pen Zeitschrift für Germanistik | Neue Folge XXIX (2019), Peter Lang, Bern | H. 2, S. 265–281

Johannes Schmidt Im Rhythmus der Nation? Metrik und Nationalismus im 19. Jahrhundert

I. Metrik und nationale Tradition. Nachdem der zweite Band seiner Calderón-Übersetzung erschienen war,1 bekam Johann Diederich Gries (1775–1842) einen Brief von seinem guten Freund Johann Georg Rist (1775–1847), der einige Zeit in Spanien verbracht hatte und für den Übersetzer wegen der so erworbenen Sprachkenntnisse eine wichtige Beurteilungsin- stanz darstellte. Rist lobte die Übersetzung im Allgemeinen, kritisierte aber die vierhebi- gen Trochäen, die Gries für sie gewählt hatte, weil es sich bei ihnen um „kein deutsches“ Versmaß handelte.2 Der Übersetzer konterte den Vorwurf mit einer kleinen Genealogie der gängigsten Versarten:

Aber welches ist, möchte ich nun fragen, das ursprünglich deutsche Versmaß, dessen man sich unbedenklich bedienen kann und soll? Dies möchte wol schwerlich auszumachen sein, wenn man auch bis in die älteste Zeit der deutschen Poesie zurückgehen wollte. Ob das Versmaß des „Niebelungenliedes“ ursprünglich deutsch sei, darüber lassen sich bedeutende Zweifel erheben, die Minnesänger borgten ihre Versmaße bekanntlich von den Provenzalen. Die leidigen Alexan- driner haben wir von den Franzosen bekommen, die fünffüßigen Jamben von den Italienern und Engländern, die Hexameter und andere antike Metra von den Griechen und Römern. Warum sollten wir uns denn weigern, die vierfüßigen Trochäen von den Spaniern anzunehmen? Aber wir brauchen deswegen nicht erst über die Pyrenäen zu gehen. Schon zu Luther’s Zeiten, und noch viel früher, war diese Versart in Deutschland eingebürgert, wie du dich aus jedem alten Gesangbuch überzeugen kannst.3

Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich Rists Vorwurf und Gries’ Entgegnung als prob- lematisch, denn sie nehmen an, dass, erstens, Sprachen4 ihnen eigene Versarten entwickeln und, zweitens, Versarten einer Sprache sich in eine andere übertragen lassen, ohne eine grundlegende Veränderung zu erfahren, in der Zielsprache also als ,fremd‘ erkennbar bleiben. Diese Annahmen widersprechen sich, setzt doch die erste voraus, dass Sprache die Grundlage eines Metrums ist, was von der zweiten verneint wird, da eine wesentliche Übertragung in eine andere Sprache andernfalls unmöglich wäre. An den vierhebigen Trochäen, die Herder bei seiner Übersetzung spanischer Romanzen erstmals verwendet und die bei seiner eigenen Übertragung

1 Vgl. Calderón (1816). Zu Gries’ Übersetzung vgl. den Beitrag von Héctor Canal („Unterhändler ausländischer Dichter“. Johann Diederich Gries’ Calderón-Übersetzungen) in diesem Heft. 2 [Campe] (1855, 116 f.). Rists Brief wird in der Quelle nicht wiedergegeben; Gries zitiert den Vorwurf jedoch in seinem Antwortschreiben: „Umsomehr aber überrascht mich der von dir geäußerte Wunsch, ,daß ich gleich von Anfang herein eine freiere Art und Versmaß der Nachbildung gewählt haben möchte, wodurch der Dichter in dem deutschen Auge mehr gewonnen haben würde als durch die allzu getreue Nachbildung eines Versmaßes, das kein deutsches ist‘.“ 3 [Campe] (1855, 117). 4 Dass Gries von den „Franzosen“, „Italienern“ etc. spricht, deutet darauf hin, dass (National-)Sprache und (Kultur-)Nation für ihn – wie für seine Zeit – nicht voneinander zu trennen sind.

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Calderóns endgültig als ,spanisches Versmaß‘ etabliert hatte,5 lässt sich die Problematik anschaulich machen: Wie etliche Versformen der romanischen Literaturen wird auch der Romanzenvers, um den es sich hier handelt, primär durch die Silbenzahl definiert, nicht durch bestimmte Versfüße.6 Als octosílabo zählt er zu den gängigsten Formen der spani- schen Literatur und taucht in unterschiedlichen metrischen Ausprägungen auf; es lassen sich trochäische, daktylische und gemischte Typen unterscheiden. Machte der trochäische Typ lange den Großteil aller Achtsilber aus, so herrschten im siglo de oro, gerade im Drama, polyrhythmische Formen vor, möglicherweise, weil sie für dramatische Dialoge geeigneter schienen. Die Festlegung auf einen vierhebigen Trochäus im Deutschen reduziert also die Komplexität der originalen Form ganz wesentlich: Das silbenzählende Metrum wird akzentuierend vereindeutigt. Nähme man das silbenzählende Prinzip als dem Spanischen inhärent, so könnte man die deutschsprachige Umsetzung nicht als wirklich gleichwertig ansehen.7 Der Transfer in eine andere Sprache hat die Versform modifiziert, weil sie in ein anderes metrisches System übertragen wurde. Die Frage nach dem ,deutschen Versmaß‘ und die Probleme, die damit aufgeworfen werden, sind symptomatisch für einen Zug, der den metrischen und prosodischen Debatten des 18. und vor allem 19. Jahrhunderts eignete. Er gehört in den Kontext des Nationalismus des 19. Jahrhunderts, der die Entwicklung der modernen Nationalstaaten begleitete und grundierte. Während solcher Entwicklungen werden Gemeinschaften imaginiert,8 denen bestimmte Traditionen zugeschrieben bzw. innerhalb derer bestimmte Traditionen erfunden werden, die anschließend als ,nationale‘ gelten.9 In diesen Kontext gehört auch die Metrik,10 die als Regelwerk die prosodische Struktur einer Sprache für die gebundene Rede fruchtbar machen will. Insofern lässt sich sagen, dass „jede Metrik ein gewollt nationales Unterfangen“ ist, das auf der Annahme „künstlicher Grenzen zwischen Sprachen“11 beruht – die Prosodie des Deutschen erfordert eine deutsche Metrik, die des Französischen eine französische etc.; diese Annahme ist es, die eingangs am Beispiel Gries’ und Rists beschrieben wurde. Metrische Systeme entstehen demnach in ihren jeweiligen Sprachräumen durch ein Zusammenspiel von „linguistische[n] Prozesse[n], ästhetische[n] Erwartungen und kulturpolitische[n] Ambitionen“12. Anders gesagt: In jedem Sprachraum erfolgt eine Ver- ständigung darüber, was als ,Tradition‘ des gebundenen Redens gilt und was nicht, wobei der Abgrenzung zu anderen Sprachräumen eine entscheidende Rolle zukommt – erst im Angesicht des Anderen wird das Eigene erkennbar. Damit ist ,Metrik‘ Teil einer je eigenen, ,nationalen‘ Kulturpolitik, also einer Ansammlung von Strategien, die darauf zielen, „so auf die gesellschaftlichen Verfahren der Signifikanzerzeugung einzuwirken, dass dadurch (neue) Verbindlichkeiten entstehen“.13

5 Vgl. Schlegel (1803). Vgl. auch Canal (2017, 261 f.). 6 Vgl. für das Folgende Baehr (1962, 61–73). 7 Vgl. Bockelmann (1991). 8 Vgl. zur Theorie der ,imaginierten Gemeinschaft‘ einer Nation Anderson (2006). 9 Vgl. Hobsbawm (1983, 1–14). 10 Der Begriff wird hier in seinem weitesten Sinne verstanden, der alle Aspekte von Versbau und -lehre, Prosodie, Literaturgeschichte und literaturwissenschaftlicher Theorie des Verses umfasst. 11 Bunia (2014, 13). Für das 20. Jahrhundert (und für die literaturwissenschaftliche Metrik) gilt das nicht mehr. 12 Bunia (2014, 9). 13 Dembeck (2015, 85).

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Die Metrik scheint solche Systeme gleichzeitig zu stützen und zu unterlaufen. Denn in Europa entstehen Versformen

bis ins späte 19. Jahrhundert in erster Linie aus der Ausformung metrischer Schemata […]. Damit ist der Versbau unmittelbar an die phonologischen Regularitäten der jeweils beteiligten Sprachsys- teme gebunden. Zugleich ist es gerade der bloße Schematismus der Metrik, der die Übertragung von Versformen über Sprachgrenzen hinweg ermöglicht […].14

Das heißt: Aus der Idee einer bestimmten ,(National-)Sprache‘ entsteht ein metrisches Regelwerk, das die Prosodie dieser Sprache in Schemata gebundener Rede übersetzt; diese Schemata sind aufgrund ihres Abstraktionsgrades aber potentiell übertragbar und anpas- sungsfähig. Auch dies zeigte sich eingangs an Gries’ Übersetzung: Für die Zeitgenossen bildete der vierhebige Trochäus im Deutschen die ,richtige‘ Entsprechung des spanischen octosílabo, das metrische Schema des spanischen Verses ließ sich ,korrekt‘ in den Kontext der deutschen Prosodie einfügen. Damit wird die Idee einer nationalen metrischen Tradition, die sich aus der Nationalsprache ergibt, allerdings unterlaufen – die nationalen kulturpo- litischen Strategien stellen sich gewissermaßen selbst ein Bein, zumindest, solange sie ihre vollkommene Eigenständigkeit behaupten. Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, wie metrische Formen zwischen den Sprachen wandern und welche Dynamiken diese Bewegungen ihrerseits auslösen. Dazu sollen zwei Beispiele in den Blick genommen werden, die zeigen, wie, erstens, der deutsche Versbau auf- grund seiner Möglichkeiten gewissermaßen zum primus inter pares unter den europäischen Literaturen erklärt wird (Tiecks Minnelieder-Sammlung), und wie, zweitens, die Einführung eines ,fremden‘ Versmaßes in eine nationalliterarische Tradition eine vielfältige, von Fragen nationaler Selbstständigkeit und transnationaler Konkurrenz durchzogene Debatte auslöst (der englische Hexameter).

II. Ludwig Tiecks Minnelieder. Tiecks Vorrede zu den Minneliedern aus dem Schwäbischen Zeitalter (1803) ist als Schlüsseltext der Frühromantik berühmt geworden. In ihr reformu- liert er die universalpoetischen Vorstellungen Friedrich Schlegels, indem er sie seiner eigenen Konstruktion der mittelalterlichen Literatur gewissermaßen unterschiebt.15 Das Ergebnis ist ein stark idealisiertes – man könnte auch sagen: romantisiertes – Mittelalter, in dem die Poesie zu einer unvergleichlich freien Entfaltung gelangt sei. Ermöglicht wird diese Freiheit für Tieck durch den Ritterstand, der durch seine Mobilität ganz Europa und den Nahen Osten miteinander verband und so einen Raum schuf, der den wechselseitigen Einfluss verschiedener Kulturkreise beförderte. Er umfasste den „fernsten Norden“, „Spanien und Italien“, mithin den „Orient“ und das „Abendland[ ]“16. Diese Zusammenstellung erfolgt analog zu derjenigen, mit der Tieck am Anfang der Vorrede die zeitgenössische Situation beschreibt:

14 Dembeck (2017, 259). 15 Vgl. Brummack (2011, 325–341). 16 Tieck (1803, X).

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So wie jezt wurden die Alten noch nie gelesen und übersezt, die verstehenden Bewunderer des Shakspear sind nicht mehr selten, die Italiänischen Poeten haben ihre Freude [sic], man liest und studirt die Spanischen Dichter so fleißig, als es in Deutschland möglich ist, von der Uebersetzung des Calderon darf man sich den besten Einfluß versprechen, es steht zu erwarten, daß die Lieder der Provenzalen, die Romanzen des Nordens, und die Blüthen der Indischen Imagination uns nicht mehr lange fremde bleiben werden […].17

Das beginnende 19. Jahrhundert, so behauptet es Tieck, wiederholt jene Konstellation, die zur Blüte der mittelalterlichen Literatur im 12. und 13. Jahrhundert geführt hat: Die eu- ropäischen Literaturen werden zugänglich, neue Kulturen eröffnen sich dem interessierten Leser. Der ,Orient‘ wird mit Indien fast an seine fernste geografische Grenze getrieben. Und mehr noch: Es ist vom „besten Einfluß“ dieser Literaturen die Rede, von „Blüthen“ fremder Kulturen. Der kosmopolitische Schwung der Darstellung ist unverkennbar. Doch Tieck nutzt ihn, um den Blick zurück auf den deutschen Sprachraum zu lenken. Gerade der rege Kulturaustausch, den er konstatiert – und an dem er nicht zuletzt mit seiner Cervantes-Übersetzung aktiv beteiligt ist –, führt ihn darauf, seiner Leserschaft die eigene Kulturgeschichte zu vergegenwärtigen: „Unter diesen günstigen Umständen ist es vielleicht an der Zeit, von neuem an die ältere deutsche Poesie zu erinnern.“18 Das Ziel dieser Erinnerung, die Popularisierung des Minnesangs bei einem größeren Publikum,19 trägt wenn nicht nationalistische, so doch durchaus patriotische Züge. Das zeigt sich schon in der Buchgestaltung, die maßgeblich von Tiecks Entscheidung geprägt ist, die Texte entgegen der Gepflogenheiten bei der Edition mittelalterlicher Handschriften in Fraktur setzen zu lassen. Auf diesem Wege konnte er sein Publikum, das den Fraktursatz gewohnt war, leichter erreichen; überdies galten die Typen als Alleinstellungsmerkmal des deutschen Sprachraums – eine nationale ,Tradition‘, in die Tiecks Ausgabe sich im Wort- sinne einschreiben wollte.20 Entsprechend ging es ihm in der Vorrede selbst dann vor allem darum, die Qualitäten der deutschsprachigen mittelalterlichen Literatur nicht nur an sich, sondern gerade auch im Kontext der europäischen – also roman(t)ischen – Literaturen herauszustellen. Dazu gehörte zunächst einmal ihr Alter. Tieck erklärt „die originalen Gedichte der Deutschen“ für älter „als die klassische Zeit der Italiänischen Poesie, welche sich mit dem Dante eröffnet“; nur eine einzige Quelle lässt er für sie gelten:

[W]enn wir das sogenannte Lied der Niebelungen und die Gedichte ausnehmen, welche zum Heldenbuche gerechnet werden müssen, so waren ohne Zweifel die Dichter der Provence die Vorbilder der Deutschen, Franzosen und Italiäner.21

Indem er die Trobadordichtung zum gemeinsamen Ursprung der deutschen, französischen und italienischen Literatur erklärt, rüttelt Tieck an der traditionellen Einteilung von ,ro- manischer‘ und ,germanischer‘ Literatur. Das verweist zurück auf seine Vorstellung eines

17 Tieck (1803, III–IV). 18 Tieck (1803, IV). 19 Vgl. Scherer (2012, 89–111). 20 Vgl. Hasenpflug (2002, 328). 21 Tieck (1803, VI).

Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXIX (2019) Peter Lang Johannes Schmidt: Im Rhythmus der Nation? | 269 einheitlichen europäischen Kulturraums im Mittelalter, in dem eine solche Differenzierung konsequenterweise unnötig wäre.22 Der Minnesang ragt aber nicht nur aufgrund seines Alters über die romanischen Literaturen hinaus. Tieck beschreibt das Mittelhochdeutsche als eine geradezu proteische Sprache, die sich einer endgültigen Kodifizierung widersetze:

So ist die Sprache, welche die Dichter in diesem Zeitalter brauchen, eine ungebundene, ganz freie, die sich alle Wendungen, Teutologien [sic] und Abkürzungen erlaubt; manche Worte wechseln fast durch alle Vokale, und e, o, und a sind fast immer gleichgültig, angehängte Buchstaben und Sylben, so wie unterdrückte, sind gleich sehr erlaubt, um den Vers härter, oder wohlklingender, weicher und schmachtender zu machen. Diese grosse Allgemeinheit und Freiheit ist vielleicht der Character der Deutschen Sprache, es ist noch niemals gelungen, sie auf diese Weise festzustellen, wie dies mit allen übrigen Europäischen Sprachen der Fall gewesen ist, sie geht immer wieder in ihre alte Wurzel zurück und erinnert sich ihres ehemaligen Geistes.23

Gerade die Vielfalt und Wandelbarkeit der Vokale, die hier aufgerufen wird, ist auffällig. Denn ihr Vokalreichtum machte für den Kreis um die Brüder Schlegel und Tieck die be- sondere Qualität nicht der deutschen, sondern der spanischen Poesie aus. Die Assonanzen, die im spanischen Vers einen festen Platz haben, eröffneten ihnen eine neue poetische Form- sprache, für die sie jedoch auch stark kritisiert wurden, weil die Assonanz im Deutschen an ,Klang‘ einbüßt und somit – so ließe sich mit Blick auf nationale Traditionen folgern – als Fremdkörper im deutschsprachigen Vers erscheint.24 Genau gegen diese Einschätzung richtet sich Tiecks Darstellung. Die älteste deutsche Literatur habe eine analoge Formenvielfalt besessen, ja, diese Vielfalt resultiere sogar aus dem Wesen der deutschen Sprache. Den Nachsatz, dass das Deutsche sich seines „ehemaligen Geistes“ erinnere, kann man in diesem Sinne auch als Hinweis auf die ,Wiedereinführung‘ der vokal- und somit klangreichen, assonierenden Dichtung verstehen. Auf diese Weise würde die Trennung der romanischen und der deutschen Literaturen wieder aufgehoben werden. Der ,beste Einfluss‘, den sich Tieck eingangs von der Calderón-Übersetzung ver- sprach, bestünde also in einer Erinnerung an die ursprünglichen Qualitäten der deutsch- sprachigen Poesie, die deren historische Verwandtschaft mit der romanischen begründeten. Freilich geht Tieck in der Vorrede noch einen Schritt weiter. Das wandelbare Mittelhoch- deutsche erlaube es dem Minnesang, romanischer als die Romania zu werden:

So finden wir einfache Lieder und Gedichte, andre, welche künstliche und vollständige Canzonen sind, andre, welche an die Stanze und an das Sonett erinnern, manche sind aber von einer so zarten Künstlichkeit und so original, daß sich nichts anders mit ihnen vergleichen läßt.25

22 In diesem Sinne erfolgt in der Vorrede, bei aller Nähe zum universalpoetischen Entwurf, doch auch eine Distanzierung von Friedrich Schlegel; vgl. Kremer (2015, 277). 23 Tieck (1803, XII). 24 Deutlich wird dies etwa in den Diskussionen um August Wilhelm Schlegels Calderón-Übersetzung von 1803. Vgl. Sullivan (2017, 228–261). 25 Tieck (1803, XIII).

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Etwas später heißt es noch einmal:

[D]ie Canzone findet man oft ganz vollendet, eben so die sogenannte Lyra, und viele Gedichte erinnern an die Madrigale und Balaten der Italiäner, so wie an die meisten Sylbenmaaße der Spanier. Der Reim wird aber nicht bloß auf eine so beschränkte Weise gebraucht, wie es diese Nationen nachher fast zum Gesetz in der Poesie gemacht haben.26

Die Formen, die Tieck hier aufzählt, stammen sämtlich aus den romanischen Literatu- ren, es sind jene, die entweder im 17. Jahrhundert oder zu Tiecks eigener Zeit besondere Aufmerksamkeit im deutschen Sprachraum erfahren haben; zu denken ist hier vor allem an das Sonett, das nach 1800 seinerseits als ,fremde Form‘ – aber primär aus anderen Gründen – eine größere Debatte provozierte.27 Tiecks Pointe ist es, den Minnesängern nicht nur die Fähigkeit zur Dichtung in romanischer Form zuzusprechen, sondern ihnen darüber hinaus größere Freiheiten darin zu attestieren. Schon in ihrer ersten Blüte bewies die deutschsprachige Literatur also eine formale Vielfalt und Freiheit, die jene der dafür eigentlich berühmten romanischen Literaturen noch übertraf. Damit werden die vermeintlich fremden Formen, sogar die „Sylbenmaaße der Spanier“, ,eingebürgert‘ – eine Vorstellung, die in der englischen Debatte um den Hexameter eine beachtliche Rolle spielen sollte. Schon der gemeinsame provenzalische Ursprung, den Tieck betonte, lässt ja eine Unterscheidung unsinnig erscheinen. Die eigentümlichen Vorzüge des Mittelhochdeutschen, die eine klang- und formvolle Dichtung ermöglichen, überheben den Genealogen der Metrik dann endgültig seiner Aufgabe: Mit welchem Recht, so lässt sich fragen, erachtet man Sonett und Madrigal, Lira und Kanzone als fremde Formen, wenn sie doch im deutschen Minnelied schon mit größerer Kunstfertigkeit ausgeführt wurden als in den romanischen Literaturen – und das sogar, bevor die Geschichte der Romania mit Dante überhaupt begann, wie Tieck schon zuvor betont hatte? Neben die nun gar nicht mehr fremden italienischen und spanischen Formen tritt aber auch noch die Originalität der mittelhochdeutschen Metrik. Die Unvergleichlichkeit mancher Minnelieder hatte Tieck bereits angesprochen. Er kommt darauf noch einmal zu sprechen, um seine Aussage über die provenzalischen Vorbilder der Minnesänger etwas zu relativieren. Es wäre, so schreibt er, „unbegreiflich wenn sie die überlieferten Formen nicht durch originale sollten vermehrt haben“ und nennt als Beleg dafür die Gedichte „eines Ch. von Lupin, Ch. v. Hamle, J. Hadloub“28. Zu den Formen der Trobadors treten also auch noch genuin ,deutsche‘; die Möglichkeiten des Mittelhochdeutschen beschränken sich demnach nicht auf die Vollendung ,romanischer‘ Muster, sondern erlauben es, selbststän- dig schöpferisch zu werden. Die Minnelieder werden so als Ganzes zu einem paradoxen, nämlich zugleich kosmopolitischen und nationalen Phänomen: Sie stehen im Kontext

26 Tieck (1803, XV). 27 Vgl. Schulz (1989, 692–696). Ein Ergebnis dieses sogenannten Sonettenstreits ist Achim von Arnims Geschichte des Herrn Sonet und des Fräuleins Sonete, des Herrn Ottav und des Fräuleins Terzine, die 1808 in der Beylage zur Zeitschrift für Einsiedler erschien. Das Werk gehört auch in den weiteren Kontext dieses Beitrags, kann hier aber nicht näher behandelt werden. Vgl. Arnim (2014, 463–520). 28 Tieck (1803, XVIII).

Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXIX (2019) Peter Lang Johannes Schmidt: Im Rhythmus der Nation? | 271 der Frühgeschichte der nachantiken gesamteuropäischen Literatur, sind aber gleichzeitig wesentlich ,deutsch‘ und den verwandten Traditionen anderer Sprachkreise überlegen. Unter metrischen Gesichtspunkten ist für Tieck im Minnesang der Reim entscheidend. Es sei die „Liebe zum Ton und Klang“ gewesen, die seine Einführung motiviert habe, eine Entwicklung mit beachtlichen Konsequenzen, denn dem

reimenden Dichter verschwindet das Maaß der Längen und Kürzen gänzlich, er fügt nach sei- nem Bestreben, welches den Wohllaut im gleichförmigen Zusammenklang der Wörter sucht, die einzelnen Laute zusammen, unbekümmert um die Prosodie der Alten, er vermischt Längen und Kürzen um so lieber willkührlich, damit er sich um so mehr dem Ideal einer rein musikalischen Zusammensetzung annähere.29

Der Reim hebt die quantitierende ,Prosodie der Alten‘, die Längen und Kürzen der Silben maß, zugunsten des ,Klangs‘ auf: Damit behauptet Tieck nicht weniger als einen System- wechsel.30 Die Behauptung zielt natürlich auf die als ,klangvoll‘ wahrgenommene romani- sche Poesie mit ihren Reimen, Assonanzen und oft ,klingenden‘ (,weiblichen‘) Kadenzen im Unterschied zur reimlosen antiken Tradition (und eventuell auch der englischen Richtung, die eher ,stumpfe‘ – ,männliche‘ – Kadenzen bevorzugte). Verstheoretisch betrachtet umgeht Tieck mit seiner Behauptung das eingangs bei Gries und Rist aufgetretene Problem zumin- dest teilweise: Eine reimgebundene Metrik ist nicht auf bestimmte Versfüße angewiesen, potentiell also eher in der Lage, Gedichtformen silbenzählender Systeme zu imitieren.31 So wäre es mithin gerechtfertigt, in den Minneliedern jene Formen romanischen Typs zu erkennen, die ihrerseits nicht nur durch die Silbenzahl, sondern auch und gerade durch ihr Reimschema definiert sind – wie das Sonett oder das Madrigal. Die Reimbindung (anstatt der Silbenzählung) bildet in diesem Modell den systematischen Mehrwert, der die Überlegenheit des mittelhochdeutschen Vers- und Strophenbaus über den der romanischen Sprachen und zugleich die Anschlussfähigkeit an sie sicherstellt. Im Minnelied offenbart sich für Tieck das überlegene Potential der deutschen Metrik, eingebettet in ihre Zugehörigkeit zur europäischen Tradition.

III. Englische Hexameter. 1796 erschien im neugegründeten Monthly Magazine eine kurze Notiz des Publizisten William Taylor (1765–1836), in der er auf die gelungene Imitation antiker Metren in der deutschen Literatur hinwies und dabei insbesondere die Hexameter von Friedrich Gottlieb Klopstocks Messias hervorhob.32 Er erwähnte die Probleme, die bei der akzentuierenden Metrik des Deutschen mit dem Spondeus entstanden und verwies auf die üblich gewordene Lösung, Spondeen durch Trochäen zu ersetzen. Daran schloss sich, um die „practicability of such metres“ im Englischen zu beweisen, die 19 Verse umfassende Nachdichtung einer Episode aus dem Ossian an.33 Taylor löste damit eine Debatte aus, die

29 Tieck (1803, S. XIII f.). 30 Eine Reimbindung ordnet die literaturwissenschaftliche Metrik heute eher dem Knittelvers des 15. und 16. Jahr- hunderts zu, nicht aber dem dreihundert Jahre älteren Minnesang, der durchaus als quantitierend begriffen werden kann, was Tiecks Ausführungen metrikgeschichtlich problematisch macht. Vgl. Wagenknecht (2007, 62). 31 Schwierig bleibt die Umsetzung eines festen Versakzents (etwa am Versende, wie im Französischen). 32 Vgl. [Taylor] (1796, 404 f.). 33 Es handelt sich um den Schluss von Carthon.

Peter Lang Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXIX (2019) 272 | Johannes Schmidt: Im Rhythmus der Nation? bis weit ins 19. Jahrhundert hinein andauern und nicht auf England beschränkt bleiben sollte. Eine der ersten Reaktionen kam denn auch aus dem deutschen Sprachraum. Noch im gleichen Jahr veröffentlichte Wielands Neuer teutscher Merkur eine kleine Arbeit Karl August Böttigers (1760–1835) unter dem Titel Englische Hexameter.34 Böttiger nahm ganz unmittelbar Bezug auf Taylors Text, den er einen „kühne[n] Versuch“ nannte, „dem Hexameter auch die englische Sprache, oder, wenn man lieber will, der englischen Sprache den Hexameter anzupassen“.35 Die Formulierung trifft den Kern des Problems, obwohl – oder vielleicht gerade, weil – sie etwas unterbestimmt bleibt: Die Debatte um den Hexameter dreht sich in England um die Frage, ob er in der eigenen Literaturtradition heimisch werden, ,eingebürgert‘ werden kann. Implizit ist damit erneut die Frage nach der Übertragbarkeit des ursprünglich quantitierenden Metrums in ein akzentuierendes System – mit überdies starker, eigener Tradition – gestellt. Und schließlich birgt die Angelegenheit einige nationale Brisanz, geht es doch auch darum, ob man den Vers nun aus der Antike entlehnt – oder von den Deutschen. Dass die Nachbildung antiker Versmaße mehr ist als eine Bereicherung des poetischen Formenspektrums, macht schon Böttigers Aufsatz deutlich:

[S]o viel ist gewiß, unserer Sprache kam bis jetzt allein der Ruhm zu, Epopöen, Idyllen und Elegieen in den Sylbenmaßen der alten Griechen und Römer zu besitzen, und keine der andern kultivierten Sprachen konnte und wollte bis jetzt ihr diesen Alleinbesitz streitig machen.36

Die Fähigkeit, antike Metren nachzubilden – Böttiger spricht von ,besitzen‘, ein Zeichen dafür, dass er den deutschen Hexameter als angeeignete und nicht bloß imitierte Form versteht –, zeichnet die deutschsprachige Literatur vor allen anderen aus. Mit Taylors Vorstoß tritt nun jedoch eine andere Sprache, d. h. eine andere Nation, auf, die den Deutschen „diesen Alleinbesitz streitig machen“ will. Unausgesprochen markiert Böttiger diesen Anspruch als impertinent, indem er das Verhältnis der englischen Literatur zum Hexameter psychologisiert. Es sei „den Engländern ein großes Aergerniß, […], daß die alten Sylbenmaße in Teutschland immer mehr Dichter und Liebhaber auf ihre Seite zö- gen“. Sie seien bisher mit ihren Blankversen zufrieden gewesen und verachteten frühere Versuche in antiken Versmaßen. Und das zu Recht, hätten sie doch ein

Gefühl des Unvermögens ihrer Sprache […], die durch eine zahllose Menge einsylbiger Wörter einem Sandhaufen ohne Kalch und Bindemittel gleicht.37

Taylors 19 ossianische Hexameter bezeichnet Böttiger konsequenterweise als „einge­ hämmert“38. Nach diesem Angriff muss man sich wundern, dass der Text auf einer gera- dezu versöhnlichen Note endet: Die ersten deutschen Versuche mit hexametrischen Versen

34 Böttiger (1796, 121–133). 35 Böttiger (1796, 124). 36 Böttiger (1796, 121). 37 Böttiger (1796, 121 f.). 38 Böttiger (1796, 127).

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(aus dem 17. Jahrhundert) seien im Vergleich „noch weit ungeschmeidiger und polternder ausgefallen […], als diese englischen Erstlinge“.39 Schon im Mai 1797 erschien Taylors Antwort auf Böttiger, wiederum im Monthly Magazine. Wie schon der erste Beitrag, ist auch diese Reaktion als Leserbrief geschrieben; die Kolumnentitel nennen ihn einmal Modern Hexameters und einmal English Hexameters. Im Wesentlichen gibt er Böttigers Haltung korrekt wieder, verleiht ihr aber eine etwas positivere Wendung, derzufolge der Beitrag „concludes, by foretelling, that the English poets will soon be able to forge hexameters on the anvil of the Muses, with as much skill as Klopstock and Voss.“40 Das ist eine reichlich geschönte Interpretation von Böttigers Position, die dadurch noch zusätzlich auf die Spitze getrieben wird, dass Taylor den Vor- wurf, die Hexameter ,gehämmert‘ zu haben, in ein Versprechen für die Zukunft umdeutet: Englischsprachige Dichter würden dereinst „Hexameterschmiedte“41 (Böttigers Wort) von der Qualität eines Klopstock oder Voß. Der Rest von Taylors Text beschäftigt sich ausführlich mit der von Böttiger als Problem erkannten monosyllabischen Tendenz der englischen Sprache und deren Konsequenzen für den Bau von Hexametern; darauf wird später noch zurückzukommen sein, denn das Problem der Einsilbigkeit erwies sich in der Folge als Nukleus sprachlicher und sprachpolitischer Innovation. Ein drittes Mal meldete sich Taylor im Jahr 1800 im Monthly Magazine zu Wort, dieses Mal in einer ausführlichen Besprechung des Messias mit einleitenden Überlegungen zum englischen Hexameter. Noch einmal behauptet er mit Nachdruck die Möglichkeit hexa- metrischen Versbaus im Englischen, explizit unter Verweis auf die Sprachverwandtschaft des Englischen mit dem Deutschen:

The very metre employed in the original Messiah is no less adaptable to the other Gothic dialects than to the German. In all of them stress makes quantity. An emphatic syllable is long; an un- emphatic syllable, short. The scanner has to consider neither the articulation of the vowels, nor the position of the consonants: two accented syllables form his spondees; one accented and two unaccented, his dactyls. With such feet Klopstock composes Hexameters […].42

Damit wird zum ersten Mal ausgesprochen, was künftig immer wieder, wenngleich zumeist implizit, verhandelt werden wird: dass ein nicht bloß äußerlicher Zusammenhang besteht zwischen der Einführung des eigentlich antiken Metrums in die englische Poesie und der erfolgreichen Umsetzung des Hexameters in der deutschsprachigen Literatur. Behauptet wird immerhin die Möglichkeit des englischen Hexameters aufgrund der Möglichkeit des Hexameters im Deutschen. Die Gemeinsamkeit beider Sprachen hinsichtlich des akzen- tuierenden metrischen Systems ist die hinreichende Bedingung, um das Versmaß für die englische Literatur reklamieren zu können. Im Folgenden fällt auch ein Schlüsselbegriff

39 Böttiger (1796, 129). Zum Vergleich (und „zur Erholung“) zitiert Böttiger nicht nur Taylors Verse, sondern auch die entsprechende Passage aus der Ossian-Übersetzung von Michael Denis. Seinen Beitrag beendet er mit einem Blick auf italienische Versuche der Nachahmung antiker Metren; insbesondere bedauert er es, dass Melchiorre Cesarottis italienischer Ossian in reimfreien Jamben und nicht in Hexametern gearbeitet ist, so dass ein Vergleich nicht stattfinden könne. Vgl.B öttiger (1796, 129–132). 40 [Taylor] (1797, 337). 41 Böttiger (1796, 129). 42 Taylor (1800, 317).

Peter Lang Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXIX (2019) 274 | Johannes Schmidt: Im Rhythmus der Nation? der Debatte: ,to naturalize‘. Taylor fügt eine englische Übersetzung aus dem Messias ein und räumt ein:

Perhaps some other writer will throw this fine picture into blank verse so well, as to convince the public, that the beauties of Klopstock can be naturalized withouth strangeness, and his peculiarities retained without affectation […].43

Freilich verwirft er diesen Einwand: Der Hexameter erscheine zwar zunächst fremd, mit der Zeit werde sich aber ein Gewöhnungseffekt einstellen – genau die ,naturalization‘, die der Blankvers zum gegebenen Zeitpunkt versprechen würde, könne der Hexameter später selbst erreichen.44 Die Behauptung ist kühn, galten um 1800 doch nach wie vor blank verse und heroic couplet als die festen Versmaße englischsprachiger (epischer) Dichtung.45 In den Jahren um 1800 bildete sich eine Trias von Literaten, die am Hexameter interessiert waren. Taylor war einer davon; 1798 lernte er Robert Southey (1774–1843) kennen, der sich rasch ebenfalls für die Materie begeisterte und seinerseits mit Samuel Taylor Coleridge (1772–1834) in Kontakt stand. Während Taylor und Southey brieflich über den Hexameter diskutierten,46 reiste Coleridge im September 1798 gemeinsam mit William Wordsworth nach Deutschland. Wenige Wochen nach ihrer Ankunft erschienen die Lyrical Ballads, der von ihnen gemeinsam erstellte Gedichtband, der ihren Ruhm begründen sollte und dessen Entstehung sich auch der Überlegung verdankte, dass man mittels einer solchen Publikation zumindest Teile der Reisekosten würde abdecken können.47 Die Reisewege der befreundeten Dichter teilten sich zwar bald, zuvor kam es aber noch zu einem gemeinsamen Besuch bei Friedrich Gottlieb Klopstock in . Spätestens seit Taylors Notiz im Monthly Magazine war der Autor des Messias kein Unbekannter mehr. Das Gespräch – es gestaltete sich schwierig, da Klopstock kaum Englisch verstand und daher Französisch sprach, worin ihm Coleridge nicht folgen konnte, so dass Wordsworth übersetzen musste bzw. Coleridge Klopstock auf Latein anredete – drehte sich dement- sprechend vor allem um metrische Fragen. Coleridge hat später unter dem Titel Satyrane’s Letters einen Bericht seiner Deutschlandreise und auch der Begegnung mit Klopstock publiziert.48 Demzufolge habe Klopstock ausführlich die Vorzüge der deutschen Sprache dargelegt, die es erlaubten, einen einzelnen altgriechischen Vers in einen einzelnen deut- schen Vers zu übersetzen, die Bedeutung also ähnlich stark zu konzentrieren; Coleridge hielt dem entgegen, dass man im Englischen für einen altgriechischen Vers nur anderthalb

43 Taylor (1800, 318). 44 Vgl. Taylor (1800, 318). 45 Noch 1861 konnte Matthew Arnold in seinen Vorlesungen On Translating Homer darauf verweisen, dass in der europäischen Literaturgeschichte nur Dante und Milton im „grand style“ des Epischen erfolgreich gewesen seien – Milton gerade mit dem Blankvers. Explizit verweist Arnold an dieser Stelle darauf, dass Spanien, Frankreich und Deutschland zwar ,große Dichter‘ hervorgebracht hätten, aber keine Dichtung im ,großen Stil‘ Miltons. Vgl. Arnold (1861, 70). 46 Southeys Briefe können online eingesehen und durchsucht werden, , zuletzt: 25.9.2018. 47 Vgl. Butler (2003, 38–54). 48 Zunächst in der Aufsatzsammlung Friend (1809), dann noch einmal in der Biographia Literaria (1817), vgl. dazu Engell (2002, 59–74).

Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXIX (2019) Peter Lang Johannes Schmidt: Im Rhythmus der Nation? | 275 im „common heroic metre“ benötige, was, nach Silbenzahl, nicht mehr als ein antiker oder deutscher Hexameter sei.49 Verteidigte er gegen Klopstock noch die traditionellen englischen Versmaße, so ließ ihn der Hexameter doch nicht mehr los. In einer Anmerkung zu seinem Bericht erzählt Coleridge:

I have translated some German hexameters into English hexameters, and find, that on the average three lines English will express four lines German. The reason is evident: our language abounds in monosyllables and dissyllables. The German, not less than the Greek, is a polysyllable language. […] For the German possessing the same unlimited privilege of forming compounds, both with prepositions and with epithets as the Greek, it can express the richest single Greek word in a single German one, and is thus freed from the necessity of weak or ungraceful paraphrases.50

Sein Versuch läuft demnach auf ein Unentschieden hinaus im Hinblick auf die Frage, welche der beiden Sprachen besser geeignet sei, Hexameter zu bilden – der monosyllabische Charakter des Englischen erlaube eine Sinnverdichtung gegenüber dem Deutschen, die die Verszahl reduziere, die Kompositabildung im Deutschen aber ermögliche die Übertragung einzelner griechischer in einzelne deutsche Wörter. Die Deutschlandreise führte sowohl bei Coleridge als auch bei Wordsworth zu einer vertieften Auseinandersetzung mit metrischen Fragen. Ablesbar wird das auch an der stark überarbeiteten und erweiterten Auflage derLyrical Ballads, die von Wordsworth nach der Rückkehr nach England in Angriff genommen wurde und die erkennen lässt, dass er un- mittelbar nach der Heimkehr begann, längere Versmaße als zuvor zu benutzen.51 Coleridge seinerseits plante gemeinsam mit Southey eine Hexameterdichtung über den Propheten Mohammed; das Vorhaben zerschlug sich jedoch rasch. Dieses Projekt und der Austausch mit Taylor hatten Southeys Interesse am Versmaß nachhaltig befeuert; dennoch vergingen etliche Jahre, bis er sich in einem größeren Werk am Hexameter versuchen sollte. Es war die berühmt-berüchtigte Vision of Judgement (1821), die der nunmehrige poet laureate anlässlich des Todes Georges III. verfasste und in deren Vorrede er prominent gegen die ,satanische Schule‘ der jüngeren Dichtergeneration polemisierte. Der Publikation folgte ein – vom Autor vorhergesehener – Sturm der Ent- rüstung, dessen berühmtestes Ergebnis Byrons bis in den Titel hinein parodierende Vision of Judgment (1822) in Stanzen war.52 Die heftigen Attacken der jüngeren Romantiker, die Southeys Ruhm nachhaltig beschädigten, trugen nicht dazu bei, das Versmaß des Werks in England zu popularisieren oder es gar ,einzubürgern‘. Eine solche vollständige Anver- wandlung des Metrums lehnte allerdings auch Southey selbst ab, der in einer Vorrede zur Vision umfangreich zu seiner Entscheidung für den Hexameter Stellung nahm. Gleich eingangs bezeichnete er sein Gedicht dabei als „experiment“, das zeigen sollte, „that an English metre might be constructed in imitation of the ancient hexameter“53.

49 Vgl. Coleridge (1817, 241–243). 50 Coleridge (1817, 242). 51 Eine statistische Auswertung und breite Diskussion derselben liefert Gamer (2017, 125–130). 52 In diesem Kontext ist natürlich auch diese Wahl bezeichnend. Vgl. zur Debatte um Southeys Werk: Hill (1990, 334–350). 53 Southey (1821, IX).

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Die Wortwahl erfolgte mit Bedacht: Es ging um Nachahmung (,imitation‘) des antiken Versmaßes, nicht um ,Übernahme‘ oder gar ,Einbürgerung‘. Eine wirkliche ,naturalization‘ war in Southeys Augen unmöglich:

It is not a legitimate inference, that because the hexameter has been successfully introduced in the German language, it can be naturalized as well in English. The English is not so well adapted for it, because it does not abound in like manner with polysyllabic words. The feet, therefore, must too frequently be made up of monosyllables, and of distinct words, whereby the verse is resolved and decomposed into its component feet, and the feet into their component syllables, instead of being articulated and inosculated throughout, as in the German, still more in the Greek, and most in the Latin measure. This is certainly a great defect.54

Das offene Eingeständnis, dass die Struktur des Englischen in dieser Hinsicht dem Deut- schen gegenüber defizitär sei, mag überraschen, wenn darauf ein Langgedicht in Hexame- tern folgt. Aber Southey umreißt sehr klar die Möglichkeiten und Grenzen des Englischen in diesem Versmaß, das auf den ersten Blick fremd erscheine. Die Leser würden an den Versen rasch bemerken,

that they have none of the customary characteristics of English versification, being neither marked by rhyme, nor by any certain number of syllables, nor by any regular recurrence of emphasis throughout the verse. Upon closer observation, they will find that (with a very few exceptions,) there is a regular recurrence of emphasis in the last five syllables of every line, the first and the fourth of those syllables being accented, the others not.55

Diese Beschreibung klingt noch stark nach Taylors Prophezeiung, der Hexameter werde zunächst unverständlich erscheinen, dann aber durch Gewöhnung beim Publikum ge- winnen. Taylor sah am Ende dieser Gewöhnungsphase eben die von Southey abgelehnte ,naturalization‘, weil er der Meinung war, dass der Hexameter nicht bloß imitiert, sondern tatsächlich fest ins metrische System des Englischen integriert werden könnte. Southey dagegen macht nachdrücklich klar, dass eine solche vollständige Übernahme bei ihm nicht stattfindet. Er forme „this English measure in imitation, rather than upon the model of the ancient hexameter“ und ersetze dabei die geforderten Spondeen durch Trochäen –

as by the Germans. This substitution is rendered necessary by the nature of our pronunciation, which is so rapid, that I believe the whole vocabulary of the language does not afford a single instance of a genuine native spondee.56

Wieder ist es die Verwandtschaft der englischen und der deutschen Sprache, die für die Bil- dung des Hexameters herangezogen wird. Gleichzeitig wird der klassisch-antike Hexameter distanziert, indem er nur ,imitiert‘ wird. Unausgesprochen bleibt die Konsequenz, dass in dieser Genese das ,model‘ zwar nicht der klassische, wohl aber der deutsche Hexameter ist, der ebenfalls Spondeen durch Trochäen ersetzt, weil seine akzentuierende Metrik kaum eine andere Wahl lässt.

54 Southey (1821, XIV f.). 55 Southey (1821, X). 56 Southey (1821, XII).

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Gleichsam um diesen Verdacht zu zerstreuen, bevor er entsteht, verweist Southey darauf, dass die Wortbetonung in seinen Versen nicht von der natürlichen englischen abweiche. Daher sei es

not necessary to understand the principle upon which the verse is constructed, in order to feel the harmony and power of a metrical composition;.. [sic] if it were, how few would be capable of enjoying poetry! In the present case, any one who reads a page of these hexameters aloud, with just that natural regard to emphasis which the sense of the passage indicates, and the usual pro- nunciation of the words requires, will perceive the rhythm, and find no more difficulty in giving it its proper effect, than in reading blank verse.57

Das Einhalten der prosodischen Struktur des Englischen garantiert für Southey mithin, dass seine Verse als ,englisch‘ angesehen werden können. Die Sprache sei ,natürlich‘, das richtige Lesen somit für jeden Sprecher problemlos möglich. In dieser Hinsicht bestehe kein Unterschied zum Standardmaß englischer Dichtung, dem Blankvers. Der englische Hexa- meter sei daher nicht „something better than our established metres, but […] something different“58. Mit Böttiger gesprochen passt Southey also „der englischen Sprache den Hexameter“59 an, was er selbst später auch zugibt, wenn er die frühneuzeitlichen Versuche mit hexametrischer Dichtung im Englischen kritisiert.60 Nach der publizistischen Katastrophe von Southeys Vision of Judgement kam die Debatte um den englischen Hexameter zwar nicht zum Erliegen, nennenswerte literarische Versuche blieben aber aus. Das änderte sich erst zur Jahrhundertmitte. In den 1840ern und 1850ern erschien eine Fülle von englischsprachigen Hexameterdichtungen, darunter berühmte Werke wie Henry Wadsworth Longfellows Evangeline (1847) und Arthur Hugh Cloughs Bothie of Tober-na-Vuolich (1848), die je eigene Zugänge zum Versmaß fanden. Auch die metrische Diskussion flammte wieder auf,61 kreiste aber weiterhin um die Probleme, die schon Taylor und Southey aufgeworfen hatten.62 Einige Beispiele sollen das abschließend aufzeigen.63 1847 publizierte William Whewell (1794–1866) gemeinsam mit einigen Freunden einen Band mit hexametrischen Übersetzungen deutscher und antiker Werke unter dem Titel English Hexameter Translations from Schiller, Goethe, Homer, Callinus and Meleager. Schon dieser Titel konnte das Publikum daran erinnern, dass die ganze Debatte überhaupt da- durch ausgelöst worden war, dass William Taylor den Vorschlag machte, einen deutschen

57 Southey (1821, XI f.). 58 Southey (1821, XVI). 59 Böttiger (1796, 124). 60 Vgl. Southey (1821, XXIII). 61 Grundlegend – und auch für den größeren Kontext des Beitrags interessant – informiert über die Fortsetzung der metrischen Debatten bis ins 20. Jahrhundert hinein: Martin (2012). 62 Wie intensiv die Debatte geführt wurde, zeigt auch der kuriose Fall des Eureka, eines Automaten, der im Sommer 1845 in London aufgebaut wurde und Besuchern gegen einen shilling einen (lateinischen) Hexameter komponierte und notierte. Vgl. für eine Diskussion im Kontext der zeitgenössischen metrisch-prosodischen Debatten in England Hall (2007, 222–249). 63 Die Hinweise darauf habe ich entnommen aus Phelan (2012). Phelans Monografie befasst sich nicht nur mit den hexametrischen Experimenten des 19. Jahrhunderts, sondern widmet sich darüber hinaus auch Versuchen in angelsächsischen und alliterierenden Metren, die für das Thema dieses Beitrags nicht minder interessant wären.

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Autor – Klopstock – im von ihm gewählten Versmaß zu übersetzen. Whewell ging aber noch einen Schritt weiter; der – wohl wegen der Verslänge – im Querformat gedruckte Band ist in Abschnitte für die jeweiligen Autoren unterteilt, denen jeweils kurze Gedichte vorangestellt sind. Für den ersten Abschnitt, Schiller, lautet es:

Muse, from Teutonic lyres who hast drawn forth the cadence of Hellas, | Harmony blending with thought, truth with rapture of song. | Lend to my Saxon verse, while it echoes the lays of the Maker, | Sparks of his Wisdom and Fire, – lispings at least of his Tone.64

In einmaliger Weise bringen diese Verse die gesamte Herkunftsdebatte auf den Punkt: Der altgriechische Ursprung des Hexameters wird aufgerufen und mit den besonderen Vorzügen der Schiller’schen Lyrik verknüpft, die, stark archaisierend, als ,teutonisch‘ eingeführt und der ,(angel)sächsischen‘ des Übersetzers entgegengestellt wird. Auf diese Weise entstehen drei klar getrennte, nationale Räume – die Trennung ist umso schärfer, je archaischer die jeweiligen Bezeichnungen klingen –, die durch das Versmaß miteinander in Kontakt treten. Die Verbindung Deutschlands und Englands mittels dieses Versmaßes erscheint begrüßenswert, die deutsche Literatur der klassischen der Antike gleichrangig; die Möglichkeit des englischen Übersetzers, dieses Metrum nun ebenfalls anzuwenden, stellt ihn mit ihnen auf eine Stufe. Auch das Problem der monosyllabischen Tendenz des Englischen bleibt in der Jahrhundert- mitte virulent. Schon Taylor hatte, wie bereits angedeutet, darauf hingewiesen und vorgeschla- gen, ältere, polysyllabische grammatische Formen des Englischen zu reaktivieren.65 Coleridge und Southey hatten die Angelegenheit ebenfalls diskutiert: Sah Coleridge im Monosyllabismus einen Vorteil gegenüber dem Deutschen, der durch die fehlende Möglichkeit zur Komposi- tabildung wieder wettgemacht wurde, so begründete Southey mit ihm die Unmöglichkeit, den Hexameter im Englischen ,einzubürgern‘. Der Mediziner William Blundell (1790–1878) veröffentlichte 1838 seine Hexametrical Experiments, in denen er das monosyllabische Problem löste, indem er Komposita wie „oceanisle“66 oder „[m]ellowmature“67 erfand. Sowohl Taylors als auch Blundells Verfahren zielen somit auf eine Erweiterung des Englischen, entweder in der Besinnung auf alte Formen – das entspricht auch Tiecks Ansatz bei der Modernisierung der Minnelieder – oder in der produktiven Neuschöpfung von Wörtern. Die Einführung des Hexameters hätte auf diesem Wege enorme Folgen gezeitigt; mit Böttiger gesprochen versuchten Taylor und Blundell nichts weniger, als „dem Hexameter […] die englische Sprache […] anzupassen“68. Die Debatte um den englischen Hexameter kann hier nicht ansatzweise erschöpfend rekapituliert werden. Aber schon diese wenigen Einblicke dürften deutlich machen, wie sehr es in dieser Diskussion – zumeist unausgesprochen – darum ging, ein praktikables Verhältnis zwischen dem antiken bzw. deutschen Hexameter und der englischen metrischen Tradition herzustellen. Die englische Nationalliteratur, für die Generationen um 1800 und

64 Whewell (1847, 1). 65 Vgl. Taylor (1800, 338). 66 Blundell (1838, VI). 67 Blundell (1838, 30). Die Hinweise auf diese Komposita verdanken sich ebenfalls Phelan (2012, 56). 68 Böttiger (1796, 124).

Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXIX (2019) Peter Lang Johannes Schmidt: Im Rhythmus der Nation? | 279 danach mit Blick auf epische Dichtung vor allem mit dem Namen Miltons und so mit dem Blankvers verbunden, sah sich damit konfrontiert, dass in Deutschland die produktive Auseinandersetzung mit der klassischen antiken Literatur formale Früchte trug, die wegen ihrer ,Originalität‘ als den englischen Versuchen überlegen galten. Der eingangs zitierte Brief von J. D. Gries ist dafür symptomatisch, fragt er doch seinen Freund Rist an anderer Stelle, ob nicht „die Zeit der traductions libres“69 vorbei sei – jene Art der Übersetzung also, die nicht den gleichen Maßstab von Originaltreue anlegt wie die Schlegel’sche, der Gries sich zurechnet, und die er bezeichnenderweise an Alexander Popes Ilias-Übersetzung (1715–1720) in heroic couplets festmacht.70 Die Versuche, den Hexameter in England ,einzubürgern‘ oder ihn als Imitation und somit letztlich ,Fremdes‘ kenntlich zu machen, zeugen insofern von dem jeweiligen Bemühen englischer Autoren, ihre nationale Tradition entweder erweitern oder in ihrer – vermeintlichen – Eigenständigkeit bewahren zu wollen.

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69 [Campe] (1855, 117). 70 [Campe] (1855, 117).

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Abstract

Der Aufsatz fragt nach dem Verhältnis von Metrik und Nation. Er begreift metrische Systeme als kulturpolitische Strategien zur Begründung und Festigung nationalliterarischer Traditionen. Unter diesem Gesichtspunkt werden zwei exemplarische Fälle diskutiert: Tiecks Sammlung mittelalterlicher Minnelieder (1803) und die Debatte um die Möglichkeit des Hexameters im englischen Sprachraum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

My paper deals with the relation between metre and nation, presuming metric systems as strategies of cultural policy to found and establish traditions of national literature. From this perspective, I will

Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXIX (2019) Peter Lang Johannes Schmidt: Im Rhythmus der Nation? | 281 discuss two cases as an example: Tiecks Minnelieder (1803) and the debate on the hexameter in the English-speaking area in the early 19th century.

Keywords: Hexameter, Kulturpolitik, Metrik, Nationalismus, Robert Southey, Ludwig Tieck

DOI: 10.3726/92165_265

Anschrift des Verfassers: Johannes Schmidt, Humboldt-Universität zu Berlin, Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät, Institut für deutsche Literatur, D–10099 Berlin,

Peter Lang Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXIX (2019)