FDP – 04. WP Fraktionssitzung: 31. 03. 1965

31. März 1965: Fraktionssitzung

ADL, Bestand Wolfgang Mischnick, A40-768. Überschrift: »Kurzprotokoll der Frakti- onssitzung am 31. [März]1 1965«. Beginn: 14.40 Uhr. Vorsitz: Mende, später: Zoglmann. Entschuldigte Fraktionsmitglieder: 17.2 Gäste: nachmittags Mitglieder des Bundesvor- stands.

Sitzungsverlauf: A. Bericht über die Vorgänge um den Rücktritt von Bundesjustizminister Bucher und die Neubesetzung des Ministeriums mit dem CDU-Abgeordneten Weber. B. Aussprache über die deutsch-israelischen Beziehungen. C. Bericht über den Stand der Diskussion über die Vermögensbildung. D. Fraktionsarbeit. E. Vorbereitung der Tagesordnung.

[A.] I. Gemeinsame Sitzung mit dem Bundesvorstand Dr. Mende berichtet über die Vorgänge um den Rücktritt Dr. Buchers und die Neube- setzung des Justizministeriums mit dem CDU-Abgeordneten Weber3. Er verliest Dr. Buchers Brief an den Bundeskanzler, in welchem B[ucher] um Entbindung von seinem Amt bat, und gibt sein Schreiben an den Kanzler zur Kenntnis, mit dem er noch einmal zum Ausdruck brachte, daß die FDP mit einer Neubesetzung des Justizministeriums nicht einverstanden sein könnte. Er begründet seine Meinung, daß die FDP aus der Ernennung Webers keinen Koaliti- onsfall machen sollte; es geht darum, sich auf keinen Fall durch Strauß4 bis zum Koali- tionsbruch provozieren zu lassen. Vom Kühlmann-Stumm ergänzt den Bericht über die Verhandlungen mit dem Kanz- ler und dem Koalitionspartner. Die Beauftragten der Fraktion hätten in den Verhand- lungen versucht, mit sehr harten Worten die Fraktionsmeinung durchzusetzen. Alle Beteiligten haben das Äußerste des Möglichen versucht, die berechtigten Wünsche der FDP zur Geltung zu bringen; aber die CDU habe »ein Höchstmaß an bösem Willen« gezeigt. Mischnick bittet um eine ganz nüchterne Beratungsführung, frei von allen Emotionen, Er ergänzt und unterstützt die Darstellungen von Dr. Mende und des Fraktionsvorsit- zenden von Kühlmann-Stumm (»die Behauptung, hier wären irgendwelche Dinge da- neben gegangen, ist absolut falsch!«). Er bestätigt, daß der Kanzler noch am Donners- tagabend bereit gewesen sei, Bundesminister Niederalt5 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Bundesjustizministers zu beauftragen, aber dann unter dem Druck von

1 Im Original fälschlicherweise: »April«. 2 Burckardt, Danz, Dörinkel, Dorn, Effertz, Eisenmann, Ertl, Hammersen, Hellige, Kreitmeyer, Mauk, Ollesch, Rademacher, Spitzmüller, Wächter, Atzenroth, Kohut. 3 Karl Weber, MdB (CDU), Vorsitzender des Arbeitskreises I (Allgemeine und Rechtsfragen) in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 4 Franz Josef Strauß, MdB (CSU), Vorsitzender der CSU-Landesgruppe, stellvertretender Vorsitzen- der der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Landesvorsitzender der CSU. 5 Alois Niederalt, MdB (CSU), Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder.

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Strauß und eines großen Teiles auch der CDU-Fraktion (Rasner6: »Bucher oder Jae- ger7!«) sich zu einer Neubesetzung entschlossen habe. Im ganzen habe sich wieder einmal gezeigt: »Wenn wir in personellen Dingen hart sind, dann geht es meistens schief; wenn wir in sachlichen Dingen hart bleiben, dann haben wir meistens Erfolg gehabt; das sollte für die Zukunft beachtet werden.« In der Aussprache setzt Dr. Mende dem Einwand von Dr. Krümmer, daß die sehr gute Öffentlichkeitswirkung des Rücktritts von Dr. Bucher durch die wechselvollen Erklä- rungen aus dem Fraktionsvorstand sehr beeinträchtigt worden sei, noch einmal den tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse entgegen. Zu der Frage Dr. Krümmers, auf welche Beschlüsse sich der Brief Dr. Mendes an den Kanzler stütze, verweist Dr. Mende auf Besprechungen im Fraktionsvorstand in Gegenwart von Weyer8 und Dr. Friderichs9 u. a. Er, Dr. Mende, sehe den Brief als Ausdruck der Meinung der Fraktion an. Die Neubesetzung des Justizministeriums sei ein unfreundlicher Akt gegenüber der FDP, mit dem niemand einverstanden sein könne; aber auch die Fraktion sieht darin keinen Anlaß zu einer Koalitionsfrage. Schultz: Der Vorstand war aus der Situation heraus zum schnellen Handeln gezwungen und mußte gewisse präjudizierende Entscheidungen treffen mit sorgfältiger Abwägung der Meinungsmöglichkeiten in der Fraktion. Aber nun müssen wir zu einer Stellung- nahme kommen, in der klar herausgestellt wird, daß das Verhalten der CDU nicht ko- alitionsfreundlich war. Frau Dr. Heuser warnt davor, den Brief von Dr. Mende zu desavouieren. Dürr trägt folgende Meinung vor: Die FDP wollte eine Interimslösung für die Wahr- nehmung des Justizministeramtes. Durch die Besetzung mit Weber ist praktisch eine solche Interimslösung zustande gekommen Wenn diese Lösung auch nicht ganz den Wünschen der FDP entspricht, so ist sie jedoch besser als ein Koalitionsbruch mit der Konsequenz einer Minderheitsregierung CDU/CSU und Strauß als Vizekanzler. Nachdem Dr. Bucher die Motive dargelegt hat, die ihn zu seiner Haltung bestimmt hatten, begründet Weyer die Notwendigkeit der harten Formulierungen in dem Brief von Dr. Mende an den Kanzler. Die Stimmung in der Partei lasse darauf schließen, daß die breite Schicht der FDP-Wähler der Fraktion ein grundsatztreues Verhalten in der Verjährungsfrage attestiere und auch Buchers Rücktritt sehr positiv gewirkt habe. »Wir sind damit in einer guten Position.« Er schlägt vor, daß man sich mit der von Gen- scher10 formulierten Erklärung begnügen solle. Auch Engelhard11 mahnt dazu, die Dinge in Ruhe zu betrachten und die ganze Angelegenheit möglichst schnell zu been- den. Jede überflüssige Erklärung sollte vermieden werden. Was Strauß anbelangt, so müssen Partei und Fraktion in der Ablehnung dieses Mannes festbleiben. Dr. Kohl12

6 Will Rasner, MdB (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 7 , MdB (CSU), Bundestagsvizepräsident, Vorsitzender des Ausschusses für Verteidi- gung. 8 Willi Weyer, Minister für Inneres sowie Stellvertreter des Ministerpräsidenten des Landes Nord- rhein-Westfalen (FDP), Landesvorsitzender der FDP in Nordrhein-Westfalen, Mitglied des Bundes- vorstandes der FDP. 9 Hans Friderichs, Bundesgeschäftsführer der FDP. 10 Hans-Dietrich Genscher, Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. 11 Edgar Engelhard, Senator für Wirtschaft und Verkehr sowie Zweiter Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg (FDP), Landesvorsitzender der FDP in Hamburg, Mitglied des Bundesvor- standes der FDP. 12 Heinrich Kohl, MdL Hessen (FDP), Landesvorsitzender der FDP in Hessen, Mitglied des Bundes- vorstandes der FDP.

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meint, man hätte sich dem Koalitionspartner gegenüber etwas großzügiger zeigen kön- nen; man sollte sich für die Zukunft niemals mehr unnötig festlegen oder einengen las- sen. Er ist für eine Erklärung. Dr. Mende verliest den von Genscher erstellten Entwurf einer Erklärung; die Versamm- lung stimmt nach kleinen redaktionellen Änderungen mit nur einer Enthaltung diesem Entwurf zu. 13 Dehler (Klaus) gibt eine kritische Analyse der Vorgänge aus bayerischer Sicht; u. a. warnt er davor, durch ständige neue Angriffe auf Strauß dessen Popularität in Bayern zu stärken. Dr. Achenbach ist der gleichen Meinung. Dr. Mende erinnert daran, daß die Sprecher des Landesverbandes Bayern bisher nicht im Sinne der Ausführungen von Klaus Dehler deutlich Stellung bezogen haben. Dr. Dehler (Thomas) geht auf den in der Diskussion wiederholt gehörten Vorwurf ein, der Fraktionsvorstand habe »zu hoch gespielt«. Man könnte sagen: Der Vorwurf ist gerechtfertigt, weil wir nicht genau einkalkuliert haben, wie fest unser Koalitionspart- ner stehen würde. Er erinnert daran, daß das Kabinett sich bis auf 3 Stimmen gegen eine Verlängerung der Verjährungsfrist festgelegt hatte, daß dann aber auf seiten des Koaliti- onspartners ebenso wie bei der SPD ein Meinungswechsel dem anderen folgte. Man hat offensichtlich einen Affront gegen die FDP gewollt. Mit Erhard, ausgeliefert einem Strauß, kann man nicht logisch reden. Wir müssen endlich daraus für die Zukunft Kon- sequenzen ziehen. Ein Nachkarten zu den Geschehnissen der letzten Woche hat keinen Sinn. Aber unsere Aussage zu der Frage der Koalition nach den Bundestagswahlen hat jetzt einen anderen Gehalt bekommen: unsere Zusage, mit der CDU/CSU und einem Kanzler Erhard zu koalieren, ist nur noch bedingt richtig. Wir müssen jetzt erkennen, daß die CDU/CSU kein fairer Koalitionspartner und Erhard kein geeigneter Kanzler ist. Dr. Mende schließt sich dieser Meinung an. Die Konsequenz, so erklärt er, sei jetzt dem Wahlkampf entsprechend zu führen. Zoglmann verwahrt sich gegen den Vorwurf, den Scharfmacher gespielt zu haben, vor allem dagegen, daß er die Erklärung, das Verhalten Erhards und der CDU könne zu einer Koalitionskrise führen, auf eigene Faust abgegeben habe. Schmidt (Kempten) ergänzt die Ausführungen von Dehler (Klaus), daß die Angriffe gegen Strauß nur den für die FDP unerwünschten Effekt einer Konzentration der Kräf- te in der CSU um Strauß haben werden. Dr. Rutschke versucht, die Haltung der CDU zu analysieren und die Motive verständ- lich zu machen. Dr. Starke meint, da die Fraktion es doch nicht auf einen Koalitionsbruch ankommen lassen wollte, seien so pointierte Erklärungen wie die von Weyer und Zoglmann nicht am Platze gewesen. Minister Glahn14 empfiehlt, die Vorgänge weniger dramatisch zu sehen. Draußen dis- kutiere man viel stärker die Erklärung der FDP: »Unter keinen Umständen mit Strauß«. Er sei im Prinzip damit einverstanden, lasse jedoch offen, ob so etwas in Pres- sekonferenzen hart gesagt werden soll. Aber wenn es einmal geschehen sei, dann müsse

13 Klaus Dehler, MdL Bayern (FDP), Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, Landesvorsitzender der FDP in Bayern. 14 Fritz Glahn, Minister für Finanzen und Wiederaufbau des Landes Rheinland-Pfalz (FDP), Landes- vorsitzender der FDP in Rheinland-Pfalz, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP.

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man mit allen Konsequenzen daran festhalten; »auch wenn wir darüber im Herbst in die Opposition gehen müßten«. Weyer berichtet von seinen Bemühungen, eine Koalitionskrise zu verhindern. Zur Fra- ge Strauß: Er habe durchaus Verständnis für die bayerische Situation, aber man müsse das Interesse der Gesamtpartei im Auge behalten. Die Entscheidung über Strauß falle in Deutschland und nicht in Bayern. Dies ist eine entscheidende Lebensfrage für eine liberale Partei. Er könne feststellen, daß dies die Meinung der absoluten Mehrheit in der Partei sei. Die FDP müsse den Kampf gegen Strauß durchstehen mit einem klaren Nein, auch mit der Konsequenz der Oppositionsrolle. Dehler (Klaus) bestätigt, daß Strauß »eine tödliche Gefahr für die Demokratie« ist. In der CSU sind ernste Bestrebungen im Gange, Strauß noch vor der Wahl abzukören. Aber diese Bestrebungen werden um ihre Erfolgsmöglichkeiten gebracht durch die ständigen Angriffe gegen Strauß, die die CSU zwingen, sich doch wieder enger um diesen Mann zusammenzuschließen. Dr. Mende: Eigentlich sollten die rein menschlichen Erfahrungen mit diesem Mann dazu hinreichen, um dieses Thema ein für alle Mal aus der Diskussion zu bringen. Eine Zustimmung zu Strauß wäre tödlich für die Partei. Zoglmann berichtet über den Zustand, in dem man Strauß am Donnerstagnachmittag angetroffen habe und den ein Jurist sehr wahrscheinlich mit »nicht voll geschäftsfähig« bezeichnet hätte (Verdacht starken Alkoholeinflusses). Ein Parteivorstand, der einem nur noch bedingt geschäftsfähigen Vorsitzenden eine wichtige politische Formulierung überläßt, sei dann auch nicht viel besser. Dr. Mende: Der »Fall Strauß« werde die Gerichte noch lange beschäftigen; aber der Frankfurter Beschluß bewahre die FDP davor, selbst einen »rehabilitierten« Strauß akzeptieren zu müssen. Dr. Menne zieht aus den Vorgängen die Lehre, daß man niemals wieder niemals sagen solle. Wie soll sich die FDP z. B. verhalten, wenn die CSU auf Eintritt von Strauß in das Kabinett besteht? Er empfiehlt dringend, solche Erklärungen wie in Frankfurt nicht zu wiederholen und die Frage Strauß nicht weiter hochzuspielen. Dr. Mende erinnert daran, daß er vor einem Jahr auf dem Parteitag in München der einzige war, der davor gewarnt hat, Strauß zum Buhmann zu machen. Aber jetzt könne man ihm durchaus keinen Vorwurf machen, wenn er das exekutiere, was 95 % der De- legierten in Frankfurt für richtig hielten. Der Fall Strauß ist eine Frage des politischen Stils in einer Demokratie. Die FDP würde es nicht ertragen können, sich 1965 mit ei- nem Mann in einem Kabinett zusammenzusetzen, um dessentwillen sie 1962 aus der Koalition ausgetreten war. Es wäre traurig um die CDU bestellt, wenn die Zusammen- arbeit an der Person von Strauß scheitern sollte. Das wäre der erste Anflug einer autori- tativen Entwicklung in Deutschland. Man werde den Fall Strauß nicht aus der öffentli- chen Diskussion heraushalten können. [B.] Die deutsch-israelischen Beziehungen Dr. Mende berichtet über das Gespräch mit Rechtsanwalt Scha’ari15 und über den erfreulichen Verlauf der Verhandlungen Birrenbachs16 mit den Israeli.

15 Jehuda Scha’ari, Knesset-Abgeordneter (Miflaga Liberalit Jisra’elit). 16 , MdB (CDU), Sonderbeauftragter des Bundeskanzlers für die Aufnahme diplomati- scher Beziehungen zu Israel.

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Dr. Emde begründet, weshalb verschiedene Wünsche der Israeli betr. Erweiterung des Kreises der Entschädigungsberechtigten aus haushaltsmäßigen Gründen nicht akzep- tiert werden konnten. Dr. Imle wünscht Auskunft, ob der seinerzeit von Dr. Adenauer17 zugesagte Betrag für Waffenlieferungen an Israel jetzt bei der Umwandlung der Militärhilfe in Wirtschafts- hilfe aufgestockt wird. Den Ausführungen von Dr. Emde ist zu entnehmen, daß diese Dinge noch in der Überleitung sind; die Vertragserfüllung in anderer Form als mit Waf- fen soll, wie Dr. Mende dazu bemerkt, sich im Rahmen der ursprünglich vereinbarten Summe halten; es ist jedoch noch offen, in welchem Umfange und für welche Zwecke künftig Entwicklungshilfe an Israel gegeben wird. Bericht über die schulpolitische Situation in Niedersachsen Dr. Mälzig berichtet vom neuesten Stand der Verhandlungen über das niedersächsische Konkordat. Es mehren sich neuerdings Bedenken bei allen Parteien über die tatsächli- chen Auswirkungen eines solchen Vertrages mit dem Heiligen Stuhl. Das Kabinett hat der Änderung des Schulgesetzes noch nicht zugestimmt. Dr. Mende teilt mit, daß die FDP-Fraktionsvorsitzenden am 10.4., der Bundeshaupt- ausschuß wahrscheinlich am 30.4. mit diesem Problem befaßt werden. Auch er warnt vor den weitgehenden Auswirkungen eines solchen Konkordats auf Presse- und Rund- funkfreiheit. Landesminister Glahn hofft, daß die FDP in Niedersachsen ungeachtet der Haltung ihrer Minister im Kabinett in dieser Sache hart bleibt. Dr. Mende gibt Kenntnis von einem Brief an den Bundeskanzler betr. die Kritik von Dufhues18 und Strauß auf dem CDU-Parteitag an den außenpolitischen Ausführungen Dr. Mendes auf dem FDP-Parteitag. Dr. Mende wendet sich damit nachdrücklichst gegen diffamierende falsche Darstellungen. Es liegt bereits die Mitteilung vom Bundes- kanzler vor, daß die von der SPD für die Fragestunde am Freitag angemeldeten diesbe- züglichen außenpolitischen Fragen vom Bundesaußenminister Schröder19 beantwortet werden sollen, und daß noch ein Verständigungsgespräch am Donnerstag stattfinden soll. [C.] Bericht über den Stand der Diskussion über die Vermögensbildung Vorsitz: Zoglmann. Schmidt (Kempten) berichtet über das Hearing; die Ausführungen der Sachverständi- gen hätten klargemacht, daß die Ablehnung einer solchen Sachverständigenanhörung in den Ausschüssen ein schwerer Mißgriff gewesen sei. Die Sachverständigen seien einmü- tig in der Ablehnung des 312-DM-Gesetzes; es führe nicht zu einer Änderung der Ver- mögensbildung, sei verfassungsrechtlich sehr problematisch und sei geeignet, einen währungsgefährdenden Investitionsboom auszulösen (Prof. Schmölders20: »Hier wird die schleichende Inflation gefordert.«). Dem Bundeshaushalt wird eine untragbare Bela- stung zugemutet. In dem Hearing seien alle Bedenken der FDP gegen diese Vorlage von den Sachverständigen bestätigt, zum Teil sogar noch wesentlich vertieft worden.

17 , MdB (CDU), Bundesvorsitzender der CDU, 1949–1963 Bundeskanzler. 18 Josef Hermann Dufhues, MdL Nordrhein-Westfalen (CDU), Vorsitzender der CDU Westfalen- Lippe, Geschäftsführender Bundesvorsitzender der CDU. 19 Gerhard Schröder, MdB (CDU), Bundesminister des Auswärtigen. 20 Günter Schmölders, Wirtschaftswissenschaftler, Professor an der Universität Köln.

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Es besteht Einmütigkeit in der Fraktion, daß in der 2. Lesung des Gesetzentwurfes die Rückverweisung an die Ausschüsse beantragt werden soll. Die Fraktion beschließt: Das Protokoll des Hearings betr. Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand soll veröffent- licht werden; ebenso soll ein populär gehaltener Auszug für die Aufklärungsarbeit her- gestellt werden. Dazu teilt Moersch mit, daß nach seinen Erfahrungen die Dokumentationen über die Kreishandwerkerschaften und Handelskammern zur Verteilung gebracht werden kön- nen. Es wird beschlossen, daß diese Anregung allen Fraktionsmitgliedern schriftlich mitgeteilt werden soll. [D.] II. Fraktionssitzung Beginn: 17.20 Uhr; Protokollführung bis 18.20 Uhr Dischleit21. Vorsitz: Zoglmann. Fraktionsarbeit Zoglmann bittet um rege Beteiligung an dem Empfang einer Gruppe niedersächsischer Kommunalpolitiker am Donnerstagabend (1.4.) in der Parlamentarischen Gesellschaft. Dürr erklärt sich bereit, seinen ordentlichen Sitz im Rechtsausschuß an Dr. Bucher abzutreten und dafür den stellvertretenden Sitz einzunehmen, den Dr. Krümmer frei- gibt. Es wird an den Empfang des DGB22 am 7.4. in Berlin, Charlottenburger Schloß, erin- nert und dringend gebeten, dieser Einladung Folge zu leisten; die Fraktionsmitglieder werden davon noch schriftlich unterrichtet. Dr. Bucher erhält das Recht, weiterhin an den Fraktionsvorstandssitzungen teilzuneh- men. Finanz-Vorlage der Bundesregierung betr. Aufstockung der Ministerialzulage für Bun- desbedienstete Dr. Mende berichtet über eine Vorlage der Bundesregierung über die Gewährung einer besonderen Zulage für den Dienst in den obersten Bundesbehörden, die vom Kabinett einstimmig verabschiedet worden ist. Es steht daraus eine erhebliche Mehrbelastung des Bundeshaushaltes in Aussicht; außerdem würde das gesamte Besoldungsgefüge in Ver- wirrung gebracht werden. Es sei auch damit zu rechnen (Weyer bestätigt), daß die Län- der sofort nachziehen würden. Moersch beantragt, daß dazu der Bundesfinanzminister gehört werde. Die Fraktion beschließt, den Bundesfinanzminister zur Teilnahme an dieser Beratung aufzufordern. Es wird festgestellt, daß Dr. Dahlgrün um 18.30 Uhr der Fraktion zur Verfügung steht. Die Diskussion wird bis dahin zurückgestellt. [E.] Vorbereitung der Tagesordnung 1. Fragestunde (Dru. IV/3254, 3256): Es wird um vollständige Anwesenheit in der Fragestunde am Freitag (2.4.) bei der Behandlung der außenpolitischen Fragen der SPD gebeten. 2. Eidesleistung des Bundesministers der Justiz.

21 Johann Dischleit, Mitarbeiter der FDP-Bundesgeschäftsstelle, dort zuständig für Landwirtschaftsfra- gen. 22 Deutscher Gewerkschaftsbund.

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3. 2. und 3. Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Här- tenovelle, Dru. IV/2572, 3240, 3233, zu 3233): Sprecher in der 2. Lesung Ollesch und Deneke, in der 3. Lesung Mischnick in der 1. Runde und Ollesch sowie Spitzmüller in der 2. Runde. Deneke berichtet über die Änderungsanträge, die der Arbeitskreis III auf Grund der vorangegangenen Frakti- onsbeschlüsse erstellt hat. Die Fraktion stimmt zu. Es soll nach Möglichkeit namentliche Abstimmung durchgesetzt werden. Die Frak- tionsmitglieder sollen schriftlich davon benachrichtigt werden, daß die Anwesenheit im Plenum bei der 2. Lesung der Härtenovelle am Donnerstag und bei der 3. Lesung am Freitag obligatorisch ist, auch für die Europa-Delegierten. Auch wenn die FDP- Anträge erfolglos bleiben, wird die Fraktion der Vorlage die Zustimmung nicht verweigern. 2. Teil des Kurzprotokolls der Fraktionssitzung am 31.3.1965 18.15 Uhr Zu TO-Punkt 2) Vorbereitung der Tagesordnung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ausübung des Berufs der Masseure und medizinischen Bademeister und des Krankengymnasten IV/3057 – ohne Debatte –

Entwurf eines Gesetzes zur .Änderung des Gesetzes zu § 4 Abs. 4 des Altsparergesetzes – IV/3196 – – Es soll möglichst keine Debatte erfolgen. – Dr. Krümmer: Wird eine Erklärung abgeben, wenn von anderer Seite dazu gesprochen wird. Entwurf eines Gesetzes über die Zusammenlegung der Deutschen Landesrentenbank und der Deutschen Siedlungsbank IV/3229 – – ohne Debatte – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeibeamtengesetzes IV/3204 – Die SPD will eine Erklärung abgeben. Herr Dorn soll unterrichtet werden, daß er sich ebenfalls hierfür vorbereitet. CDU-Antrag betr. spätere Rückkehr der Frau in das Berufsleben IV/3243 – Deneke: Dieser Antrag ist uns nicht vorgelegt worden, die FDP muß auf jeden Fall eine Vorbereitung für eine entsprechende Erklärung treffen. Zoglmann: Im Koalitionsausschuß ist darauf hinzuweisen, daß es sich um ein illoyales Verhalten handelt. Frau Funcke: Wenn die CDU zu dem Antrag eine Erklärung abgibt, ist die Debatte eröffnet. Frau Funcke wird beauftragt, sich auf eine evtl. Debatte vorzubereiten. Betr.: Einheitliche Richtlinien zur Bewertung der Dienstposten und über Harmonisie- rung der Stellenpläne IV/3109 – Dr. Miessner: Weist in einer längeren Darstellung darauf hin, daß die Bundesbeamten schlechter befördert werden als ihre Kollegen bei den Ländern und Kommunen. Die SPD beruft sich auf einen früheren Bundestagsbeschluß. Es wird beschlossen, daß Dr. Miessner eine Erklärung abgeben soll.

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Zoglmann: Verliest die »dpa23«-Erklärung zur Frage Koalitionskrise wegen des Rück- tritts von Dr. Bucher. Logemann: Berichtet von einer Veranstaltung in Hannover, auf der Staatssekretär Hüt- tebräuker24 gesprochen hat. Diese Tagung hat besonderes Echo gefunden, weil dort von ihm gefordert worden ist, daß Kleinbetriebe bis 10 ha die Veredelungsproduktion einstellen sollten zugunsten größerer Betriebe. Herr Hüttebräuker ist zwar der Ansicht, daß er dies so nicht gesagt hat, nach verschiedenen Darstellungen muß aber eine ent- sprechende Zahl doch gefallen sein. Es ist, um Mißverständnissen vorzubeugen, festgestellt worden, daß für die FDP- Fraktion nach wie vor eine Haltung gilt, wie sie in Rottach-Egern und Baden-Baden dargelegt worden ist, und daß der zitierte Satz von Herrn Hüttebräuker hierzu im Wi- derspruch steht. In einer Besprechung ist Übereinkunft darüber erzielt worden, daß Hüttebräuker in einer der nächsten Landfunksendungen eine Erklärung im Sinne der FDP abgibt. Anwesend: 19 Abgeordnete. Dr. Emde: Berichtet über die Haushaltsvorlage Nr. 1250 vom 29.3.1965. Danach ist vorgesehen, daß Bedienstete oberster Bundesbehörden eine Zulage ab 1.4.1965 erhalten sollen, z. B. in der Stufe A 1 26,– DM, A 13 90,– DM, B 11 350,– DM. Die Anpassung an die Länder erfolgt hier nur zugunsten einer kleinen Gruppe. Die Rücksprache mit Weyer hat ergeben, daß solch eine Anpassung sofort Konsequenzen in Düsseldorf ha- ben wird. Er hält es nur für sinnvoll, wenn solch eine Regelung allgemein eingeführt wird und nicht mir für Bonn. Dürr: Hat folgende Fragen: 1. Wie wirkt sich das aus beim Amtsboten von Bundesbehörden in Berlin? 2. Ist mit den Ländern Fühlung aufgenommen, damit die Dinge nicht konterkariert werden? 3. Werden dabei Abgeordneten-Diäten berührt? Schultz: Fragt, warum es nicht für nachgeordnete Behörden gilt, und ob Minister da- von begünstigt werden. Dr. Dahlgrün: Die obersten Bundesbehörden stehen wegen des Gefälles zu den Län- dern vor einer ausweglosen Situation. Es fehlen z. B. dem Verteidigungsministerium zahlreiche Schreibkräfte. Es handelt sich um eine Sofortmaßnahme für eine Übergangs- zeit. Er hat darauf bestanden, daß der Haushaltsausschuß unterrichtet wird. Die Gene- rallösung muß durch den nächsten erfolgen. Genscher: Es sind alle Gerichte mit erfaßt und der Bundesrechnungshof. Man muß hier schon obere und oberste Behörde differenzieren. Dr. Dahlgrün: Es sind 1963 Anregungen vom Haushaltsausschuß gegeben [worden]. Sie wurden 1963 im Kabinett abgelehnt. Dr. Miessner: Im Bund muß ein Beamter bis zur nächsten Beförderung in manchen Bereichen 7 bis 8 Jahre länger warten als in den Ländern. Dr. Emde: Die Folge solch einer Regelung wäre, daß entsprechende Konsequenzen in anderen Bereichen gezogen werden müssen. An eine Rationalisierung wird erst gedacht, wenn die Personallage entsprechend ist. Bei den Zöllnern wurden durch 8 500 Stellen-

23 Deutsche Presse-Agentur. 24 Rudolf Hüttebräuker, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

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25 hebungen 1 000 Stellen eingespart. Im Innenministerium, erklärt einem Schäfer , es ist kein Bedarf, wenn Leute angeboten werden. Die Ministerien mauern zunächst und dann schreien sie, es sei kein Personal da. Durch zusätzliche 42,– DM für Schreibkräfte wird das Problem dort nicht gelöst. Schultz: Er bittet, die Sache noch einmal zurückzuverweisen und im Kabinett zu bera- ten. Dr. Dahlgrün: Widerspricht für sein eigenes Ressort, daß entsprechende Stellenange- bote nicht vorhanden seien. Er hätte um Angebote gebeten. Sie kamen nicht. Soweit

Empfehlungen vorlagen, hat er die Leute z. T. mit Schwierigkeiten untergebracht. Es ist erschreckend, was alles abfließt, wenn man außerdem bedenkt, daß der Eindruck ent- steht, weil der eine oder der andere tüchtig ist, kann er nicht befördert werden. Genscher: Bedienstete des Kanzleramtes und des Präsidialamtes erhalten bereits die doppelte Zulage. Der Antrag wird als einer von der Lobby des Hauses betrachtet wer- den. Dr. Dahlgrün: Es ist gebeten worden, daß der Haushaltsausschuß zustimmend Kennt- nis nimmt. Er ist der Meinung, man könne die Dinge so decken. Der Mehraufwand entfällt auf verschiedene Ressorts. Innere Reserven dürften vorhanden sein. Beamtenpo- litisch dreht es sich um eine Notentscheidung. Zoglmann: Vor 2 Stunden bestand allgemein das Gefühl, daß dieser Antrag a) unklug und b) unpopulär ist. Die Bedenken sind nicht ausgeräumt worden. Moersch: Hält das Verfahren für ungesetzlich. Dr. Miessner: Politisch haben wir 4 Wochen nach solch einer Entscheidung den Druck der Bundesbeamten allgemein. Genscher: Weist darauf hin, daß möglicherweise die Anpassung zur Auszahlung schon erfolgt ist. Dr. Dahlgrün: Ist der Auffassung, daß es ausreichende Gründe für die Vorlage gibt. Die Sache ist von 7 bis 8 Ressorts bzw. deren Staatssekretären schon vorher erörtert worden. Er glaubte, richtig zu handeln, als er die Sache dem Haushaltsausschuß mit der Bitte um zustimmende Kenntnisnahme zugeleitet hat. Es wird beschlossen, daß diese Frage zur nochmaligen Behandlung ins Kabinett zu- rückverwiesen wird.

25 Hans Schäfer, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern.

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