Tirol 1809

Ein geschichtsträchtiger Tulfes Streifzug durch die Zeit der Befreiungskriege vor 200 Jahren

Sonderausgabe des Tulfer Gemeindeblattes Juni 2009 Liebe Leserinnen und Leser lagen von 1809 an mehreren Orten Unterschlupf dieser Sonderausgabe! vor seinen Verfolgern gefunden hat. Die Gemeinde Tulfes hat damals eine hohe Geld- Zum Titelbild: o wie schon oft in der Weltgeschichte vorge- summe an die Franzosen bezahlt, da Speckbacher Josef Speck- kommen, klingen Schlagwörter einfach über- nicht verraten wurde. bacher, gemalt zeugend und fesselnd. Die Männer von damals haben sich ganz bestimmt von Ernst S Grießer 1959. nicht als Helden gefühlt, und ich glaube sie wollten Das Bild hängt Die französische Revolution im Jahr 1789 mit den auch niemals als solche dargestellt werden. Diese heute noch im Schlagwörtern „Freiheit – Gleichheit – Brüderlich- Männer und Frauen haben sich aus Überzeugung Alpengasthof Windegg keit“ hat die damaligen Bevölkerungen auf unse- zur Wehr gesetzt und haben die Familie, den Besitz rem Kontinent viel hoffen lassen, aber in Wirklich- und das Leben riskiert. keit wurde ganz Europa über Jahrzehnte in Kriege mit viel Leid, Not und Elend geführt. Es ist daher eine besonders schöne Sache, dass zum Gedenken an 1809 heuer die Schützenkompanie Als Tirol von den Bayern und Franzosen verein- Tulfes unter dem Hptm. Dr Ludwig Kössler die nahmt wurde und die Bevölkerung verspürte, dass Aufarbeitung des Tiroler Freiheitskampfes und damit die Freiheit nicht mehr gegeben war, die ganz besonders das Leben von Josef Speckbacher kirchlichen und weltlichen Gepflogenheiten unter- angeregt hat und dass OSR Otto Zeisler in mühe- sagt und zudem hohe Steuern eingeführt wurden, voller Arbeit in Zusammenarbeit mit den Redak- war dies für die Tiroler nicht mehr verkraftbar. So teuren vom Tulfer Gemeindeblatt, Herbert Feicht- entschlossen sie sich zum Aufstand. ner und Helmut Kohler, sowie unseres Pfarrers Dr. Sebastian Huber eine Sonderausgabe Unter dem Schlagwort „Mander es isch Zeit“ hat zusammengestellt hat. allen voran wehrhafte Männer aus Ich danke diesen Personen ganz herzlich für die allen Teilen Tirols zusammengerufen und so ver- mustergültige Aufarbeitung dieses Themas und sucht, Tirol von der Herrschaft der Franzosen und wünsche allen unseren Leserinnen und Lesern viel Bayern zu befreien. Gefallen dabei. Ganz maßgeblich beteiligt war auch Josef Speck- JOSEF GATT bacher, der in unserer Gemeinde nach den Nieder- BÜRGERMEISTER

Impressum Dank des Chronisten Herausgeber, Es ist mir ein Bedürfnis, all jenen zu danken, die ihr Interesse an dieser im Septemberblatt 2008 angekündigten Verleger und Sonderausgabe zum Gedenkjahr bekundet und die mir die Arbeit mit Informationen und Hilfestellungen erleich- Eigentümer: tert haben. Insbesondere gilt mein Dank Andreas Kößler, Franz Haider, Hans König, Mag. Bernhard Mertels- Gemeinde eder, Hansjörg Erlacher, Wolfgang Probst, Dr. Ludwig Kössler und Judith Lechner. Tulfes, Her- rengasse 4, 6075 Tulfes. Quellen Sonder- Meinrad Pizzinini: Andreas Hofer beilage Tulfer Walter Franz Maier: Josef Speckbacher Gemeinde- Rodolf Harb, Sebastian Hölzl, Peter Stöger: Tirol Ð Texte und Bilder zur Landesgeschichte blatt Juni Chronik der Speckbacher Schützenkompanie Tulfes 2009 Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum: Innsbrucker Nachrichten, Lebensgeschichte Josef Ignaz Straub, Autor (sofern Tiroler Anzeiger nicht anders Josef Hirn: Tiroler Erhebung im Jahre 1809 angegeben): Eva-Maria Zeisler: Mordfall Gertraud Angerer Ð eine Spurensuche Otto Zeisler Gertraud Pfaundler: Tirol Lexikon Tiroler Heimatblätter Mitarbeit: Joh. Gg. Mayr: Der Mann von und Kriegsereignisse in Tirol 1809 Herbert Mühlbacher Marktblatt, Sonderausgabe September 1999 Feichtner, Pfarrarchiv Tulfes Helmut Kohler Ortschronik Tulfes

– 2 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Über all diese Ereignisse vor 200 Jahren bzw. die Beteiligung der Tulfer Bevölkerung an den Frei- heitskämpfen in dieser Zeit, wird in dieser Sonder- ausgabe des Gemeindeblattes ausführlich berichtet Bild links: und mit zahlreichen Dokumenten belegt. Einholung der Tulfer Fahne nach dem Das Andenken an Schützenmajor Josef Speck- Tiroler Zapfen- bacher hat in Tulfes einen hohen Stellenwert. streich durch Bereits seit 1958 tragen die Tulfer Schützen eine Tulfer Schützen (Vereinedorffest „Speckbacher“ Tracht. Beim Stiegele in Tulfes Juni 2006) beginnt der nach diesem Freiheitskämpfer benannte „Speckbacher-Weg“, der sich über das gesamte süd- östliche Mittelgebirge erstreckt. Und seit 1975 ver- anstalten die Speckbacher Schützen von Tulfes und Hall jährlich eine Speckbacher-Gedenkmesse im Voldertal. Anlässlich des Gedenkjahres 2009 stiften die Speckbacher Schützenkompanie und die Gemeinde Tulfes eine „Josef-Speckbacher- Gedenktafel“. Diese wird am Herz-Jesu-Sonntag, den 21. Juni 2009, im Anschluss an die Herz-Jesu- Prozession enthüllt. Alle Tulferinnen und Tulfer sind dazu herzlich eingeladen. Liebe Tulferinnen und Tulfer! Abschließend möchte ich im Namen der Speck- as Gedenkjahr 2009 steht bekanntlich bacher Schützenkompanie Tulfes allen danken, die unter dem Motto „Geschichte trifft zum Zustandekommen und Gelingen dieser Son- DZukunft“. Dieses Motto derausgabe beigetragen haben. enthält die Anregung, sich mit der Ein besonderer Dank gilt dafür vor Geschichte, speziell dem „Tiroler allen dem Ortschronisten OSR Otto Freiheitskampf von 1809“ auseinan- Zeisler für sein außergewöhnliches der zu setzen und daraus Lehren für Engagement um diesen bewunderns- die Zukunft zu gewinnen. werten Beitrag zum Gedenkjahr 2009. Dank gebührt auch dem Redakteur, Auch die Tulfer Bevölkerung betei- Gemeindeamtsleiter Herbert Feicht- ligte sich vor 200 Jahren an dieser ner sowie dem Fotografen und Grafi- Widerstandsbewegung gegen die ker Helmut Kohler für ihre tatkräftige Fremdherrschaft und die Unter- Mitarbeit. drückung. Dabei haben sich auch auf Schließlich möchte ich mich bei der unserem Gemeindegebiet zahlreiche Gemeindeführung unter BM Josef geschichtsträchtige Ereignisse zugetragen. Gatt für die große Unterstützung aller Aktivitäten zum Gedenkjahr 2009 und bei Pfarrer Dr. Sebas- Und gerade Josef Speckbacher, neben Andreas tian Huber für seine Mithilfe aufrichtig bedanken. Hofer eine der führenden Persönlichkeiten des „Tiroler Freiheitskampfes“, hat sich oft in Tulfes Wir würden uns freuen, wenn diese Sonderaus- aufgehalten. Er fand stets volle Unterstützung gabe, als Tulfer Beitrag zum Gedenkjahr 2009, euer durch die Tulfer Bevölkerung. Schließlich wurde Interesse und euren Gefallen findet. Josef Speckbacher in Tulfes auch Fluchthilfe LUDWIG KÖSSLER gewährt, was für die Gemeinde nachhaltige Folgen HAUPTMANN hatte. SPECKBACHER SCHÜTZENKOMPANIE TULFES

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 3 – Kartenskizze der Stellungen am Bergisel, von einem bayerischen Offizier gefertigt am 26. Oktober 1809. Tiroler Landes- kundliches Museum im Zeughaus Maximilians I. Foto: M. Pizzinini

Krieg in Europa

er Ausbruch der Französischen Revolu- reich verbündeten Staaten drangen französische tion mit den Schlagwörtern „Freiheit – Tr uppen unter dem Kommando von General DGleichheit – Brüderlichkeit“ im Jahre Bonaparte, der die Österreicher 1796 in 1789 als Folge der Missstände im Königreich Oberitalien mehrere Male schlug, gegen die Ost- Frankreich und der Verbreitung des Gedanken- alpenländer vor. Tirol war schon immer wegen der gutes der Aufklärung löste eine unheilvolle Ent- niederen Passübergänge sowohl für den Handel als wicklung in ganz Europa aus. Vor allem die auch für militärische Aktionen ein bedeutendes Abschaffung des Adels und dass die Geistlichen zu Durchzugsland zwischen Italien und Deutschland. weisungsgebundenen Staatsbeamten verpflichtet Es war geplant, durch Tirol zu marschieren, um wurden, veranlassten Kaiser Leopold II. von Öster- sich mit der französischen Rheinarmee zu vereini- reich gemeinsam mit Preußen eine Intervention für gen. Die von tiefem Glauben und großem Frei- das französische Königtum anzustreben. Daraufhin heitswillen beseelten Tiroler erkannten die große erklärte Frankreich im Jahre 1792 an Österreich Gefahr und bereiteten sich auf die Verteidigung vor den Krieg, nachdem kurz vorher der 23-jährige (u. a. Aufstellung von Scharfschützeneinheiten, Franz nach dem Tod seines Vaters Leopold den Errichtung von Verhauen und Verschanzungen, Thron bestiegen hatte. Damit kam eine Bewegung Vorbereitung von Steinlawinen…). Angesichts ins Rollen, die Europa durch beinahe ein Viertel- dieser drohenden Kriegsgefahr schlossen die Tiro- jahrhundert in das ganze Elend eines Krieges ler Landstände am 1. Juni 1796 in der Stadtpfarr- stürzte. Im Rahmen der Koalitionskriege der Fran- kirche Bozen den feierlichen Bund mit dem Herz zösischen Revolutionsarmeen gegen die mit Öster- Jesu.

– 4 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Das Herz-Jesu-Gelöbnis Tirols und Tulfes VON PFARRER DR. SEBASTIAN HUBER

chauen wir zuerst auf die Ursprünge der wurde eines Tages das Herz in der Hand des Hei- Herz-Jesu-Frömmigkeit und des Herz-Jesu- lands am Herz-Jesu-Bild in der Innsbrucker Jesui- SGelöbnisses: tenkirche übermalt. All diese Maßnahmen haben Im Laufe des Mittelalters hielt die Herz-Jesu-Ver- viel Unmut im Volk ausgelöst; so musste Kaiser ehrung Einzug in unser Land. Walther von der Josef II. noch kurz vor seinem Tod 1790 das Herz- Vogelweide z. B. hat uns ein Kreuzlied hinterlassen, Jesu-Verbot zurücknehmen. Der neue Bischof von in dem er von dem mit der Lanze durchbohrten Brixen erwirkte schließlich im Jahre 1795 die Herzen Christi singt. Nach den Stürmen der Refor- päpstliche Erlaubnis, das Herz-Jesu-Fest in Tirol mation, die auch unsere Heimat stark erschüttert feiern zu dürfen. haben (Bauernauf- Dann aber kam 1796 Bild links: Herz-Jesu- stand unter Michael die Schreckensnach- Statue in der Gaismair und Täufer- richt, dass die napo- Tulfer bewegung des Jakob leonischen Heere Pfarrkirche Hutter), war es unser vom Süden her ins Diözesanpatron, der Land eindrangen. Jesuit hl. Petrus Cani- Tirol war – nach sius, der sich zwischen einer fast hundert- 1562 und 1580 viel- jährigen Friedenspe- fach in Tirol (Inns- riode seit 1703 – für bruck und Hall) auf- die Verteidigung des hielt, und der für die Landes überhaupt Erneuerung des katho- nicht vorbereitet. So lischen Glaubens in kam es in dieser ver- Tirol die Herz-Jesu- zweifelten Lage am Verehrung besonders 1. Juni 1796 in Bozen pflegte. Den stärksten zum Gelöbnis der Auftrieb gaben der Tiroler Landstände, Herz-Jesu-Verehrung fortan im ganzen die Volksmissionen der Land das Fest des hei- Jesuiten im 18. Jhdt., ligsten Herzen Jesu die besonders durch mit einem feierlichen den Haller Salinen- Gottesdienst zu bege- direktor Johann Fen- hen, was bereits am ner von Fennberg getragen wurden. Sein Grab 3. Juni 1796 in der Bozner Pfarrkirche erstmals wurde im Lauf der Renovierung der Stiftskirche erfüllt wurde. Das Gelübde wurde ohne Bedingun- Wilten wieder aufgefunden. Durch 54 Jahre zogen gen gemacht, d. h. das Hochamt würde auch dann die Jesuiten Jahr für Jahr von Ort zu Ort, um Tirol gehalten werden, wenn der Feind ins Land einfiele. zu missionieren und so erst das Land zu einem Die Tatsache, dass ein ganzes Volk durch seine offi- „Heiligen Land“ zu machen. ziellen Vertreter ein solches Gelübde ablegt, war im Allerdings kamen dann auch liberale, aufklärerische 18. Jhdt. (und wohl auch später) eine absolute Ein- Kräfte in Staat und Kirche an die Macht, die für maligkeit, auch wenn dadurch vielleicht gefähr- diese für sie zu fleischliche Andachtsform (Herz- liche Illusionen auf siegreiche Schlachten geweckt muskel-, Eingeweideandacht) kein Verständnis auf- wurden. Außerdem wäre es vollkommen falsch, aus brachten, sie als eine „den reinen Begriffen des dem Herz-Jesu-Gelöbnis ein fragwürdiges Exklu- Christentums“ widersprechende Andacht verboten sivverhältnis der Tiroler zu ihrem göttlichen Bun- und mit schweren Strafen geahndet haben. So desherren abzuleiten, so als ob wir heiligere, bessere

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 5 – Deckenfresko über dem Altarraum in der Pfarrkirche Tulfes von Franz und Josef Giner (um 1770)

– 6 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Menschen und Christen als andere wären… Nun gestell „ferculum“). Diese Darstellungsgruppe wird aber zu unserer Gemeinde Tulfes und der Herz- v. a. im Herz-Fest-Monat Juni auf dem rechten Sei- Jesu-Verehrung. In unserer Pfarrkirche haben wir tenaltar aufgestellt. Für die ausdrucksstarken Dar- nämlich zwei besondere, merk- oder fragwürdige stellungen des Herzens Jesu wäre es wünschens- Darstellungen des Herzens Jesu: wert, Korrektive durch das Bilderverbot im zweiten Dazu erst eine Vorbemerkung: Bei der offiziellen Gebot Gottes, durch die Auseinandersetzungen im Einführung des Herz-Jesu-Festes wurde allgemein Bilderstreit der Ostkirche und im Bildersturm der kirchlich die von der Person Jesu isolierte Darstel- Reformation zuzulassen. In der Tragfigurendarstel- lung des Herzens Jesu, d. h. bloß das Herz darzu- lung steht in der Mitte der auferstandene Herr, bei stellen, verboten; dem nicht nur denn das Herz das Herz auf Bild links: Jesu ist nicht einer Brust Mosaik über irgend eine Sache (neben den vier dem Sakristei- (von der Person anderen Wun- eingang der Tulfer Pfarr- Jesu losgelöst), den) aufscheint, kirche die man verehren sondern der Herr kann. Das war das brennende allgemein verbo- und geöffnete ten, aber… Herz mit seinen Zu den frühesten Händen dar- Herz-Jesu-Dar- reicht. Rechts stellungen in und links neben Tirol zählt das dem Erlöser von Josef und knien die Got- Franz Giner um tesmutter mit 1770 ausgeführte dem vom Deckengemälde Schwert durch- über dem Altar- bohrten Herzen raum in unserer und unser Kir- Pfarrkirche. chenpatron, der Man muss schon heilige Apostel genau hin- Thomas mit der schauen, um zu Lanze, mit der er entdecken, was hier dargestellt ist: Unten ist das getötet wurde. Die beiden Heiligen wenden sich Dorf Tulfes (mit dem Glungezer) zu entdecken. dem „Herzen Jesu“ zu – fürbittend für die „armen Tulfer richten ihre Anliegen bittend zu Gott empor Seelen im Fegfeuer“; d. h. fürbittend für die Ver- (dargestellt durch die unter der Gottesmutter storbenen, die noch der Reinigung und Läuterung Maria von zwei Putten getragenen brennenden (gleichsam wie im Feuer) bedürfen, um in das volle Herzen); unsere Fürsprecher im Himmel (sym- Licht und die volle Herrlichkeit Gottes gelangen zu bolisiert durch die Wolke) tragen unsere Gebete können. empor – zu Christus; diese Wirklichkeit ist aller- Diese beiden Darstellungen in unserer Kirche, die dings bloß gezeigt als Herz (Jesu), als das von einem unsere Vorfahren geschaffen und verehrt haben, Strahlenkranz umgebende, brennende und durch- verpflichten uns Tulfer eigentlich, die Herz-Jesu- bohrte Herz. Verehrung ernst zu nehmen und sie zu pflegen. So Die zweite sehr auffällige Darstellung des Herzens erst nehmen wir die Herzmitte unseres christlichen Jesu in einer Figurengruppe war ursprünglich die Glaubens wirklich wahr: dass uns Gott unbegreif- Tragefigur auf dem „Ferkele“ der nicht mehr exis- lich und unendlich liebt und seinen Sohn dahinge- tierenden Fünfwundenbruderschaft von Tulfes. geben hat „zur Vergebung der Sünden“, wie es uns (Das Mundartwort Ferkele oder Ferggele ist eine in jeder Messfeier zugesagt wird. Verballhornung des lateinischen Wortes für Trag-

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 7 – Denkmal bei Spinges (Süd- tirol) mit der Ehrentafel, auf der die Gefallenen vom 2. April 1797 angeführt sind. Unter ihnen die beiden Tulfer Johann Hilber und Johann Gandl. (Foto: Judith Lechner)

– 8 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Gefecht bei Spinges in Südtirol mit Beteiligung von Tulfer Schützen

in französisches Korps unter General Jou- des Kommandanten Philipp von Wörndle „Schla- bert gelangte im März 1797 über Trient und gen, schlagen!“ stürmten die Kämpfer mit ihren EBozen bis Brixen. Am 2. April 1997 griffen Schlag- und Stichwaffen, aber auch mit umgedreh- die österreichischen Truppen gemeinsam mit dem ten Gewehren auf die Feinde los. Die Bauernmagd aufgebotenen Landsturm von Süd- und Nordtirol Katharina Lanz, die als das „Mädchen von Spinges“ die französischen Stellungen im Eisacktal an. Beim in die Geschichte einging, verteidigte heldenmütig heftigen Gefecht von Spinges am 2. April 1797 mit einer Heugabel den Friedhof. Auf der Gefalle- taten sich die Landstürmer aus den Inntaler nentafel am Spingeser Heldendenkmal sind neben Gerichten Sonnenburg und Rettenberg (unter dem mit Todesverachtung kämpfenden Sen- ihnen auch Josef Speckbacher als gemeiner senschmid von , Sturmhauptmann Anton Schütze), die unter dem Kommando von Major Reinisch („Senseler“), auch zwei gefallene Tulfer Dr. Philipp von Wörndle standen, besonders her- Schützen angeführt: Johann Hilber, Bauernsohn vor. Die Schützen hatten ihre wenig zugeteilte beim Grafen, und Johann Gandl vom Sturmhof. Munition bald verschossen. Mit dem Losungswort

Aufstand 1809

ach dem Sieg bei der so Bezeichnungen Inn-, Eisack- und Etschkreis genannten „Dreikaiserschlacht“ bei Aus- ersetzt. Während Bauern und Handwerker für die Nterlitz am 2. Dezember 1805 folgte der Freiheit kämpfen wollten, sahen die Beamten und für Österreich und vor allem für Tirol folgen- viele städtische Bürger im bevorstehenden Frei- schwere Frieden von Pressburg am 26. Dezember heitskampf eher eine Rebellion. 1805. Kaiser Franz von Österreich musste Tirol an das mit Frankreich verbündete Königreich Dienten die Kämpfe zwischen 1796 und 1805 Bayern abtreten. der Abwehr eines von außen eindringenden Die von der bayrischen Herrschaft angeordne- Gegners, so war die Erhebung des Jahres 1809 ten hohen Steuerforderungen, unkluge Verwal- ein Aufbegehren gegen die von Napoleon ein- tungsmaßnahmen sowie aufklärerische, tradi- gesetzte bayerische Staatsgewalt. tionsfeindliche und antikirchliche Tendenzen Im Jänner 1809 reiste Andreas Hofer mit einigen (Aufhebung von Klöstern – z. B. Stift Wilten Gleichgesinnten nach Wien, um Verhandlungen von 1807 bis 1816 aufgehoben –, Untersagung über den bevorstehenden Aufstand zu führen. von Bitt-und Kreuzgängen, Prozessionen, Wall- Die oberste Leitung der Operation in Tirol fahrten, Wetterläuten, Verbot der Christmette erhielt der Bruder des Kaisers, Erzherzog Johann, 1806) und vor allem Rekrutenaushebungen mit der sich stets für die Tiroler Belange eingesetzt der Missachtung des Landlibells Kaiser Maxi- hat und militärische Hilfestellung versprach. Zur milians aus dem Jahre 1511, nach dem die Bekämpfung der bayerisch-französischen Trup- Tiroler wohl verpflichtet waren, ihr Land im pen wurde von österreichischer Seite ein Heer Kriegsfall innerhalb der Grenzen zu verteidigen, unter der Führung von Feldmarschallleutnant jedoch keinen Militärdienst leisten mussten, ließen Chasteler gebildet, das über Osttirol in das Puster- den Unmut der Bevölkerung gegen die Fremdherr- tal vorrückte. Auf seiner Rückreise von Wien schaft wachsen. Die Verwendung des Namens besprach sich Andreas Hofer mit Anführern im „Tirol“ wurde streng verboten und durch die Unterland, unter anderem in Hall mit Josef Speck-

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 9 – Zum 600jährigen Jubiläum der Stadt Hall im Jahre 1903 wurde bei den Festspielen die Bergiselschlacht nachgestellt. Auf dem Bild sind auch zwei bekannte Personen, die sehr mit Tulfes verbunden sind. Ferdinand König (1) und Josef Bachlechner (2), von dem das Christ- kind am Hochaltar und die von der Gemeinde angekauften Kreuzwegstationen stammen (siehe untenstehende Ausschnitte) (Foto: Stadtarchiv Hall, Repro Auer) Hormayr wird von den Historikern als besonders intelligent und ehrgeizig beschrieben. Er selbst konnte es jedoch nicht verkraften, im Schatten Andreas Hofers stehen zu müssen.

Nach den ersten Kämpfen im Pustertal und bei 12Sterzing, wo Andreas Hofer mit den Passeirern die bayerische Besatzung gefangen nahm, tobte am 12. April der Kampf um , den die Tiroler bacher und dem Kronenwirt Josef Ignaz Straub, Landstürmer ohne die regulären österreichischen den er wahrscheinlich als einzigen „Städter“ in die Tr uppen siegreich beendeten. Nach der Ankunft in Wien gefassten Pläne einweihte. Die Hauptrolle des österreichischen Militärs zwei Tage danach bei den Vorbereitungen in Tirol spielten vor allem übernahm Feldmarschall Chasteler das militärische die Wirte in den Dörfern, und so konnte das Oberkommando und Joseph von Hormayr übte Geheimnis des Aufstandes gewahrt werden. die Regierungsgeschäfte im Namen des Kaisers aus. Beim Einmarsch des kaiserlichen Militärs erschien am 9. April 1809 ein Aufruf an die Tiroler, verfasst vom kaiserlichen Intendanten (= oberster Verwal- tungsbeamter) in Tirol, Freiherr Joseph von Hor- Kanone aus dem mayr, der mit der Einrichtung der Zivilverwaltung Jahre 1740 in Tirol betraut wurde. Dieser Aufruf beginnt fol- gendermaßen: Auf Tyroler, auf! – Sie ist da die Stunde eurer Erlösung! – Kaiser Franz, den Vielgeliebten, Euch entrissen, in Kurzem wieder gegebenen Landes- vater rufen noch einmal die heiligsten Pflichten zu den Waffen…

– 10 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Aprilaufstand und Tulfes

Josef Hirn schreibt in seinem im Jahre 1909 nung, dass es wenigstens in ihrem Bereich ruhig erschienen Buch „Tiroler Erhebung im Jahre 1809“ bleiben werde. Von ihnen unbemerkt traf Speck- bacher seine Vorbereitungen. In den Nachmittags- Im Distrikt von Hall war Josef Speckbacher die stunden des 11. April verringerte er die Besatzung Seele des Aufstandes. Er hatte die Leute des Mittel- am Paschberg, da er die Männer des östlichen Mit- gebirges von Tulfes bis Ellbögen zum 11. April auf telgebirges nach Hause entließ mit der Weisung, die Höhen des Paschberges, den die Sill vom Berg man werde sie in der folgenden Nacht an der Isel trennt, entboten. Dort verharrten sie den Haller Brücke brauchen. Seine Laufboten verbrei- ganzen Tag und sahen dem Gefechte zu, ohne den teten diesen Befehl in die Dörfer. Sillfluss zu überqueren. Unweit der hinüber- führenden Brücke war eine Kanone aufgefahren, Für diesen Tag war das Waldtaiding (heute mit deren Geschoße zeitweilig hinüberflogen zum Forsttagssatzung vergleichbar) in Tulfes angesagt. Korethofe, dem Sammelplatz der Bauern. Zu sons- Die von Volderwald waren schon auf dem Weg tigen Tätlichkeiten kam es an dieser Seite nicht. dahin. Da kommt ihnen ein Bote des Dorfmeisters Solches Nichtstun war nicht nach Speckbachers (Bürgermeister) Andreas Gerold entgegengelaufen Geschmack. Ihn beschäftigte ein anderer Gedanke: und ruft ihnen zu: „Heute, liebe Nachbarn, ist’s es galt, die bayrische Besatzung in Hall aufzu- nichts mit dem Taiding, heute gibt’s was anders, es heben. Militär und Beamte in der Salinenstadt ist Krieg.“ Der Speckbacher habe einen Aufruf vom hörten das Schießen bei Innsbruck und wussten, Sandwirt und sei entschlossen, die Bayern zu fan- dass dort gerauft werde. Aber sie lebten in der Hoff- gen. „Ihr Volderwalder müsst mit den Rettenber-

Die Sturmleute 1910 (von links): Anton Schwaiger (Sturm Tonl), Anton Steffan, Alois Schwaiger, Alois Schwaiger sen., Gertraud Schwaiger. (Foto: Stockhammer)

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 11 – Die Borgias- kapelle in Volderwald wurde 1678 erbaut und ist dem hl. Franz Borgias geweiht. Die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1966 (Foto: F. Thaler)

gern den Trupp an der Volderer Brücke aufheben, Denn die Attacke in Volders, die er für die Nacht das muss weiter angesagt werden.“ Speckbacher angesetzt hatte, wollte er nicht versäumen. selbst besorgte diese Ansage mit seinem Knecht Georg Zoppl in , von dort eilten sie nach Auf Anweisung Speckbachers entzündeten Frauen Volders zu Angerer, welcher schon seit der Begeg- und Kinder auf den Höhen des Mittelgebirges nung mit Hofer seine Leute in Bereitschaft hielt. Feuer, und in den Dörfern läuteten die Sturm- Dann gingen sie noch abwärts nach und glocken. Der Feind verlegte daraufhin die Haupt- , fuhren bei Weer über den Inn und besuch- kräfte an den Südrand der Stadt Hall in die Nähe ten und , um überall die des Münzerturms, während die nördlichen Stadt- Losung auszugeben: heute nacht beim Kloster in tore nur schwach besetzt blieben. Daher konnten Volders! Während Zoppl mit der Parole nach Mils am 12. April die wehrhaften Bauern und Salzberg- sich verfügte, besuchte Speckbacher noch seine Hei- arbeiter von und die bayrischen mat . In Absam trafen sie sich wieder. Wachen in der Stadt Hall nach kurzem Geplänkel Für den Knecht gab es keinen Aufenthalt, er musste entwaffnen. Nicht so leichtes Spiel hatte Speckba- nach Thaur. Speckbacher sah gerade die Knappen cher mit seinen Leuten von Rinn und Tulfes an der vom Salzberg heimgehen, er rief sie zum Stamser- Innbrücke, die Oberstleutnant Bärenklau ernstlich wirt und las ihnen, auf einer Bank stehend, den verteidigen wollte. Es gab ein heißes Ringen, wobei Aufruf vor. Ihnen wie den Nachbarn in Thaur und die Angreifer den Kürzeren zu ziehen drohten. Mils gab er Bestimmung, in grauer Morgenstunde Die vorher in die Stadt eingedrungenen Bauern durch das Absamer-, Thaurer- und Milser-Tor die und Salzbergarbeiter kamen den Rinnern und Stadt Hall zu überrumpeln, er selbst werde schon Tulfern zu Hilfe und fielen den Feinden in den zur rechten Zeit jenseits der Haller Brücke einbre- Rücken. So stand einem Sieg der Tiroler nichts chen. Dies verkündet, flog er schon von dannen. mehr im Wege.

– 12 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Die ersten Toten in Volderwald

Dazu schreibt Josef Hirn: sich im Sprung über einen Zaun, wobei noch der eine der beiden Steinlechner einen Bajonettstich Zu einem, wenn auch belanglosen Zusammenstoß empfing, so dass er nach weinigen Minuten in den war es schon nachmittags des 11. April 1809 zwi- Armen seines Bruders verschied. Die Soldaten wag- schen Hall und Volders gekommen. Die vom abge- ten nicht mehr auf dem Wege zu bleiben, sondern sagten Holztaiding heimkehrenden Bauern ver- liefen vom Kolbenturm zum Inn, um sich auf ein breiteten getreulich das Sturmaufgebot. So auch eben passierendes Schiff zu retten. Diese kleine Epi- Josef Steinlechner, der seinen Bruder Ignaz mit sode mit den sechs Volderwaldern zeigt, wie schlag- dem Tagwerker Joachim Pieger und dem Knecht bereit, wenn auch nicht ausgerüstet, die Bauern- Johann Moser auf dem Felde arbeitend antraf. schaft war, sie war auch für das tollkühnste Während sie sich besprachen, sahen sie eine Wagestück zu haben. Patrouille von sechs Mann mit einem Korporal sich nähern. Schnell gefasst meinte Moser, bei denen Die ersten Toten der Erhebung im Jahre könnten sie ja anfangen. Sie gingen in das Haus 1809 wurden also am 11. April in Volder- und eröffneten den Plan dem alten Steinlechner wald beklagt: Joachim Piegger, Stein- und dessen Sohn Johann, der 1805 schon in Schar- brücke und Johann Stainlechner, Mühl- nitz dabei gewesen. Der Vater, etwas bedenklich, sohn. Bereits 1799 fiel Balthasar Huber, schickte sie zu Nachbarn, sie sollten beim Matthias Steinbrücke, in Mantua. Klotz, dem Stiftsmeier, näheren Bescheid holen. So taten sie, aber sie wollten sich auch mit Waffen ver- sehen. Die beiden Brüder nahmen Flinten, Pulver hatten sie noch keines, der Taglöhner und der Knecht nahmen Stecken zu sich. Wie sie nun dem Stiftsmeier ihr Geheimnis offenbarten, meinte er gleich: ja freilich anpacken, ergriff selbst eine Mist- gabel und schloss sich ihnen an. Als sechsten im Bunde gewannen sie noch den auf dem Acker beschäftigten Knecht des Angerbauern, welcher ein Holzscheit ergriff und sich ihnen anschloss. In dieser primitiven Verfassung erwarteten sie bei der Borgiaskapelle die Soldaten. Als dieselben heran- kamen, fragten sie die Burschen, was sie da wollten. Diese waren gleich mit einer Antwort gefasst: sie hätten den Befehl, nichts passieren zu lassen. Der Korporal, der vielleicht an einen Scherz dachte, entgegnete, sie möchten nur ruhig sein, es geschehe ihnen nichts. Allein die sechs wollten Ernst machen und forderten die Ablegung der Gewehre. Auf das hin wandten sich die Soldaten um, als wollten sie nach Volders ziehen. Die Burschen setzten ihnen nach und machten sich daran, ihnen die Gewehr- läufe zu entreißen. Der Korporal kommandierte Feuer, und Pieger sank zu Tode getroffen dahin. Lanze und Gewehr aus Aber auch einer der Bayern, den ein Bursche als der Zeit um 1800. Der Ausschnitt zeigt das seinen Gefangenen umklammert hielt, erhielt in vielfach gebräuchliche der Verwirrung von Freundesseite die Todeswunde. Steinschloss Nun ließen die verwegene Kerle ab und retteten (Foto: O. Zeisler)

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 13 – Vier Standeslisten, auf denen die unter Josef Speckbacher kämpfenden Tulfer Schützen angeführt sind, werden im Pfarrarchiv Tulfes aufbewahrt (Abschrift)

– 14 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Die Gemeinden in Not

bwohl die Gemeinden durch die Fremd- Die vierte Liste weist die Mannschaft aus, die vom herrschaft, die wirtschaftlichen und 17. Oktober bis 1. November 1809 „wegen An- Ofinanziellen Einschränkungen, für die in drang des Feindes in das Unterinntal und in der erster Linie der bayrische Staatsminister Joseph Folge zur Deckung des rechten Flügels bei der Freiherr von Montgelas verantwortlich war, buch- Volderer und Haller Brücke ausgerückt ist“. stäblich am Hungertuch nagten, kamen sie teil- Der Kronenwirt von Hall, Josef Ignaz Straub, der weise für Kost und Verpflegung der Verteidigungs- von Andreas Hofer mit der Führung des Unterinn- mannschaft auf. taler Landsturmes beauftragt wurde und gemein- sam mit Josef Speckbacher den Aufstand im Vier Standeslisten, die in den Jahren von 1816 bis Bereich Unterland leitete, führt in seiner Lebens- 1818 angelegt worden sind und im Pfarrarchiv Tul- geschichte die Tulfer Joseph Moser, Andrä Kößler, fes aufbewahrt werden, bezeugen die Teilnahme der Johann Angerer, Josef Örlacher und Michael Landesverteidiger aus den Gemeinden Tulfes mit Winkler als tapfere Kämpfer aus der Gemeinde Volderwald, Rinn und Ampass, die unter dem Tulfes an. Kommando Josef Speckbachers gekämpft haben. Josef Ignaz Straub galt als besonders diplomatisch Die erste Liste nennt die Männer, die vom 12. bis begabt und wusste mit seiner Menschlichkeit und 19. April 1809 unter dem Kommando Josef Speck- Besonnenheit manch unnötiges Blutvergießen und bachers an der Haller, an der Volderer Brücke und auch Misshandlungen von Gefangenen zu verhin- weiter im Unterinntal im Einsatz standen. Unter dern. Ende April 1809 gelang ihm auf abenteuer- anderen werden Thomas Wieser als Oberleutnant, liche Weise der Transport von 200.000 Gulden Thomas Pichler als Oberjäger, Franz Leitner, Andrä kaiserlichem Unterstützungsgeld sowie einer Menge Hoppichler und Martin Saurwein als Unterjäger Pulver und Blei von Linz nach Tirol. neben über 80 „Gemeinen“ auf der Liste angeführt. Der Oberleutnant erhielt 36 Kronen, der Ober- Major Josef jäger 21 Kronen, der Unterjäger 18 und der Ignaz Straub Gemeine 15 Kronen. (Ein Taglöhner erhielt damals (Reproduktion für die Arbeit eines Tages etwa 24 Kronen.) aus dem Buch „Josef Am Ende der Standes- beziehungsweise Auszah- Speckbacher lungslisten ist folgendes vermerkt: Von Seite der 1767–1820“ Unterzeichneten, die teils selbst mit gedient, zum von Walter Franz Maier Teil aber Augenzeugen des Vorgefallenen waren, mit freundlicher wird hiermit zur Steuer der Wahrheit das oben Genehmigung angeführte bestätigt. Gleichzeitig wird von Seiten des Autors der drei Gemeindevorstehungen die Versicherung gegeben, dass den Gemeinden die Schützenstellung im Jahre 1809 weit größere Unkosten als in den Listen angesetzt sind, verursacht haben. Die Gemeinde Tulfes zählte damals 500 Einwoh- ner.

Auf der zweiten Liste ist die Landesverteidigungs- mannschaft aufgezeichnet, die vom 8. bis 11. Mai 1809 bei Volders und Schwaz gestanden ist. Die dritte Liste führt die Schützen an, die in der Zeit vom 10. bis 23. August zur Verfolgung des Feindes nach Volders und in das Unterinntal aus- gerückt sind.

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 15 – Der Krieg im Mai 1809

apoleon, der am 13. Mai triumphierend Der bayrische General Wrede eroberte nach in Wien einzog, schickte Anfang Mai zur schwersten Verlusten im Kampfe gegen den ent- Nneuerlichen Besitznahme von Tirol zwei schlossenen Schützenhauptmann Oppacher am Divisionen (General Wrede und General Deroy) 11. Mai den Pass Strub. Sengend und brennend unter dem Oberkommando von Marschall Lefeb- wälzten sich die Heeresmassen des Feindes durchs vre über das Unterland Richtung Innsbruck. Feld- unglückliche Unterland. Aber Tirol verlor den Mut marschallleutnant Chasteler erlitt bei Wörgl mit nicht; überall erhob sich der Landsturm gegen den seinen österreichischen Truppen eine katastrophale barbarischen Eindringling. So auch in Stubai. Am Niederlage. Die siegreichen Gegner zogen nun 14. Mai sandte Michael Pfurtscheller Kurrende an brandschatzend und plündernd durch das Unter- alle „Waffenfähige Mannschaft zwischen 16 und inntal. Der Widerstand der Tiroler unter 56 Jahren“, tags darauf rückten unter seinem Anführung von Josef Speckbacher vereint mit Befehl 420 Stubaier nach Rinn und Tulfes, ja bis österreichischen Soldaten brachte schließlich kei- zur Volderer Brücke vor. nen Erfolg. Am 15. Mai brannte Schwaz. Das Von Tulfes aus schreibt Michael Pfurtscheller der österreichische Heer zog sich zurück. Die Enttäu- Gemeindevorstehung zu : „Liebwerte schung der Tiroler über das Verhalten des kaiser- Nachbarn! Um 8 1/2 abends sind die Fulpmer hier lichen Militärs war grenzenlos. In der Annahme, nach Tulfes angelangt und bereitwillig aufgenom- den Widerstand in Tirol endgültig gebrochen zu men worden. Morgen zeitlich haben wir zu patrol- haben, zogen Lefebvre und Wrede mit ihren Trup- lieren, um die wirkliche Postierung der Österrei- pen durch das von ihnen verheerte Unterinntal cher sowie jene der Feinde zu erfahren. Die Mann- Richtung ab. Nur die Division Deroy schaft von Schönberg und übernachtet in blieb mit 8.000 Mann zur Festigung der bayrischen , die Telfer zu Rinn. Die Neustifter möch- Herrschaft im Land. ten sich uns anschließen, weil es zu einem Gefecht Dazu ein Bericht im „Tiroler Anzeiger“ vom 4. Juni kommen dürfte. Meine unterhabende Mannschaft 1936 mit einem Brief der Stubaier aus Tulfes: ist bis zur Stunde voll guten Willens; sie äußerte

– 16 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 den Wunsch, dass uns ein Proviantwagen mit Brot Stiele mit Eisenfedern auf beiden Seiten beschlagen Windegg um und Krapfen und Käs nachgeschickt werden werden. Diese haben Beifall. Schließlich bemerke, 1900 – vor dem Bau des Kirch- möchte. Die Krapfen möchten hauptsächlich in dass aus den besseren Häusern Extrapackl mit leins im Jahre jene bessern Häuser erhoben werden, wo keine Adressenzettel mit den Proviantwagen geschickt 1911/12 Landesverteidiger zu Hause oder keine auszuzie- werden sollen. Für die Familie des Michael Spötl hen sich wagten. Auch ahndet die ganze Kompanie, möchte gesorgt werden, auch für die Preisische. Von dass der Venus Ritter Franz – nicht im Sturm gehen alle an alle einen herzfreundlichen Gruß! Lebet und doch in der Gemeinde sein und bleiben will. wohl, denn näher beim Feind ist der Lärm viel Wir verlangen zwar keinen Nachschub an Mann- kleiner als zu Hause. Adio! Michael Pfurtscheller.“ schaft; aber etwas in Reserve sollen sich in Bereit- schaft halten und die bestellten Lanzen ausfertigen Die Initiative zur neuerlichen Vertreibung der Bay- lassen. Die Klingen dürften länger sein und die ern aus Tirol ging eindeutig von Andreas Hofer in Südtirol aus. In Nordtirol war es Josef Speckbacher, der im ganzen Inntal zum bevorstehenden Kampf Bild links: Schriftzug am aufmunterte und der alle über die in Sterzing und Felsen der am Brenner gefassten Beschlüsse in Kenntnis Speckbachergufl setzte. Nachdem das Gefecht am Berg Isel am oberhalb der 25. Mai 1809 keinen entscheidenden Vorteil für die Horber Aste. Angebracht im Tiroler brachte, griffen sie am 29. Mai nochmals an Jahre 1934 und diesmal mit Erfolg. Josef Speckbacher kom- mandierte den rechten Flügel, der vom Berg Isel bis nach Volders reichte. Die Haller und die Volderer Innbrücke, an deren Verteidigung sich auch die Tulfer Schützen unter ihrem Hauptmann Paul Hil- ber mit 100 Mann beteiligten, waren wieder beson- ders heiß umkämpft. Dabei griff Speckbacher zu einer List: Baumstämme, wie Kanonen zugestutzt, waren hinter einem Erdwall versteckt. Zusammen-

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 17 – gebundene und stark geladene Flintenläufe wurden die Flucht seiner Mitkämpfer beeindruckte Josef von Zeit zu Zeit abgefeuert, um den Schall einer Speckbacher derart, dass er bei Bruneck umkehrte Kanone vorzutäuschen. und dem Oberkommandanten treu zur Seite ste- General Deroy zog heimlich über das Unterinntal hen wollte. ab und somit war Tirol zum zweiten Mal frei. Vom 31. Juli 1809 stammt ein Schreiben, das die Andreas Hofer befahl aus Dankbarkeit das 1796 Straubin an ihren Ehegatten Josef Ignaz Straub, der gestiftete und 1805 abgeschaffte Herz-Jesu-Fest als sich mit seinen Schützen am Tulferberg aufhielt, Feiertag wieder einzuführen. Unter großem Jubel richtet (ausschnittweise): wurde es am 9. Juni 1809 wieder festlich begangen. . Nach dem Sieg der Österreicher über Napoleon bei Liebster Vater!....die Kinder tue ich zum Walder- Aspern am 21. und 22. Mai 1809 und dem erfolg- bauern auf dem Volderberg. Alle deine Komman- reichen Aufstand in Tirol verfasste Kaiser Franz im dantschriften hat der Hausknecht samt deiner sogenannten Wolkersdorfer Handbillet ein Schrei- Geldkassa zum Wauhlinger (Faulinger) in Volder- ben an die Tiroler: wald außi tragen. Das noch zu Hause gelegene Pul- „Im Vertrauen auf Gott und Meine gerechte Sache, ver und Blei und alle Doppelhaken hat der Johann erkläre Ich hiermit Meiner treuen Grafschaft , Rotz und der Joseph Moßer zum Hofchristl hin- mit Einschluß Vorarlbergs, daß sie nie mehr von über in Gnadenwald getragen. O, was Schrecken dem Körper des Österreichischen Kayserstaates soll habe ich ausgestanden, wie mir der Herr von Wall- getrennt werden, und daß ich keinen anderen Frie- pach gesagt hat, dass inser Haus in 2 Tagen geplün- den unterzeichnen werde. dert und abgerissen wird. Einen Galgen wollen sie für dich bauen. Deine Güter und alles ist fiskalisch. In der Schlacht bei Wagram am 5. und 6. Juli 1809 O, was Schmerzen muss ich leiden. erlitt Österreich mit Erzherzog Karl neuerlich eine empfindliche Niederlage. Der Artikel IV des fol- Liebste Gattin! genden Waffenstillstandes von Znaim vom 12. Juli Daß die bayrischen Räuber gestern in Hall einge- verpflichtet den Kaiser, Tirol und Vorarlberg von drungen sind, habe ich gesehen. Ich bitte dich, lieb- österreichischen Truppen zu räumen. Die Tiroler ste Mutter, folge meinem Rat und verstecke dich erfuhren davon erst Ende Juli und konnten diese nur sogleich. Mit den Bayern fahren wir Tyroler Nachricht vorerst nicht glauben. Napoleon befahl schon noch einmal außi durchs Landl. Bis zum die Wiederbesetzung Tirols. Das österreichische Frauentag ist alles richtig. Das überschickte Pulver Heer, dem sich sowohl die Beamtenschaft mit dem und Blei, die Doppelhaken und Schriften habe ich Intendanten Hormayr als auch verdienstvolle Tiro- erhalten. ler Freiheitskämpfer anschlossen, zog durch das Doppelhaken waren schwere Gewehre mit Stützen Pustertal ab. Die Bestürzung Andreas Hofers über (Bock, Dreibein) zum Abfeuern.

Die dritte Befreiung Tirols im August

urch den Abzug des österreichischen Ab Anfang August verstrickten die Tiroler die Militärs waren nun die Tiroler auf sich feindlichen Truppen immer wieder in Kämpfe. Dalleine gestellt. In Anbetracht, dass sich Schützen und Landsturmaufgebote unter der das Militär an den Maikämpfen kaum beteiligte, Führung von Pater Joachim Haspinger, Josef und dass auch bei der zu erwartenden kriegerischen Speckbacher und Peter Mayr ließen beispielsweise Situation der bäuerliche Stand mit seinen rund am 4. August 1809 auf eine feindliche Division, 90 Prozent Bevölkerungsanteil stark genug sein der vor allem sächsische Kontingente angehörten, würde, verteidigungsmäßig und wirtschaftlich das in der Nähe von Franzensfeste Steinlawinen don- Schicksal des Landes in die Hand zu nehmen, berei- nern. Die Eisacktalschlucht, bei der die Division tete Andreas Hofer mit seinen Getreuen einen neuer- vernichtend geschlagen worden ist, heißt seitdem lichen Aufstand gegen die Fremdherrschaft vor. „Sachsenklemme“.

– 18 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Am 11. August besprach sich in Matrei der Sand- statt, sie erstreckten sich von Schloss Mentlberg im wirt Andreas Hofer, der nun den Titel „Oberkom- Westen Innsbrucks bis zum Paschberg bei Amras mandant in Tirol“ führte, mit Josef Speckbacher östlich der Sill, wobei die Haller und Volderer Inn- und Pater Joachim Haspinger. Diesmal mussten die brücke einer besonderen Bewachung bedurften. Tiroler ohne militärische Bera- Gegen Abend waren alle Bild links: tung in die Bergiselschlacht am wichtigen Punkte in den Andreas Hofer. 13. August 1809 gehen. 15.600 Händen der Tiroler, der Das Gemälde hängt heute Landstürmer kämpften gegen Feind musste große Verluste noch im Gasthof ein etwa gleich starkes Heer von hinnehmen. Marschall Lef- Windegg. Bayern und Franzosen. Mit der ebvre zog eilend mit seinen Taktik, den Feind im Raum Tr uppen durch das Unte- Innsbruck einzuschließen, hat- rinntal ab. Tirol hatte sich ten die Tiroler Erfolg. Unter der ohne fremde Hilfe von der Losung Andreas Hofers „Nur Fremdherrschaft befreit. nit aua lassn“ griffen die Tiroler Andreas Hofer zog am 15. schon frühzeitig an. Josef August (Hoher Frauentag) Speckbacher befehligte wie in Innsbruck als Sieger ein auch in der zweiten Berg-Isel- und übernahm nun als Schlacht den rechten Flügel öst- Oberkommandant von lich der Sill mit den Männern Tirol im Namen des Kaisers des östlichen Mittelgebirges, die Regierung des Landes. verstärkt durch 14 Kompanien Burggräfler. Insge- Wegen der trostlosen Finanzlage des Landes wurde samt 3.500 Mann standen unter seinem Kom- die von Intendant Hormayr begonnene Ausprä- mando. gung des „Zwanzigers“ in der Haller Münze fortge- Die Kämpfe fanden nicht nur auf dem Territorium setzt. Hofer erließ strenge Verordnungen, um die des uns heute bekannten Berg Isels mit dem sittliche Haltung der Bevölkerung und vor allem Andreas-Hofer-Denkmal und der Sprungschanze der in Innsbruck stationierten Schützen zu heben.

Bittere Enttäuschung

ie Bestimmungen des Friedensvertrages Am 17. Oktober siegten die Bayern nach einem von Schönbrunn vom 14. Oktober 1809 Überraschungsangriff. Während Speckbachers Dzwischen Österreich und Napoleon waren Sohn Anderl von den Bayern gefangen wurde, für Österreich erdrückend. Tirol wurde zwischen konnte er sich mit übermenschlichen Kräften der Bayern (Nordtirol und ein Teil Südtirols), Italien Umklammerung von feindlichen Soldaten ent- (der restliche Bereich Südtirols) und den Illyrischen reißen und schwer verletzt flüchten. Bei den Provinzen (Osttirol) aufgeteilt. Der Kaiser musste Kämpfen in Melleck fiel der Tulferberger Josef sein Versprechen, keinen Frieden zu unterzeichnen Erlacher. in dem Tirol von Österreich getrennt werde, den Tirolern gegenüber brechen und beauftragte Erz- Wieder in Tirol, war Speckbacher am 28. Oktober herzog Johann, diese Nachricht den Tirolern zu im Zimmertal (westlich vom Glockenhof) in ein übermitteln. Andreas Hofer erhielt erst am 28. Gefecht verwickelt. Ernst Kiechl schreibt: Trotz Oktober die offizielle Bestätigung. Er und auch der Vorsicht, die die Bayern walten ließen, kam es viele seiner Mitstreiter zweifelten an der Richtigkeit immer wieder zu verlustreichen Scharmützeln. Auf dieser Nachricht. Vor allem Pater Haspinger hetzte einer Schiffsbrücke, die die Bayern bei Loretto Hofer auf, zum letzten Sturm zu rufen. errichtet hatten, setzten ungefähr 300 Mann über Speckbacher kämpfte unterdessen bei Melleck am den Inn, um die von Speckbacher besetzten Süd- Steinpass an der salzburgisch-bayrischen Grenze. höhen zu gewinnen. Dabei fielen sie in einem der

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 19 – Brief von Johann Flöck an Josef Straub zu Windegg. (Aus der Lebens- geschichte des Josef Ignaz Straub, auf- bewahrt im Tiroler Landes- museum Ferdi- nandeum)

vielen kleinen Tälchen, im Zimmerthale, in die gefangen wurde und durch meine Entschlossenheit Hände des wachsamen Speckbacher. zwar mit Erhaltung zweier Blessuren mich wieder losgerissen. Aus Speckbachers Tagebuch dazu: Im Zimmerthale ein heftiges Gefecht den ganzen Briefe, unter anderem auch von Speckbacher ver- Vormittag, wobei ich den Feind mit Sturm aus den fasst, zeugen davon, dass Josef Ignaz Straub in den Schanzen getrieben, ein ganzes Bataillon zu letzten Oktobertagen 1809 sich am Tulferberg Gefangenen gemacht, viel Tote und Blessierte (Windegg) und Kleinvolderberg (Arendt – Ornt) geblieben, dabei ein Haufen Munition erbeutet. aufgehalten hat. Später im Volderer Walde, wo ich das zweite Mal Als Beispiel vier Briefe:

– 20 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Prehsent. den. 27. Oktober 1809 Von Joh. Flöck Adjutant in Lans Nr. 131 An Den Herrn Ignatz Straub Platz Commandanten in Windegg Einem löbl. Comando wird hiemit Bericht erstattet, daß jetzt just für dießmal kein Brandwein und Brod vorhanden ist aber ich hoffe Herr – Ober-Comandant werde uns binnen 2 oder 3 Stunden wieder eines schicken, wo ich Ihnen alsogleich aufwarten werde, – dahero ich Ihnen melden will, damit sie leichter gedulden. Unterdessen kann der mann hier bleiben, sobald aber einer komt, werde ich Ihnen geschwinde schicken, gehorsamst empfehlend Comando Lans den 27. Okt. 1809 Johann Flöck m.p. Aktuari An Herrn Kommandanten Ignatz Straub in Windegg durch Ordonanz

Prehesent. 27. Oktober 1809 Vom Comand. Speckbacher Nr. 132 Liebster Herr Bruder Straub! Um den Feinden sofil möglich zu Schaden wünste, das die Position an der Volderer Brüge wo nicht genommen, doch Alarmiert würde. Dieserwegen lassen Sie alle Truppen die am Windbüchel / : Windek:/ und überhaupt in der Höhe stehen, nach Larch, Erenhaus und in denselben Distrikt Marschieren wohin ich auch einige meiner Leute beordern werde. um nun aber die Feinde irre zu füren befellen Sie das in der Höhe um klein und Groß Volderberg, nach der Lenge im Virek, und 3 Angel Sichtbare Feuer gemacht, und wohl unterhalten werden, und so dann auf die bewegungen des Feindes, und auf unser etwa- higes Undernehmen an der Haller Brügge und jenes von Rinn wohl Acht haben um sohin das ihrige Beizutragen in welcher Hofnung, Goth Empfohlen verbleibe Ihr Aufrichtiger Freund Jos. Speckbacher m.p. Comandant An den Herrn Comandanten Straub zu Windek durch Eil Bothen

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 21 – Prehsent. Den 30. Oktober 1809

Vom Comand. Speckbacher von Nock herab. zgov.

Nr. 135

An den Comandanten Jos. Straub

Auf Befehl des k.k. Herrn Oberkommandanten Andres Hofer, und Befehl des h. Comandanten Joseph Speckbacher soll jeder auf dem Posten aufgestellte Comandant bei schwerster Verant- wortung seinen Leuten auftragen keinen einzigen Schuß mehr auf die Feinde zu machen, auf dem alten Posten zu bleiben, und noch mehrere Wachsamkeit zu gebrauchen. Nur dann, wenn sie der Feind mit Gewalt und Nachdruck angreift, können sie sich vertheidigen. Herr Comandant Joseph Straub hat diesen Auftrag bei schwerster Verantwortung zu befolgen. Nock, den 30. Oktober 1809 Jos.Speckbacher m.p. Comandant

An den h. Comandanten Joseph Straub in Arent in Kleinvolderberg oder wo immer pr.ordonanz eiligst

Prehsent. Den 31. Oktober 1809 um 7 Uhr Abends Vom Comand. Speckbacher von Nock herab

Nr. 136

Copia

An Herrn Comandanten Jos. Ignatz Straub zu Horb in Volderberg Nock den 31. Oktober 1809 Haben Sie die Güte und ziehen Sie mit Ihren Companien nach dem sogenannten Kohler in Kleinvolderberg – und das muß heute noch geschehen. Wo ich mich und Ihnen in Schutz Gottes befehle Speckbacher m.p.

– 22 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Der nun in seinen Entscheidungen schwankende fung Tirols durch die Bayern und Franzosen nicht Andreas Hofer stimmte letztlich der vierten mehr aufhalten. In der Folge wurden vor allem die Schlacht am Berg Isel zu, die am 1. November Anführer des Aufstandes von den Besatzern ver- 1809 bereits nach etwa zwei Stunden für die über- folgt. Einigen gelang die Flucht nach Österreich, mächtigen Bayern siegreich endete. Es waren und so entkamen sie der Hinrichtung. Andreas wesentlich weniger Landesverteidiger anwesend, Hofer wurde im Passeiertal nach Verrat verhaftet wichtige Persönlichkeiten unter den Kommandan- und am 20. Februar 1810 in Mantua erschossen. ten fehlten. Hofer selbst blieb in Matrei weit hinter der Hauptkampflinie, der taktisch versierte Speck- Nach der Niederlage Napoleons in der Völker- bacher konnte den rechten Flügel nicht halten. Er schlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und der Ein- musste vom Paschberg über nach Rinn nahme von Paris im März 1814 bewirkten Frie- und Tulfes zurückweichen und hatte auch keinerlei densverträge Österreichs mit Frankreich und mit Fühlung mit dem Zentrum. Einzig Pater Has- Bayern, dass Tirol wieder zur österreichischen pinger agierte eifrig östlich der Sill. Herrschaft zurückkehren konnte. Auf mehrfaches Die in den nachfolgenden Novembertagen stattge- Bitten und Drängen erhielt Tirol mit 24. März fundenen Gefechte, unter anderem am 7. Novem- 1816 (Todestag von Gertraud Angerer, der Nichte ber im Plattenwald bei Windegg oder auch in Josef Speckbachers) wieder eine eigene Verfassung, St. Leonhard im Passeier, wo Andreas Hofer am die allerdings enttäuschte. Von den alten Rechten 22. November eine französische Einheit zur Kapi- wie z. B. der Wehrverfassung war kaum etwas übrig tulation zwang, konnten die endgültige Unterwer- geblieben.

Josef Speckbacher und seine Beziehung zu Tulfes

Biografie in Kurzfassung pensionierter k.k. Major in Hall und stirbt am 28. Geboren am 13. Juli 1767 in Gnadenwald, verliert März 1820 an den Folgen seiner im Kampfe erlitte- früh seine Eltern, ausgezeichneter Schütze und lei- nen Verletzungen (Nierenleiden) im 53. Lebens- denschaftlicher Jäger (Wilderer), wird Salinenar- jahr. beiter, nach der Hochzeit 1794 mit Maria Schmi- Im Jahre 1858 wurden seine Gebeine vom derer Bauer in Rinn (), Teilnahme an ursprünglichen Begräbnisort an der Südseite der den Kämpfen 1797 (in Spinges), 1800 und 1805 Haller Pfarrkirche in die Innsbrucker Hofkirche (bei ), Hofer ernennt den „Spöck“ wegen überführt, wo er neben Andreas Hofer, Hofers seiner angeborenen Führerqualitäten und seiner Schreiber Kajetan Sweth und Pater Haspinger seine strategischen Begabung 1809 zum Unterkomman- letzte Ruhestätte fand. danten im Unterinntal, beteiligt sich als Anführer bei den Kämpfen von Südtirol bis Kufstein, wird Nichte Gertraud Angerer am 17. Oktober 1809 bei der Niederlage der Tiro- Speckbachers jüngste Schwester Maria heiratete ler bei Melleck verwundet und sein Sohn Anderl 1792 den Heisangererbauern Andreas Angerer in wird als Gefangener nach Bayern gebracht, nach Tulfes. Am 13. Februar 1798 erblickte Gertraud der Aussetzung eines Kopfgeldes auf ihn muss er das Licht der Welt. Ihre Kindheit und Jugend war sich (und auch seine Familie) verstecken, ent- überschattet von den Kriegsereignissen der Tiroler kommt immer wieder seinen Häschern auf aben- Befreiungskämpfe, von denen auch der abgelegene teuerliche Weise, erreicht im Sommer 1810 Wien, Heisangererhof nicht verschont blieb. Im Gemäuer zieht 1811 auf ein Gut im Banat (Rumänien) und des Wohnhauses wurden Gewehrkugeln gefunden. gründet zusammen mit anderen das Dorf Tirol, Am 23. März 1816 überfiel der sozial verkommene kehrt 1814 nach der Wiedervereinigung Tirols mit Haller Ignaz Mader (Bugazi) das 18-jährige Österreich zu seiner Familie zurück, erhält vom Mädchen im Wald unterhalb des heimatlichen Kaiser eine Jahrespension von 1.000 Gulden und Hofes. Da sie ihm nicht zu Willen sein wollte, eine goldene Medaille mit Kette, lebt seit 1816 als kämpfte sie mit Mut und Entschlossenheit um ihr

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 23 – Gertraud angestrebte Seligsprechung Gertrauds nicht mög- Angerer, lich war, wurde und wird sie zum Teil auch heute *13. Februar 1798, noch in Tulfes und darüber hinaus fast als eine † 24. März Heilige verehrt. Nachdem bereits Pfarrer Gottfried 1816. Schöpf (Seelsorger in Tulfes von 1952 bis 1974) Abbildung auf zum Jubiläumsjahr 1959 das Bühnenstück „Josef dem 1. Grab- kreuz. (Foto: Speckbacher“ verfasst und im Jahre 1964 das Kurt Mimmler) Theaterstück „Gertraud Angerer“ geschrieben und im Widum mit den Tulfern aufgeführt hatte, würdigte die Tulfer Dorfbühne ihr Leben und Sterben mit der Freilichtaufführung „s’Geadele“ von Dr. Ekkehard Schönwiese im Jahre 2004 vor dem Heisangererhof.

Josef Speckbacher auf der Flucht Steckbrief von Josef Speckbacher (gedruckte „Per- sonalbeschreibung vom 21. September 1813)

Josef Speckbacher ist ungefähr 45 Jahre alt, von großer, etwas untersetzter Statur, hat ein längliches Gesicht, eingefallene Backen, eine schwarzgelbe Leben, leider vergebens. Tags darauf verstarb Gesichtsfarbe, die in den Backen etwas rot ist, eine Gertraud an den Folgen der Axthiebe, die ihr der hohe Stirn, große graue Augen, schwarze Augen- Mörder zugefügt hatte. Es wird erzählt, dass am brauen, einen wilden Blick, große Nase, gewöhn- Begräbnis auch ihr Onkel Josef Speckbacher lichen Mund, spitzes Kinn, schwarzen Schnurrbart, teilnahm und seine ehemaligen Kampfgefährten der kurz, aber gewichst ist, schwarzen Backenbart ihn zum ersten Mal weinen sahen. Obwohl die und solche Haare, die hinten etwas lang geschnit- ten sind. Er trägt einen runden Hut mit einer klei- Maria Angerer, nen Scheibe und einem grünen Wichstaffent über- * 19. Februar 1766 zogen, ein schwarzseidenes Halstuch, am Leibe † 28. Jänner einen grautuchenen, lang geschnittenen Überrock 1843, mit einem kleinen grüntuchenen Kragen, ein grün- Speckbachers Schwester und tuchenes Gilet mit einer Reihe Knöpfe vom nämli- die Mutter von chen Tuche, eine lange grüntuchene Hose und Stie- Gertraud fel. Zur Bewaffnung trägt er einen Säbel mit einer Angerer. Foto gelben Scheide und ein österreichisches Offiziers- eines Gemäldes, das beim portepee, auch hat er in seinem Überrocke mehrere Heisangerer doppelläufige Terzerole. Übrigens hat er eine sehr aufbewahrt starke Sprache und redet Unterinntaler Mundart. wird Speckbachers Verstecke in Tulfes Nach dem endgültigen Zusammenbruch des Tiro- ler Aufstandes im November 1809 setzten die Bay- ern und Franzosen zur Ergreifung der Anführer Kopfgeld aus. Für die Festnahme Speckbachers boten die Besatzer 300 Gulden (es wird auch von 700 Gulden berichtet), später 1.000 Dukaten. Seine Frau hatte mit den Kindern in der Almhütte zu Stallsins im Voldertal Schutz gesucht, wo sie Speckbacher am 12. November 1809 besuchte.

– 24 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Mesnerhaus 1948 (heute befindet sich darin das Lebensmittel- geschäft). In der Mesnerstube hieb ein bayri- scher Offizier aus Zorn dar- über, dass der Speckbacher erneut entkom- men ist, mit dem Säbel auf die Ofenbank ein und ver- langte 6.000 Gulden – oder das Dorf wird niedergebrannt. Das aufgenom- mene Darlehen konnte erst 100 Jahre später endgültig getilgt werden. Wegen der unwirtlichen, winterlichen Verhältnisse Ve rsteck im Tulfer Kirchturm führte er sein Weib, die drei Mädchen, den kleinen Josef und die treue Magd talwärts zu einer Aste am Dazu ein Artikel im „Tiroler Anzeiger“ 1934 Tulferberg. (Seinem in Melleck gefangenen Sohn Andreas ließ der bayrische König Maximilian Tulfes in den Freiheitskriegen Joseph in Bayern eine ausgezeichnete Erziehung angedeihen.) Später übersiedelten sie in den Plat- Der kleine Ort Tulfes am Mittelgebirge rückte in tenhof zwischen Hall und Volderwildbad. der letzten Zeit, bei der Erinnerungsarbeit für die Sein Fluchtversuch gemeinsam mit einigen Geschehnisse in den Tiroler Freiheitskriegen, stär- Getreuen nach Österreich scheiterte an der großen ker in den Vordergrund, besonders im Zusammen- Kälte und dem tiefen Schnee. Bei Lanersbach hange mit der Speckbacher-Geschichte. Dieses kehrte er wieder um und gelangte über den Wat- Gebiet – wie das ganze übrige Mittelgebirge – hatte tenberg und Vögelsberg wieder in seine engere Hei- fast ausschließlich bayrische Besetzung, deren mat. Requisitionszüge erstreckten sich überall hin. Besonderen Eifer bekundeten die bayrischen Abtei- lungen, meist von Offizieren geführt, zur Ermitt- Bild links: Die Gschwendt- lung Josef Speckbachers, auf dessen Kopf damals Aste – von 300 Gulden ausgesetzt waren. In seinem Häusl zu Thomas Gall- Judenstein fanden sie ihn nicht, deshalb erstreckten rauner 1730 sie ihre Fahndungen auf die Nachbarschaft, und erbaut. Von Alois Angerer ganz besonderen Verdacht richteten sie gegen die 1955 Bewohner von Tulfes. Speckbacher, der schlaue, abgetragen. verwegene Gämsenjäger, hatte sich als aussichtsrei- ches Versteck untertags eine Zeit lang den Kirch- turm von Tulfes ausersehen, die Bayern scheinen zuweilen ihren Verdacht auch auf dieses Objekt erstreckt zu haben, sie verlangten einmal Einlass in den Turm, aber Speckbacher war nicht da. Eines Tages riss die Geduld der Bayern, ein Offizier

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 25 – kam mit einer Abteilung zum Bürgermeister Bemerkungen des Chronisten Kirchebner mit der Drohung, das Dorf werde in zu diesem Artikel Brand gesteckt, wenn man nicht sofort den Speck- Die Geschichte mit dem Säbelhieb spielte sich in bacher herausgebe; in diesem Haus zeigte man der Stube des Mesnerbauern am Dorfplatz ab. In noch viele Jahre nachher eine Ofenbank mit einem den 1920-er Jahren entfernte der damalige Besitzer Säbelhiebe, von jenem bayrischen Offizier Josef Thum die beschädigte Ofenbank, an die sich herrührend, der wutentbrannt auf die Bank ein- z. B. Andreas Zeisler (Jahrgang 1906) noch gut schlug und 6.000 Gulden Kriegskontribution ver- erinnern konnte. langte, oder es werde gebrandschatzt. Der Vorsteher Mit dem Meßner, von dem die 6.000 Gulden (in versicherte, so viel Geld habe die Gemeinde nicht, anderen Berichten ist von 4.000 Gulden die Rede) um aber das Dorf vor dem roten Hahn zu schützen, stammen, ist der Schmittenhof (Familie Gallrau- lieh das Geld ein Bürger in der Nachbarschaft, ner) gemeint, der anfangs des 20. Jahrhunderts beim Meßner genannt. Dieser Betrag von 6.000 abgebrannt und nicht wieder aufgebaut worden ist. Gulden erschien viele Jahre lang im Kassabuche der Die Familie Gallrauner übte über 200 Jahre lang Gemeinde als Schuld an dem Meßner; das Buch den Mesnerdienst in der Pfarrkirche aus. Um die- wurde geführt vom Jahre 1812 bis 1876, bis dort- sen Kontributionsbetrag von 6.000 Gulden konnte hin stand dieser Betrag noch fast ganz zu Buch. Die man damals einen großen Bauernhof erwerben. Aufzeichnungen kamen dann abhanden, aber es Laut einer Notiz in der Ortschronik soll die Rest- sind Zeugen in Tulfes genug, die es genau wissen, schuld erst im Jahre 1916 getilgt worden sein. dass dieser Kontributionsbetrag erst kurze Zeit vor Der bei einer Hausdurchsuchung erschossene Tul- dem Beginne des Weltkrieges als Schuld gelöscht fer heißt vermutlich Michael Winkler, den Josef werden konnte. Ignaz Straub in seiner Lebensgeschichte erwähnt Auf der Suche nach Speckbacher gab es damals hat und dessen Todestag im Totenbuch der Pfarre öfter sehr hitzige Szenen; den bayrischen Soldaten mit 5. November 1809 angegeben ist (Todes- war an der Kopfprämie offenbar sehr gelegen, sie ursache „Revolution“). kamen also öfter nach Tulfes, als den Bewohnern Die Gschwendt-Aste mit den Einschusslöchern lieb war, drangen in die Häuser ein und drohten. wurde von Thomas Gallrauner 1730 erbaut und Einmal jagten sie die Bewohner eines Hauses ins von Alois Angerer 1955 abgetragen. Freie; als einer der Bauern gegen den Berg flüchten Bild rechts: wollte, erhielt er von einem Soldaten einen Schuss, Josef der ihn tötete. Vor einigen Jahrzehnten stand noch Speckbacher vor seinem Versteck an dieser Stelle im Oberdorfe das Marterl zum am Gamshag. Gedenken an diese Tat. Nach einer anderen Angabe (Ausschnitt aus – Chronik hat Tulfes leider keine, nur mündliche einer Zeichnung Überlieferungen – ereignete sich diese blutige Szene von Wilhelm Humer bei einer Plünderung der bayrischen Soldaten. Im um 1890) sogenannten „Gschwendt“ sieht man heute noch das Tor eines Heustadels mit mehreren Einschuss- löchern, aus der Bayernzeit herrührend. Soldaten wollten sich ihre Nachforscharbeit erleichtern und schossen durch das verschlossene Stadltor in der Annahme, Speckbacher halte sich im Innern ver- steckt. Der „Spöck“ aber lag in seiner Gufel im Vol- dertale auf der Plattform, neben sich einige Gewehre und hielt Ausschau; er konnte von dort aus den Talweg vollkommen beherrschen, die Steil- hänge vermochte besonders im Winter niemand zu begehen. Auf Tulfeser Grund und Boden hat sich also viel ereignet, was mit dem Geschick des Anfüh- rers gar sehr im Zusammenhange stand.

– 26 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Die Gamshag neben der Vor- berger Reiße (im Ausschnitt das zweite Versteck Speck- bachers) Der Bergsturz auf der Vor- berger Reiße entstand um 1820

Ve rstecke im Voldertal vollkommen sicher zu sein. Allerdings wurde er im Nachdem er sich in besiedelten Gebieten vor sei- März 1810 von einer Lawine erfasst und mitgeris- nen Verfolgern nicht mehr sicher war, flüchtete er sen. Dabei verrenkte er sich die Hüfte. Mit großer im Winter 1810 in die unwirtliche Gegend des Anstrengung kroch und hinkte der verletzte Speck- Voldertales, wo er oberhalb der Horberaste in einer bacher unter starken Schmerzen in sieben Stunden schmalen Höhle mit Aussicht auf den Talweg eine zu seinem Vertrauten, dem Walderbauern am Zeit lang sein Lager bezog. Sein Knecht Georg Großvolderberg. Der holte noch in der Nacht den Zoppl versorgte ihn mit Proviant und Waffen. Laut einem Bericht in den „Innsbrucker Nachrich- Johann Angerer *24. April 1885 ten“ aus dem Jahre 1934 haben der bekannte Inns- † 25. März brucker Arzt und Dichter Dr. August Lieber und 1957 der Maler Humer in 1880-er Jahren die „Speck- (Mesnerbauer) bachergufl“ am Gamshag besucht, die gegenüber vor der Hubertushütte. der Vorbergalm oberhalb des heutigen Gwannstei- ges Speckbachers zweites Versteck im Voldertal gewesen sein muss. Auch Pfarrer Gilbert Bauhofer beschreibt in einem Artikel, der im Tiroler Anzei- ger am 23. November 1935 veröffentlicht wurde, unter dem Titel „Auf Suche nach der Speckbacher- gufel im Gamshag“ seinen Forschungsgang mit dem Jäger und Mesnerbauern Johann Angerer am 11. Oktober 1935 zur Speckbachers Versteck im hinteren Voldertal. Dabei finden sie unter anderem aufgeschlichtete Steine für die Feuerung und Reste von verkohltem Holz. Dieses auf 2200 m Seehöhe gelegene und unzugängliche Lager richtete sich Speckbacher ein, um vor den feindlichen Häschern

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 27 – Pfarrer Gilbert matlichen Haus wohnen durfte, verbrachte Speck- Bauhofer, bacher sieben Wochen lang, nur vom Knecht ver- von 1934 bis 1951 Pfarrer in sorgt, in der Grube, ehe er zur endgültigen Flucht Tulfes–Rinn nach Österreich aufbrach.

Die jeweiligen Verstecke wurden sehr geheim gehalten, nur der Reiterbauer Josef Örlacher sollte davon gewusst haben.

In den „Tiroler Heimatblättern“, Heft 4/6, berich- tet Dr. Walter Grabherr in seinem Artikel „Über einige beachtenswerte Naturereignisse am Rosen- joch im Voldertal bei “ auch über die Entstehung der Vorberger Reiße im Jahre 1820 und über die Speckbachergufel im Gamshag. Er schreibt:

Ein Jahrzehnt vor dem großen Bergsturz gegenüber der Vorbergeralpe überquerte noch der Kampfge- fährte Andreas Hofers, Landesschützenmajor Josef Bauerndoktor Johann Spielthenner, der ihm die Speckbacher, mehrmals im tiefsten Winter dieses Hüfte wieder einrenkte. Zwei Freunde schleppten Gebiet bei seinen Aufstiegen zu jener Felsenhöhle Speckbacher zu seinem Haus in Rinn, wo der im Gamshag, in der er sich vom 2. Februar bis Knecht Zoppl eine Grube im Stall aushob, den Lei- 10. März 1810 vor seinen Feinden verborgen hielt. denden hineinlegte und die Grube mit Brettern, Er hat in seinen späteren, sehr eingehenden Berich- Stroh und Mist bedeckte. Ohne Wissen der ein- ten über seine damaligen Aufstiege vom Schwarz- quartierten bayrischen Soldaten und der Familie, brunnen über das Goldbrünnl zur Gufel im Gams- die seit Februar 1810 wieder unbehelligt im hei- hag nicht von einem Bergsturz oder Anzeichen eines solchen berichtet. „Speckbacher Diese Felsenhöhle, die „Speckbachergufel im Gams- und Sohn“ aus hag“, war um die Jahrhundertwende, als sie am der Tiroler Jahr- 25. Juli 1890 durch den Dichter August Lieber hundert-Feier in wieder aufgefunden wurde und durch ihn Innsbruck 1809–1909. Im Berühmtheit erlangte, schon dem Einsturz nahe. Bild: Ferdinand Die frühere Dachwölbung der Gufel war größten- König, Bad- teils abgeschlagen, der Boden der Höhle hatte sich Inhaber Volderer Wildbad geneigt, die Wände zeigten tiefe Risse und drohten mit Tiefenthaler weiter einzustürzen. Der Landschaftsmaler Leo Sohn aus Mils Humer († 1897 in Brixen) hat die Speckbachergufl als Anderl noch im Bilde festgehalten, ehe sie ganz zusammen- (Foto: Schuricht) gebrochen sein soll. In jener, am 9. September 1934 feierlich eingeweihten Speckbachergufl im Volder- tal, über der Reiteraste, in Blickhöhe gegenüber der Neßlachalm, hat sich Speckbacher „wahrscheinlich nur ganz vorübergehend aufgehalten“ (Lieber 1891)

Der Begriff „Gufl“ stammt wahrscheinlich aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie Lager (für Mensch und Vieh), aber auch Felsgrotte.

– 28 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Erinnerungen

Wi n d egg Feier 1984 rückten die Tulfer Musikanten und Im Gasthaus Windegg, in dem Josef Speckbacher Schützen ebenfalls aus. Kriegsrat mit seinen Getreuen gehalten haben soll, schmückten bis zum Umbau in den 1950-er Jahren Vo l d e rtal Wandgemälde der drei Freiheitskämpfer Hofer, Zur Erinnerung an das Versteck Speckbachers im Speckbacher und Haspinger die Gaststube. Neben Voldertal fand zur 125-Jahr-Feier Tirol 1809 im dem Bild Speckbachers stand: Allhiero seynd a. Jahre 1934 eine Feier statt, wie im Tiroler Anzeiger dom. 1809 zu Rath gesessen Landesschützenmajor 1934 berichtet wird: Josef Speckbacher und seine Getreuen. Ein Porträt von Das Bild Hofers hielt die bekannten Worte aus sei- Pater Haspinger nem Brief fest: Ade, meine schnöde Welt, so leicht (gemalt von kommt mir das Sterben vor, dass mir nit die Augen E. Grießer 1959) hängt nass werden. ebenfalls noch Unter dem Bild Haspingers stand sein Ausspruch: heute im Gast- Keine Kugel ist für mich gegossen. hof Windegg Seit dem Gedenkjahr 1959 hängen die von der Wirtsfamilie König in Auftrag gegebenen und vom Kunstmaler Ernst Grießer geschaffenen Portraits der drei Anführer des Tiroler Aufstandes im Haus- gang und in der Gaststube von Windegg.

Linke Bild: Gaststube in Windegg mit dem Wand- gemälde Josef Speckbachers um 1950. Rechts der Wirt Hans König († 1955)

We ihetag für die Speckbacher-Gufel im Vo l d e rtale Sonntag, 9. September, zum Abschlusse der vater- Gedenkjahre ländischen Veranstaltungen für das Erinnerungs- Anlässlich der Feier 600 Jahre Stadt Hall im Jahre und Heldenjahr 1809, wird die vom hart verfolg- 1903 wurde bei den Festspielen am Stadtgraben in ten und wie ein Wild gehetzten Bauernanführer Hall die Berg-Isel-Schlacht nachgestellt. Dabei trat Josef Speckbacher auf seiner Flucht in die Berge als wie auch beim großen Landesumzug im Gedenk- Schlupfwinkel benützte Höhle unweit der Horber- jahr 1909 unter Anwesenheit Kaiser Franz Josefs, alm innerhalb des Volderer Wildbades feierlich Ferdinand König, Inhaber von Volderwildbad und geweiht und diese historische Stätte mit einer Windegg, als Josef Speckbacher auf. Unter dem kleinen Feier zum allgemeinen Besuche benützbar Motto „Tirol in Waffen“ marschierten bei diesem gemacht werden. prächtigen Umzug auch die Musikkapelle und Der Arbeitsausschuss – bestehend aus Bewohnern Schützenkompanie aus Tulfes mit. und Patrioten aus Tulfes – hat für diesen Tag ein Zu den Umzügen in Innsbruck anlässlich der 150- Programm ausgearbeitet, ohne besonderen Kosten- Jahr-Feier im September 1959 und der 175-Jahr- aufwand und ohne Prunk, nur um diesen tapferen

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 29 – und zur Zeit der Freiheitskriege erfolgreichen Tiro- beginnt sofort der Anstieg nach Windegg. Die ler Anführer zu ehren und zu würdigen. Ankunft dort ist für halb neun Uhr vorgesehen, im kleinen Kirchlein wird eine Feldmesse gelesen, die Speckbacher- messe im Volder- Musik spielt im Freien um das Windegger Kirch- tal 1992. lein die „Deutsche Messe“ von Schubert. Um 9 Uhr Die Messe zele- Abmarsch von Windegg auf dem Wege durch das brierte Pater Paul Gutmann Voldertal zur Gufel oberhalb der Horberaste in († 5. Jänner unmittelbarer Nähe des Schutzhauses der Haller 2006), der als Bergfreunde; von diesem zweigt der mäßig anstei- Schützenkurat gende neue Weg ab, der bis zur Gufel hinführt. Das auch die erste Gedenkmesse am Eintreffen dort wurde, bequeme Gangart bei 28. September mäßiger Steigung vorgesehen, um 11 Uhr vormit- 1975 abhielt. tags errechnet. Den feierlichen Akt der kirchlichen Weihe nimmt der Pfarrer von Tulfes, Chorherr Gilbert Bauhofer, vor, eines der tätigsten Mitglieder des Arbeitsaus- schusses, es erfolgt eine Ansprache des Seelsorgers mit einer knappen geschichtlichen Darstellung und einer Würdigung Speckbachers. Daran schließen sich noch andere kurze Ansprachen, die Schützen- kompagnie von Tulfes, die ihre Aufstellung am Tal- wege unterhalb der Gufel nimmt, leistet den Ehrensalut. Die eigentliche Feier ist damit beendet. Die Festgäste nehmen dann nach Bedarf eine Jause im Bergfreundehause und seiner Umgebung ein, Die Veranstaltung beginnt etwas früher, als es auch der Aufbruch erfolgt so rechtzeitig, um zum für örtliche Feste üblich ist, es sind mehrere Stun- Mittagessen in Windegg um drei Uhr nachmittags den Marsches verbunden, aber stets auf gutem einzutreffen. Abmarsch nach Tulfes um halb 5 Uhr. Wege, um die Absicht leicht erfüllen zu können. Man erwartet die Teilnahme der Mittelgebirgs- Um halb acht Uhr früh werden in Tulfes auf dem bewohner sowie den Besuch von Gästen aus den Hauptplatze, wo sich auch die Haltestelle für die Städten Innsbruck und Hall. Kraftwagen befindet, die Vertreter der Landesregie- rung und die anderen Gäste vom Arbeitsausschusse, Seit September 1975 laden alljährlich die Schüt- der Ortsmusik und den Schützen begrüßt, dann zenkompanien von Tulfes und Hall Anfang Herbst Speckbacher- Gedenkmesse 2006 im Volder- tal mit Pfarrer Florian Scho- mers

– 30 – SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 Eröffnung des Waldlehrpfades Speckbacherweg am 14. Juni 1975. Von links: Georgia Zwet- koff, Andreas Zeisler (Umer), Alois Arnold (Huber), Bgm. Helmut Weg- mair (dahinter Ludwig Balde- mair) und rechts Dr. Michael Zwetkoff

zu einer Speckbacher-Gedenkmesse in das Volder- der größtenteils am Waldrand oberhalb der Dörfer tal. Nach der Feldmesse in der Kößler Reiße hinter des südöstlichen Mittelgebirges verläuft, im Rah- dem Naturfreundehaus können Interessierte zur men eines Volkswandertages vorgestellt und in Speckbachergufl oberhalb der Horberaste hinauf- Erinnerung an den Tiroler Freiheitskämpfer steigen. Außerdem bieten die Schützen den Besu- „Speckbacherweg“ benannt. Josef Speckbacher chern Knödel und Krapfen an. wohnte nicht nur in Rinn, er war sehr oft in seiner Funktion als verantwortlicher Kommandant im „Speckbacher Tracht“ Jahre 1809 in dieser Gegend unterwegs, um die Anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums Tirol 1809 Schützen zu mobilisieren und auch in Kämpfe ver- stellten die Schützenkompanie (1958) und die wickelt. Das erste Teilstück, der „Schusterstadele- Musikkapelle (1959) ihre im Jahre 1914 erworbene weg“, wurde bereits am 14. Juni 1975 als Waldlehr- Zillertaler Tracht um. Die blauen Janker und die pfad eröffnet. hohen, mit einer Adlerfeder geschmückten Hüte erinnern an den Freiheitskämpfer Josef Speck- Erinnerungstafel bacher. Strümpfe, Hosen und die schwarzen Leib- Die Gedenktafel an der Pfarrkirche Tulfes, die an chen mit dem aufgestickten Tiroler Adler und die die Verfolgung Josef Speckbachers erinnert und Lederranzen mit dem Spruch „Für Gott, Kaiser von der Gemeinde und der Schützenkompanie und Vaterland“ wurden bei der Umstellung gestiftet wurde, wird am Herz-Jesu-Sonntag, beibehalten. 21. Juni 2009, enthüllt. Zum Gedenken an die Ereignisse vor 200 Jahren finden heuer in allen Die Tulfer Schützen nennen sich „Speckbacher- Orten Tirols Herz-Jesu-Prozessionen statt, so auch Schützenkompanie Tulfes“. in Tulfes, wo sie mit der Feldfrüchteprozession, die alljährlich eine Woche nach dem Herz-Jesu-Sonn- Speckbacherweg tag über die oberen Felder westlich des Dorfes Am 24. Juli 1976 wurde der ca 16 km lange Wan- führt, zusammengelegt wird. derweg von Tulfes Stiegele bis St. Peter in Ellbögen,

SONDERAUSGABE DES TULFER GEMEINDEBLATTES • JUNI 2009 – 31 – Abbildung der Gedenktafel, welche am 21. Juni 2009 enthüllt wird. (Foto: Dr. Lud- wig Kössler)

BUCHTIPP Erscheinungsort Tulfes ¥ P. b. b. ¥ Verlagspostamt Posthilfsstelle 6075 Tulfes Walter Franz Maier Josef Speckbacher 1767Ð1820 Speckbacher Schüt- zen Kompanie Hall Bei der Säule 7 A-6060 Hall

15 x 20,5 cm 72 Seiten zahlreiche SW-Abbildungen