MehrWert für Mensch und Stadt: Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Strategien, innovative Instrumente und Perspektiven für das Flächenrecycling und die städtebauliche Erneuerung
Eine Publikation des Förderprogramms “Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement” (REFINA) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Herausgeber: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Kooperation mit dem Umweltbundesamt und dem Projektträger Jülich MehrWert für Mensch und Stadt: Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Strategien, innovative Instrumente und Perspektiven für das Flächenrecycling und die städtebauliche Erneuerung
Eine Publikation des Förderprogramms “Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement” (REFINA) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
Auftraggeber
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Gina Siegel (Koordination)
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Fabian Dosch (Projektleitung), Eckhard Bergmann
In Kooperation mit
Umweltbundesamt Detlef Grimski
Projektträger Jülich Uwe Wittmann
Bundesministerium für Bildung und Forschung Karl Wollin
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Uwe Taeger
Auftragnehmer
Kompetenzzentrum für interdisziplinäres Flächenrecycling C.i.F. e.V. Freiberg Herbert Klapperich, Michael Hanke, René Otparlik, Beate Trost
In Kooperation mit
SAXONIA Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH Freiberg Erich Fritz, Alexander Eisenblätter reconsite - TTI GmbH Stuttgart revitalisation concepts for sites and urban areas Volker Schrenk
Projektgruppe Stadt + Entwicklung Leipzig Uwe Ferber
Ein Projekt des Forschungsprogramms “Aufbau Ost” des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung „Mehr Wert für Mensch und Stadt – Flächenrecycling in Stadtumbauregionen“
Gemeinsames Vorwort der Staatssekretäre der Bundesministerien für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie für Bildung und Forschung
Im April 2002 hat die Bundesregierung die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie unter dem Titel „Perspektiven für Deutschland“ verabschiedet. Die Nachhaltigkeitsstrategie zeigt mit dem Leitbild, den Zielen und den Indikatoren für eine nachhaltige Entwick- lung Perspektiven für ein zukunftsfähiges Deutschland auf. Sie hat sich unter der Überschrift „Flächeninanspruchnahme vermindern – Nachhaltige Siedlungs- entwicklung fördern“ das Ziel gesetzt, die Inanspruchnahme neuer Siedlungs- und Verkehrsflächen bis zum Jahr 2020 auf höchstens 30 Hektar pro Tag zu verringern.
Mit dem Fortschrittsbericht 2004 zeigt die Bundesregierung, in welchem Umfang Fortschritte hinsichtlich dieser Ziele erreicht wurden. Aktuelle Daten der Entwick- lung der Flächeninanspruchnahme zeigen, dass eine wirkliche Trendwende noch nicht erreicht ist. Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag vom 11.11.2005 das Ziel bestätigt, „den Flächenverbrauch gemäß der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie auf 30 ha/Tag zu reduzieren und für das Flächenressourcenmanagement finanzielle Anreizinstrumente zu entwickeln“. Die Bundesregierung geht dieses Ziel nun ent- schlossen an.
Die zunehmende Zersiedelung hat nicht nur ökologisch negative Wirkungen. Die Wege zwischen Wohnort und Arbeit, Schule, Einzelhandel oder sozialen Einrich- tungen werden immer länger. Die Landschaft verändert ihr Gesicht und das Gefühl regionaler Identität geht vielerorts verloren. Gleichzeitig erleben unsere Innenstädte starke Veränderungen. Bestehende Infrastruktur wird nicht mehr genutzt, während in den Speckgürteln der Großstädte neue geschaffen werden muss. Die Innenstädte haben dabei oft das Nachsehen, und soziale Probleme sind die Folge. Die damit verbundenen wirtschaftlichen und finanziellen Lasten treffen die Kommunen und die Bürger gleichermaßen. Angesichts der sich ändernden gesellschaftlichen Rahmen- bedingungen, wie Alterung, Bevölkerungswanderungen und wirtschaftsstrukturelle Entwicklungen werden die Probleme wachsen. Eine nachhaltige Siedlungsstruktur ist deshalb ein zentrales Element für die ökologische, wirtschaftliche und soziale Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Deshalb werden wir die sich daraus ergebenden Chancen des qualitativen Wachs- tums innerhalb der Städte und Gemeinden stärker nutzen. Die Bundesregierung wird die Kommunen dabei unterstützen: Städtebauförderungsmittel, Gebäude- sanierungsprogramme, Unterstützung beim Umbau der städtischen Infrastruktur sind dabei wichtige Elemente. Zentrale Handlungsfelder sind aus Sicht der Bundesregie- rung das Flächenrecycling und die Schaffung von gestalterisch attraktiven, ökolo- gisch wertvollen Grün- und Freiräumen in den Städten. Flächen müssen vielen Nutzungsansprüchen gerecht werden: Sie sind Standorte für Wirtschaft, Wohnen und Verkehr, bieten Erholungsraum für den Menschen und sind Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Dabei sind Interessenkonflikte nicht zu vermeiden. Unsere Aufgabe ist es, nach neuen Wegen zu suchen, wie die verschie- denen Ziele möglichst miteinander in Einklang zu bringen sind. Eine anspruchsvolle Gemeinschaftsaufgabe, die nur gemeinsam von Bund, Ländern, Kommunen und Bürgern bewältigt werden kann.
Für den Bund haben das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung, das Bundesumweltministerium und das Bundesministerium für Bildung und Forschung vereinbart, diese Aufgabe in enger Zusammenarbeit und Abstimmung zu leisten. Vielfältige Arbeiten sind erforderlich: Verbesserung der Analyse der Flächen- nutzung und der dazu gehörigen Daten- und Indikatorenbasis, Weiterentwicklung der planerischen und fiskalischen Instrumente, Untersuchung der konkreten Aus- wirkungen sich ändernder Rahmenbedingungen auf die Flächennutzung bis hin zu neuen Ansätzen Flächen sparender Infrastruktur und Architektur.
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis 2010 initiierte Förder- programm „Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement (REFINA)“ ermöglicht es, beispielhafte Projekte zu unterstützen, Defizite im Bereich der Erforschung der Instrumente zu beseitigen sowie Probleme und Lösungsansätze breit zu kommunizieren und zu diskutieren. Dazu gehört auch diese Publikation, die den Auftakt zu einer Reihe von weiteren Veröffentlichungen darstellt. Sie sollen Ergebnisse von Veranstaltungen zu unter- schiedlichen Fragen künftiger Siedlungspolitik und Flächennutzung einer breiten Öffentlichkeit vorstellen.
Die erste Veranstaltung hat in der kreativen Atmosphäre der durch umwelttechno- logische Innovationen bekannten Technischen Universität Bergakademie Freiberg im September 2005 stattgefunden. Dort wurden unter dem Thema „Flächenrecyc- ling in Stadtumbauregionen“ politische Umsetzungsstrategien und praktische Er- fahrungen gleichermaßen beleuchtet. Weitere Veranstaltungen zu den Themen „Kos- ten der Flächennutzung vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland“, „Flächensparen als Strategie zum Ressourcenschutz“ und „Fläche im Kreis – Flächen in Funktion“ werden folgen.
Gemeinsam möchten wir Sie schon heute dazu einladen, sich daran zu beteiligen.
Dr. Engelbert Matthias Machnig Prof. Dr. Frieder Lütke-Daldrup Meyer-Krahmer Staatssekretär Staatssekretär Staatssekretär Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium für Verkehr, Bau für Umwelt, Naturschutz für Bildung und Stadtentwicklung und Reaktorsicherheit und Forschung Inhaltsverzeichnis
1 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen 9 1.1 Verminderung der Flächeninanspruchnahme 10 1.2 Das BMBF-Förderprogramm REFINA: Stand und weiteres Vorgehen 17 1.3 Flächenrecycling im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie 21 1.4 Handlungsinstrumente zum Flächensparen aus Sicht des Bundes 27 1.5 Perspektive Flächenkreislaufwirtschaft: Trends und Initiativen auf Bundesebene 32 1.6 Fazit 38
2 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement 41 2.1 Erfahrungen und Strategien einzelner Bundesländer beim Flächenrecycling 42 2.1.1 Strategie für Flächenrecycling in Stadtumbaugebieten – erste Erfahrungen 43 2.1.2 Mit Fläche haushalten – ein Gebot nachhaltiger Entwicklung 48 2.1.3 Flächenmanagement in Baden-Württemberg und das Aktionsbündnis „Flächen gewinnen“ 53 2.1.4 Das Leistungsbuch Altlasten und Flächenentwicklung 2004/2005 59 2.1.5 Kommunales Flächenmanagement und das „Bündnis zum Flächensparen“ 66 2.2 Kommunales Flächenmanagement 71 2.2.1 Nachhaltiges Bauflächenmanagement Stuttgart (NBS) 72 2.2.2 Bretten – Mit dem Flächenkarussell zum erfolgreichen Stadtumbau 76 2.2.3 Kommunales Flächenmanagement in Freiberg 80 2.2.4 Görlitzer Strategie zur Zukunft der Stadt 86 2.3 Planerische Aspekte beim Flächenrecycling in Stadtumbauregionen 91 2.3.1 Strategisches Flächenmanagement – Wachstum nach Innen 92 2.3.2 Theorie und Praxis – Flächenrecycling in den Städten und Gemeinden – Beispiel Dresden 96 2.3.3 Was kommt nach der Abrissbirne? – Stadtumbau und Flächenrecycling in Schrumpfungsregionen 100 2.4 Fazit 105 3 Instrumente der In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken 107 3.1 Handlungsempfehlungen zum Flächenrecycling 108 3.1.1 Im Dschungel der Empfehlungen 109 3.1.2 Der Start-up Plan – zielgruppenspezifisches Werkzeug zur Unterstützung von Flächenrecyclingprojekten 113 3.1.3 Grüne Wiese entwickeln oder Brache revitalisieren? – Die Boden-Wert-Bilanz 118 3.2 Ansätze zur Beschleunigung der Brachflächenreaktivierung 124 3.2.1 Passierschein für die Wiedernutzung – Der Flächenpass 125 3.2.2 Randbedingungen zur Wiedernutzung von Brachflächen 129 3.2.3 Beschleunigungsansätze für das Flächenrecycling 133 3.3 Fazit 137 4 Herausforderungen, Strategien und die Finanzierung von ächenrecyclingvorhaben 139 4.1 Stand der Forschung 140 4.1.1 Stadtumbau und Flächenrecycling – eine europaweite Aufgabe in Strukturkrisestädten 142 4.1.2 CABERNET: A vision of economic regeneration an sustainable land use 147 4.1.3 NORISC: Risk assessment of contaminated sites 154 4.1.4 INTEGRA SITES: Strategy for site recycling and site management in urban areas 159 4.1.5 Nachhaltiges Flächenmanagement in den USA 164 4.1.6 RESCUE - Das europäische Best-Practice- Handbuch 171 4.1.7 Künftige Forschungsschwerpunkte 176 4.2 Strategieansätze zum Flächenrecycling aus Sicht der Immobilien- und Grundstückswirtschaft 182 4.2.1 Das Flächenrecycling in Stadtumbauregionen unter Finanzierungsaspekten 183 4.2.2 Marktwirtschaftliche Bedeutung der Revitalisierung von Brachflächen 186 4.3 Finanzierungsmodelle zum Flächenrecycling 190 4.3.1 Ziele und Programme der Städtebauförderung 191 4.3.2 Das Programm Stadtumbau Ost 195 4.3.3 Die freistellungsfinanzierte Altlastensanierung 199 4.4 Fazit 203 5 Ressource Fläche zwischen Aufbau und Rückbau 205
5.1 Neue Wege beim Flächenrecycling 206 5.1.1 Das Machbare anpacken – Zwischennutzungen und neueFreiflächen 207 5.1.2 Liegenlassen und Renaturieren von Brachflächen – Good-Practice-Fallstudien 213 5.1.3 Regional ökonomische Rahmenbedingungen beim Flächenrecycling in Suburbia 218 5.1.4 Ein Kommunikationskonzept für das Flächenrecycling in suburbanen Räumen 222 5.2 Best Practice von Flächenrecycling als Bestandteil der Stadt- und Standortentwicklung 227 5.2.1 Strukturwandel aus Industriekultur - Integrierte Standortnutzung 228 5.2.2 Standortentwicklung Saxonia-Areal in Freiberg 232 5.2.3 Flächenentwicklung in der Metropolregion Ruhr 236 6 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen – akteursspezifische Handlungsempfehlungen 241 6.1 Brauchen wir eine Bundesstrategie zur Wiedernutzung gebrauchter Flächen? 242 6.2 Ansätze und akteursspezifische Handlungsempfehlungen zum Umgang mit brachliegenden Flächen 246 6.3 Zusammenfassende Thesen und Ausblick 251 Anhang Dokumentation Workshop – MehrWert für Mensch und Stadt: Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
1 Kurzbericht Workshop 257 2 Einbettung Workshop 259 3 Grußworte 261 4 Workshopprogramm 269 5 Ergebnisdokumentation Workshop 275 6 Teilnehmerverzeichnis 279
Autorenverzeichnis 289 (Alle nicht namentlich gekennzeichneten Beiträge stammen vom Auftragnehmer.)
Abkürzungsverzeichnis 295 1 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
1.1 Verminderung der Flächeninanspruchnahme 1.2 Das BMBF-Förderprogramm REFINA: Stand und weiteres Vorgehen 1.3 Flächenrecycling im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie 1.4 Handlungsinstrumente zum Flächensparen aus Sicht des Bundes 1.5 Perspektive Flächenkreislaufwirtschaft: Trends und Initiativen auf Bundesebene 1.6 Fazit
Die Rahmenbedingungen beim Stadtumbau weisen in Deutschland bei der aktuel- len Problemsituation in unterschiedliche Richtungen. In den neuen Bundesländern ist ein großes Überangebot an Flächen bei einer nur geringen Nachfrage zu finden. Für einen Großteil der dort vorhandenen Brachflächen wird es in absehbarer Zeit keine Nutzungen mehr geben. In einigen Regionen in den alten Bundesländern be- steht hingegen ein nach wie vor großer Druck auf die Fläche. Daher sind aktive Maßnahmen erforderlich, um eine weitere Zersiedelung zu verhindern und eine hohe Lebensqualität zu erhalten. Zudem zeichnet sich ab, dass sich die Randbedingungen für das Flächenrecycling im Hinblick auf die demographische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland in den kommenden Jahrzehnten verändern werden. In weiten Teilen der Bundesrepublik wird es zu einem Rückgang der Einwohnerzahlen kommen. Als Konsequenz muss man von einer weiteren Freisetzung von Flächen und damit einem Anstieg des Anteils an Brachflächen ausgehen. Das Thema des Stadtumbaus wird zukünftig daher weiter an Bedeutung gewinnen. Es sind somit im verstärkten Maße Konzepte erforderlich, um nicht durch einen hohen Anteil an Brach- flächen ein negatives Image aufzubauen.
Thesen: ¾ Die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit erfordert weitere politische Rahmensetzungen. Es besteht ein Bedarf an akteursbezogenen Handlungsinstrumenten.
¾ Im Mittelpunkt steht die Sicherung der Finanzierbarkeit der einzelnen Maß- nahmen im Sinne der Vorteilhaftigkeit der Nachnutzung von Brachflächen gegenüber der grünen Wiese.
¾ Die Komplexität des Prozesses Flächenrecycling erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise, sowohl auf der Seite der politischen bzw. administrativen Akteure, als auch bei der Standort-/Projektentwicklung.
9 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
1.1 Verminderung der Flächeninanspruchnahme
Hagen Eyink, Gina Siegel
Einleitung Konkrete Vision Im April 2002 hat die Bundesregierung Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung wird weiterhin ein unter dem Titel «Perspektiven für praktikables Maßnahmenprogramm er- Deutschland» verabschiedet. Die Nach- arbeitet, das in seiner Gesamtheit zu haltigkeitsstrategie zeigt mit dem Leit- einer Reduzierung und qualitativen Ver- bild sowie 21 Zielen und Indikatoren für besserung der Flächeninanspruchnahme eine nachhaltige Entwicklung Perspek- für Siedlungs- und Verkehrszwecke führt. tiven für ein zukunftsfähiges Deut- Dieses Ziel kann nur in mehreren Schrit- schland auf. In vier Handlungsfeldern - ten erreicht werden: Energie und Klimaschutz, Verkehr, Landwirtschaft sowie globale Verantwor- ¾ In einem ersten Schritt hat die Bun- tung - wurden Maßnahmen vorgestellt, desregierung ihre derzeit laufenden die Deutschland auf dem Weg zu einer und absehbaren Vorhaben daraufhin nachhaltigen Entwicklung voranbringen überprüft, inwieweit sie zu einer Ver- sollen. Mit dem Fortschrittsbericht 2004 minderung der Flächeninanspruch- zeigt die Bundesregierung in welchem nahme beitragen können. Umfang Forschritte hinsichtlich dieser Ziele erreicht werden konnten. Damit ¾ In einem zweiten Schritt soll geklärt erfolgt eine transparente und regelmä- werden, mit welchen Maßnahmen ßige Erfolgskontrolle. In der Nachhaltig- mittel- bis langfristig die Flächenin- keitsstrategie 2002 hat sich die Bundes- anspruchnahme vermindert werden regierung unter anderem zum Ziel ge- kann. Dazu hatte die Bundesregie- setzt, die Inanspruchnahme neuer Sied- rung den Rat für Nachhaltige Ent- lungs- und Verkehrsflächen bis zum Jahr wicklung gebeten, einen breiten Di- 2020 auf höchstens 30 Hektar pro Tag alog, insbesondere mit Ländern und zu verringern. Kommunen, zu organisieren und Die neue Bundesregierung hat in ihrer anschließend auf dieser Grundlage Koalitionsvereinbarung vom 11.11.2005 der Bundesregierung Vorschläge für dieses Ziel bestätigt, „den Flächenver- Maßnahmen zur Verminderung der brauch gemäß der nationalen Nachhal- Flächeninanspruchnahme zu unter- tigkeitsstrategie auf 30 ha/Tag zu redu- breiten. zieren und für das Flächenressourcen- management finanzielle Anreizinstru- mente zu entwickeln“.
10 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
¾ Die Bewertung der im ersten Schritt bzw. Festlegungen ganz abzusehen, um vorzunehmenden Prüfung der lau- sich damit temporäre Vorteile im Stand- fenden Vorhaben sollen dann ortwettbewerb zu verschaffen. weiterhin mit den langfristig ange- Die bereits seit längerem eingeleitete legten Vorhaben zu einem integrier- Trendwende in der Städtebau- und Woh- ten Maßnahmenprogramm zusam- nungspolitik hin zu einer verstärkten mengeführt werden. Bestandsförderung und Innenentwick- lung dient dem Ziel des Flächensparens Folgerungen der Bundesregierung und muss konsequent fortgesetzt wer- den. Die Ausgestaltung des Förderin- Die Prüfung des Spektrums der Hand- strumentariums kann noch stärker auf lungsmöglichkeiten zur Reduzierung der dieses Ziel ausgerichtet werden. Die Flächeninanspruchnahme hat gezeigt, Abschaffung der Eigenheimzulage war dass einige wenige Einzelmaßnahmen in diesem Zusammenhang ein wichtiger rechtlicher oder finanzieller Art die an- Schritt. Die Entfernungspauschale trägt gestrebte Trendwende voraussichtlich auch in ihrer reduzierten Form noch dazu nicht bewirken können. Stattdessen ist bei, dass Wohnortverlagerungen, die zu es notwendig, eine Vielzahl von Instru- einer Verlängerung von Arbeitswegen menten und Konzepten zu entwickeln führen, nicht in vollem Umfang auf die und einzusetzen, die in ihrer Gesamt- Transportkosten der Haushalte durch- heit die Flächeninanspruchnahme ein- schlagen. Dies erleichtert vielen Famili- dämmen. Erfolg versprechend erscheint en die Entscheidung für einen Wohn- die Fortsetzung und Verstärkung einer standort am Rande oder außerhalb der Politik der Innenentwicklung von Städ- Stadtregionen und erhöht tendenziell die ten und der Wiedernutzung von Brach- Neuinanspruchnahme von Flächen auf flächen. Zur Annäherung an das «30-ha- der grünen Wiese. Andererseits sind vie- Ziel» sollte deshalb vor allem eine Erhö- le Arbeitnehmer auch gezwungen, von hung der Recyclingquote von vorhande- ihrem bestehenden Wohnort aus immer nen Brachflächen verfolgt und deren längere Pendelwege in Kauf zu nehmen, Entwicklung bilanziert werden. Entspre- um überhaupt eine Arbeit zu finden. chend dem Ziel der nationalen Nachhal- Eine mögliche weitere Umgestaltung der tigkeitsstrategie, ein Verhältnis von Entfernungspauschale wird dies berück- Innenentwicklung und Aussenentwick- sichtigen. lung von 3:1 zu erreichen, ist die Flä- cheninanspruchnahme möglichst auf die Die Möglichkeiten, im Zuge der notwen- bereits erschlossenen und in die Städte digen Reform der Grundsteuer auch ei- und Gemeinden integrierten Standorte nen erhöhten Anreiz zur Reduzierung der zu lenken. Dazu müssen in den Raum- Flächeninanspruchnahme zu schaffen, ordnungsplänen verbindliche und nach- müssen noch weitergehend geprüft wer- vollziehbare Festlegungen zur Begren- den. Dabei sollten die verschiedenen zung des Siedlungswachstums auf die Modelle, insbesondere hinsichtlich ihrer geeigneten Flächen getroffen werden. Es Lenkungswirkung auf den Flächenver- darf auch bei einer Veränderung der Kom- brauch und möglicher Ausweichreaktio- petenzordnung zwischen Bund und Län- nen, untersucht werden. Zudem müssen dern keine Situation entstehen, die es soziale, wirtschaftliche und finanzpoliti- einzelnen Ländern oder Regionen erlau- sche Wirkungen auf Bürger und Kom- ben würde, von entsprechenden Plänen munen untersucht werden. Gleiches gilt
11 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen für die Grunderwerbsteuer. Weitere, in zur Finanzierung aufwändigerer Sied- der Diskussion befindliche Instrumente, lungsformen herangezogen werden. wie eine Neuversiegelungsabgabe, die Wenn es gelingt Fälle von Quersubven- Einbeziehung der Flächeninanspruch- tionierung abzubauen, sinkt der Anreiz nahme bei der Umgestaltung der kom- für kostenintensive Neuinanspruchnah- munalen Finanzverfassung, die Berück- me der grünen Wiese. Dazu müsste sichtigung der sozialen Infrastruktur bei das Schließungsbeitragsrecht, dessen der Festlegung von Erschließungsbeiträ- Regie seit der Verfassungsreform 1994 gen sowie die Ausschöpfung der Poten- den Ländern obliegt, gegebenenfalls ziale von Fondsmodellen zur Altlasten- angepasst werden. Auch haben die sanierung sollten auf der jeweils zustän- Kommunen Spielräume hinsichtlich digen Ebene ebenfalls hinsichtlicht ih- des Erschließungsaufwands, wobei sie rer Effizienz und Praktikabilität geprüft verpflichtet sind die Erschließung selbst werden. Für die Zukunft erscheinen nach kostengünstig herzustellen. Es ist den jetzigen Erkenntnissen und vor dem darüber hinaus zu prüfen, ob die zuneh- Hintergrund der Vorschläge des Rates mend privat organisierten Ver- und Ent- für Nachhaltige Entwicklung vier Leitge- sorgungsleistungen bis hin zur Anbin- danken verfolgenswert: dung an den öffentlichen Verkehr mit ei- ner gerechten Kostenanlastung verbun- a) Kostenwahrheit den sind. Dabei geht es nicht um die Ort, Art und Umfang der Inanspruch- Rücknahme sozial motivierter Subventi- nahme von Flächen für Siedlungszwe- onen von Einrichtungen und Diensten der cke werden maßgeblich von den Bo- Daseinsvorsorge, sondern um die kor- denpreisen bestimmt. Hohe Preise si- rekte Ermittlung und Anlastung von Kos- gnalisieren Knappheit und veranlassen ten unterschiedlicher Siedlungsformen, zu einem sparsamen Umgang mit der die bei der Wahl von Wohn- und Be- Fläche. Entscheidend für diese Steu- triebsstandorten eine wichtige Rolle erungswirkung ist u. a., dass die Kos- spielen sollten. ten, die im Zusammenhang mit dem Der Leitgedanke der Kostenwahrheit Erwerb der Nutzung eines Grundstücks sollte auch bei der Ausweisung von Bau- entstehen, auch den tatsächlichen Auf- flächen durch die Kommunen stärker wendungen entsprechen, die von der zum Tragen kommen. Neuere Untersu- Gemeinschaft für Planung, Erschlie- chungen zeigen, dass die von den Kom- ßung und Versorgung aufzubringen munen ganz oder teilweise zu tragen- sind. Es gibt deutliche Hinweise dar- den Kosten für Planung, Erschließung auf, dass die relativ hohen Kosten und anschließende Versorgung von Neu- besonders Flächen zehrender Sied- baugebieten häufig über die langfristig lungsformen ihren Nutznießern zu erzielenden Einnahmen aus den teilweise nur unvollständig in Rechnung Steuern der Bewohner hinausgehen. gestellt werden, während die Bewoh- Ähnliches gilt für Gewerbegebiete. Neue ner verdichteter und daher kostengüns- Bau-, insbesondere Gewerbegebiete tiger zu erschließender städtischer Ge- werden von den Kommunen in beachtli- biete in einer Art Mischkalkulation mit chem Umfang im Außenbereich, in der Regel zu Lasten der bisher landwirt- schaftlich genutzten Flächen, ausgewie- sen. Ungeklärt ist, wie indirekte bzw.
12 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Schattenkosten für die Flächeninan- lungsabgabe sollte in die Untersuchun- spruchnahme (Beeinträchtigung der gen einbezogen werden. Wichtige Bei- Bodenfunktionen, Versiegelung und Ein- träge können ökonomische Instrumen- griff in den Grundwasserhaushalt, Beein- te bei der Aktivierung von Altlasten und trächtigung der Biodiversität etc.) bei sol- Brachen leisten. Die Nutzung von Fonds- chen Entscheidungen Berücksichtigung oder Versicherungsmodellen soll unter- finden können. Ansätze, hier zu einer sucht und weiterentwickelt werden. größeren Transparenz zu kommen und Zur diskutierten Einführung eines bun- Folgekosten mit in die Überlegungen mit des- oder landesweiten Systems inter- einzubeziehen, müssen von Bund, Län- kommunal handelbarer Flächenauswei- dern und Gemeinden gemeinsam voran- sungsrechte auf der Basis national oder getrieben werden. landesweit vorgegebener, maximal zu- lässiger Flächenwidmungskontingen- b) Ökonomische Instrumente te gibt es verfassungsrechtliche und pla- nungspolitische Bedenken. Handelbare Ökonomische Instrumente können nach Flächenzertifikate sind bezüglich der Einschätzung der Bundesregierung und Standorteignung und der qualitativen Flä- des Nachhaltigkeitsrates die planeri- chenschutzbelange blind und müssten schen Instrumente sinnvoll ergänzen. in jedem Fall mit planerischen Leitplan- Erste Maßnahmen zum Abbau von Sub- ken versehen werden. Vor einer grund- ventionen, die die Flächeninanspruch- sätzlichen Entscheidung über die Wei- nahme begünstigen, wie die Reduzie- terverfolgung solcher Ansätze sollten die rung der Entfernungspauschale und die Ergebnisse der in einigen Kommunen Abschaffung der Eigenheimzulage zum bereits laufenden Pilotvorhaben abge- 1. Januar 2006 für Neubauten, sind wartet, gründlich ausgewertet und mit bereits beschlossen. Hier müssen wei- den Beteiligten, insbesondere den Kom- tere Schritte folgen, beispielsweise auch munen diskutiert werden. Zielführend bei einer Reihe von Förderprogrammen, können aus Sicht der Bundesregierung deren Mittel selbst nach bereits erfolg- zunächst allenfalls kleinräumige Formen ten Umorientierungen immer noch zum des interkommunalen Austauschs von Teil in Neubauten und Infrastrukturmaß- Flächennutzungsrechten sein, die regi- nahmen auf der grünen Wiese fließen. onal begrenzt und im Rahmen der raumordnerischen Festlegungen erfolgen Weiteres Potenzial wird bei der Umge- und einen Tausch von spezifizierten Flä- staltung der Grundsteuer und der Kom- chenkontingenten mit Elementen eines munalfinanzen gesehen. Während bei Vorteil-Nachteil-Ausgleichs zwischen einigen dieser Instrumente die Wirkun- Gemeinden ermöglichen. Die Bundes- gen der steuer-, förder- und fiskalpoli- regierung hält es für zweckmäßig, in Mo- tisch ausgerichteten Reformvorschläge dellvorhaben derartige Möglichkeiten der bereits untersucht sind, bedürfen ande- Anreicherung und Flexibilisierung des re einer vertieften fachlichen und politi- Planungsinstrumentariums im Kontext schen Prüfung. Dies gilt insbesondere eines regionalen Flächenmanagements im Hinblick auf ihre Praktikabilität und zu untersuchen und weiter zu entwi- Umsetzbarkeit sowie ihre sozioökono- ckeln. mischen und siedlungsstrukturellen Aus- wirkungen. Auch die vom Nachhaltig-- keitsrat vorgeschlagene Neuversige-
13 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen c) Regionale Verantwortung ¾ Präzisierung der Bemessungs- grundlagen und der Bedarfsnachwei- Planung und Steuerung der Flächennut- se bei der Ermittlung und Prüfung zung in Deutschland erfolgen nach dem von notwendigen Flächenneuaus- so genannten «Gegenstromprinzip». Zur weisungen in Bauleitplänen und auf Umsetzung des Ziels einer nachhaltigen Ebene der Landes- und Regionalpla- Raumentwicklung bedarf es einer den nung Erfordernissen angemessenen Weiter- entwicklung des flächenpolitischen In- ¾ Intensivierte Prüfung und nach Mög- strumentariums. Vor der Entwicklung lichkeit Beschränkung geplanter Flä- gänzlich neuer flächenpolitischer Instru- chenumwidmungen von ökologisch mente und Verfahren ist es vorrangig er- besonders bedeutsamen sowie forderlich, das vorhandene Planungsin- landwirtschaftlich wertvollen Böden strumentarium auf allen Planungs- und hinsichtlich ihrer unabweisbaren Verwaltungsebenen konsequent anzu- Notwendigkeit auf der Basis ent- wenden, bestehende Vollzugsdefizite zu sprechend belastbarer Qualitätskri- beheben, geeignete planerische Einzel- terien der Landschaftsplanung instrumente sachgerecht zu schärfen und die Wirksamkeit der «harten» Pla- ¾ Konsequentere Umsetzung der na- nungsinstrumente durch ergänzende turschutzrechtlichen Eingriffs- und «weiche» Instrumente und informelle Ausgleichsregelung zur Verminde- Verfahren zu erhöhen. Zur Schärfung rung der Flächeninanspruchnahme. raumordnerischen Planungsinstrumen- Die Wirksamkeit der «harten» tariums und zur Behebung von Vollzugs- planerischen Instrumente zur Um- defiziten an der Schnittstelle von über- setzung einer flächensparenden örtlicher Raumordnung und kommuna- Siedlungsentwicklung wird in der ler Bauleitplanung können folgende raumordnerischen Praxis erheblich Maßnahmen beitragen: gesteigert durch flankierende «wei- che» Instrumente und informelle ¾ Präzisierung und Schärfung flächen- Verfahren. Diese ergänzenden Pla- bezogener Vorgaben in den Raum- nungsansätze sind verstärkt fortzu- ordnungsplänen der Länder und führen und auf ein regionales Flä- insbesondere in den konkretisieren- chenmanagement auszurichten. den Regionalplänen, z. B. Orientie- rungswerte zur anzustrebenden Strategisch wesentliche Handlungsfel- Mindestdichte der hierbei sind: ¾ Strikte Anwendung der raumordne- ¾ Stärkung der interkommunalen und rischen Leitvorgaben zur flächen- regionalen Kooperation: sparenden Siedlungsentwicklung im Kooperative Planungs- und Hand- Rahmen der Aufstellungs- und Ge- lungsansätze leisten wesentliche nehmigungsverfahren kommunaler Beiträge zu einer nachhaltigen Sied- Bauleitpläne, auch mit Blick auf ent- lungsentwicklung und zum sparsa- sprechende Anforderungen der künf- men Umgang mit Grund und Boden. tig erforderlichen Plan-Umweltprü- Sie können bei der Entwicklung und fung Umsetzung stadtregionaler Frei- raumkonzepte im Zuge von Land-
14 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
schaftsparks ebenso zum Tragen ten, um die Kommunikation der an der kommen wie bei der Entwicklung Flächenpolitik direkt oder indirekt Betei- interkommunaler Gewerbegebiete. ligten zu verbessern. Auftakt soll ein Kongress «Ziel-30-ha» werden. Darüber ¾ Ausbau des Flächenmonitorings: hinaus wird vorgeschlagen, einen Wett- Zur Verbesserung der Informations- bewerb der guten kommunalen Lö- grundlagen und zur Schärfung des sungsansätze zu initiieren. Problembewusstseins ist ein Aus- Die vertiefte sektorpolitikübergreifende bau des Flächenmonitorings auf Zusammenarbeit der Ressorts wird das Bundes-, Landes-, Regions- und Thema Flächeninanspruchnahme weiter kommunaler Ebene angezeigt, vorantreiben. Ressorts des Bundes ha- auch im Hinblick auf die Einführung ben weiterführende Initiativen ergriffen, der Plan-Umweltprüfung. Dabei sind die auch den Wettbewerbsgedanken zum einen Flächendatenbanken zur aufgreifen: Erfassung, Bewertung und Mobili- sierung von Baulandreserven in Das Deutsche Institut für Urbanistik jeweils angemessener Detaillierung (Difu) führt im Auftrag des Bundes- anzustreben. Zum anderen sollten amtes für Bauwesen und Raumordnung neben quantitativen Kenngrössen (BBR) und des Bundesministeriums für verstärkt auch geeignete Indikato- Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ren zur Effizienz und Qualität der (BMVBS) das Forschungsvorhaben des Flächeninanspruchnahme entwi- Experimentellen Wohnungs- und Städ- ckelt werden tebaus (ExWoSt) «Fläche im Kreis - Kreislaufwirtschaft in der städtischen- ¾ Bündelung in einem regionalen Flä- stadtregionalen Flächennutzung» chenmanagement: durch. Im Mittelpunkt des Vorhabens Flächensparen soll zukünftig als stehen Planspiele, in denen in fünf komplexe Managementaufgabe auf- Städten bzw. Stadtregionen verschiede- gefasst werden, deren Bewältigung ne Akteure gemeinsam Strategien einer durch kombinierten und koordinier- Flächenkreislaufwirtschaft entwickeln. ten Instrumenteneinsatz in einem Die kommunalen Spitzenverbände Deut- regionalen Netzwerkverbund erfolgt. scher Städtetag, Deutscher Landkreis- Im regionalen Verbund können auch tag und Deutscher Städte- und Gemein- Gewerbe- oder Ausgleichsflächen- debund unterstützen die Durchführung pools wirksam zum Tragen kom- des Forschungsvorhabens. men. Parallel dazu sollte auf kom- munaler Ebene sukzessive ein Flä- Das BMVBS hat ab 2004 bis 2006 im chenmanagement aufgebaut wer- Rahmen der neuen Modellvorhaben der den, wie dies derzeit z. B. in Ba- Raumordnung die Entwicklung von prak- den-Württemberg und Bayern ge- tischen Handlungsansätzen unterstüzt, schieht. die dem weiteren Zuwachs der Flächen- inanspruchnahme für Siedlungszwecke d) Kontinuierlicher Dialog Fläche entgegenwirken. An der Schnittstelle «Verzahnung ökonomischer Instrumen- Der Rat für Nachhaltigkeit empfiehlt der te mit der raumplanerischen Steuerung» Bundesregierung, ein kontinuierliches setzt aktuell ein Modellvorhaben der Projekt «Nachhaltige Stadt» einzurich- Raumordnung an, bei dem in einem Re-
15 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
gionalverband geprüft wird, ob die dis- Erarbeitet wurde dieses Thema in dem kutierten ökonomischen Steuerungsan- interministeriellen Arbeitskreis mit Bun- sätze geeignet sind, als praktikable, deskanzleramt (BK), Bundesministeri- umsetzbare Instrumente die Flächenpo- um der Finanzen (BMF), Bundesminis- litik in Stadt und Region zu ergänzen terium für Umwelt, Naturschutz und Re- und ob solche Instrumente praktisch in aktorsicherheit (BMU), Bundesministe- das bestehende Planungs- und Finanz- rium für Wirtschaft und Technologie system der Region und des Bundeslan- (BMWi), Bundesministerium der Vertei- des integriert werden können. Es ist ge- digung (BMVg), Bundesministerium für plant, den Kreis der Modellregionen zu Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- erweitern. cherschutz (BMELV), Bundesministeri- um für Verkehr, Bau und Stadtentwick- Das Bundesministerium für Bildung und lung (BMVBS), Bundesamt für Bauwe- Forschung (BMBF) hat unter dem Titel sen und Raumordnung (BBR), Umwelt- «Nachhaltiges Flächenmanagement» bundesamt (UBA), Bundesamt für Na- fachübergreifende Fördermaßnahmen turschutz (BfN), Projektträger Jülich mit hohem Innovationswert ausgeschrie- unter Federführung der Raumentwick- ben. Im Förderschwerpunkt «Forschung lung. für die Reduzierung der Flächeninan- spruchnahme und ein nachhaltiges Flä- chenmanagement» (REFINA) sollen Methoden und Bewertungsansätze für Weiterführende Links: ein nachhaltiges Flächenmanagement und Flächenrecycling entwickelt sowie http://www.Bundesregierung.de/ Verfahren für differenziertere regionale Politikthemen -11405/Nachhaltige- und überregionale Analysen der nach- Entwicklung.htm haltigen Siedlungsflächenentwicklung http://www.bbr.bund.de/moro/ und deren Bewertung (Datengrundlagen, index.html Datenmanagement, Trends und Szena- http: //www.flaeche-im-kreis. de/ rien) durchgeführt werden.
16 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
1.2 Das BMBF-Förderprogramm REFINA: Stand und weiteres Vorgehen
Karl Wollin
I. II. Der Workshop „MehrWert für Mensch Viele der in der damaligen Altlastenfor- und Stadt: Flächenrecycling in Stadtum- schung gewonnenen Erfahrungen sind bauregionen“ ist Auftakt für eine Ta- unter dem Stichwort „nachhaltiges Flä- gungsreihe zum Thema „Flächeninan- chenmanagement und Flächenrecycling“ spruchnahme“, die mit Unterstützung der in das vom Bundesministerium für Bil- Bundesministerien BMBF, BMVBS und dung und Forschung am 30. Juni 2004 BMU sowie des Bundesamtes für Bau- veröffentlichte Rahmenprogramm „For- wesen und Raumordnung, des Umwelt- schung für die Nachhaltigkeit (FONA)“ bundesamtes und des Projektträgers eingeflossen (vgl. www.fona.de ). Jülich organisiert wird. Die Tagungen Mit diesem Rahmenprogramm fördert sollen eine Plattform für den Informati- das BMBF gezielt die Erforschung, onstransfer an Verantwortliche aus Ver- Umsetzung und Vermittlung von Innova- waltung und Praxis und für den Dialog tionen für eine nachhaltige Entwicklung, unter Experten sein. als Beitrag zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Es ist interdiszi- Die Stadt Freiberg als Tagungsort des plinär und anwendungsorientiert konzi- Auftaktworkshops hat eine enge Bezie- piert. Großer Wert wird auf den Wissens- hung zu der Thematik.Hier fand bereits transfer in die Praxis und in die Bildungs- vor 15 Jahren, im Oktober 1990, das ers- systeme gelegt. te deutsch-deutsche Symposium über Das Rahmenprogramm FONA bildet das Altlastensanierung statt, das damals als gemeinsame Dach für eine Vielzahl von eine Art Aufbruchsignal verstanden wur- BMBF-Forschungsfördermaßnahmen de angesichts der Herausforderungen für zur Stärkung der Nachhaltigkeit in ver- die Entwicklung geeigneter Sanierungs- schiedenen Bereichen unseres Wirt- verfahren und der damals prognostizier- schafts- und Gesellschaftssystems und ten Milliarden-Aufwendungen für Sanie- unserer Umwelt. rungsmaßnahmen. Eine dieser Maßnahmen ist das Förder- Heute ist bekannt, dass nicht alle in den programm „Forschung für die Reduzie- Untergrund gelangten Schadstoffe ent- rung der Flächeninanspruchnahme und fernt werden können. Die Durchführung ein nachhaltiges Flächenmanagement und Finanzierung der Altlastensanierung (REFINA)“. Es soll zum Ziel der Bun- und auch der nachhaltige Umgang mit desregierung beitragen, die Flächenin- den zur Verfügung stehenden Flächen anspruchnahme für Siedlungen und Ver- ist eine Generationenaufgabe. kehr von 129 ha/Tag im Jahr 2000 auf einen Wert von 30 ha/Tag bis zum Jahr 2020 zu reduzieren.
17 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Ohne neue Konzepte und gemeinschaft- dellvorhaben der Raumordnung - lichen Anstrengungen auf allen Hand- MORO“, und „Experimenteller Woh- lungsebenen von Bund, Ländern und nungs- und Städtebau – ExWoSt“ so- Kommunen kann dieses Ziel nicht er- wie der Umweltforschungsplan des reicht werden. Diese Erkenntnis hat zu BMU.Von Bedeutung für die Initiierung einer engeren Kooperation aller beteilig- des Förderprogramms REFINA waren ten Bundesministerien geführt, die in auch die Erfahrungen aus der wissen- einer interministeriellen Arbeitsgruppe schaftlich–technischen Zusammenarbeit bei der Planung von REFINA zusammen- mit der amerikanischen Umweltbehörde gearbeitet haben. Neben den bereit ge- EPA, die 1991 begann. Sie war in den nannten Ressorts BMBF, BMVBS und ersten beiden Phasen bis 2001 auf die BMU gehören auch BMELV, BMVg, Erprobung von Sanierungsverfahren aus- BMWi und BMF dazu. gerichtet. In der seit 2002 laufenden dritten Phase Um eine wirksame Verminderung der geht es um das Recycling und die Flächeninanspruchnahme zu erreichen, Wiedernutzung von Brachflächen, die haben die Bundesressorts die drei Hand- zweckmäßige Kooperation aller Akteu- lungsfelder auf geeignete Maßnahmen re und die Erstellung geeigneter stand- hin geprüft: ortspezifischer Managementkonzepte. ¾ rechtliche und planerische Zwischen Experten beider Länder wer- Instrumente, den Kenntnisse und Erfahrungen aus- ¾ finanz-, steuer- und getauscht. Eine vierte Phase der Zusam- förderpolitische Instrumente, menarbeit ab 2006 wird vorbereitet. Sie ¾ ergänzende Handlungsfelder soll thematisch und organisatorisch eng Einer der Vorschläge zu den „ergänzen- mit REFINA verknüpft werden (vgl. den Handlungsfeldern“ war das neue www.bilateral-wg.org).Das Förder- Forschungsförderprogramm REFINA. programm REFINA hat drei Schwer- punktbereiche: III. I. Beispielhafte Modellkonzepte REFINA zielt auf innovative Konzepte für eines innovativen Flächenma- die Reduzierung der Flächeninanspruch- nagements für ausgewählte nahme, mit denen unterschiedliche Zie- Regionen unterschiedlicher le wie Umwelt- und Naturschutz, wirt- Entwicklungsbedingungen schaftliches Wachstum, aber auch so- zialgerechte Wohnungsversorgung, II. Analysen, Methoden, und städtebauliche Qualität und Mobilität Bewertungsansätze für ein besser in Einklang gebracht werden kön- nachhaltiges Flächenmanage- nen. Dabei geht es um Lösungen so- ment und Flächenrecycling wohl für Regionen mit Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum als auch für Ziel dieses Schwerpunktes ist die Wei- Regionen mit Bevölkerungsrückgang. terentwicklung des gesamten Instrumen- REFINA baut dabei auf Erkenntnisse tariums für ein nachhaltiges Flächenma- aus den bisherigen Förderprogrammen nagement. Dementsprechend ist dieser des BMBF sowie Ergebnissen der Bun- Schwerpunkt inhaltlich recht breit ange- desressortforschung auf, wie z.B. die legt: BMVBS-Forschungsprogramme „Mo-
18 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
A. innovative Lösungen für die dungskonzepte ebenso wie die Weiter- Wiedernutzung ehemals ge- entwicklung von Datenbanken, Informa- nutzter und zum Teil belasteter tions- und Entscheidungshilfesystemen Flächen und Altablagerungen und auch Maßnahmen des internationa- (Flächenrecycling) sowie len Wissensaustausches und der Auf- Strategien zur Sicherung und bau von Kompetenznetzwerken. Verbesserung der Umweltquali- tät in Städten und Gemeinden, IV. z. B. im Rahmen kompakter Siedlungsformen Nach der Veröffentlichung REFINAs im Oktober 2004 wurden für die Interessen- B. Konzepte zur vergleichenden ten Informationsveranstaltungen durch- Bewertung der Schutzbedürftig- geführt, an denen sich mehr als 300 keit von Flächen und Beurtei- Fachleute beteiligten. lung von Bodenqualitäten im Die große Resonanz auf das REFINA- Rahmen von Boden- und Programm zeigte sich aber auch in der Flächenschutzkonzeptionen Zahl der eingegangenen Projektskizzen: Bis Ende Januar 2005 bewarben sich für C. Verfahren für regionale und die Schwerpunkte I und II über 800 Ein- überregionale Analysen der richtungen mit 141 Projektskizzen für nachhaltigen Siedlungsflächen- eine Förderung. Einreicher sind Bundes- entwicklung und deren Bewer- länder, Kommunen, Unternehmen, Ver- tung (Datengrundlagen, Daten eine und Verbände. Die Projektvorschlä- management, Trends und ge konzentrierten sich auf folgende Szenarien) wichtige Themen:
D. Weiterentwicklung der Metho- ¾ Wiedernutzbarmachung von den und Instrumente eines Altlasten/ Altablagerungen nachhaltigen Flächenmanage- ¾ Flächenrecycling innerstädti- ments unter Berücksichtigung scher Gewerbeflächen rechtlicher, städtebaulicher, ¾ Konversion militärischer Liegen- sozialer, ökologischer, ökonomi- schaften scher sowie organisatorischer ¾ Verbesserung der Regionalpla- Aspekte auf der Basis einer nung akteurs- und institutionenbasier- ¾ Umgestaltung schrumpfender ten Perspektive Städte ¾ Ökonomische Instrumente III. Entwicklung neuer Informati- ons- und Kommunikationsstruk- Einen besonders großen Anteil hatten turen Anträge von Einrichtungen aus den Städ- ten Berlin, Hamburg, Hannover, Leipzig Dieser Schwerpunkt zielt auf die Verbes- und Stuttgart sowie den Regionen Rhein- serung des Problembewusstseins in der Neckar, Ruhrgebiet. Öffentlichkeit, aber auch auf die verbes- serte Kommunikation der mit dem Flä- Im April 2005 wurden die Projektskiz- chenmanagement befassten Akteure. zen von einem Gremium aus Hierzu gehören Bildungs- und Ausbil- 33 Fachleuten von wissenschaftlichen
19 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Einrichtungen, Behörden und Vereini- Projekte ab 2006 schrittweise bewilligt gungen begutachtet. werden.
Wichtige Auswahlkriterien waren: Die Laufzeit des REFINA-Programms ¾ der Beitrag zur Reduzierung reicht bis ins Jahr 2008. Ein länder- und der Flächeninanspruchnahme ressortübergreifender Beirat wird Anfang ¾ der Innovationsgrad 2006 seine Tätigkeit aufnehmen und das ¾ die möglichen Multiplikationsef- Programm begleiten und jährlich evalu- fekte sowie ieren ¾ die transdisziplinäre Zusam- menarbeit. Erster Höhepunkt der Programmdurch- führung wird eine Auftaktveranstaltung Aus den 141 Projektskizzen zu den sein, auf der die Fördervorhaben präsen- REFINA-Schwerpunkten I und II wurden tiert und das Konzept für die weitere pro- 36 Projektskizzen ausgewählt und die jektübergreifende Durchführung und Be- Interessenten vom Projektträger Jülich gleitung des REFINA-Programms vorge- zur Einreichung formaler Förderanträge stellt werden. Die Veranstaltung findet aufgefordert. am 16. und 17. Februar 2006 in Berlin statt. Es haben sich 7 Themenbereiche oder –verbünde herausgebildet: Mit REFINA steht ein attraktives ¾ Regionale Konzepte Förderprogramm zur Verfügung, das die ¾ Innerstädtische Konzepte Problematik des Flächenverbrauchs be- ¾ Flächenrecycling wusst macht, die Betroffenen mitein- ¾ Konversion ander ins Gespräch bringt und innovati- ¾ Schrumpfende Region ve Lösungen einleitet und verbreitet – als ¾ Bodenfunktionen Beitrag zur Erreichung eines wichtigen ¾ Ökonomische Konzepte Teilziels der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Mitte August befanden sich 5 beantrag- te Projektverbünde mit 23 Einzelprojek- ten beim Projektträger in der Bearbei- tung. Weitere Vorhabensanträge sind angekündigt, haben sich aber aufgrund der Vielzahl von Abstimmungen mit den Kommunen verzögert. Die Projektprüfun- gen werden zügig fortgesetzt. Die Bewilligungen erfolgen im Rahmen der Vorgaben des laufenden bzw. kommen- den Bundeshaushaltes.
Für den REFINA-Schwerpunkt III, Infor- mations- und Kommunikationsstruktu- ren, wurden bis zum Stichtag, dem 31.4.2005, 60 Projektskizzen einge- reicht. Der Auswahlprozess soll zügig abgeschlossen und die ausgewählten
20 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
1.3 Flächenrecycling im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
Eckhard Bergmann
In ihrer Nationalen Nachhaltigkeits- fangreich ausgewiesen. Es bestehen strategie konkretisierte die Bundesre- also weiterhin Handlungsnotwendigkei- gierung für zentrale Handlungsfelder ten, sie resultieren aus dem Erforder- Grundsätze für eine zukunftsfähige Ent- nis, die knappe Ressource Fläche spar- wicklung. Eines dieser Handlungsfelder sam und effizient zu bewirtschaften. lautet: „Flächeninanspruchnahme ver- mindern Nachhaltige Siedlungsent- wicklung fördern.“ Denn Fläche ist ein sich immer weiter verknappendes Gut, um das unterschiedliche Nutzun- gen konkurrieren. So sind sowohl die Versorgung der Bevölkerung mit an- gemessenem Wohnraum zu sichern als auch für die gewerbliche und in- frastrukturelle Nutzung ausreichend Flächen bereit zustellen. Gleichzei- tig sind großräumige und übergreifen- de Freiräume zu erhalten und zu ent- wickeln, Erholungsmöglichkeiten für den Menschen zu bieten, den Boden, das Wasser und das Klima in seinen ökologischen Funktionen zu erhalten und Nutzungsoptionen auch für nachfol- Abbildung 1: Tägliche Zunahme der Gebäude gende Generationen offen zu halten. und Freiflächen 1992 – 2004
Diese Nutzungskonkurrenz verlief in der Vor diesem Hintergrund zielt eine dem Vergangenheit zu Gunsten der Sied- Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtete lungsfläche Westdeutschlands, sie hat Flächenhaushaltspolitik einerseits auf sich in den vergangenen 40 Jahren fast eine Reduzierung der Flächeninan- verdoppelt. Allerdings hat sich der An- spruchnahme – das berühmte 30 ha- stieg seit Mitte der 90er Jahre wieder Ziel. Andererseits geht es um die Aus- abgeschwächt, insbesondere bei der schöpfung vorhandener Nutzungspoten- Gebäude- und Freifläche (Abbildung 1). ziale (Brachflächen usw.). Mengensteu- Dies ist zum einen eine Folge der erung und Qualitätssteuerung gehen (bau)konjunkturellen Situation. Zum an- Hand in Hand. Eindeutige Reduktions- deren hat aber auch eine aktive Flächen- ziele auf der einen und qualitative Ziele haushaltspolitik in Städten und Gemein- auf der anderen Seite, um durch Innen- den zu dem Rückgang beigetragen. entwicklung und städtische Aufwertung die Inanspruchnahme im Außenbereich Doch noch immer wird neue Fläche - zu verringern. auch in Schrumpfungsregionen - um-
21 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Angestrebt wird sowohl eine konsequen- Grünflächen wertet das städtische te Innenentwicklung als auch eine Auf- Wohnumfeld auf und machen damit das wertung der Siedlungsflächen. Die vor- Wohnen in den Städten im Vergleich handenen Potenziale sollen besser aus- zum Wohnen im Grünen wieder attrak- geschöpft werden, um den Außenbe- tiv. reich zu schonen und die Suburba- nisierung zu bremsen. Besonderer Stel- Die Forcierung der Innenentwicklung ist lenwert kommt dabei der Aufwertung und eine komplexe Herausforderung. Denn Wiederbelebung der Innenstädte zu. Nur es gibt kaum einen Bereich, bei dem wenn die Städte wie auch zentrale Stand- das komplexe Gefüge von ökologischen, orte attraktiv genug sind und eine Palet- ökonomischen und sozialen Anforderun- te verschiedener und interessanter For- gen so sichtbar wird wie beim Umgang men von Wohneigentum bieten, gewin- mit der begrenzten Ressource Boden. nen diese in Konkurrenz zum suburba- Innenentwicklung ist von daher kein fer- nen Raum wieder an Attraktivität. tiges Produkt, sondern ein langfristiger Prozess, der fortgeschrieben und wei- Dabei ist die große Bedeutung der terentwickelt wird; es ist ein gesell- Innenentwicklung (u.a. Brachenrecy- schaftlicher Such-, Lern- und Entschei- cling, Dichteerhöhung, Baulücken, Mehr- dungsprozess. fachnutzungen) anerkannt; es geht – schwierig genug – um die Umsetzung. Die kommunalen bzw. regionalen Akteu- Das Verhältnis der Innen- zur Außen- re – und sie entscheiden letztlich – brau- entwicklung soll 3 : 1 betragen. Denn chen dafür eine handlungsleitende Ori- zunehmend bedeutsam für das Stadt- entierung, wenn sie die – anspruchsvol- bild sind unterausgelastete oder brach- len – quantitativen und qualitativen Ziele liegende Flächen in – auch vergleichs- einer flächenbezogenen Nachhaltigkeits- weise neuen – Gewerbegebieten, da die strategie in die Praxis umsetzen wollen. Produktionszyklen immer kürzer werden Eine mögliche Strategie könnte heißen: und dieser strukturelle Wandel ein Brach- Verstärkte Ausrichtung der Flächenpo- fallen begünstigt. Selbst in boomenden litik an einer Kreislaufwirtschaft. Regionen Süd(west)deutschlands fallen ehemalige Gewerbeflächen brach, die Idealtypisch wäre dieses Ziel erfüllt, mangels strategischer Optionen lange wenn für neue Siedlungstätigkeiten nur Jahre keiner Neunutzung zugeführt wer- bereits genutzte Flächen verwendet wer- den. den würden. Flächenkreislaufwirtschaft räumt der Bestandsnutzung Vorrang vor Neben der Innenentwicklung geht es um der Neuausweisung von Siedlungsflä- die Aufwertung von Siedlungsflächen chen ein. Dabei bilden die Wiedernut- – insbesondere Wohnen (u.a. Weiterent- zung brachgefallener Siedlungsflächen wicklung Wohnungsbaukultur, Funkti- und leerstehenden oder mindergenutz- onsmischung, Modernisierung, Leer- ten Baubestandes einen zentralen Be- standsabbau) und Freizeit und Erholung standteil einer Flächenkreislaufwirt- (u.a. Durchgrünung, Erreichbarkeit, Qua- schaft. lifizierung von Grün- und Freizeitflächen). Die qualitative Verbesserung des Wohn- Denn aus dem Flächenrecycling speist umfelds, z. B. die Nutzung von Brach- sich das Flächenpotenzial für bestands- flächen für Gärten und innerstädtische orientierte Flächenentwicklung, und ein
22 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen qualifiziertes Angebot wiedernutzbarer lungsflächen einer gesamten Stadtregi- Flächen stellt neue Bauflächen bereit, on. Dauerhaftigkeit, Recycling, Nut- die dann nicht mehr auf der grünen Wie- zungsketten und Kreislaufanalysen müs- se bereitgestellt werden müssen. Die sen künftig für Grundstücke und Flächen Potenziale sind beträchtlich (vgl. Kapi- jene Bedeutung erlangen, die sie tel 1.5 i.d.B.). mittlerweile für beinahe jedes industriel- le Produkt haben. Eng damit verknüpft Flächenkreislaufwirtschaft als neuer ist die „Produktverantwortung“, die zu- strategischer Managementansatz zielt nehmend auch in den Grundstücksbe- auf ein verändertes flächenpolitisches reich Einzug halten soll. Denken und Handeln in den Stadtregio- nen ab. Handlungsorientierte Strategie- Flächenkreislauf ist auch mehr als nur elemente einer Flächenkreislaufwirt- Flächenrecycling. Während Flächenre- schaft sind: cycling auf die bauliche Neunutzung ei- nes Standortes abzielt, geht es beim ¾ systematische Erfassung der Flä- Flächenkreislauf um eine stadtregiona- chenpotenziale und Abgleich der le Neunutzung des gesamten ungenutz- Potenziale mit der aktuellen und zu ten Siedlungsbestandes, die neben klas- erwartenden Nachfrage sischen Industrie- und Gewerbebrachen auch Planungsbrachen, mobilisierbares ¾ Steuerung der Ausweisung und In- Bauland, Baulücken, Teilnutzungen und anspruchnahme durch die stadtre- Nutzungsintensivierungen umfasst. Flä- gionalen Akteure chenkreislaufwirtschaft nutzt umfassend und systematisch den Rohstoff „Be- ¾ Schaffung der notwendigen Rah- standsfläche“ in der gesamten Stadtre- menbedingungen – etwa instrumen- gion (Abbildung 2). Der Ansatz schließt teller Art – durch Länder und den allerdings auch eine unter bestimmten Bund Bedingungen erforderliche Inanspruch- ¾ vertikale und horizontale Koope- nahme neuer Flächen nicht aus. ration in den Kommunen, zwi- schen den Kommunen und inner- halb zu definierender Stadtregio- nen
¾ finanzieller Lasten- und Nutzen- ausgleich innerhalb der Stadtre- gion
¾ Einbeziehung der privaten Akteure.
Der Kreislaufgedanke greift die Vor- stellung eines Nutzungszyklus von der Baulandbereitstellung, Bebauung, Nutzung, des Brachfallens und der Wiedernutzung auf. Dies gilt ebenso für Abbildung 2: Flächenkreislaufwirtschaft die einzelne Fläche wie für die Sied-
23 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Zu erwartende Effekte einer Flächen- chen nehmen zu, ihre Inwertsetzung kreislaufwirtschaft sind u.a. eine erhöh- bleibt ein Dauerthema. Nicht so sehr für te Effizienz der Flächennutzung, eine die Brachen, die sich in zentraler Lage Stabilisierung der Siedlungsdichten im befinden, deren infrastrukturelle Erschlie- stadtregionalen Kontext und die Verhin- ßung vorhanden ist und deren Preis in derung von Fehlinvestitionen in überdi- einem günstigen Verhältnis zu den mensionierte Siedlungsinfrastrukturen, Marktpreisen in gleicher Lage steht. Sie indem Zuwächse auf bestehende Sied- sind grundsätzlich unproblematisch, lungsflächen und Infrastrukturen gelenkt wenn es gelingt, die Nachnutzung städ- werden. tebaulich zu integrieren. Aber bei vielen anderen Brachen gibt es vielfältige Bei der Idee „Flächenkreislaufwirtschaft“ Hemmnisse (vgl. Kapitel 2.2.1, 3.2.1 und kann man auf vielfältige und positive Er- 4.1.4 i. d. B.). fahrungen in den einzelnen Gebietskör- perschaften zurückgreifen. Aber obwohl Jede Aktivierungsstrategie muss an zen- in vielen Städten in den einzelnen Hand- traler Stelle die unterschiedlichen Inter- lungsfeldern schon einiges geschehen essenlagen der privaten Akteure be- ist, fehlen in der Regel übergreifende und rücksichtigen. Denn sie haben eine an- auf einen längeren Zeitraum ausgerich- dere Zielfunktion als die öffentliche tete Strategien. Hand: Sie wollen Gewinne machen. Dabei ist zu beachten, dass auch die Hier können Modellvorhaben weiterhel- privaten Akteure keine homogene Grup- fen. In dem ExWoSt-Forschungsfeld pe sind. Während einerseits beim Eigen- „Kreislaufwirtschaft in der städtischen/ tümer der innerstädtischen (vermeintlich stadtregionalen Flächennutzung“ oder guten) Lage die Erwartung hoher Preise kurz: „Fläche im Kreis“ soll von daher im Vordergrund steht, besteht auf der überprüft werden, mit welchen Maßnah- Seite der Käufer für eine „alte“ Lage oft mebündeln man sich dem Ziel eines Flä- nur eine geringere Zahlungsbereitschaft. chenkreislaufes nähern kann und ob und unter welchen Randbedingungen die Idee Eine besondere Rolle kommt den pri- einer „Flächenkreislaufwirtschaft“ für vaten Verwertern zu. Insbesondere die Städte und Stadtregionen eine tragfähi- großen Eigentümer werden auch künf- ge Strategie darstellt. Derartige Strate- tig wichtige Partner vieler Kommunen gien sollen in Planspielen entwickelt sein müssen. Im Rahmen eines kürz- werden. Es werden die zukünftigen Ent- lich abgeschlossenen Forschungspro- wicklungen und Gegebenheiten simu- jektes über „Aktivierungsstrategien beim liert, um Hilfestellungen für zukünftige Brachflächenrecycling“ wurden über In- politische Entscheidungen zu erhalten. terviews die Erfahrungen der Immobili- Dabei geht es nicht um die Umsetzung enbranche hinsichtlich der Aktivierung einzelner städtebaulicher Projekte, son- brachliegender Flächen, der Bewertung dern um das Zusammenspiel der Maß- der Marktfähigkeit verschiedener Bra- nahmen und Projekte auf städtischer chentypen, erfolgreicher Wiedernut- bzw. stadtregionaler Ebene. zungskonzepte sowie hinsichtlich der Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten Brachflächen bilden das Herz einer abgefragt. stärker am Bestand orientierten Flä- chenkreislaufwirtschaft. Die Brachflä-
24 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Brachen werden danach von der Immo- nerbare Beispiele der Umnutzung zu- bilienbranche als Flächenpotenziale wie rückgebauter Wohn- und Infrastrukturflä- jede andere Fläche behandelt. Entschei- chen zu Freiflächen und sonstigen tem- dend für die Immobilienbranche ist das porären Nachnutzungen systematisch Lagepotenzial und ob es den Präferen- ausgewertet. Derartige Zwischennutzun- zen der (potenziellen) Nachfrager ent- gen sollen Optionen für eine künftige spricht. Wird ein Potenzial gesehen, Bebauung offen lassen und als „bewohn- werden typische Brachenrestriktionen bare Zwischenlösung“ von den Bewoh- wie Altlasten, Bestandsgebäude etc. als nern angenommen und zu angemessen technisch lösbare Probleme angesehen. Kosten realisiert werden können. Ange- Da diese technischen Aufbereitungen sichts knapper kommunaler Kassen aber kostentreibend sind, werden Revi- sind vor allem partnerschaftliche Model- talisierungen zum Teil nur für realisier- le zwischen öffentlicher Hand, engagier- bar gehalten, wenn die Bodeneinstands- ten Bürgern und privaten Eigentümern preise niedriger sind, als von Teilen der gefragt. Überlassungsverträge oder „Alteigentümer“ erwartet. In der Bereit- Gestattungsverträge zwischen Grundei- schaft zum Verkauf unter Buchwert oder gentümern und Bewohnern haben sich Preiserwartung bestehen dabei unter- beispielsweise zur Regelung befristeter schiedliche Verwertungsrationalitäten Nutzungen als hilfreich erwiesen. bei den Eigentümern. Deutlich wurde, dass die Frage der Marktfähigkeit der Dort, wo bauliche Zwischenlösungen Flächen zentral ist, und es von daher nicht realisiert werden können, meist für die kommunalen Akteure sinnvoll ist, außerhalb zentraler Lagen, muss behut- sich primär auf die erfolgversprechende sam eine langfristige „Renaturierung“ Flächen zu konzentrieren und dort in- eingeleitet werden (vgl. Kapitel 1.5, 5.1.1 nerstädtische Entwicklungen zu ermög- und 5.1.2 i. d. B.). Hier müssen pers- lichen. pektivisch Schwerpunkte gesetzt wer- den, denn Wahrnehmung, Forschung Drei Strategien kennzeichnen die In- und städtebauliche Maßnahmen konzen- Wertsetzung und Revitalisierung von trieren sich meist auf die nur ca. 10 % Brachflächen: Aktivieren, Konservieren Brachflächen in zentralen Lagen, für die und Renaturieren. Die Grundstrategie eine bauliche Nachnutzung realisierbar der privaten Akteure - die Identifizierung scheint. Lösungsansätze für den Um- marktgerechter Flächen, die vorrangig gang mit den meisten Brachflächen au- entwickelt werden, und die es ermög- ßerhalb dieser zentralen Lagen werden licht, flexibel auf Interessen von Nach- hingegen bisher selten angegangen. Jen- fragern zu reagieren - umfasst dabei seits aller (oft subventionierter) Highlight- auch wirtschaftlich akzeptable Zwi- Projekte bzw. Guter Beispiele und jen- schennutzungen. Sie sind dann sinn- seits kommunalpolitischer Wünsche voll, wenn zwar aktuell keine dauerhaf- dürfte für die meisten dieser Flächen die ten baulichen Nutzungschancen zu er- Renaturierung die einzige Entwicklungs- kennen sind, perspektivisch eine Nach- option sein. frage nach bereits erschlossenem Bau- land nicht ausgeschlossen werden kann.
Das BBR hat im Rahmen eines Aufbau- Ost-Projektes vielfältige und verallgemei-
25 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Es gibt auch andere Entwicklungsopti- ge Modellvorhaben der Raumordnung – onen: als Zusammenspiel kommunaler und regionaler Maßnahmen bedeutet dabei ¾ Entwicklung von Regionalparks nicht (nur) Verzicht auf einzelne flächen- ¾ Standorte für regenerative Ener- beanspruchende Projekte, sondern gien auf Brachflächen insbesondere eine bessere Organisati- ¾ extensiveBewirtschaftung on und Verteilung der Flächeninan- ¾ Einbringen in Kulturlandschafts- spruchnahme. Die Funktionen einer der- fonds artigen interkommunalen und regionalen ¾ Errichtung von Flächenagentu- Kooperation sind zahlreich: Gegenseiti- ren. ger Erfahrungsaustausch, Beratung und Abstimmung, Optimierung von Standort- Dabei können arbeitsmarktpolitischer entscheidungen, Koordination und Maßnahmen zum Flächenrecycling Bündelung von finanziellen und perso- genutzt werden. nellen Ressourcen, Formulierung und Forcierung von regionalen Interessen. Der entscheidende Engpass bei vielen Aber, derartige interkommunale oder re- dieser Überlegungen ist die Finanzierung gionale Kooperationen werden häufig (vgl. Kapitel 5.1.3 i. d. B.). Ohne eine erst eingegangen, wenn das Ende der gezielte Förderpolitik wird der Weg in die Flächenvorräte in Sicht ist. Umsetzung sehr steinig. Spezifische Förderinstrumentarien für etwa die Re- So entsteht eine scheinbare Konfliktli- vitalisierung von Brachen in Suburbia Ost nie zwischen Kernstädten sowie Um- existieren nicht. land- oder ländlichen Gemeinden, zwi- schen Verlierern und Gewinnern der mo- Brachen im suburbanen Raum verwei- mentanen Flächenpolitik. sen auch auf das Zusammenspiel von Stadt und Umland bei dem Brachflä- Allerdings gewinnt aktuell ein Argument chenrecycling. Viele Konzepte sind an Zugkraft, dass sowohl das Brachflä- bisher an städtischen Problemlagen ori- chenrecycling als auch die regionale entiert. Perspektivisch reicht zur Begren- Kooperation in diesem Themenfeld un- zung des Siedlungsflächenzuwachses terstützt. Bis dato schien die Überzeu- ein kommunales Flächenmanagement gung ungebrochen, dass neue Flächen- allein nicht aus, zu eng sind die Ver- ausweisungen auf der grünen Wiese flechtungen zwischen Stadt und Um- (neue Einwohner, neue Unternehmen) land. Auch die Flächenpolitik wird sich stets finanzielle Vorteile brächten. Je noch stärker auf die Region beziehen mehr begonnen wird, die bei unterschied- müssen. Angestrebt wird dann eine ak- lichen Kostenträgern entstehenden Fol- tive, interkommunal und regional abge- gekosten für Erschließung und Infra- stimmte Politik der Flächensicherung struktur bei Neubauvorhaben genauer zu und Flächenentwicklung, um die Ziele – betrachten und entsprechende Abwä- Standortsicherung, Begrenzung der gungsprozesse vor der politischen Ent- neuen Flächeninanspruchnahme und Si- scheidung anzustellen, um so stärker cherung der dezentralen Konzentration wachsen auch die Chancen für die – zu erreichen. Aktivierung der Brachflächen und damit für die Erreichung der gesetzten flächen- Ein derartiges Regionales Flächenma- politischen Ziele. nagement – wie etwa das gleichnami-
26 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
1.4 Handlungsinstrumente zum Flächensparen aus der Sicht des Bundes
Uwe Taeger
Flächeninanspruchnahme - Sind wir ¾ erhöhter Material- und Energiever- bereits auf dem richtigen Weg? brauch für Bau-, Betrieb und Instand- haltung von Gebäuden und Infra- Das Wachstum der Siedlungs- und Ver- struktur. kehrsfläche ist mit 115 ha/Tag im Zeit- raum 2001 - 2004 weiterhin zu hoch. Aus dieser Entwicklung resultieren aber Vom 30 ha-Ziel der nationalen auch zunehmend negative ökonomi- Nachhaltigkeitsstrategie sind wir immer sche, finanzielle und soziale Wirkungen. noch weit entfernt. Der Rückgang in den So manche Kommune hat bereits heu- vergangenen Jahren von 129 ha im Jahr te mit den finanziellen Auswirkungen der 2000 ist nach übereinstimmenden Ana- Fehleinschätzungen des Baulandbedarfs lysen im Wesentlichen konjunkturell zu kämpfen. bedingt. Bei einem Anziehen insbesondere der Baukonjunktur ist Es ist absehbar, dass sich diese Pro- auch mit einem erneuten Anstieg der Flä- bleme angesichts neuer Rahmenbedin- chenneuinanspruchnahme zu rechnen. gungen weiter verschärfen werden. Be- Von einer wirklichen Trendwende kann völkerungsrückgang, Alterung und wirt- nicht die Rede sein. schaftsstrukturelle Veränderungen ha- ben schon deutliche Wirkungen auf die Neue Rahmenbedingungen verstär- Flächeninanspruchnahme. So besteht in ken den Handlungsdruck einer Reihe von Regionen bereits ein Überangebot auf dem Wohnungsmarkt, Die Versiegelung, Zersiedelung und von den nicht- oder untergenutzten Ge- Zerschneidungen der Landschaft führen werbegebieten ganz zu schweigen. zu einer Vielzahl von ökologischen Pro- blemen, wie z.B. Bestehende kostspielige Infrastruktur in Städten und Gemeinden wird in einigen ¾ Artenschwund und Verlust von Land- Regionen weniger oder z.T. sogar nicht schaften für die Erholung, die Be- mehr genutzt. Schulen und Schwimm- einträchtigung des Klima- und Was- bäder in den Innenstädten werden ge- serhaushalts schlossen – in den Speckgürteln wer- den dafür neue gebaut. Gesamtwirt- ¾ Verlust von land- und forstwirtschaft- schaftlich - aber auch für die Kommu- lichen Flächen als Ressource für die nen - ist diese Entwicklung nicht effizi- Produktion von Nahrungsmitteln und ent. Bei den Um- und Rückbaumaßnah- nachwachsenden Rohstoffen men im Programm „Stadtumbau Ost“ zeigt sich, welches die neuen Heraus- ¾ Verkehrserzeugung, Kraftstoffver- forderungen sind, die in einigen Regio- brauch, Lärm- und Schadstoffemis- nen - nicht nur in den neuen Bundeslän- sionen dern - auf uns zukommen. In anderen, prosperierenden Regionen sind die Pro-
27 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen bleme andere. Hier sind die für die Ent- Baulandausweisung oder eine stärkere wicklung erforderlichen Flächen im Sin- kommunale Kooperation bei der Flä- ne des Wortes z.T. bereits „verbaut“. Für chennutzung sind zu verzeichnen. beide Fälle gilt: Ein „Weiter so!“ bei der Selbst für die Diskussion ungewohnter Flächennutzung, ist nicht möglich. Ansätze, wie z.B. die Prüfung der An- wendbarkeit handelbarer Flächenauswei- Anhaltendes Wachstum der Sied- sungszertifikate, besteht zunehmend lungs- und Verkehrsfläche wird zu- Offenheit. nehmend als Problem erkannt Flächenverbrauch ist im Nachhaltig- In einigen schrumpfenden Regionen ist keitsprozess ein Schwerpunktthema die Situation bereits so kritisch, dass das Thema der künftigen Flächennutzung Das BMU hatte 1998 im Rahmen des bereits weit oben auf der politischen Prozesses „Schritte für eine nachhalti- Agenda steht. Die Strukturpolitik, ge Entwicklung“ das Ziel der Verminde- Förderprogramme, aber auch die Art und rung der täglichen Neuinanspruchnahme Weise der Unterstützung der Kommu- von Flächen für Siedlungen und Verkehr nen stehen auf dem Prüfstand. Zersie- auf 30 ha bis 2020 entwickelt. Dieses delung ist zunehmend auch unter finanz- Ziel ist mit der Nationalen Nachhaltig- politischen Aspekten nicht mehr tragbar. keitsstrategie 2002 als Ziel der Bundes- regierung festgeschrieben worden. In der Wachsende Belastungen der kommuna- Nachhaltigkeitsstrategie erfolgte eine len Haushalte durch die Finanzierung erste Problemanalyse. Handlungsmaxi- teurer Gewerbe- und Wohngebiets- me, wie der Schutz der Freiräume, der erschließungen ohne ausreichende Nut- Vorrang der Innen- vor der Außenent- zung, steigende kommunale Lasten für wicklung, das Erfordernis des Flächen- die Aufrechterhaltung von Infrastruktur in recyclings wurden formuliert und auf sich entleerenden Räumen und die da- potenzielle Instrumente, wie z.B. Grund- mit verbundene Verteilung der Kosten auf steuer, Baulandkataster oder Rückbau- immer weniger Bürger sowie die ruinö- gebote hingewiesen. se kommunale Konkurrenz um Ansied- lungen von Unternehmen machen deut- Mit dem Fortschrittsbericht zur Strate- lich, dass die bisherige Politik der Flä- gie 2004 wurde das Thema zu einem der chennutzung auch für die Kommunen Schwerpunktthemen nachhaltiger Ent- nicht zukunftsfähig ist. Auch Kommu- wicklung der Bundesregierung. Diese nen beginnen deshalb, die Probleme der Aufwertung wurde mit einer umfassen- Flächeninanspruchnahme anzugehen. den Zustands- und Trenddarstellung ver- bunden. Die Probleme und Verursacher Auch in Kommunen in prosperierenden wurden benannt und erste Fortschritte Regionen mit steigendem Flächenbedarf im Instrumentenbereich dargestellt: Die - insbesondere im Süden und Südwes- Novelle des Baugesetzbuchs, des Bun- ten Deutschlands - spüren angesichts desnaturschutzgesetzes und des Bo- schrumpfender Flächenreserven Hand- denschutzgesetzes sind Beispiele für lungsdruck, um kommunale Entwick- Fortschritte im Planungsrecht, die Re- lungspotenziale auch für die Zukunft zu duzierung der Entfernungspauschale und erhalten. Konkrete Aktivitäten der Kom- der Eigenheimzulage, sowie Förder- munen nehmen zu. Eine vorsichtigere programme von Bund und Ländern.
28 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Mit dem „Wegweiser Nachhaltigkeit“, der werden. Beispiel kommunaler Finanz- im August 2005 erschienen ist, ist Sied- ausgleich: Heute stehen die Kommunen lungsentwicklung unter den spezifi- bei ihren Entscheidungen über die Nut- schen Aspekten des demografischen zung von Flächen vor der Wahl zwischen Wandels betrachtet worden. Es wurde der ertraglosen Vorhaltung von Freiflä- gleichzeitig darauf hingewiesen, dass chen und einer zumindest potenziell fis- für das Schwerpunktthema „Verminde- kalisch ergiebigen Ausweisung von Bau- rung der Flächenneuinanspruchnahme“ land. Die Mittelzuweisung auf der Basis der Fortschrittsbericht 2004 die Basis pauschalierter Bedarfsindikatoren für der weiteren Arbeit ist. Auf dieser Grund- laufende Aufwendungen im kommuna- lage muss jetzt die Entwicklung und len Finanzausgleich setzt keine Anrei- Umsetzung von konkreten Instrumenten ze für eine nachhaltige, auf die Innen- erfolgen. entwicklung und die Wiedernutzung der Brachflächen gerichtete Flächennut- Instrumente weiterentwickeln und zung. Ökologische Leistungen, wie z.B. schrittweise einführen der Erhalt von Freiflächen, die Vorhal- tung von Retentionsflächen in hochwas- Deutschland verfügt über eine Vielzahl sergefährdeten Gebieten oder die Bereit- von Instrumenten des Raumordnungs- stellung von Erholungsräumen, sind und Planungsrechts. Hier muss es dar- Leistungen für die Gesellschaft. Sie soll- um gehen, der Verminderung der Flä- ten honoriert werden. chenneuinanspruchnahme im Vollzug und in Abwägungsprozessen ein größe- Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt ist res Gewicht zu geben. die Grundsteuer. Hier besteht ohnehin der Auftrag einer Reform, die sich nicht Vor allem ökonomische Instrumente, wie nur auf die Gleichstellung der Besteue- Steuern, Abgaben oder Transferzahlun- rung von Kapital- und Grundbesitz be- gen, sollten eine stärkere Bedeutung als schränken sollte, sondern auch Anrei- bislang bekommen. Die vorhandenen ze für eine Verringerung der Flächenneu- und in Fachkreisen und der Politik seit inanspruchnahme schaffen kann. Hier längerem diskutierten Optionen müssen sind unterschiedliche Modelle in der Dis- zu konkreten und umsetzbaren Vor- kussion. Neben dem Reformvorschlag schlägen weiterentwickelt werden. In den von Bayern und Rheinland-Pfalz, der im Bereich der ökonomischen Anreize ge- Auftrag der Finanzminister von Bund und hört auch die Beseitigung ungerechtfer- Länder vorgelegt wurde, und der die Er- tigter Subventionen, die zu übermäßi- mittlung der neuen Grundstückswerte ger Flächenneuinanspruchnahme führen, nach dem Bodenwert (bei bebauten wie z. B. die Eigenheimzulage. Sie ist Grundstücken ergänzt um einen pau- wohnungspolitisch überlebt, ökologisch schalen Gebäudewert) vorsieht, gibt es kontraproduktiv und auch unter haus- weitere Vorschläge mit unterschiedli- haltspolitischen Aspekten nicht mehr chen Bemessungsgrundlagen: Boden- vertretbar. wertsteuer, Bodenflächensteuer, kombi- nierte Bodenwert-Bodenflächensteuer, Daneben müssen mit der Ausgestaltung Flächennutzungssteuer. Diese Vor- weiterer ökonomischer Instrumente kon- schläge werden derzeit auf ihre Wirkun- krete Anreize für sparsamen und scho- gen hin umfassend untersucht. Dabei nenden Umgang mit Fläche geschaffen haben auch Aufkommensaspekte und
29 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Verwaltungsaufwand einen wichtigen Die Berücksichtigung der Flächenneu- Stellenwert. inanspruchnahme bei bestehenden In- strumenten sollte zunächst Priorität ha- Interessant ist ein Vorschlag, der vom ben. Weitere Instrumente, wie handel- Rat für Nachhaltige Entwicklung aufge- bare Flächenausweisungszertifikate, griffen worden ist, die Neuerschließungs- müssen gleichwohl parallel weiter ent- abgabe. Mit ihr soll die Erschließung wickelt werden. Über deren Anwendung neuer Bauflächen im unbebauten muss dann im Lichte der Analyse der Außenbereich verteuert werden. Diese weiteren Entwicklung der Flächenneu- Effekte werden momentan in einem inanspruchnahme entschieden werden. F&E-Vorhaben untersucht. Eine gesellschaftliche Akzeptanz für neue Vorschläge wird es vor allem dann Ein weiterer Ansatz ist die stärkere Be- geben, wenn ökologische, wirtschaftli- rücksichtigung der Flächenneuinan- che und soziale Ziele gemeinsam er- spruchnahme bei der Ausreichung von reicht werden. Deshalb müssen bei der Fördermitteln, z.B. aus den Gemein- Auswahl und konkreten Ausgestaltung schaftsaufgaben „Regionale Wirt- der Instrumente mögliche Ausweichre- schaftsstruktur“ und „Verbesserung der aktionen, soziale Wirkungen und wirt- Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. schaftliche und fiskalische Effekte Nach Berechnungen des UBA verur- gründlich analysiert und diskutiert wer- sachte allein die GA „Verbesserung der den. Dies muss gemeinsam zwischen regionalen Wirtschaftsstruktur“ etwa 2,7 Bund, den Ländern und den Kommunen ha der täglichen Neuinanspruchnahme geschehen. im Zeitraum 1998 - 2002. Hier sind zwar Fortschritte erreicht worden, eine noch Nächste Schritte stärkere Lenkung der Mittel in den Be- stand und auf Brachen und Altstandorte Schwerpunkte der weiteren Arbeit des ist aber möglich. Vorstellbar ist auch, BMU sind die Weiterentwicklung unter- die Mittelzuweisung zur Entwicklung von schiedlicher Instrumente zur Anwen- Flächen für Wohnen und Gewerbe an dungsreife, die Verbesserung der Ana- Bedingungen zu knüpfen, z.B. an eine lyse der Flächennutzung und ihrer Aus- interkommunale Zusammenarbeit oder wirkungen und Untersuchungen zu den kommunale Brachflächenkataster. tatsächlichen Kosten der Flächennut- zung, insbesondere unter Berücksichti- Um das erhebliche Potenzial der Alt- gung des Strukturwandels. Gerade von und Brachenstandorte stärker zu akti- einer umfassenderen Betrachtung von vieren, sollten neben einer allgemeinen Kosten und Nutzen können auch wich- Orientierung der Instrumente auf den tige Impulse für das Flächenrecycling Bestand und den Innenbereich anstatt und die Aktivierung von Brachflächen der Neuerschließung auf der grünen ausgehen. Hierzu läuft bereits eine Rei- Wiese auch spezifische Instrumente zur he von F&E-Vorhaben. Aktivierung von Alt- und Brachflächen eingesetzt werden. Stichworte sind Neben der Ressortforschung sind Brachflächenkataster, Flächenpass, insbesondere aus den Forschungsvor- Start-Up-Plan, Versicherungslösungen, haben im BMBF-Förderschwerpunkt Fondsmodelle, Pilotvorhaben, Zwischen- REFINA wichtige Ergebnisse zu erwar- nutzungen.
30 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen ten, die dann in den Arbeits- und Dis- Die Verminderung der Neuinanspruch- kussionsprozess eingebracht werden. nahme von Flächen für Siedlungen und Verkehr ist ein zentraler Beitrag zur Si- Intensivierung der Öffentlichkeitsar- cherung der Zukunftsfähigkeit unseres beit und Bewusstseinsbildung Landes. Wir müssen heute die Weichen stellen, um eine sozial, wirtschaftlich und Wichtige Voraussetzung für eine Ver- ökologisch zukunftsfähige Flächennut- minderung der Flächenneuinanspruch- zung sicherzustellen. Die Verminderung nahme ist ein stärkeres gesellschaftli- der täglichen Neuinanspruchnahme von ches Problembewusstsein. Nur wenn Flächen für Siedlung und Verkehr auf 30 dieses Bewusstsein vorhanden ist, wird ha bis zum Jahr 2020 ist Maßstab für es gelingen, Akzeptanz für die erforder- die Arbeit. Um dieses Ziel zu erreichen, lichen Maßnahmen zu erhalten. Wir in- sind konkrete Instrumente erforderlich. tensivieren deshalb die Zusammenarbeit mit den Umweltverbänden, den kommu- Wir brauchen aber vor allem einen Wan- nalen Spitzenverbänden und den Län- del des Bewusstseins. Allen Handeln- dern. So unterstützt das BMU einen Di- den muss klar werden, dass eine die alogprozess zur Erarbeitung eines ge- Zersiedelung begünstigende Flächenpo- meinsamen Positionspapiers der Um- litik nicht nur ökologisch falsch ist, son- welt- und Naturschutzverbände zum The- dern dass sie angesichts der demogra- ma Flächeninanspruchnahme. Daneben fischen Entwicklung in Deutschland unterstützen wir die Verbände bei der auch die wirtschaftliche und soziale Leis- Erarbeitung einer Broschüre für die kom- tungsfähigkeit beeinträchtigt. Der Bund munale Arbeit. Wir haben einen Dialog- wird bei der Arbeit in allen Politikberei- prozess mit den kommunalen Spitzen- chen der Verminderung der Flächenneu- verbänden begonnen und planen, den inanspruchnahme einen hohen Stellen- Austausch mit den Umweltministerien wert einräumen. der Länder zu intensivieren.
Künftig müssen die ökologischen, wirt- schaftlichen und sozialen Auswirkungen der zunehmenden Flächenneuinan- spruchnahme stärker unmittelbar für die Bürger deutlich gemacht werden. Z.B. die Öffentlichkeitskampagne „Living 2010“ des NABU setzt, gefördert vom UBA, verstärkt auf die Information der Bürger über diese Themen. Weitere in- teressante Vorschläge für konkrete Maß- nahmen zur Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit erwarten wir im BMBF-Förderschwerpunkt REFINA. Das BMU selbst entwickelt beispiels- weise derzeit Unterrichtshilfen für die Schule zum Thema Flächenversiegelung und Zerschneidung.
31 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
1.5 Perspektive Flächenkreislaufwirtschaft: Trends und Initiativen auf Bundesebene
Fabian Dosch
Einleitung Sinkende Siedlungsdichten und ab- nehmende Flächenproduktivitäten Im Vergleich zu den 90er Jahren ist die Bautätigkeit seit Jahren stark rückläu- Trotz leicht abnehmender Bevölkerung fig. In geringerem Ausmaß sank die Flä- nahm die Siedlungs- und Verkehrsflä- cheninanspruchnahme. Parallel dazu che (SuV) zwischen 01.01.2001 und wächst der Bestand an Brachflächen, 31.12.2004 insgesamt um 1.682 km², von denen sich viele nicht mehr vermark- 3,8 % oder 115 ha/Tag zu. Die Flächen- ten lassen. Der demographische und inanspruchnahme hat sich damit ge- wirtschaftsstrukturelle Wandel erfordert genüber dem Zeitraum 1997 bis 2000 mit daher neue proaktive Strategien eines 129 ha/Tag verlangsamt. Die Zunahme ressortübergreifenden Flächenressour- der Gebäude- und Freifläche, der gebäu- cenmanagements, wie sie auf dem debauliche Teil der Siedlungs- und Ver- 1.Workshop zur Umsetzung des Dialogs kehrsfläche, sank deutlich von 78 (1997 Fläche „MehrWert für Mensch und Stadt: - 2000) auf 59 ha/Tag (2001 - 2004). Flächenrecycling in Stadtumbauregi- onen“ im Rahmen des Nachhaltig- keitsziels „Verminderung der Flächen- inanspruchnahme“ diskutiert wurden. Diese Veranstaltung war Teil der viel- fältigen Initiativen auf Bundesebene, die dazu dienten, den in der Nach- haltigkeitsstrategie formulierten Flä- chenzielen - sparsam-schonend-ver- ursachergerecht - zur Realisierung zu verhelfen.
Im Beitrag werden - vor dem Hinter- grund aktueller Trends der Flächen- inanspruchnahme und sinkender Flä- chenproduktivitäten - die unterschiedli- Abbildung 1: Neue Siedlungsflächen westlich von Berlin chen Initiativen des Bundes zur Durch- setzung seiner Flächenziele skizziert. Trotz des Rückgangs stieg gleichzeitig Sie reichen vom „Dialog Fläche“ bis hin zwischen 2000 und 2004 die Siedlungs- zu einer breiten Palette von praxisorien- flächenverfügbarkeit (m² SuV je tierten Forschungsvorhaben. Einw.) um 3,5 % auf 553 m²/Ew. (vgl. Tab.1), in Ostdeutschland mit 8 % deut- lich stärker als in Westdeutschland. Immer mehr Siedlungsfläche steht we- niger Einwohnern zur Verfügung. Die in-
32 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen dividuellen Kosten für den Ausbau und Bei diesen bundesweiten Betrachtungen die Pflege von Siedlungsinfrastruktur bei werden die regionalen Besonderhei- zurückgehender Nutzungsintensität dro- ten wie etwa die Parallelität von Sub- hen weiter zu steigen. Die Produktion wie Re-Urbanisierung ausgeblendet (vgl. öffentlicher und privater Netzinfrastruk- Schultz et al. 2005). So steigen Sied- tur ist bei Schrumpfung teurer als bei lungsdichten und Flächenproduktivitäten verdichteter Entwicklung. Empirische in einigen Metropolräumen an, während Analysen weisen auf die ökonomischen periphere Regionen z. T. drastische Risiken einer dispersen Siedlungsent- Rückgänge erfahren. wicklung unter demographischen Schrumpfungsbedingungen hin. Auch künftig werden die Siedlungsdich- ten sinken und neue Fläche wird weiter Die Flächenproduktivität sank im Bun- in Anspruch genommen, wenn auch desmittel 2000 - 2004 um 1,3 %, im gegenüber Mitte der 90er Jahre auf deut- Osten mit -2,5 % deutlich stärker als lich vermindertem Niveau und regional im Westen (vgl. Tab.1). Auch langfris- unterschiedlich. Als wesentliche Ursa- tig, zwischen 1992 und 2004, sank die chen hierfür werden, neben einer bau- Flächenproduktivität bundesweit leicht konjunkturellen Erholung, steigende in- um - 0,2 %. Die Effizienz der Flächen- dividuelle Wohnflächen und sinkende nutzung hat abgenommen. Haushaltsgrößen angeführt.
Einheit West Ost Bund
SuV/Einw. in 1992 m² je Einw. 498 497 498 SuV/Einw. in 2000 m² je Einw. 522 580 534 SuV/Einw. in 2004 m² je Einw. 534 626 553 2004 zu 1992 % + 7,3 + 25,9 + 11,1 2004 zu 2000 % + 2,3 + 8,0 + 3,5 BIP/GFF 1992 Mio. EUR je km² 94,6 49,1 84,4 BIP/GFF 2000 Mio. EUR je km² 94,1 55,6 85,3 BIP/GFF 2004 Mio. EUR je km² 93,1 54,2 84,2 2004 zu 1992 % - 1,6 % + 10,4 % -0,2 % 2004 zu 2000 % - 1,1 % -2,5 % -1,3 %
Tabelle 1: Entwicklung der Flächenausstattung Brachflächen – Potenziale für pro- und Flächenproduktivität nach Landesteilen 1992 - 2004 und 2000 - 2004 aktives Flächenmanagement
(Quelle: eigene Berechnungen nach Die Zunahme der Siedlungsfläche sowie Flächenerhebung (a.a.0) und Daten der der Rückgang der Siedlungsdichte und Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des der Flächenproduktivität würden merk- Statistischen Bundesamtes.) lich abgeschwächt, wenn
33 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen die Reserven im Bestand konsequent brachliegender Flächen auch deshalb abgebaut werden könnten. Dies kann nur an marktgängigen Standorten gut durch so genanntes proaktives Flä- voran. Außerhalb zentraler Lagen sinkt chenmanagement, d. h. etwa durch der Marktdruck zur Wiedernutzung von präventive Nachnutzungskonzepte, Ge- Brachflächen. „Liegenlassen“ ist man- bäudemanagement, das Schließen von gels Alternativen oft die Devise. Baulücken, die Mobilisierung von Bau- landpotenzialen, oder die (frühzeitige) Wiedernutzung von Brachflächen erfol-
gen. Die Potenziale hierzu sind bun- Abbildung 2 Randstädtische Brachflächen Ost (Fotos: DOSCH, F. 2003; RUFF, A. 2004) desweit beträchtlich, je nach Erhe- bungsmethode ca. 70.000 bis 140.000 Zum Abbau des Überangebots an Brach- ha. Diese sind regional ungleich verteilt, flächen sowie von Planungsreserven rei- in Ostdeutschland 3 - 4 mal größer als chen neue Kooperations- und Vermark- in Westdeutschland (BBR 2004). Hinzu tungsstrategien alleine nicht aus. Für kommt ein geschätzter Zuwachs – nach einen großen Teil der Brachflächen lau- Abzug der Wiedernutzung von Brachflä- ten die Perspektiven Liegenlassen, Kon- chen – von 12 ha/Tag. Modellrechnun- servieren, Zwischennutzen oder Rena- gen des BBR verdeutlichen, dass die bei turieren. Umsetzung des Ziels-30-ha der Natio- nalen Nachhaltigkeitsstrategie eintreten- Initiativen auf Bundesebene de „politische“ Verknappung des Ange- botes durch eine verstärkte Wiedernut- Der Koalitionsvertrag der Bundesregie- zung - Mobilisierung der baureifen Bra- rung (November 2005) bekräftigt die Zie- chen vorausgesetzt - zumindest mittel- le „Verminderung der Flächeninan- fristig bis 2010 weitgehend ausgeglichen spruchnahme“ und „ Wiedernutzung von werden könnte. Stadtbrachen“ und fordert die Entwick- lung finanzieller Anreizinstrumente für Parallel bestehen enorme Reserven im ein Flächenressourcenmanagement. Er Gewerbeflächenbestand (Glaser et al. bestätigt damit den Leitgedanken des 2005). Gewiss kommt das Recycling Fortschrittsberichts 2004 zur Nationalen
34 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Nachhaltigkeitsstrategie „Verminderung tebauliche Erneuerung“. Die Kooperati- der Flächeninanspruchnahme durch ver- on dreier Bundesministerien und damit stärkte Innenentwicklung“ (vgl. Kapitel assoziierter Einrichtungen verdeutlicht 1.1 i. d. B). die „Querschnittsaufgabe“ Flächenrecy- cling. Diese Veranstaltungsreihe ist ein- Im Fortschrittsbericht 2004 zur Natio- gebettet in weitere, Forschungsaktivitä- nalen Nachhaltigkeitsstrategie wur- ten des Bundes, sie seien hier kurso- den erste wichtige Schritte dokumentiert: risch geschildert: die Novelle des Baugesetzbuchs, die Reduzierung von Eigenheimzulage (seit Eine Bestandsaufnahme aus dem Jah- 1.1.2006 aufgehoben) und Entfernungs- re 2005 zu den Forschungsaktivitäten pauschale, die Bedeutung von Förder- der verschiedenen Bundesressorts programmen sowie von Steuerungsopti- zeigt, dass der Flächenhaushaltspolitik onen insbesondere für die Nutzung öko- mehrere Programmschwerpunkte ver- nomischer Instrumente (vgl. ebda., BBR schiedener Ressorts gewidmet sind. Die 2005b). Weitere Schwerpunkte sind die Bandbreite der thematischen Schwer- Förderung urbaner, familien- und alten- punkte ergibt sich aus den unterschied- gerechter innerstädtischer Wohnformen lichen Zugängen der jeweiligen Ressorts und deren Infrastruktur, eine wirtschaft- und föderalen Ebene (vgl. Kapitel 1, und liche Infrastrukturauslastung, das Brach- 2.1 i. d. B.).Neben dem Flächenrecyc- flächenrecycling, eine effiziente Regio- ling, auch auf transnationaler Ebene nalplanung für das Flächenmanagement, zählen dazu u. a. naturschutzpolitische und die Stärkung einer flächeneffizien- Instrumente und Bewertungsmodelle, ten Entwicklung durch die Städtebau- Klassifikationssysteme, Modellvorhaben förderung. zum regionalen Flächenmanagement, Instrumentenanalysen oder mobilitäts- Mit der Fortsetzung des vom Nachhal- bezogene Optimierungskonzepte für tigkeitsrat initiierten „Dialogs Fläche“ Siedlungsstrukturen. soll die sektorübergreifende Zusammen- arbeit der Bundesressorts zur Flächen- Einen besonderen Stellenwert nimmt im haushaltspolitik weiter vorangetrieben Förderprogramm „Forschung für die und stärker in die Fachöffentlichkeit ge- nachhaltige Entwicklung“ die spezifische tragen werden. Geplant sind drei weite- Fördermaßnahme „Reduzierung der Flä- re Veranstaltungen zu flächenpolitischen cheninanspruchnahme“ (REFINA) ein Schlüsselthemen „Kosten der Flächen- (vgl. Kapitel 1.2 und 4.1.7 i. d. B.). Die nutzung vor dem Hintergrund der demo- Arbeiten bei REFINA sind mit der Res- graphischen Entwicklung in Deutsch- sortforschung unterschiedlicher Minis- land“, „Flächensparen als Strategie zum terien vernetzt. Sie zielen u. a. auf die Ressourcenschutz“ und „Fläche im Wiedernutzbarmachung von Brachflä- Kreis – Flächen in Funktion“. Den Auf- chen, auf die Verbesserung des takt dieser Veranstaltungsreihe bildete Flächenmonitorings und die Weiterent- der in dem vorliegenden Fachbuch do- wicklung konkreter Bewertungsinstru- kumentierte Workshop „MehrWert für mente sowie auf die Erprobung modell- Mensch und Stadt: Flächenrecycling hafter Maßnahmen in ausgewählten in Stadtumbauregionen. Strategien, Regionen ab. Erste Projekte starteten innovative Instrumente und Perspektiven in 2005. für das Flächenrecycling und die städ-
35 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Das BBR führt im Auftrag des BMVBS gerechten Infrastruktureinrichtungen Forschungsvorhaben neben der allgemei- untersucht. Im Programm nen Ressortforschung in den Program- „Stadtumbau West“ zielen Pilot- men Modellvorhaben der Raumordnung projekte in westdeutschen Regionen (MORO), „Aufbau Ost“ und dem Experi- auf Lösungen für den wirtschafts- mentellen Wohnungs- und Städtebau strukturellen Wandel und für negat- durch: ive demographische Entwicklungen.
¾ In der Allgemeinen Ressortfor- Ein laufendes Forschungsprojekt des schung wurden u.a. Aktivierungs- BBR im Rahmen des ExWoSt sei hier strategien für Brachflächen unter besonders hervorgehoben: Bei „Fläche sucht. Weiterhin steht die im Kreis – Kreislaufwirtschaft in der Erarbeitung eines differenzierten städtischen/stadtregionalen Flächennut- Indikatorensystems zur Erfassung zung“ werden umsetzungsorientierte der quantitativen und qualitativen Erkenntnisse zur Erreichung einer städ- Aspekte der Flächeninanspruch- tischen bzw. stadtregionalen Flächen- nahme vor dem Abschluss. Damit kreislaufwirtschaft erarbeitet und derzeit soll dauerhaft ein repräsentatives, in Planspielen erprobt (vgl. Kapitel 1.4 preiswertes und aussagekräftiges i. d. B., BBR 2005c, Jakubowski et al. Flächenmonitoring möglich wer- 2005). „Kreislaufwirtschaft in der Flä- den. chennutzung“ steht allgemein für eine Flächenpolitik in einer (Stadt) Region, ¾ Im MORO Schwerpunkt „Nach- die vorrangig und systematisch die Aus- haltige Siedlungsentwicklung“ schöpfung von Potenzialen im Bestand werden derzeit 7 Projekte zu Stra- und die Wiedernutzung von Brachflä- tegien, Konzepten und Instrumenten chen verfolgt. Der auf einzelne Flächen der räumlichen Planung für eine wie auch die Stadtregion bezogene nach-haltige, d. h. flächensparende Kreislaufgedanke greift die Vorstellung Siedlungsentwicklung durchgeführt. eines Nutzungszyklus beginnend bei der Baulandbereitstellung über Bebauung, ¾ Die Modellvorhaben des Aufbaus Nutzung und Brachfallen bis hin zur Ost suchen in regional spezifichen Wiedernutzung auf. Zu erwartende Ef- Projekten u.a. Lösungen zum Flä- fekte einer Flächenkreislaufwirtschaft chenmanagement und Flächenre- sind u. a. eine erhöhte Effizienz der Flä- cycling. Jüngstes Ergebnis sind drei chennutzung, eine Stabilisierung der Einzelgutachten zum „Flächenrecyc- Siedlungsdichte im stadtregionalen Kon- ling in suburbanen Räumen“ (Gute text, ein verbessertes Angebot und die Beispiele, Finanzierungsmöglichkei- Verhinderung von Fehlinvestitionen in ten, Handlungshilfen) (BBR 2005a). überdimensionierte Siedlungsinfrastruk- turen. ¾ In Vorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus (ExWoSt) wie „Stadtquartiere im Umbruch“ werden städtebauliche Entwicklungskonzepte und quar- tierbezogene Maßnahmen zum Rückbau von nicht mehr bedarfs-
36 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Der stadtregionale und sektorübergrei- www.flaeche-im-kreis.de fende Ansatz der Flächenkreislaufwirt- schaft ist vom Grundsatz her in der Lage, www.bbr.bund.de/raumordnung/ die drei im Flächenkontext genannten siedlung/siedlung.htm Zielkategorien des Bundes „sparsam- schonend-verursachergerecht“ zu errei- www.bbr.bund.de/aufbau-ost/ chen. standortentwicklung- standort_index.html Literaturhinweise
BBR (2004): Bauland- und Immobilien- märkte. Ausgabe 2004. Bonn.
BBR (Hrsg.) (2005a): Flächenrecycling in suburbanen Räumen: 3 Expertisen - Fallstudien, Finanzierungsmöglichkei- ten und Leitfaden, Akteursorientierte Handlungsstrategien und Arbeitshilfen; Bonn.
BBR (2005b): Mengensteuerung der Siedlungsflächenentwicklung durch Plan und Zertifikat, Informationen zur Raum- entwicklung, Heft 4/5.2005, Bonn.
BBR (2005c): Fläche im Kreis – Vor dem Start der Planspiele. ExWoSt-Informa- tionen 25/2, Bonn.
Dosch, F., Bergmann, E., Jakubowski, P. (2005): Flächenkreislaufwirtschaft als Vision einer nachhaltigen Flächennut- zung. UmweltWirtschaftsForum, 13. Jg., H. 2, Juni 2005, S.4-11.
Glaser, J., Bonny, H-W., Krause, K.-U., Bunde, J. (2005): Wettbewerbsfähigkeit des regionalen Gewerbeflächenpotenzi- als in Ostdeutschland. Unveröff. Bericht im Auftrag des BBR 2005.
Schultz, B. und Dosch, F. (2005): Ur- ban sprawl – Strategien und Instrumen- te einer nachhaltigen Flächenhaus- haltspolitik. Themenheft DISP 160, Netz- werk Stadt und Landschaft NSL, Eidge- nössische Technische Hochschule ETH (Hrsg.), Zürich/Schweiz 2005
37 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
1.6 Fazit Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Die Darstellung der Rahmenbedingungen weile auch Auswirkungen auf die Flä- zeigt, dass es in der augenblicklichen cheninanspruchnahme: In Kommunen Situation derzeit zwar einen Rückgang werden die mit einer Ausdehnung der der Flächeninanspruchnahme gibt, man Infrastruktur bei der Neuinanspruchnah- aber noch deutlich vom Ziel 30 ha/Tag me von Fläche entstehenden Kosten zu entfernt ist. Inwieweit bei einer anziehen- einem Problem. Kommt es darüber hin- den Konjunktur die Flächeninanspruch- aus zu einem Rückgang der Bevölke- nahme wieder steigen wird, ist noch rung und der Freisetzung von Flächen, nicht abzusehen. so müssen die bestehenden Infrastruk- turkosten von immer weniger Einwoh- Es hat den Anschein, dass das Problem nern getragen werden. Diese Tendenz der Flächeninanspruchnahme bisher wird sich als Folge der demographischen noch nicht in der breiten Öffentlichkeit Entwicklung in den kommenden Jahren den Stellenwert gefunden hat, der dem noch weiter verstärken. Thema aufgrund seiner Bedeutung und der damit verbundenen zukünftigen Kon- Konzepte und Ideen, wie die Flächenin- sequenzen eigentlich zukommen müss- anspruchnahme weiter vermindert wer- te: Der Flächenverbrauch führt zu einer den kann, sind mittlerweile in einer gro- Zerstörung von Natur-, Kultur- und da- ßen Anzahl publiziert. Der Rat für Nach- mit Erholungslandschaften. Es gehen haltige Entwicklung hat in seiner Emp- unwiderruflich fruchtbare Böden verloren, fehlung zur Reduzierung der Flächenin- die Grundwasserneubildungsrate nimmt anspruchnahme eine ganze Reihe von ab. Darüber hinaus verändern ländliche Hinweisen aufgezeigt. Grundsätzlich Gemeinden und Kleinstädte durch neue muss aber auch festgestellt werden, Baugebiete ihr Erscheinungsbild. Zu- dass es bereits eine Vielzahl von Instru- künftigen Generationen werden Entwick- menten im Raumordnungs- und Pla- lungsoptionen genommen. Diese Ent- nungsrecht gibt, die bei einer konse- wicklung und die damit zusammenhän- quenten Anwendung zu einer Redukti- gende Problematik wird bisher von der on der Flächeninanspruchnahme beitra- breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenom- gen würden. men. Im Gegensatz dazu nimmt das Empfinden von Brachflächen einen an- Zukünftig wird man die Rahmenbedin- deren Stellenwert ein. Meist verursachen gungen im Kontext der Flächennutzung Brachen als „Schandfleck“ ein schlech- dahingehend verändern, dass die öko- tes Image der betroffenen Quartiere. Es nomischen Instrumente ein stärkeres ist hier eine deutlich verbesserte Öffent- Gewicht bekommen werden. Bereits lichkeitsarbeit erforderlich, um das Pro- aktuelle Beispiele sind u. a. der Wegfall blembewusstsein zu erhöhen. der Eigenheimzulage, die Änderungen bei der Entfernungspauschale oder die Die existierenden finanziellen Engpäs- zu erfolgende Überarbeitung der Grund- se der öffentlichen Hand zeigen mittler- steuer. Neue Finanzierungsmodelle sind
38 Rahmenbedingungen zum Flächenrecycling in Stadtumbauregionen in der Entwicklung, die steuernd Einfluss Dies ist der Schritt hin zu einem kom- auf die Flächeninanspruchnahme neh- munalen Flächenmanagement, das da- men sollen. Dadurch werden sich die mit über das alleinige Recycling von Randbedingungen in ökonomischer Hin- Brachflächen hinausgeht. Allerdings sicht verändern. Darüber hinaus ist vor- wird es zunehmend wichtiger werden, gesehen, bestehende, aber auch neue die lokale und kommunale Sichtweise Förderprogramme für Strukturmaßnah- zu verlassen und über eine enge Abstim- men stärker zu überprüfen, inwieweit sie mung zwischen den Gemeinden zu ei- einen Beitrag zum Flächenverbrauch nem regionalen Flächenmanagement zu leisten. kommen, das in eine Flächenhaushalts- politik münden sollte. Diese interkom- Die neuen Konzepte und Ideen werden munale Abstimmung sollte zu einem z. T. in Form von Modellvorhaben bereits möglichst frühen Zeitpunkt erfolgen, be- getestet. Dadurch werden die Bedingun- vor aufgrund von äußeren, stark verän- gen für die Praxis verbessert und funkti- derten Randbedingungen (keine verfüg- onierende bzw. überprüfte Konzepte zur baren Flächenressourcen), eine Zusam- Verfügung gestellt. Die Ressortfor- menarbeit zwingend erforderlich wird. schung und das BMBF-Forschungspro- gramm REFINA zur Reduzierung der Aber auch bei einer Flächenkreislaufwirt- Flächeninanspruchnahme tragen dazu schaft wird es sich in einigen Fällen bei, Forschungsdefizite auszuräumen nicht vermeiden lassen, dass Flächen und praxisrelevante Maßnahmen zu för- auf der grünen Wiese In-Anspruch ge- dern. nommen werden müssen.
Ein wesentlicher und grundlegender Bei Aktivitäten zum Flächenmanage- Schritt zur Verminderung einer weiteren ment sind oder werden zunehmend auch Flächeninanspruchnahme ist sicherlich immer stärker private Akteure gefragt. die Aufwertung der Innenstädte. Wenn Dabei ist für die Immobilienwirtschaft Städte eine hohe Attraktivität mit leben- einerseits die Lage der Fläche entschei- digen und durchgrünten Stadtvierteln dend. Andererseits, ob ein Grundstück besitzen, können sie ohne Probleme mit im Hinblick auf Altlasten gut erkundet Stadtrandlagen konkurrieren. Ein attrak- ist. tives Umfeld kann die Menschen wieder in die Stadt locken. Hierbei ist der Stadt- Es wird zukünftig in vielen Regionen in umbau sicherlich ein langwieriger Pro- Deutschland immer schwieriger werden, zess. Dabei muss sich der Stadtumbau bei einer abnehmenden Bevölkerungs- bzw. die Flächenpolitik stärker am Re- zahl, eine passende Nutzung für eine cyclinggedanken – vergleichbar der In- Fläche zu finden. Daher müssen auch dustrie - orientieren, wie er als Flächen- alternative Lösungswege gegangen wer- kreislaufwirtschaft beim Projekt „Fläche den. Zwischennutzungen sind für solche im Kreis“ getestet wird. Der Kreislauf darf Flächen eine Option. Diese sollten sich dabei nicht nur auf die Brachflächen allerdings keine Notlösungen darstellen. beschränken, sondern es ist eine um- fassende Berücksichtigung aller inner- Bei den sich abzeichnenden Entwick- örtlichen Flächenpotenziale erforderlich. lungen wird es zukünftig verstärkt not- Dazu müssen z. B. auch untergenutzte wendig werden, Flächen einer Renatu- Flächen und Baulücken gezählt werden. rierung zuzuführen und diese Nutzung
39 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen als Nachfolgemöglichkeit in Erwägung zu ziehen. Allerdings gibt es hierfür bisher noch keine konkrete Fördermittel.
Betrachtet man die Randbedingungen, so wird der Anteil der Brachflächen zu- nehmen, die Einwohnerzahlen werden zurückgehen. Um auf diese Entwicklung zu reagieren, werden neue Instrumente erarbeitet und rechtliche bzw. fiskalische Voraussetzungen geschaffen, um das Flächenrecycling bzw. die zukünftig grö- ßer werdenden Herausforderungen des Stadtumbaus anzugehen undinsbeson- dere auch eine Kostenwahrheit für die Revitalisierung von Brachflächen und die Neuinanspruchnahme auf der grünen Wiese zu schaffen.
40 2 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
2.1 Erfahrungen und Strategien einzelner Bundesländer beim Flächenrecycling 2.2 Kommunales Flächenmanagement 2.3 Planerische Aspekte beim Flächenrecycling in Stadtumbauregionen 2.4 Fazit
Die Ursachen für die Flächeninanspruchnahme und das Flächenrecycling als ein Lösungsansatz sind in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ausge- prägt. In den neuen Bundesländern herrschen vielerorts Schrumpfungsprozesse vor. Dennoch zeigt sich, dass gerade dort bei z. T. schrumpfender Bevölkerung weiterhin Flächen auf der grünen Wiese mit dem Wunsch einer zeitnahen Ansied- lung von Gewerbe und Industrie entwickelt werden. Im Gegensatz dazu sind die Entwicklungsmöglichkeiten im Außenbereich/Stadtrandbereich in manchen Regi- onen v.a. in den alten Bundesländern bei teilweise steigender Bevölkerungszahl infolge von Migrationsgewinnen und prosperierender Wirtschaft fast oder vollstän- dig erschöpft. Die einzige Möglichkeit und auch Notwendigkeit besteht hier oftmals nur in der Wiedernutzung von Flächen.
Neben den Aktivitäten in ausgewählten Bundesländern beim Flächenmanagement wird auch der Umgang mit Altlasten vorgestellt. An vier ausgewählten Beispielen werden die Erfahrungen auf kommunaler Seite mit dem Instrument des Kommuna- len Flächenmanagements verdeutlicht. Abschließend werden die planerischen Aspekte beim Umgang mit Brachflächen erörtert.
Thesen:
¾ Konjunkturelle und lagespezifische Unterschiede unter Berücksichtigung von Nachnutzungsoptionen erfordern einen differenzierteren Umgang mit dem The- ma Flächenverbrauch. Flächenmanagement führt mittel- und langfristig zu attraktiven Kommunen mit Standortvorteilen.
¾ Eine bevorzugte Förderung von Wachstumskernen birgt die Gefahr einer weite- ren Endindustriealisierung in peripheren Gegenden und der Entstehung neuer Brachflächen.
¾ Das Vorhandensein eines Kommunalen Flächenmanagements ist eine Grund- voraussetzung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme. Die Lebens- qualität erhöht sich durch eine nachhaltige Nutzung der vorhandenen Flächen in den Stadtregionen.
¾ Brachflächen sind im doppelten Sinne (für die Brachen und für Neubaugebiete) mit hohen Kosten für die Kommunen verbunden
41 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.1 Erfahrungen und Strategien einzelner Bundesländer beim Flächenrecycling
2.1.1. Strategien für Flächenrecycling unter verschiedensten Ausgangsbedin- in Stadtumbaugebieten - erste gungen zu unterstützen. Erfahrungen Da es sich bei Brachflächen oft um Alt- 2.1.2. Mit Fläche haushalten - ein lastenverdachtsflächen handelt, wird im Gebot nachhaltiger Entwicklung Zusammenhang mit Flächenentwicklung die Herangehensweise mit Hilfe des 2.1.3. Flächenmanagement in Baden- „Leistungsbuches Altlasten & Flächen- Württemberg und das Aktions- entwicklung“ in Nordrhein-Westfalen bündnis „Flächen gewinnen“ entwickelt.
2.1.4. Das Leistungsbuch Altlasten Es werden teilweise verschiedene Stra- und Flächenentwicklung tegien der Länder aufgezeigt, welche 2004 /2005 des LUA NRW immer unter dem Gesichtspunkt der Reaktivierung von un- bzw. untergenutz- 2.1.5 Kommunales Flächenmanage- ten Flächen stehen. ment und das „Bündnis zum Flächensparen“
Im Kapitel 3.1 werden innovative Strate- gien in den einzelnen Bundesländern beim Umgang mit Brachflächen vorge- stellt. Einleitend werden die Aktivitäten in den Freistaaten Sachsen und Thürin- gen beim Flächenrecycling bzw. Flä- chenmanagement dargelegt. Diese Bun- desländer haben u.a. eine Entwicklung von Standorten auf Basis eines Flächen- entwicklungskonzeptes bzw. die voll- ständige Erfassung von Brachen und die somit resultierende Flächenhaushaltspo- litik im Focus. Daneben wird der Um- gang mit Altlasten und der Flächenent- wicklung im Bundesland Baden- Württemberg sowie das Flächenres- sourcen-Management im Freistaat Bay- ern vorgestellt. Beide Bundesländer ha- ben erstmalig umfassende Arbeitshilfen auf Länderebene erstellt und angewandt, um so die Kommunen bei einer flächen- sparenden Siedlungsentwicklung auch
42 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
2.1.1 Strategien für Flächenrecycling in Stadtumbaugebieten - Erste Erfahrungen
Staatsminister Dr. Albrecht Buttolo
Einleitung ment auf der Grundlage eines Flächen- entwicklungskonzepts mit Chancen für Der Handlungsbedarf auf dem Gebiet die Bevölkerungsentwicklung durch Im- des Flächenrecyclings ist höher denn pulse in Bezug auf Wirtschaft, Infra- je, in Stadtumbauregionen herrscht ein struktur, Erholung und Tourismus. Ziel Flächenüberangebot, jedoch ist die ist dabei auch eine Verbesserung der Nachfrage vor allem nach innerstädti- Rahmenbedingungen hinsichtlich Um- schen Flächen gering. Insbesondere welt-, Natur- und Hochwasserschutz. den Kommunen als Flächeneigentü- merinnen stellt sich in diesem Zusam- Der Stadtumbau und die Brachflächen- menhang die Aufgabe der Beseitigung revitalisierung zielen deshalb beson- von erheblichen städtebaulichen Miss- ders auf die Wiedereingliederung der ständen, die von brachliegenden Grund- Brachen in den Nutzungszyklus und stücken ausgehen. Die Probleme lie- damit auf eine teilweise Umkehr der gen in den Brachflächen an sich be- Suburba-nisierung. Einige große leis- gründet. Im Freistaat Sachsen gibt es tungsfähige Kommunen, insbesondere ca. 18.000 ha Brachflächen insgesamt im westsächsischen Raum, haben be- und ca. 7.000 ha Brachflächen in inner- gonnen, Gewerbe- und Industriebra- städtischen Lagen. Häufig sind sie be- chen in einem Kataster zu erfassen, baut, teilweise ist die Gebäudesub- um diese Flächen dann unter intensiver stanz denkmalgeschützt, vor allem Zusammenarbeit zwischen Stadt, ehemals gewerblich genutzte Flächen Kommune, Eigentümern und privaten sind zu großen Teilen kontaminiert. Akteuren einer Entwicklung zuzufüh- ren. Erfassung der Brachflächen ist Zwischen 2001 und 2004 lag das Grundvoraussetzung für ein regionales Wachstum an Siedlungsflächen in Flächenmanagement. Beabsichtigt ist, Sachsen bei 5 ha/Tag bzw. 0,9 %, es mit dem Brachenkataster die Brachen wird aber eine Reduzierung um 25 % - anhand eines Mindestdatensatzes zu 30 % angestrebt. Um das Siedlungsflä- beschreiben und kartographisch darzu- chenwachstum zu reduzieren, kann auf stellen, sie dann mit immer aktuellen das vorhandene Flächenpotential der Daten in das Internet zu stellen, um po- Brachen zurückgegriffen werden mit tentiellen Investoren möglichst schnell dem positiven Effekt der Beseitigung die für sie am besten geeignete Ansied- städtebaulicher Störelemente. lungsfläche anbieten zu können.
Nachhaltige Stadtentwicklung Der Freistaat Sachsen sieht seine Hauptaufgabe darin, die Kommunen bei Grundvoraussetzung für eine nachhalti- der Aufbereitung brachliegender Flä- ge Stadtentwicklung, eine Steuerung chen zu unterstützen: des Stadtumbaus und der Entwicklung von Standorten ist ein Flächenmanage-
43 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
¾ Strategie: ganzheitlicher Ansatz brachliegende Grundstücke zweckent- mit dem Ziel der Stärkung ganzer sprechend neu gestaltet werden Quartiere/Stadtgebiete ¾ Bund-Länder-Programm „Stadtum- ¾ Grundsatz: Innenentwicklung vor bau Ost“, Programmteil Aufwertung Außenentwicklung durch Rückbau, Abriss- und Aufwer- Flächenrecycling ist ein Teilaspekt des tungsmaßnahmen erfolgt eine Stabili- ganzheitlichen Ansatzes, der mit unter- sierung von Quartieren; Verbesserung schiedlichen Förderansätzen sowohl des öffentlichen Wohnumfeldes; Schaf- mit den Bund-Länder-Programmen der fung von Grünbereichen Städtebaulichen Erneuerung als auch mit den EU-Programmen Städtische ¾ EFRE - Städtische Entwicklung Entwicklung verfolgt wird: nachhaltige Stadtentwicklung durch ein ¾ Bund-Länder-Programm „Städte- Maßnahmenbündel aus ökologischen, bauliche Sanierungs- und Entwick- ökonomischen und sozialen Einzelpro- lungsmaßnahmen“ jekten;
Sanierung und Entwicklung von Innen- konzentrierter Mitteleinsatz für die Ent- städten und Stadtteilzentren; wicklung der Gesamtstadt; Innenent- wicklung Beseitigung von städtebaulichen Män- geln und Missständen (u. a. brachlie- Zwei Programmteile: gende Grundstücke und Gebäude) a) Förderung der nachhaltigen Ent- ¾ Bund-Länder-Programm „Städte- wicklung eines benachteiligten baulicher Denkmalschutz“ Stadtgebiets
Förderung der Sanierung und Entwick- Im Vordergrund steht die wirtschaftli- lung der besonders wertvollen histori- che Entwicklung benachteiligter Stadt- schen Innenstädte des Freistaats; quartiere. Gefördert werden Stadtteile, deren Benachteiligung anhand von Kri- Modernisierung von Gebäuden und Ge- terien wie Arbeitslosigkeit, unzurei- staltung von Grünflächen; Abbrüche nur chendes Wohnumfeld, niedriges Ar- in geringem Umfang, da die Gebietsku- beitsplatzangebot, Bevölkerungsverlust lisse mehr auf den Erhalt historischer oder Segregationstendenzen darzu- Bausubstanz abzielt stellen ist.
¾ Bund-Länder-Programm „Soziale Ziele des Programmes sind: Stadt“ ¾ die Schaffung von Rahmenbedin- integrierter Entwicklungsansatz von be- gungen zur Stärkung der lokalen nachteiligten Quartieren und überfor- Ökonomie, wirtschaftlichem Wohl- derten Nachbarschaften – auch hier stand und Beschäftigung können brachliegende Gebäude gesi- chert oder modernisiert werden und ¾ die Verbesserung der baulichen Attraktivität des Wohnumfeldes
44 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
und der Freizeitinfrastruktur der die aufgrund der sozioökonomischen Stadtquartiere Veränderungen nach dem Jahr 1990 brach gefallen waren, wieder für eine ¾ die Stabilisierung der Bevölke- Nutzung vorzubereiten. Nach wie vor rungszahlen und -strukturen sowie besteht Bedarf, die Vielzahl der vor- handenen Brachflächen in den Innen- ¾ die Initiierung einer sich selbsttra- städten und Stadtrandgebieten zur De- genden Entwicklung ckung des Flächenbedarfs vorrangig zu berücksichtigen. Für die im Zuge b) Förderung der Revitalisierung von des Strukturwandels seit Beginn der innerstädtischen Brachflächen. 90er Jahre brach gefallenen Industrie- Es geht um die Revitalisierung inner- und Konversionsflächen fehlten den städtischer Brachflächen für ökono- Gemeinden bislang Finanzmittel, um misch tragfähige und stadtstrukturell gerade auch neue Erschließungen vor- sinnvolle Folgenutzungen mit dem Ziel: zunehmen und der konkurrierenden Nutzungen auf der grünen Wiese zu ¾ einer kommunalen und regionalen begegnen. Mit der Verwaltungsvor- Standortverbesserung und Stär- schrift über die Vorbereitung, Durch- kung des Wirtschaftsstandortes führung und Förderung von Strategien Stadt und Maßnahmen der städtischen Ent- wicklung und der Revitalisierung von ¾ der Sicherung und Schaffung von Brachflächen im Freistaat Sachsen Arbeitsplätzen auf sanierten Flä- (VwV-Stadtentwicklung), Programm- chen durch entsprechende Folge- teil Brachflächenrevitalisierung steht nutzungen im Freistaat Sachsen erstmals ein fle- xibles Finanzierungsinstrument für die ¾ positiver Auswirkungen auf die Um- Brachflächenrevitalisierung zur Verfü- weltsituation sowie gung.
¾ der Erhöhung der Attraktivität für Brachflächen i. S. d. VwV-Stadtent- Ansiedlung von Folgenutzungen wicklung: ehemals verkehrstechnisch, durch städtebauliche Neuordnun- industriell, gewerblich oder militärisch gen und Schaffung ökologischer genutzte Flächen, die aufgrund des und gestalterischer Qualitäten. strukturellen Wandels, der militäri- schen Abrüstung oder der Umgestal- Einordnung des Programms „Revi- tung von Stadtgebieten nicht mehr ge- talisierung von Brachflächen“ nutzt werden
Es gibt bereits Erfahrungen des Frei- Kommunen und private Eigentümer staats Sachsen im Bereich des Flä- bzw. Investoren sind gleichermaßen chenrecyclings aus der Durchführung gefordert, Ideen zu entwickeln und Pro- der Gemeinschaftsinitiativen KONVER, jekte in die Tat umzusetzen, um die RECHAR, RESIDER und RETEX. Vor Ziele des Programms zu erreichen: Beginn der jetzigen EU-Strukturfonds- periode trugen diese Instrumente u. a. ¾ eine Stärkung der Wirtschaft- dazu bei, vormals industriell, gewerb- standorte lich und militärisch genutzte Flächen,
45 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
¾ die Sicherung und Schaffung von Das Förderprogramm zur Stadtentwick- Arbeitsplätzen auf sanierten Flä- lung kann u. a. mit den Bund-Länder- chen durch die Ansiedlung ent- Programmen der Städtebaulichen Er- sprechender Folgenutzungen neuerung kumuliert werden, so dass sich der 25-prozentige Eigenanteil der ¾ Verbesserung der Umweltsituation Gemeinde im EFRE reduziert. In die- sem Zeitraum können insgesamt 59,3 ¾ den Flächenverbrauch zu reduzie- Mio. EUR bereitgestellt werden, dies ren, vorhandene Infrastrukturen zu entspricht einem Gesamtinvestitionsvo- nutzen und zu verbessern lumen von 79,1 Mio. EUR. ¾ Standortnachteile abzubauen und die Wohnqualität in den Gemein- den zu erhöhen.
1. Finanzdaten: (Stand 30.06.2005)
Gemeinden: 35 Maßnahmen: 44 Bewilligte EFRE-M ittel: 40,9 Mio. EUR Bewilligter Eigenanteil der Gemeinden: 17,2 Mio. EUR Ausgezahlte EFRE-Mittel: 23,8 Mio. EUR Verausgabte Eigenmittel der Gemeinden: 8,6 Mio. EUR
2. Realisierungsgrad: (Stand 31.12.2004)
Sanierte Fläche: ca. 63 ha Zahl der auf den Gewerbe- und Dienstleistungsflächen angesiedelten 29 Unternehmen: Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze: 198 Zahl der gesicherten Arbeitsplätze: 1.410
Um diese Ziele zu erreichen, werden Tabelle: Förderdaten Brachflächenprogramm aber auch Maßnahmen gefördert, die wirtschaftsfremde Nachnutzungen vor- Die Finanzhilfen werden für Maßnah- sehen. Angestrebt ist, auf mindestens men zur Untersuchung, Planung, Sa- 50 % der über das Brachflächenpro- nierung und Entwicklung von stadtent- gramm sanierten Flächen kurz- bis wicklungspolitisch relevanten Brachflä- mittelfristige Folgenutzungen zu reali- chen eingesetzt (z. B. Abriss, sieren. Das Förderprogramm „Revitali- Beräumung und Gebäudesicherung sierung von Brachflächen“ wird im Rah- oder -sanierung, Planung, Herstellung, men der Ziel-1-Förderung in der Struk- Erhaltung und Rückbau von Erschlie- turfondsperiode 2000 - 2006 zu 75 % ßungsanlagen, Renaturierung, Ver- aus Mitteln des Europäischen Fonds marktung der Flächen für künftige Nut- für regionale Entwicklung (EFRE) und zungen). Mit der Förderung über das zu 25 % aus kommunalen Mitteln fi- Brachflächenprogramm sollen bis Ende nanziert (Tabelle Förderdaten des 2006 ca. 260 ha saniert und für ökono- Brachflächen-Programms). misch und stadtstrukturell tragfähige
46 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Folgenutzungen verfügbar gemacht und prägten durch den zunehmenden werden. Verfall das im Übrigen durch Schloss- park, die Nähe zur Elbe, sanierte Projektbeispiel Wohnbebauung und gute Infrastruktur gekennzeichnete Stadtgebiet Pirna Stadtumbau durch Dienstleistungen: Sonnenschein. Die künftige Ansiedlung Pirna – die ehem. Strömungsmaschi- des geplanten neuen Kreiskrankenhau- nenbau GmbH ses ist geplant.
Das Beispiel zeigt exemplarisch die Die umfangreichen Abbruch- und Sa- Notwendigkeit, für viele innerstädtische nierungsarbeiten sind im Jahr 2004 an- Brachenstandorte alternative Nutzun- gelaufen und stehen mit einer Bau- gen anzusiedeln. Hierbei kann der Ge- grundvorbereitung vor ihrem Abschluss. sundheits- und Pflegesektor eine we- sentliche Rolle spielen. Insgesamt 80 % der ca. 10 ha großen Fläche war durch Schadstoffe verunrei- Das Gesamtinvestitionsvolumen betrug nigt; der Baugrund wurde im Hinblick ca. 4.497.000 Euro, davon wurden ca. auf eine sensible Nachnutzung durch 1.383.000 Euro durch EFRE-Mittel fi- das neue Kreiskrankenhaus der Rhön nanziert. AG saniert; für den denkmalgeschütz- ten ehem. Speisesaal ist eine Nutzung Träger der Maßnahme waren die Stadt für ergänzende Pflegeeinrichtungen Pirna mit der Stadtentwicklungsgesell- oder als Speisesaal angedacht. schaft Pirna, in Zusammenarbeit mit dem privaten Investor (Rhön-AG). Im Rahmen eines privaten Trägermo- dells hat die Röhn-AG das sanierte Die ehemalige Strömungsmaschinen Grundstück übernommen und beginnt GmbH Pirna befand sich in Liquidation, in diesen Wochen mit dem Neubau des die Gebäude und Anlagen standen leer Kreiskrankenhauses.
Abbildung: Pirna – die ehem. Strömungsmaschinenbau GmbH
47 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.1.2 Mit Fläche haushalten – ein Gebot nachhaltiger Entwicklung
Staatssekretär Prof. Dr. Ch. C. Juckenack
Einleitung was in den neuen Bundesländern einen Anteil von 5 ha/d ausmacht, bekommt An das Sammeln und Recyceln von dieses Thema zusätzliche Brisanz. Glas, Papier oder Edelmetallen und so- mit dem sorgsamen Umgang von Roh- 130 stoffen ist man bereits seit langem ge- 140 115 wohnt. Bei der endlichen Materie Boden, 120 also bei der Nachnutzung von Brachflä- 100 chen, wird derzeitig im Allgemeinen 80 60
„nichts“ bzw. zu wenig getan. Hektar 40 30 20 Durch den Strukturwandel und -bruch, 0 der seit Ende der 90er Jahre in Ost- 1996-2000 2001-2004 2020 deutschland erfolgt ist, ist das Recyc- Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche in ha/Tag in Deutschland ling von Brachflächen gerade in den neuen Bundesländern ein Schwerpunkt- thema. Dieser Umwandlungsprozess 20 wird sich in den nächsten Jahren auch 15 in den neuen EU-Beitrittsländern fortset- zen. Diese temporäre Sondersituation 10
erfordert geeignete Sondermaßnahmen Hektar 5 3,42 2,58 für diese Regionen, insbesondere für 1 Thüringen. 0 1996-2000 2001-2004 2020 Dabei ist klar, dass die In-Wertsetzung Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche in ha/Tag in Thüringen von Brachflächen eine konfliktbeladene Querschnittsmaterie und damit eine be- Abbildung 1: Zunahme der Siedlungs- und Ver- sondere Herausforderung für die Städte kehrsfläche in ha/Tag und Gemeinden auch in der ländlichen Es bedarf einer einheitlichen Strategie, Region darstellt. Dies gilt auch für Thü- um die Problemfelder bewältigen zu kön- ringen. Die aktuelle Situation der nen. Die vorrangigste Aufgabe der Kom- Neuversiegelung von Flächen liegt in munen ist die In-Wertsetzung, d.h. auch Thüringen bei 2,3 ha pro Tag. Dieser die Verkehrsfähigmachung und somit die Verlust an unversiegelter Fläche geht Möglichkeit der Vermarktung. Daneben regelmäßig zu Lasten der Landwirt- ist die Beseitigung von imageschädigen- schaft. Es besteht das Ziel, die Neuver- den Schandflecken vorrangig eine Auf- siegelung auf ca. 1 ha/d im Jahr 2020 gabe der Kommunen. Die Kommunen zu senken. Durch die Feststellung, dass sind hier in besonderem Maße gefordert, gleichzeitig täglich neue Brachflächen verfügen sie doch über die baurechtli- durch leer stehende Wohngebäude oder ungenutzte Gewerbeflächen entstehen,
48 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement che Planungshoheit und damit auch nur Anstöße für die engagierten Akteu- -verantwortung. re vor Ort geben. Das Ziel, den Flächen- verbrauch spürbar zu verringern, kann Vor allem vor dem Hintergrund der der- jedoch nur erreicht werden, wenn Kon- zeitigen Prognosen zur Bevölkerungsent- sens über ein intelligentes Flächenma- wicklung, welche einen merklichen An- nagement besteht. stieg im Altersdurchschnitt der Bevölke- rung nach sich ziehen, was eine deutli- Daher bedarf es der Definition folgender che Verringerung der Einwohnerzahlen Rahmenbedingungen: impliziert. Notwendig ist eine neue Sicht auf allen Ebenen – weniger Wachstum „Die zielorientierte Flächenhaushaltspo- ist zu bewältigen als vielmehr Schrump- litik mit einem intelligenten Flächenma- fung! Dies muss in einer zukünftigen Flä- nagement verknüpft Wachstum und Be- chenhaushaltspolitik für Thüringen be- schäftigung, z. B. über die Arbeitsgele- rücksichtigt werden. genheiten nach Hartz IV und andere In- strumente des zweiten Arbeitsmarktes.“ Das intelligente Flächenmanage- ment in Thüringen Erreicht wird dies dadurch, dass das Land nicht in die kommunale Planungs- Ein wesentlicher Baustein dieser Flä- hoheiten eingreift, wodurch keine wachs- chenhaushaltspolitik für Thüringen ist ein tumshemmenden Hindernisse für Inves- intelligentes Flächenmanagement. toren aufgebaut werden.
Dies bedeutet: Erfassung der Brachflächen
¾ Begrenzung der Flächeninanspruch- Eine erste wichtige Grundlage in Thü- nahme ringen ist die derzeit im Abschluss be- findliche landesweite Erfassung von ¾ Wiederherstellung der ökologischen Brachflächen. Dies ist ein in Deutsch- Funktion des Bodens (Altlasten, land bislang einzigartiges Projekt. Bodenschutz) Die Zuordnung zu den Raumstrukturen ¾ Standortqualitätsverbesserung (At- nach einer früheren Hochrechnung zeigt, traktivität der Regionen, Schandfle- dass sich 13 % dieser Flächen im Innen- cken beseitigen) bereich, 43 % im Randbereich und 44 % im Außenbereich der Siedlungsräu- ¾ Bodenordnung (Boden als Träger- me befinden. substanz von Eigentums- und Nut- zungstiteln, zweckmäßige Gestal- Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass tung von Liegenschaften, Erschlie- für Nachnutzungen Flächen (Wohnen, ßungszustand, Nutzungsart und Gewerbe etc.) im Innenbereich wie auch Nachbarschaftsverhältnissen). z. T. in Randlagen von Siedlungsräumen vorrangig geeignet erscheinen. Die Flä- Das Thüringer Ministerium für Landwirt- chen im Außenbereich können eher ei- schaft, Naturschutz und Umwelt bekennt ner Renaturierung zugeführt werden. sich in seinem Handlungsprogramm zur Nach der Hochrechnung ergibt sich eine Notwendigkeit einer zielgerichteten Flä- Summe von 10 - 12.000 ha Brachflächen chenhaushaltspolitik, kann aber selbst landesweit. Dieser Wert würde dem
49 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Stadtgebiet Jenas, 9 % der Siedlungs- kommunalen Planungsspielräume in und Verkehrsfläche Thüringens oder 50 Frage (vgl. Bodenwert Bilanz). m² je Bürger in Thüringen entsprechen. Von der Gesamtbrachfläche erscheinen Ein Vorteil erwächst natürlich nicht aus etwa 56 % (= 6.700 ha) zur Baulandmo- dem puren Vorhandensein von Brachflä- bilisierung geeignet – stellen somit ein chen. Gedanklich muss man sie als Nutzungspotential dar – während 44 % Potential-Flächen sehen. Diese unter- (=5.300 ha) für eine Renaturierung oder oder ungenutzten Flächen eignen sich für Ausgleichsmaßnahmen geeignet unter anderem zur Realisierung von Sied- sein dürften. lungsentwicklung, da die Nachfrage von Investoren meist dort befriedigt werden Eine andere Bewertung zeigt, dass 10 kann. Daneben können Maßnahmen der bis maximal 15 % sich auf Grund ihrer Renaturierung gezielt dorthin gelenkt Lage besser vermarkten lassen, wäh- werden. rend ca. 40 % als PPP Projekte eine Chance haben könnten. Die verbleiben- Ergebnisse der Flächenhaushalts- den 45 % der Flächen können nur unter politik Beteiligung der öffentlichen Hand einer Verwertung (meist Renaturierung) zuge- Bisher umgesetzte Ziele der Flächen- führt werden. haushaltspolitik:
Ziel ist es, die aus den erfassten Brach- ¾ Die Verankerungen der Gebote des flächen erwachsenden Nachnutzungs- Flächensparens und der Nachnut- potentiale zu ermitteln. Die erfassten zung von Brachflächen erfolgte in Flächen werden nun mittels GIS-System dem seit 2004 geltenden Landesent- untersetzt und als Flächenangebote im wicklungsplan. Internet zugänglich gemacht. Um diesen ¾ Folgen wird die Umsetzung dieser Vorgang zu beschleunigen, finden auf Grundsätze in den gerade in Über- lokaler Ebene Informationsveranstaltun- arbeitung befindlichen Regionalplä- gen statt. Die deutlich sichtbaren guten nen und die damit einhergehenden Entwicklungen in Städten und Gemein- Bindungswirkungen für die den lassen heute Brachflächen und he- Bauleitpläne der Kommunen. runtergekommene Gebäude störender als bisher ins Auge fallen. Insofern ist ¾ Das Engagement des Thüringer Mi- die Aufmerksamkeit in den Kommunen nisteriums für Bau und Verkehr, Abt. für diese Problematik vor Ort größer ge- Städtebau, und der Kommunen im worden. Rahmen des Programms „Stadtum- bau Ost“ und des in Thüringen spe- Sie wird noch größer werden, wenn in ziell geschaffenen Innenstadt-Stabi- Euro und Cent deutlich wird, dass mit lisierungsprogramms mit seinem der In-Wertsetzung von Brachflächen Teil „Genial zentral“ (Modellstädte Kostenvorteile (gegenüber einer Neuer- bzw. Quartiere) ist hier zu nennen. schließung von Flächen) verbunden sind. ¾ Auch das Landesprogramm „städ- Die Allgemein- und die sog. Schatten- tebauliche Sanierungsmassnah- kosten (durch Neuerschließungen) stel- men“ (mit insgesamt 444 teilneh- len in der aktuellen Finanzsituation die menden Gemeinden) wird für die In-
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Wertsetzung von Brachflächen ge- In Mittelthüringen ist es vor allem Erfurt nutzt. und im Rahmen des MORO Projektes auch Gotha, die mit einem Baulücken- ¾ Die Landesentwicklungsgesellschaft und Brachflächenkataster begonnen (LEG), als Projektsteuerer, ist im haben. Städtedreieck am Saalebogen, auf ehem. militärischen Liegenschaften Diese Aktivitäten belegen, dass einige und im Kyffhäuserkreis tätig. Kommunen, Kreise und die Regionalen Planungsgemeinschaften die Reichwei- ¾ Das novellierte Thüringer Natur- te und Bedeutung des Themas bereits schutzgesetz eröffnet die Möglich- erkannt haben. Auch zeigen erste Ge- keit zur Bildung von Flächen- und spräche mit dem Gemeinde- und Städ- Maßnahmenpools zur Bündelung tebund Thüringen und dem Thüringi- von Ausgleichs- und Ersatzmaßnah- schen Landkreistag, dass man bei den men. kommunalen Spitzenverbänden aufge- schlossen für dieses Thema ist. ¾ Die Lenkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die Bildung Dringender Handlungsbedarf besteht von lokalen Ökokonten werden zu- auch für ungenutzte und heute unansehn- künftig eine stärkere Rolle spielen. lich gewordene ehemalige LPG-Anlagen, Zurzeit werden gezielt Flächenpools also Brachen im ländlichen Raum. Die- für die Lenkung von A/E Maßnah- se sind in vielen Dörfern ein Ärgernis. men erfasst und bei der TLUG in Sie belegen wertvolle Flächen und ver- LINFOS zusammengestellt. Die Er- schandeln das Ortsbild. Deshalb werden gänzung und Verschneidung dieser jetzt mit Mitteln der Landentwicklung, (Naturschutz)fachlich ermittelten anhand einiger vorhandener guter Bei- Flächen mit erfassten Brachflächen spiele Lösungswege aufgezeigt. Haupt- wird angegangen. hindernis für schnelle Lösungen ist oftmals das noch getrennte Boden- und ¾ Auch werden informelle Instrumen- Gebäudeeigentum, ehemalige LPGen in te wie ILEK oder REK und Regio- Liquidation, aber auch die anfallenden nalmanagements genutzt. hohen Abriss- und Entsorgungskosten. Hierzu wird die Thüringer Landgesell- Ein weiteres Beispiel für die praktische schaft einen Handlungsleitfaden erarbei- Umsetzung ist der Kommunale Leitfa- ten. den für ein intelligentes Brachflächen- management für den Landkreis Nordhau- Neben den vorhandenen Förderpro- sen, der sich auch am BBR Projekt grammen sollen zukünftig auch mit ei- „Fläche im Kreis“ beteiligt. nem speziellen Förderprogramm den Kommunen bei derartigen Vorhaben Daneben gibt es in Thüringen noch eine Anreize gegeben werden, sich stärker Vielzahl von Aktivität im Rahmen der als bisher um die Entwicklung und die Brachenrevitalisierung. In Südwestthü- In-Wertsetzung ihrer Brachflächen zu ringen bemüht man sich jetzt, Brachflä- kümmern. Damit soll eine Anschubfinan- chen von insgesamt 130 ha, vor allem zierung für Abriss- und Entsorgungskos- ehemalige Kasernen, zu renaturieren. ten gegeben werden.
51 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Es wird angestrebt ein solches Pro- gramm in den EU-Strukturfonds EFRE und evtl. auch ELER zu platzieren. Vor- stellbar ist auch die Integrierung in ei- nen Bodenfond bei der Thüringer Land- gesellschaft.
Bereits jetzt sind nachahmenswerte Beispiele aus Thüringen in der Studie der FH Nordhausen zu „best-pratice-Bei- spielen in suburbanen Räumen“ im Auf- trag des BBR erfasst.
Fazit
Zentrales Instrument zum nachhaltigen Umgang mit der Ressource Boden ist die landesweite Brachflächendatei. Die- se muss jedoch noch effektiv gestaltet und nutzbar gemacht werden und im Anschluss gepflegt und aktualisiert wer- den.
Beim Bündnis zum Flächensparen, was langfristig angestrebt wird, sind Landkrei- se und Kommunen die Hauptakteure und sollen damit in die Lage versetzt werden, potentiellen Investoren schnell Entscheidungsgrundlagen liefern zu kön- nen, damit aber auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gezielt zu lenken.
„Wir benötigen kein Programm Stadtum- bau Ost, sondern ein vielschichtigeres Programm des Bundes zum Flächenum- bau. Dabei muss die Entscheidungsbe- fugnis über die finanziellen Mittel auf Länderebene verankert werden.“
52 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
2.1.3 Flächenmanagement in Baden-Württemberg und das Aktionsbündnis „Flächen gewinnen“
Stefan Gloger
Daten und Trends ten an, die Inanspruchnahme bislang unbebauter Flächen für Siedlungs- und 13,6 % der Landesfläche werden derzeit Verkehrszwecke (derzeit 4.000 ha/Jahr) in Baden-Württemberg für Siedlung und bis 2010 deutlich zurückzuführen“. Verkehr genutzt. 2004 sind die Sied- lungs- und Verkehrsflächen um 0,8 % Der Landesentwicklungsplan 2002 und angestiegen. Täglich werden derzeit 8,8 das novellierte Landesplanungsgesetz ha - vorwiegend landwirtschaftliche - 2005 verankern diese Ziele auch recht- Freiflächen neu in Anspruch genom- men. 2001 waren es noch 11,8 ha/d. In den letzten 50 Jah- ren haben sich im Land die Flächen für Siedlung und Ver- kehr verdoppelt. Ba- den-Württemberg hatte seit dem Zwei- ten Weltkrieg den stärksten Bevölke- rungszuwachs aller Bundesländer (64 %) und wird bis etwa 2025 weiteren Bevölkerungszu- wachs verzeichnen. lich verbindlich. Zwei Kabinettsentschei- Abbildung 1: Bodenfläche 2005 dungen 2004 sowie die Regierungserklä- rung von Ministerpräsident Günter Umweltpolitische Beschlusslage Oettinger im April 2005 unterstreichen Baden-Württemberg verfolgt schon seit den Willen der Landesregierung zu ei- längerem das Ziel einer nachhaltigen ner Reduzierung der Flächeninanspruch- Flächennutzung. Der Umweltplan, der nahme und formulieren eine ressortüber- im Jahr 2000 vom Kabinett beschlossen greifende Strategie. Die Fördermittel des wurde, enthält nicht nur Ziele, sondern Landes werden vorrangig zu Gunsten der auch konkrete Maßnahmen und betont Innenentwicklung eingesetzt. Damit hat die Rolle der Umweltforschung. Kern- die Landesregierung ein wichtiges Sig- satz: „Das Land strebt zur langfristigen nal gesetzt. Sicherung von Entwicklungsmöglichkei-
53 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Erfolgsfaktoren und Eckpunkte der schungs- und Entwicklungsvorhaben mit Strategie in Baden-Württemberg Planungspraktikern konkrete Instrumen- ten für die Praxis entwickelt. Für eine wirksame Eindämmung des nach wie vor zu hohen Flä- chenverbrauchs sind praxistaugli- che Instrumente für Planer, Betei- ligung der Kommunen, Wissens- transfer, Bewusstsein der Ent- scheidungsträger über Potenziale und Kosten und bessere interkom- munale und regionale Kooperation.
Nur mit den Kommunen gemeinsam – und nicht gegen sie – ist das Ziel einer deutlichen Re- duzierung des Flächenverbrauchs zu erreichen. Das Umweltministe- rium zielte daher nicht auf eine Re- striktions- oder Konfliktstrategie, sondern Überzeugungsarbeit und Konzentration auf das Umsetzba- re: Abbildung 2: Kommunales Flächenmanagement ¾ Modellprojekte mit Partnern aus Die Landesanstalt für Umweltschutz hat Kommunen und Ingenieurbüros in den Gemeinden Bruchsal und Wild- ¾ Erarbeitung einer ressortübergrei- bad die Methoden des kommunalen fenden Strategie Flächenmanagements entwickelt und erprobt. Der Bericht ist veröffentlicht, ¾ Einbeziehung der kommunalen ein Teil („Strategie und Umsetzung“) rich- Landesverbände tet sich an Entscheider, der zweite Teil („Arbeitshilfe“) an Planer in Ingenieurbü- ¾ Fortbildungsveranstaltungen ros und Behörden. Mit diesem grundle- genden Vorhaben, an dem 7 Ingenieur- ¾ Initiative zum Aktionsbündnis, büros und im Rahmen der Steuerung intensive Absprachen mit den auch die Kommunalverbände mitgearbei- Verbänden tet haben, konnte ein Werkzeugkasten zum kommunalen Flächenmanagement ¾ eine landesweite Öffentlichkeits entwickelt und erprobt werden, der für kampagne. die Praktiker Erfahrungen aufarbeitet. Bayern hat das Verfahren übernommen. Kurzdarstellung ausgesuchter Pro- jekte Kommunales Flächenmanagement ver- folgt quantitative und qualitative Ziele. Es Da „Flächensparen“ bei Kommunen und geht einerseits um die quantitative Re- Wirtschaft lange als kontraproduktiv an- duzierung des Flächenverbrauchs durch gesehen wurde, hat das UM in For- Baulandmobilisierung, Schließung von
54 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Baulücken, Optimieren des Nutzwerts, Wiedernut- zung von Brachflächen und den Umgang mit Altlasten. Zum anderen zählt auch die qualitative Seite: der Schutz und die Entwick- lung von Freiflächen, der Schutz leistungsfähiger Böden, die Minimierung des Versiegelungsgrads und ein guter Umgang mit Bodenmaterial. Die wich- tigsten Ergebnisse des Pi- lotprojekts „Umweltpoliti- scher Schwerpunkt – kom- munales Flächenmanage- ment“ sind: Durch Einbe- ziehung von Brachen und Baulücken liegen in den Pi- lotgemeinden die Entwick- lungspotenziale im Innen- bereich immerhin bei 10 – 18 % der Sied- Abbildung 3: Innenentwicklungskonzept lungsfläche (ohne die Verkehrsfläche). Mobilisierung von Flächenpotenzialen im Innenentwicklung vor Außenent- Innenbereich wurden anschaulich ge- wicklung ist die zentrale Strategie der macht. Stadtplanung zur Reduzierung der Damit liegen den Kommunen praxis- Flächen(neu-)inanspruchnahme. Mit ei- taugliche Werkzeuge vor, die wesentli- nem Planungsbüro, das auf dem Gebiet che Problemstellungen und Erfahrungen der Innenentwicklung und Stadterneue- abdecken. rung viel Erfahrung besitzt, wurde das grundsätzliche Vorgehen herausgearbei- Gemeinsam mit der Landeshauptstadt tet. Es ging dabei vor allem um das städ- Stuttgart hat das UVM Methoden zum tebauliche Projektmanagement. Alle nachhaltigen Bauflächenmanage- 1110 baden-württembergischen Kommu- ment entwickelt und erprobt (Beiträge nen haben den Bericht „Innenentwick- zur Stadtentwicklung Nr. 34, hrsg.: Lan- lung planen und realisieren“ erhalten, deshauptstadt Stuttgart). Zunächst hat ebenso die Dokumentation des Fach- das Stadtplanungsamt in Kooperation kongresses 15./16. Mai 2003 in mit Partnern aus Wissenschaft und Kom- Karlsruhe „Innenentwicklung vor Außen- munalentwicklung die Datengrundlagen entwicklung“ mit Strategien, Konzepten und eine Informationsplattform geschaf- und Instrumenten zur Innenentwicklung fen, um Flächen zu entwickeln. Es wur- und zum kommunalen Flächenmanage- den fast fünfhundert (meist kleinere) Ent- ment. Ökologische und kommunalwirt- wicklungsflächen identifiziert. U.a. wur- schaftliche Probleme der Siedlungsex- den Gebietspässe erarbeitet, mit denen pansion, aber auch die Chancen einer auch die Wirtschaftsförderung arbeiten
55 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen kann. Das Projekt wird als Daueraufga- Böden beurteilen können. Die Stadt be weitergeführt werden. In Stuttgart Stuttgart hat mit Förderung des UM ein beträgt das Verhältnis Innenentwicklung einfach handhabbares Verfahren zur zu Außenentwicklung derzeit 4:1. Beurteilung der unterschiedlichen Bo- denqualitäten für die Stadtplanung im Eine weitere planerische Strategie zur Modellvorhaben „Bodenschutzkonzept Reduzierung des Flächenverbrauchs ist Stuttgart (BOKS)“ entwickelt. Dabei die Verbesserung der interkommuna- wird die beanspruchte Fläche in wirksa- len und regionalen Kooperation. Ein me Bodenqualität von 0 (gering) bis 5 Beispiel dafür ist der „Regionale Ge- (sehr hoch) erfasst und grafisch darge- werbeflächenpool Neckar-Alb“. Dort stellt. geht es für 22 Gemeinden darum, ob man Gewerbeflächen gemeinsam bewirt- Weitere Projekte, z.B. zur nachhaltigen schaften kann. Das Ausgangsproblem Entwicklung von Nachkriegssiedlungen bildet die Konkurrenz zwischen den Ge- sowie auf trinationaler Ebene zum nach- meinden um Gewerbeansiedlung, die oft haltigen Planen und Bauen am Ober- unter dem Primat der „Eigenentwicklung rhein, laufen. um jeden Preis“ steht. Trotz dieser Aus- gangsgrundlage kann eine Win – win - Das Aktionsbündnis „Flächen gewin- Situation geschaffen werden, sowohl in nen“ vom 19.10 2004 ökonomischer wie ökologischer Hin- sicht. Der Gewerbeflächenpool wird ei- gibt einen zusätzlichen Impuls an die nen höheren Qualitätsstandard als Stadt- und Gemeinderäte und an die kleinere kommunale Einzelgewerbege- Wirtschaft. Es dokumentiert den politi- biete bieten und „Verlierer“ bei der Um- schen Willen der Landesregierung zum siedlung von Betrieben vermeiden hel- sparsamen Umgang mit Grund und Bo- fen. Arbeitsplätze bleiben in erreichba- den. Mit einer gemeinsamen Aktion der rer Nähe. Die einzelne Gemeinde unter- wesentlichen Verantwortlichen – Kom- liegt einem geringeren Druck zu einem munen, Landes- und Regionalplanung, eigenen Gewerbegebiet und kann so den Umwelt- und Naturschutz, Wirtschaft – Flächenverbrauch einschränken. wird unterstrichen, dass Ressourcen- schutz, Siedlungsentwicklung sowie In diesem Projekt waren eine Reihe von Nutzung der Flächen und Böden nicht schwierigen Problemen zu klären, wie allein von der Landesregierung bestimmt Flächenpool und kommunale Selbstver- werden. Vielmehr ist ein breiter gesell- waltung, wie die Frage der Flächenbe- schaftlicher Konsens nötig, um den Be- wertung und die Mitwirkung von Gemein- wusstseinswandel zu erreichen und die den ohne eigene Beteiligungsflächen, die Akzeptanz für konkrete Maßnahmen zu Frage der Aufteilung der Kosten und Er- fördern. löse. Ein Bericht wurde im Juni 2004 ver- öffentlicht. Ein Zweckverband wird vor- Partner des vom Umweltministerium in- bereitet, der den Ausgleich leistet. Wei- itiierten Bündnisses sind bisher: Städ- tere offene Fragen des Projekts sind tetag, Gemeindetag, Landkreistag, Gegenstand der Forschung. BUND, NABU, Landesnaturschutzver- band, Industrie- und Handelskammertag, Die planerischen Instrumente müssen Handwerkstag, Architektenkammer, die auch die Qualität der beanspruchten Baden-Württembergischen Bausparkas-
56 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement sen, Landesverband der Industrie, Indus- UM seit Ende 2004 eine Öffentlichkeits- trieverband Steine – Erden und die Re- kampagne begleitend zum Aktionsbünd- gionalverbände, künftig auch die Bahn nis durch. Der Schwerpunkt liegt auf Be- und das Altlastenforum. wusstseinsbildung und Freiwillig- keit. Adressaten sind vor allem Gemein- Das Bündnis zielt darauf ab, auf freiwil- de- und Ortschaftsräte sowie die Bür- liger Basis und ohne dirigistische Ein- germeister. Eine zentrale Veranstaltung griffe den politischen Konsens für eine mit den Bündnispartnern im Dezember verstärkte Innenentwicklung und für 2004 in Ludwigsburg als Auftakt, eine mehr Flächeneffizienz zu verbreitern, die Broschüre mit praktischen Beispielen, Rahmenbedingungen zu verbessern und 4 Veranstaltungen der Regierungspräsi- in der kommunalen Praxis die möglichen denten und weitere 12 dezentrale Ver- Maßnahmen umzusetzen. Doch es wird anstaltungen zum Themenkreis „Flächen auch zukünftig Außenentwicklung ge- gewinnen“ über das Jahr 2005 wurden ben. Als ultima ratio, nicht als erste genutzt, um die Vorteile der Innenent- Option. wicklung und einer effizienten Flächen- nutzung, insbesondere die kommunal- Nachdem die Erweiterung der Sied- wirtschaftlichen Vorteile anschaulich lungsflächen über Jahrhunderte kontinu- darzustellen und konkrete Beispiele zum ierlich zugenommen hat, fällt eine Über- „Flächen gewinnen“ zu geben. Referen- windung damit verbundener Denkmus- ten kamen auch aus dem Kreis der Ar- ter nicht leicht, vor allem in einem Land, chitekten, Bausparkassen und Natur- das weiterhin wirtschaftliche Dynamik schutzverbände. Die Kampagne bot und Zuzug aufweist. Hinzu kommt, dass zugleich gute Möglichkeiten, die zahl- die Aufgaben der Innenentwicklung reichen bestehenden Initiativen und Er- oftmals schwieriger zu lösen sind als die folge für eine zukunftsfähige Stadt- und der Außenentwicklung. Mehr Konflikte, Gemeindeentwicklung und eine zu er- einzuhaltende Rahmenbedingungen, haltende Kulturlandschaft öffentlichkeits- mehr Beteiligte, teilweise auch kompli- wirksam zu präsentieren und die Viel- ziertere Verfahren und Unsicherheiten falt sowie das Engagement von Kommu- werfen neue operative Fragen auf. Doch nen, Regionen, Verbänden und Einzel- die demografische Entwicklung und die nen zu würdigen. wirtschaftlichen Chancen einer „Erneu- erung von innen“ legen es für eine zu- Die Reaktion auf die Öffentlichkeitskam- kunftsorientierte Strukturpolitik nahe, für pagne ist positiv, wie das Interesse der den Vorrang der Innenentwicklung ein- Zielgruppe, die Mitwirkungsbereitschaft zutreten. Dies soll das Aktionsbündnis und neue Beitritte sowie Interessens- sichtbar machen und die Partner akti- bekundungen zum Aktionsbündnis zeig- vieren. ten. Auch die Berichterstattung in Pres- se, Rundfunk und Fernsehen greift das Eine breite Öffentlichkeitskampagne Thema gern auf. Inzwischen kann ein „Flächen gewinnen“ Stimmungswandel in den Kommunen und bei den Entscheidungsträgern beo- Um bei den kommunalen und regiona- bachtet werden. Dennoch ist der len Mandatsträgern, aber auch bei Bau- Wachstumsgedanke, vor allem bei Ge- herren, mehr Bereitschaft für Flächen- meinden im ländlichen Raum, nach wie management, Innenentwicklung und vor ausgeprägt. Umweltministerin Tanja Freiraumschutz zu schaffen, führt das
57 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Gönner hat ein Monitoring der Flächen- Link-Liste zum Flächen gewinnen inanspruchnahme sowie in 1 ½ Jahren in Baden-Württemberg eine Bilan-zierung der Bemühungen an- gekündigt. http://www.um.baden- wuerttemberg.de/servlet/is/8373/: Fazit Aktionsbündnis „Flächen gewinnen in Baden-Württemberg“: Erklärung, ¾ Ökologische, ökonomische und so- Eckpunkte, Broschüre ziale Gründe sprechen für Flächen- effizienz. http://www.um.baden- wuerttemberg.de/servlet/is/8376/: ¾ Flächenmanagement ist mehr als Interministerieller Arbeitskreis eine Planungs- und Verwaltungsauf- „Reduzierung der gabe. Notwendig ist über rechtliche Flächeninanspruchnahme“ und fachliche Vorgaben hinaus vor allem Überzeugungsarbeit bei den http://www.xfaweb.baden- politischen Mandatsträgern. wuerttemberg.de/bofaweb/berichte/ ¾ Baden-Württemberg strebt keine bs08/bs08.html: Arbeitshilfe Restriktionsstrategie an. Im Vorder- Kommunales Flächenmanagement grund stehen taugliche Werkzeuge für die Praxis und eine Bewusst- http://www.melap-bw.de/ seinsbildung auf der maßgeblichen index.html:“Modellprojekt zur kommunalen und regionalen Ebene. Eindämmung des Landschaftsverbrauchs durch ¾ Die rückläufige Baukonjunktur und Aktivierung innerörtlicher Potenziale“ erste Erfolge beim Flächenmanage- (MELAP) ment bewirken derzeit einen ersten Rückgang der hohen Flächeninan- http://www.oesge-bw.de/index.html: spruchnahme. das Portal zur ökologischen Stadt- und Gemeindeentwicklung in Baden- ¾ Doch weitere Anstrengungen und Württemberg Monitoring bleiben notwendig. http://www.stuttgart-bauflaechen.de/: Böden und Freiflächen bleiben unter Nachhaltiges Bauflächenmanagement Druck. Wir sollten weiter „Boden gut ma- Stuttgart chen“ und ein Management-Denken hin zu einer effizienten Flächennutzung ent- http://www.um.baden- wickeln. wuerttemberg.de/servlet/is/6878/ : Regionaler Gewerbeflächenpool Neckar-Alb
http://www.um.baden- wuerttemberg.de/servlet/is/3183/ PUR_Innenentwicklung.pdf : Innenentwicklung Planen und Realisieren - Konzept für kleine und mittlere Gemeinden
58 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
2.1.4 Das Leistungsbuch Altlasten und Flächenentwicklung 2004/2005 – eine Arbeitshilfe zur Leistungsbeschreibung und Kostenschätzung
Rolf Bracke, Christina Klümpen, Michael Odensaß, Stefan Schroers
Zielsetzung Das „Leistungsbuch Altlasten & Flächen- entwicklung 2004/2005“ des Landesum- Infrastruktur- und Flächenentwicklungs- weltamtes Nordrhein-Westfalen (LUA maßnahmen unterliegen dem Anspruch NRW) [1] soll dazu beitragen, diese Lü- auf nachhaltigen Umgang mit Grund und cke zu schließen. Das Leistungsbuch Boden. Einen Schwerpunkt stellt dabei wurde durch die ECOS Umwelt GmbH zunehmend die Reaktivierung brachlie- unter fachlicher Beteiligung der Fach- gender Flächen in urbanen Ballungsräu- hochschule Bochum im Auftrag des Lan- men dar. Auf solchen Standorten finden desumweltamtes Nordrhein-Westfalen sich in der Regel bauliche Anlagen aus erarbeitet und in der Schriftenreihe des der gewerblichen, industriellen oder mi- Landesumweltamtes Nordrhein-Westfa- litärischen Vornutzung, häufig verbunden len „Materialien zur Altlastensanierung mit Kontaminationen des Bodens, des und zum Bodenschutz“ als Band 20 ver- Grundwassers oder der Bausubstanz. öffentlicht. Es kann als handhabungs- Voraussetzung für die Rückführung von freundlicher Ringordner mit eingelegter Industrie-, Gewerbe- und Verkehrsbra- CD-ROM über den Schriftenvertrieb des chen sowie freiwerdender militärischer LUA NRW bezogen werden. Im Winter Liegenschaften mit Belastungsverdacht 2005/2006 wird zudem eine DV-Version aus der früheren Nutzung in den „Flä- des Leistungsbuches im GAEB-Format chennutzungs-Kreislauf“ sind die syste- für gängige AVA-Programme verfügbar matische Erfassung von altlastverdäch- sein. Diese CD-ROM ist über die ECOS tigen Flächen/Altlasten und Verdachts- Umwelt GmbH zu beziehen (s. Anschrift flächen schädlicher Bodenveränderun- der Autoren). gen/schädliche Bodenveränderungen, die Vervollständigung entsprechender Die Erstausgabe eines Leistungsbuches Kataster, Untersuchungen zur Aufklä- zu diesem Arbeitsgebiet veröffentlichte rung der Bodenbelastung sowie das LUA NRW bereits im Jahre 1998 gegebenenfalls an die Nachfolgenutzung [2]. Diese Arbeitshilfe fand bundesweit angepasste Sanierungsmaßnahmen. insbesondere bei Behörden und Gutach- Für Infrastruktur- und Flächenentwick- tern breite Resonanz. Zwischenzeitlich lungsmaßnahmen bestehen häufig pla- haben sich Änderungen hinsichtlich der nungstechnische Unsicherheiten bei Verfahrenstechnik sowie der rechtlichen Rückbau, Sanierung und Baureif- und regeltechnischen Rahmenbedingun- machung. Auf Investorenseite besteht gen ergeben. Daneben hatten Verände- dementsprechend die Forderung nach rungen auf dem Altlastenmarkt und dem größtmöglicher Kostensicherheit für die Bausektor auch Änderungen des Preis- Inwertsetzung. gefüges zur Folge. Daher nahm das Lan- desumweltamt Nordrhein-Westfalen die erforderliche Aktualisierung, Überarbei-
59 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen tung und Erweiterung des Leistungsbu- darzustellen (DIN 276 [3]). Dabei sind ches vor. Das Leistungsbuch Altlasten Art, Umfang und Genauigkeit der Kos- & Flächenentwicklung ist ein Hilfsmittel tenermittlungen abhängig vom jeweiligen bei der Planung von Infrastrukturmaß- Stand der Planung, von den verfügbaren nahmen beim Flächenmanagement und Angaben und Erfahrungswerten sowie - zur Sanierung von Altlasten. Es ermög- im Falle der Kostenfeststellung - von den licht Abrechnungsunterlagen abhängig. a) die Systematisierung und Be- Die DIN 276 [3] beschreibt neben allge- schreibung von Leistungen und meinen Kostenbegriffen und Kostenbe- standteilen die Anforderungen an Kos- b) die Durchführung von Kostener- tenermittlungen für den Hochbau. Da das mittlungen und Kostenvergleichs- Prinzip der Kostengliederung über ver- rechnungen sowie eine Unterstüt- schiedene Detaillierungsstufen jedoch zung bei der Durchführung von auf alle übrigen Bauvorhaben der Infra- Nutzen- Kostenuntersuchungen / strukturentwicklung übertragen werden Kostenwirksamkeitsbetrachtun- kann (z.B. unter Anwendung der Kos- gen bei der Auswahl von Sanie- tenelementemethode), lässt sich die rungsmaßnahmen. normativ geforderte Mehrstufigkeit und Durchgängigkeit in der Systematik auch Grundsätze der Kostenstrukturierung bei der Kostenplanung von Flächenent- und Kostenvergleichsrechnung wicklungsmaßnahmen einhalten.
Das Leistungsbuch Altlasten & Flächen- Bei der Kostenermittlung im Rahmen der entwicklung folgt in Struktur und Aufbau Flächenentwicklung können daher fol- der Methodik der Kostenermittlung im gende Kostenarten unterschieden wer- Bauprojektmanagement. Die Informati- den: onen sollen für eine Verbesserung der Kostentransparenz sorgen und das Kos- 1. der zulässige Kostenrahmen zur tenbewusstsein (Kosten-Nutzen-Überle- Formulierung der Investitionsziele gungen) fördern. Damit wird den inhaltli- einer Flächenentwicklung chen Anforderungen an eine DIN-gemä- ße Kostenermittlung entsprochen. Über 2. die Kostenschätzung am Ende verschiedene Detaillierungsgrade wer- des Vorentwurfs den Planungsgrundlagen und Informati- onen zu altlastenrelevanten Leistungen 3. die Kostenberechnung am Ende und Marktpreisen geboten. der Entwurfsplanung
In der Baukalkulation haben DIN-gemä- 4. der Kostenanschlag im Rahmen ße Kostenermittlungen den Zweck, die der Entscheidungen zur Vergabe zu erwartenden Kosten einer Baumaß- nahme als Grundlage für Planungs-, 5. die Kostenfeststellung nach Ausführungs- und Investitionsentschei- Fertigstellung des Bauvorhabens dungen möglichst zutreffend vorauszu- berechnen bzw. entstandene Kosten in 6. die Nutzungs- bzw. Betriebskos- tatsächlicher Höhe festzustellen. Kos- ten nach Inbetriebnahme. tenermittlungen sind nach einer Kosten- gliederungs-Systematik zu ordnen und
60 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Der Kostenanschlag und die Kostenfest- sches Verfahren, bei dem die zeitlich stellung sind Gewerke orientiert aufge- unterschiedlich anfallenden Kosten baut. durch Auf- und Abzinsung berücksich- tigt werden. Im Vorfeld einer Kostenver- Bei Planungsbeginn sind die Kosten gleichsrechnung sind die Ziele der be- nach (Bau-)Elementen geordnet, mit der vorstehenden Sanierungs- oder Entwick- Ausführungsvorbereitung ist nur die an lungsmaßnahme und die zur Verfügung Gewerken und Teilleistungen ausgerich- stehenden Verfahrensalternativen zur tete Ordnung sinnvoll. Damit wird deut- Zielerreichung auszuarbeiten (z.B. lich, dass Kosten der Gewerke in Ele- Pump-and-Treat vs. Reaktives System). mentekosten und Kosten der Bauele- Maßnahmenvarianten mit unterschied- mente in Kosten für Leistungen der Ge- lichem Nutzen sind nicht nur hinsicht- werke umzuwandeln sind. lich der Kosten zu vergleichen, sondern auch hinsichtlich des unterschiedlichen Neben der Kostenermittlung während der Nutzens zu bewerten. unterschiedlichen Planungsphasen für einzelne Sanierungsszenarien bzw. Maßnahmenvarianten lassen sich mit dem Leistungsbuch Altlasten & Flä- chenentwicklung auch Kostenver- gleichsrechnungen durchführen (z.B. Si- cherungs- vs. Dekontaminationsverfah- ren). Eine Kostenvergleichsrechnung stellt die einfachste Methode der analy- tischen Bewertungsverfahren dar. Der Kostenvergleich dient dazu, aus einer Reihe Alternativen mit gleichem Nutzen die kostenmäßig optimale Lösung zu er- mitteln. Damit können bereits im Vor- feld der Sanierungsentscheidung - d.h. vor der Vergabe und möglichst noch vor der Ausschreibung – Systemvergleiche durchgeführt werden, um eine weitge- hend objektive Rangfolge der zur Verfü- gung stehenden Varianten sicherzustel- len. Eine umfassende Darstellung der Kostenvergleichsrechnung geben die „Leitlinien zur Durchführung dynamischer Kostenvergleichsrechnungen (KVR-Leit- linien)“ der Bund/Länderarbeitsgemein- schaft Wasser [4].
Die KVR-Leitlinien zeigen die benötig- ten Rechentechniken sowie die wesent- lichen Kalkulationsgrundlagen auf und schematisieren den Berechnungsablauf. Es handelt sich dabei um ein dynami-
61 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Aufgabenstellung Anwendungsmöglichkeiten Beispiele für die praktische Anwendung
In frühen Planungsphasen für: ¾ Darstellung der Grundlagen einer ¾ Erstellung einer detaillierten Kostenschätzung Kostenschätzung für ¾ Systematisierung und Beschreibung von Sanierungsszenarien im Rahmen der ¾ Kostenschätzungen raum- und flächenbezogenen Sanierungsuntersuchung nach ¾ Wertermittlungen Kostenkennzahlen in Verbindung mit BBodSchV ¾ Investitionsentscheidungen objekteigenen Merkmalen (analog DIN 276) ¾ Prüfung der Kostenschätzungen durch ¾ Zusammenfassung von Kostengruppen die Behörde ¾ Schlussfolgerungen zu Grundlagen und ¾ Grundlage zur Ermittlung des Honorars Ergebnissen der Kostenschätzung von Planungsleistungen nach HOAI ¾ Finanzplanung der Haushaltsmittel für Maßnahmen der Behörden ¾ Ordnungsbehördliche Tätigkeiten, u.a. ¾ Aufwandsermittlung ¾ Prüfung der Verhältnismäßigkeit ¾ Festsetzung von Zwangsmitteln ¾ Anmeldung zur Förderung von Landesmitteln durch die Behörde
In fortgeschrittenen ¾ Klassifizierung und Zuordnung von ¾ Erstellung einer Kostenberechnung im Planungsphasen für die: Leistungen mittels: Rahmen der Sanierungsplanung bzw. ¾ Unterscheidung nach Art, Zweck, und des Sanierungsplanes nach BBodSchV Ort der Leistung ¾ Prüfung der Kostenberechnungen durch ¾ Aufstellung der ¾ Haupt-, Hilfs- und sonstige Leistungen die Behörde Leistungsbeschreibung mit ¾ Eigenständigkeit von Leistungen ¾ Grundlage zur Ermittlung des Honorars Leistungsverzeichnis oder ¾ Leistungsverflechtungen von Planungsleistungen nach HOAI Leistungsprogramm ¾ Leistungszuordnung ¾ Ausschreibung von Leistungen für ¾ Kostenberechnung ¾ Darlegung der Methodik der Flächenentwicklungen / ¾ Kostenverursachung Kostenberechnung Altlastensanierungen ¾ Kostenbeeinflussung ¾ Beschreibung der Ursache-Wirkungsbereiche ¾ Kostensteuerung in der in den Kosten mittels Kostenanalyse in Maßnahmenplanung mehreren Planungsebenen ¾ Darlegung der Kostenverursachung und Kostenbeeinflussung ¾ Vergleichende Kostenberechnung zur Kostensteuerung ¾ Ermittlung des Einflusses des Bauentwurfs auf die Baukosten
¾ Kostencontrollings ¾ Beschreibung von Kosten und Leistungen ¾ Kostenanschlag und auf dem Weg zum Kostenanschlag mittels Kostenfeststellung in Leistungsbegriff und Leistungsbeschreibung Bauvorbereitung und nach VOB (Leistungsverzeichnis, Bauausführung Leistungsprogramm) ¾ Kostencontrolling in der Bauausführung / Bauüberwachung (Einfluss der Ausschreibung sowie der Preis- und Vertragsart bei öffentlichen und privaten Auftraggebern auf das Budget) ¾ Kostenfeststellung und Dokumentation der Baukosten mittels: ¾ Feststellung der Maßnahmenkosten (je nach geltender Vertragsform) ¾ Kostenfeststellung nach Kostengruppen ¾ Kostenkennwerten Liquiditätsplanung
¾ Kostenvergleichsrechnung ¾ Systematisierung der bewertungsrelevanten ¾ Kostenvergleichsrechnung im Rahmen Kosten der Sanierungsuntersuchung nach ¾ Ermittlung der Kostenbarwerte und BBodSchV Jahreskosten für mehrjährige Sanierungsvorhaben ¾ Kostengegenüberstellung ¾ Unterstützung der Sensitivitäts-analyse
¾ Kostenwirksamkeitsanalyse ¾ Hinweise zur Nutzenermittlung ¾ Kostenwirksamkeitsanalyse und Nutzen- und Nutzen-Kosten- ¾ Indikatoren Kosten-Untersuchung im Rahmen der Untersuchung ¾ Kostenbarwerte Sanierungsuntersuchung nach ¾ Nutzen-Kostenvergleich BBodSchV
Tabelle 1: Generelle Aufgabenstellungen im Zusammenhang mit Altlasten und Flächenentwick- lungsmaßnahmen, damit verbundene Anwendungsmöglichkeiten und Beispiele für die praktische Anwendung des Leistungsbuchs Altlasten & Flächenentwicklung
62 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Informations- und Datenermittlung Aufbau und Benutzungshinweise im Rahmen der Erstellung des Leis- tungsbuchs Das Leistungsbuch Altlasten & Flächen- entwicklung strebt in seiner Systematik Um die Projektkalkulationen mit Markt- eine möglichst hohe Konformität zur preisen zu hinterlegen, wurden Leis- VOB an und orientiert sich - soweit mög- tungsverzeichnisse abgeschlossener lich - inhaltlich und fachlich an den Stan- und laufender Baumaßnahmen, Aus- dardleistungsbüchern (StLB) für das künfte und Angebote von Sanierungsan- Bauwesen1. Da ein Großteil sanierungs- bietern sowie die Kostenfeststellungen relevanter Leistungen Bauleistungen her- aus abgeschlossenen Sanierungsfällen kömmlicher Art und die StLBer Aus- bundesweit recherchiert. Für die Einzel- schreibungshilfen der öffentlichen Bau- gewerke wurden Kostenansätze mit ih- verwaltung sind, wurde hier Wert auf ren wichtigsten Kosteneinflussfaktoren größtmögliche Übereinstimmung gelegt. zusammengefasst. Mit der Erarbeitung einer DV-Version im GAEB-Format wird das Leistungsbuch Zur fachlichen Beratung und zur Unter- nun auch als Kalkulations- und Aus- stützung der erforderlichen Informations- schreibungshilfe für gängige AVA-Pro- und Datenrecherche wurde ein länder- gramme zur Verfügung stehen. übergreifender, projektbegleitender Ar- beitskreis eingerichtet. Beteiligt waren Die Beschreibung der Leistungsbereiche Vertreter von Bundes- und Landesbehör- erfolgt im Wesentlichen dreigeteilt. den, Kommunen, Sanierungs- und Ent- a) Technische und rechtliche Kurz- wicklungsgesellschaften sowie privaten beschreibung Unternehmen. Mitglied des Arbeitskrei- ses war auch die Oberfinanzdirektion Im Eingangskapitel werden die Inhalte Hannover als Leitstelle des Bundes für und Planungsgrundlagen jedes Leis- Boden- und Grundwasserschutz. Im tungsbereiches mit Hinweis auf relevan- Rahmen der Recherche von abgeschlos- te Regelwerke und Gesetzestexte zu- senen Altlasten- und Flächenentwick- sammenfassend dargestellt. lungsmaßnahmen wurden 961 Behör- den, Verbände, Unternehmen und Inge- b) Leistungsbeschreibung mit Kos- nieurbüros kontaktiert. Seitens der an- tenansatz gefragten Institutionen wurden 568 ab- geschlossene Baumaßnahmen der Jah- Zur anschließenden orientierenden Kos- re 2001 bis 2004 mit insgesamt 1770 tenschätzung wurden für ausgewählte einzelnen Bietern zur Auswertung zur Leistungsbereiche Kostenmodule abge- Verfügung gestellt. Dabei wurden allein leitet. Das Kostenmodul stellt einen seitens des projektbegleitenden Arbeits- Modellansatz zur überschlägigen Kos- kreises und der über die OFD Hannover tenermittlung auf der Grundlage weniger beteiligten staatlichen Bauverwaltungen Kenngrößen dar. Mit Hilfe der Kosten- 419 altlastenrelevante Fälle mit 1254 module ist eine Kostenschätzung auch Bietern beigebracht. Die Auswertung der für Anwendungsfälle möglich, für die die Leistungsverzeichnisse erfolgte in notwendigen Detailangaben zu Massen anonymisierter Form, d.h. ohne Regist- / Mengen / Stoffinventar o.ä. zur Kalku- rierung von Auftraggeber und Bieter. lation von Einzelpositionen nicht vorlie- gen. Durch Zusammenführen der Kos-
63 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen tenermittlungen mittels der Module kön- ben. Bei der Anwendung der Leistungs- nen die Kosten der Gesamtmaßnahme register ist zu beachten, dass die als größenordnungsmäßig kalkuliert wer- „alte“ Preise markierten Daten aufgrund den. Für einige Leistungsbereiche sind der Marktentwicklung zumeist überhöh- Module aufgrund der spezifischen Kos- te Kostenansätze darstellen. Für Leis- tenstruktur nicht ableitbar. tungsbereiche, die derzeit noch nicht Eine detaillierte Kostenschätzung wird dem Stand der Sanierungstechnik ent- mit Hilfe der Leistungsregister durchge- sprechen (wie z. B. Elektrokinetik, Re- führt. Ein Leistungsregister enthält die aktive Systeme) und für die keine aus- wichtigsten Positionen des jeweiligen wertbaren Kostenangaben vorlagen, Leistungsbereiches mit Einzelpreisanga- wurden keine Leistungsregister erstellt. ben. Das Leistungsregister dient der Leistungsbeschreibungen erfolgen durch Vorkalkulation einzelner Gewerke. Die einen 6-ziffrigen Code. Die ersten 4 Zif- Anwendung der Register erfordert detail- fern besitzen systematischen Charak- lierte Standortkenntnisse. Leistungsre- ter: Mit den ersten 2 Ziffern wird der Leis- gister sind analog zu den Standardleis- tungsbereich gekennzeichnet; die 3. und tungsbüchern für das Bauwesen (StLB) 4. Ziffer dienen der weitergehenden Glie- strukturiert. Da die meisten sanierungs- derung des Leistungsregisters in Titel. und flächenentwicklungsrelevanten Leis- Die letzten beiden Ziffern beschreiben die tungen Bauleistungen herkömmlicher Art eigentliche Leistung (Abb. 1). darstellen, wurde hier eine größtmögli- Die angegebenen Einheitspreise verste- che Konformität mit den Kalkulations- hen sich als fertige Leistungen ein- bedürfnissen des konventionellen schließlich der Kosten für Lohn und Bauwesens angestrebt. Die Leistungs- Material exklusive der Mehrwertsteuer. register des Leistungsbuches Altlasten Die Preise stammen im Wesentlichen & Flächenentwicklung 2004 / 2005 [1] aus Baumaßnahmen der Jahre 2001 bis wurden entsprechend der vorhandenen 2004. Alle Preise wurden gründlich re- Datengrundlage aktualisiert und erwei- cherchiert; allerdings muss dem Anwen- tert. Für einzelne Positionen, für die der bewusst sein, dass eine Reihe keine aktuellen Kosten recherchiert wer- standortspezifischer Rahmenbedingun- den konnten, wurden die Einzelpreise gen die Kostenansätze nach oben oder des Leistungsbuches Altlasten & Flä- unten verändern können. Unterschiedli- chenentwicklung 1997 / 1998 [2] über- che Kosteneinflussparameter können im nommen. Diese „alten“ Preise sind durch Einzelfall stark variierend wirken. Kleindruck und „*“ optisch hervorgeho-
Leistungsbuch Altlasten & Flächenentwicklung Bodenaushub, Erdarbeiten, Separierung Verzeichnis-Nr. 30-00-00
Leistungsbereich: Titel: Leistung: 30- 02- 01 Bodenaushub, Erdarbeiten, Separierung Oberbodenarbeiten Oberboden (DIN 18 300) abtragen; im Baustellenbereich in Mieten aufsetzen
Abbildung 1: Beispiel für die Beschreibung von Leistungen
64 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Für einzelne Leistungspositionen wer- Beispiel: LB-Pos. 30-02-01 „Boden lö- den Kostenspannen (von - bis) und ein sen, laden und seitlich lagern“ (Kap.6.3): Durchschnittspreis (∅) angegeben.
KostenLB30-02-01 = Grundpreis ⊗ f[Baugrubenbedingungen] ⊗ f[Aushubvolumen] ⊗ f[Aushubtiefe] ⊗ f[Bodenklasse] ⊗ ggf. f[gesonderte Separierung]
Dabei geben die Durchschnittspreise Literatur nicht das arithmetische Mittel aus Höchst- und Niedrigstpreis, sondern ei- [1] LUA NRW (2005): Leistungsbuch nen gestützten Mittelwert der Datenbank Altlasten und Flächenentwicklung 2004/ (unter Ausblendung der Höchst- und 2005.-Materialien zur Altlastensanierung Niedrigstpreise) über die Summe aller und zum Bodenschutz (MALBO), Band jeweils recherchierten Preise für eine 20, Landesumweltamt NRW, Essen. Leistung wieder. Zur Abschätzung der [2] LUA NRW (1998): Leistungsbuch Datenqualität wird die Anzahl der Altlastensanierung und Flächenentwick- zugrunde liegenden Leistungspositionen lung 1997/1998 - Materialien zur Altlas- vergleichbarer Maßnahmen dem Kosten- tensanierung und zum Bodenschutz ansatz nachgestellt. (MALBO), Band 5, Landesumweltamt Sollten einige Kosteneinflussparameter NRW, Essen. für das zu kalkulierende Bauprojekt [3] Deutsches Institut für Normung e. besonders wirksam sein, so sind die V.: DIN 276, Kosten im Hochbau, Aus- Durchschnittspreise - entsprechend dem gabe 1993-06. Gewicht und der Anzahl der in Betracht zu ziehenden Einflussparameter - für [4] LAWA (2005): KVR-Leitlinien, 7. den kalkulatorischen Ansatz nach oben überarbeitete Auflage, Berlin 2005. oder nach unten zu verändern. Bei eini- gen Leistungspositionen gibt das Leis- tungsbuch Altlasten & Flächenentwick- lung bereits einen oder mehrere Preis e verändernde Einflussparameter vor.
Die Kosteneinflussgrößen sind den kal- kulatorischen Durchschnittspreisen in Kursivschrift nachgestellt. Sie fungieren als Faktor, der einer prozentualen Ver- änderung des Grundpreises nach oben oder unten entspricht. Bei der Kalkula- tion der jeweiligen Positionen sind sie als Multiplikator auf den Durchschnitts- preis anzuwenden. Sofern die Kosten einer Leistung durch mehrere Einfluss- größen bestimmt werden, so sind die maßgeblichen Faktoren der jeweiligen Einflussgrößen nacheinander mit dem Grundpreis zu multiplizieren.
65 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.1.5 Kommunales Flächenmanagement und das „Bündnis zum Flächensparen“ die Strategie zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme in Bayern
Claus Hensold
Einleitung aller am Planen und Bauen Beteiligten - der kommunalen Spitzenverbände, Kir- Die Reduzierung der Flächeninanspruch- chen, Universitäten sowie von Architek- nahme ist ein umweltpolitischer Schwer- ten-, Planer- und Umweltverbänden - er- punkt der Bayerischen Staatsregierung. möglicht eine Sensibilisierung, Bewusst- Eine abgestimmte Strategie zwischen seinsbildung und Umsetzung auf breiter den für Umwelt, Bauen, Raumordnung Basis. und Ländliche Entwicklung zuständigen Ministerien ermöglicht eine umfassen- Rahmenbedingungen de Integration des Flächensparens in die einzelnen Fachbereiche. Bayern weist als Flächenstaat und größ- tes Bundesland eine Flächeninanspruch- Aufgrund seiner Größe ist Bayern ein nahme von 15,2 ha/Tag (2004) auf. Der siedlungs- und wirtschaftsstrukturell Anteil der Siedlungs- und Verkehrsflä- heterogenes Land. Die Bemühungen zur che an der Landesfläche ist mit 10,7 % Reduzierung der Flächeninanspruchnah- (2003) im Bundesvergleich (12,6 %) eher me treffen deshalb auf unterschiedlichste niedrig. Rechnet man die Flächeninan- Rahmenbedingungen. Einen Königsweg spruchnahme auf die Bevölkerung um, zum Flächensparen kann es daher nicht so befindet sich Bayern etwas oberhalb geben. Der Anfang wurde in Bayern mit des Bundesdurchschnitts im Mittelfeld. dem Kommunalen Flächenressourcen- Management gemacht, mit dem eine Die Entwicklung der Siedlungs- und Ver- erprobte Handlungshilfe für die Umset- kehrsfläche wird von mehreren Rahmen- zung einer flächensparenden Siedlungs- bedingungen beeinflusst. Bestimmende entwicklung den Kommunen an die Einflussfaktoren sind zum einen die Hand gegeben wurde. Das Kommunale Wanderungsbewegungen und die wirt- Flächenressourcen-Management be- schaftliche Entwicklung. Bayern ist rücksichtigt unterschiedliche Ausgangs- weiterhin ein attraktiver Zuwanderungs- bedingungen und stellt eine einheitliche raum, der in den Jahren 2000 bis 2003 Basis für die Umsetzung der flächenspa- durchschnittlich einen Wanderungsge- renden Siedlungsentwicklung, unter an- winn von rund 70.000 Einwohnern erfuhr. derem auch im Rahmen der Städtebau- Zum anderen wird die Flächeninan- förderung und der Ländlichen Entwick- spruchnahme von der Entwicklung der lung, dar. Haushaltsgrößen und dem individuellen Wohnflächenbedarf beeinflusst. So stieg Das 2003 gegründete „Bündnis zum Flä- in Bayern die Zahl der Privathaushalte chensparen“ bietet eine Plattform zur von 1970 bis 2003 um 154 % an, die Vernetzung der bayerischen Aktivitäten Zahl der Einpersonenhaushalte entwi- zum Flächensparen. Die Einbindung ckelte sich im gleichen Zeitraum über- durchschnittlich um 224 %. Hierdurch
66 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement sank die durchschnittliche Haushalts- den vor allem die Bedürfnisse kleiner und größe von 2,83 auf 2,21 Personen1 und mittelgroßer Kommunen berücksichtigt. die Wohnfläche pro Einwohner stieg auf Auf der Basis einer Bestandserhebung 42,9 m². innerörtlicher Entwicklungspotenziale werden die Handlungsfelder Flächenre- Auch Handel und Gewerbe tragen durch cycling, Baulückenaktivierung, Nachver- eine Ansiedlung vorzugsweise auf der dichtung, flächensparendes Bauen und grünen Wiese, durch Eingeschossigkeit Begrenzung der Versiegelung sowie und zunehmenden Raumbedarf pro Ar- Entsiegelung thematisiert und mit Bei- beitsplatz zur Flächeninanspruchnahme spielen, Handlungshilfen, Checklisten bei. So hat in den Jahren 1997 bis 2000 und Musterschreiben versehen. Die die Gebäude- und Freifläche in Bayern Handlungsfelder werden dabei als inte- um 7,8 % zugenommen. Handel und grierte Bestandteile einer nachhaltigen Dienstleistungen hatten dabei zusam- Siedlungsentwicklung angesehen. Die men mit Gewerbe und Industrie prozen- Arbeitshilfe, deren Erstellung durch Wis- tual mit +27,8 % ein deutlich stärkeres senschaftler, Planer, Architekten und die Wachstum als Wohnen (+10,5 %) und kommunalen Spitzenverbände begleitet Verkehr (+9,3 %) zusammen2. wurde, liegt mittlerweile in der zweiten Auflage vor und findet großen Anklang. Ein direkter Zusammenhang zwischen Sie wurde allen bayerischen Kommunen den geschilderten Einflussfaktoren und zugesandt und auf Veranstaltungen in der Flächeninanspruchnahme besteht allen Regierungsbezirken von den jedoch nicht, da auch in wachstums- und Staatsministerien für Umwelt und Land- strukturschwachen Gebieten eine deut- wirtschaft und der Obersten Baubehör- liche Zunahme der Siedlungs- und Ver- de im Staatsministerium des Innern den kehrsfläche stattfindet. Weitere, schwer Bürgermeistern vorgestellt und mit die- quantifizierbare Einflussfaktoren, wie sen diskutiert. z.B. die lokale Ansiedlungspolitik und die interkommunale Konkurrenz müssen Die Erprobung des Kommunalen Flä- deshalb berücksichtigt werden. chenressourcen-Managements in vier unterschiedlich strukturieren Modell- Ein positiver Nebeneffekt der momenta- kommunen zeigte, dass mit vertretba- nen Schwäche der Baukonjunktur ist die rem Aufwand qualitativ hochwertige Da- raumordnerisch gewünschte Lenkung ten für ein Baulücken- und Brachflächen- der Bautätigkeiten im Wohnungsbau auf kataster gewonnen werden können. Die die zentralen Orte. Während die Anzahl Bestandserhebungen ergaben, dass der Baugenehmigungen in Bayern 2005 zwischen 14 und 36 % der Gebäude- um rund 20 % zurückgegangen ist, ver- und Freiflächen in den Modellkommunen zeichneten die kreisfreien Städte eine innerörtliches Entwicklungspotenzial 3 Zunahme in gleicher Größenordnung . besitzen. Diese Daten zeigen nicht nur die Qualität der örtlichen Siedlungspla- Kommunales Flächenressourcen- nung, sie tragen damit in hohem Maße Management zur Steigerung des Problembewusst- Das Kommunale Flächenressourcen- seins in den örtlichen Entscheidungs- Management gibt den Kommunen eine gremien bei. Eigeninitiativen und weite- erprobte Arbeitshilfe4 für eine vorrangige re kommunale Aktivitäten zur Innenentwicklung zur Hand. Dabei wer-
67 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Aktivierung der Baulandpotenziale wer- sollen dadurch in die Lage versetzt und den in diesem Umfeld erleichtert. animiert werden, selbst innerörtlich vor- handene Potenziale aufzuspüren, zu Bündnis zum Flächensparen erfassen und Vorschläge für deren Nut- zung zu entwickeln. Billigung und Un- Das am 29. Juli 2003 auf Initiative des terstützung durch den Bürgermeister bayerischen Städtetags gegründete und die örtliche Verwaltung helfen die „Bündnis zum Flächensparen“ vereinigt Ergebnisse in die kommunalen Pla- unter der Federführung des bayerischen nungsprozesse einzuspeisen. Umweltministeriums derzeit 30 Bündnis- Mit mehreren Aktivitäten trägt die städ- partner, darunter die kommunalen Spit- tebauliche Sanierung und Entwicklung zenverbände, Kirchen, Universitäten, zum Aktionsprogramm bei. Innerhalb der Architekten-, Planer- und Umweltverbän- Stadterneuerung und der Städtebauför- de - mit steigender Tendenz. Die Bünd- derung in Bayern hat sich die Brachflä- nispartner verpflichten sich in einer so- chenkonversion zu einem Schwerpunkt genannten „Gemeinsamen Erklärung“ entwickelt. Die Brachflächenkonversion zum sparsamen Umgang mit Böden und ist dabei Teil einer umfassenden struk- zur Förderung des Bewusstseins für das turellen Erneuerungsstrategie in den Flächensparen in ihrem Einflussbereich. bayerischen Städten und Gemeinden. Ziel des Bündnisses ist die Entwicklung Mit Hilfe der Städtebauförderung haben und Umsetzung konkreter Maßnahmen sich von 1990 bis 2000 beispielsweise zum Flächensparen auf Landesebene. 27 Städte und Gemeinden in Bayern auf So wurde Anfang 2005 ein Aktionspro- 35 militärischen Liegenschaften mit ei- 5 gramm mit ca. 40 Aktivitäten und ner Fläche von über 1.300 ha mit der insgesamt rund 80 Maßnahmen veröf- zivilen Nachfolgenutzung befasst. In die- fentlicht. Die Maßnahmen befinden sich sem Zeitraum konnten die Kommunen derzeit in der Umsetzung oder sind mit staatlichen Finanzhilfen von bereits abgeschlossen. Durch ein inter- insgesamt 19,6 Mio. Euro unmittelbare nes Controlling wird der Stand der Um- städtebauliche Investitionen in Höhe von setzung der Maßnahmen laufend doku- 29 Mio. Euro tätigen8. mentiert. Auch im Rahmen der Dorferneuerung Für die Aktivitäten beispielhaft zu nen- und ländlichen Entwicklung sollen Flä- nen ist die Einrichtung einer Best- chenmanagement und Innenentwicklung Practice-Datensammlung im Internet6, in ein noch stärkeres Gewicht erfahren. der nach Themenfeld und Regierungs- Hierzu wird im Jahr 2006 vom bezirk gute Beispiele einer nachhaltigen bayerischen Landwirtschaftsministerium und flächenschonenden Entwicklung aus das Aktionsprogramm „Dorf v i t a l“ ge- bayerischen Kommunen vorgestellt wer- startet. Im Mittelpunkt stehen dabei die den. Ein weiteres Beispiel aus dem Ak- gemeindebezogene Bestandsanalyse, tionsprogramm ist die Einbeziehung von die bauliche und soziale Entwicklung in kommunalen Agenda-Gruppen. Hierfür Dörfern und Dorfkernen, das Bodenma- wurde ein Agenda-Baustein7 veröffent- nagement in Dorf und Flur, die Qualifi- licht, in dem die Vorgehensweise bei der zierung und aktive Bürgermitwirkung Ermittlung innerörtlicher Potenziale, die sowie die Erarbeitung gemeindeübergrei- vorab in Modellgemeinden getestet wur- fender Problemlösungen. de, aufbereitet und dargestellt ist. Die Um das Flächenrecycling bei Altlasten Agenda-Gruppen in kleinen Gemeinden und schädlichen Bodenveränderungen
68 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement verstärkt zu unterstützen, ist die Erstel- von Infrastrukturen aufweisen, Leerstän- lung eines Praxisratgebers „Flächenre- de und disperse Entwicklungen jedoch cycling“ geplant. Weiter ist als Ergän- die kommunalen Finanzen belasten. zung der bestehenden Förderprogramme im Rahmen des „Umweltpakts Bayern“ Gleichzeitig birgt die demographische geplant, auch die Erkundung und Sanie- Entwicklung erheblichen Sprengstoff, der rung kommunaler Altlasten (alte Müllkip- noch lange nicht von allen Kommunen pen) zu fördern. erkannt wurde. Neben Stagnation und Unter dem Bündnis-Schwerpunkt „Be- teilweisem Bevölkerungsrückgang for- wusstseinsbildung“ werden laufend Vor- dert vor allem der Wandel in der Alter- tragsveranstaltungen und Tagungen zum struktur eine Anpassung der Siedlungs- Thema Flächensparen durchgeführt. und Infrastrukturen. Derzeit wird ein weiteres Maßnahmen- paket gemeinsam mit den Bündnispart- Als Fazit langjähriger Befassung mit nern entwickelt. Wesentliche Aktivitäten dem Thema bleibt die Erkenntnis, dass dabei werden eine Wanderausstellung die Bewusstseinsbildung in der Öffent- zum Flächensparen und eine regelmä- lichkeit weiter eine der wichtigsten Auf- ßige Veranstaltung zum Thema Flächen- gaben der staatlichen Bemühungen zum sparen bei der Akademie für Naturschutz Flächensparen bleibt. Nur wenn es ge- und Landschaftspflege in Laufen sein. lingt, die allgemein anerkannten Vortei- le der Innenentwicklung für jeden Ein- Ausblick zelnen und die Kommunen auch in akti- ve Entscheidungen umzusetzen, wer- Der anhaltende Rückgang der Flächen- den wir nachhaltigen Erfolg haben. inanspruchnahme unterstützt die vielfäl- tigen Bemühungen zum Flächensparen. Ob die auf Grund verschiedener Studi- Vom Höchststand in den Jahren 1997- en9 derzeit in den Medien publizierte 2000 mit 28,4 ha/Tag in Bayern ist die „Renaissance der Innenstädte“ einen Flächeninanspruchnahme um annä- dauerhaften Trend darstellt, kann heute hernd 50 % auf 15,2 ha/Tag im Jahr 2004 noch nicht gesagt werden. Eine gute zurückgegangen. Auch wenn die Bemü- Versorgung mit Gütern und Dienstleis- hungen zur Reduzierung der Flächenin- tungen, kurze Wege und ein vielfältiges anspruchnahme auf zunehmende Reso- Kulturangebot sind jedoch Attraktivitäts- nanz in der Öffentlichkeit, in der Politik merkmale, auf die in der Bevölkerung und bei den kommunalen Entschei- nicht zuletzt wegen der Explosion der dungsträgern stoßen, so ist derzeit noch Mobilitätskosten zunehmend Wert ge- die Konjunktur die Haupttriebfeder die- legt wird. ser Entwicklung. Deshalb gilt es, die- sen Trend weiter zu verstetigen und zu einem Element nachhaltiger Sied- lungs-, Wirtschafts-, Sozial- und Um- weltpolitik zu machen.
Aktuelle Studien aus Deutschland, Ös- terreich und der Schweiz zeigen, dass kompakte, auf Innenentwicklung gerich- tete Siedlungsstrukturen deutliche finan- zielle Vorteile bei Aufbau und Unterhalt
69 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Literatur 8 Oberste Baubehörde im Bayerischen 1 Staatsministerium des Innern (2004): Bayerisches Landesamt für Statistik und Flächenmanagement und Brachflächen- Datenverarbeitung, Statistik kommunal konversion 2003; Stat. Jahrbuch 2004 – Möglichkeiten der Städtebauförderung 2 www.staedtebaufoerderung.bayern.de Statistisches Bundesamt, Bodenfläche 9 nach Art der tatsächlichen Nutzung, DIFU-Berichte 1/2 2005, Berlin; BAT Frei- 2001 zeit-Forschungsinstitut, Forschung ak- 3 tuell 188 Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, Pressemeldung 135 vom 15.11.2005 4 Bayerisches Staatsministerium für Um- welt, Gesundheit und Verbraucher- schutz, Oberste Baubehörde im Bayer- ischen Staatsministerium des Innern (2003): Arbeitshilfe Kommunales Flä- chenressourcen-Management, 2. Aufla- ge, kostenloser Bezug beim Bayer. Lan- desamt für Umwelt 5 Bayerisches Staatsministerium für Um- welt, Gesundheit und Verbraucher- schutz, Oberste Baubehörde im Bayer- ischen Staatsministerium des Innern (2005): Bündnis zum Flächensparen – Aktionsprogramm 2005, München 6 www.boden.bayern.de 7 Bayerisches Landesamt für Umwelt (2005): Flächensparen und kommunale Agenda 21 - Baustein Nr. 11 KOMMA 21, Augsburg.
70 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
2.2 Kommunales Flächenmanagement
2.2.1 Nachhaltiges Bauflächenma- ¾ Schließen von Baulücken und nagement Stuttgart (NBS) Mobilisieren von innerörtlichen Baulandpotenzialen (Baulücken, 2.2.2 Bretten - Mit dem Flächenka- untergenutzte Flächen) russell zum erfolgreichen Stadtumbau ¾ Optimieren des Nutzwertes von Flächen 2.2.3 Kommunales Flächenmanage- ment in Freiberg ¾ Wiedernutzung von Brachflächen und der Umgang mit Altlasten 2.2.4 Görlitzer Strategie zur Zukunft der Stadt ¾ Erhalt und Wiederherstellung der Funktionen von Böden und Freiflä- Für Kommunen wird es zunehmend chen wichtiger, ein kommunales Flächenma- nagement zu realisieren. Faktoren sind ¾ guter Umgang mit Bodenmaterial dabei u.a. ihre limitierten Entwicklungs- bei Baumaßnahmen möglichkeiten nach außen, da z. B. naturräumliche Grenzen keine weitere ¾ Minimierung des Expansion zulassen (Täler, Land- Versiegelungsgrades schaftsschutzgebiete, Wälder) oder auch die durch ein Brachfallen von in- ¾ Schutz leistungsfähiger Böden nerörtlichen Grundstücken verursachten ¾ Schutz und Entwicklung von Imagebeeinträchtigungen, die zu einer Freiflächen. Verminderung der Lebensqualität für die Einwohner führen. Neben diesen Arbeitshilfen zum haus- hälterischen und sparsamen Umgang Unabhängig von den Erfahrungen einzel- mit Boden und Fläche, gibt es bereits ner Kommunen mit einem Flächenma- seit Jahren Städte und Gemeinden, die nagement, wurden auf Länderebene erst- ein eigenes Flächenmanagement - z. T. malig zunächst in Baden-Württemberg in Kooperation mit Gemeinden aus der und Bayern umfassende Arbeitshilfen Stadtregion - etabliert haben und hier zum kommunalen Flächenmanagement praktische Ergebnisse vorweisen kön- erarbeitet, weitere Bundesländer folgten. nen. Die nachfolgenden Beispiele spie- Hierzu werden folgende Themenbereiche geln einige Erfahrungen wider. gezählt:
71 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.2.1 Nachhaltiges Bauflächenmanagement Stuttgart (NBS)
Nils Krieger, Matthias Schmid
Die Ausgangslage Stuttgarts Grenze des Siedlungsflächenwachs- tums nahezu erreicht. Stuttgart ist Kernstadt einer Region mit 2,6 Mio. Einwohnern. Der Raum gehört Der im Jahr 2000 genehmigte Flächen- zu den wachsenden Regionen Deutsch- nutzungsplan 2010 der Landeshaupt- lands mit anhaltendem Siedlungsdruck. stadt Stuttgart räumt - unter dem Leit- Dabei richtet sich die Nachfrage vor al- bild: „Stuttgart 2010 – kompakt, urban, lem auf zusätzliche Wohnbauflächen. grün“ - der Innenentwicklung einen deut- lichen Vorrang vor der Inanspruchnah- Die Einwohnerzahl ist in Stuttgart mit me von Neubauflächen ein. Er geht davon 590.000 Einwohnern in den letzten Jah- aus, dass der Flächenbedarf für Woh- ren nahezu konstant geblieben. Die ak- nen und Arbeiten weitgehend durch Bau- tuelle Einwohnerprognose geht von ei- flächenpotenziale im Bestand gedeckt ner geringen Einwohnerabnahme von mi- werden kann. nus 15 000 Einwohnern bis 2015 aus. Städtebauliches und wohnungspoliti- Projekt „Nachhaltiges Bauflächen- sches Ziel ist es, die vorhandenen Ein- management Stuttgart (NBS)“ wohnerzahl zu halten. Das Prinzip „Vorrang der Innenent- Mit ca. 50 % besiedelter Fläche ist in wicklung“ erfordert deutlich größere Stuttgart in seiner besonderen, stark Anstrengungen aller Beteiligten bei der gegliederten topographischen Lage die Mobilisierung der möglichen Nachver- dichtungs-, Umnutzungs- und Wiedernutzungspotenziale in 6 5,5 5,2 Bedarf den bereits bebauten Gebie- 5 Fläche im Bestand ten. Mit dem Projekt „Nach- Neubauflächen haltiges Bauflächenmanage- 4 3 3,2 ment Stuttgart (NBS)“ konn- 3 2,5 ten – im Rahmen des For- 2 schungsprogramms BW- 2 Mio.qm GF Mio.qm 1,3 Plus des Landes Baden- 0,8 1 0,5 Württemberg – in den Jahren 2001 – 2003 neue Wege und 0 Strategien zur Stärkung der Gesamt Wohnen Arbeiten Innenentwicklung erforscht und angewandt wer- den. Abbildung 1: Bauflächenpotenziale FNP 2010 Die systematische Erfassung der beste- henden Potenziale, der Aufbau einer In- formationsplattform sowie die Erarbei- tung von Handlungsstrategien für die
72 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Stadt sind die wesentlichen Bausteine nagement in Stuttgart abgeleitet und diese Projektes. vom Gemeinderat beschlossen.
Über 350 Areale mit Bauflächenpoten- Handlungskonzept für ein nachhal- zialen (Mindestgröße 2 000 m² mögliche tiges Bauflächenmanagement Geschossfläche) wurden erfasst. Die Gesamtkapazität dieser Standorte be- Die Schwerpunkte dabei liegen zunächst trägt ca. 500 ha Grundstücksfläche bzw. bei der Stärkung der operativen Basis. 5,5 Mio. m² Geschossfläche. Die Poten- In der ressortübergreifenden Arbeits- ziale reichen rechnerisch aus, um den gruppe NBS werden alle Aktivitäten der Erweiterungsbedarf der nächsten 10 bis Stadt zur Förderung der Innenentwick- 15 Jahre zu decken. Die Übersicht zeigt, lung koordiniert. In Zusammenarbeit mit dass in Stuttgart nur wenige größere, der Wirtschaftsförderung, dem Amt für zusammenhängende Areale zur Verfü- Stadtplanung und Stadterneuerung, dem gung stehen. Der überwiegende Anteil Amt für Umweltschutz und dem Amt für der Flächen ist kleiner als 5 ha. Liegenschaften und Wohnen wird die NBS-Informationsplattform regelmäßig Für alle erfassten Standorte sind die aktualisiert. Alle 2 Jahre wird ein Lage- wichtigsten Daten und Informationen, bericht zum erreichten Stand der Innen- mit Luftbild und Lageplan in einer entwicklung erstellt. internetbasierten, passwortgeschütz- ten Informationsplattform eingearbei- Die Aktivitäten der Stadt werden konzen- tet. Das Internet zeigt sich hier für die triert auf räumliche Schwerpunkte. Verwaltung und Pflege der Informationen Dies sind, wie in der Übersicht erkenn- sowie deren interne und externe Nutzung bar, als ideale Plattform. Auf der Grundlage dieser NBS-Informationsplattform wurde ¾ die Entwicklungsachse vom die öffentliche Web-Seite www.stuttgart- Neckartal über die „City Prag“ zu den bauflaechen.de generiert und damit ein Industriestandorten Feuerbach und Beitrag zur Förderung der Flächenver- Zuffenhausen marktung geleistet. ¾ die Gebiete des Städtebauprojektes Nach der ca. 2-jährigen Testphase der Stuttgart 21 Informationsplattform wurden die Daten ¾ die Industriegebiete Weilimdorf im in das stadteigene GIS-System inte- Norden und Vaihingen/Möhringen im griert. Sie sind damit noch komfortabler Süden für alle Akteure in der Verwaltung nutz- bar. ¾ als besondere Schwerpunkte der Innenentwicklung die Umfelder von Im Rahmen des NBS-Forschungsprojek- fünf S- und U-Bahnhöfen. tes wurden mit so genannten Testpla- nungen, bzw. Vorstudien für 10 ausge- wählte Standorte die wesentlichen Hemmnisse erkundet, die eine Flächenaktivierung erschweren. Auf die- ser Grundlage wurde ein Handlungskon- zept für ein nachhaltiges Bauflächenma-
73 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Neben diesen konzeptionellen Ansätzen ist die gezielte Förde- rung von einzelnen Modellprojek- ten für die Innenentwicklung vor- gesehen.
Ausblick
Trotz der vergleichsweise güns- tigen wirtschaftlichen Voraus- setzungen in Stuttgart wird auch hier die Innenentwicklung in Zukunft kein „Selbstläufer“ sein. Abbildung 2: Güterbahnhof Bad Cannstatt (Mas- terplan Olympia, Büro Auer+Weber) Für die Umsetzung des Leitbildes des Flächennutzungsplans: Stuttgart 2010 – Die Bereitstellung zusätzlicher Haus- kompakt, urban, grün – sind eine Reihe haltsmittel könnte die Innenentwick- großer Projekte in Arbeit. Die Projekte lung deutlich stärken. Stuttgart 21 (Abb. 2), Güterbahnhof Davon profitieren sollten insbesondere Bad Cannstatt, City Prag und Alte folgende Handlungsfelder: Messe Killesberg zeigen modellhaft auch die Qualitätsstandards, die im ¾ die städtische Liegenschaftspolitik Rahmen einer nachhaltigen Innenent- durch die Einrichtung eines revolvie- wicklung umgesetzt werden sollen: renden Grundstücksfonds für die Innenentwicklung (bisher in ¾ die Sicherung einer gesunden Mi- Stuttgart nicht umgesetzt) schung von Wohnen und Arbeiten
¾ der städtische Altlastenfonds ¾ die Stärkung zentraler Standorte und des Umfeldes von S- und U- ¾ ein städtisches Programm zur För- Bahnhöfen derung der Wiedernutzung von städ- tebaulich bedeutsamen Gewerbe- ¾ behutsamer Umgang mit bestehen- brachen, das nach dem Vorbild des der Bausubstanz Verbandes Region Stuttgart aufge- ¾ optimale städtebauliche Dichte, legt werden soll. Dabei sollen die Aufwendungen für die planerische ¾ Sicherung der notwendigen Grünver- Vorbereitung und die Altlastener- sorgung kundung zu 50 % von der Stadt über- nommen werden. Mit Hilfe von Pla- ¾ eine hohe Qualität der Gestaltung nungsworkshops und Testplanun- öffentlicher Räume. gen, an denen neben den Grund- stückseigentümern auch Investoren Damit soll nach dem Prinzip der dop- beteiligt sind, werden Impulse für die pelten Innenentwicklung neben der bau- Revitalisierung der Altstandorte er- lichen Verdichtung im Bestand die Qua- wartet. lifizierung des städtebaulichen Umfel-
74 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement des, insbesondere der Freiräume sicher- können, die heute noch nicht denkbar gestellt werden. erscheinen.
Neben der intensiven Vorbereitung die- Deutlich wurde in der Gesamtbilanz auch ser Großprojekte dient das Projekt NBS der hohe Anteil von Potenzialen für ge- der Stadt als ein zusätzliches Instru- werbliche Nutzungen. Dagegen zeichnet ment, um im Rahmen eines aktiven Bau- sich ein Engpass bei den Potenzialen flächenmanagements auch in Zeiten für den Wohnungsbau ab. nachlassender Wirtschaftskraft die Aktivierung der vielen kleinen Entwick- Die Bemühungen der Stadt zur konse- lungspotenziale im Bestand zu unter- quenten Förderung der Innenentwick- stützen. lung werden gestärkt durch das neue Projekt des Verbandes Region Stuttgart, Im NBS-Lagebericht 2005 wurde der bei dem innerhalb des Forschungspro- erreichte Stand der Innenentwicklung für jektes „MORO“ - Modellprojekte der den Zeitraum 2003 - 2005 bilanziert. Raumordnung - unter dem Arbeitstitel Dabei hat sich gezeigt, dass der Um- „Nachhaltiges regionales Siedlungs- fang der Bauflächenpotenziale nahezu flächenmanagement“ eine dem Pro- konstant geblieben ist. Ursache dafür jekt NBS ähnliche systematische Un- sind die durch den Strukturwandel im Ge- tersuchung der Bauflächenpotenziale der werbe, aber auch durch veränderte Pla- insgesamt 179 Gemeinden in der Regi- nungsziele „nachwachsenden“ Potenzi- on Stuttgart durchgeführt wurde (s. ale. Das Stadtentwicklungskonzept geht Schriftenreihe des Verbandes Region davon aus, dass längerfristig, z. B. im Stuttgart November 05/Nummer 23). Neckartal, weitere Entwicklungspoten- ziale für die Innenentwicklung entstehen
Areale nach Darstellung im FNP 2010 (Stand 1. Quartal 2005)
220
200 Planung 5,4 180 Bestand
160
140 53,0 120 9,5 100
Summe (ha) Summe 186,9 80
60 86,6 104,1 40
20 39,1 44,9
0 W-Fläche 2005 M-Fläche 2005 MV-Fläche 2005 G-Fläche 2005 Sonstige 2005
Abbildung 3: Brachflächenpotenziale entsprechend NBS-Lagebericht 2005
75 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.2.2 Bretten - Mit dem Flächenkarussell zum erfolgreichen Stadtumbau
Paul Metzger
Die Ausgangslage war schwierig. Anfang beherbergt knapp 28.000 Einwohner ver- der 80er Jahre kam es zum Niedergang teilt auf die Kernstadt und 9 weitere der monostrukturierten Weißwarenin- Stadtteile. dustrie. Die Arbeitslosigkeit schnellte auf 20 %. Die Hälfte davon wohnt in der Kernstadt und ein weiteres Viertel in drei mit der Die Stadt Bretten hat sich diesem Pro- Kernstadt räumlich verknüpften Stadttei- blem gestellt und in den letzten 20 Jah- len. ren viel Erfahrung im kommunalen Flä- chenmanagement gewonnen und setzt Die Stadt ist Mittelzentrum für einen dieses Instrumentarium auf den ver- Bereich von zusammen 60.000 Einwoh- schiedensten Feldern der Stadtentwick- nern. Bezogen auf ihr Schul-, Einkaufs- lung ein. und Arbeitsplatzangebote erfasst sie kreis- und regionalübergreifend einen Damit und in enger Verbindung mit der Bereich von rund 80.000 Einwohnern. Bauleitplanung ist es der Stadt möglich: Das Angebot an sozialversicherungs- ¾ vorhandene Flächenpotenziale opti- pflichtigen Arbeitsplätzen lag im Jahre mal zu nutzen 2004 bei gut 10.500, was einer Arbeits- losenquote von ca. 6 % entsprach. ¾ Flächenneuausweisungen auf ein Knapp 50 % sind im produzierenden Ge- überschaubares Maß zu begrenz- werbe beschäftigt, verteilt auf eine Viel- en zahl an mittelständischen und kleinen Betrieben. Das größte Unternehmen, die ¾ vorhandene Infrastrukturen optimal Firma Neff, bekannt durch ihren Herd- auszulasten bau, beschäftigt heute knapp 1.300 Ar- beitnehmer. ¾ stadtstrukturelle und stadtqualitati- ve Verbesserungen herbeizuführen Die Firma Neff war es auch, die in der 2. Hälfte der 80er Jahre den Einstieg in ein ¾ ökologische Verbesserungen zu er- so genanntes Industriekarussell auslös- reichen te, einem gewerblichen Sanierungs- und ¾ die gesamtwirtschaftlichen Rahmen- Entwicklungskonzept, das bis heute bedingungen zu verbessern aktuell ist und mittlerweile rund 40 Fir- men einbezogen hat. ¾ wettbewerbsfähig zu bleiben Um den Standort Neff gegenüber ande- ¾ Grundstücke optimal zu verwerten. ren Standorten des Bosch-Siemens- Konzerns konkurrenzfähig zu machen, Die Stadt selbst liegt im Landkreis stand die Brettener Verwaltung damals Karlsruhe in Baden-Württemberg. Sie vor der Aufgabe, dem Betrieb am vor-
76 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement handenen Standort räumliche Entwick- gerung der gewerblich industriellen Pro- lungsmöglichkeiten zum weiteren duktion wurden dort gezielt dafür ge- Werksaufbau aufzuzeigen. nutzt, die altstadtnahen Flächen zur Erweiterung der Innenstadt heranzuzie- In diesem Zusammenhang wurden die hen. Feuerwache, die Stadtwerke, ein Gas- speicher und ein Holzbaufachmarkt ver- Wurden im Umfeld der Firma Neff ge- lagert, eine das Werksgelände trennen- zielt der Betriebserweiterung im Wege de Straße eingezogen und dafür zwi- stehende Strukturen und Gebäude be- schen dem Betriebsgelände und einem seitigt, stand im Falle der Innenstadter- Landschaftsschutzgebiet eine neue weiterung eine weitgehende Flächensa- Kreisstraße mit Anbindung an eine Bun- nierung an. Nach und nach wurden die desstraße gebaut. Darüber hinaus wur- aufgekauften Firmen mit ihrer großteils den die neu gewonnenen Bauflächen von schlechten Bausubstanz abgetragen Leitungstrassen geräumt, Altlasten be- und eine städtebauliche Neuausrichtung seitigt und der Bebauungsplan in zwei vollzogen. Nach Abzug der Flächen für Stufen den neuen Gegebenheiten so den notwendigen Ausbau der Verkehrs- angepasst, dass das Werk seine Erwar- infrastruktur entstanden und entstehen tungen auf dem größer gewordenen völlig neue Grundstückszuschnitte zur Gelände auch erfüllten konnte. Aufnahme von Einzelhandels- und sons- tigen Dienstleistungseinrichtungen. Die Erwartungen der Stadt an den Be- Teilweise wurden auch Flächen zur Un- trieb gingen in Erfüllung. Das Werk wur- terbringung von Wohnraum geschaffen. de neu strukturiert und mit einer weite- ren Fertigung erweitert. Der Standort Es vollzog sich ein Wandel von einer konnte so gesichert und die Arbeits- gewerblich industriellen Nutzung hin zu platzzahl stabilisiert werden. Die Firma Dienstleistungs- und Einzelhandelsnut- Neff ist bis heute der größte Arbeitge- zungen, der auch bauleitplanerisch ab- ber in Bretten geblieben. Der Betrieb gesichert wurde. Entstanden sind an- zeigt sich heute auch nach Außen als stelle von Gewerbegebieten Kerngebie- ein von seiner Struktur und seiner Ge- te, Sondergebiete für großflächigen Ein- staltung wohl geordnetes Ganzes. Auf zelhandel bis hin zu Mischgebieten. einer Gesamtfläche von rd. 11 ha wur- den 1.300 Arbeitsplätze nachhaltig ge- Gewandelt hat sich auch das Stadtbild. sichert. War dies früher durch dicht bebautes Gewerbe mit hoher Flächenversiegelung Während die Ansätze des Flächenma- und meist ohne Grünbestand geprägt, nagements im Falle der Firma Neff in sind mittlerweile die ersten Neubauten aller erster Linie darauf ausgerichtet entstanden, deren Umfeld sich meist waren, den Betriebsstandort des größ- grün darstellt. ten Brettener Arbeitgebers nachhaltig abzusichern, standen im Falle eines Der Eingang in die Innenstadt aus Rich- zweiten Schwerpunkts des Flächenma- tung Pforzheim hat sein Bild geändert. nagements im Umfeld der Kraichgau- Die Verkehrsführung wurde geändert und bahn völlig andere Ziele im Vordergrund die Stadtbahnlinien S 4 und S 9 haben stadtentwicklungsplanerischer Überle- zwei neue Innenstadthalte bekommen. gungen. Der Niedergang und die Verla-
77 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Soweit die ehemaligen Firmen und Ein- weile räumliche Grenzen innerhalb die- richtungen in diesem Bereich nicht un- ses Areals auf und fordert die Stadt zu tergegangen sind, wurden diese in das neuem Handeln auf. zentrale städtische Industriegebiet Gölshausen verlagert. Aufgrund der dort Insgesamt betrachtet wurden durch die- besseren Rahmenbedingungen für die ses Flächenmanagement im gewerbli- Produktion wurden damit auch in diesem chen Bereich insgesamt drei räumlich Falle viele Arbeitsplätze nachhaltig ab- zusammenhängende Stadtbereiche mit gesichert und gleichzeitig am bisherigen einem Flächengehalt von zusammen Standort ohne neue Flächeninanspruch- rund 41,5 ha erfasst. Die städtebauliche nahme neue Dienstleistungsarbeitsplät- Neuordnung erlaubte es der Firma Neff ze geschaffen. ihr Werksareal auf gut 11 ha auszudeh- nen. Die Aktivitäten zur Innenstadterwei- Neben dem Bereich der Firma Neff und terung umfassen gut 16 ha und im der Innenstadterweiterung, in Ergänzung Rinklinger Tal geht es einschließlich des zur historischen Altstadt, gab und gibt Areals des ehemaligen Güterbahnhofs es einen dritten Schwerpunkt des ge- um eine Gesamtfläche von ca.11,5 ha, werblich geprägten Flächenmanage- die von der Um- und Neustrukturierung ments auf der Salzach-Saalbach-Ach- betroffen ist. Für die Verbesserung der se. Um drei im Rinklinger Tal angesie- Infrastruktur für Straßen und ÖPNV wur- delten Betrieben Entwicklungsperspek- den 3 ha benötigt. tiven geben zu können, wurden der Baubetriebshof und vier weitere Betriebe an neue Standorte verla- gert. Die Verlagerung eines fünf- ten Betriebs befindet sich in Vor- bereitung.
Zu Hilfe kam der Stadt in diesem Falle auch die Aufgabe des Gü- terbahnhofs durch die Deutsche Bahn. Das aufgelassene Bahnge- lände konnte von der Stadt kom- plett erworben und für Betriebserweite- Abbildung 1: Im Umfeld der Stadtbahnhaltestelle rungen genutzt werden. Dadurch konn- Stadtmitte wird auf ehemaligen Industriegelände te die gewerbliche Ausrichtung des die Innenstadterweiterung vollzogen Standorts stabilisiert werden und konn- Diesen Aktivitäten in der Bestandspfle- ten drei wichtigen Betrieben bei Erhal- ge und im Stadtumbau standen im glei- tung und Schaffung einer hohen Arbeits- chen Zeitraum ca. 70 ha an Flächenneu- platzdichte Entwicklungsperspektiven ausweisungen in Form von Industrie-, eingeräumt werden. Gewerbe- und Sondergebietsflächen für großflächigen Einzelhandel gegenüber. Parallel dazu wurde die Verkehrsinfra- Dieser Vergleich verdeutlicht den hohen struktur auch hier verbessert und tlw. Stellenwert der Bestandspflege in der gelang auch die Aufwertung des Stadt- Stadt. Insbesondere in der Absicherung bildes. Das dynamische Wachstum ei- von Standorten arbeitsplatzintensiver nes Betriebes zeigt allerdings mittler- Betriebe wurde damit ein wichtiger Bei-
78 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement trag zur Vermeidung von Flächenneuaus- Jahr 2003 auf über 13 Mio. EUR an. weisungen in wesentlich höherer Grö- ßenordnung geleistet. Die Bereinigung stadtstruktureller Pro- bleme, die Durchführung städtebaulicher Das Beispiel Bretten zeigt, dass sich Neuordnungen, die Verbesserung der das Engagement der Stadt in der ge- verkehrlichen Verhältnisse, die Erneue- werblichen Bestandspflege durchaus rung bzw. der Ausbau der sonstigen In- gelohnt hat. Bisherigen Aufwendungen frastrukturen in diesen Bereichen sowie für Grunderwerb, Neuordnung und Alt- stadtbildverbessernde Maßnahmen, lastenbeseitigung in Höhe von rund Entsiegelungen und Begrünungen spre- 40 Mio. EUR stehen rund 22 Mio. EUR chen für diese in Angriff genommenen Einnahmen aus der Sanierungsförderung Projekte. und aus Grundstückverkäufen gegenü- ber. Weitere Einnahmen werden durch weitere Grundstücksverkäufe erwartet. Gleichzeitig gelang es allerdings, die Zahl der versicherungspflichtigen Arbeits- plätze in diesem Zeitraum um rund 3.000 zu steigern und die Einnahmen der Stadt aus der Gewerbe- steuer deutlich zu erhöhen. Waren dies z.B. im Jahre 1986 rund 2 Mio. EUR stie- gen diese Einnahmen im
Abbildung 2: Gewerbeflächenmanagement
79 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.2.3 Kommunales Flächenmanagement in Freiberg
Rainer Bruha, Anita Torchala
Veranlassung und aktuelle Situation Wohngebiete wurden aufgewertet, aber es entstanden auch ein Sondergebiet für Stadtumbau, Flächenmanagement, Flä- den großflächigen Einzelhandel auf der chenrecycling sind nur einige Schlagwör- grünen Wiese und Gewerbegebiete. Die ter, die mitunter für Modetrends in der Entwicklung der Gewerbegebiete ist Stadtentwicklung stehen. Dabei charak- dabei durchaus unterschiedlich zu be- terisieren diese Begriffe die Notwendig- werten. Während das Gewerbegebiet keit, auf aktuelle Randbedingungen zu Süd, inzwischen längst voll belegt, auf reagieren und stellen eigentlich nichts einer bereits vor 1990 geplanten Gewer- anderes als die Grundanliegen jeglicher be- und Industriefläche entwickelt wur- Stadtplanungen dar. Stadtumbau ist de, waren weitere Gewerbegebiete auf quasi eine Daueraufgabe in jeder Kom- bis dahin nicht bebauter Fläche vorge- mune und wirkt ihrerseits auch auf Um- sehen. Das Gewerbegebiet Nord-West, land und Region; ohne Flächenmanage- das zwar mit den Großvorhaben Molke- ment ist eine geordnete Stadtentwick- rei und Brauerei durch Schwerpunktvor- lung undenkbar und das Flächenrecyc- haben von Industrie und Gewerbe ge- ling schließlich ist gerade in Zeiten, in prägt wird, weist dennoch einen deutli- denen viele Kommunen sich eher mit der chen Anteil nicht belegter Flächen auf. Schrumpfung als mit Expansion ausein- Von der ursprünglich geplanten Entwick- andersetzen müssen, eine unbedingte lung von Gewerbegebieten an der Frau- Notwendigkeit. Und dies nicht nur, um ensteiner Straße und an der Halsbrücker auch künftig dem Prinzip der kompak- Straße wurde abgesehen, zumal an der ten Stadt weiterhin folgen zu können, Frauensteiner Straße durch das Gelän- sondern auch aus rein praktischen Er- de der PAMA eine große Fläche für wei- wägungen, die zum Beispiel darin be- tere Ansiedlungen bereits zur Verfügung stehen, dass Infrastruktur nur im notwen- stand, für die Genehmigungen nach digen Maße erhalten werden kann oder § 34 Baugesetzbuch (BauGB) erteilt auf ein künftig notwendiges Maß be- werden konnten. An Stelle des Gewer- schränkt werden muss. begebietes an der Halsbrücker Straße entstand das Gewerbegebiet Schwarze Nach den Jahrzehnten der Planwirt- Kiefern, in dessen Zweckverband die schaft, in denen kommunale Stadtpla- Gemeinde Halsbrücke und die Stadt Frei- nung im Wesentlichen durch zentrale berg gemeinsam wirken. Eine ähnliche Vorgaben aus den Bezirken oder der gemeinsame Entwicklung erfolgte mit staatlichen Plankommission ersetzt den Gemeinden Bobritzsch und Hilbers- worden war, gab es ab 1990 auch in Frei- dorf im Gewerbegebiet Ost, das berg mit der Übernahme des Baupla- einerseits nicht einfach zu vermarkten nungsrechtes der Bundesrepublik eine ist, andererseits wurde auf diese Weise vielschichtige Entwicklung. Die Sanie- die weit uneffektivere Ausweisung von rung nach dem Baugesetzbuch wurde Gewerbegebieten in allen Mitgliedsge- für die Innenstadt begonnen. Die großen
80 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement meinden dieses Gewerbegebietszweck- allem ging es dabei um den städtebauli- verbandes vermieden. chen Rahmenplan für die Freiberger Alt- stadt, deren Status als Kernstadt durch Mit der Eingemeindung der Gemeinde umfangreiche Maßnahmen der Stadtsa- Zug im Jahr 1994 kam das Gewerbege- nierung auch künftig erhalten werden biet Rotvorwerk, zwischen Freiberg und sollte. In Folge entstanden Rahmenplä- Brand-Erbisdorf gelegen, zur Stadt Frei- ne für die großen Wohngebiete Wasser- berg, das inzwischen ebenfalls weitest- berg und Friedeburg sowie für das Ge- gehend besiedelt ist. Es grenzt unmit- biet der erweiterten Bahnhofsvorstadt telbar an das schon vor 1990 bestehen- und im Rahmen der Dorfentwicklung für de NARVA-Gelände, das zur Stadt den Stadtteil Kleinwaltersdorf. Brand-Erbisdorf gehört und als Industrie- gebiet Nord nach 1990 weiterentwickelt Durch den vorhandenen Flächennut- wurde. zungsplan bestand für alle Teilkonzepte eine verbindliche Grundlage, gleichwohl Während bei Gewerbe und Handel Ent- war es wichtig, dass die Stadt ein inte- wicklungen auch auf der grünen Wiese griertes Stadtentwicklungskonzept erar- erfolgten, hat es die Stadt Freiberg ver- beitete. Bei solchen Stadtentwicklungs- mieden, Geschosswohnungsbau im konzeptionen ist es unerlässlich, dass Rahmen von Bebauungsplänen auf sie kontinuierlich fortgeschrieben und bisher nicht baulich genutzten Flächen angepasst werden, um Schrumpfung zu entwickeln. Priorität hatte dafür der und den notwendigen Rückbau im Ge- Geschosswohnungsbau als Lückenbe- samtzusammenhang und als Chance bauung im innerstädtischen Bereich. begreifen zu können. Bedarfsgerechte Damit ergaben sich mehrere Vorteile: Wiederbebauung in Abbruchgebieten an Zum einen war hierfür die Erteilung von Stelle von Wohnbaulandbrachen muss Baugenehmigungen im unbeplanten dabei ebenso möglich sein, wie es not- Innenbereich meist problemlos möglich, wendig sein wird, auf überkommene und des Weiteren waren keine unverhältnis- nicht mehr notwendige Bebauungs- und mäßig großen Aufwendungen für priva- Stadtstrukturen zu verzichten. te Erschließungsanlagen erforderlich, und schließlich war durch diese Ergän- Lösungsansätze in Freiberg zungsbauten modernes Bauen und Er- gänzung bzw. Reparatur der Stadtstruk- Die Stadt Freiberg begrüßt ausdrücklich tur in diesen Bereichen möglich. das Vorhaben zum Flächenmanage- ment des Freistaates Sachsen und ist Bereits frühzeitig nach 1990 wurde die dankbar dafür, dass sie als eine der Pi- Erarbeitung des Flächennutzungsplanes lotkommunen in diesem Vorhaben mit- durch die Fachämter in der Stadtverwal- wirken darf. Dabei muss es in diesem tung begonnen und zur Bestätigung ge- Projekt nicht nur um Datenerfassung, führt. Freiberg gehörte zu den ersten Verwaltung und Fortschreibung gehen, Städten in der Region, die einen verbind- mit dem Ziel der besseren Vermarktung lichen Flächennutzungsplan besaßen. und Wiedernutzung von Flächen in den Parallel dazu bzw. auf der Grundlage des Kommunen. Vielmehr geht es nach un- Flächennutzungsplanes wurden inner- serer Auffassung darum, dass aus bei- städtische Konzepte für entwicklungs- spielhaften Lösungen die Grundlagen ge- relevante Stadtgebiete erarbeitet. Vor schaffen werden für Verallgemeinerun-
81 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen gen und vor allem für eine Vereinfachung die Beseitigung von Altlasten in Gren- des Umgangs mit Brachen. Zurzeit sind zen zu halten und eine auf den konkre- die rechtlichen Rahmenbedingungen, die ten Nutzer bezogene, das heißt, bedarfs- in vielerlei Hinsicht bestehen, die we- gerechte Sanierung der Flächen zu er- sentlichsten Hindernisse bei der schnel- möglichen, wurde die Bearbeitung des len Wiedernutzung von Brachen. Bebauungsplanes nach Erreichung ei- ner entsprechenden Planreife ausge- Obwohl in den zuständigen Fachämtern setzt. Damit waren sämtliche relevan- einer relativ kleinen Verwaltung sehr viel ten Fragen im Baugenehmigungsverfah- sofort abrufbares Wissen über einzelne ren zu lösen, und es wurden die Auf- Grundstücke und somit auch über ein- wendungen zur Altlastensanierung auf zelne Brachflächen besteht, ist die das unbedingt notwendige Maß redu- Erarbeitung eines Baulücken- und Bra- ziert. Die Realisierung des Gesamtvor- chenkatasters, wie es derzeit im Rah- habens war insbesondere möglich durch men dieses Pilotprojektes erfolgt, uner- eine umfangreiche Förderung der Neu- lässlich. Dabei wird dieses Kataster eine erschließung aus dem Programm zur möglichst umfassende Beurteilung des Verbesserung der regionalen Infrastruk- Standortes aufweisen in Bezug auf Er- tur und durch Eigenmittel des Grund- schließung, Topographie, Größe, even- stückseigentümers, der Saxonia Stand- tuell mögliche oder tatsächlich vorhan- ortentwicklungs- und -verwaltungs- dene Kontaminationen aus früheren gesellschaft mbH, die dieser zweckge- Grundstücksnutzungen und vor allem auf bunden und pauschaliert zur Verfügung die planungsrechtliche Situation. Auf gestellt wurden. diese Weise können schon frühzeitig Aussagen über die Möglichkeit der An der Entwicklung bzw. Wiedernutzung Wiedernutzung des Standortes getrof- weiterer ehemaliger Brachen wie an der fen werden. Olbernhauer Straße, auf dem Gelände des Institutes für NE-Metalle oder auf Ein wesentlicher Erfolg und ein verall- dem Gelände der Dachdeckergenossen- gemeinerungsfähiges Beispiel für das schaft, ebenfalls an der Olbernhauer Recycling von kontaminierten Industrie- Straße, hat die Stadt Freiberg vor allem flächen stellt das Industrie- und Gewer- durch eine konstruktive und offensive begebiet Saxonia an der Frauensteiner Begleitung im planungsrechtlichen und Straße dar. Nachdem die Treuhandge- im Baugenehmigungsverfahren fördernd sellschaft ursprünglich die Absicht er- mitgewirkt. Ebenso wurde bei der An- klärte, dieser Fläche durch Beseitigung siedlung von Unternehmen auf dem Ge- von Altlasten und Kontaminationen „den lände der PAMA GmbH an der Frauen- Charme der grünen Wiese zurückzuge- steiner Straße verfahren: Eine große In- ben“, stellte sich bald heraus, dass eine dustriefläche, die bisher nur zum Teil solche Vorgehensweise nicht bezahlbar bebaut und genutzt war, wurde sein würde. Die Stadt Freiberg hat die insgesamt als ein Grundstück im Aufstellung eines Bebauungsplanes für unbeplanten Innenbereich behandelt, dieses Gebiet mit dem Ziel beschlos- sodass auch hier Baugenehmigungen sen, durch die Erneuerung der Erschlie- nach § 34 BauGB erteilt werden konn- ßungsanlagen eine wesentliche Voraus- ten. setzung für die Wiedernutzung der Flä- chen zu schaffen. Um den Aufwand für
82 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Problemstellungen und Hindernisse Prioritäten dar. Beispielhaft seien hier für Flächenrecycling die Industriebrache an der Wasserturm- straße/Aschegasse/Kesselgasse ge- Hindernisse, brachgefallene Grundstü- nannt (Abb.1), die ursprünglich von der cke einer neuen Nutzung zuzuführen, Stadterworben werden sollte mit dem ergeben sich in vielen Fällen aus den Ziel, dort ein städtisches Parkhaus zu Eigentumsverhältnissen. Führend bei der errichten. Nichtrealisierung solcher Vorhaben stellt sich nicht nur in Freiberg immer wieder die Deutsche Bahn AG mit ih- rer Vielzahl von Unternehmen und Be- teiligungen dar, welche sich noch dazu offenbar in einem ständigen Umstruk- turierungsprozess befinden, was Ver- handlungen mit ständig wechselnden Partnern nicht einfacher macht. Durch mangelnde Einsicht in stadtpla- nerische wie auch sogar in verkehrs- politische Zusammenhänge ist es der Deutschen Bahn gelungen, in Frei- berg die geplante Errichtung eines neuen Abbildung 2: Brachfläche Wasserturmstra- Busbahnhofes auf einer Brachfläche am ße/Aschegasse/Kesselgasse (Quelle: Hauptbahnhof und damit die Errichtung Stadtverwaltung Freiberg, Antje Ciecior) einer Verknüpfungsstelle zwischen beiden Verkehrsarten zu verhindern. Des Weiteren muss in diesem Zusam- menhang auf die Industriebrache Cam- Insbesondere in der Vergangenheit stell- pingtex (Abb.2), zwischen Rotem Weg te die Grundstückspolitik der Treuhand- und Dörnerzaunstraße, verwiesen wer- gesellschaft und später der Treuhand- den. Die Stadt Freiberg beabsichtigte liegenschaftsgesellschaft ein Hindernis den Erwerb dieser Fläche, unter ande- für die Umsetzung stadtplanerischer rem, um die notwendige Großturnhalle für den in der Nähe befindlichen Schul- komplex zu errichten. Dabei wäre der vorhandene Sportplatz erhalten geblie- ben. Leider wurde die Brachfläche Campingtex an einen „potenziellen In- vestor“ verkauft, der nach unserem Kenntnisstand den Kaufpreis nie be- zahlt, die Fläche nicht entwickelt und seine Zukunft in einer schnell einge- tretenen Insolvenz hatte. Erst heute hat sich ein Bauherr gefunden, der die Brachfläche beseitigen und mit dem Bau eines physiotherapeutischen Zen- trums umgestalten wird. Abbildung 1: Brachfläche Wasserturmstra- ße/Aschegasse/Kesselgasse (Quelle: Stadtverwaltung Freiberg, Antje Ciecior)
83 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Während die Entwicklung des Saxonia- dieses Wettbewerbs investierte, hat es Areals, wie oben beschrieben, eine Er- keine nachhaltige Lösung für diesen folgsgeschichte darstellt, gibt es ähnlich Standort gegeben. Und das, obwohl die gelagerte Standorte im Gewerbegebiet Zusage zur Förderung der Brachflächen- Himmelfahrtsgasse / Davidschacht, für sanierung in einem geschätzten Ge- die bis jetzt noch keine schlüssige und samtumfang in Höhe von 1,6 Mio. EUR vor allem finanzierbare Lösung gefunden zu 75 % durch die Europäische Union wurde. Das durch die Stadt beauftragte bereits zugesagt war. Der Stadtrat hat und durch die SAXONIA GmbH erarbei- mehrheitlich leider das Risiko gescheut, tete Entwicklungskonzept Davidschacht dass die Stadt mit einem Anteil an Ei- orientiert zwar sowohl auf gewerbliche genmitteln, der eventuell nicht in vollem Weiternutzung als auch auf touristische Umfang refinanziert werden würde, das Erschließung dieses Gebietes, das Projekt unterstützt. Damit wurde leider durch Industrieansiedlungen aber auch an dieser Stelle eine Chance für die durch touristisch interessante histori- Stadtentwicklung vergeben. sche Bergbauanlagen geprägt wird. Infolge seiner Weitläufigkeit stellt sich Denkmalschutz wird in vielen Fällen als hier jedoch insbesondere die Herstellung Hinderungsgrund für die Revitalisierung gesicherter Erschließung derzeit als eines Standortes angegeben. Dass nicht finanzierbar dar. auch weitestgehende Zugeständnisse der Denkmalpflege nicht zu einer Entwicklung beitragen, wenn seitens des Eigentü- mers diese Bereitschaft nicht besteht, soll hier noch kurz er- läutert werden. An der Frau- ensteiner Straße befindet sich hinter den Grundstücken des Landratsamtes das Gebäude der alten Porzellanfabrik, das bis 1990 von verschiedenen Firmen genutzt wurde und danach brachgefallen ist. Es handelt sich um einen inter- Abbildung 3: Brachfläche Campingtex (Quelle: essanten Industriebau vornehmlich aus Stadtverwaltung Freiberg, Antje Ciecior) der Zeit um etwa 1890 und aus einer gro- ßen Lagerhalle aus der Zeit um 1970. Dass kommunales Flächenmanage- Seit der Übernahme durch einen priva- ment mitunter auch Mut zum Risiko er- ten Eigentümer hat es keinerlei Entwick- fordert, zeigt die Brache des alten lungen am Standort gegeben. Obwohl Schlachthofes in Freiberg. Obwohl die die Denkmalpflege inzwischen erklärt Erarbeitung von Konzepten in Form ei- hat, dass bei einer künftigen Entwick- nes zweistufigen Architektenwettbe- lung auf einen erheblichen Teil der his- werbs großzügig durch den Freistaat torischen Bebauung verzichtet werden Sachsen gefördert wurde und die Stadt- könnte und einer neuen Nutzung nichts verwaltung erheblichen personellen Auf- im Wege stünde, gibt es weiterhin kei- wand in die Vorbereitung und Begleitung nerlei Zukunft für diesen Standort.
84 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Fazit
Die Wiedernutzung von Altstandorten durch Flächenrecycling bzw. durch Ein- bringen in einen Flächennutzungskreis- lauf ist ein unbedingtes Erfordernis für die Stadtentwicklung, vor allem in schrumpfenden Regionen. Notwendig sind dabei das Engagement der Eigen- tümer und das Bemühen der Kommu- nalverwaltungen um Ausschöpfung der ihnen zur Verfügung stehenden Hand- lungsspielräume. Gleichzeitig ist es je- doch erforderlich, dass diese Spielräu- me erweitert werden vor allem dadurch, dass die rechtlichen Rahmenbedingun- gen neu gefasst und Verfahrenswege vereinfacht werden. Die Wiedernutzung innerstädtischer Brachen ist allerdings auch davon abhängig, dass ein aktuali- siertes Baurecht die Ansiedlung von Gewerbe in vertretbarem Maße möglich macht, ohne Nachbarschaftskonflikte zu produzieren. Das heißt, die Ausweisung gemischt nutzbarer Bauflächen ist künftig in weit stärkerem Maße notwendig, als es der bisherige baurechtliche Rahmen erlaubt. Schließlich ist die stärkere Kon- zentration von Fördermöglichkeiten auf die Revitalisierung von Brachen erforder- lich, ebenso wie der Mut von Stadträten und Gemeindevertretungen, diese Ent- wicklungen zu begleiten.
85 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.2.4 Görlitzer Strategie zur Zukunft der Stadt
Hartmut Wilke
Stadtsanierung zur konsequenten keinen Bogen. Wie stellt sich die Stadt Aufwertung der Innenstadt dieser Herausforderung? Görlitz hat ei- nen Beitrag zum Wettbewerb Stadtum- Die über 900-jährige Görlitzer Geschich- bau Ost eingereicht und ein integriertes te lässt sich nachlesen, eindrucksvoller Stadtentwicklungskonzept erstellt. Zwar jedoch in der Stadt nachempfinden. Als zeigen diese Unterlagen auch, wie sich Folge des Spektrums zwischen wirt- die Baugebiete der 70er/80er Jahre des schaftlicher Blüte und verheerenden 20. Jahrhunderts künftig entwickeln wer- Stadtbränden wurde im Verlauf der Jahr- den, gleichwohl als wichtigstes Ziel, die hunderte kontinuierlich in und an der Aufwertung der Innenstadt konsequent Stadt gebaut. Für dieses Bauen bildete weiterzuführen. der ursprüngliche Stadt- grundriss immer die Basis; möglich wurde das Nach- empfinden indes, weil Görlitz die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts unzerstört und dessen zweite Hälfte beinahe unberührt überleb- te.
Mit dem gesellschaftlichen Wandel ab 1990 eröffnete sich die Chance, die vorab bereits dringend notwendi- ge Sanierung der Histori- schen Stadtteile zu begin- nen, um deren Verfall ab- zuwenden. Heute präsen- tieren sich Historische Altstadt und Abbildung 1: Stadtzentrum Görlitz Nikolaivorstadt vorbildlich saniert und als bevorzugte Wohngebiete. Kontinuierli- Paradox hierbei ist: die Zahl nutzbarer cher Zuzug und der jüngste Altersdurch- Wohnungen wurde zunächst nicht plan- schnitt der Bewohner im Vergleich aller mäßig verringert, sondern durch Sanie- Stadtteile sind hierfür kennzeichnend. rung vielleicht vergrößert. Dahinter ver- birgt sich die konsequente Anwendung Entwicklung von außen nach innen des sinnvollen Prinzips der Entwicklung von außen nach innen. Mit der Aufwer- Der deutschlandweite Trend zur älter tung der Innenstadt wird attraktives und werdenden und sich gleichzeitig verrin- zukunftsorientiertes Wohnen in der gernden Bevölkerung macht um Görlitz Stadt angeboten. Die Stadtteile mit in-
86 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement dustriell errichteten Wohnungen sind potentieller Nutzer und der Vertreter öf- damit nicht verzichtbar, aber auf sie sind fentlicher Institutionen. So zeigt die Ent- die städtischen Aktivitäten zunächst wicklung der Brachen des ehemaligen nicht fokussiert – weder mit detaillierter VEB Volltuch die Bandbreite möglicher Planung des Gebäudeabbruches noch Perspektiven. Die Entstehung dieses mit der Folgegestaltung freiwerdender produzierenden Unternehmens lässt Flächen. Jeder Interessierte kann seine sich auf die Tradition von Görlitz als Wohnung somit aus einem großen An- Tuchmacherstadt zurückführen, seine gebot wählen, gleichwohl erfährt er Betriebsteile bildeten eine Kette am rasch, dass Stadträte und Stadtverwal- Rand von Nikolaivorstadt und Histori- tung eine positive Perspektive für die scher Altstadt. Innenstadt aufzeigen. Umfeld eines bedeutenden Gebäude- Erhaltungssatzungsgebiete: Agieren – und Landschaftsdenkmals reagieren - reglementieren Ein Produktionsgebäude stand in unmit- Folgerichtig gelten für die gesamte In- telbarer Nähe zum Heiligen Grab, einem nenstadt Erhaltungssatzungen. Wenn weit über die Görlitzer Grenzen hinaus hier Gebäudebestände gegenwärtig bekannten Kulturdenkmal. Dieses be- scheinbar nicht benötigt werden, sollen steht nicht nur aus der markanten klei- sie nicht beseitigt, sondern für die Zu- nen Gebäudegruppe, sondern schließt kunft bereitgehalten werden. Erstge- die umgebenden Parkflächen und Land- nanntes würde das Engagement der schaftsbereiche als Sinnbild für den zurückliegenden 15 Jahre konterkarie- Ölberggarten ein. Das Fabrikgebäude ren, Zweitgenanntes ist dessen schlüs- wirkte hier als Fremdkörper. Folglich sige Fortsetzung. Aktuelle Erhebungen sollte es innerhalb eines Sanierungsver- stützen dieses Vorgehen: Neuzuziehen- fahrens beseitigt und das Areal anschlie- de wählen fast immer erhaltenswerte ßend als Ergänzung zum Ölberggarten Stadtteile als ihren Wohnsitz in Görlitz gestaltet werden. Nach mehrjährigen und die Einwohnerzahlen der Innenstadt Bemühungen, denen zwischenzeitlich stabilisieren sich. konkrete Aktivitäten gegenüberstanden, das Areal umzunutzen und die Bausub- Alternativen für innerstädtische Fa- stanz umzubauen, wird dieses Projekt brikareale jetzt verwirklicht.
Betriebsteile des VEB Volltuch Öffentliches Bürogebäude
Eine weitere stadtplanerische Frage ist, Für die städtebaulich prägnanteste Ge- welche Chancen Bausubstanz für ge- bäudegruppe am ehemaligen westlichen werbliche Zwecke bietet, die nun Zugang in die Nikolaivorstadt wurde über ebenfalls überflüssig geworden ist. Nahe viele Jahre nach einer sinnvollen Nutzung liegt die Beseitigung der Altlasten, doch gesucht. Varianten für Freizeitnutzungen in einigen Fällen würden materieller und erschienen nahe liegend und angesichts ideeller Wert der erhaltenen Substanz der im Wesentlichen durch Stützenrei- deutlich unterschätzt werden. hen gegliederten großen Innenräume funktionell auch umsetzbar. Realisiert Der richtige Weg ergibt sich aus gemein- wurde gleichwohl vor kurzer Zeit ein Bü- samen Überlegungen des Eigentümers,
87 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen rogebäude, das die Agentur für Arbeit nutzt. Erwähnenswert hierbei ist: die genannte Institution konnte als Mieter gewonnen werden, obwohl dort wegen präziser wirtschaftlicher Erwägungen die Regel galt, für Neuanmietungen aus- schließlich Neubauten in Betracht zu ziehen. Bei Umsetzung dieser Regel wäre unmittelbar zwischen Heiligem Grab und wertvoller Industriebrache ein vermutlich äußerst einfach gehaltenes Bürogebäude in gründerzeitlichem Um- feld entstanden und die Brache des prä- gnanten Industriebaus bestünde weiterhin als solche.
Abbildung 3: Agentur für Arbeit (gegenwärtig)
Bauten wurden abgebrochen. Unvermit- telt endeten die Aktivitäten, als sich ab- zeichnete, dass aufgrund des Beitrittes Polens zur EU deutlich weniger Grenz- schützer in Görlitz stationiert sein müss- ten.
Ein privater Investor verknüpft jetzt die gegebenen städtebaulichen Standortvor- teile mit dem sehr guten Image, das der Stadtteil inzwischen als Wohngebiet genießt und entwickelt hier ein neues Wohneigentumsareal, das einerseits die Wiederherstellung wertvoller Bausub- stanz und andererseits Neubauten in zeitgemäßer Form in sich vereint.
Abbildung 2: VEB Volltuch (ursprünglich) Hochschulcampus
Neues Wohnen im historischen Umfeld Unmittelbar neben dem Grenzübergang Stadtbrücke und der hier ansässigen Eine weiterer Betriebsteil befand sich am Fachhochschule lag ein weiterer Be- östlich Ausgang der Nikolaivorstadt in triebsteil des VEB Volltuch. Parallel zu einem Quartierinnenbereich. Die Über- dessen Schließung plante die Bildungs- legungen, hier Wohnungen für Mitarbei- einrichtung eine deutliche Erweiterung ter des Bundesgrenzschutzes zu etab- ihres fachlichen Spektrums, die sich mit lieren, verliefen anfangs erfolgverspre- ebenso erweitertem Raumbedarf ver- chend und die nicht mehr benötigten band. Schlüssig aus der Sicht der Hoch-
88 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement schule wurde eine baulich interessante eine gewisse Ruhe einzog. Dagegen Produktionshalle durch einen gelunge- wirft es die Frage auf, wohin die Ange- nen Neubau eines Seminargebäudes botsverringerung führt, aus der wiederum ersetzt. Abzuwarten ist, ob die gegen- verringerte Fahrgastzahlen resultieren. wärtige Ergänzung mit einer Mensa zum Es ist vorstellbar, dass sich ab einer be- gewünschten hochwertigen Campus füh- stimmbaren Fahrgastzahl Schienenbus- ren wird. se von Omnibussen lediglich durch ihre Fahrbahn unterscheiden. Dies könnte den Schluss nahe legen, auf Schienen- fahrzeuge zu verzichten, denn Straßen- fahrzeuge sind flexibel und ein engma- schiges Straßennetz vorhanden.
Gleistrasse – bisher Gleise, künftig Einzelhandel und Straße?
Abbildung 4: „BlueBox“ - neues Seminargebäu- de im Campus der Hochschule Zittau/Görlitz
Gleise 3 und 4 im Bahnhof Görlitz
Ab in die Mitte!
„Ab in die Mitte“ heißt der sachsenwei- te Wettbewerb, bei welchem innovative Vorschläge für eine nachhaltige Bele- bung der Innenstädte gebündelt werden. 2004 zählte Görlitz zu den glücklichen Preisträgern mit einer Idee, die bald alle Arten des Busverkehrs in Görlitz bün- deln sowie mit der Eisenbahn verknüp- fen wird, indem sich alle Linien im um- Abbildung 5: Gleisbrachen auf dem Bahnhofs- gelände gebauten Görlitzer Bahnhof treffen. Hier steht ein überdachter Bahnsteig für al- ternative Nutzungen bereit, weil er für Bedeutet dies, dass weitere Flächen der den Eisenbahnverkehr langfristig nicht Eisenbahn von dieser bald nicht mehr mehr benötigt wird. benötigt werden? Wie könnte Görlitz mit dem neuen Flächenpotential umgehen, Dieses Projekt ist nachahmenswert, weil wo doch allen denkbaren Nutzungsan- es neben der Verknüpfung der Verkehrs- forderungen ausreichende Angebote in arten die Görlitzer Innenstadt an einem bestehender Bausubstanz und auf vor- Ort beleben wird, wo nach der Kürzung handenen Flächen gegenüberstehen? des Reiseangebotes der Eisenbahnen
89 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Wie wird es sich auf die Innenstadt aus- wirken, wenn nicht mehr eisenbahnnot- wendige Flächen aus wirtschaftlichen Gründen so entwickelt werden, dass sie dem Verkäufer einen finanziellen Gewinn ermöglichen? Diese Fragen hat Görlitz im Blick, eine schlüssige Antwort ge- genwärtig leider noch nicht.
Fazit aus Görlitzer Sicht
Positive und fragliche Beispiele des Flä- chenrecyclings sowie offene Fragen werden einander gegenübergestellt. Demzufolge existiert ein lediglich abzu- arbeitendes Erfolgsrezept nicht. Viel- mehr erfordert die beabsichtigte Neunut- zung brachliegender Flächen und Bau- ten die Kooperations- und Toleranzbe- reitschaft der Eigentümer und Nutzer, der Stadt sowie potentieller Geldgeber. Keiner dieser Beteiligten allein wird aufgrund jeweils individueller Probleme deren Lösung vorherbestimmen können. Der Stadt kommt die Aufgabe zu, die individuelle Situation im gesamtstädti- schen Kontext einzuschätzen und hierbei besonders darauf zu achten, dass das Flächenrecycling sich nicht zu einer Gefahr für mühsam erarbeitete Er- folge an anderer Stelle entwickelt. Un- ter Umständen sind dabei vorerst lediglich ruhende Flächen und Bauten zu akzeptieren.
90 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
2.3 Planerische Aspekte beim Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.3.1 Strategisches Flächenma- In der Stadtentwicklungsplanung spie- nagement – Wachstum nach len die vorhandenen Brachflächen eine Innen maßgebliche Rolle. Unter stadtplane- rischen Aspekten führen Brachflächen 2.3.2 Theorie und Praxis - Flächen vor allem zum Verlust der funktionellen recycling in den Städten und und baulichen Dichte sowie zur Verrin- Gemeinden - Beispiel Dresden gerung der Vielfalt der Nutzungen. Im Mittelpunkt der Stadtplanung der Stadt 2.3.3 Was kommt nach der Abriss- Dresden steht das politische Bekennt- birne? - Stadtumbau und nis zur traditionellen Stadt „Europäischer Flächenrecycling in Schrump- Prägung“. fungsregionen Eine nachhaltige Stadtentwicklung erfor- Die Maßnahmen des Stadtumbaus er- dert zunächst die sachgerechte Erfas- folgen zur Stärkung der Funktionsfähig- sung der Brachflächen mit dem Ziel, die- keit der Städte und gehen mit Nutzungs- se im Planungsprozess frühzeitig be- änderungen in qualitativer sowie quanti- rücksichtigen zu können. Die Ersterfas- tativer Hinsicht einher. Entsprechend sung der Brachen nach verschiedenen einem Positionspapier des Deutschen Vornutzungskategorien wird am Beispiel Städtetages vom Juni 2002 zum strate- der Stadt Dresden vorgestellt. Dabei gischen Flächenmanagement und Bo- wurde eine erweiterte Brachflächendefi- denwirtschaft sind die planungs- und nition zu Grunde gelegt, um dem Pro- steuerrechtlichen Rahmenbedingungen zesscharakter des Phänomens Brach- für eine aktive, umsetzungsorientierte fläche gerecht zu werden. An Hand der Steuerung von Flächennutzung und Bau- Merkmale Entwicklungsrichtung, Ent- landbereitstellung noch in vielen Punk- wicklungsausrichtung und Handlungs- ten unzureichend. druck werden verschiedene Strategiety- pen unterschieden. Ein Instrument des strategischen Flä- chenmanagement ist der Stadtentwick- Im abschließenden Beitrag dieses Ka- lungsplan. Am Beispiel der Stadt Leipzig pitels werden die Rahmenbedingungen werden die Potenziale der unter Nach- für den Stadtumbau, insbesondere in nutzungsgesichtspunkten verschiede- Schrumpfungsregionen, aufgezeigt. nen Stadtentwicklungspläne aufgezeigt. Dabei werden die Auswirkungen der Zur Gewährleistung einer neuen Quali- Lage der Städte/Gemeinden und des tät für ein nachhaltiges Flächenmanage- Grundstücksmarktes, der wirtschaftli- ment bedarf es außerdem der Verknüp- chen Entwicklung sowie Aspekte der fung von einzelnen Instrumenten der Stadtentwicklung verdeutlicht. Daneben Stadtentwicklung. Aus Sicht einer Groß- werden infrastrukturelle Fragen und stadt werden die entscheidenden Fak- kostenseitige Gesichtspunkte angespro- toren vorgestellt. chen.
91 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.3.1 Strategisches Flächenmanagement – Wachstum nach Innen
Dr. Oliver Weigel
These auch potentielle neue Gewerbestandor- te identifiziert, die allerdings nur für die Die Entwicklung erfolgreicher Konzepte Neuansiedlung von Unternehmen mit he- des Stadtumbaus ist ohne Einbettung rausragender strategischer Bedeutung in eine Gesamtstrategie der Stadtent- genutzt werden. wicklung nicht möglich. Diese muss den Status-Quo erfassen, Entwicklungs- Im Mittelpunkt des STEP stehen die trends bewerten, den Instrumentenein- Ansprüche, welche die potentiellen satz koordinieren und neue Instrumente Nachfrager aus unterschiedlichen Bran- entwickeln. Die Konzepte der Stadtent- chen an Gewerbeflächen stellen. Hierfür wicklung und des Stadtumbaus müssen führt der STEP ein System des Ver- sehr stark auf lokale Bedingungen aus- gleichs von Gebietseignungen und Nach- gerichtet werden, v.a. bei der Entwick- frage ein und bewertet die Flächen hin- lung neuer Instrumente. sichtlich ihrer Nutzbarkeit (und identifi- ziert dabei auch, welche Flächen für Für eine Stadt in Transformation ist die zukünftige gewerbliche Nutzungen nicht zukünftige Veränderung der Stadtstruk- geeignet sind). tur zentrales stadtentwicklungspoliti- sches Anliegen. Dabei haben Brachen - Der STEP benennt neben dieser Flä- schon existierende oder im Rahmen der cheneignung auch für jedes Gebiet die Umbaukonzeptionen neu entstehende – notwendigen Maßnahmen für eine mög- eine zentrale Bedeutung. Brachen wer- liche Revitalisierung und identifiziert bei den zumeist als Problem wahrgenom- Flächenneuinanspruchnahme die not- men, sie sind aber auch ein Potential wendigen Maßnahmen für die Erschlie- der Stadtentwicklung, wie ich verdeutli- ßung der Standorte. chen will. Während der STEP bei der Neuauswei- Wachstum nach innen – Beispiel sung von Gebieten sehr gut funktionier- Leipzig te und der Stadt im Wettbewerb mit an- deren Standorten einen (zeitlichen) Vor- Gewerbe - Wachstum nach innen funk- teil sicherte (z.B. BMW), ist in den meis- tioniert nur eingeschränkt! ten gewerblichen Altgebieten der Anteil ungenutzter Flächen gleich geblieben Im fast schon klassischen Sinn wird der bzw. weiter gestiegen. Wichtiger Aspekt Begriff „Brache“ mit Gewerbealtflächen ist dabei, dass nur zwei Gebiete in oder Konversionsbereichen assoziiert. Förderkulissen liegen und gleichzeitig Leipzig hat mit Stadtentwicklungsplan 2/3 aller Brachflächen privat sind. und Gewerblichem Bauflächen (STEP) ein strategisches Konzept entwickelt, welches sowohl das Ziel der bevorzug- ten Nutzung von Altflächen benennt als
92 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Schon in diesem gesamt- städtischen Konzept, wel- ches durch Stadtentwick- lungsplaner, Sozialplaner, Grünplaner und zahlreiche weitere Akteure erarbeitet wurde, wurde den „alten“ und „neuen“, also zukünf- tig entstehenden Brachen zwei Funktionen zuerkannt: als Aufwertungspotential für umliegende Quartiere und als Neubaustandorte in der Stadt. Abbildung 1: Luftbild - Bestandsgebiet
Auf der anderen Seite muss man - unter Um die Ziele des STEP erfolgreich um- den jetzigen Bedingungen - akzeptieren, zusetzen gibt es gewisse Voraussetzun- dass Anforderungen größerer Unterneh- gen. Zu nennen sind u.a. men i.d.R. nicht mit innerstädtischen a) Anpassung städtischer Woh- Bedingungen vereinbar sind (Nutzungs- nungsbaupolitik an die Schrumpfungs- konflikte, Flächenbedarf, Bodenpreise). bedingungen, Entwicklung entsprechen- In Leipzig waren und sind hier die Erfah- der STEP´s und umsetzungsorientierter rungen bei der BMW- und Porsche-An- Stadtteilkonzepte. Nicht das eine wol- siedlung sowie bei Logistikunternehmen len und das andere tun (Neubaugebie- im Zuge der DHL-Ansiedlung prägend. te). Es sind neue Ideen gefragt, um die Flä- b) Stadtteilkonzepte als lokale chenverwertung der Brachflächen so zu informelle Konzepte müssen in breitem organisieren, dass aus dem vermeintli- Konsens erarbeitet, verschiedene Ak- chen Problem das Potential dieser teure des Wohnungsmarktes (Bürger, zumeist wertvollen Flächen gehoben Wohnungsunternehmen, Entwickler, wird. Dafür gibt es in Leipzig in anderen Stadt) in deren Erarbeitung einbezogen Sektoren der Stadtentwicklung erfolgrei- werden, um so zu ermitteln, wo die che Beispiele. größten Potentiale liegen. Wohnen - Wachstum nach innen funk- c) Der Konzeptentwicklung muss tioniert! sichtbar die Umsetzung folgen. Beispiel Wohnungsneubau fand in Leipzig - wie Leipziger Osten: Die Potentiale des überall - v.a. auf neuen randstädtischen Stadtumbaus führen zu einer Attraktivi- Flächen statt. Von Beginn an war es das tätssteigerung des Quartiers. Die Um- Ziel der Stadt, die innerstädtischen Quar- setzung der Konzepte in „reale“ Projek- tiere attraktiver als die Standorte im te“ muss alle Beteiligten sichtbar sein Umland zu machen. Das Grundkonzept und verlässlich auf die Konzeptentwick- hierfür lieferte der Stadtentwicklungsplan lung folgen. Nur so lässt sich ein hohes Wohnungsbau und Stadterneuerung Niveau der Beteiligung verschiedenster (STEP W+S).
93 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Akteure an den Umbaukonzeptionen Feststellung: Die Nutzungsansprüche an dauerhaft erhalten. Flächen und die dazugehörigen Informa- tionen müssen in bisher nicht gekann- d) Neben der Attraktivitätssteige- ter Art und Weise überblickt und rung des Quartiers müssen neue Instru- miteinander abgestimmt werden. mente für eine „echte“ Nutzung der Flä- chen gefunden werden. Ein Beispiel: Das Nachfragebelebung und nachhaltiges Leipziger Stadthäuserprogramm. Flächenmanagement
Diese neue Qualität des Flächenma- nagements bedarf aus unserer Sicht der Verknüpfung von:
1. Integriertem Flächenmonitoring:
Verknüpfung relevanter Informationen über Ämter- und Verwaltungsgrenzen mit privaten Informationen – hierbei vorran- gig Rückgriff auf die vorhandenen Infor- mationen und Strukturen und kein zehn- tes neues Informationssystem! Nicht nur Abbildung 2: Flächenumgestaltung einer die klassischen Informationen, wie z.B. ehemals bebauten Fläche Größe, Altlasten etc. sind zu berück- sichtigen, sondern auch weitere Informa- e) Auch für nicht dauerhaft ge- tionen, die Eigentümer, Nachfrager und nutzte Flächen müssen intelligente Kapitalgeber interessieren, z.B. die Kos- Wege gefunden werden, sie für die At- ten der In-Wertsetzung und für Infra- traktivitätssteigerung zu nutzen – Zwi- struktursysteme sowie qualitative Infor- schennutzungen, StadtHalten, Vermitt- mationen (Expertenpanel). lungsagentur Brache. 2. Flächenbewertung im Stadtent- f) Wesentliche Aktivitäten müs- wicklungskontext: sen auch darauf gerichtet sein, die Ent- stehung weiterer Brachen zu verhindern. Ziel ist Herunterbrechen der Interessen Zu nennen ist hier z.B. das Leipziger relevanter Akteure auf die einzelne Flä- Selbstnutzerprogramm. che, um mit den Informationen der Raumbeobachtung eine „optimale“ und g) Für schwierige Gebiete müs- zugleich „realisierbare“ Flächenentwick- sen auch ganz neue Ansätze gefunden lung zu gewährleisten. Erfahrungen be- werden, die einen Bewusstseinswandel stehen z.B. durch die nachfragebezoge- erfordern, z.B. das Projekt Haushalten. ne Bewertung für Gewerbegebiete des STEP Gewerbliche Bauflächen. Dass solche Konzepte erfolgreich sein können, zeigt der über zehnprozentige 3. Marktanalyse-/beeinflussung: Bevölkerungszuwachs in der Gründer- zeitkulisse Leipzigs seit 1998. In diesem Ziel ist Entwicklung innovativer Ideen und Bereich leben heute 60 % der Leipziger Vorstellungen, um unter den Bedingun- Einwohner. gen des Flächenüberflusses Brachflä-
94 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement chen (zwischen-)zu nutzen, Nachfrage beobachtbare „Wachstum im Inne- zu beleben. Ansätze bieten die Leipziger ren“ initiiert. Instrumente Stadthäuser (vgl. Selbst- nutzer.de), Gestattungsverein-barung, ¾ Es muss eine verbindliche Veran- privatrechtliche Freiflächenvermittlung, kerung im Verwaltungshandeln der HausHalten e.V. Kommune erfolgen. Hierfür müssen Stadtentwicklungskonzepte poli- 4. Fortlaufende Einbindung der tisch beschlossen werden. relevanten Akteure von der Daten- erhebung und -bewertung bis zur ¾ Auch Flächenmanagementsysteme Umsetzung: müssen nachhaltig sein.
Die Einbindung verschiedenster Akteu- ¾ Neben der Einbindung der relevan- re ist die Voraussetzung, um Chancen ten Akteure ist eine intensive Öffent- einer Umsetzung zu erhöhen. Stichwor- lichkeitsarbeit und die Anregung pri- te: Vermittlung der Kostenwahrheit, Ver- vaten Engagements notwendig. änderung der Brachen-Images bei Kapi- talgebern
Abbildung 3: Plan „Grünes Rietschkeband“ ¾ Die Schwerpunktsetzung des Bun- Entscheidend aus Sicht einer Groß- des auf Flächenreduzierung sollte stadt: sich auch in veränderter Förder- politik niederschlagen, d. h. eine För- ¾ Die Etwicklungskonzepte der Kom- derung, die Aktivitäten auf privatem munen müssen an den Schrump- Eigentum erleichtert und preisliche fungsprozess angepasst werden, Nachteile der innerstädtischen Be- um so die Potenziale, die in diesem reiche gegenüber dem Umland ver- Prozess liegen, zu nutzen. Interes- mindert, nicht verstärkt. santerweise haben in Leipzig gera- de die strategisch ausgerichteten Konzepte zum Umgang mit dem Stadtumbau das heute
95 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.3.2 Theorie und Praxis – Flächenrecycling in den Städten und Gemeinden - Beispiel Dresden
Peter Emmrich
Brachflächen in der Stadtentwick- Interesse. Eine gesamtstädtische Bra- lungsplanung chenerfassung wurde unumgänglich. Diese erfolgte in den Jahren 1998/99. Dresden hat sich seit Ende der 90er Jahre intensiv mit seinen Brachflächen Bei der inhaltlichen Auseinandersetzung beschäftigt. Es war die Zeit, als sicht- mit dem Brachenthema und während der bar wurde, dass mit den Umbrüchen nach Vorbereitung auf die stadtweite Erfas- der Wende weitaus mehr bisher genutz- sung wurde klar, dass unsere bisheri- ter Flächen freigesetzt worden waren, als gen Vorstellungen vom Begriff der Brach- der Bauboom in der Stadt wieder in An- flächen den Kern der Sache noch nicht spruch genommen hatte. treffen. Auf die üblichen Industriebra- chen, Verkehrsbrachen und Militärbra- Durch die Brachen entwickeln sich in chen ließ sich das Phänomen nicht be- den traditionellen innerstädtischen Sied- schränken. lungsgebieten für jeden offensichtlich immer neue Schandflecken. Stadtpla- Die Brachendefinition musste also um- nerisch gesehen geht der Stadt aber vor fassend sein. Und sie musste den Pro- allem funktionelle und bauliche Dichte zesscharakter des Phänomens erfas- sowie Vielfalt verloren. Nach dem Ver- sen. Brachflächen sind keine eigenstän- lust des Dresdner barocken Stadtkerns dige Flächenkategorie, sondern ein Zu- am Ende des 2. Weltkrieges ist es stand, in den jede Baufläche in der Stadt besonders schmerzlich, wenn im Pro- unter bestimmten Voraussetzungen ge- zess des Brachfallens nun auch die ver- raten kann. Dieser Zustand beginnt mit bliebenen Baustrukturen in den Innen- dem Brachfallen, d.h. dem Wegfall der stadtrandgebieten und manche denk- bisherigen Nutzung, und endet mit dem malgeschützten Einzelbauten in ihrem Fußfassen einer neuen, dauerhaften Bestand gefährdet werden. Da steht Nutzung. auch eine Menge kultureller Werte auf dem Spiel, von denen Dresden beson- Nach der Brachendefinition des Stadt- ders lebt. planungsamtes Dresden sind Brachflä- chen demnach: Das Brachenthema war also für die Dresdner Stadtplaner von Anfang an ¾ ungenutzte oder stark minderge- nicht nur eine Frage der Standortanaly- nutzte Flächen se und Aufbereitung einzelner Flächen. Das Thema in seiner Gesamtheit berühr- ¾ verschiedener Vornutzungskatego- te grundsätzliche Fragen der Stadtent- rien wicklung. Deshalb war das ganze Aus- ¾ in einem passiven Verharrungszu- maß und Spektrum des Phänomens der stand Brachflächen und deren räumliche Ver- teilung in der Stadt von fundamentalem
96 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
¾ der durch den Wegfall ihrer bisheri- zungen innerhalb der Stadtverwaltung gen Nutzung ausgelöst wurde und im Stadtrat um die Ansiedlungspo- litik einbezogen. Mit Hilfe des Materials ¾ und erst mit der Ansiedlung einer wurde die verstärkte Hinwendung zum neuen, dauerhaften und standortge- Bauen im Bestand vor allem im Integrier- rechten Nutzung endet. ten Stadtentwicklungskonzept (INSEK 2002) und im konkreten Ansiedlungsge- Die Ersterfassung der Brachen in Dres- schehen eingeleitet. den erfolgte in den Jahren 1998/99 nach folgenden Vornutzungskategorien: 2. Aus dem Erfassungsmaterial wurde eine Brachen-Datenbank erstellt. ¾ Industrie- und Gewerbebrachen Die Brachflächen wurden zu Brachen- Standorten zusammengefasst und mit ¾ Wohnbrachen Standortinformationen angereichert. So- ¾ Brachen der Landwirtschaft und des mit entstand ein Fundus an Flächen, der Gartenbaus über gezielte Filterungen für die Stand- ortsuche für Investitionsvorhaben gute ¾ Verkehrsbrachen Dienste geleistet hat und gleichzeitig weitere detaillierte Auswertungen für die ¾ Brachen stadttechnischer Anlagen Auseinandersetzungen um die Baustra- tegie ermöglichte. ¾ Brachen des Gemeinbedarfs 3. Eine ämterübergreifende Ar- ¾ Militärbrachen beitsgruppe erarbeitete für den umfang- reichen Brachflächenbestand eine Sys- ¾ Brachen sonstiger Sonderbauflä- tematik, um einen gezielten Umgang mit chen, bes. wissenschaftlicher Ein- den Flächen zu ermöglichen. Die Bra- richtungen chen wurden nach Entwicklungsrichtun- gen, Entwicklungsaussichten und Hand- Für die Erfassung der als Standort vor- lungsdruck vorsortiert und einem Stra- bereiteten aber schließlich nicht in An- tegietyp zugeordnet. Bei der Standort- spruch genommenen Flächen beson- suche für neue Kommunale Gewerbe- ders auf der grünen Wiese wurde später gebiete und für Großinvestitionen der noch die Kategorie der „Investitionsbra- Stadt und städtischer Betriebe, beim chen“ eingeführt. gezielten Einsatz von Förderprogram- Mit dieser Erfassung wurden 1.336 ha men der verschiedensten Art sowie Aus- Brachflächen ermittelt, was ca. 15 % der gleichs- und Ersatzmaßnahmen konn- Bauflächen der Stadt entsprach. ten dadurch wichtige Weichen gestellt werden. Die Auswertung und Nutzung des Erfas- sungsmaterials erfolgte vorwiegend auf Der Wert eines solchen umfangreichen drei Ebenen: Datenbestandes sinkt in dem Maße, wie er an Aktualität verliert. Trotz zuneh- 1. Das Material wurde in Karten- mend besserer Voraussetzungen für die darstellungen und tabellarischen Über- Laufendhaltung über die Baustatistik und sichten ausgewertet und als Argumen- Luftbildauswertungen wird eine Wieder- tationsmaterial in die Auseinanderset- holung der stadtweiten Erfassung von
97 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Zeit zu Zeit kaum vermeidbar. Mit Hilfe wiesen werden, woraus die Forderung von intensiv vorbereiteten TU-Studenten in diesem Leitbild nach gezielter Bau- wurde die zweite stadtweite Erfassung flächenreduzierung entstand. Anstelle Ende 2003/ Anfang 2004 durchgeführt. einer zufälligen Perforierung des Stadt- organismus durch dauerhaftes Brachfal- Mit dieser erneuten stadtweiten Bra- len und Verwahrlosung bisher genutzter chenerfassung, die für das mit den Ein- Flächen inmitten des gewachsenen gemeindungen erweiterte Stadtgebiet Stadtgefüges soll mit Hilfe gezielter Bau- erfolgte, war erstmals ein Vergleich mög- flächenrücknahme auf Brachflächen in lich, der über Veränderungen und Ent- den Randbereichen der Stadt und wicklungen Aufschluss gab. Dieser Ver- entlang der Nebentäler und Altarme der gleich konnte mit Hilfe einer rückwirken- Elbe, der Wasserläufe und Frischluftbah- den Ermittlung über die Bautätigkeit nen eine Renaturierung brachengefalle- (Baustatistik) auf ehemals genutzten ner Flächen im Flächennutzungsplan und bebauten Flächen für den Zeitraum gezielt gegen Ausuferungen des Stadt- zwischen 1990 und 1997 ergänzt wer- körpers und zur inneren Strukturierung den. Somit liegt uns heute eine grobe mit Grünzäsuren eingesetzt werden. Gesamtübersicht über den Brachflä- chenbestand in Dresden und dessen In diesem Leitbild und deren Leitlinien Entwicklung seit dem Jahre 1990 vor, künftiger Stadtentwicklung bekennen die sehr aufschlussreich ist. Bei Wei- sich die Stadtverwaltung und der Aus- terführung der so entstandenen Entwick- schuss für Stadtentwicklung und Bau lungskurve wird deutlich, dass sich der zur traditionellen Stadt Europäischer Prä- Brachenbestand in Dresden unter den gung und stellen sich den Herausforde- gegebenen Rahmenbedingungen auf lan- rungen der veränderten Rahmenbedin- ge Sicht auf einem stabil hohen Niveau gungen städtischer Entwicklung. Auf der von ca. 1.400 ha bis 1.500 ha Brachflä- Grundlage einer fundierten Analyse chen im nach den Eingemeindungen spielt der Umgang mit den Brachen in erweiterten Stadtgebiet einpegeln wird. diesem Konzept eine Schlüsselrolle. Diese Erkenntnis war für die gesamt- städtische Planung von grundlegender In städtebaulichen Rahmenkonzepten für Bedeutung. teilräumliche Schwerpunkte der Stadt- entwicklung werden gegenwärtig die Im Vorfeld der Aufstellung des neuen planerischen Umsetzungsmöglichkeiten Flächennutzungsplanes der Landes- des Räumlichen Leitbildes und der Leit- hauptstadt Dresden hat das Stadtpla- linien für den neuen Flächennutzungs- nungsamt deshalb ein Räumliches Leit- plan getestet und die Ziele planerisch bild mit thesenhaften Leitlinien für die vertieft. Dabei erhält jedes dieser Rah- langfristige Stadtentwicklung unter den menkonzepte ein eigenes inhaltliches veränderten Entwicklungsbedingungen Profil, je nach besonderen Standortge- und unter besonderer Berücksichtigung gebenheiten. Da spielen solche Themen der Brachflächensituation erarbeitet. wie der verbesserte Hochwasserschutz, vor allem aber auch das Brachenthema Ein erheblicher Bauflächenüberschuss in verschiedenen Varianten eine beson- bei allen stadtbildenden Nutzungen dere Rolle. konnte mit Hilfe des Brachenbestandes und der Leerstandsstatistiken nachge-
98 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
In den traditionellen Industriegebieten nen Wiese an der Autobahn gebaut, entlang der Eisenbahnstrecken sollen sondern in den brachliegenden denkmal- mit den teilräumlichen Rahmenkonzep- geschützten ehemaligen Schlachthof ten in Verbindung mit gegenwärtig lau- eingeordnet. Das Kongresszentrum ent- fenden Gesprächen mit Eigentümern stand auf dem alten Kohlehafen, das großer Gewerbebrachen, auch unter Be- Kongresshotel entsteht daneben im rücksichtigung der durch die neue Au- denkmalgeschützten ehemaligen städ- tobahn A 17 verbesserten großräumigen tischen Speicher. Auch große Ansied- Verkehrsanbindung, Ansatzpunkte für lungen privater Investoren wie Siemens, die Revitalisierung solcher Flächen für Volkswagen, das „World-Trade-Center“, mittlere und größere Gewerbeansiedlun- Karstadt, ECE und Kaufland erfolgten gen gefunden werden. auf Brachflächen.
Für ein Bauflächenkataster aus dem Es ist ein vordringliches Anliegen des Brachenbestand haben wir in einem ers- Stadtplanungsamtes Dresden, das Flä- ten Test eine Aufbereitung des als Kar- chenrecycling nicht als Aktionismus, te dargestellten Brachenmaterials mit sondern als Bestandteil gesamtstädti- bereits vorliegenden gesamtstädtischen scher Planung und als Methode im täg- Plänen überlagert und nur die wirklich lichen Ringen um die Umsetzung ihrer gesicherten Bauflächen herausgefiltert. Ziele zu verstehen. Zur Überlagerung mit der Brachenkarte gelangten dabei Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine geordnete und nachhaltige ge- ¾ das Räumliche Leitbild samtstädtische Entwicklungsplanung sind uns dabei genauso wichtig wie ¾ der Bauflächenrücknahmeplan Fördermittel für die Umsetzung von Vor- haben der Brachflächenrevitalisierung ¾ die Kartierung der Schutzgebiete und -renaturierung. ¾ die Kartierung der Kaltluftbahnen
¾ der gültige Flächennutzungsplan.
Alle zu einer Grünnutzung tendierenden Flächen wurden dabei als „Grünver- dachtsflächen“ markiert. Die Methode erscheint vielversprechend. Sie ist je- doch noch weiter zu präzisieren und eine praktikable Lösung zu finden, wie mit den Grenzfällen umzugehen ist, wie de- ren Abwägung erfolgen soll.
Wir können heute mit Befriedigung fest- stellen, dass in Dresden alle kommuna- len Gewerbegebiete und Gründerzentren auf Brachflächen entwickelt wurden und werden. Die neue Messe wurde entge- gen anderer Ansichten nicht auf der grü-
99 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
2.3.3 Was kommt nach dem Abriss? - Stadtumbau und Flächenrecycling in Schrumpfungsregionen
Jürgen Leindecker
Worum geht es gerade auch im industriellen Nieder- gang. Wer über Leerstand und Flächenrecyc- ling redet, muss sich mit der Typik, den ¾ industriellen Rückbau: Betriebs- Ursachen und der realistischen Lage auf schließungen, Umstrukturierungen dem Immobilienmarkt insbesondere in und viele andere Gründe für den in- Ostdeutschland befassen. Gleichzeitig dustriellen Rückbau bestimmen zu sollte der Betrachter das Programm einem Zeitpunkt den Markt der Bra- „Stadtumbau“ des Bundes näher be- chen, in dem es keinen tatsächli- leuchten. Die Lage der Kommunen, chen Bedarf an den vorhandenen Grundstücksmarkt und die wirtschaftli- Flächen gibt. Viele Flächen kom- che Entwicklung prägen die Stadtent- men einfach zu spät auf den Markt. wicklung und sind wichtige Faktoren bei der Nutzung von Altbrachen. Besonde- ¾ Restrukturierungen bei Bahn, Post, re Bedeutung kommt den Kosten der In- Telekom, Bundeswehr und ehema- frastruktur und ihrer Adaption zu, die ligen Besatzungsarmeen schaffen auch bei Nachnutzungskonzepten zu neue Brachen. Der Bund drängt mit beachten sind. Für die ostdeutschen Bundesbesitz, u.a. von BVVG, TLG, Städte muss es eine „Priorität Innen- auf den Markt. stadt“ geben, um zu kompakten und fi- nanzierbaren Städten zurückzukom- Rückgabe vor Entschädigung/Restituti- men. Das hat Folgen für die Nutzung vor on kann bei der Betrachtung des ost- allem innerstädtischer Brachen, deutschen Grundstücksmarkts nicht insbesondere auch für die nachindustri- außer Acht bleiben. Heute prägen Ver- elle Nutzung. zichte und immer noch offene Rechte die Lage dem Markt, vor allem in den „Leerstand“ Typik, Ursachen und Innenstädten. Schließlich gibt es viele Lage örtliche Gegebenheiten, die den Grund- stücksmarkt bestimmen. U.a. Auswir- Wer über Nachnutzung redet, muss wis- kungen von Altlasten und Industriebau- sen, wie die Lage ist! Die Nachnutzung ten, von Bergbau und Bergbaufolgeland- ist ein Markt mit vielen Akteuren, die – schaften. selbst wenn sie auch aus dem Bereich der öffentlichen Hand stammen – höchst Programm „Stadtumbau“ unterschiedliche Interessen verfolgen. Die Innenstädte perforieren aus vielen Die Rahmenbedingungen für Nachnut- Gründen: zung werden maßgeblich durch die Förderkulisse bestimmt und diese ¾ Wohnungsleerstand: zurückzufüh- wiederum durch die wirtschaftliche und ren auf die Bevölkerungsentwick- finanzielle Lage der Akteure. Bei „Stadt- lung, aber die hat ihre Ursachen umbau – Abriss“ gibt es 100% Förde-
100 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement rung durch Land und Bund, was es den Organismus „Stadt“ hat, ist Wohnungsunternehmen und Kommunen bisher nur in Ansätzen erkannt. leicht macht, sich dem Programm an- zunehmen. Bei „Stadtumbau – Aufwer- ¾ Konsumtive Ausgaben: Den Städ- tung“ ist Kondition eine Drittelfinanzie- ten und Gemeinden in Ostdeutsch- rung von Bund – Land – Gemeinde und land wird vorgeworfen, sie hätten insbesondere Letztere können immer einen Überbesatz an Kultur- und So- weniger mitfinanzieren. Deshalb stockt zialeinrichtungen. das Programm und viele Gemeinden können vorhandene Geldmittel nicht ¾ Investitionsquote: In den letzten Jah- mehr abrufen. Auch bei den Nachnut- ren sind die Investitionen stark rück- zungskonzepten, die zu Förderkon- läufig. Den Kommunen fehlt die wirt- ditionen werden, muss über realistische schaftliche Basis für die Absiche- Alternativen nachgedacht werden. Nach- rung der notwendigen Investitionen. nutzung „Null“ als Förderkondition! Städ- ¾ Finanzlage: Das zeigt auch die all- tebauförderung, städtebaulicher Denk- gemeine Finanzlage der Städte und malschutz und Stadtumbau leiden an Gemeinden in Ostdeutschland, de- einer „Überbürokratisierung“, deren ren Steuerquote bei 40 bis 50 % des grundsätzliche Überarbeitung auch ein Westniveaus stagniert und seit der Schlüssel zur besseren Nutzung vorhan- Steuerreform 1999/2000 sich noch dener Programme sein kann. einmal deutlich verschlechtert hat. Lage der Gemeinden Da ein großer Teil der Unternehmen nur Tochterfirmen anderer Unterneh- ¾ Infrastruktur: Nach wie vor besteht men sind, kommt es häufig zu steu- ein erheblicher Investitionsrückstau ertechnischen Verrechnungen, die bei Straßen, Kanälen, Schulen und auch die Gewerbesteuer zu einer vielen anderen öffentlichen Einrich- unberechenbaren Einnahmengröße tungen. werden lassen.
¾ Restrukturierung der Verwaltung: Grundstücksmarkt Vor allem die ostdeutschen Kom- munen sind gezeichnet von deutli- Gab es zunächst einen stark verengten chem Personalabbau bei gleichzei- Grundstücksmarkt durch die Restituti- tigem Aufwuchs von neuen Aufga- onsansprüche – Rückgabe vor Entschä- ben. Verunsicherung beim Personal digung –, hat sich dieses Bild heute to- sind die Folge und das beeinträch- tal verändert. Allerdings wirkt der „ver- tigt ebenso wie andauernde Orga- engte Markt“ noch nach. So etwa durch nisationsänderungen bei Land und zu hohe Grundstückskosten, entstan- Kommunen die Leistungsfähigkeit den nach 1990 in der Zeitspanne bis etwa der Verwaltungen. 1996, als sich Angebot und Nachfrage einzupegeln begannen. Zu den hohen ¾ Bevölkerungsentwicklung: Viele Grundstückskosten trugen auch Kom- Städte weisen zwischen 20 und 30 munen bei, die mangels eigener Mög- Prozent Bevölkerungsverlust seit lichkeiten Wohngebiete statt über Er- 1990 auf. Welche Folgen dies für schließungsträger durch Bauträger und V+E-Pläne entwickeln ließen.
101 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Heute gibt es ein breites Angebot, das Wirtschaftliche Entwicklung in den unterschiedlichsten Lagen der Städte sowohl für Gewerbe, wie für Natürlich wird die Marktfähigkeit von Wohngebiete zur Verfügung steht. In den Grundstücken wesentlich von der wirt- „Boom-Regionen“ der Thüringen-Schie- schaftlichen Lage bestimmt. Im großen ne und den Großräumen Leipzig und und Ganzen sieht das wie folgt aus: Dresden mag es dabei schon Engpäs- se für Wohnbaugrundstücke geben. Eigenheimbau: Dort, wo es Perspekti- Nach wie vor besteht ein großes Inter- ven auf dem lokalen und regionalen Ar- esse an Einfamilienhäusern, dagegen beitsmarkt gibt, boomt die Nachfrage an steht eine große Menge Geschosswoh- Eigenheimen. Bedauerlich sind die Rah- nungsbau – auch aus der Gründerzeit – menbedingungen, die den Häusle-Bau- leer. herren gesetzt werden. Nicht selten monotone, eng aufeinander sitzende Die grüne Wiese hat vor allem wegen Wohnsiedlungen in einer Gegend, die kostengünstiger Angebote dabei immer „grüne Lungen“ auch in Wohngebieten noch ein Stück die Nase vorne, zumal gut verkraften würden. Fragwürdige Ge- sie bei Gewerbeansiedlungen auch GA- staltungssatzungen, die sich eigentlich gefördert wurde und die Städte und Ge- nicht aus Landschaft, Umgebung oder meinden heute noch, wegen der Zweck- Baurecht begründen, sind ein Stolper- bindungen in den Förderverträgen oder stein. Dagegen steht, dass es kaum -bescheiden, gezwungen sind dort an- Nachfragen an Geschosswohnungsbau zusiedeln. gibt. Im Gegenteil, große Mengen gründerzeitlichen Geschosswohnungs- Innerstädtische Grundstücke kamen erst baus stehen leer. Trotz hochwertiger nach und nach, sind jetzt aber zuneh- Bausubstanz scheuen Investoren die mend mehr auf dem Markt. Makel ist Renovierung der Gebäude, wohl auch häufig die verkehrstechnische Erschlie- wegen mangelnder Rendite. Die Zukunft ßung oder aber der „Lärm“ der Innenstäd- der Eigenheim-Zulage oder deren Um- te. gestaltung wird den Markt entscheidend verändern. Die Frage ist, ob es gelingt, Industriebrachen tragen ihren Teil zur diese zielgerichtet in die Innenstadt Perforierung der Städte bei. Durch die umzuleiten. Die Bewertung von Grund- fehlende Entmischung der Wohn- und stücken und Altimmobilien im Innen- Industriequartiere nach dem Zweiten stadtbereich muss überdacht werden. Weltkrieg stoßen heute Wohngebiete an Die kompakte Stadt kann nicht erhalten große Industriealbrachen. werden, wenn im Innenstadtbereich Tei- le der Bausubstanz regelrecht „verfau- Öffentliche Grundstücksanbieter, wie len“. Bahn, Bund, Militär, Post und auch die Länder, werfen große Mengen von Stadtentwicklung Grundstücken auf den Markt, die die Marktfähigkeit der auf dem Grund- Integiertes Denken und Handeln sind die stücksmarkt zur Verfügung stehenden Herausforderung an die Stadtentwick- Objekte gegenseitig negativ beeinflus- lung der Zukunft, auch wenn nicht mehr sen. vom integrierten Stadtentwicklungskon- zept beim Stadtumbau gesprochen wird.
102 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Bauen - Verkehr - Umwelt - leitungsge- tung von Bahnen und Bussen ge- bundene Infrastruktur, sie alle müssen fährdet das Angebot. zu einer Symbiose der Stadtentwicklung verschmolzen werden. Dazu kommen ¾ Schulen, Kindergärten, soziale Ein- eine ausgewogene soziale Infrastruktur richtungen: Auch hier bereits erfolgte und die berühmten weichen Standortfak- Adaption. Die Folgen sind toren (Freizeit, Kultur, aber auch Urba- Schließungen fast jeder zweiten nität). Eine marode Urbanität wirkt „ab- Einrichtung bei Schulen und Kinder- schreckend“ auf Investoren, wie Wohn- gärten. bevölkerung. Daraus folgt, dass beim Rückbau Schwerpunkte gesetzt und vor Im ländlichen Raum muss auch über eine allem die Folgen für die Infrastruktur Verminderung der technischen Stan- beachten werden müssen. Die „Betriebs- dards für die Infrastruktur nachgedacht kosten einer Stadt“ geben Maß und Rah- werden. Die Gefahr, dass das ländliche men für den Stadtumbau vor und bestim- Idyll nicht mehr mit öffentlicher Daseins- men die weitere Stadtentwicklung! vorsorge zu sichern sein wird, ist akut.
Infrastruktur und Kosten Priorität Innenstadt
Der Wasserverbrauch sinkt durch die ¾ Verdichtung ohne Neubebau- Abnahme der Bevölkerung, aber auch, ung: Viele Innenstädte weisen weil pro Person weniger Wasser ver- bereits heute erhebliche Lücken in braucht wird. Zu wenig Verbrauch, zu der Bebauung auf. Durch Nutzung große Rohre führen zu einer zu langen vorhandener Bausubstanz oder be- Verweildauer, was zur Verkeimung füh- stehender Baulücken kann ein gro- ren kann, jedenfalls die Betriebskosten ßer Teil der Nachfrage bedient wer- durch häufigeres Spülen verteuert. den, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. ¾ Abwasser: Ähnliche Entwicklungen wie beim Wasser, hier jedoch mit ¾ Sanierung vorhandener Bausub- dem Nebeneffekt, dass zu wenig stanz: Hier dürfte der Schlüssel für Durchfluss zur Methangas-Entwick- die neuen Rahmenbedingungen der lung führen kann. Problemverschär- Stadtentwicklung liegen. Die städ- fung kann es bei Trennwasser-Ka- tebauliche Förderkulisse muss sich nalisation geben. dieser annehmen. Der Denkmal- schutz muss Wege zur wirtschaftli- ¾ Fernwärme: Ein besonders proble- chen Nutzung von Denkmalen – matischer Bereich, da hohe Verlus- gerade im Bereich des Wohnungs- te wegen fehlender Abnahme aber baus und bei Prophanbauten– stär- hoher Investitionen durch Sanie- ker in sein Blickfeld richten. rungslasten nach 1990 entstanden sind, die kumulieren. ¾ Baulücken ausfüllen, um Urbani- tät zu sichern. Zentrale Frage für die ¾ ÖPNV: Adaption ist durch adminis- dauerhafte Finanzierbarkeit der trative Maßnahmen möglich, aber Innenstädte. Wie gelingt es, Lücken der verbleibende Betrieb wird stän- zu schließen? „Hohle Zähne“ in ei- dig teurer. Eine zu geringe Auslas- ner Stadt „vergiften“ das urbane Umfeld und gefährden die Innenstäd-
103 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
te. Unsicherheit, Gefahrenherde, Beprobung muss unabhängig von u.a. der Sanierung stattfinden. Die Situ- ation der Altbrachen wird heute ge- ¾ Wirtschaftlichere Nutzung der prägt vom Zustand: „Aus Angst vor Infrastuktur: Zentrale Aufgabe von dem Leben Selbstmord“ – jedenfalls Steuer- und Abgabenrecht, von regungslose Erstarrung. Das belas- Stadtentwicklung und Stadtplanung. tet die betroffenen Städte. Mit vorhandener Infrastruktur viele Menschen erreichen. Nur so kann ¾ Innerstädtische Verkehrser- eine Stadt dauerhaft gesichert wer- schließung: Lösungen dieses Pro- den. Das gilt übrigens auch für den blems sind vor allem bei großen Flä- ländlichen und dörflichen Bereich, chen (z.B. SKET-Magdeburg) drin- wo kleine Städte und Dörfer vor ähn- gend nötig, um Flächen für Gewer- lichen Herausforderungen stehen. be und Industrie nutzen zu können.
¾ Problemzonen Verkehrsach- ¾ Gewerbeparks: Bitterfeld/Wolfen sen:– Einerseits fehlt es an Ver- und Leuna sind in Sachsen-Anhalt kehrsverbindungen, die die Innen- Beispiele für die Wiedernutzung al- stadt adäquat erreichbar machen, ter Industriegebiete. insbesondere wenn es große Alt- brachen gibt. Andererseits ist Nutz- Interkommunale Zusammenarbeit kann barkeit der Wohnbebauung an Ver- helfen, große Flächen nutzbar zu ma- kehrsachsen durch Immissionen chen. stark eingeschränkt. Wenn es nicht gelingt, Lärm- und Feinstaubent- Fazit wicklung an den Verkehrsachsen zu Es gibt kein Patentrezept für eine Nach- vermindern, drohen vielen Städten – nutzung. Der überwiegende Teil der Flä- vor allem auch in Westdeutschland chen wird zunächst nicht mehr genutzt - weitere Brachen. werden können. An diese Erkenntnisse Nachindustrielle Nutzung sind die Förderprogramme so anzupas- sen, dass Zwischensituationen auch ¾ Bodenbevorratung durch Aufbe- ohne eventuelle Nachnutzungen nicht reitung: Es erscheint sinnvoll, mehr mehr förderschädlich sind. Das Steuer- als bisher Altbrachen – vor allem im recht muss Innenstädte attraktiver wer- innerstädtischen Bereich – durch den lassen, ein heilsamer Druck muss Aufbereitung in einen Zustand der Grundstückspreise in Innenstadtlagen Bodenbevorratung zu bringen. Das regulieren – vermindern – helfen und bedeutet insbesondere: Aufberei- auch Altimmobilien marktgängiger ma- tung der Boden, Prüfung, ob Wohn- chen. Die Planer haben diese Lage zu bebauung möglich ist, Analyse der beachten und sollten den örtlichen Poli- eventuellen Altlasten auch ohne die tikern keine Luftschlösser verkaufen. Verpflichtung der sofortigen Besei- Mann muss sich der Tatsache stellen, tigung. dass eine Stadt mit weniger Menschen, weniger Verwaltung, weniger Einrichtun- ¾ Altlastenregelung: Für Innenbe- gen gleichwohl hohe Anforderungen an reichsflächen sollte ein zusätzlicher Administration und Lebensqualität erfül- Fonds zur Verfügung stehen. Die len kann.
104 Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
2.4 Fazit Vom Flächenverbrauch zum Flächenmanagement
Die Komplexität der Thematik „Vom verursachergerechte Zuordnung der Flächenverbrauch zum Flächenmana- Kosten kann zur Reduzierung des gement“ resultiert aus der Vielzahl der Flächenverbrauchs beitragen. Die zu beteiligenden Akteure und deren einzelnen Bundesländer verfolgen oft unterschiedlichen Interessenlagen. Im sehr unterschiedliche Ansätze zur Ergebnis der ausgeführten Beiträge Wiedernutzung von Brachflächen. Im bleibt zunächst festzuhalten, dass Focus aller Aktivitäten steht jedoch Grundvoraussetzung für eine erfolg- immer die Fläche zurück in den Wirt- reiche Herangehensweise das integrative schaftskreislauf zu bringen. Bei allen Zusammenwirken zwischen den vorgestellten Konzepten der „Flächen- Akteuren der verschiedenen Ebenen der vermarktung“ tritt die öffentliche Hand als öffentlichen Hand einerseits und die Ein- Vermarkter auf, um mit Hilfe von öffent- beziehung der privaten Akteure anderer- lichen Mitteln die Flächen zu veräußern. seits ist. Aber genau diese Art der Finanzierung ist vollkommen unterschiedlich. Wäh- Die Reduzierung des Flächenverbrauchs rend einzelne Bundesländer ihre Flächen und ein qulitativ hochwertiges mit Hilfe von Bundes- bzw. EU- Mitteln Flächenangebot stehen im Mittelpunkt an den Markt bringen, werden in anderen aller einzuleitenden Maßnahmen und Bundesländern Flächen im Sinne eines Aktivitäten im Rahmen einer nachhal- Managements bereits aktiv vermarktet. tigen Stadtentwicklung. Dabei sind zunächst die Ursachen des spezifischen Zur Ermittlung der vorhandenen Poten- Flächenverbrauchs zu analysieren. Der ziale der bestehenden Brachflächen Ausbau der infrastrukturellen Anlagen müssen diese in einem ersten Schritt spielt insbesondere in den fünf neuen zunächst erfasst werden. In Thüringen, Bundesländern dabei eine maßgebliche als erstem Bundesland, erfolgte eine Rolle. Unter planerischen Gesichts- landesweite Erfassung aller Brachen in punkten ist die derzeitige Praxis der einem „Brachflächenkataster“. Somit ist vorsorglichen Ausweisung von Wohn- ein Pool von Flächeninformationen bauflächen und Gewerbeflächen kritisch vorhanden, auf den Interessenten bei zu hinterfragen. Der Flächenverbrauch vorhandenem Flächen-bedarf zugreifen wird von der aktuellen Nachfragesi- können. tuation in der jeweiligen Region unmittel- bar beeinflusst. Eine Verknappung des Da es sich bei Brachflächen oft um Flächenangebots kann sich regulierend altlastenverdächtige Flächen handelt, auf die Neuinanspruchnahme von bildet der Ansatz Nordrhein-Westfalens Flächen auswirken. Ein weiterer Aspekt bezüglich einer Verknüpfung der Altlas- im Hinblick auf die nachhaltige Flächen- tenbearbeitung mit der Flächenpro- bewirtschaftung sind die damit blematik eine alternative Variante zum verbundenen Kosten für die Erschlie- herkömmlichen Flächenrecycling bzw. ßung und deren Unterhaltung. Eine stellt eine positive Ergänzung zum
105 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen bekannten Verfahren dar. Altlasten nahme auf die Fahnen geschrieben und werden bereits seit Jahren in Altlasten- ein Vorhaben zum kommunalen Flä- katastern erfasst, jedoch meist unter chenmanagement aufgelegt, mit dem ein dem Gesichtspunkt der Kontamination übertragbares, auf die sächsischen einer Fläche, jedoch nicht unter dem Rahmenbedingungen zugeschnittenes Aspekt der Wiedervermarktung. Mit Hilfe Modell kommunalen Flächenma- des Leistungshandbuches für Altlasten nagements für sächsische Kommunen und Flächenentwicklung findet dabei entwickelt und in den Pilotkommunen eine gezielte Bewertung der Flächen Chemnitz, Freiberg und Brand-Erbisdorf statt, und es werden die Potenziale erprobt wird. Perspektivisches Ziel ist es, aufgezeigt. kommunales Flächenmanagement als Daueraufgabe, die für die Kommunen Der Wille zum sparsamen Umgang mit einen Mehrwert hat, durchzusetzen. Grund und Boden wird im Bundesland Baden-Württemberg u.a. im Rahmen Die unterschiedlichen Konzepte der des Aktionsbündnisses „Flächen einzelnen Bundesländer finden ihren gewinnen“ verdeutlicht. Auf freiwilliger Niederschlag bei der praktischen An- Basis wird dabei auf eine verstärkte wendung in den betroffenen Kommunen. Innenentwicklung in den Kommunen Alle vorgestellten kommunalen Ansätze hingearbeitet. Durch eine breite Öffent- bestätigen, dass die Nutzung vormals lichkeitsarbeit erfolgt die angestrebte genutzter Flächen zielführend ist und zu Bewusstseinsbildung bei den jeweiligen einer Aufwertung der Innenstädte führt. Gemeinde- und Ortschaftsräten. Aber auch hier wird die unterschiedliche Herangehensweise der Kommunen Der Freistaat Bayern verfolgt mit dem sichtbar. Kommunalen Flächenmanagement und dem „Bündnis zum Flächensparen“ eine Ebenfalls unterschiedlich ist der Bedarf Strategie zur Reduzierung der Flächen- an Fläche und somit am Flächen- inanspruchnahme. In den beteiligten recycling. Problematisch werden dabei Modellkommunen werden qualitativ von den Kommunen die Eigen- hochwertige Daten für ein Baulücken- tumsverhältnisse an den vorhandenen und Brachflächenkataster mit vertret- Brachflächen und deren Entwick- barem Aufwand erhoben. Ziel ist hier lungspotenzial gesehen. wiederum in den Entscheidungsgremien das Problembewusstsein zu erhöhen. Ziel des Bündnisses ist die Entwicklung und Umsetzung konkreter Maßnahmen zum Flächensparen auf Landesebene.
Die Flächensituation in weiten Teilen Sachsens ist gekennzeichnet durch einen hohen Bestand an Planungs- brachen und baulich vorgenutzten Brachflächen. Vor diesem Problem- hintergrund hat das Sächsische Landes- amt für Umwelt und Geologie sich die Reduzierung der Flächeninanspruch-
106 3 Instrumente der In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken
3.1 Handlungsempfehlungen zum Flächenrecycling 3.2 Ansätze zur Beschleunigung der Brachflächenreaktivierung 3.3 Fazit
Vorhandene innerörtliche Flächenpotenziale (Brachflächen, Baulücken, unterge- nutzte Grundstücke) sind eine Ressource, die bei einem sinnvollen Stadtumbau genutzt und damit „In-Wert“ gesetzt werden müssen. Hierzu ist es in einem Initial- schritt häufig notwendig, durch bestimmte Maßnahmen Investoren für ein Engage- ment auf diesen Flächen zu gewinnen.
Grundsätzlich geht es bei der In-Wertsetzung von Flächen auch um die Frage, welche Vorteile eine Revitalisierung von Brachflächen der Gesellschaft bringen und wie die Kosten bzw. der Gewinn für die Gesellschaft bei der Wiedernutzung von Brachflächen im Vergleich zur Neuinanspruchnahme von grüner Wiese aussieht. Um die vorhandenen Flächen „In-Wert“ zu setzen, sind auch spezielle Instrumente erforderlich, um die Grundstücke auf dem Markt optimal darstellen zu können. Ein untersuchter Ansatz sind dabei Flächenpässe mit allen wichtigen Informationen zu einer Fläche, die dem Interessenten und potenziellen Käufer eines Grundstücks gesicherte Informationen bieten können. Auch für die Darstellung der Wiedernut- zungsidee für eine Brachfläche gegenüber Banken, Investoren oder politischen Entscheidungsträgern gibt es einen Vorschlag – den so genannten Start-Up-Plan- Brachfläche.
Im folgenden Kapitel werden einige dieser Instrumente vorgestellt. Einen grund- sätzlichen Überblick zu vorhandenen Arbeiten in Deutschland gibt eine Datenbank (www.flaecheninfo.de), in der ein Großteil der aktuell verfügbaren Literatur zum Flächenmanagement zu finden ist.
Thesen:
¾ Die Anwendung der Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnah- me wird maßgeblich von den handelnden Akteuren beeinflusst und wird fast ausschließlich von deren unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Interessen- lagen geprägt.
¾ Mit Hilfe verschiedener Leitfäden wird eine systematische Herangehensweise zum Flächenrecycling aufgezeigt. Die Umsetzung erfordert das Vorhanden- sein von Netzwerken zwischen den handelnden Akteuren.
¾ Informationsdefizite stellen ein entscheidendes Hemmnis für die In-Wertsetzung brachliegender Grundstücke dar. Einheitliche Erfassungsinstrumente für Grund- stücksdaten und deren Akzeptanz auf breiter Ebene können hier weiterhelfen.
107 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
3.1. Handlungsempfehlungen zum Flächenrecycling
3.1.1. Im Dschungel der Empfeh- der Bezahlbarkeit von Infrastruktur wird lungen zum Flächenrecycling diese Thematik an Bedeutung gewin- nen. 3.1.2. Der Start-up Plan – zielgrup- penspezifisches Werkzeug Die Erstellung eines Start-Up-Plans für zur Unterstützung von Flächen- eine konkrete Brachfläche kann den recyclingprojekten konkreten Wiedernutzungsprozess einer Fläche initiieren. Mit dem Plan wird die 3.1.3. Grüne Wiese entwickeln oder Wiedernutzungsidee für eine Brachflä- Brache revitalisieren? – Die che, abgestimmt auf eine Zielgruppe, Boden-Wert-Bilanz dargestellt und die kommenden Schrit- te bei der Revitalisierung festgelegt. In einem ersten Schritt zum Flächenma- Hierdurch kann der Kommunikationspro- nagement sollten die vorhandenen inner- zess und das Projektmanagement er- örtlichen Flächenpotenziale umfassend leichtert werden. dargestellt werden. Eine Form zur Charakterisierung der Eigenschaften von Grundsätzlich gibt es zur In-Wertsetzung Flächen stellt der so genannte Flächen- von Grundstücken durch Flächenrecyc- pass dar. Mit diesen Flächenpässen ling bereits eine große Anzahl an Veröf- können in einer Kommune die Flächen- fentlichungen und publizierten Praxisbei- potenziale vergleichbar dargestellt und spielen. Es empfiehlt sich hier durch die alle für einen Investor wichtigen Informa- frühzeitige Recherche auf Erfahrungen tionen präsentiert werden. bei abgeschlossenen Projekten zurück- zugreifen und basierend auf vorhande- Wichtig ist der von Politik und Verwal- nen Empfehlungen ein Projekt erfolgreich tung getragene Beschluss einer Kom- zu initiieren. Zu allen Themenbereichen mune, ein konsequentes Flächenma- des Flächenmanagements bzw. des Flä- nagement - mit einer Wiedernutzung chenrecyclings sind Untersuchungen, vorhandener Brachflächen – zu realisie- Empfehlungen und Praxisbeispiele in ren. Eine Möglichkeit, die Vorteile der einer Datenbank erfasst. Revitalisierung von Brachflächen darzu- stellen, ist das Instrument der Boden- Wert-Bilanz. Das Durchrechnen von kon- kreten Standorten bezüglich der Wieder- nutzung einer Brachfläche oder der Neu- ausweisung einer Baufläche auf der grü- nen Wiese kann einen Beschluss zum Flächenmanagement argumentativ mit Zahlen hinterlegen. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden demographi- schen Entwicklung und der Frage nach
108 Instrumente zur In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken
3.1.1 Im Dschungel der Empfehlungen zum Flächenrecycling
Volker Schrenk, Jantje Samtleben
Einleitung Vorgehensweise
In den letzten Jahren wurden zahlreiche Mit einer breit angelegten Recherche Forschungsprojekte und Initiativen auf wurde unter dem Stichwort „Flächenma- Landes- und Bundesebene zum Thema nagement“ sowie weiteren Begriffen, Flächenrecycling/Flächenmanagement welche diesem Thema zuzuordnen sind gestartet um die Wiedernutzung von (z. B. Flächenrecycling, Bodenmanage- brachgefallenen Flächen zu verbessern. ment und Gebäuderückbau), in Biblio- Als Ergebnis dieser Aktivitäten ist eine thekskatalogen und dem Internet die große Anzahl an Publikationen und verfügbare Literatur zusammengetragen. Handlungshilfen zum breit gefächerten Ausgeklammert wurde bei den Untersu- Themenbereich des Flächenmanage- chungen das Thema der Altlastenbear- ments entstanden. Diese sind häufig als beitung, die einen wichtigen Bestandteil Handreichungen verschiedener Behörden des Flächenmanagements darstellt, aber in Umlauf gebracht oder im Internet pu- seit langem über diverse Expertensys- bliziert worden. teme recherchierbar ist (z.B. Alfaweb).
Aufgrund der großen Zahl an Veröffent- Die recherchierte Literatur wurde im Ori- lichungen ist es mittlerweile schwierig, ginal bzw. als Kopie beschafft und mit- den Überblick zu behalten und die aktu- tels eines Kennblattes erfasst. Primä- ellen Entwicklungen zu verfolgen. Folg- res Ziel war dabei die Zusammenfassung lich kommen viele dieser Publikationen der Inhalte der jeweiligen Publikationen in der Verwaltungspraxis nicht zur prak- auf ca. zwei Seiten mit der Herausar- tischen Anwendung, sinnvolle Synergie- beitung der wesentlichen Empfehlungen effekte bleiben ungenutzt oder „Doppel- der entsprechenden Veröffentlichung für entwicklungen“ bei einigen Themen sind eine nutzungsorientierte Umsetzung in aufgetreten. der Praxis. Zusätzlich wurden die Pu- blikationen mit Schlagworten näher be- Eine umfassende Zusammenstellung schrieben und dadurch charakterisiert. der existierenden Materialien fehlte Neben den allgemeinen Informationen bisher. Daher wurde bei VEGAS ein wie Seitenzahl, Verlag, Herausgabeda- Forschungsprojekt im Auftrag des Bun- tum sind auch Einschränkungen zum Ein- desministeriums für Bildung und For- satzbereich der Veröffentlichung ge- schung durchgeführt, bei dem Literatur nannt. In Abbildung 1 sind die Inhalte zum Flächenmanagement und Flächen- des Kennblatts dargestellt (weitere De- recycling recherchiert und ausgewertet tails zum Kennblatt finden sich bei wurde. Die Ergebnisse des Vorhabens SCHRENK 2004). sind in einer Datenbank unter der Adres- se http://www.flaecheninfo.de verfügbar.
109 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Themenbereich Art der Publikation fehlungen“ und Titel Verfasser „Motivationsbro- Erscheinungsjahr Seitenanzahl schüren“ unterteilt Verlag/Stadt Herausgeber werden. Die so be- Reihe Behandelte Themenbereiche zeichneten „Moti- Schlagworte Zielgruppe vationsbroschüren“ Einschränkungen Zusammenfassungen führen im Wesent- Wesentliche Empfehlungen Bezugsquelle lichen Fachfremde in das Thema ein und wollen Akteu- Abbildung 1: Charakterisierungspunkte der Pu- blikationen re bzw. Entscheidungsträger für das Thema des Flächenmanagements /Flä- Parallel zur Auswertung der Literatur chenrecyclings interessieren. Bei den erfolgte die Programmierung einer den „Berichten“ zuzuordnenden Publika- internetlauffähigen Datenbank, in die die tionen handelt es sich u. a. oftmals um Ergebnisse der Untersuchungen imple- die Dokumentation von Forschungsvor- mentiert wurden. Die Datenbank ermög- haben. Diese stellen meist in einer gro- licht eine rasche Recherche von Publi- ßen inhaltlichen Breite eine bestimmte kationen anhand von vorgegebenen Fragestellung dar. Empfehlungen zur Suchbegriffen. Die Anwendung ist in Umsetzung der neu erhaltenen Ergeb- Abstimmung mit Praktikern vom Design nisse in die Praxis sind teilweise nicht her möglichst einfach gehalten und steht gegeben. Die am besten geeigneten Ver- im Internet unter der Adresse http:// öffentlichungen für eine Umsetzung in www.flaecheninfo.de zur Verfügung. der Praxis stellen die der Kategorie „Handlungsempfehlungen“ dar. Ergebnisse des Vorhabens Datenbankanwendung Überblick Die Datenbankanwendung wurde in Ab- Insgesamt wurden mehr als 130 ver- stimmung mit Fachleuten aus verschie- schiedene Publikationen recherchiert. denen Bereichen des Flächenmanage- Davon beschäftigen sich mehr als 40 Ver- ments entwickelt. Hierbei ist über die öffentlichungen direkt mit dem Thema Option „Suche“ durch die Eingabe von Flächenrecycling. Die Zusammenstel- Begriffen eine Recherche von Literatur lung der Veröffentlichungen hat gezeigt, möglich. Eine erweiterte Suchfunktion dass zahlreiche Publikationen nur direkt steht für die spezifische Suche nach Ver- über den Herausgeber bzw. den Auftrag- öffentlichungen zur Verfügung. Mit der geber der entsprechenden Studien zu dabei erscheinenden Suchmaske lässt beziehen sind. Häufig ist die Literatur sich gezielt über Charakterisie- zum Flächenmanagement nicht in Bibli- rungsmerkmale, die einer Publikation othekskatalogen geführt und als soge- zugeordnet wurden, nach Veröffentli- nannte „graue Literatur“ zu bezeichnen. chungen suchen. Vereinfacht wird die- Daneben ist eine große Anzahl an Ver- se Suche zusätzlich durch eine große öffentlichungen im Internet publiziert. Auswahl an bereits aufgeführten The- men/Begriffen in den jeweiligen Suchka- Die Veröffentlichungen können grund- tegorien. Für eine Schnellsuche - ohne sätzlich in „Berichte“, „Handlungsemp- genaue Vorstellung einer bestimmten
110 Instrumente zur In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken
Veröffentlichung - nur unter Einschrän- Umgang mit Boden, Bodenschutz und kung eines speziellen Themengebietes Landschaftsverbrauch haben. BBR und (z. B. Gebäuderückbau, Brachflächen- BMVBS beschäftigen sich mit der Stadt- kataster), bietet der Menüpunkt „The- und Verkehrsentwicklung bzw. -planung, menbereiche“ die beste Lösung. Unter zudem mit dem kontrollierten Gebäude- dieser Rubrik sind alle Publikationen rückbau, der Vermeidung, der Verwer- hinsichtlich ihrer relevanten Themen zu- tung und dem Recycling von Bauabfäl- geordnet. Die dort aufgeführten Oberbe- len. Die kommunalen Zusammenhänge griffe unterteilen sich wie in der folgen- im nachhaltigen Umgang mit der Res- den Abbildung 2 dargestellt. source Fläche wurden ausführlich auf der Ebene der Bundesländer, insbesondere von Bayern und Baden-Württemberg, be- Flächenmanagement/Flächenmanagement/ arbeitet. FlächenrecyclingFlächenrecycling Viele praxisbezogene und exemplari- AllgemeinAllgemein sche Fallbeispiele zum Flächenrecyc- ling aus verschiedenen Bundesländern, PlanungPlanung welche unter unterschiedlichen Rah- menbedingungen durchgeführt wurden, DurchführungDurchführung sind ebenfalls in der Datenbank doku- FinanzierungFinanzierung mentiert. Diese sind häufig sachdienlich bei der Vorbereitung eines neuen Pro- Rechtliche Fragen Rechtliche Fragen jektes und enthalten nicht selten eine BeschreibungBeschreibung konkreterkonkreter ProjekteProjekte Vielzahl an Hinweisen für Verbesserun- gen in Planung, Vorgehensweise und Management Management Durchführung ähnlicher Vorhaben. In SicherheitSicherheit zahlreichen Fällen sind auch Ansprechpartner in diesen Publikationen genannt. Abbildung 2: Untergliederung der Themenbe- reiche Die Vielzahl an Empfehlungen, die aus Die Auswertung der Veröffentlichungen allen in der Datenbank aufgeführten Pu- hat gezeigt, dass inzwischen zu allen blikationen hervorgehen, lässt sich durch Themen in unterschiedlicher Ausführ- die weite Themenbreite nicht kurz zu- lichkeit Empfehlungen, Berichte und sammenfassen. Stetig wieder auftreten- Fallbeispiele publiziert sind. Die bekann- de und allgemeine Hinweise im Hinblick teren sind hierbei auf Bundesebene die auf Flächenrecycling sind jedoch eine Arbeiten des Bundesamtes für Bauwe- flexible und frühzeitige Planung, die un- sen und Raumordnung (BBR), des Bun- bedingte Beachtung rechtlicher Vorga- desministeriums für Verkehr, Bau- und ben sowie eine zeitige und intensive Stadtentwicklung (BMVBS) sowie des Zusammenarbeit zwischen allen betei- Umweltbundesamtes (UBA). Beim UBA ligten Akteuren. finden sich insbesondere Veröffentli- chungen im Themenbereich Flächenma- nagement, welche einen speziellen Fo- kus auf den Boden, ökonomische An- reize zum sparsamen und schonenden
111 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Defizite gewährleisten. Insbesondere die im Rah- men des REFINA-Forschungsschwer- Defizite an Publikationen bestehen bei punktes zu erwartenden zahlreichen speziellen Fragestellungen zum Flä- Publikationen sollten in die Datenbank chenrecycling/Flächenmanagement. eingepflegt werden. Die technischen Hierzu zählen z. B. der Themenbereich Vorraussetzungen auch einer externen der Finanzierung/Kostenrechnung. Dies Eingabe von Literatur sind geschaffen, ist aber vor allem auf die nicht zu stan- so dass über die entsprechende Gestal- dardisierenden, stark variierenden Vor- tung von Forschungsvereinbarungen eine aussetzungen der individuellen Projek- weitere Dateneingabe gewährleistet wer- te und Vorhaben zu begründen (Stand- den könnte. ort, Altlasten, Nachnutzungsvorhaben etc.). Zwar sind einige übergreifende Literaturverzeichnis Werke hierzu veröffentlicht (z. B. die Arbeitshilfe des ITVA (2003) Kosten- ITVA (2003): Kostenstrukturen im Flä- strukturen im Flächenrecycling, Finan- chenrecycling. Arbeitshilfe - C 5-2. Juli zierungsmöglichkeiten beim Flächenre- 2003. - Berlin. cycling (SÜßKRAUT et al. 2000)), aber die praktische Nutzung/Anwendung ist SCHRENK, V. (2004): Flächenrecycling nicht selten von der theoretischen Vor- - Kenntnisstand und Erfahrungen in lage abweichend. Deutschland. S. 136 - 143. In: BARCZEWSKI, B., KOSCHITZKY, H.- Unzureichend ist bisher die Verfüg- P., WEBER, K. & R. WEGE (Hrsg.): barkeit von praxisorientiert aufbereiteten VEGAS - Statuskolloquium 2004 - Mit- Ergebnissen/Erkenntnissen, die umge- teilungen des Institutes für Wasserbau, setzt werden können. So ist ein Groß- Heft 131, Eigenverlag Stuttgart. teil der Publikationen ohne einen wirkli- chen Ergebnisteil, ein Fazit oder eine SÜßKRAUT, G., VISSER, W., A. & Zusammenstellung der aus den Unter- BURGERS, W. (2000): Ökonomische suchungen hervorgehenden wesentli- Aspekte der Altlastensanierung. Leitfa- chen Empfehlungen verfasst. Grund- den über Finanzierungsmöglichkeiten sätzlich sollte bei der zukünftigen För- und -hilfen in der Altlastenbearbeitung derung von Forschungsvorhaben ein grö- und im Brachflächenrecycling. - Vorha- ßerer Schwerpunkt auf die Ergebnisver- ben im Rahmen des Umweltforschungs- breitung und damit verbunden der Form planes des BMU FKZ: 298 77 750, UBA- der Veröffentlichung gelegt werden. Texte 04/01, Berlin.
Ausblick http://www.umweltbundesamt.de/altlast/ web1/berichte/finanz/finanz_t.htm Mit Abschluss des Projektes liegt erstmals eine Übersicht zum Stand der Alfaweb, http://www.lubw.baden- Publikationen im Themenbereich Flä- wuerttemberg.de chenmanagement in der Bundesrepub- lik vor. Es ist erforderlich, dass diese Datenbank auch zukünftig weiter ge- pflegt wird, um einen aktuellen Stand zu
112 Instrumente zur In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken
3.1.2 Der START-UP-Plan - zielgruppenspezifisches Werkzeug zur Unterstützung von Flächenrecyclingprojekten
Uwe Ferber, Volker Schrenk, Jürgen Braun, Jantje Samtleben, Baldur Barczewski, Kai Steffens
Einleitung sich drei Personengruppen unterschei- den: Seit 1990 besteht im Bereich des Um- weltschutzes eine deutsch- ¾ Personen, die ein überwiegendes amerikanische Kooperation zwischen Interesse an finanziellen und wirt- dem Bundesministerium für Bildung und schaftlichen Aspekten bei der Forschung (BMBF) und der Environ- Brachflächenrevitalisierung besitzen mental Protection Agency (EPA). Im (Flächeneigentümer, Investoren, Rahmen der Arbeiten zu diesem Projekt Banken, Entwickler) wurden die Arbeitshilfe zur Erstellung von Start-Up-Plänen für Brachflächen erstellt ¾ Personen mit einem Interesse an (FERBER et al. 2005) sowie gemeinsa- Sicherheitsaspekten (Verwaltungen, me Workshops in den USA und in Anwohner und Nachbarschaften) Deutschland durchgeführt. Innerhalb der Workshops erfolgte ein intensiver Mei- ¾ Personen mit einem Interesse an nungsaustausch zu den Sichtweisen Aspekten der Lebens- und Umfeld- und Lösungsansätzen für ein erfolgrei- qualität (z. B. Bürgerinitiativen und ches Flächenrecycling in den Vereinig- Anwohner). ten Staaten und in Deutschland. Die Um insbesondere Investoren und Träger ausführlichen Dokumentationen der von Projekten der Brachflächenrevitali- Workshops sind in der Schriftenreihe sierung zu überzeugen, ist es notwen- des Deutschen Instituts für Urbanistik dig, deren jeweilige spezifische Interes- in Berlin erschienen (http://www.difu.de/ sen und Anforderungen zu berücksich- publikationen). tigen und dabei die Risiken und Chan- Die Arbeitshilfe zur Erstellung eines cen eines vorgesehenen Flächenrecyc- Start-Up-Plans „Brachfläche“ lingprojektes in einem überschaubaren Umfang transparent und kalkulierbar Grundsätzlich ist die Wiedernutzung von aufzuzeigen. Dies soll durch die im Rah- brachliegenden Grundstücken ein kom- men der deutsch-amerikanischen Zu- plexer Vorgang, der zahlreiche Fachdis- sammenarbeit von deutscher Seite er- ziplinen und Themen umfasst. Hierzu stellte Arbeitshilfe zur Anfertigung von zählen stadtplanerische Fragestellungen „Start-Up-Plänen“ ermöglicht werden. und Umweltfragen, ebenso wie wirt- Mit dieser Arbeitshilfe sollen Initiatoren schaftliche und soziale Aspekte. Diese von Flächenrecyclingprojekten unter- Themen sind für die an Flächenrecyc- stützt werden, ihre Projekte für eine be- lingprojekten beteiligten Personen von stimmte Zielgruppe umfassend und ver- unterschiedlicher Bedeutung, da jeder ständlich in Form eines Start-Up-Plans- Akteur seine eigene Perspektive besitzt. Brachfläche darzustellen. Dadurch soll Als Zielgruppen der Arbeitshilfe lassen eine Stimulierung von Flächenrecycling
113 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen durch die neue Art der Aufbereitung von Die Arbeitshilfe benennt Kernthemen der wichtigen Informationen für Entschei- Brachflächenrevitalisierung, welche in dungsträger erreicht werden. Planung und Umsetzung zu berücksich- tigen sind und beschreibt verschiedene Auf der Grundlage einer standardisier- Vorgehensweisen. Darüber hinaus ent- ten und vereinfachten Gesamtbetrach- hält die Arbeitshilfe einige Praxisbeispie- tung in einer möglichst kompakten Form le, bei denen es sich um die im For- soll ein Start-Up-Plan vor allem schnel- schungsvorhaben involvierten Modell- le Impulse für eine Brachflächenrevitali- standorte handelt. Diese Fallbeispiele sierung geben. Der Start-Up-Plan soll bieten praxisorientierte Impulse, welche dabei in einer frühen Projektphase zum bei der Bearbeitung von künftigen Brach- Einsatz kommen (Abbildung 1). flächenprojekten relevant sein können.
Mit der zusammenfassenden Darstel- lung planerischer, ökologischer, wirt- schaftlicher und sozialer Aspekte von
Start-Up-Arbeitshilfe
Entwicklungsvision Wirts chaftliche Aspekte
Baureifmachung Kulturelle und soziale Aspekte Projektidee Frühzeitige Abstimmung mit Projektbeteiligten
Bestandsaufnahme
Potenzial- und Restriktionsanalyse
Finanzierung Integriertes Nutzungs- Flächen-
Projektvorbereitung und Sanierungskonzept aufbereitung
Realisierung
Bürgerbeteiligung Städtebau / Genehmigungen Verträge Gestaltung
Technische Projektsteuerung
Monitoring Controlling Projektdurchführung
Marketing
Abbildung 1: Mit dem Start-Up-Plan zum erfolg- reichen Flächenrecyclingprojekt Flächenrecyclingprojekten sollen Anre- gungen gewonnen werden, wie verschie- dene Zielgruppen mit entsprechend zu- geschnittenen Projektdarstellungen -
114 Instrumente zur In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken den Start-Up-Plänen - angesprochen den insofern angesprochen, als dass die werden können. hierzu erforderlichen wesentlichen Kern- aussagen in einem Start-Up-Plan zu- Die erstellte Arbeitshilfe soll grundsätz- sammenfassend dargestellt werden sol- lich dazu dienen: len.
¾ Projektentwickler bei der Erstellung Das Kapitel „Umweltaspekte“ beschäf- von Wirtschaftlichkeits- und Finanz- tigt sich mit der Grundstücksaufberei- plänen zu unterstützen tung bei Flächenrecyclingvorhaben. Es wird hierzu insbesondere darauf hinge- ¾ eine interdisziplinäre Betrachtung wiesen, dass die im Zusammenhang mit der Wechselwirkungen zwischen der Baureifmachung von Grundstücken planerischen, sozialen und ökono- möglichen Probleme durch bestehende mischen Aspekten sowie Umwelt- Kontaminationen beherrschbar sind. gesichtspunkten zu gewährleisten, Neben den Projekten, bei denen eine die häufig durch eine einseitige Altlastensanierung im Sinne des Sichtweise nicht erfolgt BBodSchG notwendig wird, werden auch die bei zahlreichen Projekten erforderli- ¾ eine intensive Zusammenarbeit zwi- chen Schritte des Gebäuderückbaus und schen den verschiedenen Projekt- der Verbesserung des Baugrundes ge- beteiligten (Öffentlichkeit, Investor, nannt. Des Weiteren können auf über Grundstückseigentümer etc.) lange Zeiträume nicht genutzten Flächen bereits in einer frühen Projektphase naturschutzrechtliche Aspekte relevant zu fördern und Projektstrukturen werden, z. B. durch das Vorkommen von festzulegen geschützten Tier- und Pflanzenarten. ¾ Ideen zu unterstützen, die sich auf Wichtig ist im Zusammenhang mit der Potenziale der Kostenreduktion, Berücksichtigung von Umweltaspekten Planungstechniken, Projektnutzen in einem Start-Up-Plan eine erste Ab- und Finanzierungsmöglichkeiten schätzung der entstehenden Kosten bei beziehen. der Baureifmachung.
Der Aufbau der Arbeitshilfe Im Kapitel „Wirtschaftliche Aspekte“ wird u. a. die Analyse der Gesamtwirt- Im einleitenden Kapitel der Arbeitshilfe schaftlichkeit bei einem Flächenrecyc- werden das Ziel und die Vorgehenswei- lingprojekt, die Erstellung von Markta- se bei der Nutzung der Arbeitshilfe er- nalysen und nachfrageorientierten Ver- läutert. Hieran schließen sich Hinweise marktungskonzepten angesprochen. an, wie der Start-Up-Plan unter Verwen- Wichtig für ein erfolgreiches Flächenre- dung der Arbeitshilfe zu erstellen und wie cyclingprojekt ist ein marktorientiertes die anvisierte Zielgruppe zu analysieren Nutzungskonzept. In diesem Zusam- ist. menhang wird auf die Notwendigkeit ei- ner durchdachten Vermarktungsstrate- Das Kapitel „Entwicklungsvision“ befasst gie hingewiesen, die, bei der Überwin- sich schwerpunktmäßig mit der häufig dung eines schlechten Flächenimages für die Projekte ausschlaggebenden des zu entwickelnden Standortes, oft Entwicklung von Leitbildern und deren dringend erforderlich ist. Dieses Kapitel Vermittlung. Planerische Aspekte wer- der Arbeitshilfe gibt zudem auch Hinwei-
115 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen se zur Flächenbewertung. Erforderlich es wichtig, ein möglichst schlankes Do- sind hierzu die Ermittlung der voraus- kument zu erstellen, das nur so ausführ- sichtlichen Projektkosten und der zu lich und detailliert ist, wie es für die Ent- erwartenden Erträge, die Bewertung von scheidungen der jeweiligen Zielgruppe Finanzierungsmöglichkeiten sowie eine erforderlich ist. Entsprechend dieser Risikoanalyse. Forderung sollten die in einem Plan ent- haltenen Informationen möglichst voll- Im Kapitel „Kulturelle und Soziale As- ständig, verständlich und zielgruppenge- pekte“ wird aufgezeigt, welche Bedeu- recht aufbereitet sein. Dies hat zur Kon- tung die Denkmalpflege, die soziale sequenz, dass ein Start-Up-Plan für eine Stadterneuerung und berufliche Qualifi- Bank anders aussieht als der Plan für zierungsmaßnahmen im Zusammen- eine Kommune. Der Plan sollte einen hang mit Flächenrecyclingvorhaben ha- Umfang von 10 Seiten nicht übersteigen. ben. In diesem Kontext wird auch auf Mit dem Start-Up-Plan soll es gelingen, die Bedeutung der Identität eines Alt- alle bei einem Projekt betroffenen An- standortes hingewiesen, die z. B. durch spruchsgruppen einzubinden. Aufgrund den Verbleib und die Nutzung von alter der Heterogenität der verschiedenen Bausubstanz erhalten werden kann. Akteure kann dies sehr schwierig sein. Hierdurch ist in vielen Fällen die Steige- rung der Akzeptanz eines Projektes für Bei der Nutzung der Arbeitshilfe zur Er- die Anwohner möglich. Es gibt zahlrei- stellung eines Start-Up-Plans wird fol- che Projektbeispiele, bei denen die Ein- gende Vorgehensweise empfohlen: beziehung der Bevölkerung in eine Flä- chenrecyclingmaßnahme besonders ¾ Festlegung und konkrete Abgren- wichtig ist. Hierzu ist es erforderlich, die zung des Standortes entsprechenden relevanten Personen- gruppen zu identifizieren und die Mög- ¾ Analyse der Schlüsselelemente der lichkeiten einer aktiven Beteiligung zu Projektidee eruieren. ¾ Analyse der für das Projekt bedeu- Die Arbeitshilfe ist keine weitere Publi- tenden Zielgruppen kation, wie Flächenrecyclingprojekte ¾ Identifikation der Schlüsselinforma- abgewickelt werden sollen. Derartige tionen, die der Zielgruppe vermittelt Veröffentlichungen in Form u. a. von Be- werden sollen richten und Arbeitshilfen sind in großer Anzahl erfolgt. Diese Publikationen wur- ¾ Konzentration und Beschränkung den in einem quasi in Ergänzung ste- auf diese Schlüsselinformation henden Projekt zusammengetragen (vgl. Kapitel 3.1.1 i. d. B). ¾ Informationsbeschaffung
Der auf Basis der Arbeitshilfe zu erstel- ¾ ggf. Durchführung eines Besichti- lende Start-Up-Plan soll als Dokument gungstermins in einem bestimmten Format die wichti- gen Akteure bei ihrer Arbeit einer erfolg- ¾ Entwurf des Plans, Berücksichti- reichen Flächenrevitalisierung unterstüt- gung der Präsentationsmöglichkeit zen. Ein Start-Up-Plan soll jeweils ziel- gruppenorientiert verfasst sein. Dabei ist
116 Instrumente zur In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken
¾ Beginn mit Stichpunkten zum Infor- und die attraktive Lebensraumgestaltung mationsbedarf/Schlüsselinformatio- auf Altflächen. nen Literatur ¾ Erstellung der Projektbeschreibung. FERBER, U., BARCZEWSKI, B., Auf deutscher Seite wurden im Rahmen PREUß, T., SCHRENK, V., STEFFENS, des Forschungsvorhabens bisher für zwei K. & WEBER, K. (Hrsg.)(2005): Start- Standorte Start-Up-Pläne mit der vorlie- Up-Brachfläche. Arbeitshilfe zur genden Arbeitshilfe erstellt. Hierbei Erarbeitung von Projektplänen. - VEGAS konnte gezeigt werden, dass die erstell- - Institut für Wasserbau, Universität ten Pläne für die am Projekt beteiligten Stuttgart. Personen einen großen Nutzen hatten.
Ausblick
Es ist vorgesehen, dass die Arbeitshilfe zur Erstellung von Start-Up-Plänen nun an zahlreichen Standorten zum Einsatz kommen soll und so einem umfassen- den Praxistest unterzogen wird. Die dadurch gewonnenen Erfahrungen sol- len in eine Verbesserung der Arbeitshil- fe einfließen, diese überarbeitet und mit einem professionellen Layout versehen auf den Markt gebracht werden. Die ak- tuelle Arbeitshilfe ist über VEGAS, Uni- versität Stuttgart, erhältlich.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die amerikanische Um- weltbehörde EPA wollen ihre Zusam- menarbeit im nachhaltigen Flächenma- nagement auch weiterhin fortsetzen. Die bilaterale Kooperation soll auf deutscher Seite an das nationale „Förderprogramm zur Reduzierung der Flächeninanspruch- nahme und für ein nachhaltiges Flächen- management (REFINA)“ angebunden werden. Interessante Themenbereiche auf deutscher und amerikanischer Sei- te sind dabei unter anderem das flexib- le Projektmanagement beim Flächenre- cycling, das sich an verändernde Rah- menbedingungen und Zielsetzungen an- passt, das Flächenrecycling im Rahmen eines regionalen Flächenmanagements
117 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
3.1.3 Grüne Wiese entwickeln oder Brache revitalisieren? - Die Boden-Wert-Bilanz
Peter Doetsch, Anke Rüpke, Harald Burmeier
Der Flächenverbrauch hält sich auf ho- Bewertungsansatz entwickelt, der für hem Niveau. 115 ha Siedlungs- und Ver- eine gewerbliche Nutzung den finanziel- kehrsfläche sind 2001-2004 jeden Tag len Vergleich zwischen den Flächenal- auf Kosten der freien Landschaft neu ent- ternativen „Naturfläche“ und „Brachflä- standen. Die damit verbundenen Beein- che“ eröffnet. Der Bewertungsrahmen trächtigungen haben zahlreiche bundes- umfasst neben den unmittelbaren Opti- politische Initiativen in Gang gesetzt. onen für die Nutzer (Bebaubarkeit, Ver- Dem Ziel, die Flächeninanspruchnahme kehrsanbindung, technische Infrastruk- auf 30 ha pro Tag bis zum Jahr 2020 zu tur, Planungsrecht, Nutzungseinschrän- reduzieren, ist das Land in den letzten kungen udg.) auch die ökologischen, Jahren trotzdem kaum näher gekom- städtebaulichen und raumstrukturellen men. Den Trend konnten bisher auch die Konsequenzen der Flächeninanspruch- aufgegebenen Bestandsflächen nicht nahme und bringt die Qualitäten und Be- umkehren. Dem Bedarf an Bauflächen lastungen als finanzielle Größen zum stehen bundesweit rund 128.000 ha ge- Ausdruck. genüber, die auf eine Folgenutzung war- ten. Ihre Revitalisierung könnte den Flä- Die Grundlogik der Boden - Wert - Bi- chenverzehr drosseln und den Anspruch lanz besteht darin, das komplexe Ent- an eine nachhaltige Siedlungsentwick- scheidungsfeld der Flächeninanspruch- lung erfüllen. Der beste Schutz natürli- nahmen durch quantifizierbare Kriterien cher Ressourcen liegt darin, sie nicht zu operationalisieren, die das Kommu- zu beanspruchen. nalinteresse (Standortpotenzial), das In- vestoreninteresse (Nutzungspotenzial) Der ökologische Nutzen der Revitalisie- sowie übergeordnete, ökologische und rung von Brachflächen steht außer Fra- stadt- und raumstrukturelle Gesichts- ge, aber die Flächennutzung wird durch punkte (Standortwertigkeit) abbilden Marktpreise dominiert, die dem tatsäch- (vgl. Abbildung 1). Da bei derartigen Ent- lichen Wert eines Grundstücks häufig scheidungen bisher die ökonomischen nicht entsprechen. Die mit der Reakti- Merkmale überwiegen, während die ge- vierung eines Geländes verbundenen sellschaftlichen Determinanten eher als positiven Effekte für die lokale und marginal betrachtet werden, kommt im womöglich regionale Situation werden vorliegenden Ansatz der Bewertung der weitgehend vernachlässigt, weil sie sich ökologischen, stadt- und raumstruktu- nicht in der Preisbildung niederschlagen. rellen Kriterien eine hohe Relevanz zu, Ebenso wenig quantifiziert werden die um die Entscheidung über Neuansied- verzehrten Ressourcen bei der Bebau- lungen auf der grünen Wiese bzw. die ung von Standorten auf der grünen Wie- Alternative auf Brachflächen vor allem se. auch davon abhängig zu machen, inwie- weit dem Schutzbedürfnis der nicht Im Auftrag des Umweltbundesamtes erneuerbaren und begrenzten Ressour- wurde mit der Boden - Wert - Bilanz ein ce „Boden“ im Sinne der zu fordernden
118 Instrumente zur In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken
„Kostenwahrheit“ Rechnung getragen und Folgeleistungen messen, sowie Kri- wird. terien, die die Vermarktungswahrschein- lichkeit quantifizieren. Vor diesem Hin- Das Ziel der Bewertung über die drei ma- tergrund profilieren die sechs Kriterien teriellen Bewertungsblöcke „Standortpo- „Flächengröße, Bebaubarkeit, zeitliche tenzial“, „Nutzungspotenzial“ und „Stand- Verfügbarkeit, Einbindung in das Ver- ortwertigkeit“ liegt darin, von den vorhan- und Entsorgungsnetz, Einbindung in das denen Flächenalternativen (Naturfläche Straßenverkehrsnetz, Anbindung an den resp. Brachfläche / Altlast) diejenige als ÖPNV“ eine Fläche für die gewerbliche prioritär für gewerbliche Nutzungen zu Nutzung (vgl. Abbildung 2). charakterisieren, die bezogen auf die Kommunalinteressen, die Investorenan- Das „Nutzungspotenzial“ spiegelt sprüche sowie das ökologische, stadt- vornehmlich die Investorenansprüche an und raumstrukturelle Entscheidungsprofil den Standort wider; deshalb fließen die und unter Berücksichtigung der Flächen- Merkmale in die Bewertung ein, die aus aufbereitungskosten, der Sanierungs- Investorensicht eine optimale Nutzbar- kosten sowie der Verkaufserlöse den keit gewährleisten. Bewertungsrelevant höchsten, integralen Nutzen gewährleis- ist das vom Standort eröffnete Nutzungs- tet. potenzial u. U. nach der Durchführung resp. Einleitung der notwendigen Aufbe- reitungsmaßnahmen, die bei Brach- flächen eventuelle Sanierungsnot- wendigkeiten einschließen.
Allgemeine Anforderungsprofile aus Industrie und Gewerbe belegen, dass optimale Verkehrsanbindung, gute Lagequalität und restriktionsfreie Nutzbarkeit zu den zentralen Ansprü- chen der Investoren zählen. Daneben steht die Diskussion über eventuelle Kontaminationen die Frage der Haf- tungssicherheit, auch vor dem Hin- tergrund der erforderlichen Versiche- rungen sowie der notwendigen Kre- dite, im Vordergrund der Investoren- ansprüche. Planungs- und genehmi- gungsrechtliche Auflagen sowie das Abbildung 1: Beurteilungsraster der Boden – Wert – Bilanz Standortimage runden die Investorenan- forderungen an das Nutzungspotenzial Das „Standortpotenzial“ quantifiziert den ab. kommunalen Wert einer Fläche für die gewerbliche Nutzung durch die Abbil- Die „Standortwertigkeit“ beinhaltet Be- dung der grundlegenden Nutzungs- / In- wertungen der ökologischen sowie der Wertsetzungseignung. Den Maßstab stadt- und raumstrukturellen Flächen- bilden vor allem Merkmale, die die even- funktionen und bildet damit den umwelt- tuell erforderlichen kommunalen Vor- politisch / gesellschaftlichen Kontext der Flächeninanspruchnahme ab. Bewertet
119 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen werden sollen der „Ohne - Fall“ (Aus- und „Lebensräume“ als Merkmale be- gangssituation ohne Neu- resp. Erstnut- rücksichtigt und zu quantifizierungsfä- zungsmaßnahme) als auch der „Mit - higen Kriterien weiter differenziert. Un- Fall“ (Zielsituation mit Neu- resp. Erst- ter dem Gesichtspunkt des Merkmals nutzungsmaßnahme). „Boden“ wird die natürliche Funktions- fähigkeit des Bodens durch die Kriteri- Da die ökologischen Flächenfunktionen en „Bodenstruktur“, „Topographie / Reli- gegenüber den stadt- und raumstruktu- ef“ und „Bodenqualität“ abgebildet. Der rellen Merkmalen in den Bewertungsblö- Funktionsbereich „Wasser“ spiegelt sich cken „Standortpotenzial“ und „Nutzungs- in den Kriterien „Grundwasserneubil- potenzial“ in Entsprechung zum abge- dungsrate“ und „Grundwasserqualität“ bildeten Interessengefüge deutlich unter- wider, wobei als Bewertungsmaßstab repräsentiert sind, werden im Sinne der jeweils der Natürlichkeitsgrad benutzt angestrebten Intersubjektivierung, bei wird. Für den Funktionsbereich „Luft / der „Standortwertigkeit“ die ökologischen Klima“ im Sinne des klimaregulierenden Belange durch acht Kriterien, die stadt- Ausgleichspotenzials werden die Krite- strukturellen Gesichtspunkte durch vier rien „Wertigkeit der Fläche für den Luft- Kriterien sowie die raumfunktionalen austausch“ und „Wertigkeit der Fläche Zusammenhänge durch zwei Kriterien als Frisch- und Kaltluftentstehungsge- abgebildet. biet“ herangezogen. Die Biotopqualität (Funktionsbereich „Lebensräume“) der Für die Quantifizierung der ökologischen Standorte wird durch den Natürlichkeits- Wertigkeit werden die Funktionsberei- grad der vorliegenden Biotoptypen und che „Boden“, „Wasser“, „Luft / Klima“ ihre Flächenanteile abgebildet.
Abbildung 2: Das Kriterienspektrum Boden – Wert – Bilanz
120 Instrumente zur In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken
Zur Quantifizierung der städtebaulichen zu identifizieren, mussten alternative und raumstrukturellen Wertigkeit der Größen herangezogen werden. Weil es Standorte werden die Kriterien „Stadt- weder für die betroffenen Naturgüter, strukturelle Funktionsfähigkeit des noch für die städtebauliche und raum- Standortes“, „Funktionsfähigkeit der Ver- strukturelle Qualitäten Marktpreise gibt, flechtungsbeziehungen“, „Stadtstruktu- ist der Versuch unternommen worden, relle und -funktionale Zusatzeffekte“, marktanaloge monetäre Äquivalente zu „Stadt- und Landschaftsbild“, „Funkti- ermitteln (vgl. Abbildung 3). Dazu gehö- onsfähigkeit des Standortes im räumli- ren z. B. die Aufwendungen, die erfor- chen Verflechtungsgefüge“ und „Homo- derlich sind, um den Nutzen auf eine genität der Siedlungsstruktur“ herange- andere Weise zu realisieren, wie Aus- zogen. weichkosten oder Kompensationskos- ten, die Kosten für Ersatzleistungen oder Die jedem Kriterium innerhalb der Erfül- die Kosten der zu erwartenden Folge- lungsspanne zugeordneten fünf bzw. drei schäden. Als Indiz für den monetären Wertstufen beruhen auf einem im Vor- Wert eines öffentlichen Gutes kann auch feld entwickelten einheitlichen Maßsys- die Wertschätzung seiner Konsumen- tem, das die Kriterien über funktionale ten zugrunde gelegt werden, die durch Parameter (Natürlichkeit, Flächenantei- die Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck le, Strukturvielfalt) definiert. Die dabei kommt. gewonnenen Wertziffern sind über me- thodische Hilfsansätze in eine monetä- Die Kostenermittlung ist im Wesentli- re Dimension überführt worden, um die chen über eine plausible Abschätzung Wertgewinne und Wertverluste durch der Vermeidungs- oder Beseitigungskos- eine gewerbliche Flächeninanspruch- ten vorgenommen worden. Dabei sind die nahme in • pro Quadratmeter für Natur- Beseitigungskosten auch so quantifiziert flächen und Altstandorte direkt gegenü- worden, dass jeweils die Herstellkosten berzustellen. Die monetäre Bewertung für die durch das Kriterium beschriebe- von Qualitäten, Einschränkungen und ne wünschenswerte Situation in Ansatz Effekten ermöglicht die direkte Verrech- gebracht wurden. Ausgangspunkt der nung mit den Kosten und Erlösen von Sa- nierung, Erschlie- ßung und Verkauf.
Insbesondere die ökonomische Analy- se ökologischer Leis- tungen warf bei der Entwicklung der Bo- den - Wert - Bilanz beträchtliche metho- dische Probleme auf. War der physische Zustand bzw. die Be- einträchtigung nicht Abbildung 3: Monetärer Flächenwert der Frischluftentstehung
121 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
Monetarisierung der in dieser Form er- Bereichen zur Ermittlung der Kosten ge- fassbaren Kriterien sind somit Marktprei- neralisierende Analogieschlüsse gezo- se der betrachteten Umweltgüter selbst gen werden. oder die Preise alternativer Güter. Mit den in monetären Größen über das Als Beispiel der ökologischen Wertig- Kriterienraster abbildbaren Flächenqua- keit und hier der Wertigkeit als Kalt- und litäten werden, unter Anwendung diffe- Frischluftentstehungsgebiet soll die Ab- renzierter Messvorschriften, die für eine leitung des monetären Flächenwertes in gewerbliche Nutzung verfügbaren Flä- Abb. 3 dienen. chenalternativen Brachfläche oder Natur- fläche bezüglich des vorliegenden Stand- Darüber hinausgehend gibt es jedoch ortpotenzials (SP), des die Nutzeranfor- auch Kriterien, für die keine monetäre derungen widerspiegelnden Nutzungspo- Bewertung über Marktpreise (Opportu- tenzials (NP) sowie der aus der gewerb- nitätskosten, Kosten von Alternativen, lichen Nutzung resultierenden Standort- Kosten von Ausgleichsmaßnahmen) wertigkeitsveränderung (SWÄ) beurteilt durchgeführt werden kann. Hier sind (vgl. Abbildung 4). insbesondere die ästhetisch-visuellen Kriterien sowie die städtebaulichen und Über die direkte Verrechnung mit den raumstrukturellen Merkmale des Bewer- Sanierungskosten (SK), Aufbereitungs- tungsansatzes zu nennen. Da im Rah- kosten (AK) und Verkaufserlösen (VE) men des Verfahrens keine spezielle Be- errechnet sich der Resultierende Mone- fragung durchgeführt werden konnte, um täre Wert (RMW) einer zur baulichen Nut- die Nachfrage nach immateriellen Gü- zung vorgesehenen Fläche zu.
RMW = (∑∑SP + NP) + ∑SW∆ − (AK + SK) + VE []€ / m 2
tern sowie die dafür anzusetzenden Wer- Die Berechnung kann für jedes beliebi- te zu quantifizieren, mussten in diesen ge Standortpaar anhand eines entspre- chenden Datenblatts durchgeführt wer- den. Das Bewertungsergebnis verdeut-
Abbildung 4: Der Bewertungsalgorithmus der Boden – Wert – Bilanz
122 Instrumente zur In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken licht nicht nur, welche In-Wert-setzungs- Mit der Zielsetzung einer „nachhaltig zu- alternative zu präferieren ist; neben dem kunftsverträglichen Entwicklung“ muss höchsten, Resultierenden Monetären in vielen Bereichen der industriellen und Wert (RMW) stellt die Bewertung auch gewerblichen Produktionen die Forde- präzise die Wertdifferenzen zwischen rung nach „ökologisch ehrlicheren Prei- der gewerblichen Inanspruchnahme ei- sen“ erhoben werden. Angesichts der ner Naturfläche und einer Brachfläche Notwendigkeit den Flächenverbrauch fest. Die bisherigen Praxisanwendungen deutlich zu reduzieren sollte auch die der Boden - Wert - Bilanz in Lübeck, Frage der „ökologisch ehrlicheren Stand- Dresden, Langelsheim, Goslar und Bad orte“ diskutiert werden. Harzburg bestätigen, dass die Revitali- Die Boden - Wert - Bilanz kann für die sierung von Brachflächen gegenüber der Umsetzung des Ziels, auch den Umgang Nutzung von Naturflächen in der Regel mit Flächen an ihrem Kreislauf auszu- die eindeutig bessere Alternative ist. richten, einen wichtigen Beitrag leisten. Dabei sind, bei vergleichbaren Werten für das Standort- und Nutzungspotenzi- al, die hohen positiven RMW für die Brachflächen im Wesentlichen dadurch bedingt, dass die Ausgangssituation der Standortwertigkeit (ökologische, städte- bauliche und raumstrukturelle Kriterien) in der Regel eindeutig negativ zu bewer- ten ist und durch die Revitalisierung zahl- reiche bedeutsame positive Effekte er- zielt werden. Für die Naturflächen ergibt sich demgegenüber mit ihrer hohen Standortwertigkeit in der Ausgangssitu- ation, dass hier unter Annahme einer ge- werblichen Nutzung mit erheblichen Ver- schlechterungen zu rechnen ist. Die Boden – Wert – Bilanz bildet die Realität, die allerdings so nicht wahrge- nommen wird, richtig ab.
Bei Naturflächen wird ein hoher ökologi- scher sowie stadt- und raumstrukturel- ler Wert durch die gewerbliche Inan- spruchnahme im Wesentlichen vernich- tet, während bei ehemals genutzten Flä- chen ein brachliegender gesellschaftli- cher Nutzen, der sich in einer negativen Ausgangssituation darstellt, derartig positiv aktiviert werden kann, dass, trotz Einrechnung der Sanierungskosten, ein sehr hoher Resultierender Monetärer Wert abgeschätzt werden kann.
123 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen
3.2 Ansätze zur Beschleunigung der Brachflächenreaktivierung
3.2.1. Passierschein für die Wieder- Investor liegt einerseits in der zeitlichen nutzung – Der Flächenpass Einsparung bei der Informationsbeschaf- fung und andererseits in der Vergleich- 3.2.2. Randbedingungen zur barkeit unterschiedlicher Standorte. Wiedernutzung von Brachflä- chen Im Weiteren werden hier zwei Beiträge zur Beschleunigung der In-Wertsetzung 3.2.3 Beschleunigungsansätze für von Brachflächen vorgestellt, welche auf das Flächenrecycling jahrelangen praktischen Erfahrungen beruhen. Hierbei handelt es sich mit Ein entscheidendes Hemmnis der In- Beiträgen der Landesentwicklungsge- Wertsetzung von brachliegenden Grund- sellschaft (LEG) und dem Altlastensa- stücken gegenüber der Inanspruchnah- nierungs- und Altlastenaufbereitungsver- me der grünen Wiese ist deren fehlende band (AAV) um Beispiele aus dem Bun- sofortige Verfügbarkeit und das Vorhan- desland Nordrhein-Westfalen. Dabei wird densein von zusätzlichen Risiken der zunächst auf vorhandene Hemmnisse Entwicklung für den Investor. Neben der Brachflächenentwicklung eingegan- kostenseitigen Mehrbelastungen, wel- gen, bevor anschließend Ansätze zur che durch Gewährung von Fördermitteln Beschleunigung aufgezeigt werden. Die zum Teil ausgeglichen werden können, Typisierung von Brachflächen und deren gewinnt der zeitliche Aspekt weiter an Flächenverfügbarkeit steht dabei ebenso Bedeutung. Die bisherige Praxis der im Mittelpunkt der Betrachtungen, wie Bevorratung von baureifen Flächen durch die organisatorischen Fragestellungen. die öffentliche Hand ist aus finanziellen Gründen nur noch sehr eingeschränkt Als Beschleunigungsansätze werden die möglich. Aus gleichem Grund musste Erstellung von kommunalen Brachflä- von der Methodik der 100-prozentigen chenkatastern, alternative Finanzie- Sanierung von Grundstücken ohne vor- rungsmöglichkeiten, ein professionelles herige Kenntnis der Nachnutzung Ab- Projektmanagement, die aktive Mitwir- stand genommen werden. Es stellt sich kung der Behörden, die Absicherung von somit die Frage, welche Maßnahmen Flächenrecyclingprojekten durch Versi- und Instrumente sind notwendig, um die cherungsverträge und ein vorbeugendes Brachflächen einer Nachnutzung zuzu- Flächenrecycling bei laufenden Betrie- führen. ben erörtert.
Im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Umweltbundesamtes wurde mit dem Flächenpass ein Instrument zur kompri- mierten und einheitlichen Erfassung der investitionsrelevanten Daten entwickelt. Der Vorteil des Flächenpasses für den
124 Instrumente zur In-Wertsetzung von brachliegenden Grundstücken
3.2.1 Passierschein für die Wiedernutzung – Der Flächenpass
Michael Hanke, Herbert Klapperich
Ausgangslage und Instrumente zum Abbau des jewei- ligen Hemmnisses aufzuzeigen. Vor dem Hintergrund der Verkürzung der Nutzungszyklen von Grundstücken in Jede Investitionsentscheidung ist natur- Folge der gestiegenen Mobilität der Un- gemäß mit Chancen und Risiken verbun- ternehmen und der Bevölkerung sind In- den. Die obigen Kostenrisiken können strumente erforderlich, mit deren Hilfe durch geeignete Maßnahmen (Verträge) das Potenzial der jeweiligen Flächen auf ein vertretbares Maß reduziert wer- zeitnah erfasst und fortgeschrieben wer- den. Die Inanspruchnahmerisiken auf den kann. Dies ist eine Grundvorausset- Grund von Haftung für Schäden aus der zung zur Vermeidung des langfristigen Vornutzung sind insbesondere in den Brachfallens von Flächen und betrifft neuen Bundesländern mit dem Instru- sowohl die gewerbliche Nutzung als ment der Altlastenfreistellung bei indus- auch die wohnungswirtschaftliche Nut- triellen Großstandorten abgesichert. Die zung. verbleibenden Restrisiken werden durch den Abschluss entsprechender Versiche- Der Wiedernutzung von Brachflächen rungen, Bürgschaften und Garantien stehen eine Vielzahl von Hemmnissen unter unternehmerischen Gesichtspunk- gegenüber. In der nachfolgenden Tabel- ten kalkulierbar. le wurde der Versuch unternommen, ausgewählte Hemmnisse zur Revitalisie- Eine Grundvoraussetzung für die In- rung von Brachflächen den einzelnen Wertsetzung von brachliegenden Grund- Risikoarten einer Investition zuzuordnen stücken ist die kurzfristige Bereitstellung
Risikoart Hemmnisse Instrumente zum Abbau Entwicklungs- Kooperationsmodelle (PPP) /Genehmigungszeitraum Kostenrisiken Erkundung / Untersuchung Altlastenverdacht Öffentlich-rechtlicher Vertrag Sanierungserfordernis
Haftung für Schäden aus der Freistellung, Versicherung Inanspruchnahmerisiken Vornutzung Bürgschaft, Garantien Insolvenz des Eigentümers
Keine Ausweisung zusätzlicher Konkurrierende Unternehmerische Flächen, Flächenangebote Risiken Nutzungsbeschränkungen Finanzielle Mehrbelastungen Förderung der Sanierung
125 Flächenrecycling in Stadtumbauregionen und Verfügbarkeit der benötigten In- formationen. Für deren Erfassung wurde im Rahmen eines UBA-For- schungsvorhabens mit dem Flächen- pass ein Instrument zur komprimier- ten Darstellung der für Investitionen bzw. Nachnutzungen wesentlichen Daten entwickelt. Auf Grund des Vor- handenseins zusätzlicher Informatio- nen zu einem frühen Zeitpunkt der Entscheidungsfindung können vor- handene Hemmnisse abgebaut wer- den.
Inhalt des Flächenpasses
Deckblatt
Das Deckblatt des Flächenpasses be- Abbildung 2: Lage der Gewerbegebiete in Frei- inhaltet die allgemeinen Daten zur Flä- berg (Quelle SAXONIA) che, die Angabe von Kontaktadressen Der Flächenpass umfasst 5 Rubriken, sowie grafische bzw. fotografische Dar- welche nachfolgend auszugsweise und stellungen der Fläche. beispielhaft vorgestellt werden.
Grundstücksdaten