Wolfram Aus Dem Sächsischen Erzgebirge / Tungsten From
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65: 1 – 18 2019 © Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, 2020. Wolfram aus dem sächsischen Erzgebirge Tungsten from Saxonian Erzgebirge, Germany Heinz Schulz † Revision accepted November 20, 2015. Published online at www.senckenberg.de/geologica-saxonica on April 3, 2020. Kurzfassung Nach von England ausgehender Verwendung von Wolfram begann um 1860 im Osterzgebirge die Nutzung vordem in Versatz oder Schla- cken verbliebener Wolframinhalte. Im Raum Zinnwald erlangte Wolframit rasch wirtschaftliche Bedeutung und sicherte den Erhalt der Bergbaubetriebe. Mit der Entwicklung von Wolframerzeugnissen für die Metallbearbeitung sowie von Glühfäden in Leuchtmitteln stieg der Bedarf und erreichte im Ersten Weltkrieges einen ersten Höhepunkt. Die Folge war der Aufschluss weiterer Vorkommen im Westerz- gebirge und die Gewinnung von Wolfram aus Schlacken der Zinnverhüttung. Ein weiterer Höhepunkt folgte ab Mitte der 1930er Jahre, wobei sich der Schwerpunkt auf die westerzgebirgischen Lagerstätten verla- gerte. Die letzte Wolframitgrube (Pechtelsgrün) stellte den Betrieb 1969 ein, während die Gewinnung als Nebenkomponente in Altenberg und Ehrenfriedersdorf bis 1990 erfolgte. Von 1865 bis 1990 wurden im Osterzgebirge 2.600 t aus Zinn-Wolfram- und 4.400 t Wolframmetall aus den Wolframitquarzganglager- stätten des Westerzgebirges ge wonnen. Dazu kommen noch ca. 500 t Wolfram aus Schlacken der Zinnverhüttung. In der Summe wurden im genannten Zeitraum wolframhaltige Rohstoffen (Erze und Schlacken) mit einem Inhalt von ca. 7.500 t Wolframmetall gewonnen. Damit ist das Ressourcenpotential des Erzgebirges nicht erschöpft, das nach neueren Bewertungen mit 95.000 t angegeben wird. Scheelitvorkommen sind nicht berücksichtigt, da deren großtechnische Aufbereitung noch nicht gelöst ist. Abstract The usage of Tungsten began in the middle of 19th century. The market was primarily driven by the metallurgy for advanced tools and the fastly growing bulb industry. In the Eastern Erzgebirge (territory of Zinnwald) wolframite-mining received quickly economic importance and extended competitiveness of the local mining against fair tin from Eastern Asia. Supplementary new deposits were found and mining started in the Western Erzgebirge. In addition began the extraction of Tungsten out of backflls or drosses from tin smelting process. The Tungsten production reached a second peak in the mid-thirties of last century. During this time the centre of mining changed in the Westerzgebirge. The last mine (Pechtelsgrün) closed in 1969, whereas secondary mining out of Tungsten in the mines of Altenberg and in Ehrenfriedersdorf continued working until 1990. 2.600 tons of Tungsten metal was extracted in the Eastern Part of the Erzgebirge and 4.400 tons in the Western Part between 1895 – 1990, in addition 500 tons of Tungsten metal from drosses. In total 7.500 tons were mined out in ores from wolframite and drosses. Recent studies calculate Tungsten resources of 95.000 tons in the Erzgebirge metallogenetic province. This volume needs to be further increased by considering the Scheelite when fnally a high volume production worthy extraction process is developed. 1. Einleitung Nachdem 1781 der aus Stralsund stammende Apothe- Von den häufgeren Wolfram-Mineralen besitzen nur ker Carl Wilhelm Scheele (1742 – 1786) erstmals Wolf- Wolframit, ein Mischkristall von Ferberit (FeWO4) und ramsäure darstellte, haben daraus zwei Jahre später die Hübnerit (MnWO4), wobei das Verhältnis Hübnerit zu Spanier Fausto (1755 – 1833) und Juan Jose de Elhúyar Ferberit, der sogenannte H/F-Koeffzient als Indikator (1754 – 1796) durch Reduktion ein bisher unbekanntes für die Bildungstemperatur von Wolframit dient [9] so- Element gewonnen, das von Berzelius den Namen wie Scheelit (CaWO4) wirtschaftliche Bedeutung. Mit „Wolframium“ (Symbol „W“) erhielt. einem Anteil von 0,0064 % an der Zusammensetzung ISBN 978-3-91000656-1 | ISSN 1617-8467 | DOI: 10.26049/GEOLSAX65-2019-01 1 H. Schulz: Wolfram aus dem sächsischen Erzgebirge Abb. 1. Ersttagsbrief „200 Jahre Entdeckung des Elements Wolfram“, Madrid 1983; Sammlung Schulz. Fig. 1. First day cover, Madrid Spain, 1983: “200 years discovery of the element tungsten”; Collection Schulz. der Erdkruste steht Wolfram an 26.Stelle in der Häufg- · Mineralisationen in fachen Li-glimmerreichen Quarz- keit der Elemente. Von den physikalischen Eigenschaften Flözen; sind der ungewöhnlich hohe Schmelzpunkt von 3.422 °C · stockwerkartige Greisenkörpern mit bedeutenden Zinn- sowie die Dichte von 19,3 g/cm3 hervorzuheben [4c], die Inhalten, aber nur untergeordneten Mengen von Wolf- für die Anwendung von Wolfram bestimmend wurden. ramit, z. B. in Altenberg, Zinnwald und Mühlleiten, So führt z. B. die sowie · bisher wirtschaftlich nicht genutzte Bildungen von · hohe Hitzebeständigkeit zum Einsatz als Glühdraht in Scheelit in verskarnten Karbonatgesteinen im Raum elektr. Lampen und Elektronenröhren, aber auch in Ra- Pöhla-Globenstein und im sogenannten Zobes-Hori- ketenspitzen und -düsen sowie in Hitzeschilden; zont bei Bergen im Vogtland. · die hohe Dichte fndet weiterhin militärische Verwen- dung in Wuchtgeschossen (panzerbrechende Sonder- Bereits Georg Agricola (1494 – 1555) beschrieb das bei Munition), während der Verhüttung von erzgebirgischen Zinnerzen zu Ver- lusten führende Wolfram, da ein Teil des Zinns in die · Verbindung mit Kohlenstoff (W-Carbide) und auch Ei- wertlosen Schlacke ging, d. h. verloren war. Wolfram sen (Ferro-Wolfram) in Schneidwerkzeugen in Form erlangte folglich zu dieser Zeit kein Interesse, sondern von WIDIA und anderen Hartmetallen zur breiten An- beim Abbau von Zinnerzen beibrechender Wolframit wendung in der Metallbearbeitung führt und deren Ef- wurde möglichst frühzeitig abgetrennt, gelangte in den fektivität entscheidend beeinfusst. Versatz oder in den Haldensturz, bei der Verhüttung in die Schlacken. Die in England ab Mitte des 19. Jahrhunderts begin- 2. Wolframit-Vorkommen nende Nutzung von Wolfram mit der Entwicklung super- harter Stähle als Schneidstoff für die Metallbearbeitung sowie die nach 1900 einsetzende Verwendung für elek- trische Glühbirnen änderte die Situation und führte zur In der metallogenetischen Provinz des sächsisch-böh- Gewinnung der bisher ungenutzten Wolframit-Erze und mischen Erzgebirges sind Wolframit-Mineralisationen Abgänge. räumlich an die Nähe von Granite gebunden. Baumann Scheelit-Vorkommen waren dagegen im Erzgebirge et. al., 2000 [1] unterscheiden in Abhängigkeit vom Mi- erst nach 1945 Gegenstand von Untersuchungen. Ausge- neralbestand, Form, Nebengestein u. a. Kriterien: hend von komplizierten Verhältnissen (Verwachsungen, · Vorkommen in steil einfallenden Quarzgängen (z. B. ungelöste Aufbereitungstechnologie usw.) erfolgte aber Tirpersdorf, Pechtelsgrün und Ehrenfriedersdorf im bisher keine praktische Nutzung, derartige Vorkommen westlichen und mittleren Erzgebirge); werden deshalb im Folgenden nicht behandelt. 2 GEOLOGICA SAXONICA — 65: 2019 Abb. 2. Die wichtigsten Wolframvorkommen im Erzgebirge (kartographische Grundlage: Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermes- sung Sachsen (GeoSN)). Fig. 2. Important occurrences of tungsten in the Saxonian Erzgebirge (Map: Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen). 2.1. Geschichte der Nutzung Wolframit vielmehr in die abgebauten Zinnerze und bei deren Verhüttung in die Schlacken. Im Ergebnis der Weltwirtschaftskrise musste die För- 2.1.1. Altenberg derung 1930 vorübergehend eingestellt werden, doch aus- Der Ort kann auf einen ca. 550-jährigen Bergbau gehend von Autarkiebestrebungen begann man bereits (1446 – 1991) zurückblicken. Weinhold, 2002 [18] be- 1934 den Betrieb wieder aufzunehmen und führte ab 1937 zeichnet nach den geförderten Erzmengen und noch bergmännische Untersuchungen durch. Parallel dazu wur- vorhandenen Vorräten Altenberg als größte Zinnerzlager- de gemeinsam mit der Gewerkschaft Zinnwalder Bergbau stätte Europas, aus der insgesamt ~ 106.000 t Zinnmetall eine gemeinsame Aufbereitungsanlage in Altenberg er- (davon 38.700 t nach 1947) gewonnen wurden. Ein in- richtet (Schwarzwasseraufbereitung, als erste Flotations - tensiver Weitungsbau führte 1545 zu einem ersten Über- anlage im Erzgebirge) sowie die neue Wälzanlage in Frei- tagebruch, dem weitere folgten, so der von 1620 mit 1,5 berg/Sa (700 – 100 t/Monat) in Betrieb genommen (Tätig- ha Fläche. Im Ergebnis von noch anhaltenden Nachbrü- keitsbericht der Staatl. Bergwirtschaftsstelle für 1937 in chen entstand eine Pinge von heute ca. 12 ha. [5c]). Die Verhüttung Altenberger und Zinnwalder Erze in Die Mineralisation der Lagerstätte ist an Greisen ge- der Zwitterstocker Schmelzhütte endete 1937. bunden, die in Abhängigkeit vom Ausgangsgestein und Das Oberbergamt Freiberg, 1942 [8] nennt im Zeit- Intensität verschiedenen Typen angehören. Im Ergebnis raum 1940/1941 für die Gewerkschaft „Vereinigt Feld mehrerer Prozesse entstanden u. a. hochtemperierte me- im Zwitterstock“ eine Belegschaft von 312 bzw. 362 tasomatische und pneumatolytische Greisen- und Trüme- Personen bei einer Roherzförderung von 101.814 bzw. rerze. Wolframit bildet im Greisenerz meist feinkörnige 110.502 t. Im September 1944 kam es zur Verschmel- Aggregate (< 2 mm); auf Quarzklüften und Gängen da- zung mit der Sachsenerz Bergwerksgesellschaft mbH, gegen Aggregate bis zu cm-Größe. „So waren … über Freiberg und der Gewerkschaft Zinnwalder Bergbau, Al- dem Pyknitkuppelbereich reich an Kassiterit vererzte tenberg unter der Bezeichnung Sachsenerz Bergwerks- wirre Trümeranhäufungen ausgebildet. Auf gleicher AG, Freiberg/Sa.