Bohuslav Martinů Violinkonzerte
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Bohuslav Martinů Violinkonzerte Thomas Albertus Irnberger Janáček Philharmonie Ostrava Heiko Mathias Förster Bohuslav Martinů (1890–1959) Violin Concerto No. 1 H 226 Violinkonzert Nr. 1 H 226 1 I Allegro moderato 10:07 2 II Andante 5:18 3 III Allegretto 8:21 Violin Concerto No. 2 H 293 Violinkonzert Nr. 2 H 293 4 I Andante – Poco Allegro – Moderato 11:24 5 II Andante moderato 7:40 6 III Poco Allegro 8:16 Thomas Albertus Irnberger violin / Violine Janáček Philharmonie Ostrava Heiko Mathias Förster conductor / Dirigent 2 Bohuslav Martinů Bohuslav Martinůs Violinkonzerte Kann man die Trias Bedřich Smetana, Antonín Dvořák und doch bedarf es vorangegangener eingehender und Leoš Janáček unstrittig als die dominierenden Beschäftigung, um diese Takte dann auch dem Gestalten und international repräsentativsten Ver- richtigen Werk zuordnen zu können. Unabhängig treter der tschechischen Musik bezeichnen, so fällt davon freilich, ob es sich nun um die erste oder die Bohuslav Martinů die etwas undankbare Rolle zu, vierte Symphonie handelt, das dritte Klavierkonzert bei Aufzählungen fast immer erst an vierter Stelle oder das Concertino, das fünfte oder das sechste genannt zu werden, was also in etwa der „Blech- Streichquartett – einmal gehört ist es schwer, nicht Medaille“ bei sportlichen Wettbewerben entsprechen augenblicklich dem Zauber dieser Musik zu verfallen. mag. Dies führt oft so weit, dass man zwar auf seine So romantisch es begann, so wenig friedvoll sah herausragende Könnerschaft verweist, selbst aber der weitere Verlauf des Lebens von Bohuslav kaum näher mit seinem reichen Schaffen in allen Martinů aus. Am 8. Dezember 1890 als Sohn des zentralen Musikgattungen vertraut ist. Martinůs dortigen Brandwächters in der Türmerstube der unverwechselbarer Personalstil lässt anhand nur Kirche St. Jakob in der malerischen osttsche- weniger Takte sofort den Komponisten erkennen, chischen Kleinstadt Polička geboren, verbrachte 3 er seine Kindheitsjahre in diesem Refugium, von Südfrankreich zurück, ehe er 1941 über Lissabon in dem aus er sowohl in den böhmischen als auch in die USA emigrierte. Wie etwa Béla Bartók, Manuel den mährischen Landesteil seiner Heimat blicken de Falla, Paul Hindemith, Ernst Krenek, Sergej Rach- konnte. Sein Instrument wurde – vielleicht auch den maninow, Robert Stolz und Igor Strawinsky gehörte begrenzten räumlichen Möglichkeiten geschuldet – er somit zu jenen großen Komponistenpersönlich- die Geige, die er zunächst beim örtlichen Schneider keiten, die Europa zu jener Zeit nicht wie so viele erlernte. Von seinem überdurchschnittlichen Talent andere als rassisch Verfolgte, sondern aus Abscheu beeindruckt, beschlossen die Bürger von Polička gegenüber dem Faschismus und Krieg sowie der die Finanzierung seines Studiums in Prag, wo Furcht vor politischer Verfolgung verließen. Dank der er ab 1906 Violine bei Dvořáks Schwiegersohn Hilfe von Freunden, insbesondere des Diplomaten Josef Suk studierte. In der Folge kamen Orgel und und seines späteren Biographen Miloš Šafránek, Komposition hinzu, doch wurde er 1910 wegen konnte Martinů sich vergleichsweise rasch in den „unverbesserlicher Nachlässigkeit“ vom Konserva- Vereinigten Staaten etablieren, so erhielt er etwa torium ausgeschlossen. Der Militärdienst während die Möglichkeit, als geachteter Gast aus Europa in des von 1914–1918 wütenden ersten Weltkriegs Tanglewood und Princeton zu unterrichten. Obwohl blieb ihm wegen Untauglichkeit erspart. Prägend man ihn nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die 1920er-Jahre, übersiedelte er doch nach einlud, eine Professur am Prager Konservatorium weiterem Unterricht bei Suk 1923 nach Paris, um zu übernehmen, trat er diese Funktio n nicht an. Studien bei Albert Roussel nachzugehen. Ganz den Zu unsicher erschien ihm zunächst die politische aktuellen Trends entsprechend wurde er dort mit Situation dort, ehe ihn die Machtübernahme der den Werken Igor Strawinskys und der französischen Kommunisten in der Tschechoslowakei im Februar Zeitgenossen wie Roussel und den Mitgliedern der 1948 bewog, definitiv nicht mehr in seine ihm stets Groupe des Six (vor allem Poulencs, Milhauds und so wichtige Heimat zurückzukehren. Seine letzten Honeggers) konfrontiert, die große Wirkung auf Lebensjahre verbrachte er in Frankreich, Italien und sein künftiges Schaffen hatten, wie sich u. a. am der Schweiz, wo er am 28. August 1959 verstarb. ersten Violinkonzert zeigt. 1931 heiratete er die aus 1979 wurden Martinůs sterbliche Überreste in Vieux-Moulin stammende Schneiderin Charlotte seinen Geburtsort überführt. Obwohl zu jener Zeit Quennehen, und gemeinsam blieb das Ehepaar bis in der ČSSR noch immer das von Martinů einst 1940 in der französischen Hauptstadt. so abgelehnte Regime herrschte, war er bereits Da Martinůs Musik im Einflussbereich des Dritten lange als einer der unzweifelhaft größten Künstler Reichs von der nationalsozialistischen Kulturpolitik der tschechischen Musikgeschichte anerkannt. infolge der Komposition der patriotischen „Polnímše“ Ähnlich wie im Fall Béla Bartóks gab es auch bei („Feldmesse“, 1939) verboten wurde, zog er sich Martinůs beiden Violinkonzerten Verwirrung hinsichtlich vor dem Einmarsch der Wehrmacht in Paris nach der Nummerierung, galt doch das erste für einige 4 Zeit als verschollen und somit das zweite als das dem Komponisten über ein Konzert, die sich bis vermutete einzige existierende Violinkonzert. Das Herbst desselben Jahres konkretisierten. Am 24. Concerto da camera für Violine und Streichorchester September kündigte Martinů dem Verlag an, mit von 1941 und das Konzert für Violine, Klavier und dem Violinkonzert beginnen zu wollen, am 9. De- Orchester (Gramola 99098) von 1953 spielten bei zember berichtete er über dessen Fertigstellung. dieser Zählung keine weitere Rolle. Das nunmehr Die kurze Zeitspanne von nur rund zweieinhalb also korrekt so bezeichnete Konzert für Violine Monaten entspricht durchaus dem bekannt raschen und Orchester Nr. 1 entstand 1931 während Arbeitstempo Martinůs. In der Folge ergaben sich Martinůs Pariser Zeit. Diese verlief über weite Strecken Probleme, da der Komponist offenbar nicht von höchst befriedigend für ihn, ging sie doch Hand in Anfang an mit Dushkin zusammengearbeitet hatte Hand mit der Anerkennung seines Schaffens in den und sich nunmehr mit dessen Änderungswünschen Musikmetropolen Europas und der USA, was ihm konfrontiert sah. Damit verzögerte sich der endgültige laufend neue Aufträge einbrachte und die Mög- Abschluss bis Anfang 1933. In der Folge bemühte lichkeit zu einer konsequenten Entwicklung seiner sich der Geiger um eine Aufführungsmöglichkeit in Ideen bot. Interessant ist, dass sich Martinů, der ja den USA, während Martinů sogar daran dachte, das selbst ausgebildeter Geiger war, erst durch einen Werk selbst in Prag zu spielen oder dort von Dushkin konkreten Auftrag der Gattung zuwandte. Dieser spielen zu lassen. Da sich keine dieser Optionen kurz- kam von dem polnisch-amerikanischen Virtuosen oder mittelfristig realisierte und auch andere Ideen Samuel Dushkin (1891–1976), der auch durch die scheiterten, geriet die Sache in den Hintergrund und Uraufführungen von Werken Strawinskys und Ravels schließlich wurde die Partitur für verloren gehalten. in die Musikgeschichte einging. Martinů und Dushkin Erst nach dem Tod des Komponisten wurde sie dürften einander zu Beginn der 1930er-Jahre in Paris 1968 wiederentdeckt und schließlich konnte man kennengelernt haben. Zeitgleich befand Martinů sich das Konzert am 25. Oktober 1973 in Chicago mit in Verhandlungen mit dem Mainzer Verlagshaus dem tschechischen Solisten Josef Suk – Enkel von Schott über einen Exklusivvertrag. Diese zogen Martinůs gleichnamigem Lehrer – und dem Chicago sich in die Länge und fanden schließlich durch die Symphony Orchestra unter der Leitung von Georg Kulturpolitik der Nationalsozialisten in Deutschland Solti postum aus der Taufe heben. und die damit verbundene Ächtung Martinůs ein Bereits in der Orchestereinleitung des Kopfsatzes Ende. Das zeitliche Zusammentreffen ermöglicht (Allegro moderato) wird das zentrale motivische einen detaillierten Nachvollzug der Entstehung Material für den ganzen Satz vorgestellt. Dieses des Konzerts, da dieses im erhaltenen Briefwech- sechstönige Grundmotiv wird bald von der Violine sel mit dem Verlag immer wieder angesprochen aufgegriffen und vielfältig verarbeitet, wobei die wurde. Demnach gab es spätestens seit Mai besonderen technischen Herausforderungen auf 1931 erste Gespräche zwischen dem Geiger und das Können Dushkins zugeschnitten sind, zugleich 5 aber auch ganz den Vorstellungen des „Geigers“ der Martinůs Bekanntheitsgrad markant heben Martinů entsprechen dürften. Ohne Zweifel hat der wollte. Tatsächlich gelang dem Komponisten mit Komponist jeden einzelnen der Griffe selbst auf seiner ersten Symphonie ein derartiger Wurf, dass seine Spielbarkeit hin ausprobiert. Das virtuose er in der Folge zunächst im Jahresrhythmus vier Spiel endet mit einer fröhlich-optimistischen Coda, weitere Werke dieser Gattung schrieb (die sechste nach welcher der nur knapp fünfminütige lyrische Symphonie fügte sich erst 1953 ins Werkverzeich- Mittelsatz (Andante) in all seiner Schlichtheit einen nis). Eine andere, noch unmittelbarere Folge seines umso markanteren Kontrast setzt. Über einem zart symphonischen Erstlings war ein Auftrag zu einem gewebten imitatorischen Kontrapunkt des Orches- Violinkonzert durch den ukrainisch-amerikanischen ters trägt die Violine einen großen, ausdrucksvollen Geiger Mischa Elman (1891–1967), der von der melodischen Bogen vor, der auch in der Folge nur Orchesteraufführung