Die Neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement Die neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein Wettbewerb und Entwurf Projekt1 19.10.2007 08:32 Seite 1 Fachthemen Eberhard Pelke DOI: 10.1002/stab.201310024 Alwin Dieter Die neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein – Wettbewerb und Entwurf Oft unterschätzt, stand die bestehende Rheinbrücke Wiesbaden- 1 Die vorhandene Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein Schierstein am Wendepunkt vom statischen zum fertigungsge- rechten Ingenieurbauwerk. Der Siegerentwurf des Realisierungs- Der erste Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen der neuen wettbewerbes 2007 bestätigte die Grundlagen von Entwurf und Bundesrepublik Deutschland 1956 richtete ein besonderes Ausführung der Jahre 1959 bis 1962 und zieht Schlüsse aus der Augenmerk auf die Verknüpfung von Ballungs- und wich- Unter- und baulichen Erhaltung des bestehenden Bauwerks. Der tigen Wirtschaftsräumen beiderseits des Rheins. Nach dem Aufsatz beschreibt Entstehung des bestehenden Bauwerks, Kölner Ring und dem Bonner Ring war der Bau der Umge- wesentliche Instandsetzungsschritte, die sich daraus ableitende hungsstraße Mainz, d. h. dem Stadtring Mainz–Wiesbaden, Erfordernis zum Neubau und abschließend dessen Ausschrei- ein vordringliches Projekt. Zur Erschließung dieses Wirt- bungsentwurf. schaftsraums der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hessen waren zwei neue große Rhein- und eine Mainbrücke zu er- The new Rhine Bridge Wiesbaden-Schierstein, Germany – stellen. Competition and Design. The underestimated, existing Rhine Der Stadtring Mainz–Wiesbaden war durch die rechts- Bridge Wiesbaden-Schierstein was the watershed between rheinische Bundesstraße B 42 und die linksrheinische B 9 static and erection optimization. The winner of the design zu schließen und an den Rhein-Main-Schnellweg über die competition in 2007 for a new Rhine Bridge between Wies- B 26 mit der Autobahn Frankfurt–Basel (heute A 67) zu baden and Mainz confirms the basic design and construction verbinden. In einem ersten provisorischen Lückenschluss ideas of the former engineers. His design gathers experience durchfuhr der Ring die Mainzer Innenstadt entlang des of maintenance and retrofitting of the older bridge. The article Rheins. Heute bildet die A 60, ab Dreieck Mainz zusammen describes the main steps of design, construction and retrofit- mit den Bundesautobahnen A 643, A 66 und A 671 den ting of the older bridge, need and tender design of a new Mainzer Ring (Bild 1). Die Rheinbrücke Wiesbaden-Schier- bridge. stein ist heute Teil der Bundesautobahn A 643. 66 671 643 60 Bild 1. Übersichtkarte des heutigen Mainzer Ringes (Foto: Hessen Mobil) Fig. 1. Survey plan of the Mainz bypass motorway © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 82 (2013), Heft 2, S. 106-121 3 11_106-121_Pelke-Dieter (0024)_cs6.indd 106 25.01.13 09:31 E. Pelke/A. Dieter · Die neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein – Wettbewerb und Entwurf Bild 2. Einladung zur Verkehrsübergabe der Rheinbrücken Wiesbaden-Schierstein und Mainz-Weisenau (Foto: Privatarchiv Stern) Fig. 2. Invitation card of dedication ceremony and opening of the Rhine Bridge Wiesbaden-Schierstein for traffic Oberrheinisch wurde die Rheinbrücke Weisenau mit eines Mehrzweckfahrstreifens. Die Ausschreibungsunterla- einer größten Spannweite von rund 204 m durch M.A.N. gen, vor Beschluss veröffentlicht, wurden per Nachtrag ge- Gustavsburg und Krupp Rheinhausen fertiggestellt. Unter- ändert; das ursprüngliche Submissionsdatum vom 19. De- rheinisch wuchs die Rheinbrücke Schierstein zwischen 1959 zember 1958 auf den 30. Januar des Folgejahres verschoben und 1962 über den Rhein. Der rund 1,2 km lange Brücken- [1]. Diese kleine Episode mag die Dynamik im Verkehrs- zug überspannt mit fünf Teilbauwerken zwei schiffbare wegebau zu jener Zeit verdeutlichen. Stromarme und die Insel Rettbergsau. Ein sechstes, dreifel- Schon den Planfeststellungsunterlagen, recht über- driges Teilbauwerk aus Spannbeton mit mäßigen Spannwei- sichtlich in einen Erläuterungsbericht von fünf Seiten und ten um 33 m schließt sich auf hessischer Seite an. Am 13. sieben beigefügten Plänen gegliedert, lagen Teile des Bau- Dezember 1962 wurden beide Rheinbrücken feierlich dem werksentwurfes des Ingenieurbüros Leonhardt und Andrä Verkehr übergeben (Bild 2). Vier Jahre später schließt M.A.N. in Zusammenarbeit mit Louis Wintergerst (1913–1977) zu- Gustavsburg in Zusammenarbeit mit der Züblin AG mit der grunde. 150 m weit gespannten Mainbrücke Hochheim den Kreis. Der technische Gehalt des für damalige Verhältnisse Die persönliche Einladungskarte an den Montagebauleiter sehr detailliert ausgearbeiteten Verwaltungsentwurfs (VE) [2], der Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein, Paul Stern, zeigt erschließt sich am besten unter Zuhandnahme der öffent- den Stand der Verkehrswege Ende 1962. lichen Ausschreibung [1]. Sie stellt einen Entwurf für die Am Beginn der Planungen für die Rheinbrücke Wies- Gründung und drei Entwürfe für die Überbauten zur Wahl baden-Schierstein, 1955, wurde der Verkehr für die Rhein- und lässt Sonderentwürfe zu. querung mit täglich 7100 Kfz/24 h abgeschätzt und max. Allen Entwürfen liegen zwei Stromöffnungen, eine 23000 Kfz/24 h für möglich gehalten. Heute nutzen täglich große, nördliche Öffnung von 205 m auf Wiesbadener mehr als 80000 Fahrzeuge, 8 % davon Lkw, das Bauwerk. Der Seite und eine 170 m spannende Öffnung für den Rhein- Verkehr wird weiter auf rund 97000 Kfz/24 h, bei überpro- arm Mainz-Mombach, zugrunde. Für die Flutbereiche portional anwachsendem Schwerlastanteil, ansteigen. Mainz und Rettbergsaue sehen Leonhardt und seine Part- Die Planfeststellungsunterlagen wurden durch das da- ner Stützweiten von 70 m vor, den Flutbereich Wiesbaden malige Straßenbauamt Wiesbaden am 22. 09. 1958 aufge- unterteilen sie in Spannweiten von 70 m – 60 m – 55 m. stellt und durch den Leiter des Hessischen Landesamtes für Auf der Rettbergsau wird nach sieben der 14 Öffnungen Straßenbau, Oberregierungsbaudirektor Willi Henne (1907– dem Bewegungsspiel des einteiligen Überbaus durch eine 1977), am 13. Juli 1959 für beide Bundesländer erlassen. Dilatationsfuge Raum gegeben. „Abspannungen durch Wesentliche Änderung im Planungsrechtsverfahren war die Schrägkabel als Folge der beschränkten Bauhöhe sind vom Anhebung der Breite zwischen den Geländern um 1,00 m wirtschaftlichen Standpunkt aus“ in der Ausschreibung auf 25,50 m durch Entfall eines Mopedweges zugunsten durchaus erwünscht. 4 Sonderdruck aus: Stahlbau 82 (2013), Heft 2 11_106-121_Pelke-Dieter (0024)_cs6.indd 107 25.01.13 09:31 E. Pelke/A. Dieter · Die neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein – Wettbewerb und Entwurf Entwurf I: Sieht einen über 2 × 7 Öffnungen durchlau- Die Arbeitsgemeinschaft Polensky & Zöllner, Beton fenden reinen Stahlüberbau mit orthotroper Fahrbahn- und Monierbau und Ed. Züblin ist bei den Unterbauten platte vor, die sich über die gesamte Brückenbreite er- mit 4,8 Mio. DM Mindestbietende, ohne den Verwaltungs- streckt. Die Längsrippen der orthotropen Fahrbahnplatte entwurf ändern zu müssen [2]. bestehen aus mind. 10 mm dicken Flachblechen (ausge- Geschockt durch das Submissionsergebnis versuchen schriebener Baustahlverbrauch rund 12180 t). der Spannbeton und seine Befürworter, mit technischen Ar- Entwurf II (s. Bild 3): Bei gleichem statischen Längs- gumenten und politischer Einflussnahme das Blatt zu wen- system ersetzt über 955 m eine längs- und quervorgespannte den [5]. Deren Angebote lagen aber rund 10 % über dem Massivplatte die orthotrope Fahrbahnplatte. Zur Leichte- Mindestbietenden. Auch die Ingenieurskunst von Ulrich rung der großen Hauptöffnungen bleibt die stählerne Fahr- Finsterwalder (1897–1988) half nicht weiter (Bild 5) [6]. bahn auf Längen von 120 bzw. 145 m zwischengeschaltet Schlagen noch die Auftragsverwaltungen Hessen und und wird kraftschlüssig mit Stahlverbundüberbau verbun- Rheinland-Pfalz ihrem Bauherrn wahlweise den von M.A.N. den (ausgeschriebener Baustahlverbrauch rund 9350 t). abgewandelten Entwurf I mit Flutbrücken in Spannbeton Entwurf III: Bei gleichem statischen Längssystem fa- oder, alternativ, Finsterwalders Sondervorschlag eines Frei- vorisiert diese Variante über 1000 m einen reinen Spannbe- vorbaus in Spannbeton unter monolithischem Verguß von tonüberbau mit außerhalb der Stege angeordneten Spann- Pfeiler und Überbau vor, ist für den Referatsleiter Brücken- kabel, System Baur-Leonhardt. Einzuschwimmende, stäh- bau im Bundesverkehrsministerium, Wilhelm Klingenberg lerne Einhängeträger von 100 m bzw. 120 m entlasten die (1899–1981), das Angebot der Hein, Lehmann AG aufgrund Hauptöffnungen (ausgeschriebener Massenverbrauch: Bau- der hohen Preisdifferenz alternativlos ([2] und [5]). Hein, Leh- stahl Einhängeträger rund 2159 t, 850 t Spannstahl längs mann erhält am 28. 09. 1959 den Zuschlag mit 15,6 Mio. mit konzentrierten Spanngliedern Baur-Leonhardt, 327 t DM und der Vorgabe, rund 26 % des Liefergewichtes durch Längsvorspannung St 135/150 der Fahrbahnrippenplatte lokale Nebenunternehmer zu beziehen. Das Gewicht der und 270 t St 135/150 Quervorspannung Fahrbahnrippen- Stahlkonstruktion wird, wohl dem Ratschlag Leonhardts platte und Querträger, 19500 m³ Stahlbeton B 450). folgend, leicht um 60 t angehoben. Ein ursprünglich vorge- Die Balken aller Entwürfe laufen mit einer Bauhöhe sehenes unteres Bodenblech im Stützbereich der großen von rund 4,20 m durch und sind über den Strompfeiler mit Strombrücke entfällt noch. Als Prüfingenieur wird Fritz bis zu 7,60 m kräftig gevoutet. Gemeinsam ist ihnen die Leonhardt verdingt. Querschnittskubatur