Unsere Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen : Neun Porträts Von Rudolf Amelunxen Bis Jürgen Rüttgers / Sven Gösmann (Hrsg.)
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CJ POLITIK, POLITKWISSENSCHAFT CJB Nationale Politik Deutschland Nordrhein-Westfalen Ministerpräsidenten BIOGRAPHIEN 10-1 Unsere Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen : neun Porträts von Rudolf Amelunxen bis Jürgen Rüttgers / Sven Gösmann (Hrsg.). - Düsseldorf : Droste, 2008. - 272 S. : Ill. ; 21 cm. - ISBN 978-3-7700-1292-3 : EUR 24.95 [9925] Die sich mittlerweile klärende politische Situation nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai 2010 hat die Besetzung des Amts des Mini- sterpräsidenten im größten deutschen Bundesland in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestellt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Rezension (28. Juni 2010) war davon auszugehen, daß die SPD- Landesvorsitzende Hannelore Kraft sich zur Ministerpräsidenten einer Min- derheitsregierung aus SPD und „Grünen“ wählen lassen wird. Vor diesem Hintergrund erhält die Bemerkung des Herausgebers, des Chefredakteurs der Rheinischen Post, Sven Gösmann, „eine Frau stand noch nie zur Wahl, was sich 2010 mit der Sozialdemokratin Hannelore Kraft erstmals än- dern könnte“ (S. 12) eine seinerzeit wohl kaum beabsichtigte Aktualität. Zum Zeitpunkt der Niederschrift (2008) war diese Aussage allerdings kaum mehr als eine kühne Spekulation. Weniger spekulativ sind die überwiegend von ausgewiesenen Fachleuten verfaßten biographischen Skizzen der neun Ministerpräsidenten, die das 1946 von den Briten gegründete Bindestrichland in den nunmehr fast 65 Jahren seines Bestehens hatte. Christoph Nonn, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen informiert über Rudolf Amelunxen (1888 - 1969), Zentrum, preußischer Verwaltungsbeamter, 1926 bis 1932 Regie- rungspräsident in Münster, 1945 Oberpräsident und Leiter der westfälischen Provinzialregierung, 1946 bis 1947 Ministerpräsident, 1947 bis 1950 Sozi- alminister, 1950 bis 1958 Justizminister. Detlev Hüwel, Ressortleiter Lan- despolitik bei der Rheinischen Post Düsseldorf, 1979 mit einer politischen Biographie über Karl Arnold promoviert, schreibt über Karl Arnold (1901 - 1958). Arnold kam aus der christlichen Gewerkschaftsbewegung, war 1945 Mitgründer und erster Vorsitzender der CDU in Düsseldorf, wurde 1946 dort Oberbürgermeister und bekleidete von 1947 bis 1956 das Amt des Mini- sterpräsidenten. Das Ende der Regierung Arnold besiegelte die FDP, die 1956 aus der Koalitionsregierung austrat und mit der SPD deren Spitzen- mann Fritz Steinhoff (1897 - 1969) zum neuen Regierungschef in Düssel- dorf wählte, über den Jörg Engelbrecht, Inhaber des Lehrstuhls für Landes- geschichte der Maas-Rhein-Region an der Universität Duisburg-Essen, schreibt. Steinhoff hatte eine Laufbahn als SPD-Sekretär und Kommunalpo- litiker in Hagen hinter sich, war im Dritten Reich mehrfach inhaftiert, wurde 1946 Oberbürgermeister in Hagen (bis 1957, und 1963 bis 1964) und Land- tagsabgeordneter (bis 1961), war 1949 bis 1950 Minister für Wiederaufbau und von 1954 bis 1956 Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Der Wahl- sieg der CDU mit ihrer (bisher in NRW einzigen) absoluten Mehrheit been- dete 1958 vorübergehend das sozialliberale Experiment am Rhein. Neuer Ministerpräsident wurde Franz Meyers (1908 - 2002), über den der Histori- ker Stefan Marx informiert, der 2003 eine umfangreiche wissenschaftliche Biographie über Meyers vorgelegt hat. Meyers war Rechtsanwalt in Mönchengladbach, trat 1948 der CDU bei, gehörte von 1950 bis 1970 dem Landtag an, war 1952 kurzeitig Oberbürgermeister in Mönchengladbach und wurde dann Innenminister unter Karl Arnold (1952 bis 1956). Nach dem Ausscheiden der CDU aus der Regierung 1956 war Meyers von 1956 bis 1960 geschäftsführendes Mitglied des CDU-Bundesvorstands und leitete als solches den Bundestagswahlkampf 1957, der der CDU eine absolute Mehrheit bescherte. Da der CDU-Spitzenkandidat in NRW Karl Arnold we- nige Tage vor der Wahl 1958 gestorben war, fiel das Amt des Ministerpräsi- denten in Düsseldorf 1958 Franz Meyers zu. Dieser blieb über acht Jahre im Amt, bis im Zusammenwirken mit dem Ende der CDU/FDP-Koalition in Bonn auch die hauchdünne CDU-FDP-Mehrheit im Düsseldorfer Landtag im Dezember 1966 ihr Ende fand. Die FDP wechselte wieder einmal die Fron- ten und wählte mit der SPD deren Fraktionsvorsitzenden Heinz Kühn zum neuen Ministerpräsidenten, über den der frühere Hochschullehrer (Universi- tät Köln) Dieter Düding informiert, der 2002 eine umfangreiche Biographie über Kühn vorgelegt hat. Heinz Kühn (1912 - 1992), seit 1930 in der SPD, emigrierte 1933. Nach seiner Rückkehr 1945 betätigte er sich als Journalist und Parlamentarier (1948 - 1954 Landtag NRW, 1953 - 1963 Bundestag, 1957 - 1962 auch Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarats). Seit 1962 war er Führer der Opposition im Düsseldorfer Landtag. Mit Kühn begann eine fast vierzigjährige, erst 2005 ihr Ende findende Ära, in der die SPD ununterbrochen die Ministerpräsidenten in NRW stellte; teils allein re- gierend aufgrund absoluter Mehrheiten oder in Koalitionen mit der FDP oder den Grünen: Auf Heinz Kühn, der bis 1978 amtierte, folgte Johannes Rau (1931 - 2006), Buchhändler, 1967 Nachfolger von Heinz Kühn als Frakti- onsvorsitzender, 1969 vorübergehend Oberbürgermeister in Wuppertal, 1970 bis 1978 Minister für Wissenschaft und Forschung, dann (fast 20 Jah- re) Ministerpräsident. Höhepunkt der politischen Laufbahn Raus war das Amt des Bundespräsidenten, das er von 1999 bis 2004 bekleidete. Über seine Vita informiert Martin Florack, Akademischer Rat am Fachgebiet Di- daktik der Politik der Universität Duisburg-Essen. Die drei Nachfolger Raus sind Politiker, die mehr oder weniger noch aktiv im politischen Leben stehen. Wolfgang Clement (geb. 1940), gelernter Journa- list, 1970 SPD-Mitglied, 1989 bis 1995 Chef der Staatskanzlei in Düsseldorf, 1995 bis 1998 Minister für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Ver- kehr, 1998 bis 2002 Ministerpräsident des Landes NRW, 2002 bis 2005 Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit. Über ihn schreibt Karl-Rudolf Kor- te, Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft an der Universität Duis- burg-Essen. Nach dem Wechsel Clements in die Bundespolitik wurde 2002 Peer Steinbrück (geb. 1947) Ministerpräsident, über den Timo Grunden, Akademischer Rat am Institut für Politikwissenschaft der Universität Duis- burg-Essen orientiert. Der studierte Volkswirt und Sozialwissenschaftler ar- beitete lange Jahre als Referent in Ministerien und in der SPD- Bundestagsfraktion, 1996 bis 1990 Büroleiter von Ministerpräsident Johan- nes Rau, ging 1990 als Staatssekretär nach Schleswig-Holstein, wurde dort 1993 Wirtschaftsminister, wechselte 1998 in gleicher Eigenschaft nach Düs- seldorf. 2000 übernahm er das Amt des Finanzministers. Die SPD- Niederlage bei der Landtagswahl 2005 beendete Steinbrücks Tätigkeit in der Landespolitik, in der großen Koalition unter Angela Merkel bekleidete er von 2005 bis 2009 das Amt des Bundesministers der Finanzen. Der letzte im Bande ist der zur Zeit (28. Juni 2010) noch geschäftführend amtierende Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (geb. 1951), über den Hans Jörg Hennecke, Privatdozent an der Universität Duisburg-Essen schreibt. Rütt- gers, von Hause Jurist, in der Jungen Union und der CDU des Rheinlands politisch sozialisiert, startete seine eigentlich politische Karriere als „Zu- kunftsminister“ im letzten Kabinett von Bundeskanzler Helmut Kohl, als Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Das Ende der Regierung Kohl ließ ihn erst im Bund, ab 2000 in NRW, „das harte Brot der Opposition“ (S. 244) schmecken, bis ihn 2005 der „Machtwechsel ohne Schonfrist“ (S. 248) in das Amt des Ministerpräsidenten brachte. Seine politische Karriere dürfte mittlerweile ihrem Ende entgegengehen. Das informative Buch, von fachkundigen Autoren geschrieben, ermöglicht eine rasche, zuverlässige Orientierung über die neun Männer, die als Mini- sterpräsidenten seit 1946 maßgeblich die politischen Geschicke an Rhein und Ruhr mitgestaltet haben – ein Gruppenbild, noch ohne Dame. Ein Per- sonenregister fehlt nicht, die Zeittafel (S. 272) hätte etwas detaillierter aus- fallen können. Joachim Lilla QUELLE Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft http://ifb.bsz-bw.de/ifb2/ .