Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement

Die neue Rheinbrücke -

Wettbewerb und Entwurf Projekt1 19.10.2007 08:32 Seite 1 Fachthemen

Eberhard Pelke DOI: 10.1002/stab.201310024 Alwin Dieter

Die neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein – Wettbewerb und Entwurf

Oft unterschätzt, stand die bestehende Rheinbrücke Wiesbaden- 1 Die vorhandene Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein Schierstein am Wendepunkt vom statischen zum fertigungsge- rechten Ingenieurbauwerk. Der Siegerentwurf des Realisierungs- Der erste Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen der neuen wettbewerbes 2007 bestätigte die Grundlagen von Entwurf und Bundesrepublik Deutschland 1956 richtete ein besonderes Ausführung der Jahre 1959 bis 1962 und zieht Schlüsse aus der Augenmerk auf die Verknüpfung von Ballungs- und wich- Unter- und baulichen Erhaltung des bestehenden Bauwerks. Der tigen Wirtschaftsräumen beiderseits des Rheins. Nach dem Aufsatz beschreibt Entstehung des bestehenden Bauwerks, Kölner Ring und dem Bonner Ring war der Bau der Umge- wesentliche Instandsetzungsschritte, die sich daraus ableitende hungsstraße , d. h. dem Stadtring Mainz–Wiesbaden, Erfordernis zum Neubau und abschließend dessen Ausschrei- ein vordringliches Projekt. Zur Erschließung dieses Wirt- bungsentwurf. schaftsraums der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hessen waren zwei neue große Rhein- und eine Mainbrücke zu er- The new Bridge Wiesbaden-Schierstein, – stellen. Competition and Design. The underestimated, existing Rhine Der Stadtring Mainz–Wiesbaden war durch die rechts- Bridge Wiesbaden-Schierstein was the watershed between rheinische Bundesstraße B 42 und die linksrheinische B 9 static and erection optimization. The winner of the design zu schließen und an den Rhein--Schnellweg über die competition in 2007 for a new Rhine Bridge between Wies- B 26 mit der –Basel (heute A 67) zu baden and Mainz confirms the basic design and construction verbinden. In einem ersten provisorischen Lückenschluss ideas of the former engineers. His design gathers experience durchfuhr der Ring die Mainzer Innenstadt entlang des of maintenance and retrofitting of the older bridge. The article Rheins. Heute bildet die A 60, ab Dreieck Mainz zusammen describes the main steps of design, construction and retrofit- mit den Bundesautobahnen A 643, A 66 und A 671 den ting of the older bridge, need and tender design of a new Mainzer Ring (Bild 1). Die Rheinbrücke Wiesbaden-Schier- bridge. stein ist heute Teil der Bundesautobahn A 643.

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60 Bild 1. Übersichtkarte des heutigen Mainzer Ringes (Foto: Hessen Mobil) Fig. 1. Survey plan of the Mainz bypass motorway

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 82 (2013), Heft 2, S. 106-121 3

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Bild 2. Einladung zur Verkehrsübergabe der Rheinbrücken Wiesbaden-Schierstein und Mainz-Weisenau (Foto: Privatarchiv Stern) Fig. 2. Invitation card of dedication ceremony and opening of the Rhine Bridge Wiesbaden-Schierstein for traffic

Oberrheinisch wurde die Rheinbrücke Weisenau mit eines Mehrzweckfahrstreifens. Die Ausschreibungsunterla- einer größten Spannweite von rund 204 m durch M.A.N. gen, vor Beschluss veröffentlicht, wurden per Nachtrag ge- Gustavsburg und Krupp Rheinhausen fertiggestellt. Unter- ändert; das ursprüngliche Submissionsdatum vom 19. De- rheinisch wuchs die Rheinbrücke Schierstein zwischen 1959 zember 1958 auf den 30. Januar des Folgejahres verschoben und 1962 über den Rhein. Der rund 1,2 km lange Brücken- [1]. Diese kleine Episode mag die Dynamik im Verkehrs- zug überspannt mit fünf Teilbauwerken zwei schiffbare wegebau zu jener Zeit verdeutlichen. Stromarme und die Insel Rettbergsau. Ein sechstes, dreifel- Schon den Planfeststellungsunterlagen, recht über- driges Teilbauwerk aus Spannbeton mit mäßigen Spannwei- sichtlich in einen Erläuterungsbericht von fünf Seiten und ten um 33 m schließt sich auf hessischer Seite an. Am 13. sieben beigefügten Plänen gegliedert, lagen Teile des Bau- Dezember 1962 wurden beide Rheinbrücken feierlich dem werksentwurfes des Ingenieurbüros Leonhardt und Andrä Verkehr übergeben (Bild 2). Vier Jahre später schließt M.A.N. in Zusammenarbeit mit Louis Wintergerst (1913–1977) zu- Gustavsburg in Zusammenarbeit mit der Züblin AG mit der grunde. 150 m weit gespannten Mainbrücke Hochheim den Kreis. Der technische Gehalt des für damalige Verhältnisse Die persönliche Einladungskarte an den Montagebauleiter sehr detailliert ausgearbeiteten Verwaltungsentwurfs (VE) [2], der Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein, Paul Stern, zeigt erschließt sich am besten unter Zuhandnahme der öffent- den Stand der Verkehrswege Ende 1962. lichen Ausschreibung [1]. Sie stellt einen Entwurf für die Am Beginn der Planungen für die Rheinbrücke Wies- Gründung und drei Entwürfe für die Überbauten zur Wahl baden-Schierstein, 1955, wurde der Verkehr für die Rhein- und lässt Sonderentwürfe zu. querung mit täglich 7100 Kfz/24 h abgeschätzt und max. Allen Entwürfen liegen zwei Stromöffnungen, eine 23000 Kfz/24 h für möglich gehalten. Heute nutzen täglich große, nördliche Öffnung von 205 m auf Wiesbadener mehr als 80000 Fahrzeuge, 8 % davon Lkw, das Bauwerk. Der Seite und eine 170 m spannende Öffnung für den Rhein- Verkehr wird weiter auf rund 97000 Kfz/24 h, bei überpro- arm Mainz-, zugrunde. Für die Flutbereiche portional anwachsendem Schwerlastanteil, ansteigen. Mainz und sehen Leonhardt und seine Part- Die Planfeststellungsunterlagen wurden durch das da- ner Stützweiten von 70 m vor, den Flutbereich Wiesbaden malige Straßenbauamt Wiesbaden am 22. 09. 1958 aufge- unterteilen sie in Spannweiten von 70 m – 60 m – 55 m. stellt und durch den Leiter des Hessischen Landesamtes für Auf der Rettbergsau wird nach sieben der 14 Öffnungen Straßenbau, Oberregierungsbaudirektor Willi Henne (1907– dem Bewegungsspiel des einteiligen Überbaus durch eine 1977), am 13. Juli 1959 für beide Bundesländer erlassen. Dilatationsfuge Raum gegeben. „Abspannungen durch Wesentliche Änderung im Planungsrechtsverfahren war die Schrägkabel als Folge der beschränkten Bauhöhe sind vom Anhebung der Breite zwischen den Geländern um 1,00 m wirtschaftlichen Standpunkt aus“ in der Ausschreibung auf 25,50 m durch Entfall eines Mopedweges zugunsten durchaus erwünscht.

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Entwurf I: Sieht einen über 2 × 7 Öffnungen durchlau- Die Arbeitsgemeinschaft Polensky & Zöllner, Beton fenden reinen Stahlüberbau mit orthotroper Fahrbahn- und Monierbau und Ed. Züblin ist bei den Unterbauten platte vor, die sich über die gesamte Brückenbreite er- mit 4,8 Mio. DM Mindestbietende, ohne den Verwaltungs- streckt. Die Längsrippen der orthotropen Fahrbahnplatte entwurf ändern zu müssen [2]. bestehen aus mind. 10 mm dicken Flachblechen (ausge- Geschockt durch das Submissionsergebnis versuchen schriebener Baustahlverbrauch rund 12180 t). der Spannbeton und seine Befürworter, mit technischen Ar- Entwurf II (s. Bild 3): Bei gleichem statischen Längs- gumenten und politischer Einflussnahme das Blatt zu wen- system ersetzt über 955 m eine längs- und quervorgespannte den [5]. Deren Angebote lagen aber rund 10 % über dem Massivplatte die orthotrope Fahrbahnplatte. Zur Leichte- Mindestbietenden. Auch die Ingenieurskunst von Ulrich rung der großen Hauptöffnungen bleibt die stählerne Fahr- Finsterwalder (1897–1988) half nicht weiter (Bild 5) [6]. bahn auf Längen von 120 bzw. 145 m zwischengeschaltet Schlagen noch die Auftragsverwaltungen Hessen und und wird kraftschlüssig mit Stahlverbundüberbau verbun- Rheinland-Pfalz ihrem Bauherrn wahlweise den von M.A.N. den (ausgeschriebener Baustahlverbrauch rund 9350 t). abgewandelten Entwurf I mit Flutbrücken in Spannbeton Entwurf III: Bei gleichem statischen Längssystem fa- oder, alternativ, Finsterwalders Sondervorschlag eines Frei- vorisiert diese Variante über 1000 m einen reinen Spannbe- vorbaus in Spannbeton unter monolithischem Verguß von tonüberbau mit außerhalb der Stege angeordneten Spann- Pfeiler und Überbau vor, ist für den Referatsleiter Brücken- kabel, System Baur-Leonhardt. Einzuschwimmende, stäh- bau im Bundesverkehrsministerium, Wilhelm Klingenberg lerne Einhängeträger von 100 m bzw. 120 m entlasten die (1899–1981), das Angebot der Hein, Lehmann AG aufgrund Hauptöffnungen (ausgeschriebener Massenverbrauch: Bau- der hohen Preisdifferenz alternativlos ([2] und [5]). Hein, Leh- stahl Einhängeträger rund 2159 t, 850 t Spannstahl längs mann erhält am 28. 09. 1959 den Zuschlag mit 15,6 Mio. mit konzentrierten Spanngliedern Baur-Leonhardt, 327 t DM und der Vorgabe, rund 26 % des Liefergewichtes durch Längsvorspannung St 135/150 der Fahrbahnrippenplatte lokale Nebenunternehmer zu beziehen. Das Gewicht der und 270 t St 135/150 Quervorspannung Fahrbahnrippen- Stahlkonstruktion wird, wohl dem Ratschlag Leonhardts platte und Querträger, 19500 m³ Stahlbeton B 450). folgend, leicht um 60 t angehoben. Ein ursprünglich vorge- Die Balken aller Entwürfe laufen mit einer Bauhöhe sehenes unteres Bodenblech im Stützbereich der großen von rund 4,20 m durch und sind über den Strompfeiler mit Strombrücke entfällt noch. Als Prüfingenieur wird Fritz bis zu 7,60 m kräftig gevoutet. Gemeinsam ist ihnen die Leonhardt verdingt. Querschnittskubatur des einteiligen Überbaus, bestehend Weitz und Homberg ändern nur wenig an der von Leon- aus zwei Hohlkästen, im Achsmaß 13,20 m entfernt und je hardt vorgegebenen Gestaltung eines geschwungenen, sich 2,80 m breit, verbunden nur über die jeweilige Fahrbahn- zurücknehmenden Bandes über den Rhein, gliedern jedoch konstruktion. Der Zeit entsprechend sind die filigranen, das Bauwerk in einen Brückenzug von zwei Strom- und massiven Fahrbahnplatten über Längs- und Querträger ge- drei Flutbrücken. Die beiden Stromöffnungen mit Spann- leichtert. Deckblech oder Betonfahrbahn laufen schramm- weiten von 205 m und 170 m werden in gevoutetem Stahl, bordfrei über 26,0 m zwischen den 65 cm hohen Gesimsen die beiden zwischen 50 m und 70 m spannenden Flutbrü- durch. Der Ausschreibung wurden gesonderte Bemessungs- cken sowie die Inselbrücke parallelgurtig in Stahlverbund regeln für Stahl, insbesondere der orthotropen Fahrbahn- ausgeführt. Beide Brücken erhalten einen einteiligen offe- platte und Spannbeton mitgegeben. nen, zweistegigen Kontinuumquerschnitt mit lastverteilen- Die Firma Hein, Lehmann mit ihrem Abteilungsleiter dem Kreuzwerk. Den Obergurt der Stahlbrücken bildet Fritz-Reinhard Weitz (1921–1983) unterstützt durch den eine orthotrope Fahrbahnplatte aus 12 mm Deckblech mit beratenden Ingenieur Hellmut Homberg (1909–1990) ge- V-förmigen Längs- und Querrippen. Deren Gehwege beste- ben mit 15,3 Mio. DM für den Überbau das preiswürdigste hen aus abgefugten Stahlbetonplatten, die auf stählernen, Angebot ab [2] (Bild 4). Die Gesamttonnage ermitteln die angenieteten Konsolen aufliegen. Die Fahrbahntafel der beiden Ingenieure zu 6777 t, 5158 t davon für die beiden Stahlverbundbrücken ist längs und quer vorgespannt und Strombrücken. erhält zusätzlich eine Montagevorspannung. Über den Stüt- Ihr Sondervorschlag eines offenen Querschnittes mit zen sorgen Neoprenzwischenlagen für einen elastischen zwei weitgestellten Hauptträgern verbindet zu dieser Zeit Verbund. baustatische Werkstoffoptimierung mit werkstatt- und mon- Das einheitliche Kreuzwerk für den gesamten Brücken- tagegerechtem Bauen (Bild 4). In einem internen Vermerk zug bilden Fachwerkquerträger und drei lastverteilende für das damalige Bundesverkehrsministerium erkennt Leon- Fachwerklängsträger. Über den Stützen wächst die Kon- hardt [3] die Leistungen der beiden Ingenieure an, denen struktionshöhe der beiden großen Strombrücken auf 7,65 m es durch den Querschnittswechsel und Auflösung von voll- im großen, und 7,20 m im kleinem Stromfeld an, verschlankt wandigen Tragwerksteilen gelungen sei, 23 % an Stahlmas- sich in Feldmitte auf 4,30 m und läuft zu den Flutbrücken sen gegenüber seinem Verwaltungsentwurf einzusparen. auf 4,27 m aus. 3,50 m Bauhöhe sind am Widerlanger Schier- Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass Hohlkästen durch stein ausreichend. An den Landpfeilern, gleichzeitig Längs- konstruktiv vorgegebene Mindestblechdicken und feh- festpunkt, ballastieren Stahlverbund-Flutbrücken die sich lende Abstufungsmöglichkeiten interne Tragwerksreserven anschließenden kurzen Endfelder beider Strombrücken, aufbauen mussten, die leider im Wettbewerb nicht hono- ein statischer Kunstgriff, der bei älteren Brücken gerne an- riert wurden. Auch die Umgehung des DEMAG-Patentes gewandt wurde und den auch Weitz und Homberg dankbar für Hohlrippen und die fehlende Anordnung von lastver- aufnahmen. teilenden Zwischensystemen sowie höhere Werkstatt- und Der Brückenzug ruht auf 22 Rollenlagern, teilweise Montagekosten für Hohlkästen mögen der Konkurrenzfä- Doppelrollenlager mit Kippleiste, Fabrikat Kreutz, an den higkeit des VE nicht förderlich gewesen sein [4]. Überbaukopplungen auf sechs Linienkipplagern, sowie vier

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3. 4. 5.

Bild Fig. Bild Fig. 1959 [6] DYWIDAG-Hochtief, Arge Sondervorschlag Wiesbaden-Schierstein, Bild 5. Rheinbrücke Fig.

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längsverschiebliche Topflager als Nadellager und vier erst- mals in Deutschland eingebaute Neotopflager in den Fest- punkten. Die sich am Ufer Wiesbaden-Schierstein als 6. Teilbauwerk anschließende Spannbetonbrücke verfügt über sechs Topfgleitlager und zwei längsfeste Topflager. Der orthogonale, offene Kontiuumsquerschnitt, mit über weiten Bereichen gleicher Bauhöhe, fördert durch seine hohe Anzahl von baugleichen Teilen vollautomatische Schweiß-Fertigungsverfahren. Auf den räumlichen Zusam- menbau in der Montagehalle kann verzichtet werden. Le- diglich den, über den Pfeilern um 70 cm auf 150 cm aufge- weiteten und bis zu 195 mm dicken Untergurtpaketen muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Sie werden im Druckbereich genietet und im Zugbereich zur Vermeidung von Nietlochschwächung geschweißt und mit Klemmschrauben verspannt [7]. Doch die Lohnkosten Bild 7. Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein, 1962 zum Fügen der filigranen Kreuzwerke beginnen bereits die Fig. 7. Rhine Bridge Wiesbaden-Schierstein on completion, Materialeinsparung zu übertreffen. 1962 Die Montage der Strombrücken erfolgte im beidseitigen Freivorbau (Bild 6). Die einzelnen Konstruktionselemente lik denn durch den sehr sportlichen Preis der Stadt Nürn- wurden nach Schiffstransport von Neuss auf einem Vormon- berg [2]. tageplatz zu Montageelementen zusammengefügt und über Obwohl in der Fachliteratur eher stiefmütterlich be- ein Montagevorbaugerät (Derrick) an der Einbaustelle einge- handelt, hat die Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein im hoben, ausgerichtet, geschlossert und endgültig verschweißt. Stahlbrückenbau eine herausragende Stellung, da sie den Die Montage richtete Weitz und sein Montageleiter Stern Wendepunkt von der Materialoptimierung hin zur Ferti- auf 50-t-Einheiten aus. Weitere Einzelheiten können [7] ent- gungsoptimierung setzt. Weitz beschreibt dies in [4, S. 131 nommen werden. Die zur gleichen Zeit errichtete Rheinbrü- und 160] mit der Hinwendung zur Querschnittkonzeption cke Weisenau wurde bereits mit bis 200 t schweren Großele- auf Grundlage geometrischer Präferenzen. Genau beschrie- menten über einen firmeneignen Schiffskran montiert [8]. ben hat Weitz die Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein in [7]. Der stark wechselnde und inhomogene, anstehende Ihre Stellung im Gesamtwerk Hombergs zeigt [9]. Baugrund mit stark unterschiedlichen Tragfähigkeiten zwang Abgerechnet wurden für den gesamten Überbau 7895 t, zu einem Gründungshorizont bis zu 10 m unter der Rhein- für die beiden Strombrücken 6100 t Baustahl, meist der Güte sohle. Die Strompfeiler gründen auf vorgespannten Caissons. St 52 ohne Lager, Geländer, Roste und Sonstiges, entspre- Die Flutbrücken setzen sich über 3,00 m messende Stahl- chend 143 kg/m² für den Stahlverbund bzw. 349 kg/m² für beton-Doppelsäulen auf Flachfundamente ab. Zusätzlich die Vollstahlbrücken [1]. Der Bauvertrag für Unter- und wurde der Boden verdichtet oder die Tragfähigkeit durch Überbauten wurde mit rund 32 Mio. DM schlussgerechnet. Kiesschüttungen und Rütteldruckverfahren angehoben. Strompfeiler und Widerlager der Rheinbrücke Wies- 2 Auf dem Weg zu einer neuen Brücke baden-Schierstein sind mit Granit des ehemaligen NS-Reich- parteitagsgeländes in Nürnberg verkleidet (Bild 7). Dies Aufgrund steigender Unterhaltungskosten und rückläufigen veranlasste den Verband der Granitindustrie zu intervenie- Zustandsnoten der Bauwerksprüfungen reifte in der Hessi- ren, weniger aufgrund der fragwürdigen politischen Symbo- schen Straßen- und Verkehrsverwaltung 1995 der Entschluss, die Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein grundhaft instand- zusetzen. Die aktuelle Verkehrssituation von 78500 Kfz/24 h mit einem Anteil von 4000 Lkw/24 h erzwang eine Anpas- sung an die aktuelle Brückenklasse 60/30 gemäß DIN 1972/ 1985. Lager, Korrosionsschutz sowie Abdichtung und Belag waren zu erneuern, Fahrbahnübergänge (Rollverschlüsse) je nach Schädigungsgrad zu ersetzen oder instandzusetzen, die Stahlbetongehwegplatten gegen angeschweißte Stahl- elemente auszutauschen und die Stahlbeton- und Spann- betonflächen mit den damals zugelassenen Betonersatzsys- temen zu schützen [10]. Abschließend sollte ein rein der Gestaltung dienender und längs des Untergurtes verlaufen- der Zierwinkel minderer Stahlgüte (St 37) zur Vermeidung möglicher Risse vorsorglich entfernt werden. Mit Hilfe einer Faltwerksberechnung, zusätzlichen Beul- Bild 6. Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein im Bau, Mai steifen an den Innenseiten der Hauptträger, der nun mit- 1961 [2] tragenden Gehwege und einer Reduktion der Zwängungen Fig. 6. Rhine Bridge Wiesbaden-Schierstein under construc- aus Wölbkraft durch Freisetzen überzähliger Festpunkte tion, 1961 gelingt Manfred Hanf der Weihermüller und Vogel GmbH

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der Nachweis, auch die damals aktuellen Einwirkungen ab- spiegelt noch das Primat der statischen Berechnung. Die tragen zu können. heute gültigen Mindestanforderungen gemäß DIN-Fachbe- Nach Entfernen von Belag und Abdichtung der Stahl- richt 103 Abs. IV [16] dagegen sind konstruktiv und ferti- verbund-Flutbrücken und Beseitigung der Gehwegplatten gungsgerechte Regelungen, wie dies Weitz in [4, S. 158 ff] wuchs die Erkenntnis, dass die Schädigung von Fahrbahn- schon forderte. platte und Querspannglieder durch jahrzehntelangen Tau- Sedlacek und Paschen [17] schließen daraus, „dass als salzeintrag bei unzureichender Betondeckung weitaus hö- Ursache der Rissbildung im Wesentlichen zufällig verteilte her war, als die ursprünglichen Untersuchungsergebnisse Schwachstellen der Nahtanschlüsse mit mangelhafter Aus- erwarten ließen. Bis in die Tiefe von 12 cm drang das Chlorid in führungsqualität in Frage kommen.“ Die orthotrope Fahr- den Beton zu den Querspanngliedern vor und minderte deren bahnplatte der Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein könne Querschnitts um bis zu 50 %. Rund 400 Gewi-Stähle des Durch- unter heutigen Gesichtpunkten nur dann als dauerhaft messers 16 mm waren den geschädigten Querspanngliedern gelten, „wenn der Querträgerabstand weniger oder gleich beizulegen. Der geschädigte Beton wurde teils ausgeräumt 2,75 m betragen würde, keine nennenswerten Versätze der und ersetzt, teilweise gelang aber nur dessen Isolierung. Die V-Rippen vorlägen, die Z-Güte nach [14] eingehalten wäre restliche Nutzungsdauer der Stahlverbundbrücken wurde und die Einwirkungen einem innerstädtischen Verkehr auf rund 20 Jahre ab Gutachtenerstellung (1995) prognos- gleichkäme“, so Sedlacek und Paschen in [17]. tiziert [11]. Die gewählte Sonderform der Stahlfahrbahn kann Wie befürchtet zeigten sich während der Stahlbauar- keine dieser Vorgaben erfüllen. Vielmehr erwartet [17] zu- beiten Anrisse an den geschweißten Untergurten der Stahl- künftig Ermüdungsprobleme und empfiehlt, von kostenin- verbundbrücken. Bei der Flutbrücke Wiesbaden erreichten tensiven Instandsetzungsmaßnahmen Abstand zu nehmen die Anrisse eine Schwächung des Untergurtes um ein Drit- und einen Ersatz der Brücke innerhalb von 10 bis 15 Jah- tel. Ausgehend vom Schweißnahtstoß des zuvor genannten ren anzustreben. Zierwinkels, griff der Anriss in den Hauptträgerstoß über. In Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium Bei den Strombrücken unterband die Trennung der Mate- für Verkehr, Bau und Wohnungswesen und Hessen Mobil rialien durch Nietung von Untergurt und Zierwinkel glück- werden 2005 die Prüfzyklen auf ein halbes Jahr verdichtet, licherweise eine Schädigung. festgestellte Risse laufend verschweißt und die vorläufige Die grundhafte Instandsetzung wurde zweistufig zwi- Restnutzungsdauer auf 2015 festgelegt. Für die sofortige schen 1997 und 1999 ausgeführt. Für die sich abzeichnende Sicherung und Beseitigung von Verkehrshindernissen im reduzierte Restnutzungsdauer war ein teilerneuerter Korro- Falle eines Gewaltbruches, liegt vor Ort im Widerlager sionsschutz ausreichend. Schlussgerechnet wurde mit rund Wiesbaden eine stählerne Stützkonstruktion für die Stahl- 21 Mio. DM. fahrbahn bereit. Schon beim Bau der Rheinbrücke, 1961, traten Anrisse Der bei älteren Brücken oft angewandte statische an den V-Längsrippen und Schweißnahtbrüche auf [2]. Ab Kunstgriff, Zuglager kurzer Endfelder durch anschließende 2000 sind durch die Bauwerksprüfung erneut Anrisse an den Bauwerke zu überdrücken, führte 2006 zu einem Ermü- Anschlussnähten der V-Längsrippen an den Querträgern do- dungsschrägriss in einer Konsole des ballastierenden Ent- kumentiert, die sich gleichmäßig über die Fahrbahnober- querträgers der Flutbrücke Rettbergsau, eine Gefährdung fläche verteilten. Eine Häufung der Risse in der Rollspur des der Standsicherheit, die nur unter sofortigem Verkehrsein- Schwerverkehrs, Indikator einer Materialermüdung, oder griff und kraftschlüssiger Notunterstapelung zu entschär- Stellen hoher Deckblechbeanspruchung, die sich auf ver- fen war. Folgerichtig sind Zugauflager und Zugkonsolen kehrsinduzierte Schädigungen zurückzuführen ließen, blie- für das neue Bauwerk ausgeschlossen. ben aus. In neuer Zeit treten vermehrt Schweißnahtrisse in der Umfangreiche Material- und Schweißnahtprüfungen Rollspur des Schwerverkehrs auf, sodass die Prognose ([12] und [13]) ergaben, dass an allen Schweißnähten, de- Sedlaceks einer einsetzenden Ermüdung zutreffend ist. ren Nähte sich in Nähe der Schmelzlinie des wärmebeein- Eine in 2006 ausgesprochene Geschwindigkeitsbeschrän- flussten Grundwerkstoff befinden, Gewaltbrüche vorlie- kung auf 60 km/h verlangsamte den Rissfortschritt erst gen. wirkungsvoll mit einer stationären, auch haushälterisch Terrassenbrüche werden erkannt. Zwar weisen die ein- erfolgreichen, Geschwindigkeitsüberwachungsanlage in gebauten Stähle hinsichtlich ihrer chemischen Zusammen- 2008. setzung und Festigkeit die Güte eines Werkstoffes St 355 Zwischen 2005 und 2011 schufen der Landesbetrieb nach DIN EN 100025 bzw. St 52 nach DIN 17100 auf. Die für Mobilität und Hessen Mobil gemeinsam die Vorausset- Anforderungen an die Beanspruchung in Dickenrichtung zungen zur Erlangung des Baurechts. Am 05. Januar 2012 nach DIN 10164, gleichlautend einer Neigung zum Terras- wurden zunächst auf hessischer Seite und folgend am 02. senbruch, bleiben dagegen unerreicht. März 2012 durch Rheinland-Pfalz die Planfeststellungsbe- Mit dem Bau der Rheinbrücke um 1960 erwachte erst schlüsse, nunmehr auf rund 675 Seiten ohne Anlagen an- das Bewusstsein um dieses gesonderte Bruchphänomen. gewachsen, durch die zuständigen Länderminister unter- 20 Jahre Erkenntnisgewinn waren erforderlich, um Emp- schrieben. fehlungen zur Prüfung und Einhaltung der Z-Güte durch Mit der Auslobung eines Gestaltungswettbewerbes ein Technisches Regelwerk [14] geben zu können [15]. beginnt die technische Planung des Neubaus der Rheinbrü- Neben den vorgenannten Material- und Schweißnaht- cke Wiesbaden-Schierstein. Eingebettet ist er in die länder- defiziten werden die V-Rippen an den Querträgern gesto- übergreifende Gesamtmaßnahme des 6-streifigen Ausbaus ßen und verfügen über bis zu 40 mm große Versätze. Die der A 643 zwischen dem Autobahndreieck Mainz und Au- konstruktive Ausbildung der orthotropen Fahrbahnplatte tobahnkreuz Wiesbaden/Schierstein.

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3 Der Gestaltungswettbewerb 2007 (Mainzer Becken) und in größeren Tiefen die Schichten 3.1 Wettbewerbsgrundlagen des oberoligozänen Corbicula-Kalk an. In den Uferberei- chen und der Rettbergsaue sind diese mit quartären Sedi- Die Auslobung [18] erfolgte nach den Grundsätzen und menten, pleistozänen und holozänen fluviatilen Sanden und Richtlinien für Wettbewerbe der Raumordnung des Städte- Kiesen des Rheins mit eingewehten Flugsanden bedeckt. baus und des Bauwesens (GRW 1995) in der Fassung von Die Schichten sind durch Brüche und Verkippungen ver- 2003 und der Verdingungsordnung für freiberufliche Leis- stellt. Wesentliche Merkmale der Untergrundverhältnisse tungen (VOF) als begrenzt offener Wettbewerb in einer sind die große Inhomogenität des Baugrundes in vertikaler einzigen Wettbewerbsstufe. Die Zusammenarbeit von Bau- und horizontaler Richtung und die Schwankungen der ingenieur und Architekt in einer Arbeitsgemeinschaft war Festigkeit und Tragfähigkeit in weiten Grenzen. Die Wasser- unter der Federführung des Bauingenieurs vorgeschrieben. durchlässigkeit des Untergrundes ist bereichsweise sehr Die potenziellen Teilnehmer wurden durch ein Auswahl- hoch. Die Wasserwegsamkeiten sind inhomogen und rich- gremium nach vorgegeben Kriterien herausgefiltert, wobei tungsunabhängig, das Grundwasser korrespondiert mit die fünf Teilnehmer mit der höchsten Punktzahl gesetzt und dem Rheinwasserstand. fünf weitere Teilnehmer unter notarieller Aufsicht zugelost Die Unterbauten des bestehenden Brückenzuges ver- wurden. Abzugeben waren Erläuterungsbericht, Kostenbe- fügen über eine ausreichende Tragfähigkeit bei vertikalen rechnung, Pläne, die Visualisierung des Entwurfes sowie Einwirkungen [19] aus ständigen Lasten und Verkehr. Bei eine Vorstatik. Die Wettbewerbssumme betrug 178000 €. horizontalen Einwirkungen nach [19] treten dagegen grö- ßere Defizite bei den meisten Bestandpfeilern auf. Daher 3.2 Wettbewerbsaufgabe dürfen, unter Anpassungsmaßnahmen, nur die Trennpfei- ler am Ende der Flutbrücken sowie die Strompfeiler bei- Der Wettbewerb erstreckt sich über alle sechs Teilbauwerke. behalten werden. Für den 6-streifigen Ausbau sind getrennte Überbauten Zum Schutz zusammenhängender Bebauungen am vorzusehen. Ein Überbau soll in der Trasse des bestehen- Rheinufer Wiesbaden ist eine Lärmschutzwand mit bis zu den Bauwerks und der andere soll mit veränderlichem 4,00 m Höhe auf der Außenkappe des neuen Überbaus in Zwischenraum auf der Unterstromseite des bestehenden der alten Brückenlage vorzusehen. Bauwerks errichtet werden. Der Zwischenabstand der Brü- Die Rettbergsaue und der überwiegende Teil des Pla- cken auf der Mainzer Uferseite beträgt 18,75 m und wird nungsbereiches sind ausgewiesene Fauna-Flora-Habitat durch die vorgegebene Lage des Fahrbahnüberganges der (FFH)-, Vogelschutz-, Natura 2000, oder Naturschutzge- bestehenden Abfahrtsrampe Mainz-Mombach bestimmt. biete. Zudem befindet sich das Bauwerk im Überschwem- Zunächst ist eine neue Brücke neben dem Bestand unter- mungsgebiet des Rheins. Die Rheinbrücke Wiesbaden- stromig zu erstellen, die bauzeitlich den gesamten Verkehr Schierstein quert Weich- und Hartholzauwälder sowie zwischen Wiesbaden und Mainz aufnimmt. Anschließend Feucht- und artenreiche Extensivwiesen, deren Böden eine wird die bestehende Brücke abgebrochen und neu aufge- natürliche Biotopentwicklung sichern. Die Rettbergsaue baut und abschließend der Verkehr der gegenläufigen Fahrt- beherbergt Brut- und Rastvögel. Von den vorkommenden richtungen über die getrennten Teilbauwerke geführt. Vogelarten ist bekannt, dass sie das bestehende Brücken- Beide Überbauten sind jeweils mit einem Regelwerk- bauwerk in der Regel überfliegen. All dieses ist naturschutz- schnitt RQ 36 gemäß der Richtlinien für die Anlage von rechtlich von hoher bis sehr hoher Bedeutung und mündet Autobahnen (RAA), entsprechend einer Breite von 21,1 m, in folgende Wettbewerbsregeln: auszubilden. Die Spurbreite der Fahrstreifen beträgt von – Die zu planenden Brücken sollten von möglichst weni innen nach außen 3,50 m – 3,50 m – 3,75 m und im Ab- gen Grundpfeilern oder Pylonen getragen werden und stand von 50 cm folgt ein 3,75 m breiter Standstreifen zur diese sind nach Möglichkeit nicht im FFH-Gebiet-Ge- Sicherstellung eines temporären bauzeitlichen Verkehrs. wässer zu plazieren. In den Uferbereichen zu Rheinland- Die Außenkappen erhalten einen 2,50 m breiten Rad- und Pfalz und Hessen wie auch im Bereich der Rettbergsaue Gehweg. Die Innenkappen sind regelhaft gemäß Richt- sollten keine hoch bis sehr hohen Lebensraumtypen in zeichnungen Kap. 1 einschließlich eines Übersteigschutzes Anspruch genommen werden und prioritäre Le- nach Gel. 17 auszubilden. bens-räume sind nicht zu beeinträchtigen. Die einseitige Regelquerneigung beträgt für beide Rich- – Tabuzonen zur Errichtung von Brückenpfeilern sind zu tungsfahrbahnen 2,50 %. Die Gradiente der Autobahn über beachten (betrifft das Ufer der Rettbergsaue zum Main- den Rhein steigt von der Mainzer Uferseite bis etwa Mitte zer Rheinarm). Rettbergsaue mit einer Längsneigung von 1,0 % an und fällt – Eventuelle Verseilungen der neuen Brücken sind so zu nach dem Trassierungshochpunkt mit einer Längsneigung wählen, dass sie kein massives Hindernis für die von 1,0 % in Richtung Wiesbadener Uferseite wieder ab. Die vorkommende Avifauna darstellen. Unterkante der bestehenden Brücke ist zur Sicherstellung – 10 m oberhalb der Brücken sind Flugkorridore offen zu des Schifffahrtsprofils einzuhalten. Die Konstruktionsunter- halten, damit ein ungestörter Überflug für die Avifauna kanten und Bauhöhen der neuen Rheinbrücke Wiesbaden- gewährleistet bleibt. Die Tabuzonen für die Freihaltung Schierstein ergeben sich somit aus den Vorgaben zur erfor- der Flugkorridore für die Avifauna sind zu beachten. Die derlichen lichten Durchfahrtshöhe unter Einhaltung des Farbgebung der zu planenden Brücken ist so zu wählen, Gefährdungsraums für die Schifffahrt gemäß DIN 1055-9 dass sie von der vorkommenden Avifauna wahrge- und den Höhenangaben zur Gradiente der Fahrbahnen. nommen werden kann. Im Untergrund der Trassenachse stehen marine Abla- – Auf eine Beleuchtung der Brücke ist nach Möglichkeit gerungen des Tertiärs, die oberoligozäne Hydrobienschicht zu verzichten, damit ein zusätzliches Kollisionsrisiko

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Bild 8. Wettbewerbsbeitrag Grontmij BGS-Ingenieurgesellschaft mit Ferdinand Heide, Frankfurt am Main Fig. 8. Competition entry of Grontmij consulting engineers in colloboration with Ferdinand Heide, architect

durch Anlockung, Blendung, Irritation oder Ablenkung 3.4 Wettbewerbsergebnis vermieden wird. –Es sollte ein Bauablauf gewählt werden, der die Eingriffe Unter der Leitung von Herrn Ministerialrat Joachim Nau- in die bestehenden NATURA 2000-Gebiete und in die mann trat am 13. Dezember 2007 das Preisgericht zusam- Uferbereiche so gering wie möglich hält. men [20]. Teilnehmer, ihr Wettbewerbsbeitrag und ihr er- – Abschließend waren die Auflagen der Wasser- und Schiff- zieltes Ergebnis zeigt Tabelle 1, wobei sie bei gleichem fahrtverwaltung zu berücksichtigen: Rang auf den Wertungsvorschlag der Vorprüfung zurück- – keine Einschränkungen der vorhandenen lichten greift. Weite von 200 m im nördlichen Rheinarm (Wiesbade- Drei Arbeiten waren aufgrund der Anordnung eines ner Fahrwasser) durch Strompfeiler Pfeilers in den naturschutzrechtlichen Tabuzonen in der – keine Strompfeiler im Mombacher Arm, später auf Rettbergsaue auszuschließen (vgl. Tabelle 1). Die Wettbe- Pfeiler westlich der Rettbergsaue beschränkt. werbsbeiträge des letzten Rundganges erhielten folgende – lichte Durchfahrtshöhe für die Schifffahrt von 9,10 m Beurteilung: über HSW 84,04 m ü. NN im rechten Rheinarm auf 150 m Breite mittig zur Fahrrinnenachse und im 1. Preis: Ingenieurbüro: Grontmij BGS-Ingenieurgesell- linken Rheinarm über der nördlichen Hälfte schaft, Frankfurt am Main, Architekturbüro: Ferdinand – Mindestabstand von 15 m quer zur Fließrichtung zwi- Heide, Frankfurt am Main (Bild 8) schen neuen, nicht mit den vorhandenen Strompfei- Als Deckbrücke zeichnet sich das Bauwerk durch seine lern fluchtenden Strompfeilern einfache Bauweise und die an die Umgebung angepasste – radargerechte Gestaltung von Brücken über Bundes- Gestaltung aus. Die Zugänglichkeit des Bauwerks und da- wasserstraßen gem. Rundschreiben des Bundesminis- mit der künftige Wartungs- und Unterhaltungsaufwand ters für Verkehr vom 14. 2. 1994. sind voraussichtlich gering. Der Entwurf stellt sowohl in der Unterhaltung als auch in den Herstellkosten die wirt- 3.3 Wertungskriterien schaftlichste Lösung dar. In Betrachtung der Umweltver- träglichkeit ist die gewählte Bauweise optimal, da sich Die Kriterien zur Beurteilung der Wettbewerbsbeiträge wur durch den flachen Überbau keine Einschränkungen auf die den sorgsam im Zusammenspiel von Bundesministerium Avifauna ergeben. Kritisch zu betrachten sind der schwin- für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und seiner Auf- gungsanfällige Fußgängersteg sowie die Klärung einiger tragsverwaltung Hessen Mobil ausgewählt. Sie reflektieren Details. den Wunsch des Bauherrn, nach dem „au point“ errichte- ten Ingenieurmeisterwerk, eine nachhaltige Rheinquerung 2. Preis: Ingenieurbüro: Peter und Lochner, Stuttgart, Ar- mit gezielten Tragwerksreserven bei geringen Lebenszyk- chitekturbüro: Asp Architekten, Stuttgart (Bild 9) luskosten und hoher Verkehrsqualität zu bekommen. Die Bauweise als Schrägseilbrücke stellt aus gestalteri- Daraus entwickelt sich folgende Wertungsmatrix: scher Sicht ein markantes Objekt für diese Region dar. – Standsicherheit und Robustheit (20 %) Die Verbindung und das Gegenüber beider Hauptstädte – Realisierbarkeit der Konstruktion/Bauverfahren (10 %) werden hier auf interessante Weise dargestellt. Die beiden –Dauerhaftigkeit und Gebrauchsfähigkeit/Nachhaltigkeit Flussarme werden durch die unterschiedlich großen (10 %) Spannweiten deutlich gemacht. Jedoch ist durch die vor- – Wirtschaftlichkeit (15 %) gesehenen Pylone und Schrägseile eine Beeinträchti- – Unterhaltung und Prüfbarkeit (10 %) gung der Avifauna gegeben. Die im Bauzustand erforder- – Umweltverträglichkeit (20 %) liche horizontale Abspannung der Flussfelder zu den –Gestaltung und Einbindung in das städtische Umfeld Ufern erscheint sehr aufwendig. Der Einbau von Druck- (10 %) riegeln im Endzustand ist noch nicht abschließend – Innovation (5 %). geklärt.

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Tabelle 1. Neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein, Wettbewerbsteilnehmer und Wettbewerbsergebnis Table 1. Competitor and results of New Rhine Bridge Wiesbaden-Schierstein competition

Rang Wettbewerbsteilnehmer Anzahl Anzahl Stützweiten [m] Haupttrag- Querschnitt Hauptragwerk Bauhöhe Felder Teilbau- werk Haupttrag- werke werk [m] 0 Ausschreibung, Entwurf II, (15) 14 (3) 2 (Rahmen unbekannter Spannweite mit zwi- gevouteter Plattenbalken mit Stahlhohlkasten- 7,60 – 4,20 als Nullvariante 01, 1958 schenliegendem Straßendamm) Balken stegen in den Stromöffnungen auf Ingenieurbüro Leonhardt und 55,0 – 60,0 – 70,0 – 85,0 – 205,0 – 85,0 – 70,0 120 m bzw. 145 m Länge ortho- Andrä in Zusammenarbeit mit 70,0 – 70,0 – 70,0 – 170,0 – 70,0 – 52,2 – 46,4 trope Fahrbahn sonst längs- und Luis Wintergerst, Stuttgart = 1178,6 (1220,0) quer vorgespannter Stahlbetonfahr- bahn 0 Vorhandenes Bauwerk als 17 (6) 5 (32,88 – 32,88 – 32,88) gevouteter offener Kontiumumsquerschnitt 7,65–4,58 Nullvariante 02, 1959 55,0 – 60,0 – 70,0 Balken mit orthotroper Fahrbahnplatte Hellmut Homberg, Ingenieur- 85,0 – 205,0 – 85,0 und lastverteilendem Kreuzwerk büro Homberg, Hagen 70,0 – 70,0 – 70,0 Reinhard Fritz Weitz, Hein, 70,0 – 170,0 – 70,0 Lehmann AG, Düsseldorf 52,2 – 46,4 = 1183,0 (1281,63) 1 Ingenieurbüro: Grontmij 14 2 (22,5) gevouteter einzelliger Hohlkasten 8,00 – 3,50 BGS-Ingenieurgesellschaft, 52,0 – 60,0 – 60,0 – 70,0 – 102,5 – 205,0 – 102,5 Balken S 355/S 460 3,00 (Flut- Frankfurt am Main 90,0 – 102,5 – 205,0 – 102,5 – 55,0 – 50,0 Haupttrom- und Nebenöffnung bereich) Architekturbüro: Ferdinand = 1285,0 orthotrope Fahrbahnplatte Heide, Frankfurt am Main Flutbereiche Stahlbetonfahrbahn C 35/45 Wechsel auf Stahlverbundplatten- balken mit Hohlkastenstegen in Flutbereichen 2 Ingenieurbüro: Peter und 15 3 49,5 – 60,0 – 60,0 – 256,0 – 60,0 – 60,0 Schrägseil- einzelliger Hohlkasten mit abge- 3,20 Lochner, Stuttgart 60,0 – 64,0 – 328,0 – 68,0 – 68,0 64,0 Mittelträ- strebten Kragarmen Architekturbüro: 34,2 - 34,2 34,2 gerbrücke Stromfeldern in Stahl S 355 Asp Architekten, Stuttgart = 1280,1 räumliche Flutbereiche in Spannbeton nach au- C 35/45 über den Stützen C 70/85 ßen lau- fende Tragseile

3 Ingenieurbüro: Krebs und 10 1 168,6 – 240,0 – 165,0 – 130 – 205,0 – 130,0 – Zügelgurt- hybrider, einzelliger Hohlkasten in 8,50 – 2,00 Kiefer, Darmstadt 77,0 – 63,0 55,0 48,0 brücke Spannbeton C 70/85 und Stahlver- Architekturbüro: K+R Plan – = 1277,0 bund S 355/C35/45 Krug und Schnorr, Darmstadt

4 Ingenieurbüro: Ingenieurbüro 15 3 45,8 – 45,8 – 45,8 gevouteter offenes Stahlverbund-Strebenfach- 9,00 – 5,00 Binnewies, Hamburg 112,2 – 151,33 – 151,33 – 151,33 – 205,0 – 112,3 Fachwerk- werk mit weitgestellten Hauptträ- Architekturbüro: 43,47 – 43,47 – 43,47 – 43,47 – 43,47 – 43,47 balken gern aus S 355 I-Profilen und S460- Prof. Winking, Hamburg = 1281,61 LP-Untergurten gekoppelte Stahlbetondruckgurte über den Stützen C 50/60

5 Ingenieurbüro: Schlaich, Ber- 14 2 68,0 – 68,0 – 68,0 – 68,0 – 100,0 – 205,0 100,0 Zügelgurt- gevouteter Stahlbeton-Stahlver- 4,30 – 3,00 germann und Partner, Stuttgart – 55,0 brücke bund-Trägerrost in S 355 und C Architekturbüro: H. Gries 55,0 – 100,0 205,0 100,0 40,0 50,0 35/45 mit offenen Profilen und Be- Architekt, Stuttgart = 1282,0 tondruckriegel in Höhe Pylon

6 Ingenieurbüro: Schüßlerplan, 18 4 4 × 46,5 Schrägseil- Stahlverbundplattenbalken mit 4,00 Frankfurt am Main 56,25 – 168,75 – 56,25 – 50,75 brücke mit Hohlkastenstegen in S 355 / Architekturbüro: Peter Kulka, 50,75 – 50,75 – 62,50 – 250,0 – 62,5 – 50,75 außenlie- C 35/45 Köln 4 × 46,5 genden Spannbetonplattenbalken in = 1282,0 Tragseilen C 40/50 mit Hohlkastenstegen zur Rückhängung 7 Ingenieurbüro: Grbv, Hannover 14 2 76,5 – 70,0 – 70,0 – 70,0 – 240,0 – 70,0 – 70,0 Zügelgurt- Stahlverbundträgerrost aus ge- 3,50 Architekturbüro: Dissing + 70,0 – 70,0 – 240,0 – 70,0 – 70,0 – 51,0 – 51,0 brücke schweißten, außenliegenden, ein- Witling Architekturfirma a/s = 1288,5 zelligen Hohlkästen Kopenhavn/DK S 355 C k.A.

8*) Ingenieurbüro: BUNG, 19 3 59,0 – 70,0 – 70,0 – 70,0 – 85,0 – 85,0 – 70,0 – gevouteter Stahlverbundfachwerkröhre in S 11,50 – 6,68 Heidelberg 52,2 – 46,4 Fachwerk- 460/S 355 mit C 35/45 teilweise Architekturbüro:AS&P Albert 96,0 – 205,0 – 96,0 balken Fahrwerkhohlprofile mit C 90/105 Speer & Partner, Frankfurt am 34,43 – 36,88 – 39,0 – 43,0 – 43,0 – 43,0 – 39,27 gefüllt Main = 1284,2

8*) Ingenieurbüro: Leonhardt, 14 1 32,03 – 46,0 – 55,0 – 60,0 – 60,0 – 120,0 – gevouteter Stahlbetonverbundplattenbalken 8,10 – 2,00 Andrä und Partner, Stuttgart 205,0 – 120,0 – 60,0 – 60,0 – 110,0 – 185,0 Balken mit Hohlkastenstegen bei geschlos- Architekturbüro: Jean-Jacques 110,0 – 58,60 senem Stahlobergurt S 355 mit Zimmermann = 1281,63 C 30/37 Doppelverbund in den Stromfel- dern in C 50/60 Fertigteilfahrbahn

9*) Ingenieurbüro: Vössing, 12 3 48,0 – 55,0 Schrägseil- Stahlhohlkasten pro Fahrtrichtung 4,00 Düsseldorf 65,0 – 80,0 – 80,0 – 290,0 – 108,33 Mittelträ- über Fachwerkverbände gekoppelt Architekturbüro: Greisch 108.34 – 108,33 – 170,0 – 103,0 – 66,0 gerbrücke bereichsweise mit orthotroper Ingenieure S.A. Lüttich + = 1282,0 (S 335) und Stahlbetonfahrbahn Schröder Ass., Luxemburg (C 30/37) am Pylonpfeiler über Streben abgestützt

*) Wertungsausschluss aufgrund Anordnung einer Pfeilerstellung westlich der Rettbergsaue

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Pylon Schrägseil Tragwerk Querschnitt Bauhöhe Gründung Anzahl Lager max. Zügelgurt Flutbrücken Flutbrücken Flutbrücken Festpunkte in Dehnweg [m] Längsrichtung öko [mm] – – – – – Caissongründung der 2 Festlager nicht 220 Strompfeiler näher benannt Brunnengründung der Rollen- oder Flutpfeiler beide 7 m–8 m Pendellager unter Rheinsohle

– – Balken offener Kontinu- 4,58 Caissongründung der 2 Rollenlager 400 umsquerschnitt mit Strompfeiler, Flachgrün- Nadellager vorgespannter dungen mit Bodenvedich- Neotopflager Stahlbetonfahrbahn tung teilweise mit Rüttel- und lastverteilen- druckverfahren dem Kreuzwerk

– – Am Widerla- vorgespannte 1,50 Wiederverwendung 2 Kalottenlager 600 ger Wiesba- Ft-Träger der Caissongründung, an- Sonderlager den kurzer sonsten Flachgründungen für bis zu 50 Endrahmen ggf. Bodenaustausch MN (22,5 m)

mittig, Parallellitze Platte Spannbetonmassiv- 1,30 Großbohrpfähle bzw. 2 (Pylone) längsbweg- 570 schräggestellt Seilabstand 52 m platte Ortbetonrammpfähle liche Kalotten- Stahlbeton C 45/55 bzw. 44 m (Spannweiten lager Hohlkasten Durchmesser 3 × 34,2 m) Doppelpylon 150 mm in C 35/45 (Seite Mainz) biegesteif mit Pfahlgründung verbunden außenliegend Stahlhohlkasten in – – – Wiederverwendung 1 Kalottenlager 840 Stahlbeton S 355 der Caissongründung, an- Rechteck, massiv sonsten Flachgrünungen

– – Balken Stahlverbund- 2,50 Caissongründung 3 Vorlandbrücke 400 plattenbalken Ansonsten Flachgründung Punktkipp- mit Querträger ggf. durch Kleinbohr- lager a = 5,0 m pfähle verstärkt Fachwerk S 355/S 460 und längsweiche C 50/60 Stahlstützen S 460 außenliegend, Stahlzugglied aus – – – Wiederverwendung der 2 Kalottenlager k. A. Stahlbeton in C Blech mit aufge- bestehenden Gründung 55/67 schweißten Lamel- Tiegründung mit Groß- len bohrpfählen S 335 („Segel“) außenliegend Stahl- vollverschlossen Balken Spannbetonplatten- 2,10 Flachgründung 4 Kalottenlager k. A. beton in C 40/50 Seilabstand balken in C 40/50 (Flutbrücken (Flutbrücken H-Querschnitt 56,25 m semiintegral semiintegral) Durchmesser Festpunkt 130 mm Brückenmitte)

Stahl Stahlhohlkasten in – – – Flachgründung k. A. Topflager 400 k. A. S 355 Zugverankerung in den Nebenspann- weiten erf. – – Balken Stahlverbundplat- 3,80 Tiefgründung mit Groß- 4 Kalotten- und 900 tenbalken in S 1,60 – 2,10 bohrpfählen Topflager 460/S 355 mit C 35/45 biegesteif mit zweizelliger Stahlhohlkasten verbunden Spannbeton-Plat- tenbalken – – – – – Stahlverbundstützen 1 Kalottenlager k. A. Flachgründung auf Boden- verbesserung

mittig biegesteif im Parallellitze Balken Plattenbalken mit 4,00 Flachgründung am Pylon und Elastomer- 700 Strompfeiler ange- Seilabstand 40 m einhüftiger Stahlhohlkastenste- Stahlschräg- Topflager schlossener Stahl- Durchmesser Rahmen mit gen bereichsweise stütze im Main- betonhohlquer- 150 mm Schrägstiel mit orthotroper zer Vorlandbe- schnitt rheinab- (S 335) und Stahl- reich wärts seitlich durch betonfahrbahn Stahlrohrstrebe (C 30/37) S 355 gehalten

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Bild 9. Wettbewerbsbeitrag Peter und Lochner mit Asp Bild 11. Wettbewerbsbeitrag Binnewies mit Prof. Winking, Architekten, Stuttgart Hamburg Fig. 9. Competition entry of Peter and Lochner consulting Fig. 11. Competition entry of Binnewies consulting engi- engineers in colloboration with Asp architects neers in colloboration with Prof. Winking, architect

3. Preis: Ingenieurbüro: Krebs und Kiefer, Darmstadt, Ar- 3.5 Wertung aus Sicht des Bauherrn chitekturbüro: K+R Plan – Krug und Schnorr, Darmstadt (Bild 10) Der Realisierungswettbewerb nach GRW aus 2007 bestätigt Die gevoutete Balkenbrücke mit flachen Zügelgurtabspan- den Ausschreibungswettbewerb aus dem Jahre 1959. Beim nungen stellt eine standsichere Konstruktion dar und hält Bauherrn und seiner Auftragsverwaltung wuchs die Er- die Einflüssea uf die Umwelt gering. Unmotiviert erscheint kenntnis, dass die zurückhaltende Architektur des Leon- die Anordnung der Zügelgurte statt über dem größeren hardt-Hombergschen Brückenzuges zeitlos modern und nur Rheinarm über den kleineren Rheinarm in dem eher natür- schwer zu übertreffen ist. Mit modernem technischen Kennt- lichen Umfeld, die Begründung mit der Ländergrenze mu- nisstand unterfüttert, entspricht der Leonhardtsche Aus- tet eher willkürlich an. Die grüne Farbgestaltung der Stahl- schreibungsentwurf I nahezu dem Siegerentwurf aus 2007. teile wird sowohl für die Einpassung in die vorhandene Der Entwurf II darf als geradezu visionär genannt werden. Umgebung als auch bezüglich der Unterhaltung als proble- Dagegen lösen Entwürfe von Schrägseilbrücken, zu matisch angesehen. Die Zugänglichkeit zu den äußeren denen bereits 1959 aufgefordert wurde, die Planungsaufgabe Lagern ist nicht gewährleistet, die hohe Anzahl der Kop- mit ihren stark wechselnden Stützweiten nicht. Das Abrü- pelstellen ist ungünstig. cken der Fahrbahn auf Mainzer Seite erfordert für den Bau erhebliche Hilfsmaßnahmen, wie z. B. Hilfsabspannungen 4. Rang: Ingenieurbüro: Ingenieurbüro Binnewies, Hamburg, (Peter & Lochner) oder Stabilisierungsstreben (Vössing) Architekturbüro: Prof. Winking, Hamburg (Bild 11) und führt zu ungünstigen Beanspruchung der Tragkon- Die Deckbrücke ist als Fachwerk ausgebildet und macht struktion. Alle drei Wettbewerber mit Schrägseilbrücken die Brücke optisch leicht und transparent. Die offenen konnten keine schlüssige Lösung erarbeiten. Doppel-T Profile stellen in der Unterhaltung des Bauwerks Folgerichtig boten drei Wettbewerber Zügelgurtbrücken (Korrosionsschutz, Vogelnistplätze etc.) einen erheblichen an, die dem städtischen Umfeld durchaus gerecht würden, Aufwand dar. Die Ausbildung des zusätzlichen Untergurtes aber bei Dauerhaftigkeit und Unterhaltung Defizite zeigen. aus Beton zur Aufnahme der Druckkräfte ist nicht eindeu- Einer der Entwürfe wirkte leicht und transparent und ent- tig geklärt. Die Vollstöße Untergurt/Obergurt erscheinen hält eine Anzahl von Innovationsvorschlägen. Hier wäre konstruktiv problematisch. Als negatives Element wird eine vertiefende Ausarbeitung wünschenswert gewesen. auch die Pfeilerstellung mittig im Rheinarm betrachtet. Der Siegerentwurf verzichtet auf architektonische Gimmicks. Er punktet durch eine saubere ingenieurmäßige Durcharbeitung, insbesondere bei Konstruktion, Bauverfah- ren, Dauerhaftigkeit und Gebrauchsfähigkeit sowie der Unterhaltung. Er investiert in das direkt befahrene Bauteil und setzt das Weitzsche Diktum des fertigungsgerechten Konstruierens um. Der Siegerentwurf hebt sich von den anderen Arbeiten deutlich ab.

4. Der ausschreibungsfähige Bauwerksentwurf nach RAB-ING [21] 4.1 Längs- und Querschnittsgestaltung Überbau Bild 10. Wettbewerbsbeitrag Krebs und Kiefer mit K+R Plan – Krug und Schnorr, Darmstadt Die Streckentrassierung der Schiersteiner Rheinbrücke ver- Fig. 10. Competition entry of Krebs and Kiefer consulting läuft für beide Überbauten in der Geraden (Bild 12). Der engineers in colloboration with K+R Plan – Krug and Schnur, Achsabstand der beiden Überbauten in Achse O am Wider- architects lager Wiesbaden beträgt etwa 18,90 m und der lichte Brü-

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Bild 12. Bauwerksentwurf Neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein Grundriss und Längsschnitt FR Mainz [20] Fig. 12. Plan view and longitudinal section of the New Rhine Bridge Wiesbaden-Schierstein

ckenabstand zwischen den Kappen etwa 2,60 m. Bedingt Im Bereich über der Rheingaustraße, von Achse N bis durch die erforderliche Anbindung der Überbauten an die O, sind Rahmen aus vorgespannten Halbfertigteilen mit Vorlandbauwerke in Rheinland-Pfalz, Anschlussstelle Mom- Ortbetonergänzung vorgesehen. In den Achsen C, F und J bach, und eines sich dadurch ergebenden Zwangspunktes wechselt die Überbauausbildung des Querschnitts von ei- aus der Verkehrsführung, sind die Achsen der Überbauten ner reinen Stahlkonstruktion (Bild 13) zu einem Verbund- im Grundriss mit einem Winkel von etwa 0,7 gon gespreizt. querschnitt (Bild 14) mit Betonfahrbahnplatte. In den Ach- Dadurch vergrößert sich im Anschlussbereich an die Vor- sen C und J wird dabei zusätzlich ein Übergang von einem landbauwerke auf Rheinland-Pfälzer Seite der Abstand der 2-zelligen Verbund-Hohlkastenquerschnitt in einen 1-zelli- beiden Achsen auf etwa 33,0 m und der lichte Abstand auf gen Stahlhohlkasten vorgesehen. Alle Materialübergänge ca. 16,70 m. werden als biegesteife Anschlüsse ausgebildet. Die Überbauten der Brücke bestehen jeweils aus zwei Für die beiden Hauptöffnungen mit jeweils 205 m hintereinander liegenden Durchlaufträgern mit Stützweiten Spannweite und die beidseitig angrenzenden Nebenöff- von 50 m – 55 m – 102,5 m – 205 m – 102,5 m – 89 m und nungen mit 102,5 m Spannweite sind einzellige Stahlhohl- 102,5 m – 205 m – 102,5 m – 70 m – 60 m – 60 m – 47 m kästen mit orthotroper Fahrbahnplatte vorgesehen. Mit bzw. 52 m sowie einem anschließenden Rahmen mit ca. einer Konstruktionshöhe von 4,8 m in Feldmitte der 29,9 m Stützweite. Die Gesamtlänge der Überbauten beträgt Hauptöffnungen ist ein sehr schlanker Überbau gelungen 1285,85 m (für die Brücke Unterstrom) bzw. 1280,92 m (für (l/43). Dennoch ist an diesen Stellen die Durchbiegung auf die Brücke Oberstrom). l/375 = 54 cm begrenzt. Die Querschnittshöhe verändert Die beiden Durchlaufträger ruhen in Achse G auf einem sich parabelförmig, so dass über den Pfeilern eine Vouten- gemeinsamen Trennpfeiler und werden mit einer Übergangs- höhe von 8,3 m entsteht. Die Stegbleche haben über den konstruktion verbunden. Die Festpunkte in Längsrichtung gesamten Brückenbereich eine konstante Schrägneigung. werden für die südlichen Durchlaufträger jeweils in Achse Die Stahlquerschnitte der Überbauten werden aus Bau- E und für die nördlichen Träger in Achse I angeordnet. stahl der Güte S 355 J2+N bzw. S 355 K2+N (65 mm < t ≤ Weitere Dehnfugen für den Stahl- und Stahlverbundüber- 80 mm) hergestellt. Die für den Baustahl geforderten Zug- bau werden dadurch nur noch in den Achsen A und N werte (Streckgrenze, Zugfestigkeit) sind in Walzlängs- und bzw. N´ benötigt. Querrichtung zu erfüllen und nachzuweisen. Die Querschnittsgestaltung der Deckbrücke gliedert Bei der chemischen Zusammensetzung des Baustahls – sich im Wesentlichen in zwei Materialkonzepte, die entspre- Schmelzenanalyse – ist neben den geforderten 14 Elemen- chend ihrer Tragwirkung unter Berücksichtigung von stati- ten nach DIN 18 800-1 [23] zusätzlich auch der Massenan- schen, wirtschaftlichen und architektonischen Gesichtspunk- teil Bor in % anzugeben. Der Grenzwert von B ≤ 0,0008 ist ten in den entsprechenden Feldbereichen vorgesehen sind: einzuhalten und nachzuweisen. Für die Massenanteile Zum einen sind es Stahlverbundquerschnitte mit Stahl- Schwefel und Phosphor in % sind, abweichend von der betonfahrbahnplatten von Achse A bis C, F bis G und J bis Norm, folgende strengere Grenzwerte einzuhalten und N. Zum anderen sind die großen Hauptöffnungen im Strom- nachzuweisen: S ≤ 0,005 und P ≤ 0,015. bereich als Stahlquerschnitte mit orthotroper Fahrbahn- platte von Achse C bis F und Achse G–J konzipiert. 4.2 Besonderheiten der orthotropen Fahrbahn Für die Lagerung der Überbauten werden wegen der hohen Lasten und Lagerverdrehungen ausschließlich Ka- Der Forderung nach einer besonders robusten Konstruk- lottenlager bzw. Kalottengleitlager nach DIN EN 1337 [22] tion für die Ganzstahlbauwerke wurde im Entwurf dadurch eingebaut. Rechnung getragen, dass das Fahrbahndeck – die orthotrope

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Bild 13. Bauwerksentwurf Neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein, Stahl-Regelquerschnitte des Feldes und über den Stützen [20] Fig. 13. Cross section at midspan and piers of the steel superstructure

Bild 14. Bauwerksentwurf Neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein, Stahlverbund-Regelquerschnitt mit V-Stützen [20] Fig. 14. Composite cross section of the composite superstructure

Platte – (direkt unter dem „fahrenden Rad“) eine hohe 4.3 Biegesteife Übergänge Steifigkeit und damit Dauerhaftigkeit erhält. Der Regelabstand der Querträger zur Aussteifung des Die Verbundbrücken wurden mit Ausnahme der Dilatations- Querschnitts ist deshalb auf 3,5 m, und die Querträger- stelle in Achse G biegesteif mit den 3-feldrigen Stahlbrücken höhe ist auf 1,0 m festgelegt. Als Beulaussteifung werden gekoppelt, um die Anzahl der Fugen im Bauwerk und damit Trapezhohlsteifen mit einer Bauhöhe von 400 mm ge- den Wartungsaufwand zu minimieren. Durch die Koppelung wählt. Das relativ geringe Mehrgewicht von < 5 % im Ver- der Verbundbrücken mit den Stahlbrücken werden außer- gleich zur gesamten Stahlmasse rechtfertigt diese Maß- dem die abhebenden Auflagerkräfte in den kurzen Endfel- nahme. dern der Stahlbrücken reduziert.

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4.4 Trennpfeiler zur Vermeidung von Überbaukopplungen

In Achse G sind getrennte Auflager für die Stahl- und die Verbundbrücke vorgesehen, d. h. die Verbundbrücke über die Rettbergsaue und die Stahlbrücke über dem Rhein ha- ben hier ein Endauflager mit jeweils zwei Lagern je Teil- bauwerk und eine Übergangskonstruktion. Zur Vermeidung abhebender Lagerkräfte, die in Achse G aus dem Stützweitenverhältnis und unter bestimmten Belastungssituationen entstehen, wird beginnend bei Achse G auf einer Länge von 22 m in Richtung Achse H im Stahlquerschnitt ein Ballastbeton eingebaut. Der hier- für erforderliche Betonkörper ist quer zur Brückenachse abgestuft und wird mit Dicken von ca. 0,90 m bzw. 1,50 m ausgeführt. Es ist ein Gesamtgewicht von ca. 8000 kN je Überbau einzubauen.

4.5 Angehängter Geh- und Radweg

Ein wichtiger Bestandteil des Entwurfs ist der an den Über- bau in Achse 1 mit Hilfe eines Zugstabsystems angehängte Geh- und Radweg, der den Zugang zur Rettbergsaue über eine Stahlbetonrampe ermöglicht und in den Achsen H und I über den Bestandspfeilern Aussichtsbalkone erhält. Diese Geh- und Radwegbrücke, mit Anbindung an die vorhandenen Wege, verbindet die Vorlandbereiche beider Rheinseiten mit der Rettbergsaue durch eine stufenfreie Konstruktion mit einer Längsneigung von max. 5,1 %. Der Überbau besteht aus einem flachen Stahlhohlkasten, wel- cher im Abstand von max. 17,50 m mit Zugstäben am ober- stromigen Kragarm der Überbauten in Achse 1 abgehängt ist. Horizontal wird der Hohlkasten in regelmäßigen Ab- ständen am Hohlkasten der Hauptbrücke abgestützt, um das Schwingverhalten der leichten Stahlkonstruktion zu verbessern. In den Aufgangsbereichen beschränken sich die hori- Bild 15. Bauwerksentwurf Neue Rheinbrücke Wiesbaden- zontalen Abstützungen auf die Pfeilerstandorte. Zur Absi- Schierstein, Biegesteifer Übergang Stahl-Stahlverbund [20] cherung der Standsicherheit wurden auch Schwingungsbe- Fig. 15. Rigid connection of the steel and composite super- rechnungen durchgeführt. structure 4.6 Ergebnisse der statischen Voruntersuchungen und Besonderheiten bei der Berechnung

Für den biegesteifen Anschluss vom Stahl- zum Ver- Zur Ermittlung der erforderlichen Massen für die Ausschrei- bundüberbau wurde ein Detail entwickelt (Bild 15), das die bung wurde eine statische Berechnung und Bemessung mit Kräfte im Stahlbetonquerschnitt über Kopfbolzendübel dem Programmsystem Sofistik durchgeführt. Die Hohlkästen und eine entsprechende Bewehrungsführung in das darun- der 3-feldrigen Stahlüberbauten wurden in Längsrichtung ter liegende Stahlblech überträgt. Das durch den Versatz als 3-Stabsystem abgebildet. Mit den beiden äußeren Stäben der Deckbleche entstehende Biegemoment wird mit Hilfe wird die Biegesteifigkeit des Querschnitts modelliert, wäh- eines quer zur Fahrbahn verlaufenden Hohlkastens aufge- rend mit dem innenliegende Stab die Torsionssteifigkeit be- nommen und in die Stege der Hauptträger weitergeleitet. rücksichtigt wird. Die Längssysteme sind an allen Querrah- Der quer verlaufende Hohlkasten dient beim Übergang men über Koppelstäbe in Querrichtung untereinander ver- vom zwei- zum einzelligen Hohlkastenquerschnitt außer- bunden. dem dazu, die Querkräfte aus den inneren Hohlkastenstegen Zur Berücksichtigung der Blechdickenabstufungen, der des zweizelligen Querschnitts in die äußeren Stege abzutra- veränderlichen Querschnittshöhen (Vouten) und der mittra- gen. In den Bereichen der Koppelstellen ist die Verbund- genden Breiten war eine feine Abstufung der Querschnitte platte mit einer Dicke von 50 cm – durchgängig und ohne in Längsrichtung erforderlich. Durch Parametrisierung der Anvoutung in Querrichtung – vorgesehen. Bei der Brücke Querschnittsform konnte der Verlauf der Blechdicken auf Oberstrom wird die Verbundplatte in diesen Bereichen, in- einfache Weise verändert werden. folge des angehängten Geh- und Radweges, mit einer kon- Bei der Bemessung wurde bereits das modifizierte Last- stanten Dicke von 70 cm ausgeführt. Dadurch wird abhe- modell 1 (LMM) [24], wie es jetzt im nationalen Anhang der benden Lagerkräften an diesen Stellen entgegengewirkt. DIN EN 1991-2 [25] zu finden ist, zugrundegelegt, obwohl

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zum Zeitpunkt der Aufstellung des Entwurfes noch der DIN- mit Lkw- bzw. Schiffstransporten zur Baustelle geliefert. Es Fachbericht 101 mit dem Lastmodell 1 gültig war. Dies sind größtmögliche Bauteile anzuliefern. Dadurch können führte zu einer Erhöhung der erforderlichen Stahlmassen. die Schweißarbeiten auf der Baustelle reduziert und deren In mehreren Iterationsschritten wurde die Materialvertei- Qualität verbessert werden. Für den möglichen Schiffstrans- lung so angepasst, dass sich eine gute Ausnutzung des Ma- port sind auf den Seiten „Mombach“ und „Schierstein“ terials ergab. Die Ermüdungsnachweise wurden für den Anlegestellen vorgesehen. Die Anlieferung der Bauteile auf Entwurf vereinfacht untersucht, indem die Spannungsspiele die Rettbergsaue erfolgt mit Schiffstransporten. Auch dafür aus dem Ermüdungslastmodell 3 ermittelt und dem zuläs- ist eine Anlegestelle vorgesehen. sigen Spannungsspiel für einen ungünstig angenommenen Die Baustelleneinrichtungsflächen, Baustraßen und Kerbfall gegenübergestellt wurden. Kranstandplätze wurden unter Berücksichtigung der Be- Bei den Verbundbrücken mit ihren 2-zelligen Hohl- lange des Landschafts- und Naturschutzes angeordnet. kastenquerschnitten wurde jeder Hohlkasten als 3-Stabsys- Die auf dem Vormontageplatz der Seite „Mombach“ tem abgebildet. Zusätzlich zur Koppelung an den Querrah- verschweißten Bauteile werden beginnend von Trennpfei- men wurden die Längsstabsysteme in kurzen Abständen ler Achse A in Richtung Achse D mit Kränen auf die Hilfs- durch Hilfsstäbe gekoppelt, um die Biegesteifigkeit der Be- stützen gehoben und verschweißt. In Pfeiler Achse D wer- tonplatte zu berücksichtigen. den die Bauteile auf einer Montageplattform abgelegt und Die Nachweise der Querschnitte wurden mit dem Ge- im Freivorbau in beide Richtungen montiert und ver- samtquerschnittsverfahren geführt. Mit dem Programmsys- schweißt. Auf der Seite Schierstein wird in gleicher Weise tem Sofistik können für einen Querschnitt verschiedene von Achse N in Richtung Achse I gebaut. Auch auf der Rett- Bauabschnittsquerschnitte definiert werden, so dass die Zu- bergsaue werden die Bauteile mittels Hubmontage einge- stände reiner Stahlquerschnitt und Verbundquerschnitte baut und anschließend verschweißt. mit zeitabhängigem E-Modul für den Beton an einem Quer- Aufgrund der besonderen Lage des prioritären FFH- schnitt definiert und die Spannungen aus den Teilzuständen Gebietes Rettbergsaue, muss das Mittelteil „Mombacher mit dem Programm überlagert werden können. Damit war Arm“ auf dem bereits zusammengebauten Stahlüberbau es möglich, die Nachweise für das Längssystem der Verbund- im Bereich der Achsen E-F, fertiggestellt werden. Dieses brücken inklusive der Bau- und Betonierphasen durchgän- Mittelteil wird anschließend auf ein aufgerüstetes Ponton gig mit dem Programm zu führen. verschoben, eingeschwommen und in Einbaulage abge- Die anschließende Massenermittlung ergab für die senkt. Stahlüberbauten in den Achsen C-F und G-J ein Gesamtge- Das längere Mittelteil der Hauptöffnung im Biebricher wicht von ca. 27000 t. Das Konstruktionsstahlgewicht für Fahrwasser kann auf dem Vormontageplatz komplett zu- die Verbundüberbauten in den Achsen A-C, F-G und J-N be- sammengebaut werden. Danach wird dieses Teil auf zwei trägt 6040 t. Die Stahlkonstruktion für den Geh- und Rad- Pontons verschoben und zur Einbaustelle gebracht. Das weg hat ein Gewicht von 1750 t zuzüglich 11 t für die Hän- Einheben erfolgt mit Litzenhebern. ger. Nach Abschluss der Schweißarbeiten werden die Ver- bundplatten unter Zuhilfenahme von Betonierstützen und 4.7 Montageablauf und Montageverfahren Schalwagen betoniert. Der Brückenbau in Achse 2 (Unterstrom) muss, wegen Die Stahlquerschnitte der Überbauten werden im Werk in der großen Schäden im Bereich der orthotropen Fahrbahn- Einzelabschnitten vorgefertigt und nach dem Konservieren platte des Bestandsbauwerkes, Ende Juni 2016 dem Verkehr

Bild 16. Bauwerksentwurf Neue Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein, Montage [20] Fig. 16. Erection schedule

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übergeben werden. Dies hat zur Folge, dass die Bauarbeiten [10] Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung: Rheinbrücke sowohl auf der Mombacher als auch auf der Schiersteiner Schierstein – Bauwerksentwurf der Instandsetzung der Krag- Rheinseite zur gleichen Zeit beginnen. arme im Bereich der Stahlbrücken, Lager, Geländer, Beulstei- fen und Zierwinkel. Wiesbaden, 24. Aug. 1998. 4.8 Gründung [11] Kretz, R.: Stellungnahme S 01/06 BAB 643 – Rheinbrücke Schierstein; Fragen zur Restnutzungsdauer. Darmstadt: Bau- stoff- und Bodenprüfstelle, 2006. Der Baugrund im Bereich des Baufeldes der neuen Rhein- [12] Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Mannheim brücke Schierstein ist als sehr setzungsempfindlich anzu- GmbH: Untersuchung von Probestücken, entnommen aus sehen. Verantwortlich dafür sind die im Abschnitt 3.2 be- dem Objekt „Schiersteiner Brücke“, Bericht Nr. 2.5959.1. reits beschriebenen Schichtenfolgen insbesondere eine Mannheim, 2004. Hydrobienschicht, die sich aus weichen, bindigen Böden in [13] Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Mannheim Wechselfolge mit Kalksteinbänken zusammensetzt. Die da- GmbH: Untersuchung von Probestücken mit gebrochenen rüber sich befindlichen Bodenschichten besitzen zum Teil Schweißnähten, entnommen aus dem Objekt „Schiersteiner nur sehr geringe Tragfähigkeiten, die eine Flachgründung Brücke“, Bericht Nr. 2.5959.2. Mannheim, 2004. der Unterbauten nur mit besonderen Erschwernissen erlau- [14] DASt 014 – Empfehlungen zum Vermeiden von Terrassen- ben und unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen Ge- brüchen in geschweißten Konstruktionen aus Stahl. Köln: Stahlbau-Verlags-GmbH, 1981. sichtspunkten kaum durchführbar sind. Auch sind auf der [15] Behnisch, H., Aichele, G.: Die Schweißtechnik im Wandel Seite Schierstein, nahezu im gesamten Vorlandbereich, ab- der Zeiten. Düsseldorf: DVS, 2006. gelagerte Bauschutte aus den Folgen des 2. Weltkriegs mit [16] DIN-Fachbericht 103 Stahlbauten. Berlin: Beuth 2003. einer Mächtigkeit von ca. 3 m vorhanden. [17] Sedlacek, G., Paschen, M.: Zusammenfassende Gutachten – Die Gründung der Unterbauten erfolgt daher mit Groß- Schlussfolgerungen aus gutachterlichen Untersuchungen zum bohrpfählen mit Durchmessern bis zu 1,8 m und Längen Zustand der orthotropen Fahrbahnplatte der Rheinbrücke von bis zu 26 m. Die Bohrpfähle sind in den einzelnen Grün- Wiesbaden-Schierstein und zum Vorschlag für eine Grundin- dungen jeweils als Pfahlrost ausgebildet und durch massive standsetzung, 2006. Pfahlkopfplatten mit den aufgehenden Pfeilern verbunden. [18] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen; Amt für Straßen- und Verkehrswesen Wiesbaden: Realisierungs- 4.9 Brückenbeläge und Bauwerksausstattung wettbewerb Erneuerung der Schiersteiner Rheinbrücke – Aus- lobungsunterlagen. Wiesbaden, 02.08.2007. [19] DIN-Fachbericht 101 Einwirkungen. Berlin: Beuth, 2003. Die Übergangskonstruktionen, die Abdichtung und der Be- [20] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen; lag, die Schutzeinrichtungen und Fahrzeugrückhaltesys- Amt für Straßen- und Verkehrswesen Wiesbaden: Realisierungs- teme, der Übersteigschutz und die Lärmschutzwände wur- wettbewerb Erneuerung der Schiersteiner Rheinbrücke – Nie- den nach den aktuellen Richtlinien und Vorschriften des derschrift der Preisgerichtssitzung. Wiesbaden, 13.12.2007. Bundes [26] und Hessen Mobil [27] entworfen. Der Über- [21] AG Grontmij GmbH/Ferdinand Heide Architekt: Bauwerks- steigschutz und die Lärmschutzwände sind, wie auch die entwurf der Neuen Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein, ge- Pfeiler und die Überbauten, architektonisch gestaltet. nehmigt und gleichgestellt durch Hessen Mobil, 20-04-2012. [22] DIN EN 1337-7: Lager im Bauwesen – Teil 7: Kalotten- und Literatur Zylinderlager mit PTFE. Berlin: Beuth, 2004–08. [23] DIN 18800-1: Stahlbauten – Teil 1: Bemessung und Kons- [1] Bauwerksakte A 643 Rheinbrücke Schierstein ASB-Nr.:5915 truktion,. Berlin: Beuth, 2008-11. 518/Wi 533. Wiesbaden: Hessen Mobil, 1958–2012. [24] DIN EN 1991-2: Eurocode 1: Einwirkungen auf Trag- [2] A 643 Rheinbrücke Schierstein. Wiesbaden: HHStAW, Abt. werke – Teil 2: Verkehrslasten auf Brücken; Deutsche Fassung 507 Signaturen 8045–8047 und 12359, 1952–1963. EN 1991-2: 2003 + AC: 2010. Berlin: Beuth, 2010–12. [3] Leonhardt, F.: Rheinbrücke Schierstein, Stellungnahme zum [25] DIN EN 1991-2/NA: Nationaler Anhang – National festge- Stahlgewicht der Sonderentwürfe. Stuttgart: Schreiben vom legte Parameter – Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke – 27. Mai 1959. Bundesarchiv , Bestandssignatur B 108 Teil 2: Verkehrslasten auf Brücken. Berlin: Beuth, 2012–08. Archiv-Nr.: 12525. [26] Bundesanstalt für Straßenwesen: Publikationen/Regelwerke [4] Weitz, F.-R.: Entwurfgrundlagen und Entscheidungskriterien zum Download/Brücken- und Ingenieurbau. Bergisch-Glad- für Konstruktionssysteme im Großbrückenbau unter besonde- bach: http://www.bast.de/cln_031/nn_42642/DE/Publikatio- rer Berücksichtigung der Fertigung. Darmstadt. Dissertation, nen/Regelwerke/Regelwerke-node.html?__nnn=true, letzter 1975. Zugriff am 09.12.2012 [5] A 643 Rheinbrücke Schierstein. Koblenz: Bundesarchiv, Be- [27] Hessen mobil: Downloads und Formulare/Ingenieurbau standssignatur B 108 Archiv-Nr. 12524–12526. Handbuch Hessen Mobil – Teil 2.4 – Planung Ingenieurbau- [6] Finsterwalder, U., Lohmer, G.: Sondervorschlag für Arbeitsge- werke. Wiesbaden: http://www.mobil.hessen.de/irj/HSVV_ meinschaft Dyckerhoff & Widmann KG mit Hochtief Bau-AG: Internet?rid=HMWVL_15/HSVV_Internet/sub/d94/d945dc9d- Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein. München, 28.01.1959. a4ef-7317-9cda-a2b417c0cf46,,22222222-2222-2222-2222- [7] Weitz, F.-R.: Entwicklungstendenzen des Stahlbrückenbaus 222222222222.htm, letzter Zugriff am 09.12.2012 am Beispiel der Rheinbrücke Schierstein. Stahlbau 35 (1966), Autoren dieses Beitrages: H. 10, S. 289–301 u. H. 12, S. 357–365. Dipl.-Ing. Eberhard Pelke, [8] Strigl, G.: Die Strombrücke Mainz-Weisenau. Stahlbau (32) Hessen Mobil – Straßen- und Verkehrsmanagement, 1963, H. 1, S. 10–14. Dezernat Planung Ingenieurbauwerke, [9] Kurrer, K.-E., Pelke, E., Stiglat, K.: Die Einheit von Wissen- Wilhelmstraße 10, 65185 Wiesbaden, schaft und Kunst im Brückenbau: Hellmut Homberg (1909– 1990) – Leben und Wirken (Teil I). Bautechnik 86 (2009), Dipl.-Ing. Alwin Dieter, Grontmij GmbH, Geschäftsfeld Transport Mobilität, H. 10, S. 647–655. Hanauer Landstraße 135, 60314 Frankfurt am Main, [email protected]

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11_106-121_Pelke-Dieter (0024)_cs6.indd 121 25.01.13 09:31 Projekt1 19.10.2007 08:32 Seite 1 Die alte Rheinbrücke Wiesbaden-Schierstein von 1962

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