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Karl Arnold Christlich – sozial – als politischer Begründer europäisch Nordrhein-Westfalens Jürgen Rüttgers

Die bedeutenden Ministerpräsidenten Nazi-Barbarei ging es darum, das abend- Nordrhein-Westfalens, die auf Karl Ar- ländisch-christliche Menschenbild wie- nold folgten – , Heinz Kühn, der zum Maßstab der Gesellschaft und des –, haben jeder auf seine Art politischen Handelns zu machen. Das und in seiner Zeit das Gesicht unseres Lan- war der Grundgedanke der CDU. Der des verändert. Sie haben wichtige Wei- christliche Glaube war die entscheidende chenstellungen vorgenommen. Aber sie Keimzelle für die Gründung und den Zu- taten dies auf der Grundlage dessen, was kunftsmut unserer Partei. Aus dieser star- geschaffen hat. ken Wurzel hat sich auch die Modernität Wir erinnern uns an einen Mann, ohne der CDU als Gründungspartei der Bonner den Nordrhein-Westfalen nicht zu denken Republik gespeist. Und wer hätte das bes- ist. Als ihn sein tragischer und viel zu frü- ser vorleben können als Karl Arnold, her Tod vor einem halben Jahrhundert aus der durchdrungen war von den Grund- dem Leben riss, hat Nordrhein-Westfalen sätzen der katholischen Soziallehre? Nach nicht nur einen führenden Politiker ver- einer Schuhmacherlehre hatte er seit den loren. Es hat damals seinen politischen Zwanzigerjahren in der Geschäftsstelle Gründer verloren. Es gibt niemanden, der des christlichen „Deutschen Gewerk- mit dem demokratischen Neubeginn und schaftsbundes“ in Düsseldorf gearbeitet der Gründung unseres Landes so verbun- und früh seine politische Heimat in der den ist wie Karl Arnold. Dieser Neubeginn christlichen Arbeitnehmerbewegung und war nicht irgendein Neuanfang. Es war im „Zentrum“ gefunden. In der Nazi-Zeit der totale Neubeginn nach dem totalen hatte er Mandat und Beruf verloren und Desaster. Deutschland lag in Trümmern. war verfolgt worden. Früh erkannte er, Unser Vaterland stand nach der Nazi-Bar- dass Deutschland nach dem Krieg entwe- barei vor dem Nichts. Das Wort von der der sozial, christlich und europäisch ge- „Stunde null“ ist zutreffend: Deutschland prägt sein musste – oder aber keine Zu- war im Jahr 1945 auf dem absoluten Null- kunft haben würde. Ihn trieb die große punkt angekommen. Kaum eine Nation Frage um: „Wie wollen wir eigentlich nach hat jemals eine so vollkommene militäri- der Katastrophe leben?“ Diese existen- sche, politische und vor allem auch mora- zielle Frage war der Motor seines Han- lische Niederlage erlebt wie unsere. Es war delns. Er wusste: Ein Leben nach der eine große Leistung, aus diesem politi- Stunde null konnte nur auf der Basis schen und geistigen Zusammenbruch ei- des jüdisch-christlichen, des abendländi- nen Neuanfang zu wagen. schen Menschenbildes wieder möglich Das Land wiederaufzubauen – das galt sein. Und er wusste, dass das möglich nicht nur in einem materiellen, sondern war. Denn hier im Rheinland, in Westfalen vor allem in einem moralischen Sinn. Nach und an Ruhr und Lippe waren die christ- der totalen Entchristlichung durch die lichen Wurzeln intakt geblieben. Karl Ar-

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Christlich – sozial – europäisch

nold wusste um die große versöhnende die Mitbestimmung und viele andere so- Kraft der christlichen Botschaft. Ihm ging ziale Errungenschaften erkämpft. Hier es darum, wieder alle demokratischen liegen die Wurzeln der Sozialen Markt- Kräfte zusammenzuführen und die kon- wirtschaft. Historisch hat Rheinländer fessionelle Spaltung zu überwinden. Es und Westfalen deshalb immer viel mehr ging ihm vor allem auch darum, die sozi- verbunden als getrennt. Deshalb lag es alen und ideologischen Gräben zuzu- nahe, nach dem Zusammenbruch aus bei- schütten und Brücken zu bauen. Karl Ar- den Provinzen auch eine politische Ein- nold war ein Mann der Grundsätze. Aber heit zu formen. Aber das war, wie wir er war niemals Ideologe. Sein Stil bestand heute wissen, alles andere als selbstver- nicht in Polemik und Konfrontation, son- ständlich. dern in Kooperation und Integration. Karl Es ist faszinierend, die Originalakten Arnold war verbindlich, aber seine Politik der Gründungsgeschichte Nordrhein- war nie beliebig. Er machte eine Politik, Westfalens, die im britischen Nationalar- die Verantwortungs- und Gesinnungs- chiv in London lagern, in Händen zu hal- ethik zu verbinden wusste. Er machte eine ten und zu sehen, wie damals Geschichte Politik des Gewissens. Das machte ihn so gemacht wurde – im buchstäblichen Sin- glaubwürdig. Deshalb haben ihm die ne. Denn es hätte auch alles anders kom- Menschen vertraut. men können: Es gab den Vorschlag, die preußischen Provinzen Rheinland und Nordrhein-Westfalens Einheit Westfalen als jeweils eigenständige Län- Eine Politik des Gewissens – das ist der der zu gründen. Und es gab die Idee eines Kern des Politikverständnisses von Karl eigenen Ruhrgebietsstaates. Die Briten Arnold gewesen. Und er hat das auch müssen aber von den starken inneren Ver- selbstbewusst als politisches Programm bindungen zwischen Rheinländern und für Nordrhein-Westfalen formuliert. Je- Westfalen gewusst haben. Warum hätten der kennt den Satz aus der Regierungser- sie sonst die Zusammenführung der bei- klärung von 1950: „Das Land Nordrhein- den bisherigen preußischen Provinzen Westfalen will und wird das soziale Ge- Rheinland und Westfalen als „Operation wissen der Bundesrepublik sein.“ Das Marriage“ bezeichnet? Eine Hochzeit ver- war mehr als nur eine Behauptung. Es bindet, was zusammengehört. Und dieje- war ein Bekenntnis. nigen, die lange nur von einer Vernunft- Damit hat Karl Arnold eine Staatstra- ehe sprachen, sind inzwischen längst dition begründet, die bis heute Gültigkeit widerlegt worden. Für Karl Arnold stand hat. Sie hatte Erfolg, weil sie auf einer von Anfang an fest, dass Nordrhein-West- langen historischen Tradition aufbaute: falen eine Einheit war. Aber er wusste Denn das Land an Rhein, Ruhr, Lippe auch, dass man diese Einheit politisch stär- und Weser mit dem Revier im Zentrum ken musste. Das hat er nach Kräften getan, war immer ein Land der Arbeiter und der zum Beispiel mit der Gründung des WDR Bürger gewesen, nie ein Land der Schlös- in Köln. Für ihn waren die Länder das ser, der Dynastien, der Junker und Groß- Herzstück der jungen Demokratie und grundbesitzer. Die Städte im Rheinland, nicht irgendwelche nachgeordneten Ver- in Westfalen und im Lipper Land waren waltungseinheiten des Bundes. Er pochte Orte eines freien Bürgertums, geprägt auf die Eigenständigkeit der Länder. Nicht vom Geist der Selbstbestimmung und der umsonst hat ihn der Bundesrat zu seinem Ablehnung von Obrigkeitsstaat und Zen- ersten Präsidenten gewählt. tralismus. In Nordrhein-Westfalen wur- So wichtig die Länder für Karl Arnold de der Klassenkampf beendet, wurden waren: Seine Perspektive ging darüber

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Jürgen Rüttgers

weit hinaus. Er dachte gesamtdeutsch. Er tik ausdrücklich formuliert. Ahlen war war sich der besonderen bundesdeutschen eben kein Programm für Verstaatlichung Verantwortung der Länder bewusst. Das und Planwirtschaft. Es war die Grund- galt insbesondere für Nordrhein-Westfa- lage für die Soziale Marktwirtschaft, wie len als größtes Bundesland, das für Karl sie dann in den Düsseldorfer Leitsät- Arnold von Anfang an nicht nur ein zen weiter ausgebaut wurde. Das über- Bundesland wie andere auch war, sondern brückte die Gegensätze, die es natürlich das „Kernland der Bundesrepublik“. auch gab – persönliche Gegensätze zwi- Weil Karl Arnold sich dieser gesamt- schen Arnold und Adenauer zum Bei- deutschen Verantwortung bewusst war, spiel. Etwa in Fragen der Abgrenzung zur hat er den Bundesrat auch nie als Blo- SPD und zum Sozialismus. Es ist ja rich- ckadeinstrument gegen die Bundesre- tig: Adenauer und Arnold waren sich in gierung verstanden. Er war es, der den Vielem nicht einig, bis hin zum offenen Begriff des „kooperativen Föderalismus“ Konflikt. Aber sie bildeten nie unver- geprägt hat. Für ihn war der Bundesrat söhnliche Gegenpole, sondern die „zwei nicht die Institution des parteipolitischen Brennpunkte derselben politischen El- Kampfes im mit anderen Mit- lipse“, wie das einmal sehr teln. Wäre die Politik Arnolds Linie wei- treffend gesagt hat. Nicht zuletzt am Ah- ter gefolgt, würden wir heute keine Föde- lener Programm und an den Düsseldorfer ralismuskommission brauchen. Dem Ver- Leitsätzen wird das deutlich. Sie wurden such, der Bundesrepublik immer mehr gemeinsam verfasst sowohl von Ade- Zentralismus zu verordnen, wie es ihn nauer wie von Arnold, sowohl von katho- auch in unseren Tagen wieder gibt, wäre lischen Gewerkschaftern wie Johannes er entgegengetreten. Albers wie von evangelischen Wirt- schaftsvertretern wie Robert Pferdmen- Soziale Marktwirtschaft als Leitbild ges – der übrigens ein leibhaftiger Groß- Karl Arnold gehört zu den wichtigsten neffe von Friedrich Engels war. Denn das Architekten des föderalen Systems der war ja gerade die Stärke der frühen CDU: Bundesrepublik. Aber er ist auch und vor Dass sie eben nicht nur Partei, sondern allem einer der wichtigsten Architekten Union war; dass sie sehr gegensätzliche der Sozialen Marktwirtschaft gewesen. Strömungen und Traditionen integrierte; Das hieß für ihn: Die soziale Gerechtig- dass Liberale, Christlich-Soziale und keit muss im Mittelpunkt einer neuen Konservative in ihr ihre Heimat fanden – Wirtschafts- und Sozialordnung stehen. unter einem Dach. Und es war ihre Stärke, Er wusste, dass eine Ordnung, die nur dass sie eine föderale Struktur mit ausge- der Marktlogik folgt, scheitern musste. prägten regionalen Traditionen hatte – Er wusste, dass wirtschaftliche Vernunft und nicht dem Modell einer zentralis- und soziale Gerechtigkeit die zwei Sei- tischen Kaderpartei folgte. Das alles ten derselben Medaille sind. Deshalb machte die CDU zur echten Volkspartei. hat er sich so für die paritätische Mit- Das machte sie zur Gründungspartei der bestimmung eingesetzt. Deshalb hat er Bonner Republik. Das machte sie zur mo- für Vermögensbildung in Arbeitnehmer- dernsten und erfolgreichsten Partei hand gekämpft. Deshalb hat er immer ge- Deutschlands. Dieses Vermächtnis müs- mahnt, dass Wirtschafts- und Sozialpoli- sen wir heute mehr denn je achten und be- tik nicht getrennt werden dürfen. Das wahren. Alle gesellschaftlichen Gruppen steht nicht umsonst schon im „Ahlener müssen sich in der CDU wiederfinden. Programm“. Dort wird bereits 1947 die Das geht nur, wenn Sozial- und Wirt- Einheit von Wirtschafts- und Sozialpoli- schaftspolitik eine Einheit bilden.

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Christlich – sozial – europäisch

Sozialpolitik ist Wirtschaftspolitik. ist auch noch in einem weiteren Sinne Wirtschaftspolitik ist Sozialpolitik. Das Vorbild. Walter Henkels, der große jour- war die Botschaft Karl Arnolds und des nalistische Begleiter der Bonner Repu- Ahlener Programms wie auch der Düssel- blik, hat ihn im Jahre 1950 einmal sehr dorfer Leitsätze. Das ist auch die Bot- schön als „Europäer mit deutscher Staats- schaft heute und in Zukunft. Wenn Wirt- angehörigkeit“ bezeichnet. Karl Arnold schaftspolitik und Sozialpolitik keine zählt in der Tat zu den ersten deutschen Gegensätze sind, gibt es neue Sicherheit Politikern der Stunde null, die die Not- für die Menschen. Neue Sicherheit für die wendigkeit einer westeuropäischen Staa- Menschen – das wollte auch Karl Arnold. tengemeinschaft erkannten. Er war auch Nach all den furchtbaren Erfahrungen hier im besten Sinne des Wortes Vorden- des Krieges und nach einem Ausmaß an ker. Bereits in seiner Neujahrsansprache Leid, das wir uns heute als Nachgeborene 1949 hat er den damals unerhörten Vor- kaum mehr vorstellen können. schlag unterbreitet, einen völkerrecht- Wir stehen heute, Gott sei Dank, nicht lichen Zweckverband zwischen Deutsch- mehr vor diesen existenziellen Heraus- land, Frankreich, Belgien und Luxem- forderungen. Aber auch die Herausforde- burg zu gründen. Prophetisch sah er die rungen der Gegenwart verunsichern die Notwendigkeit einer internationalen Ko- Menschen zutiefst. Denn der globale Wan- operation gerade bei den Schlüsselindus- del hat eine Dynamik, die historisch ih- trien von Kohle und Stahl. Nicht zuletzt resgleichen sucht. Wer das Vermächtnis die strittige Ruhrfrage erschien ihm da- von Karl Arnold heute politisch weiter- mit lösbar. Sein Montanplan stieß im In- führt, der muss für neue Sicherheit sorgen. wie im Ausland auf Skepsis, ja Ableh- Es geht darum, die Soziale Marktwirt- nung. Aber wie das mit einer guten Idee schaft vor dem Turbokapitalismus zu fast immer ist: Irgendwann setzt sie sich schützen. Es geht darum, niemanden im durch. Niemand Geringeres als der fran- Wandel zurückzulassen. Es geht darum, zösische Außenminister Robert Schuman dass der Sozialstaat elementare Regeln der griff schon bald den Vorstoß des Düssel- Gerechtigkeit erfüllt – und nicht gegen sie dorfer Regierungschefs auf und baute ihn verstößt. Die elementarste Regel ist, dass aus zu seinem berühmten „Schuman- sich Leistung lohnen muss. Deshalb ist es Plan“, der Gründungsurkunde der spä- richtig, dass diejenigen, die ein Leben lang teren Europäischen Gemeinschaft. gearbeitet haben und im Alter arbeitslos Karl Arnold war einer der geistigen Vä- werden, mehr aus der Versicherung be- ter und Wegbereiter der Europäischen kommen als diejenigen, die kaum gear- Union. Er wusste, dass das Land von der beitet haben. Und deshalb ist es auch rich- europäischen Integration in jedem Fall tig, dass jemand, der ein Leben lang voll- profitieren würde – wirtschaftlich wie po- zeitbeschäftigt war, eine Rente oberhalb litisch. Er wollte die europäische Aussöh- der Armutsgrenze erhalten muss. Nur nung. Das war ihm ein Herzensanliegen. eine Politik, die wirtschaftliche Vernunft Er verkörperte die europäischen Werte. Er und soziale Gerechtigkeit verbindet, lebte sie vor. Er war Europäer durch und schafft neue Sicherheit. Nur sie hat Erfolg. durch. Er wusste, dass die Zukunft nur in Das galt damals. Das gilt heute. einem engen Zusammenschluss der euro- päischen Nationen liegen konnte. Ein deutscher Europäer Karl Arnold ist für uns heute Vorbild als Ein nachhaltiges Vermächtnis Christ und als Politiker des sozialen Ge- Karl Arnolds Frage zu Beginn seiner wissens und der Gerechtigkeit. Aber er Amtszeit gefragt „Wie wollen wir eigent-

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Jürgen Rüttgers

lich leben nach der Katastrophe?“ traf den dass die Menschen einander beistehen, Kern der Herausforderung damals. Aber gerade wenn es mal nicht so gut läuft. Das das gilt auch heute: Denn Politik darf kann man aber nicht auf Knopfdruck ab- nicht allein danach fragen, was geht. rufen. Das muss man ein Leben lang leben Technokratischer Pragmatismus reicht – den Kindern vorleben. Die Zeit des nicht. Politik muss auch Normen setzen. schrankenlosen Individualismus ist vor- Sie muss Werte verkörpern und eine Vi- bei. Jetzt brauchen wir eine neue Kultur sion haben. Wir müssen heute darüber des Miteinanders. nachdenken und diskutieren, wie wir in Karl Arnolds Vermächtnis besteht da- zwanzig Jahren leben wollen. Und wenn rin, eine wertegebundene Politik zu ma- wir das tun, dann sollten wir eine Maxime chen, zum Beispiel gegen die Verfügbar- von Goethe beherzigen, die mir immer keit menschlichen Lebens am Anfang wie gefallen hat. Er hat gesagt: „Träume keine am Ende, bei der Stammzellenforschung kleinen Träume, denn sie bewegen die ebenso wie bei der Tötung auf Verlangen. Herzen der Menschen nicht.“ Nur wer Sein Vermächtnis besteht darin, einer rein weiß, was die Herzen der Menschen be- materialistischen Politik eine klare Ab- wegt, kann auch politisch etwas be- sage zu erteilen. Der Markt kann und darf wegen. Und nur wer etwas bewegt, wird nicht alles regeln. Für ein menschliches auch die Herzen der Menschen bewegen Leben sind Sicherheit, Freiheit, Gesund- können. Das wusste Karl Arnold. Danach heit, Bildungs- und Aufstiegschancen hat er gehandelt. Damals ging es darum, notwendig. Dass jedermann daran teilha- das Land wieder aufzubauen, den Men- ben kann, muss der Staat sicherstellen. schen eine neue Heimat zu geben und Und sein Vermächtnis bedeutet, die Wohlstand für alle zu schaffen. Soziale Marktwirtschaft zu bewahren. Heute geht es darum, die Einheit der Wir dürfen uns die Spielregeln des globa- Gesellschaft zu bewahren. Auch dafür len Wettbewerbs nicht von außen diktie- brauchen wir mehr als kleine Träume. ren lassen – nicht von der Wall Street, Wir dürfen nicht akzeptieren, dass die nicht von der Londoner Börse und auch Kluft zwischen Arm und Reich, zwi- nicht von der chinesischen Staatsbank. schen gut Ausgebildeten und gering Nur ein System, das eine liberale Markt- Qualifizierten, zwischen Ost und West, wirtschaft mit einem solidarischen Sozi- zwischen Einheimischen und Zuwande- alstaat verbindet, ist in der Lage, die Zu- rern immer weiter auseinandergeht. Nur kunftsprobleme zu meistern. wenn wir Gemeinsinn und Gemeinschaft Christlich, sozial, europäisch – diese stärken, bewahren wir die Einheit der Ge- Trias umreißt das politische Lebenswerk sellschaft. Denn es geht nicht allein um Karl Arnolds. Alle drei Elemente gehören wirtschaftlichen Gewinn als Selbstzweck. untrennbar zusammen. Kein Teil ist ohne Wir brauchen auch mehr Wachstum, um den anderen denkbar. Dahinter stand den Schwachen helfen zu können. Aber seine Überzeugung, als Christ zur Über- wir brauchen auch Gemeinsinn und Ge- nahme politischer Verantwortung ver- meinschaft, damit der Staat nicht alles pflichtet zu sein. Wir in Nordrhein-West- machen muss. Es ist wichtig, dass die falen wissen, was wir an ihm gehabt ha- Menschen wieder mehr Zeit füreinander ben. Wir wissen, was wir ihm verdanken. haben; dass sie miteinander leben statt Wir wissen, was er uns auf unseren wei- nebeneinander; dass Familien zusammen- teren Weg mitgegeben hat und was uns stehen; dass Freunde füreinander da sind; Verpflichtung ist.

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