen auf. Präzise und exakte Daten und Untersuchungen zu den Folgen und Wirkungen der Ausbaumaßnahmen auf die Biozönose fehlen.

Noch Seite 11: Hier taucht der Begriff Kaltluft zum ersten Mal auf, was deutlich zu spät ist. Dieser Begriff muss ein zentraler Gegenstand der Untersuchung sein. Laut Klimprax treten in Zukunft vermehrt heiße Sommertage/tropische Nächte auf, auch im Untersuchungsgebiet. Bereits im Jahr 2018 verzeichnete die Wetterstation der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 29 heiße Tage, als Tage mit einer Höchsttemperatur von über 30°C. Während dieser extremen Phasen ist der Zustrom von Kaltluft von erheblicher Wichtigkeit. Hier muss noch näher auf den Rückgang der Verdunstungsleistung eingegangen werden, hat dieser (Rückgang) doch auch einen direkten Einfluss auf reduzierte Kaltluftentstehung.

Lkws, die hauptsächlich während der Tageszeit fahren, sind kein Vergleich für eine dauerhafte und massive Lärmschutzwand. Das ist kein zulässiger Vergleich, sondern verharmlost den Einfluss einer windundurchlässigen Lärmschutzwand! Vor allem in Zeiten erhöhter Kaltluftentstehung (nachts) sollte der Verkehr und seine Störung des Windfeldes relativ vernachlässigbar sein.

Seite 12: „Durch Schattenwurf (siehe Verschattungsstudie zum 6-streifigen Ausbau der A 643 – LBM WORMS) kann es im Tagesverlauf im unmittelbaren Nahbereich der Lärmschutzwand aber auch kühler sein als im besonnten Bereich abseits des Strömungshindernisses.“ 53

Hier fehlen ebenfalls genauere Angaben über Ausmaß und Wirkungsbereiche. Außerdem gibt der Gutachter für Kiefernsamen einen Verbreitungsradius von 40 km an. Die Kiefer ist auch die einzige Pflanzenart, die explizit in der Beurteilung hervorgehoben wird. Sie ist aber auch die größte Pflanzenart vor Ort, die am wenigsten unter der Abschattung der Lärmschutzwand leidet. Vor allem für alle bodennahen Pflanzen sind die Einflüsse viel stärker als für Bäume! Aussagen zum Samenflug von vom Aussterben bedrohten Pflanzen fehlen.

Seite 13: „Der Austausch zwischen den Naturschutzgebietsflächen östlich und westlich der Autobahntrasse wird sich gegenüber dem Ist-Zustand nicht wesentlich verändern. Bereits heute können die Wirbelschleppen von Kraftfahrzeugen über der Autobahn ein Hindernis für rein horizontale Pollen- oder Samenflüge darstellen. Die Wirbelschleppen der Kraftfahrzeuge reichen in deutlicher Form bis in die Nähe der geplanten Lärmschutzwandoberkanten (siehe Grafik 2)“. Damit suggeriert der Gutachter, dass die Lärmschutzwände fast keinen Effekt auf den Samenflug hätten. Er unterschlägt aber die Tatsache, dass es vor allem nachts auch verkehrsarme Zeiten gibt. Lkws, die hauptsächlich während der Tageszeit an Wochen- und Samstagen fahren, sind kein Vergleich für eine dauerhafte und massive Lärmschutzwand. Das ist kein zulässiger Vergleich, sondern verharmlost den Einfluss einer windundurchlässigen Lärmschutzwand.

19 – 11 Umweltverträglichkeitsstudie

Allgemein: Die Studie ist auf 2008 datiert und damit mehr als 10 Jahre alt. Die vorliegende UVS entspricht nicht dem aktuellen Stand des Bauvorhabens. So werden bereits durchgeführte Bauvorhaben wie der Neubau der Schiersteiner Brücke aufgezeigt. Zudem sind formelle Angaben veraltet (Bsp. wird das HENatG aufgeführt; dieses Gesetz ist weggefallen bzw. wurde durch das Hessisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (HAGBNatSchG) ersetzt. Auch das LNatSchG wurde 2015 novelliert, sodass zitierte Paragraphen nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen). Eine sachgerechte Prüfung wird durch diese Faktoren deutlich erschwert.

Bei der Bewertung der Befunde ist das Verschlechterungsverbot der EU-Vogelschutzrichtlinie komplett außer Acht gelassen. Zumindest was die Teile des Planungsgebiets angeht, die als Vogelschutzgebiete ausgewiesen sind, steht außer Zweifel, dass der Ausbau eine erhebliche Verschlechterung darstellt, schon allein aufgrund der Arealverkleinerung. Bei strenger Anwendung von Geist und Buchstabe der Richtlinie kann der Ausbau daher nicht als genehmigungsfähig betrachtet werden.

Auch in der Bewertung der Umweltverträglichkeitsstudie muss das Argument genannt werden, dass ein Straßenausbau inzwischen anachronistisch ist. Verkehrskonzepte der Zukunft, wie sie heute diskutiert werden, müssen vielmehr kreativ auf Reduzierung des Autoverkehrs ausgerichtet sein. Nicht die Verbreiterung der Straßen löst das Problem, sondern die Verminderung des Straßenverkehrs, z. B. durch Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene, durch Angebote kostenlosen oder -günstigen Nahverkehrs etc. Wenn man sich - als Gedankenexperiment - einfach mal den LKW-Verkehr von der A643 wegdenkt, wäre ein Ausbau schon überflüssig geworden. Hinweis: Eine Sperrung des Schwerverkehrs gab es bereits beim Brückenunfall 2015 und aktuell bei der Salzbachtalbrücke – ohne dass die Wirtschaft zusammengebrochen ist! Wenn dann noch die Pendler in kostengünstigen Zügen und Straßenbahnen statt auf den Straßen unterwegs sind, ergibt 54

sich eine relevante Entlastungswirkung auf den Autobahnen. Solche auf Verkehrsvermeidung ausgerichteten Alternativen kommen in den Gutachten bei der Beurteilung der Umweltverträglichkeit nicht vor, die müssten in Zeiten von notwendiger Kohlendioxidreduzierung aber dringend in Erwägung gezogen werden. Möglicherweise ist man schon aus Klimaschutzgründen in ein paar Jahren so weit. Dann wäre die A643 unnötig erweitert worden. Also ist die zukunftsfähigere Variante, ganz auf den Ausbau zu verzichten.

Zu 5.3.2.2 Pflanzen (S. 147 ff.) und 6.1 Begründung der Vorzugsvariante und Empfehlung (S. 191): Die Beschreibung der betriebsbedingten Schadstoffeinwirkungen ist nicht stimmig. So wird durch die Vorbelastung des Gebietes von einer möglichen „mittleren Belastungsintensität“ (für die westlich der A 643 gelegenen speziellen Vegetationsstandorte der Sandbiotope) ausgegangen (vgl. S. 147 – 148). „Betriebsbedingte Schadstoffwirkungen auf die Pflanzenwelt kommen allenfalls für westlich der A 643 gelegene spezielle Vegetationsstandorte der Sandbiotope in Betracht. Durch die im Fall der Variante 1 gegebene Achsenauslagerung der A 643 kann es hier durch Spritzwasser oder über den Luftpfad zu Schadstoffeinträgen in solche Bestände kommen, die bislang außerhalb oder am Rand der Wirkzone der bestehenden A 643 lagen. Da jedoch nicht grundsätzlich neue Belastungen in einem bis dato unbelasteten Raum zu erkennen sind und es sich entsprechend der Vorbelastungen um eine geringfügige, ohnedies nicht scharf abgrenzbare, Verlagerung bereits bestehender Belastungen handelt, wird von einer mittleren Belastungsintensität ausgegangen.“ (S. 147 – 148)

In der Empfehlung am Ende der UVS bezüglich des Stickstoffeintrag wird insgesamt folgendes konstatiert: „Betriebsbedingte Auswirkungen sind im Hinblick der gegebenen Situation im Einklang mit der gering prognostizierten Verkehrszuwachsrate wie der zukünftig anzunehmenden Minderbelastung durch verschärfte Immissionsgrenzwerte einerseits und dem eingeplanten Bau einer Lärmschutzwand andererseits nachrangig und stellen keine Gefährdung dar.“ (S. 191).

Zum einen wird die mögliche „mittlere Belastungsintensität“ auf das Schutzgut Pflanzen nicht mehr erwähnt.

Hinzukommt, dass die FFH-Verträglichkeitsprüfung Dünen-Sand-Gebiet Mainz-Ingelheim (19-4) zu einer anderen Bewertung kommt. Zwar wurden die Einsparungen des Stickstoffeintrags durch den Bau der Lärmschutzwand berechnet (S. 37 bis S. 58). Trotzdem wird hinsichtlich des betriebsbedingten Stickstoffeintrags bei einigen, auch prioritären Lebensraumtypen (Ausdauernder Sandtrockenrasen LRT *6120, Subpannonischer Steppen-Trockenrasen LRT *6240, …) sowie der Sand-Silberscharte (Jurinea cyanoides) vorsorglich von einer erheblichen Beeinträchtigung ausgegangen. Hier liegt somit eine deutliche Diskrepanz der verschiedenen Bewertungen vor.

Weiterer Hinweis: Sonstige fachlichen Einwände sind in den vorangegangenen Kapiteln enthalten und müssen hier nicht noch einmal wiederholt werden

55

21 – 1 Verkehrsgutachten

Hinweis: Große Teile des Verkehrsgutachtens sind auch im Erläuterungsbericht enthalten. Dazu siehe auch unsere Anmerkungen dort.

Allgemein: Auf dem Verkehrsgutachten beruht die Hauptargumentation des Vorhabenträgers für einen sechsstreifigen Ausbau der A 643. Es soll belegen, dass das prognostizierte Verkehrsaufkommen den Ausbau notwendig macht. Das Verkehrsgutachten ist unseres Erachtens aber inhaltlich besonders schwach. Es geht von veralteten Daten aus, so z.B. vom Mobilitätsverhalten der Bevölkerung von 2008, also vor 11 Jahren. Neuere Verkehrszählungen fanden nicht statt, das Verkehrsaufkommen wurde nur aufgrund von Daten eines einzigen Navigationsgeräte-Anbieters geschätzt. Das Verkehrsgutachten ist in weiten Teilen nicht nachvollziehbar und unseres Erachtens überwiegend spekulativ. Damit lässt sich ein (kostspieliger) Vollausbau nicht begründen Das Verkehrsgutachten benutzt die „Verkehrsdatenbasis Rhein-Main“ (VDRM). Diese soll für den hessischen Raum die ÖPNV Maßnahmen - soweit in Hessen geplant - enthalten. Nachprüfen lässt sich das nicht. Nicht nachprüfen lässt sich auch die Aussage, wonach „in Abstimmung mit dem Landesbetrieb Mobilität“ die indisponiblen rheinland-pfälzischen Maßnahmen ergänzt seien. In Anlage 1.2. sind dann aber nur Straßenbaumaßnahmen aufgeführt, Maßnahmen des ÖPNV beispielsweise fehlen.

An keiner Stelle gibt es eine Aufzählung der berücksichtigten ÖPNV Maßnahmen, sie werden nicht detailliert aufgegliedert, weder im Text noch in den Anhängen. Es finden sich jeweils nur summarische Betrachtungen, i.d.R. mit Verweis auf das VDRM und einer Ergänzung um Planungen/Maßnahmen in Rheinland-Pfalz ohne Spezifizierung. Während größere Veränderungen des überregionalen Straßenverkehrs bis zum Umbau von Tank und Ratsanlagen in der Anlage 1.2. erläutert werden, fehlen Details zum ÖPNV komplett. Auf dieser Basis lässt sich für den Betrachter nicht bewerten, ob alle die A 643 und den Straßenverkehr im Prognoseraum entlastenden Maßnahmen berücksichtigt wurden. So fehlt zum Beispiel die in Betrieb befindliche Straßenbahnlinie „Mainzelbahn“ mit erheblichen Fahrgastzahlen und einer möglichen Fortführung bis Nieder-Olm; nicht erwähnt und berücksichtigt wird die bereits politisch konkret diskutierte neue Straßenbahnlinie „City-Bahn“ zwischen Mainz und Wiesbaden sowie die Wiederaufnahme der Buslinien 45 und 46, denen eine beträchtliche Entlastungswirkung auf den Individualverkehr zugeschrieben wird; ein neuer Bahnknotenpunkt Mainz-Nord (Schott) mit ganz zentralen Auswirkungen auf den Pendlerverkehr ist nicht betrachtet; ebenso eine neue geplante Regionalbahnlinie (Direktzug) Bad Kreuznach – Wiesbaden; und schließlich fehlen Angaben zur Entlastungswirkung einer deutlich veränderten Fahrradinfrastruktur mit Pendlerradwegen, neuen Fahrradwegen und Fahrradverleihsystemen sowie die Verbesserungen der Radwege auf der Schiersteiner Brücke und der Kaiserbrücke. Die am Runden Tisch am 29.05. 2013 präsentierte Potentialstudie A 643, R+T Topp Huber-Euler Hagedorn, Darmstadt sah eine Abnahme der Verkehre gegenüber dem damaligen Planfall um zwischen 2.000 und 5.100 Fahrzeugen oder zwischen 3% und 7% voraus. Für die beiden prognostizierten Planfälle würde dies eine Verminderung auf 93 % der Prognosewerte bedeuten (Prognose Verkehrszuwachs bis 2030 und Ausbau A643 führt zu 81.700 davon 93% = 76.000; Prognose Verkehrszuwachs bis 2030 und Ausbau A643 führt zu 84.100 davon 93% = 78.200). Vor dem Hintergrund mittlerweile angedachter Ausbaumaßnahmen des Straßenbahnnetzes in Mainz und dem Umland und der notwendigen Mobilitätswende dürfte dies eher die Obergrenze sein. Unklarheiten in solchen Größenordnungen führen zu einer falschen Beurteilung der Situation. 56

Zu 2. Modellrechnung (S. 6): „Die Verkehrsuntersuchung erfolgt mit dem im Jahr 2016 neu erstellten Verkehrsmodell „Verkehrsdatenbasis Rhein-Main“ (VDRM) / 2 /. Mittels der VDRM kann die Nachfragestruktur im Untersuchungsgebiet wiedergegeben und zukünftige Entwicklungen aufgrund der Veränderung von Rahmenbedingungen (geänderte Strukturdaten, Veränderungen im IV/ÖVAngebot) ermittelt werden“. Es darf bezweifelt werden, ob das VDRM-Modell aus dem Jahre 2016 tatsächlich alle Determinanten einer aktuell zum Teil grundlegend veränderten Gesamtstruktur wiedergibt. Digitalisierung der Arbeitswelt mit verringerter Mobilität, Umstieg auf das E-Fahrrad und Fahrrad-Verleih-Systeme, Mietsteigerungen in den Städten und Kapazitätsbegrenzung Neubaugebiete, Ausbau ÖPNV auf dem Land: Dies alles sind Beispiele, die kaum mit einfachen Fortschreibungsmethoden erfassbar sind. Wenn mit dem VDRM 2016 schon der aktuelle Zustand nicht zutreffend beschrieben werden kann, ist eine Hochrechnung auf 2030 damit umso kritischer anzusehen.

2.2 Eingangsdaten (S. 7-8): „Die im Modell angewendeten Verkehrsverhaltensdaten der Einwohner werden zum einen für die Nachfragemodellierung und zum anderen für die Kalibrierung des Nachfragemodells benötigt. Die aus der Studie „Mobilität in Deutschland 2008“ (MiD 2008) /3/ stammenden Daten umfassen z.B. die Anzahl der Wege je Tag, Personengruppe und Aktivität, durchschnittliche Fahrtweiten und Fahrtweitenverteilung je Personengruppe und Aktivität sowie Kennwerte zum Modal Split je Personengruppe und Aktivität“. Zu den „Verkehrsverhaltensdaten“ (Mobilitätsverhalten Bevölkerung) siehe auch oben bei Allgemeines. Das Mobilitätsverhalten 2019 ist komplett anders als noch 2008, und es wird sich bis 2030 weiter grundlegend verändern. Durch eine „Kalibrierung“ kann das nicht abgebildet werden. Denn eine Kalibrierung ist eher technischer Natur und wird allgemeinverständlich als gleichmäßige Fortschreibung eines Normalzustandes (hier Ist-Zustand) definiert. Deshalb ist die Methode für eine nachvollziehbare Darstellung des Mobilitätsverhaltens nicht anwendbar, denn sie bezieht gesellschaftliche und politisch gewollte Veränderungen nicht ein. Insofern ergibt auch der Begriff „Modal Split“ ein völlig verzerrtes Bild. Er bedeutet nichts anderes als „Verkehrsmittelwahl“; eine Fortschreibung von 2008 auf 2030 ist auch hier völlig unmöglich. Denn gegenwärtig kann niemand präzise und verlässlich vorhersagen, welcher Verkehrsmittel sich die Menschen im Jahr 2030 bedienen werden. Auch aus diesem Gesichtspunkt wäre es klüger, zunächst die Brücken zu bauen und dann die Entwicklung abzuwarten.

2.3 Ablauf der Modellrechnung (S. 8): Der Ablauf der Modellrechnung wird verständlich dargestellt. Es bleibt aber dabei, dass veraltete Daten verwandt werden und neuere Erhebungen oder Studien in die Modellrechnung nicht einfließen.

2.4 Analyse 2014 (S. 10): Es kann aus vorgenannten Gründen eben nicht davon ausgegangen werden, dass „das Verkehrsmodell den heutigen Belastungszustand hinreichend genau beschreibt“ (S. 10). So wurde beispielsweise am Runden Tisch im Jahre 2013 noch eine Prognose für das Jahr 2020 von 80.000 Fahrzeugen/24 h für den Abschnitt Mombach – Gonsenheim angegeben, diese Prognose hat sich als völlig falsch erwiesen, denn aktuell liegen die Zahlen bei 65.000 bis 66.000. Das ist eine Fehlerquote von fas 20%! Das Phänomen falscher Prognosen ist auffällig häufig im Bereich Straßenausbaus anzutreffen (z.B. Umgehungsstraße Nierstein). Meist liegen die Prognosen bedeutend zu hoch und halten einem Vergleich mit der späteren Realität nicht stand. Auch ein Vergleich der Ist-Analysen 2005 und 2014 für den gleichen Abschnitt Mombach – Gonsenheim bestätigt die Prognosen- 57

Ungenauigkeiten bzw. ein Sinken der Verkehrszahlen: Ist 2005 = 71.300, Ist 2014 = 69.950. das ist eine Verkehrsreduzierung um rund 9%. Solche Fehlerquoten im Kontext mit mehr ÖPNV und Verkehrswende lassen es als durchaus wahrscheinlich ansehen, dass die prognostizierten Verkehrszuwächse für 2030 bei weitem unterschritten werden. Der dann realistische Verkehrsumfang lässt sich mit der vorhandenen Kapazität einer vierstreifigen Autobahn im erdgebundenen Teil bewältigen, zumal hier die Entlastungswirkung der sechsstreifigen Brücken in Betracht zu ziehen ist.

Schlusswort

Abschließend ein Zitat aus der Einleitung der Gebietsmonographie „Der Mainzer Sand“, formuliert vor über 30 Jahren vom Herausgeber J. H. Jungbluth – und noch immer brandaktuell:

„Es bleibt zu hoffen, dass die zuständigen Behörden und Entscheidungsträger durch die sehr ernsten und deutlichen Mahnungen der Spezialisten, die diese anhand ihrer Spezialkenntnisse in ihren Fachbeiträgen immer wieder im Detail dokumentieren und belegen, wirklich außerordentliche Anstrengungen unternehmen, um vom singulären Charakter dieses Gebietes zu retten, was noch zu retten ist. Vieles ist schon unwiederbringlich zerstört und verschwunden, jedoch rechtfertigt das heute noch vorhandene Floren- und Fauneninventar jede nur erdenkbare Anstrengung, zumindest den status quo zu erhalten und jede zukünftige Verschlechterung zu verhindern.“ [Jungbluth, J. H. (1987): Der Mainzer Sand. Mainzer Naturwissenschaftliches Archiv Band 25, 604 Seiten, Mainz].

Durch den sechsspurigen Ausbau der A643 und nachfolgend des Mainzer Rings wird ein Verkehrszuwachs auf der Autobahn und auf den Hauptverkehrsstraßen in Mainz gegenüber der Nullvariante ermöglicht. In den Städten Mainz und Wiesbaden sowie den umliegenden Ortschaften werden die Auswirkungen durch ebenfalls höheres Verkehrsaufkommen, Lärm und Schadstoffimmissionen zu spüren sein. Das ist das glatte Gegenteil des angestrebten Zustands. Weitergehende Untersuchungen dazu gibt es nicht. In den Verkehrsprognosen wird die notwendige Verkehrswende mit mehr ÖPNV und Radverkehr unzureichend abgebildet. Die schlechten Luft- und Durchlüftungsverhältnisse (Kaltluft) aufgrund des Straßenverkehrs (z.B. in der Stadt Mainz) werden durch die Verkehrszunahme weiter verschlechtert. Die Stauursachen sind richtigerweise beschrieben als die kurz aufeinanderfolgenden Zu- und Abfahrten mit vielen Fahrspurwechseln und Abbremsvorgängen. Ein sechsstreifiger Ausbau führt nicht zu einer Beseitigung dieser Ursachen, weil die damit verbundene Verkehrszunahme die gegebenen Verhältnisse und Determinanten eher verschlechtert als verbessert. Der sechsstreifige Ausbau führt - mit Ausnahme der Brücken – in der Gesamtbetrachtung zu erheblichen Verschlechterungen und ist deshalb abzulehnen. Als Alternativen zum sechsstreifigen Ausbau stehen mindestens 3 gut machbare und schonendere Varianten zur Verfügung: 1. Nur Bau der Vorlandbrücke und Unterlassen des erdgebundenen Ausbaus; 2. die lange diskutierte 4+2-Lösung, und 3. eine Tieferlegung der Trasse im Bereich der Schutzgebiete mit Überdachung auf Geländeniveau.

gez. Sabine Yacoub 58

Anhang

Auswertung von Vogelsichtungen im Mainzer Sand von 2009 – 2019 in Ornitho.de

Vogelart Summe Mainzer Sand Mainzer Sand II Mombacher Gonsenheimer Rheinufer Waldfriedhof

Baumfalke 8 4 2 >2 Gartenrotschwanz 14 3 11 Grauspecht 1 1 Heidele rche 1 1 Neuntöter 3 1 1 1 Schwarzspecht 9 9 Wiedehopf 22 13 8 1 (Mombach) Ziegenmelker 1 1 (Lennebergwald)

Baumfalke

Sonntag, 29. Juli 2018 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Baumfalke (Falco subbuteo) [Markus Forst ]

Donnerstag, 7. Juni 2018 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Baumfalke (Falco subbuteo) [ Andreas Kohler ]

Brutzeitcode : A1 Mittwoch, 15. Juni 2011 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 1 Baumfalke (Falco subbuteo) [ Michael Schmolz ]

Bemerkung : macht abends Jagd auf Käfer Brutzeitcode : A1 Dienstag, 14. Juni 2011 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 3 Baumfalken (Falco subbuteo) [ Michael Schmolz ] [ Michael Schmolz ]

Bemerkung : niedrig von Lennebergwald Ri. MZ Sand fl. Bemerkung : abends nach Mai-/Junikäfern jagend Brutzeitcode : A1

Grauspecht

Sonntag, 16. November 2014 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 1 Grauspecht (Picus canus) [Markus Forst

59

Heidelerche

Samstag, 2. Mai 2009 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 1 Heidelerche (Lullula arborea) [Florian Pointke ]

Brutzeitcode : A2

Neuntöter

Sonntag, 19. Mai 2019 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 1 Neuntöter (Lanius collurio) [ Lorenz Hillen

Samstag, 18. Mai 2019 Mainzer Sand, Waldfriedhof Gonsenheim [5915_3_53n] / Mainz (RP, MZ*) 1 Neuntöter (Lanius collurio) [ Lorenz Hillen ]

Detail : 1x Weibchen Samstag, 10. Juni 2017 NSG "Mombacher Rheinufer" / Mainz (RP, MZ*) 1 Neuntöter (Lanius collurio) [ Gerhard Weitmann ]

Brutzeitcode : A2

Schwarzspecht

Freitag, 6. September 2019 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Schwarzspecht (Dryocopus martius) [ Andreas Kohler ]

Detail : 1x Männchen adult Sonntag, 17. März 2019 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Schwarzspecht (Dryocopus martius) [Markus Forst ]

Brutzeitcode : A2 onntag, 26. August 2018 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Schwarzspecht (Dryocopus martius) [Markus Forst ]

Sonntag, 29. Juli 2018 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Schwarzspecht (Dryocopus martius) [Markus Forst ]

Sonntag, 11. März 2018 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Schwarzspecht (Dryocopus martius) [Markus Forst ]

Brutzeitcode : A2 Samstag, 27. Januar 2018 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 60

1 Schwarzspecht (Dryocopus martius) [Markus Forst ]

Sonntag, 21. Januar 2018 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Schwarzspecht (Dryocopus martius) [Markus Forst ]

Sonntag, 31. Dezember 2017 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Schwarzspecht (Dryocopus martius) [Markus Fors

Samstag, 23. Dezember 2017 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Schwarzspecht (Dryocopus martius) [Markus Forst ]

Wiedehopf

Sonntag, 26. Mai 2019 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 2 Wiedehopfe (Upupa epops) [Heribert Blankenheim ]

Mein Brutzeitcode : A1 Samstag, 25. Mai 2019 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 2 Wiedehopfe (Upupa epops) [Heribert Blankenheim ]

Meine Bemerkung : Ruf Mein Brutzeitcode : A1 Sonntag, 11. Juni 2017 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 4 Wiedehopfe (Upupa epo ps) [Heribert Blankenheim ]

Mein Brutzeitcode : B3 Samstag, 10. Juni 2017 NSG "Mainzer Sand Teil II", Mombach West [5915_3_43s] / Mainz (RP, MZ*) 3 Wiedehopfe (Upupa epops) [Heribert Blankenheim ]

Mein Brutzeitcode : B3

Freitag, 2. Juni 2017 Mainz-Mombach [5915_3_44s] / Mainz (RP, MZ*) 1 Wiedehopf (Upupa epops) [Heribert Blankenheim ]

Mein Brutzeitcode : A1 Freitag, 5. August 2016 NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Wiedehopf (Upupa epops) [ Heribert Blankenheim ]

Meine Bemerkung : Beobachterin Ute Blankenheim: Wiedehopf flog gegen einen Baumstamm, fiel ins Gras und purzelte benommen durch das Gras. Nach kurzer Zeit hatte er sich erholt und folg auf einen nahen Baum. Montag, 18. Juli 2016 61

NSG "Mainzer Sand Teil II" und Waldfriedhof / Mainz (RP, MZ*) 1 Wiedehopf (Upupa epops) [Heribert Blankenheim ]

Donnerstag, 23. Juni 2016 NSG "Mainzer Sand Teil II", Mombach West [5915_3_43s] / Mainz (RP, MZ*) 3 Wiedehopfe (Upupa epops) [Heribert Blankenheim ]

Samstag, 21. Mai 2016 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 2 Wiedehopfe (Upupa epops) [Heribert Blankenheim ]

Sonntag, 2. August 2015 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 1 Wiedehopf (Upupa epops) [Heribert Blankenheim ]

Sonntag, 28. Juni 2015 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 1 Wiedehopf (Upupa epops) [Heribert Blankenheim ]

Samstag, 27. Juni 2015 NSG "Mainzer Sand" / Mainz (RP, MZ*) 1 Wiedehopf (Upupa epops) [Heribert Blankenheim ]

Ziegenmelker

Dienstag, 3. Mai 2016 Mainz-Gonsenheim West, NSG "Lennebergwald" [5915_3_52s] / Mainz (RP, MZ*) 1 Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus) [ Natalie Schmalz ]

Bemerkung : Lag schon am 03.05.2016 am Straßenrand, konnte aber erst am 04.05.2016 eingesammelt werden. Tier kommt in s Naturhistorische Museum Mainz. Die Fotos sind vom 04.05. Auf einem Foto ist die Putzkralle zu sehen, auf einem anderen die Schnabelborsten und die riesige Schnabelöffnung. Brutzeitcode : A1 Detail : 1x Männchen

62

Zu Seite 13:

Auszug aus Ureinwohner RLP:

„Prostemma (Prostemma) sanguineum (ROSSI, 1790) (Familie Nabidae – Sichelwanzen)

Kennzeichen, Verwechslungsmöglichkeiten: Die Gattung Prostemma ist bei uns mit zwei Arten vertreten. P. guttula und P. sanguineum . Beide räuberisch am Boden lebende Nabiden-Arten sind kontrastreich rot-schwarz gezeichnet. Beide Arten treten in der Regel in der kurzflügligen Form auf. Makroptere Tiere sind von beiden Arten bekannt. Die in Deutschland nachgewiesenen Tiere von P. sanguineum waren alle kurzflüglig. In dieser Form trägt der vorhandene Membranrest am hinteren Ende einen markanten weißen Fleck, der bei der Schwesterart auf einen schmalen Saum reduziert ist. Im Gegensatz zu dem rein schwarzen Pronotum von P. guttula ist das von P. sanguineum im hinteren Bereich rot . P. sanguineum ist mit seiner Größenamplitude von 5,5 bis 7,1 mm Körperlänge auch um rund 2 mm kleiner als P. guttula. P. sanguineum ernährt sich räuberreich von Bodenwanzen. Verbreitung: Die Vorkommen der wärmeliebenden Art erstrecken sich vom westlichen Mittelmeerraum bis nach Kasachstan. In Nordafrika wird sie aus Marokko gemeldet. Im Westen sind die Funde im klimatisch begünstigten Rhein-Nahe-Gebiet die am nördlichsten gelegenen. Außerhalb der Paläarktis sind keine Nachweise vorhanden. In Deutschland sind drei Fundstellen bekannt. Den Erstnachweis der Art erbrachte WAGNER 1938 am Haarberg bei Wöllstein. Es folgten 1953 und 1954 Funde der Art am Mainzer Sand von ZEBE (ZEBE 1971), bestätigt 1985 durch GÜNTHER (GÜNTHER 1987). Der einzige hessische Fund gelang GNATZY 1965 (GNATZY 1968). Funddaten aus Rheinland- Pfalz: NSG „Mainzer Sand“, TK25 5915 SW NSG „Haarberg“ bei Wöllstein, TK25 6113 SE

Lebensräume: P. sanguineum lebt an offenen trocken-warmen Standorten mit unterschiedlichem Untergrund, an denen auch ausreichend Beutetiere zu finden sind. Die Tiere laufen selten frei herum. Sie suchen gerne Deckung unter Pflanzenmaterial, Streu und seltener unter Steinen.

Gefährdung und Maßnahmen: Die Nabidenart ist in Deutschland nur von drei Fundorten, alle im Rhein-Nahe-Gebiet lokalisiert, bekannt. Der letzte Nachweis in Deutschland gelang GÜNTHER 1985 am Mainzer Sand. P. sanguineum wird in der Neuauflage der Roten Liste Deutschlands in die Kategorie 1, vom Aussterben bedroht, eingestuft werden. Die räumlich einander recht nah gelegenen deutsche Fundorte sind deutlich isoliert vom Hauptareal der Art. Sie sind als Warmzeitrelikt zu werten. Da die Tiere in der Regel kurzflüglig sind, sind sie auch schwerlich in der Lage, größere Stecken zurückzulegen und naturräumliche Barrieren zu überwinden. Der Fundort von P. sanguineum am Haarberg in der Rheinhessischen Schweiz wird durch Pflegemaßnamen offengehalten, ebenso die Mainzer Sande. In beiden Flächen sollte die Art nachgesucht werden. Die großflächig angelegte Biotoppflege in beiden Gebieten kann durch Einbringung von Kleinstrukturen und partielle Auslassung der Pflege für die Bedürfnisse der Art optimiert werden.“