Freitag, 21.9.2012 | Woche 38 | 2. Jahrgang 5.– Aus der Community: 38 «Das Herzstück ist eine Fehlplanung. Die S-Bahn muss doch dorthin, wo die Arbeitsplätze sind.» Karl Linder zu «Herzstück soll viel Geld bringen», tageswoche.ch/+bagmn Zeitung aus Basel tageswoche.ch
Region
Computer-Pannen lassen Lehrer dumm aussehen Überlange Loginzeiten, Serverprobleme, defektes Zubehör: Baselbieter Lehrer kämpfen mit Computer-Problemen – vom Kanton ist keine Hilfe zu erwarten, Seite 23
Interview
«Die politische Mitte ist nicht mehr mehrheitsfähig» Der abtretende Solothurner FDP-Finanzdirektor Christian Wanner zieht nach 35 Jahren in der Politik Bilanz – diese fällt für seine Partei durchzogen aus, Seite 32
Kultur
Provokateure nehmen die verletzte Schweizer Seele aufs Korn Die Schweiz hat im Ausland ein Imageproblem. Zwei Bieler Filmschaffende sind der Sache auf den Grund gegangen – und haben eine erfrischend freche Satire geschaffen, Seite 44 Foto: Hans-Jörg Walter
TagesWoche Zeitung aus Basel Gerbergasse 30 4001 Basel Tel. 061 561 61 61 Verpfuschte Stadt Was die «Rheinhattan»-Planer von Bausünden der Vergangenheit lernen können, Seite 6 Editorial 21. September 2012
Höchste Zeit, über «Rheinhattan» nachzudenken von Remo Leupin, Co-Redaktionsleiter
Es sollte augenzwinkernd-jovial herüber- Doch was sind die Alternativen? Die Be völ- kommen, aber der vorwurfsvolle Unterton war kerung wächst, Wohnraum wird knapp, und nicht zu überhören. «Rheinhattan», meinte ein auf In dustrie - und Hafenarealen eröffnen sich leitender Mitarbeiter des Baudepartements neue Nut zungsmöglichkeiten. Wie können diese Remo Leupin kürzlich am Rand einer Debatte zur Stadtent- Gebiete aufgewertet werden, ohne dass kalte wicklung, «ihr von der TagesWoche habt diesen Glas- und Betonburgen entstehen? unmög lichen Begriff in die Welt gesetzt.» In unserer Titelgeschichte sind wir solchen Der Chefbeamte lag falsch. Die NZZ wars vor Fragen nachgegangen und haben auch einen gut einem Jahr. Seither zählt «Rhein hattan» Blick in die Vergan genheit geworfen. Unser zum Standardvokabular, wenn es um das Fazit: Je grösser die Pro jekte waren, desto geplante trinationale Quartier am Basler Hafen grösser war auch die Wahrscheinlichkeit von («3Land-Projekt») geht, dessen Mittelpunkt die Fehlentwicklungen und desto kleiner ist die Basels mit Hochhäusern überbaute Klybeck insel sein Chance, Bausünden zu korrigieren. Bausünden soll. Die Skepsis gegenüber dem Vorhaben ist Das gilt auch für das Hafenprojekt. Es handle Lesen Sie die Titelgeschichte gross, vor allem in Kleinhüningen und im sich erst um eine «Test planung», sagen die ab Seite 6 – Kly beckquartier. Von Gigantismus und Grössen- Behörden, in den Jahrzehnten bis zur Umset- und diskutieren wahn ist die Rede. Anwohner befürchten, dass zung werde sich noch vieles verändern. Mag Sie mit auf ein neues Schickimicki-Viertel entsteht und sein. Doch die Weichen sind gestellt – und am tageswoche.ch Wohnungen bald unbezahlbar werden. kommenden Dienstag wird schon der nächste Bislang ist es den Behörden nicht gelungen, Meilenstein ge setzt: Dann werden Vertreter von diese Ängste zu entkräften, und Aufwertungs- Basel, Weil am Rhein und Hunin gue den Mas- projekte wie Volta West im St. Johann oder die terplan zum «3Land- Projekt» unterschreiben. Überbauung Erlenmatt geben dem Unbehagen Höchste Zeit, eine Denkpause einzulegen, den Nahrung: Es wird wohl Jahre dauern, bis in Expertenkreis zu öffnen und auch die Einwohner diesen toten Vierteln neues Leben erwacht. ins Boot zu holen. tageswoche.ch/+bagoe
Gesehen von Tom Künzli Tom Künzli ist als Illustrator für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften tätig. Der 38-Jährige wohnt in Bern.
tageswoche.ch Aktuell im Netz
Lesen Sie uns auch online: Eidgenössische Abstimmung: nen das Abstimmungs ergebnis ein, Das grüne Dreieck Die TagesWoche berichtet täglich Was bedeutet es, wenn die Schweiz sobald es vorliegt. markiert Beiträge aktuell im Web. Das sind unsere Online- rauchfrei wird? Die Diskussion, ob das aus der Community Schwerpunkte der kommenden Tage: von der Lungen liga in Basel durch- Auftakt des Schauspiels: und lädt Sie ein, gesetzte strikte Rauchverbot schweiz- Erster Vorhang für die neue Leitung sich einzumischen. Abschluss der Freiluftsaison: weit gelten soll, bewegt die Gemüter. des Schauspielhauses: Mit «Ein Traum- Die britische Kultband Radiohead Wir kommentieren am Sonntag. spiel» und «Don Karlos» wird die neue Sie können das tritt nach langer Zeit wieder in der Schauspielsaison lanciert. Wir prüfen, via die Webadresse Schweiz auf. Wir berichten am Baselbieter Steuerfragen: ob mit dem neuen Leitungsteam der am Ende jedes Freitag darüber, ob sich das lange Baselland stimmt über die Abschaffung versprochene frische Wind am Theater Artikels tun. Warten gelohnt hat. der Pauschalbesteuerung ab. Wir ord- Basel Einzug hält.
TagesWoche 38 3 Persönlich 21. September 2012
Gefordert: Yasmina El Ghribi
Die Stimmenzählerin Yasmina El Ghribi (24) ist Wahlhelferin. Am kommenden Wochenende ist sie wieder im Einsatz – drei eidgenössische Vorlagen müssen ausgezählt werden.
Foto: Michael Würtenberg
A m Sonntag wird über drei eidgenössische Vorlagen Die Stimmzettel werden jeweils zuerst nach der Vorlage abgestimmt. Die meisten Leute geben ihre Stimme brief- sortiert und in einem weiteren Schritt nach Ja-, Nein- und lich ab, einige gehen am Wochenende noch persönlich an Leerstimmen. Ungültige Stimmen werden aussortiert. die Urne. Ausgezählt werden müssen aber alle Stimm- Dann wird ausgezählt. Das erledigt jeweils eine Maschine. zettel. Dazu braucht es Wahlhelfer. Es komme vor, dass man nach dem Sortieren schon eine Im Einsatz steht auch Yasmina El Ghribi (24). Die Jus- Tendenz über den Ausgang der Abstimmung feststellen Studentin bereitet sich derzeit gerade auf die Bachelor- könne. «Aber sicher sein kann man sich nicht.» Das Ab- prüfungen vor. «Daneben hat im Moment nicht viel ande- stimmungsresultat erfährt Yasmina El Ghribi auch erst res Platz», sagt sie. Den Einsatz als Wahlhelferin lässt sie aus den Medien. «Ich wusste aber auch schon das Resultat sich dennoch nicht nehmen. der brieflich eingegangenen Stimmen im Voraus.» Aus- Seit 2009 ist El Ghribi immer wieder dabei, wenn es da- plaudern darf sie aber nichts: «Schliesslich gibt es das rum geht, bei Abstimmungen und bei Wahlen Stimmen Wahl- und Abstimmungsgeheimnis», sagt sie. auszuzählen. «Das Sortieren der Wahlzettel ist spannen- Die schweizerisch-algerische Doppelbürgerin stimmt der als das der Stimmzettel», sagt sie. Aber auch aufwen- und wählt auch selber: «Ich finde, es ist toll, dass wir mit- diger. «Namen zu lesen ist abwechslungsreicher als immer bestimmen dürfen. Deswegen mache ich es auch.» Immer- nur Ja und Nein», sagt sie. hin gehe es auch um ihre Zukunft. Auch an den algerischen «Teilweise schreiben die Leute auch absurde Dinge auf.» Wahlen hat El Ghribi sich schon beteiligt. Als Wahlhelferin Auch Beleidigungen auf Wahl- und Stimmzetteln kämen weiss sie nun auch, was hinter den Kulissen geschieht. Das ab und zu vor, wenn auch eher selten. Und manchmal liegt sei spannend. «Ausserdem treffe ich unterschiedliche Leu- auch ein kleines Briefchen bei oder es werden Wünsche te: Hausfrauen, Studenten und Lehrlinge sind unter den fürs Endresultat geäussert. Wahlhelfern.» Noëmi Kern tageswoche.ch/+baija
TagesWoche 38 4 Inhalt 21. September 2012
WOCHENTHEMA REGION DIALOG Auch das noch Stimmen aus der Community Schluss mit Stau auf der Bahnhof-Passerelle – dank blauer Farbe … 15 «Ein Wissenschaftler, Malenas Welt der keine besseren Punkto Schmuck wird heuer gross geklunkert – muss uns das Angst machen? 15 Argumente hat als
Von wegen «Velostadt» eine Verschwörungs- Das Verkehrskonzept für die Basler City macht Velofahrern das Leben schwerer 16 theorie?»
Foto: Hans-Jörg Walter Ben Palmer zu «Passivrauchen Ein Trämler mit Musikgehör schadet – eine Replik zu den Die hässliche Seite Christof Meissburger singt die Tramstationen an – und er ist ein Facebook-Liebling 18 Ansichten von Romano Grieshaber», von schönen Visionen: tageswoche.ch/+bahuo Verschiedene Grossprojekte Listenplätze zum Kaufen haben schlimme Furchen ins Bei der GLP und SVP können Kandidaten gute Platzierungen kaufen 19 «Das Lesen des Blogs Stadtbild gegraben. Jetzt setzt ist ganz einfach ein Basel mit «Rheinhattan» zu Blühender Shopping-Tourismus Nicht nur Basler gehen in Deutschland fremd – auch die Elsässer Hochgenuss! Bravo!» einem neuen grossen Wurf an – 20 das könne nur schiefgehen, Michael Wüthrich zu «Folksfreunde», meinen Experten, Seite 6 Das globale Dorf lässt grüssen tageswoche.ch/+bagoz Baselbieter Lehrer kämpfen mit Computerpannen – der Kanton ist überfordert 23 INTERVIEW KULTUR Langenbruck Unlimited Das Duo Steiner/Lenzlinger hinterlässt in Langenbruck künstlerische Spuren TagesWoche: Christian 24 Wanner ohne Politik, geht das? Christian Wanner: Das geht SCHWEIZ sogar ganz gut. Ich war gerne in Das grosse Formtief der Parteien der Politik und ich bleibe auch Alle freuen sich über den SVP-Knatsch – und sitzen ihre eigenen Probleme aus 26 danach ein politischer Mensch. Aber für einmal nicht mehr in der vordersten Linie stehen zu Foto: Hans-Jörg Walter müssen – darauf freue mich. Unter Beobachtung TagesWoche: Was werden Sie des Regimes: Die iranische am wenigsten vermissen? Das Wochenende Schauspielerin Taraneh Christian Wanner: Ich habe Alidoosti ist seit ihrem gerne Leute. Ich schaffe gern. 16. Altersjahr in ihrem Land Aber ich habe nicht gerne Re- der Designer, ein Star – und in politischen präsentation: Wenn man nur an Dingen eine Meisterin des einen Apéro eingeladen wird, Unverbindlichen, Seite 46 weil man zufällig Regierungsrat Seite 30 ist und die Leute sonst nichts AGENDA von einem wissen möchten. Wochenstopp: Ex-Lovebugs- Bassist Baschi Hausmann Das ganze Interview mit dem INTERNATIONAL wird zu «Bash» – und versucht abtretenden Solothurner Beim Coiffeur von Barack Obama sich in Comedy, Seite 47 Finanzdirektor Christian Chicago ist die heimliche Wahlkampfzentrale des US-Präsidenten 28 Wanner ab Seite 32 Kultwerk: Harriet Beecher DIALOG Stowes «Onkel Toms Hütte» Wochendebatte: Braucht Basel das Projekt «Rheinhattan»? aus dem Jahr 1852 erntete David Wüest-Rudin (GLP) streitet mit Heidi Mück (Grünes Bündnis) 37 viel Kritik, bleibt aber zu Recht unvergessen, Seite 53 Bildstoff Die Belgierin Frieke Janssens provoziert mit Porträts von rauchenden Kindern 38 Wochenendlich im Lötschental: Der perfekte SPORT Ort für Wanderer – auch Der ideale Ausländer für Untrainierte, Seite 54 Regionale Sportclubs auf Profi-Suche – ein risikoreiches Unterfangen 40 Leserbriefe, Impressum, KULTUR Seite 36 Die Saubermacher Ein Bieler Filmer-Duo nimmt die Imageprobleme der Schweiz aufs Korn Bestattungen, Seite 14 44 Foto: Basile Bornand
TagesWoche 38 5 Wochenthema 21. September 2012
Basels Bausünden «Rheinhattan» ist das neuste Grossprojekt der Stadtplaner. Fachleute sprechen von Fehlplanung und Grössenwahn. Von Renato Beck und Yen Duong, Fotos: Hans-Jörg Walter
er sündigt, geht in die Kirche. Wer eine planer das Gespräch mit der Bevölkerung vorstellt BausündeW begeht, plant die nächste. Basels Stadtpla- (von oben herab), es vermittelt vor allem auch: Wie ner haben, was Letzteres anbelangt, einiges auf dem man sich irren kann. Kerbholz. Hinter jedem Platz und jeder Kreuzung in der Stadt, die einem als Benutzer das Gefühl geben, Eine Stadt wird umgepflügt dass da etwas bei der Planung gründlich schiefgegan- gen sein muss, steckt eine Geschichte. Nicht selten Der Streifen gibt eine Auf- und Abbruchstimmung handelt sie von mutigen Ideen. Mitunter sogar von wieder, wie man sie aus den propagandaschwangeren «Visio nen», die sich Jahre oder Jahrzehnte nach der Filmen des revolutionären Russland kennt. Ein Alt- Verwirklichung als Hirngespinst entpuppen. bau wird vom Bagger geschleift, hinten taucht ein Heute ist in Basel wieder die Zeit reif für eine neues Hochhaus im Breite-Quartier auf. Vi sion. Leidenschaftlich Lego gespielt wird dieses Basel sollte umgebaut werden für eine Bevölke- Mal in Kleinhüningen. «3Land-Projekt» heisst die rung, die ein Vielfaches über jener lag, die die Stadt grosse Kiste: Im Hafengebiet soll ein neues grenz- damals hatte. Die Planer wollten einen Autobahnring überschreitendes Stadt quartier mit einer von Hoch- um die Stadt ziehen mit dicken Adern, welche in die häusern übersäten Klybeck insel in der Mitte («Rhein- Innenstadt führen. Die Tramlinien sollten in den Un- hattan») und Satellitensiedlungen in Huningue und tergrund. Oben brauchte es Platz fürs Auto, dem alles Weil am Rhein gebaut werden. Ein Projekt, das ge- untergeordnet wurde. meinhin als grosser Wurf gesehen wird. «Wir wollen Basel neu bauen!», heisst es im Film. Basels letzter grosser Wurf vor «Rheinhattan» Dieser Gesamtplan galt damals in der Schweiz als lässt sich in seiner Reinform auf Youtube bestaunen. wegweisend. Über die Folgen dieser Ambitionen wird «Der Gesamtplan» heisst das Werk von 1972, und es noch die Rede sein. So viel vorweg: Carl Fingerhuth, verrät nicht nur viel darüber, wie man sich als Stadt- Basels Kantonsbaumeister von 1979 bis 1992, der
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Die grössten Basler Bausünden – Stimmen aus der Community
Elisabeth Ganser- Fritz Hochhuth, Zucker, Basel Basel «Die «Der Passerelle Centralbahn- im Bahnhof platz birgt ein SBB hat man unheimliches einfach zu Unfallrisiko.» eng gebaut.»
Sophie Bruckhaus, Basel «Der Messeneubau ist schlicht grössenwahnsinnig für eine doch eher kleine Stadt wie Basel. Der hässliche Bau verschandelt die Umgebung. Wunderschöne Altbauten werden in nächster Zeit ja auch noch abgerissen zugunsten eines Hochhauses. Einfach unfassbar!»
Dominic Oehen, Anonym Basel «Die «Das nt/- Markthalle Areal ist ein solllte man lebloses 08/15- eigentlich Randquartier füllen, jetzt ist ohne sie aber leer.» Charme.»
Alfred Loewenguth, Basel «Die Osttangente bringt Lärm und Abgase mitten in die Wohnquartiere.»
Der Messeneubau von Herzog & de Meuron: Nach dem Centralbahnplatz die schlimmste Fehlplanung aus der Sicht der TagesWoche-Community.
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Das Hafengebiet inspiriert zu neuen Visionen: In den kommenden 30 Jahren soll hier ein neues Quartier aus dem Boden gestampft werden. den Plan in die Tat umsetzte, sagt heute: «Es ist Wessels kann die Vorbehalte nicht nachvollziehen: unmöglich, eine Stadt 20 oder 30 Jahre im Voraus zu «Das ‹3Land-Projekt› ist eine riesige Chance für planen. Was man jetzt andenkt, bildet nur die heu- Basel, die wir unbedingt nutzen müssen. Wir sind auf tigen Bedürfnisse und Energien ab.» zusätzlichen Wohnraum angewiesen, und ich kann Der heutige Baudirektor, Hans-Peter Wessels, ist mir sehr gut vorstellen, dass auf der Klybeckinsel ein der Ansicht, dass die Stadt grosse Würfe braucht. «Es tolles Quartier entstehen kann.» Zudem ziele die hat in jeder Stadt Phasen gegeben, in denen neue Kritik für ihn ins Leere, weil kein bestehender Wohn- Quartiere zügig entstanden sind», sagt er. Seit zwei raum vernichtet würde. Jahren tüfteln seine Mitarbeiter an einem Plan, Basel an bester Lage am Rhein neu zu erfinden. Entstehen «Rheinhattan» – wirklich nur eine erste Idee? sollen mit dem «3Land-Projekt» Wohnungen für 10 000 Personen und ebensoviele Arbeitsplätze. Ganz spurlos scheint der Widerstand aber doch nicht Kommende Woche rückt die grosse Vision der an ihm vorbeigegangen zu sein. Nachdem der Sozial- rot-grünen Regierung ein klein bisschen näher: Dann demokrat bei der Vorstellung der Pläne im Jahr 2010 unterschreiben Basel-Stadt, Huningue und Weil am noch euphorisch davon geschwärmt hatte, ist nun «Über Basel»: Rhein einen Masterplan, der das weitere Vorgehen offensichtlich die Zeit gekommen, einen Gang run- Am Freitag, 21.9., entwickeln Regie- für das «3Land-Projekt» bestimmt. Doch Wider- terzufahren – und zu relativieren. «Das Vorhaben rungsräte, Politikerinnen, Stadtentwick- stand ist programmiert. Grüne Kreise fordern statt steht und fällt mit der Hafenentwicklung. Es ist noch ler, Interessenvertreter und Hörerinnen «Rheinhattan» ein «Greenhattan». Ihre Idee: Der gar nicht klar, ob dort eine städtebauliche Ent- von Radio X auf vier Türmen der Stadt Hafen soll zu einem genossenschaftlichen Ökoquar- wicklung möglich ist. Denn unser erstes Ziel ist ein (Lonza, Messe, Antoniuskirche, Ber noulli tier werden. zukunftsfähiger Hafen – dafür braucht es ein Silo) Gedankenblitze zur Stadtentwick- Überhaupt ist die Skepsis in den Quartieren Kly- Hafenbecken 3.» lung. Wer nicht selbst an einer der beck und Kleinhüningen gross. Von Grössenwahn ist Falls tatsächlich auf der Klybeckinsel gebaut wür- Runden teilnehmen kann, ist von 18 bis die Rede, von Verdrängung. Das Vorhaben des Kan- de, dann sei das gezeigte Projekt nur ein Ansatz, eine 23 Uhr auf den Frequenzen UKW 94.5, tons, künftig 20 Anwohner bei «Rheinhattan» mit- erste Idee. Man könne «mit Sicherheit» davon aus- 93.6 live dabei oder verfolgt die De- wirken zu lassen, vermag die Gemüter auch nicht zu gehen, dass das neue Quartier nicht 1 zu 1 so umge- batten in der Bodenstation von «Über beruhigen. Festgesetzt in den Köpfen haben sich die setzt würde. Und: «Mir ist wichtig, dass am Hafen Basel» in der Kaserne. www.radiox.ch Betonvisionen der Stadtplaner. keine Betonwüste entsteht, wir dort attraktiven
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Die grössten Basler Bausünden – Stimmen aus der Community
Grünraum schaffen und eine gute soziale Durch- den Neustädten los. In Basel dagegen fand alles auf Markus Hofstetter, Birsfelden mischung haben.» dem engen Raum der Kernstadt statt. Für Roland Zaugg ist es mehr als fraglich, ob Wes- Begonnen hatte die Entwicklung, noch vor der «Der Centralbahnplatz ist eine sels Wunsch in Erfüllung geht. «Die Chance, dass grossen Autowelle, in den Anfängen der Motori sie- ‹Rheinhattan› gelingt, ist sehr gering», sagt Zaugg, rung, als die teilweise verwirklichte Talentlastungs- Betonwüste, für Auswärtige ein der von 1985 bis 2005 selber in der Basler Verwal- strasse in den 1930er-Jahren grobe Schneisen in die Spiessrutenlauf mit den Trams.» tung Stadtplaner war und heute an der Universität Altstadt schlug. Die Folgen sind heute noch deutlich Basel lehrt. Er sieht zwei Gründe, weshalb sich zu sehen: Der Blumenrain, der am Hotel Trois Rois «Rhein hattan» in die Liste der verfehlten Basler Toni Lötscher, Basel Tanja Veith, Basel Grossplanungen einreihen wird. Die unschönen Folgen «Der «Der Brunnen Zunächst einen historischen, der deshalb auf- schlussreich ist, weil er viel über die Stadt sagt und der Talentlastungsstrasse Rütimeyer- auf dem ihre eigentümliche Vorstellung von Entwicklung. sind noch heute in der platz ist eine Horburgplatz – «Rheinhattan» passe nicht zur Basler Bauphiloso- phie, sagt Zaugg. Es stelle einen Bruch mit den Tradi- Basler Altstadt zu sehen. unfassbar sieht aus tionen dar. komplexe wie ein Basel habe sich seit der Kantonstrennung 1833 auf vorbei zum Spital führt, ist eine breite Piste und für sein Zentrum konzentriert. Während sich die Macht Fussgänger nur schwer zu überwinden. Auch der Teerwüste.» umgekehrter in Städten wie Genf oder Zürich aufgeteilt hat zwi- Fischmarkt wurde in dieser Zeit verunstaltet – mit Pool.» schen den adelsartigen Herrschaftsstrukturen und der Garage Storchen als Tiefpunkt. «Das ist eine neuen bürgerlichen, blieb sie in Basel unangetastet. absolute Katastrophe», sagt Zaugg. «Am wichtigsten Die Städte Zürich und Genf haben einen Grossteil Ort der Stadt eine Tiefgarage zu bauen, das ist aus Lukas Gruntz, Basel ihrer baulichen Entwicklung in den neuen bürger- heutiger Sicht unbegreiflich.» lichen Stadtteilen des 19. und frühen 20. Jahrhun- In den Siebzigern folgten weitere einschneidende «An der Haltestelle Breite ist es derts vollzogen – in Zürich etwa im Gebiet der Bahn- Planungen, die heute als missglückt bewertet werden. düster. Dabei hätte der Ort mit hofstrasse oder an weiten Teilen des Seeufers. Als in Der Cityring in erster Linie – eine breite Ver kehrs- den 1970er-Jahren der Ruf nach einer «Autostadt» achse, die ein einst als Erholungsraum funk tio nie- seiner Lage grosses Potenzial.» laut wurde, ging der Urbanisierungsprozess dort in rendes Gebiet nachhaltig schädigte. Der Cityring
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Die Osttangente: Der Milliardenpfusch soll für weitere Milliarden unter der Erde entsorgt werden.
Die grössten Basler Bausünden – Stimmen aus der Community
Hugo Reichmuth, Gaston Ravasi, Gundeli Bottmingen «Die «Die zurück- verkehrslärm- versetzte beschalllte Baulinie und Erlenmatt ist der Abriss abgeschnitten alter Häuser in und wirkt der Aeschen- retortenhaft.» vorstadt.»
Levent Morandini, Basel «Die kaum befahrene Meret- Oppenheim-Strasse – hätte die Güterstrasse entlasten sollen.»
ist eine Sperre, totes Gebiet. Er trennt die Innen- es 1913 und 1916 in zwei Abstimmungen an den Schüt- Heinrich Barbara Seiler, stadt von den umliegenden Quartieren. Noch schlim- zenmattpark setzen, der Daig wollte es auf dem Müns- Ueberwasser, Riehen Saint-Louis mer für Basel ist in Zauggs Augen die Autobahn-Ost- terplatz haben. Der Kompromiss ist der heutige Stand- «Die «Das Botta- tangente, die 1980 fertiggestellt wurde und seither die ort am St. Alban-Graben – wofür einer der schönsten Stadt entzweiteilt. Nun soll sie für ein bis zwei Milli- Hofgärten Europas weichen musste. St. Jakobshalle Gebäude am arden Franken unter dem Boden verschwinden. Für Zaugg typisch ist auch der gescheiterte Neu- war schon Aeschenplatz bau des Stadtcasinos. «Jede andere Stadt hätte es an In keiner anderen einem Ort ausserhalb des Zentrums versucht, am bei ihrer ist bedrohlich, Schweizer Stadt spielt sich Bahnhof etwa, dann hätte das Volk auch Ja gesagt.» Einweihung leblos und Doch in Basel muss alles mitten rein. das ganze Leben auf Auch ein totaler Bruch mit Basels Stadtverständ- ein hässlicher abweisend – einem so kleinen Raum ab. nis ist dem übergrossen Einfluss des Daig in Basel Betonkloss.» eine Art UFO.» geschuldet: der Wettsteinplatz. Weil sich das Gross- bürgertum und seine poli tischen Vertreter gegen den Aber nicht nur die grossen Verkehrsprojekte ste- Bau der abfallenden Wettsteinbrücke sträubten, wur- hen sinnbildlich für das enge Basler Denken. Schon den grosse euro päische Architekten beigezogen. Die- Riehen findet in der Wahrnehmung der Planer kaum se empfahlen als Abschluss einen Sternplatz, wie statt. In keiner anderen Schweizer Stadt spielt sich man ihn aus Brüssel oder Berlin kennt. Vorgesehen das ganze Leben auf einem so kleinen Raum ab. war ursprünglich eine Lösung ähnlich dem Erasmus- Weil ein kantonales Regulativ fehlt, eine Gegen- platz an der Johan niterbrücke. Funktionell, aber un- macht zum Zentrum, baute Basel sämtliche kulturel- auffällig. Der Wettsteinplatz ist das Gegenteil: gross- len und politischen Institutionen mitten in die Stadt. städtisch unbescheiden, dafür unbrauchbar. Das Schauspielhaus sollte 1997 nach den Wünschen Zaugg vermisst das historische Verständnis in der der Financiers dort gebaut werden, wo der Tin guely- heutigen Planung. Hätten die Stadtentwickler das, Brunnen steht. Der heutige Standort am Klosterberg dann wüssten sie, dass sich die Baslerinnen und Bas- ist immer noch zentral. Zürich eröffnete sein neues ler schwer damit tun, bedeutsame Institutionen an die Theater, den Schiffbau, mitten im Entwicklungsgebiet Ränder zu verschieben. Und das sei für das Gelingen Zürich West. Oder das Kunstmuseum: Das Volk wollte von «Rheinhattan» zentral. «Manhattan hat seine
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Basel belegt bei der Architektur einen Spitzenplatz findet die oberste Planerin Berlins. Mit Ausnahmen. Von Matieu Klee
Senatsbaudirektorin von Berlin Es gibt unzählige Tramschienen, Überhaupt nicht. Jede Stadt, die in- heisst der offizielle Titel, den Regula die man überqueren muss. nerstädtische Reserven an Flächen Lüscher seit dem Jahr 2007 trägt. 1961 In Basel sind wir verwöhnt, weil wir hat, sollte diese nutzen. In Basel hat in Basel geboren, arbeitete sie nach ein Tram haben. Das Tram ist ein zum Beispiel das DB-Areal solches ihrem abgeschlossenen Architektur- wunderbares Fortbewegungsmittel, Potenzial. Hier kann die Stadt noch studium an der ETH in verschiedenen aber es hat natürlich grossen Einfluss zusammenhängende Flächen für ein Zürcher Architekturbüros. 1998 wech- auf die Gestaltung des öffentlichen gemischtes Quartier aus Wohnungen selte sie in die Verwaltung und stieg im Raums: Es tritt – nur schon wegen der und Arbeitsplätzen, für Freizeit und Rekordtempo von nur drei Jahren zur Schienen – viel einschneidender auf Einkaufen planen. Während sich die stellvertretenden Direktorin des Zür- im Stadtraum als ein Bus. Trotzdem Stadtplanung sonst häufig auf punk- cher Amts für Städtebau auf. Sie war fahre ich viel lieber Tram als Bus. tuelle Eingriffe beschränken muss. massgeblich beteiligt an der Umnut- Auf keinen Fall hätte man das DB- zung des ehemaligen Industriequar- «Beim Messe- Areal als Brache liegen lassen sollen. tiers «Zürich West» zum boomenden Wohn- und Dienstleistungsviertel. Neubau hat man In einem Interview mit der eine Grenze Zeitschrift «Bilanz» nannten Frau Lüscher, Sie sind in Basel Sie New York als Ihre architek- aufgewachsen. Welches ist Ihr überschritten.» tonische Lieblingsstadt. Lieblingsplatz? Weshalb nicht Basel? Am Rhein bin ich sehr gerne und am Basel ist meine Heimat. Theaterplatz beim Tinguely-Brunnen. Was fällt Ihnen sonst noch auf an In letzter Zeit bin ich aber nicht mehr Basel mit zunehmender Distanz? Sie weichen aus. so häufig in Basel, und wenn, dann Ich kenne die neue Basler Architektur Heimat bleibt etwas Spezielles. Zur meist nur für zwei, drei Stunden. nur noch aus der Entfernung, weil ich Stadt, in der ich geboren wurde, habe in Basel privat unterwegs bin und ich einfach eine ganz speziell positive Wann waren Sie das letzte keine architektonischen Sightseeing- Beziehung. Basel ist Kindheit, meine Mal hier? Touren mehr mache. Ich kann aber Jugend und Baseldeutsch meine Vor rund sechs Wochen. Wenn ich grundsätzlich sagen, dass in den Sprache. in der Schweiz bin, besuche ich meine Schweizer Städten an vielen Stellen Mutter, die in Basel lebt. ein Massstabsprung spürbar wird. Und die Architektur? Wenn es um qualitätsvolle, zeitgenös- Kommen Sie mit dem Zug? Ein Sprung? Das sehen ehemalige sische Architektur geht, belegt Basel Ja. Immer. Basler Stadtplaner anders. einen Spitzenplatz. Es ist ein Sprung, auch im Vergleich zu Wie gefällt Ihnen der Bahnhofs- Berlin. In mittelgrossen Städten wie Seit fünf Jahren ist Regula Auch beim Städtebau? vorplatz? Zürich, Basel oder Luzern hält die Ver- Lüscher oberste Planerin (überlegt lange) Ich finde, dass sich Das ist kein Platz, auf dem man dichtung in Ballungsräumen Einzug, von Berlin. Zuvor arbeitete Basel gut entwickelt in den eng ge- sich aufhält, sondern ein Verkehrs- und bei Neubauten und Neuplanungen sie in Zürich, war führend steckten Grenzen der Stadt. Basel umschlags platz. wird ein grossstädtischerer Massstab bei der Umnutzung des schafft den Spagat, indem sich die angewendet. Im Gegensatz zu Berlin Trendquartiers «Zürich Stadt einerseites noch im Massstab an Auf unseren Online-Aufruf, uns ist es übrigens in der Schweiz viel West». Foto: laif/Butzmann der historischen Struktur orientiert die grössten Fehlplanungen in selbstverständlicher, in einer zeit- und sich gleichzeitig Neuem stellt und Basel zu melden, wurde dieser genössischen Architektur zu bauen. dort einen neuen, grösseren Massstab Platz am häufigsten genannt. Er anwendet. sei nicht schön und gefährlich, Auch in Basel? meinen Leute aus der Community. Die Stadt hat eine hohe Baukultur. Mit Ausnahmen, wie dem Immerhin hat es in Basel an den Rän- Viele wichtige Vorhaben laufen über Messeneubau … dern des Platzes Hotels, wo man einen Architekturwettbewerbe. Das ist wich- Es gibt immer Ausnahmen. Ich per- Kaffee trinken kann – ein grosser Vor- tig, denn Basel ist nicht eimal so gross sönlich finde die Überbauung des teil gegenüber vielen anderen Städten. wie ein einziger der zwölf Bezirke Messeplatzes auch nicht die gross- Ich persönlich fühle mich auf dem Berlins. Damit hat in Basel jedes neue artigste städtebauliche Leistung. Platz auch nicht unsicher. Aber natür- Bauwerk eine sehr grosse städte bau- lich muss man bei gleichberechtigten liche Relevanz. Das finden auch viele Architekten. Verkehrsteilnehmern aufmerksamer Ja. Man hat es dort verpasst, vor sein. Ich kann nachvollziehen, dass Fachleute aus Basel behaupten, dem öffentlichen Raum haltzu- Menschen, die in ihrer Mobilität ein- dass man hier nicht mit der machen. Damit ist eine Grenze über- geschränkt sind, sich unsicher fühlen. gros sen Kelle an rühren dürfe. schritten. Aber zum Glück ist dies Dafür hat der Platz den grossen Vor- Sollen also grosse Flä chen nicht eine Ausnahme. teil, dass er barrierefrei ist. um gestaltet werden? tageswoche.ch/+baiji
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Der Centralbahnplatz: Beschäftigt seit Jahrzehnten die Planer, Verkehrsspezialisten und Politiker.
Der Wettsteinplatz: Eine grossstädtische Idee, die einfach nicht richtig funktionieren will.
TagesWoche 38 12 Wochenthema 21. September 2012
Bedeutung ja nicht wegen der Hochhäuser. Son- zukommen. So ist auch schon klar: «Rheinhattan» ist Vision sei «gepusht und finanziert» worden, obwohl dern wegen der wirtschaftlichen, kulturellen und poli- ein Schulbeispiel für Top-down-Planung in der Stadt- das Bedürfnis danach unklar sei. Auf geben will Ja- tischen Macht, die sich dort konzentriert», sagt Zaugg. entwicklung. cob den «Central Park» noch nicht, obwohl ihn der Um das in Basel zu erreichen, müssten am Anfang Dass es auch anders geht, wenn es denn willkom- Kampf gegen Regierung und Verwaltung ermüdet hat der Planung anstelle eines Architekturwett bewerbs men wäre, zeigt die Geschichte des «Central Park». und man ihn als Spinner bezeichnet. «Ich habe einige lange und gründliche Überlegungen stehen, wie man Der Landschaftsarchitekt Donald Jacob glaubte in Fragen bezüglich der Basler Stadtenwicklung – es ein Gemeindewesen ins Hafenareal bringt. Die Frage seiner Naivität, als normaler Bürger bei der Verwal- werden falsche Akzente gesetzt. Ich wünsche mir, darf nicht sein: Wie viele Gutverdiener bringen wir tung etwas bewegen zu können. Es dauerte nicht lan- dass man mehr darauf schaut, was die Bevölkerung dort unter? Sondern: Was können wir dorthin aus- ge, bis er hart auf dem Boden der Realität landete. will. Man plant teilweise an ihr vorbei.» gliedern? Geht ein Teil der Uni dorthin? Eine wichti- Seit sieben Jahren kämpft er hartnäckig für seinen ge Behörde? Ein wichtiges Museum? Und auch: Wie Plan, über dem Gleisfeld des Bahnhofs SBB neben der Die Liste der Bausünden ist lang vermittelt man dies den Bürgerinnen und Bürgern? Passerelle einen Park zu realisieren und das Gundeli, Basels bisher einziges Retortenquartier, wieder an Vielleicht ist es auch ein Zeichen von Überheblichkeit, Die Basler eifern den Zürchern nach die Stadt anzuschliessen. Doch der Kanton zeigt sich dass Basel unbedingt den grossen Wurf will, statt im stur und will nichts vom breit abgestützten Projekt Kleinen zu verbessern. Die Liste der Bausünden, die Basel aber hat Angst, den Anschluss an Städte wie wissen. Volksinitia tive hin oder her. «Ich bin manch- angegangen werden müsste, ist lang: Der Aeschen- Zürich zu verpassen. Also eifert es der Mode nach. mal sprachlos, wie eine Instanz jahrelang etwas ver- platz mit seiner gefährlichen Unübersichtlichkeit Mit übersetzter Geschwindigkeit. Und das ist für hindern kann, ohne das Projekt einmal seriös ange- muss entschärft werden. Verlangt wird das schon lan- Zaugg der zweite Geburtsfehler von «Rheinhattan»: schaut zu haben», sagt Jacob. ge. Nun wagt man wieder einen Versuch. Oder der Basel beschleunigt eine Entwicklung, die viel Zeit be- chaotische Centralbahnplatz, der überdies dank der nötigen würde. «Die Stadt muss bescheidener vorge- «Rheinhattan» ist ein Planung aus der Autozeit für Fussgänger von der In- hen. Sie muss viele verschiedene Ideen entwickeln nenstadt abgetrennt ist. Für die TagesWoche-Commu- und damit langsam eine Diskussion in Gang bringen. Schulbeispiel für nity ist der Bahnhofsvorplatz neben dem Messeneu- Erst zum Schluss der Debatte muss sie mit einer kon- Top-down-Planung in der bau das meistgenannte Ärgernis. Oder: der Marktplatz, kreten Vorstellung an die Architekten herantreten.» wenn gerade kein Markt ist, eine tote Zone. Oder: die Die Stadtbehörden sollten auch nicht bloss einen Stadtentwicklung. gesichtslose St. Jakobs-Strasse Richtung Muttenz. Wettbewerb veranstalten, sondern das Gebiet auf- Aber für die Übergänge zu den Landgemeinden hat teilen. «Zehn Wettbewerbe wären gut», sagt Zaugg. Ernst nehmen will man einen «No Name» offen- man sich in Basel noch nie interessiert. «Wenn ein einziges Büro alles plant, entsteht ein Dis- sichtlich nicht. Wäre das Projekt von Herzog & de Stattdessen begeht Basel bereits die nächsten neyland.» Im Fall von «Rheinhattan» ist das hollän- Meuron, sagen Kritiker, wäre es mit gros ser Wahr- Sünden. Den Messeneubau sowie den Roche-Turm, dische Architekturbüro MVRDV für die ganze Test- scheinlichkeit schon weit fortgeschritten. «Die Stadt beides Projekte von Herzog & de Meuron. «Zwei planung beauftragt worden. Zaugg hat keine gute sollte sich verpflichtet fühlen, die Idee ernsthaft zu Kata strophen für das Stadtbild», sagt alt Kantons- Meinung vom Ergebnis. Er erkennt noch immer das prüfen und nicht mit rhetorischen Argumenten zu baumeister Fingerhuth. Sie stehen wie «Rhein- «Studentenprojekt», das diese Idee auslöste. töten», meint Jacob. hattan» für das neue Selbstbewusstsein in Basel – Doch das schnelle Festlegen auf ein Modell hat aus Frustrierend ist die Situation für den Initianten das man bei näherer Betrachtung auch für etwas Sicht der Regierung Vorteile. Steht ein Projekt erst- des «Central Park» umso mehr, wenn er sein Projekt anderes halten kann: für Grössenwahn. mals, wird es schwer, auf Grundsätzliches zurück- mit «Rheinhattan» vergleicht. Diese zweijährige tageswoche.ch/+baijh
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