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Stand: 2015

Über 50 Jahre Werbung im Tourismus – das Beispiel

Kaum ein Konsumbereich wird so

Gebiet und Identität 1959: Erholung und Heilung auch im Sommer umworben wie die Tourismusbran- 1976–1979: Kur, Sport, Erholung zu jeder Jahreszeit che. Das gilt auch für die Ferien- und 1983: Sauerland, Land der tausend Berge (4-sprachig) Erholungsgebiete in Westfalen, 1988: Sauerland, Land der tausend Berge (Titel: Drachenfliegen) vornehmlich im Sauerland. Besonders 1990: Winterberg und seine Dörfer, Erholung und Sport in heilkli- das Hochsauerland als Zentrum im matischer Höhenluft Land der „Tausend Berge“ bediente 1997: Sauerland Faszination – Frisch und harmonisch: Erholung sich früh und professionell entspre- im Sauerland (5-sprachig) chender Marketingstrategien. 1999: Winterberg und seine Dörfer, Berg zu vermieten

Naturraum „Der Gebirgsverein und der Ski- 2001: Winterberg und seine Dörfer, Sauerland – Die Vielfalt zählt club Sauerland entfalten eine um- (2-sprachig) fangreiche Reklame, die nicht ohne 2006: Ferienwelt Winterberg: 365 Tage Urlaub (2-sprachig) Erfolg geblieben ist. Das schneereiche 2008–2011: Erlebnisberg Kappe Winterberg Winterberg ist besonders ein Mittel- 2012: High Times „Das Lifestyle Magazin“ (Winterprospekt, punkt des Wintersports geworden“, 2-sprachig) schrieb W. Benkert bereits im Jahre Kasten 1: Inhaltliche Vermarktung der Tourismus-Destination 1911. So gab es schon im frühen 20. Winterberg während der letzten 50 Jahre (Quelle: Archiv M. Rohleder) Jh. gezielt Werbung für den Winter-

Bevölkerung sport – der Skiclub Winterberg wurde Das Potenzial: eine von den Reiseveranstalter. Im Winter überwog 1907 gegründet, die erste Sprung- Stadtregionen in Nordwestdeutsch- der Wochenend- oder Tagestouris- schanze entstand 1909, die erste land und den Niederlanden leicht mus, gestützt auf den eingesetzten Bobbahn ein Jahr später (vgl. Land- erreichbare Mittelgebirgsregion Sonderzügen aus nordrhein-westfä- kreis 1969, S. 124). Zugleich mit ihren heilklimatischen Reizen, lischen Städten. Es gab somit eine kam das Werben um „Sommerfrisch- abwechslungsreichen Landschaftsbil- klare Trennung zwischen Sommer- ler“ verstärkt hinzu. dern, Wäldern und Tälern und einer und Wintersaison; im Sommer stand Nach dem Zweiten Weltkrieg ent- offenen, innovativen Bevölkerung Wandern im Vordergrund, im Winter

Siedlung wickelte sich das Fremdenverkehrs- (nicht zuletzt entstanden durch die das Skifahren. gewerbe im Zuge der Entstehung des vielfältigen Handelsbeziehungen der Die eigentliche Marke war der Massentourismus rasant weiter. Dem- Kaufleute). Astenturm auf dem Kahlen Asten in entsprechend wurden ab Mitte der Die Zielgruppen: Wintersportbe- unzähligen Variationen: Bilder, auch 1950er Jahre durch Werbung immer geisterte sowie Erholung und Heilung Luftbilder und graphische Abbildun- wieder neue Tourismusgruppen an- Suchende in „reiner“ Luft, vor allem gen. gesprochen. Dabei standen einerseits aus dem Ruhrrevier. Angesprochen Die Werbung war immer auch die (naturräumlichen) Potenziale des wurden junge Paare oder Kleinfami- mit der Ferienregion Sauerland unter Hochsauerlandes, andererseits die lien, die sich im Sommer ein bis zwei Einbeziehung des Waldecker Uplands angesprochenen Zielgruppen und die Wochen Urlaub leisten konnten. mit dem Zentrum verbun- Wirtschaft und Verkehr ihnen in Urlaub und Freizeit mögli- Meistens reiste man mit dem Bus den; das ist bis heute so geblieben. chen Aktivitäten im Fokus (Abb. 1). an, organisiert durch entsprechende Broschüren und Kataloge (heute eher Flyer) der letzten 50 Jahre bele- gen bei den Aktivitäten Konstanten (Wandern), aber auch Innovationen (Drachenfliegen, Mountainbiking, etc). Dies ist verständlich, wenn

% 20 Bildung, Kultur und Sport

10

0 <16 16–20 21–25 26–30 31–40 41–50 >50 Altersgruppen Abb. 2: Altersstruktur der Gäste in der „Ferienwelt Winterberg“ Gesellschaft und Politik Abb. 1: Auszug aus einem gezeichneten Tourismus-Stadtplan von Winterberg aus dem Fremdenverkehrsprospekt des Jahres 1959 (Quelle: Tourist-Information (Quelle: Städtisches Verkehrsamt Winterberg) Winterberg 2006)

Geographische Kommission für Westfalen Tourismuswerbung Winterberg Meinolf Rohleder

ders angesprochen werden als Biker, Deutschland 55% Gebiet und Identität „Event“-Touristen, Kids, Senioren, Kunstinteressierte, Ruhebedürftige Ausland insges. 45% oder Gesundheitssuchende. Da wird davon es immer schwieriger – nicht zuletzt Niederlande 85,5% wegen der konkurrierenden Touris- Belgien 10,2% musgebiete – die erreichte Markt- Dänemark 0,8% position zu halten. Insofern werden Großbritannien 0,6% die Werbemaßnahmen, nicht zuletzt Tab. 2: Gästeübernachtungen durch die Online-Möglichkeiten, nach Herkunft in der „Ferienwelt Naturraum fast unüberschaubar. 2006 warben Winterberg“ 2012 (anteilig) bereits 18 Internetauftritte im Zusam- (Quelle: Winterberg Touristik und menhang mit 365 Tage Urlaub in der Wirtschaft GmbH 2013) Ferienwelt Winterberg. Aus der eher beschaulichen „Kappe“ wurde der Aus einem ein- bis zweiwöchi- „Erlebnisberg Kappe – ein Berg voller gen Urlaubsvergnügen wurde über Sport- und Freizeitspaß“ mit Pano- die Jahre ein zwei- bis dreitägiger rama-Erlebnis (Brücke „Sky-Boa“), „Weekend“-Aufenthalt mit „Events“

Sommerrodelbahn, Kletterwald und wie „Chill & Destroy Snowboard“ Bevölkerung Bikepark (Abb. 3). und „Freestyle Festival“, „Moun- Winterberg firmiert als Zentrum tainbike-Weekend“, „Kids on Snow der Wintersport-Arena Sauerland: Festival“ sowie „Hartkloppingen“ Abb. 3: Prospekt „Erlebnisberg „Das größte Schneevergnügen für die niederländischen Gäste (vgl. Kappe“ (2011, Auszug) (Quelle: www. erlebnisbergkappe.de) nördlich der Alpen“; darunter das Winterberg Touristik und Wirtschaft Skiliftkarussell Winterberg mit allein GmbH 2011). „Willkommen in der man die Altersstruktur der Gäste der 27 Skiliften. Viele Hänge werden Funsport-Metropole“, „Dich emp-

„Ferienwelt Winterberg“ wahrnimmt inzwischen von Schneekanonen fängt die Stille der endlosen Wälder“, Siedlung (Abb. 2). Aktuell machen Familien beschneit. „Kleine Glücksmomente im Grünen“ einen Anteil von 25 % aus, 57 % rei- Kann Winterberg in Zukunft unter – so lauten nun die Werbesprüche. sen mit Partner/in, 13 % allein, 10 % den Vorzeichen eines umweltge- Wirklich alles neu? mit Freunden/Bekannten. rechten Tourismus seine dominante Im Zuge der kommunalen Neu- Position halten? Die Fremdenver- gliederung (1975), die in manchen kehrsstatistik des Zeitraums zwischen Dörfern und Ortsteilen nicht unum- 1985 und 2010 verdeutlicht folgende stritten war, musste sich die jetzige Entwicklung: Die Übernachtungszah- „Großgemeinde“ Winterberg auch len blieben in diesem Berichtszeit- bei ihrer Tourismuswerbung neu raum auf einer stabilen Basis (zwi- Wirtschaft und Verkehr ausrichten. Dies dauerte über ein schen 843000 und 864000). Viermal Jahrzehnt, bis die Touristikzentrale lag die Zahl darunter (Minimum: der Kernstadt diese Situation für 780000, 2007), zehnmal darüber, Abb. 4: Astenturm bei Nacht den Slogan „Winterberg und seine davon viermal über 900000 (Maxi- (Foto: „Ferienwelt Winterberg“) Dörfer“ nutzte. mum: 940000, 1996). Die Entwick- Es bleibt allerdings festzustellen, lung der übrigen Kennziffern veran- Geblieben sind die naturräum- dass auch im Jahre 2012 13 der schaulichen die Tabellen 1 und 2. lichen Voraussetzungen der Gipfel, 14 eingemeindeten Ortsteile eine Täler und Wälder im „Land der

selbständige Werbung über eigene Tausend Berge“, das Klima für sehr Bildung, Kultur und Sport 1985 2014 Internetauftritte unabhängig von unterschiedliche Aktivitäten für alle Betriebe 221 123 der „Tourismuszentrale“ Winterberg Altersgruppen im Sommer, mitt- Betten 7851 8136 betreiben. lerweile ebenso im Herbst wie im In Hinblick auf die Zielgruppen Ankünfte 174526 343428 Winter und die beharrende Attrakti- kennzeichnen die Prospekte der ø Aufenthaltsdauer 4,9 Tage 3,0 Tage vität der Region für die niederländi- letzten 20 Jahre ein Spiegelbild einer Bettenauslastung 30,4% 33,6% schen Nachbarn. Geblieben ist auch Gesellschaft, die sich mittlerweile Tab. 1: Fremdenverkehrsstatistik der Kahle Asten mit dem Astenturm fragmentarisch aus sehr unterschied- (Abb. 4) als Orientierungspunkt und von Winterberg – Vergleich Gesellschaft und Politik lichen sozialen Zielgruppen zusam- ausgewählter Merkmale von 1985 weit sichtbare Gipfelmarke. mensetzt: Wanderfreunde wollen an- und 2014 (Quelle: IT NRW)

WESTFALEN REGIONAL