Stiftung Von Landesbewusstsein Das Beispiel Des Nordrhein-Westfälischen Ministerpräsidenten Franz Meyers

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Stiftung Von Landesbewusstsein Das Beispiel Des Nordrhein-Westfälischen Ministerpräsidenten Franz Meyers Stefan Marx Stiftung von Landesbewusstsein das Beispiel des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Franz Meyers I. Die Bemühungen zur Stiftung eines nordrhein-westfälischen Landesbewusstseins zählen zu den bedeutendsten politischen Initiativen von Franz Meyers während seiner Ministerpräsidentschaft. Bevor die verschiedenen Versuche zur Stiftung eines Landesbewusstseins vorgestellt werden, soll zunächst der Frage nachgegangen werden, warum sich Meyers mit dieser Thematik überhaupt auseinander gesetzt hat. Bei der Suche nach einer Antwort wird man auf seine Grundüberzeugung stoßen, dass Nordrhein-Westfalen als nach Bevölkerungsdichte und Wntschaftskraft wichtigster Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland nur bestehen könne, wenn er innerlich fest gegründet sei, d.h. im Zusammengehörigkeitsgefühl seiner Bevölkerung, von Rheinländern und Westfalen.' Die Voraus­ setzung hierfür sah Meyers gegeben, da die Bildung eines Bundeslandes aus dem rheinischen und dem westfälischen Raum ,,keine historische und politische Widernatürlichkeit"2 bedeute. Nordrhein­ Westfalen sei eben kein künstliches, willkürlich zusammengefügtes staatliches Gebilde. Es gelte, in Erinnerung zu rufen, was in Vergessenheit geraten sei, dass nämlich die rheinische und die westfälische Landschaft in Geschichte und Kultur vieles gemeinsam hätten. 3 Insbesondere glaubte er, dass die wirtschaftlich-soziale Entwicklung in dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet die stärkste Klammer für das Zusammenwachsen der beiden Landesteile darstelle.4 Meyers beurteilte also die Voraussetzungen zur Bildung eines nordrhein-westfälischen Landesbewusstseins günstig. Seine diesbezüglichen Initiativen waren eingebunden in seinen Einsatz für die bundesstaatliche Ordnung. Im Rahmen der Bemühungen zur Hebung des Landesbewusstseins unterstrich Meyers sein Bekenntnis für das bundesstaatliche Prinzip und damit für eigenständige Länder mit Staatscharakter. Im Landtag kleidete er im Oktober 1960 dieses Bekenntnis in folgende Worte: ,,Die Staatlichkeit unseres Landes werde ich bis zum letzten verteidigen und vertreten. "5 In derselben Debatte erklärte er ebenso deutlich, dass Staatsbewusstsein ein konstitutives Element des Staatsbegriffs sei, denn „ein Staat ohne Staatsbewußtsein seiner Bevölkerung ist gar kein Staat. "6 Deshalb bemühte sich Meyers während seiner Ministerpräsident~ schaft um die Bildung eines nordrhein-westfälischen Landesbewusstseins. Er versuchte, ,,das 1 Vgl. Ansprache von Franz Meyers im Westdeutschen Rundfunk am 07.03.1961, S.10, in: Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung (ACDP), ACDP 1-032-002. 2 Ebd., S. 8. 3 Vgl.ebd., S.4. 4 Vgl. ebd. 5 Landtag Nordrhein-Westfalen (LT NRW). 4. Wahlperiode. 48. Sitzung am 18.10.1960, S. 1717. 6 Ebd. Geschichte im Westen (GiW) Jahrgang 16 (2001), S. 7-19. © Rheinland-Verlag GmbH, Köln. ISSN 0930-3286. 7 Stefan Marx wirtschaftlich-soziale Zusammenleben der Menschen unseres Landes fortzuentwickeln zum ge­ meinsamen Bewußtsein gliedstaatlicher Zusammengehörigkeit im Lande Nordrhein-Westfalen."7 D.h. Landesbewusstsein äußerte sich für Meyers in dem von Wolfram Köhler beschriebenen „Solidaritätsgefühl", demzufolge sich die Bürger zu dem Land, in dem sie geboren sind und leben, bekennen und damit dessen Staatlichkeit akzeptieren.8 Der zweite Grund, weshalb er sich bei der Förderung eines Landesbewusstseins so sehr enga­ gierte, lag im menschlich-persönlichen Bereich. Die Ehe von Meyers blieb ungewollt kinderlos. Darunter litt er, worüber er auch in der ihm eigenen Offenheit im kleineren Kreise sprach. Hierfür ein Beispiel: 1961 wurde die Stiftung „Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen" gegründet. In dem Kuratorium der Stiftung saßen u.a. der Ministerpräsident als Vorsitzender und Vertreter der Landtagsfraktionen, zu denen auch Johannes Rau gehörte, der im Zeitzeugengespräch Folgendes schilderte: ,,Die Sitzungen des Kuratoriums dauerten nicht lange, anschließend bat Meyers zum Abendessen mit Altbier. Wenn Meyers dann ein bisschen gelockert war aufgrund von Speisen und Getränken, wurde sein großes Problem offenbar, nämlich seine Kinderlosigkeit. Weil er, der Sohn eines kleinen Polizisten aus Mönchengladbach, das Gefühl hatte, er müsse überleben, sein Andenken, sein Name, ergriff er die Initiative zur Errichtung der Landeskunstsammlung, zur Schaffung eines großen Landeswappens, zur Stiftung eines Landesordens. Meyers sagte dies dann auch: 'Ich mache das, weil mein Name in der Geschichte des Landes bleiben soll, denn ich habe keine Kinder.'" 9 Wie wichtig es für Meyers war, dass sein Name in der Geschichte fortlebte, unter­ streichen nachstehende Ausführungen aus seinen Memoiren: Der Beschluss des Stadtrats von Mönchengladbach aus dem Jahre 1978, dem Gymnasium im Stadtteil Giesenkirchen den Namen ,,Franz-Meyers-Gymnasium" zu geben, erfreute Meyers außerordentlich, weil „mein Name wei­ terleben wird, auch wenn uns Kinder versagt blieben." 10 Bei der Antwort auf die Frage nach den Motiven für die Bemühungen von Meyers zur Stiftung eines besonderen Landesbewusstseins ist sowohl von Landesbewusstsein als auch von Staatsbewusstsein gesprochen worden. Für ihn war Landesbewusstsein gleich Staatsbewusstsein. 11 Argumentierte er streng staatsrechtlich, sprach er von Staatsbewusstsein, in der allgemeinen politischen Diskussion redete er von Landesbewusstsein. II. Wie war es um ein nordrhein-westfälisches Landesbewusstsein bestellt, als Meyers 1958 Mi­ nisterpräsident wurde? Erste Initiativen zur Entwicklung eines nordrhein-westfälischen Be­ wusstseins und Selbstverständnisses gab es während der Ministerpräsidentschaft von Karl Arnold. 7 WDR-Ansprache Meyers (wie Anm. !), S. 7. 8 Vgl. Wolfram Köhler: Landes bewußtsein als Sehnsucht, in: Peter Hüttenberger (Hrsg.): Vierzig Jahre Nordrhein-Westfalen. Historische Entwicklungen und Perspektiven des Landes, Düsseldorf 1986, S.171-185, hier: S. 172. 9 Zeitzeugengespräch Johannes Rau vom 12.09.1997. m Franz Meyers: gez. Dr. Meyers. Die Summe eines Lebens, Düsseldorf 1982, S. 598. 11 Vgl. LTNRW. 4. Wahlperiode.48. Sitzung am 18.10.1960, S. 1733. 8 Stiftung von Landesbewusstsein - das Beispiel des Ministerpräsidenten Franz Meyers Arnold ging es darum, die Staatlichkeit Nordrhein-Westfalens zu betonen, was beispielsweise in der Umbenennung der Landeskanzlei in Staatskanzlei und der Ernennung der Ministerialdi­ rektoren zu Staatssekretären zum Ausdruck kam. 12 Zur Schaffung eines Bewusstseins, dass Nordrhein-Westfalen eine eigene Staatlichkeit besitzt und nicht lediglich eine Verwaltungseinheit des Bundes ist, sollten auch beitragen das „Gesetz über die Landesfarben, das Landeswappen und die Landesflagge" von 1953 und der „Große Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen", der im selben Jahr gestiftet wurde. 13 Das „Gesetz über die Landesfarben, das Landeswappen und die Landesflagge" trug die Handschrift von Meyers, der in seiner damaligen Funktion als Innenminister für dieses Gesetz zuständig war. Während der Ausschussberatungen hatte er sich vor allem mit der zentralistisch orientierten FDP auseinander zu setzen, die statt des bereits gebräuchlichen Grün-Weiß-Rot die Bundesfarben Schwarz-Rot-Gold auch zu Landesfarben erklären wollte. 14 Doch Meyers konnte sich mit seiner Auffassung, dass „entsprechend unserer födera• listischen Verfassung Nordrhein-Westfalen besondere, von denen des Bundes unterschiedene Landesfarben haben solle", durchsetzen. 15 Mit der Übernahme der Ministerpräsidentschaft durch Franz Meyers wurden die Bemühungen zur Schaffung eines Landesbewusstseins intensiviert, der neue Ministerpräsident erklärte sie zu einem persönlichen Schwerpunkt seiner Regierungstätigkeit. 16 Meyers fühlte sich geradezu berufen, Landesbewusstsein zu stiften. 17 Der Schwerpunkt seiner diesbezüglichen Initiativen lag im Jahre 1960 im Zusammenhang mit der Feier des zehnten Jahrestages der nordrhein-westfälischen Landesverfassung am 11. Juli 1960. Dem Kabinettsbeschluss über das umfangreiche Programm für die Verfassungsfeierlichkeiten, das die Durchführung von Gedenkfeiern in den wissenschaft­ lichen Hochschulen, pädagogischen Akademien und Musikhochschulen, die Feier von Gottes­ diensten in den evangelischen und katholischen Kirchen, die Veranstaltung von Platzkonzerten durch Militär-, Polizei- und Feuerwehrkapellen, die Beflaggung sämtlicher Dienstgebäude und Sendungen des Schulfunks als Vorbereitung auf den 11. Juli 1960, der zum schulfreien Tag erklärt wurde, vorsah, waren als Ankündigung die Punkte 1 und 2 vorangestellt, im Landtag Anfang Juli 1960 einen Gesetzentwurf über die Schaffung eines großen Landeswappens einzubringen und durch Erlass der Landesregierung ein „Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Nordrhein­ Westfalen" zu stiften. 18 Hiermit sind zwei Vorhaben genannt, denen Meyers bei seinen Bemü• hungen zur Bildung eines nordrhein-westfälischen Landesbewusstseins eine zentrale Bedeutung zuerkannte, d.h. er versuchte, sein Ziel vor allem durch die Einführung äußerer Zeichen bzw. mit Hilfe staatlicher Symbole zu erreichen. 12 Vgl. Detlev Hüwel: Karl Arnold. Eine politische Biographie, Wuppertal 1980, S. 259. 13 Vgl. Köhler(wieAnm. 8), S. 178f. 14 Vgl. Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen (LA NRW), Hauptausschuß, 2.Wahlperiode, 32. Sitzung am 12.02.1953, S. 9f. 15 Protokoll CDU-Fraktionssitzung 09.02.1953, in: Nordrhein-Westfälisches Hauptstaatsarchiv (NWHStA), NWHStA RWN 207-1048. 16 Vgl. Meyers (wie Anm. 10), S. 256. 17 Vgl. ebd., S. 341. 18 Vgl. Die Kabinettsprotokolle der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen 1958 bis 1962. Eingeleitet und bearbeitet von Volker
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