Zum Geleit

Zeitschrift für Freunde und Förderer der Technischen Universität Bergakademie

14. Jahrgang 2007

Die Ausgabe 2007 wird inhaltlich be- Eine besondere Freude ist für uns der sonders geprägt von Initiativen der Uni- Beitrag von Prof. Dr. Drs. Klaus Töpfer, seit Editorial versität im Verbund mit Partnern aus der Januar auch Ehrendoktor der TU Bergaka- Wirtschaft, die sich herausragend in der demie Freiberg. Kompetenzinitiative „Nachhaltigkeit“ und Der Ausbau des Schlosses zur „terra der durch die „Dr. Erich Krüger Stiftung“ mineralia“ kommt zügig voran, so dass wir ausgelösten und fundierten Exzellenzini- uns bereits jetzt auf die planmäßige Eröff- tiative reflektieren. Einen Höhepunkt in nung im nächsten Jahr freuen dürfen. diesem Engagement bildete die Festver- In die Freude über eine erfolgverspre- anstaltung unserer Universität am 11. Juni chende Entwicklung unserer Universität mit der Gründung und erstmaligen Pro- mischt sich die tiefe Trauer um den Stifter jektvergabe des Krüger-Forschungskollegs Peter Krüger. als „Freiberger Hochdruckforschungszent- Ein herzliches „Dankeschön“ an alle rum (FHZ)“. Diese Aktivitäten formen eine Autoren für das Engagement an diesem fruchtbare Basis für die Qualifizierungsar- Heft ! Für die an mehr Details und Hinter- beiten von zahlreichen Promovenden und grundinformationen zu den abgedruckten die Erweiterung der wissenschaftlichen Beiträgen interessierten Leser ist auf der Infrastruktur. Sie stärken markant den Internet-Seite unseres Vereins ein Zugang gezielten Ausbau der Forschung auf den zu von den Autoren zitierten relevanten profilbildenden Gebieten Umwelt, Energie, Quellen geschaffen worden. Geokompetenz sowie Material/Werkstoffe. Bilanzen und hervorstechende Ergeb- nisse zu den beiden Feldern Umwelt so- wie Material/Werkstoffe bilden einen wei- teren inhaltlichen Schwerpunkt dieses Heftes. Ihre Auswahl ist motiviert durch die aktuelle Bedeutung von wissenschaft- Prof. Dr. rer. nat. habil. Gerhard Roewer lichen Konzepten im Sinne eines globalen Redaktionsleiter Klimaschutzes und die 2007 fünfzig Jahre währende Produktion von Halbleiterwerk- stoffen in Freiberg, die mit dem erfolgrei- chen Wandel Freibergs vom Bergbau- und Hüttenstandort zum Hightech-Zentrum unter maßgeblicher Mitwirkung unserer Universität verbunden ist.

1 Inhalt Inhalt

Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik 75. Geburtstag von Prof. Dr. Hans-Walter Bandemer ...... 92 Vorwort Klaus Töpfer...... 3 Zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. Horst Brezinski...... 93 Ernennung von Dr.-Ing. Holst zum Professor e. h...... 4 Geburtstage ...... 94 Ständiges deutsch-russisches Forum zur Nutzung Promotionen, Habilitationen ...... 95 von Rohstoffressourcen...... 5 Die „Dr. Erich Krüger Stiftung“ – Geschichtliches eine private Exzellenzinitiative ...... 6 Ferdinand Reich...... 96 Wir trauern um Stifter Dipl.-Ing. Peter Krüger ...... 8 Zum Prioritätsstreit der Indium-Entdeckung ...... 98 Erich Krüger – Vorreiter des Umweltschutzes ...... 8 Frederick Gleason Corning ...... 99 Freiberg gründet „Kompetenzoffensive Nachhaltigkeit“...... 8 Carl Emanuel Löscher ...... 101 Globaler Wandel und die Renaissance des 130. Geburtstag Otto Emil Fritzsches...... 101 Nachhaltigkeits-Prinzips ...... 10 100. Geburtstag von Werner Beck ...... 102 13. Internationale Fachtagung Matrikel-Nr. 3440: Friedrich Emil Heyn ...... 103 „Energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe“...... 15 Gustav Anton Zeuner – Lehrer, Forscher, Organisator ...... 105

Der globale CO2-Kreislauf aus ökologischer Sicht ...... 16 Alexander Wilhelm Köhler...... 106 Bioneutrale Kraftstoffe ...... 22 Auf den Spuren berühmter Namen in der Treibstoff sparen durch leichtere Autos...... 27 Freiberger „Himmelfahrt Fundgrube“...... 108 Aus dem Labor in die ganze Welt...... 38 Sachzeuge des Bergbaus ging auf Wanderschaft ...... 111 Geophysikalischer Nachweis eines prähistorischen Die SAXONIA-FREIBERG-STIFTUNG ...... 112 Grabenwerks ...... 40 Chronik 2008 ...... 114 Neues aus dem ewigen Eis...... 43 Materialien für die Halbleitertechnologie...... 45 Berichte 50 Jahre Halbleitermaterialien in der Region Freiberg. Erstsemesterfahrt „Geotechnik und Bergbau“ 2006 ...... 115 Teil I: Siliciumchemie und Kristallzüchtung...... 49 Ein halbes Jahr Trondheim ...... 116 40 Jahre selbständiges Lehrgebiet Hydrogeologie ...... 63 Bernhard-von-Cotta-Preis 2006 ...... 118 terra mineralia. Statusbericht ...... 64 Abenteuer Nahost: Praxissemester in Israel...... 120 Ehrenpromotion Prof. Dr. Dr. mult. Klaus Töpfer ...... 66 Fachtagung EGU 2007 in Wien ...... 121 Industriedenkmalpflege zwischen Diktatur und Demokratie . . 69 Göttingen GIS & Remote Sensing Days ...... 121 Dr. Wolf-Dieter Schneider zum Honorarprofessor bestellt . . . . . 72 Mikrobiologie auf Schwedisch ...... 122 Der Bachelor ist da – der Master folgt bald...... 73 Energietechnischer Workshop Edmonton/Kanada–Freiberg .123 Europa 2030 – Politikberatung für Europa ...... 123 TU Bergakademie Freiberg international Aufenthalt am Institute of Technology Eine isländische Studentin in Freiberg ...... 75 and Renewable Energy (I.T.E.R.), Teneriffa, Spanien ...... 124 Zusammenarbeit mit Universitäten und Firmen Kartierung auf der Reykjanes-Halbinsel...... 125 in der kanadischen Provinz Alberta ...... 76 Ökologische Untersuchungen im ehemaligen Verbundnetz Gas AG fördert internationale Basaltsteinbruch Sághegy (Ungarn) ...... 127 Hochschulkooperation...... 77 Tauchen für die Forschung ...... 128 Wie viel ist Russland die Umweltforschung wert ?...... 78 Am ICT Prag ...... 79 Kuriosa Vierte Freiberger „International Summer School“ lockt 14 Vom Sinn des Lebens ...... 130 internationale Studierende an die TU Bergakademie ...... 79 Tretet ein, denn auch hier sind Götter...... 130 Afrika zum Greifen nah ...... 80 Alumni-Arbeit der TU Bergakademie: Buchbesprechung mehr zu tun für beide Seiten! ...... 81 Bergwirtschaftslehre in 2 Bänden ...... 133

Veranstaltungen und Ehrungen Nachrufe Freiberger Wissenschaftsnacht entpuppte sich Erinnerung an Friedrich-Karl von Oppel...... 133 als Besuchermagnet ...... 82 Verstorbene 2007...... 133 58. Berg- und Hüttenmännischer Tag 2007...... 84 Freiberger Studierende erstmals mit In eigener Sache einem Kulturstipendium ausgezeichnet...... 88 Jahrsmitgliederversammlung 2006 ...... 134 Neuberufungen ...... 89 Aus der Arbeit des Vorstandes ...... 134 Kanzlerwechsel an der Universität...... 90 Zum 90. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Alfred Neumann ...... 90 50 Jahre Diplombergingenieur ...... 90 Autorenverzeichnis ...... 135 „Die Technik“ ist weiblich, doch was heißt das schon in Freiberg ? ...... 91

2 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik Vorwort Klaus Töpfer

Die Weltbevölkerung steigt weiter an. Besonders in Asien und Afrika ist die- se Dynamik kaum gebrochen. Die hoch entwickelten Länder, aber auch Südame- rika, sind dagegen durch abnehmende oder stagnierende Bevölkerungszahlen gekennzeichnet. Gleichzeitig verändert sich die Siedlungsstruktur dramatisch. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die Klaus Töpfer (rechts) und Klaus-Ewald Holst (links) während der Podiumsdiskussion zum Thema Energie- und Rohstoff- Welt sich in einem "Urban Millennium" be- krise am 11. Januar 2007 in Freiberg findet. Wachstumsraten der Bevölkerung von über 6% in den Städten, Megacities wicklung basiert stets auf der Verfügbar- Wie selten zuvor treten damit die wis- und urbanen Agglomerationen Asiens be- keit von Energie und Rohstoffen der Natur. senschaftliche und technische Leistungs- legen dieses oft kanzerogene Wachstum Der oft als „ehernes Gesetz“ bezeichnete fähigkeit, die Forschungsqualität und die städtischer Ballungsräume. Zusammenhang, dass mit 1 % Wachstum Intensität der auf diesen Gebieten einge- Nach der Überwindung der Bipola- des BSP ein Wachstum der Energienach- setzten Ressourcen in den Mittelpunkt rität dieser Welt hat die Globalisierung frage von mindestens 1 % verbunden ist, gesellschaftlicher und politischer Erwar- gleichzeitig weltweit einen wirtschaftli- macht deutlich, dass in einer globalisier- tungen. Wieder wird wie in der ruhmrei- chen Wachstumsprozess ausgelöst. Die- ten Welt, die bis zum Jahre 2050 als unte- chen Vergangenheit der Bergakademie se globale Wachstumsdynamik wird oft re Grenze 8,5 Milliarden Menschen tragen Freiberg der Fortschritt wissenschaftli- als die „Dritte Industrielle Revolution“ be- wird, Energie und Rohstoffe die entschei- cher Forschungen zu einem wesentlichen zeichnet. Besonders in den Schwellenlän- denden Engpässe sein werden. Dies umso Gradmesser der gesamtwirtschaftlichen dern von Indien über China bis Südafrika mehr, als mit der Verwendung von fossiler Perspektiven dieses Landes. Dabei muss und Brasilien sind Wachstumsraten des Energie, die bisher deutlich über 70 % des immer wieder die Unabhängigkeit und Bruttosozialprodukts Realität, die bis zu Weltenergieangebots stellt, massive Rück- Selbständigkeit der Forschung auch dort 10•% pro Jahr reichen. Diese Wachstums- wirkungen auf die Stabilität des Natur- angemahnt und eingefordert werden, wo schübe sind zur Überwindung der Armut haushalts, vor allem auf die Atmosphäre, der aktuelle Handlungsdruck eine frühe- in diesen Ländern zwingend geboten. Vor verbunden sind. Der Umgang mit fossilen zeitige Konzentrierung menschlicher und allem in Afrika ist andererseits dieser wirt- Energien, die Entwicklung neuer, kohlen- finanzieller Ressourcen auf einen oder schaftliche Wachstumsprozess noch nicht stoffarmer Energieträger sowie die höhere zwei Lösungswege nahelegen mag. Die angekommen. Noch herrscht Armut, ver- Effizienz in der Nutzung von Rohstoffen wettbewerbliche Vielfalt der Forschungs- bunden mit ungesicherter Ernährungs- und die Entwicklung neuer Materialien ansätze ist es, die die Wahrscheinlichkeit grundlage, fehlendem Zugang zu saube- sind somit für die Stabilität globaler Ent- positiver Lösungsbeiträge erhöht. Nicht rem Trinkwasser, mit Seuchen von Aids bis wicklung von entscheidender Bedeutung. die unmittelbare Verwertbarkeit, sondern Malaria, unzureichender Ausbildung jun- Damit treten Forschung und Entwick- die Notwendigkeit grundsätzlichen Den- ger Menschen und Benachteiligung be- lung auf dem Gebiet der Energieversor- kens und Forschens müssen in Kenntnis sonders der Frauen. Die „Millennium De- gung und der Rohstoffwirtschaft in den der großen, unter Zeitdruck stehenden velopments Goals“, von allen Staatschefs Mittelpunkt der Zukunftssicherung einer Aufgabenstellungen der Gesellschaft ge- dieser Welt im Jahre 2000 verabschiedet, Volkswirtschaft. Diese zwingende Notwen- währleistet bleiben. Kurzfristige Erfolge belegen die Notwendigkeit dieser wirt- digkeit wird dadurch weiter verstärkt, dass werden nur zu häufig durch mittel- und schaftlichen Wachstumsprozesse. Es ist mit der sprunghaft ansteigenden Nach- langfristige Folgeprobleme kompensiert. zu befürchten, dass diese Ziele, so vor frage nach Leistungen des „Naturkapitals“ Immer wieder zeigt sich, dass man eben allem die Verminderung extremer Armut auch weit reichende strukturelle Preiser- nicht pfennigweise klug und talerweise um 50 %, bis zum Zieljahr 2015 in Afrika höhungen bei diesen Ressourcen verbun- dumm sein kann, indem dem schnellen nicht erreicht werden können. Instabilitä- den sind. Ebenso wird die Zielsetzung der Erfolg die Breite von Forschung und Ent- ten der Gesellschaft mit weit reichenden Versorgungssicherheit mit Energie und wicklung geopfert wird. Dies steht keines- Migrationsbewegungen werden die Fol- Rohstoffen gefährdet. Spannungen und wegs in einem Gegensatz zur Einbindung ge sein. Die Dramatik dieser Entwicklung Konflikte hinsichtlich des Zugangs zu privatwirtschaftlicher Überlegungen in die wird noch dadurch verstärkt, dass sich diesen Ressourcen sind vorprogrammiert, Entwicklung von Arbeitsprogrammen ei- durch die Abwälzung von Umweltkosten wenn es nicht gelingt, den Nachfrage- ner Universität. Eher ist das Gegenteil der aus den hoch entwickelten Ländern in druck durch bessere technische Lösun- Fall. Die Zusammenarbeit mit der privaten die Entwicklungsländer die Grundlage für gen der Effizienz der Nachfrage und das Wirtschaft wird durch die hohe Qualität wirtschaftlichen Aufschwung dort erheb- Angebot wettbewerbsfähiger Alternativen unabhängiger Forscher zu einer sinnvol- lich verschlechtert. Wirtschaftliche Ent- aufzufangen. len und tragfähigen Symbiose führen kön-

14. Jahrgang 2007 3 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik nen, wenn von beiden Seiten die jeweils frühzeitige Entschärfung dieser Spannun- auf die menschliche Gesundheit. Vieles konstituierenden Unterschiede erkannt gen zu suchen. Dies ist vorsorgende Frie- in dieser Veröffentlichung belegt, dass die und respektiert werden. denspolitik; das gilt für die gesamte Brei- Bergakademie Freiberg sich ihrer Verant- Vor diesem Hintergrund war für mich te wissenschaftlichen Tuns. Es macht das wortung für Zukunft stellt. Damit erarbeitet die Auszeichnung mit dem Doktor honoris Überdenken betriebswirtschaftlicher und sich diese so traditionsreiche wissenschaft- causa der Bergakademie Freiberg eine ganz volkswirtschaftlicher Denk- und Entschei- liche Forschungs- und Ausbildungsstätte besondere Ehre. Aus meiner langjährigen dungsmuster ebenso notwendig wie das ihr unverwechselbares Profil innerhalb der Verantwortung für die Umweltpolitik der Erkennen menschlicher Verhaltensweisen Forschungslandschaft Deutschlands, Eu- Vereinten Nationen ist mir die zwingende und Steuerungen, aber eben auch techni- ropas und weltweit. Der Forschungserfolg Notwendigkeit technologischer Fortschritte, scher Lösungen in der Weiterentwicklung wird immer auch inspiriert und weiterge- ja revolutionärer Durchbrüche für das fried- von Handlungsmöglichkeiten. Es verpflich- tragen durch eine Qualität der Lehre, die liche Zusammenleben auf diesem wunder- tet dazu, auch den negativen Auswirkun- bei den Studenten das Verständnis für ei- schönen Blauen Planeten Erde immer wie- gen bisheriger technischer Lösungen vor- genständiges Denken und Forschen sowie der bewusst geworden. Verantwortung für urteilsfrei nachzugehen. Dazu gehören verantwortliches Handeln zur Selbstver- Zukunft zu übernehmen macht es gebiete- gegenwärtig insbesondere der Klimawan- ständlichkeit werden lässt. Die Universität risch erforderlich, über die Analyse und Pro- del und die damit verbundenen regiona- Bergakademie Freiberg wird durch eine gnose von bestehenden oder zu erwarten- len Konsequenzen für Niederschlag und so gestaltete Forschung und vermittelnde den Engpässen und Konfliktmöglichkeiten Extremwetterlagen, für Auswirkungen auf Lehre ihre verpflichtende Tradition erfolg- hinaus Handlungsmöglichkeiten für eine den Naturhaushalt insgesamt, aber auch reich weiterführen. Ernennung zum Professor e. h. Am 13. Juni 2007 ernannte Minister- gen Manager die Angebote von Man- präsident Milbradt unseren Vorsitzen- daten und Mitgliedschaften nicht aus, den, Herrn Dr.-Ing. Klaus-Ewald Holst, von denen viele angenommen wurden. zum Professor ehrenhalber (Prof. e. h.). So ist Professor Holst Mitglied des Ku- Damit fanden die vielfältigen Verdiens- ratoriums der Universität sowie te von Dr.-Ing. Holst bei der Förderung Vorsitzender des Kuratoriums Sachsen des sächsischen Hochschulwesens eine des Stifterverbandes für die Deutsche weitere Anerkennung. Bereits 1995 war Wissenschaft. Weiterhin wurde ihm das ihm die Würde eines Ehrensenators der Ehrenamt eines Honorarkonsuls des Kö- TU-Bergakademie übertragen worden. nigreiches Norwegen sowie der Republik Mit unserer Universität ist Professor Kroatien übertragen. Holst seit 1962, dem Jahr seiner Imma- Das Amt des Vorsitzenden unseres trikulation in die Fachrichtung Tiefbohr- Vereines hat er erstmals im November technik, Erdgas- und Erdölgewinnung 1995 für die Wahlperiode bis 1998 über- verbunden. 1967 erwarb er hier den Grad nommen. Erfreulicherweise hat er sich eines Dipl.-Ing. dieser Fachrichtung. 1968 bereit erklärt, am 23. November 2007 für trat er als Entwicklungsingenieur in den eine weitere Wahlperiode dafür noch- damaligen VEB Verbundnetz Gas ein und mals zu kandidieren. befasste sich dort zunächst mit der Ent- Eines der von ihm initiierten umfang- wicklung optimaler Technologien für die reichsten Projekte ist die Förderung der Speicherherstellung und den Speicher- Kooperation der Bergakademie mit der betrieb. Diese Thematik war auch Ge- TU Trondheim durch die VNG. Dadurch genstand seiner Dissertation, mit der er Prof. e. h. Dr.-Ing. Klaus-Ewald Holst wurden für zahlreiche Studenten ein- 1977 an der Bergakademie zum Dr.-Ing. bis zweisemestrige Studienaufenthalte promoviert wurde. In den Folgejahren, als Abteilungsleiter und in Trondheim möglich. Hauptingenieur eingesetzt, hat er mit seinen Mitarbeitern einen Einbezogen wurden mittlerweile auch fachverwandte Hoch- entscheidenden Anteil an den erzielten Ergebnissen, die 1990 schulen in St. Petersburg, Krakau und Prag. Der jüngste Hö- bei der Wiedervereinigung einen solchen Stand erreicht hatten, hepunkt der Aktivitäten von Professor Klaus-Ewald Holst, die dass die ostdeutsche Gasindustrie ohne Leistungsdifferenzen Bergakademie in hochrangige internationale Kooperationen in die gesamtdeutsche bzw. europäische Gasindustrie aufge- einzubinden, war die Gründung des Deutsch-Russischen Roh- nommen wurde. stoff-Forums e. V. (siehe nebenstehender Beitrag). Nach der Umwandlung des VEB Verbundnetz Gas in eine Wir gratulieren Prof. e. h. Holst sehr herzlich zu dieser Ehrung Aktiengesellschaft wurde Klaus-Ewald Holst zum Vorsitzenden und wünschen ihm weiterhin viel Erfolg und beste Gesundheit des Vorstandes der Verbundnetz Gas AG gewählt. In den Folge- für die weitere erfolgreiche Erfüllung seiner umfangreichen Auf- jahren war er beim Ausbau des Unternehmens sehr erfolgreich. gaben. Natürlich blieben auch für einen erfolgreichen bodenständi- Christian Oelsner

4 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Aktivitäten/Aufgaben Ständiges deutsch-russisches Forum Die inhaltlichen Aktivitäten des Rohstoff- forums laufen sowohl auf einer wirt- zur Nutzung von Rohstoffressourcen schaftspolitischen wie auch auf einer wissenschaftlichen Ebene. Die wirtschafts- Anliegen/Ziele Als gemeinsames übergeordnetes Gremi- politische Ebene dient der Entwicklung Ein Memorandum für das „Ständige um fungiert ein Lenkungsausschuss, in der strategischen Ziele und der Verständi- deutsch-russische Forum zu Fragen der welchem unter anderem die Festlegung gung zwischen politischen Gremien und Nutzung von Rohstoffressourcen“ wurde der Themen erfolgt. Auf untergeordneter Unternehmen beider Seiten. Auf der wis- am 10. Oktober 2006 in zwischen Ebene gibt es jeweils einen Lenkungskreis, senschaftlichen Ebene finden die Fachdi- dem St. Petersburger staatlichen Bergbau- welcher auf deutscher Seite juristisch als aloge zu den verschiedenen Themenfel- institut und der TU Bergakademie Freiberg Verein organisiert ist und später in eine dern statt, wie Öl und Gas, Energietechnik, im Beisein der deutschen Bundeskanzle- Stiftung überführt werden soll. Der Verein Anlagenbau u. a. Die Zusammenarbeit rin Merkel und des russischen Präsidenten „Deutsch-Russisches Rohstoff-Forum e. V.“ erfolgt dabei in Form von Workshops und Putin unterzeichnet. Hauptanliegen ist es, wurde im Mai 2007 in Berlin im Beisein Konferenzen, Block-Vorlesungen, Sommer- mittels einer innovativen Ressourcenstra- von Prof. Töpfer gegründet und hat seinen schulen und über einen Austausch von tegie die künftige stabile Entwicklung der Sitz in Freiberg. Hauptzweck des Vereins ist Personal. Zunächst sollen als zentrale Volkswirtschaften Russlands und Deutsch- die Förderung aller Formen der Aus- und Maßnahmen verwirklicht werden: lands zu gewährleisten. Dazu soll die Ba- Weiterbildung sowie der politischen und 1. Berufung ständiger Arbeitsgruppen sis für die Erkundung, den Abbau und die wissenschaftlichen Zusammenarbeit zu aus Vertretern der beiden Universitäten Weiterverarbeitung von Rohstoffen gestärkt allen Fragen der Rohstoffressourcen. und der Wirtschaft bzw. anderer Institutio- werden, und verbesserte Möglichkeiten ei- Für die Umsetzung der Aktivitäten ist nen, die gemeinsam Forschungsvorhaben ner rationellen und effektiven Nutzung ein Kuratorium verantwortlich, dessen Vor- realisieren. fossiler, mineralischer und alternativer Roh- sitzender der Freiberger Rektor Prof. Un- 2. Durchführung jährlicher internatio- stoffressourcen sollen aufgezeigt werden. land ist. Als stellvertretender Vorsitzender naler Rohstoffkonferenzen abwechselnd Innovative Lösungen werden angestrebt in fungiert der Vorstandsvorsitzende der Ver- in St. Petersburg und Freiberg, auf denen Hinsicht auf wissenschaftlich-methodische, bundnetz Gas AG, Herr Dr. Holst. Weitere Themen und Ergebnisse aus den Arbeits- forschungs- und produktionsseitige sowie Mitglieder sind noch zu bestimmen. Der gruppen diskutiert werden. ausbildungsrelevante Fragestellungen. Als Vorstand des Vereins, dessen Vorsitz die 3. Einrichtung einer internationalen Gra- erste Industriepartner unterstützen die Gaz- VNG AG Leipzig und der Stellvertreter des duiertenschule für Rohstoffmanagement. prom Export und die VNG Verbundnetz Gas Prorektorats Forschung der TU Bergaka- AG die Initiative. demie Freiberg innehaben, führt die Ge- Aktuelle Aktivitäten schäfte im Rahmen der Satzung und nach Eine zentrale Aufgabe des Rohstofffo- Organisation Maßgabe des Kuratoriums. rums war die Vorbereitung einer Konfe- Als Schirmherren des Rohstoffforums wur- In die Arbeit einbezogen werden sollen renz, die zeitgleich und in Verbindung den für die deutsche Seite Herr Prof. Dr. weitere Vertreter von Organisationen (u. a. mit der Tagung „St. Petersburger Dialog“ Töpfer, zuletzt Generaldirektor des UN-Bü- Bundesanstalt für Geowissenschaften und durchgeführt wurde. Der „St. Petersbur- ros in Nairobi, und für die russische Seite Rohstoffe, Bund der Deutschen Industrie), ger Dialog“ fand vom 13.–15.10.2007 in Herr Prof. Litvinenko, Rektor des St. Peters- von Industrieverbänden (u. a. Rohstoffwirt- Wiesbaden statt. An der abschließenden burger staatlichen Bergbauinstituts und schaft, Energiewirtschaft, Metallurgie, An- Plenumssitzung am 15.10. nahmen auch Mitglied des Beraterstabs des russischen lagenbau) und Vertreter aus Bildung und die deutsche Kanzlerin Merkel und der Präsidenten, benannt. Wissenschaft (DAAD; DFG). russische Präsident teil. Die Konferenz des Rohstoffforums stand unter dem Thema „Determinanten einer entwickelten Roh- stoffpartnerschaft“. Für die Arbeit auf der fachlichen Ebene gab es drei Fachsek- tionen (Stahl/Metallurgie, Energie und Transport sowie Rohstoffgewinnung). Es bestand die Möglichkeit, die Ergebnisse aus den Fachsektionen der Konferenz des Rohstoffforums auf der Plenumssitzung des „St. Petersburger Dialogs“ im Beisein der Regierungschefs beider Länder zu präsentieren. Eine weitere aktuelle Auf- gabe des Rohstoffforums besteht in der Aus- und Weiterbildung. Ziel ist es, einen deutschen Studiengang in Russland ein- zurichten, zunächst am St. Petersburger staatlichen Bergbauinstitut. Dafür laufen Die Rektoren Prof. Litvinenko und Prof. Unland mit dem unterzeichnenden Dr. Holst (r.), VNG Leipzig. Im Hintergrund derzeit konzeptionelle Arbeiten. Präsident Vladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Foto: MDR Rudolf Kawalla

14. Jahrgang 2007 5 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik Die „Dr. Erich Krüger Stiftung“ – eine private Exzellenzinitiative

Die Technische Universität Bergakade- auf das Immobiliengeschäft. Die Früchte mie Freiberg ist seit dem 1. Januar 2007 dieser Tätigkeit fließen nun in die „Dr. Erich Eigentümerin des größten Stiftungsver- Krüger Stiftung“. mögens einer staatlichen Universität in Die „Dr. Erich Krüger Stiftung“ ist laut Deutschland. Der Münchner Unterneh- ihrer Satzung nicht verzehrend. Das be- mer Peter Krüger stiftete der Freiberger deutet, dass das Stiftungsvermögen auch Universität am 14. Dezember 2006 Teile in Zukunft erhalten bleiben muss. seines Immobilienvermögens. Über die Verwendung der Stiftungsgel- Aus der „Dr. Erich Krüger Stiftung“, die der entscheidet ein Stifterrat. Er bestimmt nach dem Vater des Stifters benannt ist, über alle, die Stiftung betreffenden finan- erhält die TU Bergakademie Freiberg jähr- ziellen Entscheidungen. Dies betrifft so- lich auf unbegrenzte Zeit mehrere Millio- wohl Maßnahmen zum Erhalt des Stif- nen Euro. Mit den Erträgen wird die Frei- tungskapitals als auch die Investitionen berger Universität die Ausbildung heraus- in die Forschung. Im letztgenannten Fall ragender Promovenden verstärken sowie entscheidet der Rat auf Empfehlung des den Ausbau ihrer Forschungsinfrastruktur Rektorats der TU Bergakademie Freiberg. finanzieren. Dazu sammelt und sichtet das Rektorat Das Stiftungsvermögen besteht aus Im- die Vorschläge, die aus der Hochschule mobilien in zentraler Lage mehrerer ost- nisse im Freistaat Sachsen, bevorzugt in eingehen und schlägt dem Rat einzelne und westdeutscher Großstädte, unter an- Freiberg, umgesetzt, produziert sowie von Projekte vor. Die „Dr. Erich Krüger Stiftung“ derem in Leipzig und Dresden. Die Erträge hier aus verkauft werden können.“ eröffnet der TU Bergakademie Freiberg aus dem Immobilienvermögen sollen dem Für seine Entscheidung war sicher die Möglichkeit, zusätzliche Mittel in den Stiftungszweck entsprechend in praxis- auch seine biographische Verbundenheit gezielten Ausbau der Forschungen ihrer und anwendungsbezogene Wissenschaft mit Freiberg ausschlaggebend. Peter Krü- profilbestimmenden Bereiche zu investie- und Forschung investiert werden. ger wurde 1924 in Freiberg geboren. 1946 ren: Umwelt, Energie, Geo sowie Material/ Warum hat sich der erfolgreiche Unter- schrieb er sich an der dortigen Hochschu- Werkstoffe. Die Erträge der Stiftung sollen nehmer die TU Bergakademie Freiberg für le für das Fach Bergbau ein, musste sie je- vor allem der Rekrutierung und Ausbil- seine großzügige Zuwendung ausgesucht? doch nach einem Semester verlassen. Die dung herausragender Promovenden so- „Ich möchte mit der Stiftung die praxis- und offizielle Begründung für seine Exmatri- wie der Erweiterung der wissenschaftli- anwendungsbezogene Wissenschaft und kulation lautete, er sei kein „Arbeiter- und chen Infrastruktur zugute kommen. Forschung fördern“, erklärte Peter Krüger. Bauernkind“. Krüger kehrte seiner Heimat Als eine der ersten Maßnahmen be- „Die TU Bergakademie Freiberg mit ihrem den Rücken. In Westdeutschland baute schloss die Stiftung daher die Einrichtung Profil ist hierfür der richtige Partner. Dabei Peter Krüger Unternehmen im Baugewer- eines Krüger-Forschungskollegs. Das Kol- ist es meine Absicht, vor allem solche For- be und im Lebensmittelhandel auf. Zu- leg, das fünf Jahre gefördert wird, setzt sich schungsprojekte zu fördern, deren Ergeb- letzt konzentrierte sich der Unternehmer aus acht bis zwölf Hochschullehrern zu- sammen, die aus mindestens drei Fakul- täten der Universität kommen. Das inter- disziplinäre Team widmet sich dabei ge- meinsam einem Forschungsthema. Nach der Absicht des Stifters sollen dabei solche Fragestellungen im Vordergrund stehen, deren Beantwortung neue Arbeitsplätze befördern. Eng eingebunden in die Forschungs- aktivitäten des Krüger-Forschungskollegs sind dabei Doktoranden. Durch den Aus- tausch zwischen ihnen und den Betreu- ern der unterschiedlichen Fächer sollen die Problemlösungsfähigkeit gefördert und der Blick über das eigene Fachge- biet hinaus erweitert werden. Zu diesem Zweck sowie zur Weiterbildung bietet das Forschungskolleg ein Aus- bzw. Fortbil- Peter Krüger und Prof. Unland unterzeichnen am 4. Dezember in München den Stiftervertrag dungsprogramm an.

6 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Anfang Februar startete unsere Univer- sität dazu eine Ausschreibung. Aussicht auf Erfolg sollten Vorschläge haben, die noch folgende Bedingungen erfüllen: • Das Thema passt mindestens in eine der Profillinien der TU Bergakademie und ist für die Universität strategisch von Bedeutung. Das Oberthema und die Einzelthemen müssen wissen- schaftlich aktuell und auf ein für die Wirtschaft oder Gesellschaft wichtiges Problem fokussiert sein. • Die das Forschungskolleg tragenden Arbeitsgruppen sollen in ihrem Gebiet bereits sehr gut ausgewiesen sein, bei- spielsweise durch Publikationen oder Drittmittel. Gleichzeitig wird angeregt, dass sich einzelne Arbeitsgruppen auf neue Wissenschaftsgebiete vorwagen und hierdurch die Zusammenarbeit auf Profillinien der Bergakademie ge- fördert wird. • Die Zusammenarbeit mit Firmen und anderen Einrichtungen ist ebenso er- Dirk Gottschalk von der RENTA GmbH mit den Stifterratsmitgliedern Peter Krüger, Prof. Georg Unland, Prof. Klaus Mi- wünscht wie Ansätze für mögliche Neu- chael Groll und Fritz Lütke-Uhlenbrock sowie dem Notar Dr. Friedrich Schalkhaußer (v. l.). Fotos (3): TU Bergakademie gründungen. • Es soll erkennbar sein, dass die Ein- nologie. Sprecher ist Prof. Dr. Jens Kortus Ein weiterer Höhepunkt der Festver- richtung des Krüger-Forschungskollegs (Theoretische Physik). anstaltung am 11. Juni war der Start der eine über den vorgesehenen Zeitraum Stifter Peter Krüger selbst verkündete „Kompetenzoffensive Nachhaltigkeit“. Mit von fünf Jahren hinaus gehende Zu- auf einer Festveranstaltung der TU Berg- den Erträgen der „Dr. Erich Krüger Stiftung“ sammenarbeit der beteiligten Grup- akademie Freiberg in der Alten Mensa und mit Unterstützung von nunmehr pen fördert, zum Beispiel in Form einer das Ergebnis des Auswahlverfahrens und schon über 70 Unternehmen sollen pro künftigen DFG-Forschergruppe, eines wünschte mit einem beeindruckenden Jahr über sieben Millionen Euro zusätzlich Sonderforschungsbereichs oder eines Auftritt den Initiatoren des Kollegs viel in die Forschung sowie Graduiertenausbil- sonstigen Verbundprojektes. Erfolg bei dessen Realisierung. Er nahm dung unserer Universität fließen. • Es muss ein überzeugendes Konzept auf dieser Veranstaltung auch die höchs- präsentiert werden, wie die Aus- bzw. te Auszeichnung der Freiberger Universität Fortbildung der Doktoranden im Rah- zum Ehrensenator der TU Bergakademie men der entstehenden Graduierten- Freiberg entgegen. Den Festvortrag hielt und Forschungsakademie der Universi- der sächsische Ministerpräsident Prof. Ge- tät gefördert wird. org Milbradt. Das Geld des Krüger-Forschungskollegs „Die TU Bergakademie Freiberg wird steht sowohl für Personalkosten, insbe- durch die Stiftung erheblich dabei unter- „Eine private Exzellenzinitiative sondere für die beteiligten Doktoranden, stützt, ihre Position als international füh- Durch die Stiftung des Unternehmers Krüger steht der als auch für Verbrauchsmittel, Geräte rende Universität in den vier Profillinien TU Freiberg nun mehr Geld zur Verfügung, als manch und Reisen zur Verfügung. Um bei einer Geo, Energie, Material/Werkstoffe und andere Hochschule aus der Exzellenzinitiative des Förderungsdauer von fünf Jahren nicht Umwelt erfolgreich auszubauen“, hob Bundes erwarten kann (…) Anreize für eine entsprechend lange Pro- Prof. Georg Unland, Rektor der Freiberger Peter Krüger hat sich die Bergakademie für seine motionsdauer zu schaffen, werden die Universität, in seiner Laudatio hervor. „Die großzügige Zuwendung ausgesucht, weil die TU Frei- Finanzmittel auch für den Fall zugesagt, Gründung der ‚Dr. Erich Krüger Stiftung‘ berg anders als die meisten anderen Hochschulen in dass die jeweiligen Promotionen früher ist gleichzeitig ein beachtenswertes Zei- Deutschland wieder deutlich mehr Studenten in den abgeschlossen werden. chen für das Stiftungswesen von Privat- ingenieurwissenschaftlichen Fächern hat als noch vor Von den insgesamt bis zum Stichtag personen zugunsten der Wissenschaft. wenigen Jahren. Zudem hat Krüger eine starke biogra- Ende April eingereichten 14 Projektskizzen Gerade in unserer Zeit, die durch immer fische Motivation für seine Stiftung. Er ist in Freiberg wurde zur Förderung das Projekt „Freiber- geringer werdende staatliche Mittel ge- geboren (…) ger Hochdruckforschungszentrum“ (FHP) kennzeichnet ist, sind solche Aktivitäten Die TU Freiberg hat bisher mehr als 150 Stifter gewin- ausgewählt. Es vereinigt in sich Aktivitä- erforderlich.“ Die Ehrung erhielten bereits nen können. Nach der großzügigen Zuwendung Krü- ten von 8 Hochschullehrern aus den Fa- herausragende Wissenschaftler wie Prof. gers verfügt die Universität über ein Stiftungsvermö- kultäten Chemie und Physik, Geowissen- Erich Rammler, Prof. Arno Hermann Mül- gen pro Student in Höhe von mehreren 10.000 Euro.“ schaften, Geotechnik und Bergbau sowie ler und Prof. Karl Kegel sowie die Stifterin (FAZ, 13. Januar 2007) Werkstoffwissenschaft und Werkstofftech- Dr. Erika Pohl.

14. Jahrgang 2007 7 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

Wir trauern um Stifter Dipl.-Ing. Peter Krüger †

Die Nachricht, dass Peter Krüger am 12. Juli im Alter von 83 Jahren in München ver- starb, hat viele Menschen erschüttert. Als Stifter setzte er mit seinem Engagement für die TU Bergakademie Freiberg wichtige Impulse für die Forschung und Ausbildung. Im Juni dieses Jahres wurde er an unserer Universität dafür mit der Ehrensenator- würde geehrt. Bei dieser Auszeichnung im Beisein des sächsischen Ministerpräsiden- ten Prof. Georg Milbradt nahm er die Teilnehmer mit seiner Vitalität und seinem Humor für sich ein. Diese Ausstrahlung und sein Wirken werden für die Freiberger Universität immer in Erinnerung bleiben. Mit seiner Unterstützung der Wissenschaft setzte Peter Krüger bundesweit ein Zei- chen für das private Stiftungswesen. Mit den Erträgen der nach seinem Vater benann- ten Dr. Erich Krüger Stiftung startete der Münchner Unternehmer im letzten Monat das erste Krüger-Forschungskolleg. Ich bedauere es außerordentlich, dass Peter Krüger die durch ihn initiierten Aktivitäten nicht mehr selbst verfolgen kann. Ich habe Peter Krüger als einen Menschen erlebt, der sich der TU Bergakademie Freiberg sehr verbunden fühlte. Mit ihm haben wir einen engagierten Freund und Förderer verloren. Wir werden seiner immer in Dankbarkeit und mit hoher Wertschät- zung gedenken. Peter Krüger während der Auszeichnung zum Georg Unland Ehrensenator der TU Bergakademie Erich Krüger – Vorreiter des Umweltschutzes

Erich Krüger, an dessen Namen die Stiftung des Unternehmers Peter Krüger erinnert (s. vorige Seite), wurde am 28. Dezember 1885 in Dippoldiswalde geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Dippoldiswalde absolvierte er in Freiberg das Gymnasium und erwarb hier im Jahr 1905 sein Abitur. Anschließend studierte er in Leipzig und legte dort sein Staatsexamen in Chemie, Zoologie und Botanik ab und promovierte auf dem Gebiet der Biologie. In Freiberg war Erich Krüger Lehrer am Freiberger Gymnasium. Parallel dazu leitete er die „Vereinigung für zeichnende und photographierende Heimatfreunde“ in Freiberg. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges nahm er ein Studium an der Bergakademie auf und vertiefte hier vor allem seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Chemie. Ab 1923 wirkte Dr. Erich Krüger als staatlich bestellter Sachverständiger für Rauchgasschäden im Freiberger Bezirk. Er galt als Spezialist für Schäden in der Landwirtschaft, die durch zunehmende Hüttenrauchemissionen entstanden. Dr. Erich Krüger kann aus gutem Grund mit zu den ersten Umweltschützern in Deutschland gezählt werden. Als Studienrat am Gymnasium in Freiberg vertrat er Imker und Bauern, deren Tiere an Arsenvergiftung eingegangen waren, erfolgreich in Prozessen gegen die Verursacher der Schäden: die Hüttenwerke in Halsbrücke und Muldenhütten bei Freiberg. Später folgte er einem Ruf an das Metallhütteninstitut der Bergakademie und übernahm einen Forschungsauftrag zum Thema „Hüttenrauchschäden“. Dass ein großes Industrieunternehmen wegen Giftstoffemission zum Schadensersatz an kleine Imker und Bauern verurteilt wurde, war damals eine Sensation. In der Folge begannen die Hüttenwerke darüber nachzudenken, wie sich solche Schäden minimieren oder vielleicht sogar ganz ausschließen lassen könnten. Genau dieser Aufgabe widmete sich Dr. Erich Krüger mit seinen Forschungen, die 1945 ein vor- zeitiges Ende fanden und in Vergessenheit gerieten. Die nach ihm benannte Stiftung soll in seinem Sinne die anwendungsbezogene Forschung an der TU Bergakademie Freiberg stärken. 1944 übernahm Erich Krüger einen Lehrauftrag für Zoologie und Botanik für Geologen an der Bergakademie Freiberg, musste diese aber 1945 zunächst verlassen. Von 1951 bis 1958 war Dr. Erich Krüger als Mitarbeiter der Abteilung Fernstudium an der Bergakademie Freiberg tätig. Er verstarb am 5. Mai 1968 in Homburg.

Freiberg gründet „Kompetenzoffensive Nachhaltigkeit“

Die TU Bergakademie Freiberg startete frage der Wirtschaft nach Freiberger Ab- Programme zur individuellen Promotion am 11. Juni eine „Kompetenzoffensive solventen in den nächsten Jahren weitere finanziert werden. Nachhaltigkeit“. Mit Erträgen der „Dr. talentierte Nachwuchswissenschaftler für Mit Unterstützung befreundeter Unter- Erich Krüger Stiftung“ und Unterstüt- die Forschungsthemen der Freiberger Uni- nehmen schafft die TU Bergakademie Frei- zung von bisher mehr als 60 Unterneh- versität zu begeistern und sie zu fördern. berg weitere zusätzliche Promotionsstellen. men sollen pro Jahr über sieben Milli- Dazu stellen die „Dr. Erich Krüger Stiftung“ Etwa 70 Wirtschaftspartner der Universität onen Euro zusätzlich in die Forschung und Wirtschaftspartner der Freiberger Uni- sichern dabei die Finanzierung von circa sowie in die Graduiertenausbildung der versität zusätzlich zur staatlichen Grund- 100 neuen Promotionsstellen sowie Mittel Freiberger Universität fließen. finanzierung sowie zu den Drittmittelein- zum Ausbau der Forschungsinfrastruktur Ziel der „Kompetenzoffensive Nachhal- nahmen weitere Mittel zur Verfügung. Mit zu. Pro Jahr stehen dafür rund fünf Mil- tigkeit“ ist es, aufgrund der hohen Nach- ihnen sollen Graduiertenkollegs sowie lionen Euro bereit. Zu den Unterstützern

8 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg der „Kompetenzoffensive Nachhaltigkeit“ schungspartner. Mit dem Institut für Au- • Hexion Speciality Chemicals GmbH, gehören neben Unternehmen aus ganz tomatisierungstechnik besteht bereits seit Iserlohn-Letmathe Deutschland auch Firmen aus den Nie- mehr als zehn Jahren eine erfolgreiche • IBM Industrie Marktentwicklungs- und derlanden und Österreich. Die Siemens ingenieurtechnische Zusammenarbeit. Beratungs AG, Bottrop AG geht mit der TU Bergakademie Freiberg Im Rahmen der strategischen Partner- • iPSS Gesellschaft für Produktions- eine „strategische Partnerschaft“ ein. Zum schaft wurden inzwischen fünf Arbeits- steuerungssysteme mbH Start der „Kompetenzoffensive Nachhaltig- gruppen gegründet. In ihnen sind 18 Pro- • Kali-Umwelttechnik GmbH, keit“ an der Freiberger Universität am 11. fessoren tätig. Sondershausen Juni 2007 stellte Prof. Klaus Wucherer, Mit- Der TU Bergakademie Freiberg fließen • Knauf Gips KG, Iphofen glied des Zentralvorstands der Siemens AG, durch die Partnerschaft in den nächsten • KÖPPERN GmbH & CO KG, Hattingen diese engste Form der Kooperation vor, die Jahren rund 750.000 Euro jährlich an zu- • Kreissparkasse Freiberg das Unternehmen mit einer Hochschule sätzlichen Mitteln zu. Schon heute gehört • Ligmatech Automationssysteme GmbH eingehen kann. Die Partnerschaft vertieft die TU Bergakademie Freiberg mit ihren • Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH die bisherige Zusammenarbeit. So werden Forschungsthemen Energie, Umwelt, Geo & Co. KG, Hardheim gemeinsame Forschungsprojekte ausge- und Material/Werkstoffe aufgrund der • MgF Magnesium Flachprodukte baut sowie Nachwuchswissenschaftler ge- Drittmitteleinnahmen pro Professor zu den GmbH, Freiberg zielt gefördert. Ein „Center for Knowledge stärksten zehn Forschungsuniversitäten in • Mittal Steel GmbH Interchange“ (CKI), das Siemens an der TU Deutschland. • Mitteldeutsche Baustoffe GmbH Bergakademie Freiberg gründet, koordi- Firmen, welche die Kompetenzinitiative • MPA Dresden GmbH, Freiberg niert die Zusammenarbeit. Die Freiberger Nachhaltigkeit unterstützen: • Nickelhütte Aue GmbH Universität ist die sechste Hochschule in • ABB Automation GmbH Cottbus • Ortrander Eisenhütte GmbH Europa, an der der Konzern ein solches • ACTech GmbH • Polysius AG Zentrum gründet. „Um unsere Innovations- • Allgemeine Gold- und Silberscheide- • Qimonda Dresden GmbH & Co. OHG kraft auch weiterhin absichern zu können, anstalt AG, Pforzheim • Rasselstein GmbH, Andernach braucht Siemens begabte und engagierte • ALSTOM AG • REMONDIS Assets & Services GmbH & Studenten, Promovenden, Wissenschaftler • Anchor Lamina GmbH, Co. KG, Lünen und Ingenieure von Bildungseinrichtun- • Arcelor Eisenhüttenstadt GmbH • Rheinkalk GmbH, Wülfrath gen, die das Niveau in Wissenschaft und • Bayer Business Services GmbH, Lever- • ROMONTA GmbH, Amsdorf Technik mitbestimmen und vorantreiben kusen • RWE Power AG, Essen können“, erklärt Prof. Hubertus von De- • BGH Edelstahlwerke GmbH, Freital • Saarschmiede GmbH Freiform- witz, Leiter des Referats Forschungskoope- • Bharat Forge Aluminiumtechnik GmbH schmiede, Völklingen rationen bei Siemens. „Die strategische & Co. KG, Brand-Erbisdorf • Saint-Gobain C.R.E.E., Cavaillon Cedex, Partnerschaft der Siemens AG mit der TU • BHS Sonthofen GmbH Frankreich Bergakademie Freiberg verfolgt das Ziel, • C.D. Wälzholz GmbH & Co. KG, Hagen • Salzgitter Mannesmann Fo. GmbH Wissenschaftler und Ingenieure in unse- • CALDERYS Deutschland GmbH & Co. • SGL Carbon GmbH, Meitingen re Forschungs- und Entwicklungstätigkeit OHG • Siemens AG unmittelbar einzubinden. Dadurch kann • CeramTec AG Innovative Ceramic • Siemens Fuel Gasification Technology unsere Position auf dem Weltmarkt auch Engineering, Lauf a. d. Pegnitz GmbH, Freiberg weiterhin abgesichert, gehalten und auch • Choren Industries GmbH • Siemens VAI Metals Technologies ausgebaut werden.“ • Daimler Chrysler Forsch.-zentrum Ulm GmbH & Co, Linz/Österreich Bereits 2005 prüfte Siemens mit der • Deutsche Solar AG, Freiberg • Siltronic AG, Freiberg Bergakademie die Möglichkeiten einer • Deutsche Steinkohle AG, Herne • Siltronic AG, München Zusammenarbeit. Die Analyse ergab, dass • DIHAG Deutsche Giesserei- u. Indust- • Sparkasse Mittleres Erzgebirge, die strategischen Entwicklungslinien der rie-Holding AG, Essen Marienberg Universität mit langfristigen Forschungs- • Dobeneck-Technologie-Stiftung Planegg • Swiss Steel AG, Emmenbrück und Entwicklungsvorhaben der zwei für • ERCOSPLAN Ingenieurgesellschaft • ThyssenKrupp AG Siemens bedeutsamen Geschäftsbereiche Geotechnik und Bergbau mbH, Erfurt • ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg Automation and Control (A&C) sowie Po- • Fels-Werke GmbH, Goslar • Vallource & Mannesmann Tubes, wer Generation (PG) eine hohe inhaltliche • Freiberger Compound Materials GmbH Düsseldorf Übereinstimmung aufweisen. „Das gilt be- • G.E.O.S Freiberg Ingenieurgesellschaft • Vattenfall Europe Mining AG sonders für das Geschäftsgebiet Industri- mbH • Verein Deutscher Giessereifachleute al Solutions and Services (I&S), wo in den • GEOmontan Gesellschaft für ange- e. V., Düsseldorf Technologiefeldern ‚Mining‘, ‚Metals Tech- wandte Geologie mbH, Freiberg • VNG Verbundnetz Gas AG nologies‘ und ‚Water Technology‘ an der • Georgsmarienhütte Holding GmbH • Volkswagen Sachsen GmbH, Zwickau Universität exzellente Fachkollegen tätig • Gesellschaft für Montan-u. Bautechnik • Wagener GmbH & Co. KG, Stahldraht- sind sowie eine Labor- und Technikums- mbH (GMB), Senftenberg werk Altena ausrüstung modernster Art aufgebaut • GNS Gesellschaft für Nuklear-Service • WEIGL Aluminium Guss GmbH worden ist“, so Prof. von Dewitz. mbH • Wieland-Werke AG Auch auf dem Gebiet der Energiever- • Grube Teutschenthal Sicherungs • Zenker Consult, Mittweida fahrenstechnik ist die Freiberger Universi- GmbH & Co. KG • ZPF therm Maschinenbau GmbH, tät ein außerordentlich interessanter For- • HAVER & BOECKER OHG, Oelde Siegelsbach

14. Jahrgang 2007 9 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik Globaler Wandel und die Renais- sance des Nachhaltigkeitsprinzips Udo E. Simonis

Zum Begriff Nachhaltigkeit Naturschützer, Theoretiker und Praktiker, men durch die Besatzung von „Apollo 17“, Zukunftsplaner und Nicht-Regierungsor- avancierte schnell zum meistpublizierten Das Wort, so meint Ulrich Grober in einer ganisationen beigetragen haben. Einige Bild der Mediengeschichte. „Mitten im 20. Kleinen Begriffsgeschichte, gälte als sper- Beispiele: Jahrhundert sahen wir zum erstenmal un- rig: ‚Nachhaltigkeit‘ – ‚halten‘ und ‚nach‘ ‚Living Resource Conservation for Sus- seren Planeten aus dem Weltall …“, mit – irgendwie schwerfällig. Da sei nichts tainable Development‘, so hieß der Titel diesen Worten beginnt, 15 Jahre später von der Dynamik und Vitalität eingefan- der ,World Conservation Strategy‘ von 1980, (1987), der Brundtland-Bericht, der das gen, die man eigentlich meine. Das Wort einer Richtlinie für den weltweiten Natur- Konzept „sustainable development“ dann habe keine Ausstrahlung, die Menschen schutz, entworfen von einem international weltweit bekannt und populär machte. verstünden es nicht, würden eher verwirrt zusammengesetzten Gremium aus Wis- als animiert. Auch Politiker äußerten Un- senschaftlern und Umweltschützern, die Wurzeln im Forstwesen behagen an dem ‚schrecklichen Begriff‘ unter der Schirmherrschaft des UN-Gene- Die Verknüpfung des Verbs ‚sustain‘ (auf- (Jürgen Trittin). Ein unterschwelliges Un- ralsekretärs in 34 Ländern gleichzeitig vor- rechterhalten, tragen) und des Suffix ‚able‘ behagen habe sich hierzulande in den gestellt worden war. (fähig) mit dem dynamischen Begriff ‚de- Köpfen festgesetzt und bleibe gewiss Im Jahre 1974 war der Begriff ‚sustai- velopment‘ schien sprachliches Neuland nicht wirkungslos … nable‘ in einem Dokument des ‚Ökume- zu bedeuten. Doch das Modell für diese Es mag ja stimmen, dass ‚sustainable nischen Rates der Kirchen‘ verwendet Wortschöpfung, so wissen wir – und so development‘ authentischer klingt, eine worden, das unter dem Einfluss von Be- zeigt es Grober im Detail, – stammt aus der zukunftsfähige Entwicklung meint, und freiungstheologen aus dem Süden und Fachsprache des Forstwesens: ‚Sustainabi- so auch ins Deutsche hätte übersetzt wer- Schöpfungstheologen aus dem Norden lity‘ ist die Übernahme, Modifikation und den sollen (wie der Autor es bereits 1991 eine ,gerechte und nachhaltige Gesell- Erweiterung des international gebräuchli- vorschlug). Was allerdings die Suche nach schaft‘ (a just and sustainable society) chen Fachbegriffs ‚sustained yield forestry‘, einem anderen Begriff angeht, so ist der einforderte. nachhaltige Forstwirtschaft. Zug wohl abgefahren, insbesondere nach- Das Jahr der entscheidenden Initial- Das Konzept ‚sustained yield‘ beschrieb dem in Deutschland ein Rat für Nachhalti- zündung aber war das Jahr 1972, als dem William A. Duerr, ein amerikanischer Forst- ge Entwicklung (RNE) installiert und eine ‚Club of Rome‘ der bahnbrechende Be- wissenschaftler, im Jahre 1968 folgender- Nationale Nachhaltigkeitsstrategie formu- richt über die „Grenzen des Wachstums“ maßen: „To fulfill our obligations to our liert wurde. Doch nehmen wir – mit Ulrich vorgelegt wurde. Mit Hilfe von kyberneti- descendents and to stabilize our commu- Grober – einen Blick in die Begriffsge- schen Simulationsmodellen hatten Donel- nities, each generation should sustain its schichte, dann entfaltet der vermeintlich la Meadows und Mitarbeiter die Folgen resources at a high level and hand them sperrige Begriff seine eigene Aura. So wie von Bevölkerungswachstum, Ressourcen- along undiminished“. die Idee der Nachhaltigkeit beileibe nicht verbrauch und Umweltbelastung global Dies ist, kein Zweifel, eine markante Vor- nur eine Kopfgeburt ist, sondern in den hochgerechnet und bei der Beschreibung wegnahme der vorhin erwähnten Brundt- Kulturen der Welt vielfältige Wurzeln hat, eines angestrebten ‚Zustandes des globa- land-Formel. Das forstliche Konzept aber so ist das Wort ‚nachhaltig‘ keineswegs len Gleichgewichts‘ an zentraler Stelle das hat seinerseits eine lange, hoch interes- eine simple Übersetzung von ‚sustainab- Wort ‚sustainable‘ verwendet: sante Traditionslinie, – und, was Freiberg le‘. Nein, man kann vielmehr sagen, das „We are searching for a model output angeht, einen genius loci. deutsche Wort Nachhaltigkeit diente als that represents a world system that is (1.) Im Jahre 1713 (!) nämlich hatte Hanns Blaupause bei der modernen Prägung des sustainable without sudden and uncont- Carl von Carlowitz, unter August dem Star- ‚sustainable development‘! rollable collapse; and (2.) capable of satis- ken Oberberghauptmann und Leiter des Eine Entwicklung, „die den Bedürfnis- fying the material requirements of all its Sächsischen Oberbergamts in Freiberg, sen der heutigen Generation entspricht, people.“ Im Spätsommer desselben Jahres, ein Buch veröffentlicht mit dem Titel ‚Syl- ohne die Möglichkeiten künftiger Genera- 1972, stand auf der ersten UN-Umweltkon- vicultura Oeconomica‘. Gegen den Raub- tionen zu gefährden, die eigenen Bedürf- ferenz in Stockholm aber noch der Begriff bau am Wald setzt von Carlowitz darin die nisse zu befriedigen“, so hatte der sog. „ecodevelopment“ im Mittelpunkt der Dis- Regel, „dass man mit dem Holtz pfleglich Brundtland-Bericht von 1987, der zur Vor- kussion. umgehe.“ Man solle diese Ressource „mit bereitung des Erdgipfels 1992 in Rio de Eine starke Inspiration kam dann Ende Behutsamkeit“ nutzen, damit „eine Gleich- Janeiro diente, ‚sustainable development‘ 1972 aus dem Weltall, mit dem Satelliten- heit zwischen An- und Zuwachs und dem definiert und in den Blickpunkt gerückt. bild vom ‚Blauen Planeten‘, der Erde in Abtrieb des Holtzes erfolget“ und die Nut- Die Formierung dieses Konzepts lässt sich ihrer physischen Endlichkeit und Begren- zung „immerwährend“, „continuirlich“, und von hier aus über mehrere Vorstufen zu- zung, in ihrer Ganzheit, Schönheit und „perpetuirlich“ stattfinden könne. Diese rückverfolgen, wozu Naturforscher und Verletzlichkeit. Dieses Foto, aufgenom- Carlowitzsche Wortprägung setzte sich im

10 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Laufe des 18. Jahrhunderts im deutsch- sprachigen Raum allgemein durch. So plädierte der württembergische Forst- mann Wilhelm Gottfried Moser 1757 für eine „nachhaltige Wirtschaft mit unseren Wäldern“. Diese Forderung sei so „vernünf- tig, gerecht, klug und gesellschaftlich, je gewisser es ist, dass kein Mensch nur bloß für sich, sondern auch für andere und für die Nachkommenschaft lebe …“. Im Jahre 1816 hatte Heinrich Cotta in Tharandt die erste Forstakademie gegrün- det. Weitere Akademien folgten; so im Jah- re 1824 im französischen Nancy, wodurch unter anderem die Notwendigkeit einer Präzisierung der Begriffe entstand, um miteinander kommunizieren zu können. Einer der diesbezüglichen Kommunika- toren war der Schweizer Forstmeister Karl Albrecht Kasthofer, der um 1800 herum in Göttingen studiert hatte, und das – wie er sagte – ‚deutsche Kunstwort‘ übersetzte mit: ‚produit soutenu et égal d‘une forêt‘. Das französische Verb ‚soutenir‘ ist eine Ableitung des lateinischen ‚sustinere‘: auf- rechterhalten, stützen, tragen, bewahren, zurückhalten. Ähnlich wie Kasthofer ver- fuhr der Franzose Adolphe Parade, Absol- vent der Forstakademie Tharandt und spä- ter Professor in Nancy; er übersetzte ‚Nach- haltigkeit‘ im Jahre 1837 mit ‚production soutenu‘. Eine andere Ableitung von ‚sustinere‘ bildete im Verlauf des 19. Jahrhunderts dann die Grundlage für den englischen Begriff ‚sustained yield forestry‘ – Forstwirt- schaft mit dauerhaft aufrechterhaltenem, also nachhaltigem Ertrag.

Nachhaltigkeit – nur ein Modewort? Ein Modewort ist ‚Nachhaltigkeit‘ – kennt Titelblatt des Buches von Carlowitz „Sylvicultura Oeconomica“, Ausgabe ??? man diese Entstehungsgeschichte – also im Grunde genommen nicht. Und den- rausforderung zugleich. Es war damit ein Donella Meadows an den Club of Rome noch ist es notwendig darüber zu kom- Moment in die Welt gekommen, das ex- im Jahre 1972 die Grenzen des Wachstums munizieren, was seine eigentliche Subs- trem weitreichend ist: noch primär in der Ressourcenfunktion der tanz ausmacht. • Beim Thema Nachhaltigkeit geht es Natur sah, stellte der zweite Bericht 1992 Der Bruch mit nicht-nachhaltigen Prak- nicht mehr nur um sorgfältige Nutzung die Senkenfunktion in den Blickpunkt – tiken erfordert nämlich ein radikales und und Erhaltung einer an und für sich er- was sich sehr gezielt im englischen Titel zugleich komplexes Denken: über die Na- neuerbaren Ressource (des Waldes). des Buches: „Beyond the Limits“, allerdings turvoraussetzungen des Wirtschaftens, • Es geht auch um den sparsamen Um- nicht so sehr in dessen deutscher Über- über den Umgang mit Raum und Zeit, gang mit den knapper werdenden, in setzung niederschlug, der schlicht „Die über die Reproduktionspotenziale der Na- menschlichen Zeiträumen sich nicht er- neuen Grenzen des Wachstums“ hieß. Vor tur, über neue Wohlstandsmodelle wie neuernden Ressourcen. wenigen Monaten ist nun eine Ergänzung über zukunftsfähige Bilder eines guten Le- • Und es geht um die Senkenfunktion der und Aktualisierung erschienen, in Deutsch: bens. Holistisches und dynamisches Den- Natur (und dabei auch des Waldes), um „Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Up- ken ist gefragt und dies zumindest dürfte das Erkennen und Respektieren der be- date“ (2006), in dem der Begriff „Overshoot“ – wie Ulrich Grober mit Recht anmerkt – grenzten Absorptionsfähigkeit und Be- (Grenzüberschreitungen) im Mittelpunkt eigentlich nichts „Sperriges“ sein. lastbarkeit der natürlichen Ökosysteme. steht. Wir haben, auch wenn noch nicht Die internationale Etablierung des alle das so sehen wollen, vielfach Grenzen Nachhaltigkeitskonzepts 1992 in Rio de Globaler Wandel und Nachhaltigkeit überschritten. Bei der Zerstörung der stra- Janeiro war ein großer Wurf und eine He- Während der erste Bericht des Teams um tosphärischen Ozonschicht war dies auf

14. Jahrgang 2007 11 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

Basis starker wissenschaftlicher Evidenz unbestreitbar – und es kam relativ schnell zu einem internationalen Konsens: Han- deln ist dringend erforderlich! Das geschah 1987 mit dem „Montrealer Protokoll“. Den- noch: Vor wenigen Wochen wurde gemel- det, dass das Ozonloch über der Antarktis so groß sei wie nie. Auch die Änderung des Klimas ist voll im Gange. Dies als Grenzüberschreitung zu erkennen und zu akzeptieren, fällt hin- gegen schwerer – und gleich aus mehre- Signum von ren Gründen: Weil die Anpassung an den Carlowitz, Klimawandel wie seine Verlangsamung, Schreiber- anders als beim Ozonproblem, die Um- hand strukturierung der gesamten Wirtschaft und die grundsätzliche, nicht nur partiel- schreitung. Weniger bekannt – und gesell- das Thema Nachhaltigkeit auf die Tages- le Änderung unseres Lebensstils erfordert, schaftlich, wissenschaftlich und politisch ordnung: wurden und werden allseits und überall wenig diskutiert – sind dagegen die Pro- • in der „Rio-Deklaration“, Denk- und Handlungsblockaden errichtet zesse, welche die anderen Umweltmedien • in der „AGENDA 21“ und – insbesondere die Denkblockade, alles betreffen, insbesondere die Böden und • durch mehrere völkerrechtlich binden- sei machbar, substituierbar; insbesondere das Wasser. Die für die Ernährung der de Verträge. die Handlungsblockade, Trittbrettfahren sei heute und morgen lebenden Menschen Das Prinzip der „Prävention“, das Vorsor- billiger als einen Fahrschein zu kaufen. erforderlichen Böden gehen quantitativ geprinzip, kam aus der Ecke der Rechts- Dabei ist die Grenzüberschreitung in wie qualitativ in großem Umfang verloren. experten heraus, und das von Hans Jo- Bezug auf das Klimasystem in vielen Do- Und wegen des Bevölkerungswachstums, nas schon früh propagierte Prinzip der kumenten festgehalten: Artikel 2 der Kli- der Zunahme der Bewässerungslandwirt- „Verantwortung“ erhielt eine eigene Prä- marahmenkonvention postuliert die „... schaft und der weiteren Industrialisie- gung: In der Rio-Deklaration und in allen Stabilisierung der Treibhausgaskonzentra- rung sinkt die Pro-Kopf-Verfügbarkeit an Rio-Dokumenten findet sich der Hinweis tion in der Atmosphäre auf einem Niveau, Süßwasser in vielen Ländern und Regio- auf die „gemeinsame, aber differenzierte auf dem eine gefährliche anthropoge- nen der Erde unter die kritischen Gren- Verantwortung“ (common, but differen- ne Störung des Klimasystems vermieden zen: Wasserstress nimmt zu und absolu- tiated responsibility), womit eine Antwort wird“. Im logischen Umkehrschluss bedeu- te Wasserknappheit bedroht zunehmend auf zwei Tatbestände zu geben versucht tet dies: Eine Störung des Klimasystems ist mehr Menschen. wurde: angesichts unserer Emissionsdynamik Über das Ozonloch und die Klimaän- (a) die historische Verursachung der nicht mehr zu verhindern – nur gefährlich derung wird immer wieder berichtet und heutigen Probleme (oder, wie Klaus Töp- soll sie nicht werden … zum Teil auch intensiv diskutiert. Dagegen fer sagen würde: unsere „ökologische Wenn das Intergovernmental Panel haben die anderen Aspekte des Globalen Schuld“) und on Climate Change (IPCC) in seinem 3. Wandels, von ersten Verständigungsversu- (b) die unterschiedlichen Fähigkeiten Sachstandsbericht von einer durchschnitt- chen abgesehen, noch nicht zu nennens- der Staaten und Gesellschaften, auf öko- lichen Erhöhung der Erdtemperatur bis werten Anstrengungen einer international logische Herausforderungen eingehen, d. h. zum Jahre 2100 von 1,4 bis 5,8 ˚Celsius abgestimmten Politikformulierung geführt: präventiv und/oder reaktiv handeln zu kön- ausgeht, dann mag strittig sein, ob +1,4 eine globale Bodenpolitik (Ausnahme nen. ˚Celsius schon gefährlich sind. Nicht strit- Wüstenbildung) gibt es bisher nicht, eine Die AGENDA 21 war ein ausgefeiltes, tig darf sein, dass +5,8 ˚Celsius eine wahre globale Wasserpolitik ist erst im Entstehen, umfassendes, vielleicht zu anspruchsvol- Katastrophe wäre. (Angesichts der Vielfalt andere globale Umweltpolitiken sind noch les Aktionsprogramm für die Welt, das alle der Auswirkungen des Klimawandels auf in rudimentärem Zustand. relevanten Ansatzpunkte für Reformen die natürlichen, die ökonomischen und von Wirtschaft und Gesellschaft enthält die politischen Systeme hätte ich hier ei- und ein weiteres Prinzip in den Blickpunkt gentlich den Plural – Katastrophen – ver- Nachhaltigkeitspolitik stellte: das der „Partizipation“. wenden müssen!). auf der internationalen Ebene Viele sagen, die AGENDA 21 sei ge- Dass das Meadows-Team mit seiner scheitert. Das muss man jedoch etwas These vom „Overshoot“ auch in Bezug Die UN-Konferenz von Rio de Janeiro 1992 differenzierter sehen: In unzähligen Ge- auf die biologische Vielfalt, den Gletscher- hat ein „Moment in die Welt gebracht, das meinden wurde AGENDA 21 zu einem schwund, die Zerstörung der Korallenriffe extrem weitreichend ist“ – so eine Formu- belebenden Moment der lokalen Demo- und anderes mehr jeden Tag neu bestätigt lierung von vorhin, was vielleicht, wie spä- kratie. In Deutschland, in Europa, auch in wird, dürfte den meisten Lesern dieses Tex- ter zu resümieren sein mag, eine Wunsch- Teilen Asiens wurden viele Initiativen an- tes bekannt sein. Jeder menschliche Ein- Formulierung war. gestoßen, die dem Thema Nachhaltigkeit griff in die Natur, jede Belastung der Natur Fangen wir daher von vorne an: Die eine eigene, wenn auch unterschiedliche durch den Menschen, der/die zum Aus- Konferenz von Rio, die unter dem Titel Figur gaben. In Regionen und Ländern je- sterben einer Art führt, ist eine Grenzüber- „Umwelt und Entwicklung“ stand, brachte doch, wo es vor allem um Entwicklungsin-

12 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg itiativen hätte gehen müssen, wie in Afrika EU mit ihrem „REACH-Programm“ 30.000 Beitrag zum Klimaschutz … im Besonderen, blieb das Potenzial dieses chemische Stoffe regulieren will, sei gleich Dieser Überblick über den Globalen Aktionsprogramms weitgehend unge- angefügt, wie aber auch die Vermutung, Wandel und die bisherigen Ansätze und nutzt. Und in Regionen und Ländern, wo dass dies, wegen methodischer Schwierig- Fortschritte einer Nachhaltigkeitspolitik es vor allem um Umweltschutzinitiativen keiten und allseitiger, interessengeleiteter auf der internationalen Ebene darf nicht hätte gehen müssen, wie insbesondere in Widerstände, nicht gelingen könnte. enden ohne Hinweis auf einige institutio- den USA, blieb die AGENDA 21 völlig un- Dass nach dem Anstoß in Rio zwei nelle Innovationen: bekannt. (Nebenbei gesagt: Fast alles, was andere internationale Übereinkommen Die UN-Konferenz in Stockholm 1972 von den Vereinten Nationen kommt, wird nicht auf den Weg gebracht worden sind, hatte zur Einrichtung des „UN-Umweltpro- von den meisten US-Amerikanern miss- eine Wasser-Konvention und eine Boden- gramms“ (UNEP) geführt, eines Nebenor- trauisch betrachtet oder als unangemes- schutz-Konvention, erwähnte ich bereits. gans der UN-Generalversammlung. sene Einmischung in innere Angelegen- Persönlich empfinde ich dies als gravie- Mit dem „Montreal Protokoll“ kam es heiten abgelehnt). rendes Defizit, nicht nur aus dem Blick- 1987 zur Einrichtung des „Multilateralen Was die internationalen Regelwerke, winkel der Politik-Systematik im Allge- Ozon-Fonds“ (MOF), eines Konversions- die völkerrechtlich bindenden Verträge meinen, sondern auch der notwendigen programms, das den Ausstieg aus der Pro- zum Schutz globaler Umweltgüter an- Kohärenz der globalen Umwelt- und Ent- duktion und der Verwendung von Fluor- geht, so war Rio 1992 gewiss ein Meilen- wicklungspolitik im Besonderen. chlorkohlenwasserstoffen (FCKW) weltweit stein der Politik-Formulierung, weniger je- Defizite im politischen Umgang mit auf den Weg gebracht hat, auch wenn das doch der Politik-Implementierung: Als Ers- dem Globalen Wandel bestehen indes Ozonloch – wegen der Langlebigkeit der tes trat die „Biodiversitäts-Konvention“ in auch noch in einem anderen Sinne: Die FCKW und Halone – zurzeit so groß ist Kraft (1993), ein hochinnovativer Ansatz, genannten Konventionen sind allgemeine wie nie zuvor. der erstmals in der Geschichte Regelwerke, die der Spezifizierung bedür- Auf Initiative von Präsident Mitterand • den Schutz der biologischen Vielfalt, fen, was und Kanzler Kohl kam es im Jahre 1990 • die nachhaltige Nutzung ihrer Bestand- • die Bestimmung quantitativer Ziele und zur Einrichtung der „Globalen Umwelt-Fa- teile und fester Zeiträume, zilität“ (Global Environment Facility – GEF), • die gerechte Aufteilung der sich aus der • die Vereinbarung von Instrumenten und jedoch nur als Abwehr eines von den Ent- Nutzung ergebenden Vorteile Maßnahmen und wicklungsländern geforderten Allgemei- vorsieht. In allen Rio-Konventionen taucht, • die Schaffung von institutionell-organi- nen Umweltfonds. Die GEF wurde 1994 an keiner Stelle aber deutlicher als hier, satorischen Grundlagen auf Drängen der Entwicklungsländer zu die Frage der Gerechtigkeit auf, die sich angeht, die in Form von Umsetzungspro- einem paritätisch besetzten Gremium re- in der Brundtland-Definition ja sowohl tokollen zu beschließen wären. Für die formiert, in dem beide Seiten – Indust- als intra-generative (soziale) wie auch als „Biodiversitäts-Konvention“ beispielsweise rieländer wie Entwicklungsländer – ein inter-generative (zukunftsbezogene) Ge- sind drei solcher Protokolle im Gespräch, Gruppenvetorecht haben, also nicht, wie rechtigkeit verstehen lässt. doch nur eines, das zur „Biosafety“ (bio- bei Weltbank und Währungsfonds, über- In hohem Maße interessant für das logische Sicherheit) wurde bisher auch stimmt werden können. Thema Nachhaltigkeit ist auch, weil eher erarbeitet und unterzeichnet (das „Carta- Mit dem „Kyoto Protokoll“ wurden der unerwartet, die „Desertifikations-Konven- gena Protokoll“). Ein Protokoll zum Schutz „Clean Development Mechanism“ (CDM) tion“ (auch Wüsten-Konvention genannt), der Wälder im Rahmen der Biodiversitäts- und der „Joint Implementation Mecha- die 1994 gezeichnet wurde und 1996 in Konvention wäre grundsätzlich möglich, nism“ (JI) etabliert, potenziell wichtige In- Kraft trat. Interessant vor allem aus zwei ist aber strittig. Ein solches zum Schutz strumente zur Durchführung nachhalti- Gründen: Der Norden, die Industrielän- der Küstenregionen ist angedacht, aber ger Projekte in Entwicklungsländern bzw. der sehen sich als mitverantwortlich für erst ansatzweise formuliert. anderen Industrieländern. Dagegen ist es ein Problem, die Wüstenausbreitung, das Unter der „Klimarahmen-Konvention“ weiterhin offen, ob der Emissionszertifika- sie – von Spanien abgesehen – gar nicht wurde bisher nur ein Protokoll erarbeitet, te-Handel („Emissions Trading“) so ausge- direkt betrifft. Außerdem sieht die Kon- das „Kyoto Protokoll“, das im Jahre 1987 ge- staltet werden kann, dass er sowohl einen vention aktive Partizipationsrechte für die zeichnet wurde und 2005 in Kraft getreten effektiven Klimaschutz als auch eine um- lokale Bevölkerung vor, die man sich für ist, aber zunächst nur bis 2012 gilt. Was weltfreundliche Entwicklung begünstigen andere internationale Verträge nur wün- kommt nach 2012? Wird es ein „Kyoto II“ wird – ein großes Thema, auf das ich hier schen kann. geben und woraus wird es bestehen? leider nicht näher eingehen kann. Ein verspätetes und kein direktes Er- Doch zurück zu der Frage: Ist das „Kyoto gebnis von Rio 1992 ist die „Chemikalien- Protokoll“ ein Beitrag zur Nachhaltigkeit? Konvention“, die im Jahre 2000 in Stock- Ja und Nein. Ja, weil es den Einstieg in eine Nachhaltigkeitspolitik holm unterzeichnet wurde und 2003 in Reduzierungsstrategie für 6 Treibhausga- auf der nationalen Ebene Kraft trat. Diese sog. POP-Konvention (für: se markiert. Nein, weil es jeder Radikalität persistent organic pollutants) betrifft aller- und Stringenz entbehrt: nur 5,2 % Emissi- Auch wenn es nicht eigentlich zum gestell- dings nicht alle gefährlichen Chemikalien, onsreduzierung bis 2012 angesichts einer ten Thema gehört, muss ich doch etwas sondern (vorläufig) nur das sog. dirty do- Reduktionserfordernis von 80 bis 90 % bis zur Nachhaltigkeitspolitik in Deutschland zen, das „Schmutzige Dutzend“. Das Rin- 2050 in den Industrieländern; „heiße Luft“ sagen, auch und besonders deswegen, gen um diese Zahl wie aber auch um die beim Handel mit Emissionszertifikaten weil der internationale Diskurs zum Glo- Eingriffstiefe des Regelwerks, war entspre- und Unklarheiten bei der Anerkennung balen Wandel ja auf die nationale Ebene chend heftig und zeitraubend. Dass die und Anrechnung natürlicher Senken als zurückwirkt, und weil die heimischen Ak-

14. Jahrgang 2007 13 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik tivitäten natürlich Auswirkungen auf die • „Stern Review on the Economics of Cli- der globalen Ebene erst noch verstetigt, internationale Ebene haben. Hierzu aller- mate Change“ von 2006 zum Teil ganz neu inszeniert werden. Ich dings nur einige Stichworte: • „GEO 1“, „GEO 2“ und „GEO 3“ (Global nannte schon einige Projekte, meine per- • Lokale Agenda 21-Prozesse: Sie sind Environment Outlook, 1997, 1999, 2002) sönlichen Prioritäten: zahlreich; unterschiedlich; unterschied- des UN-Umweltprogramms. • die Reaktivierung der AGENDA 21, lich erfolgreich. GEO 3 fordert das mir gestellte Thema in • die Umsetzung der ausgehandelten in- • Nationale Nachhaltigkeitsstrategie: Ei- besonders provozierender Weise ein. Zur ternationalen Konventionen, nen nationalen Umweltplan hat es, an- Einhegung des Globalen Wandels seien • die Schließung der Lücken, die in Be- ders als bei unseren Nachbarn in Hol- grundsätzlich drei Politik-Zukünfte möglich: zug auf einen Teil der globalen Umwelt- land und Skandinavien, nicht gegeben; (1) Eine neoliberale Politik des „Markets güter noch bestehen: bei Wasser, den da steht unsere Geschichte vor. Also first“; (2) eine aus Einsichten der Global Böden und den Wäldern. kam es zu einer Nachhaltigkeitsstrate- governance-Debatte und als Teil-Antwort Für Teilbereiche sind Vorschläge ausgear- gie, die von einem sog. Grünen Kabinett auf die ökonomische Globalisierung be- beitet worden, für Teilfragen sind Vorschlä- (auf Staatssekretärsebene) angestoßen gründete „Policy first“-Strategie und (3) ge im Gespräch, so für die Rolle erneu- wurde und vom Rat für Nachhaltige eine durch die Ereignisse des 11. Septem- erbarer Energien, insbesondere seit der Entwicklung (RNE) kritisch-konstruktiv ber 2001 geprägte Politik des „Security Renewables-Konferenz in Bonn 2004 und begleitet wird. first“. Aber müsste es nicht, angesichts al- für die Sicherung der Wasserversorgung, Meine persönliche Einschätzung: Eine ler in diesem Bericht (und in den anderen insbesondere seit der Johannesburg-Kon- Nachhaltigkeitsstrategie im strikten Sinne Berichten) konstatierten Umweltprobleme ferenz von 2002 und der Europäischen des Erhalts der erneuerbaren Ressourcen, eigentlich um eine vierte Politik-Zukunft Wasser-Initiative. der Reduzierung des Verbrauchs nicht-er- gehen, um (4) ein „Sustainability first“? Altbundespräsident Johannes Rau hat neuerbarer Ressourcen und der Stabilisie- GEO 3 legt es nahe, ich stelle es hier als sich in der ihm eigenen, menschlich ver- rung der Senkenfunktionen der Natur ist schlichte Frage: Wer will „Sustainabili- bindlichen Art für besseren Natur- und es nicht geworden. Es ist eher eine clever ty first“? Wollen wir alle eine Politik der Umweltschutz stark gemacht. Die Bundes- verpackte Modernisierungsstrategie. Nur „Nachhaltigkeit zuerst“? regierung will sich für den Vorschlag des sieben der insgesamt verwendeten 21 In- Nun, ich will nicht provozieren. Ich Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) dikatoren könnte ich als Nachhaltigkeitsin- möchte mich lieber hinter eine wissen- stark machen, eine „Weltkommission für dikatoren akzeptieren. Mit der Erfolgskon- schaftlich-reservierte, aber doch auch en- Globalisierung und Nachhaltigkeit“ einzu- trolle von 21 Indikatoren wird man auch gagierte Position stellen, wie sie in Deutsch- setzen. Das könnten in der Tat Anlässe und methodisch-statistische Schwierigkeiten land seit nunmehr 14 Jahren der „Wissen- Ansatzpunkte sein, unserem Thema neue bekommen. Doch immerhin: Regelmäßi- schaftliche Beirat der Bundesregierung Dynamik zu verleihen. Persönlich hätte ge Evaluation und aktive Partizipation der Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) ich jedoch eine andere Priorität anzubie- Bevölkerung sind vorgesehen – und auch vertritt: disziplinär abgesicherte, interdis- ten, an der seit Jahren gearbeitet worden im Gange. Besonders zu erwähnen für die ziplinär orientierte, international ausge- ist, die aber bisher nicht das Interesse der nationale Debatte sind des Weiteren richtete und handlungsbezogene Wissen- Politik gefunden hat: die Einrichtung einer • die BUND/Misereor-Berichte „Zukunfts- schaft. Jedes Jahr seit 1992 wird – wenn „Weltumwelt- und Entwicklungsorganisati- fähiges Deutschland“ 1996 und 2002; auch kaum von der Öffentlichkeit bemerkt on“ (World Environment and Development • die UBA-Berichte „Nachhaltiges Deutsch- – ein bedeutendes Gutachten zum Thema Organisation – WEDO). Alle, die darüber land“ von 1997 und 2002 sowie „Globaler Wandel und nachhaltige Ent- nachgedacht haben, alle die darüber dis- • mehrere kommunale und regionale Be- wicklung“ vorgelegt, das der großen ge- kutieren, wissen es; die umweltpolitische richte (wie z.B. „Zukunftsfähiges Berlin“, sellschaftlichen Debatte bedarf, auch der Kompetenz auf der globalen Ebene ist zu „Nachhaltiges Hamburg“, „Zukunftsfä- Debatte an unseren Hochschulen, beson- schwach ausgeprägt: higes Schleswig-Holstein“) ders jetzt, da die Entscheidung von Deut- • UNEP ist ein Programm, aber keine Or- scher Forschungsgemeinschaft (DFG) und ganisation und schon gar keine Behör- Wissenschaftsrat vom 13. Oktober 2006 zu de der Vereinten Nationen (wie viele Nachhaltigkeit und so genannten Eliteuniversitäten, Gradu- Leute fälschlicherweise meinen); die Wissenschaft iertenschulen und Exzellenzclustern den • es mangelt an Koordination und Koope- Globalen Wandel völlig negiert und so ein ration der internationalen umwelt- und Ich erwähnte eingangs schon einige der – wie ich meine – intellektuelles Versagen entwicklungsrelevanten Institutionen; epoche-machenden historischen Beiträge erster Klasse decouvriert hat. • die globalen ökonomischen Interessen der Wissenschaft, die Berichte von Donella dominieren – und sie sind gut organi- Meadows et al. von 1972, 1992 und 2004 siert … (2006) und den Brundtland-Bericht von Wie geht es weiter? Weil es eine Weltbank (WB) und eine 1987. Es hat weitere bedeutende Beiträge Ein Wunsch und eine Hoffnung Welthandelsorganisation (WTO) gibt, soll- gegeben, aus der Wissenschaft, aber auch te es auch eine Weltumweltorganisation aus unterschiedlichen Formen der Koope- Nachhaltige Entwicklung ist ein Prozess, (WEDO) geben – Parität muss her; das ration, z. B. die regelmäßigen Berichte: kein Einmal-Ereignis. Doch dieser Prozess ist angesichts der Dynamik des Globalen • „World Resources“ des World Resources braucht immer wieder besondere Anstö- Wandels institutionell-organisatorisch ge- Institute ße. Was auf der lokalen und nationalen sehen das Mindeste. • „State of the World“ des Worldwatch- Ebene teils in etablierten, teils in sponta- Nun bin ich also bei den Wünschen Institute nen Strukturen diskutiert wird, muss auf angekommen. Zwischen Wunsch und

14 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Wirklichkeit bestehen oft große Diskre- wir sollten grundsätzlich ungeduldig sein, strengungen unternehmen. Wir müssen panzen. Solche Diskrepanzen aber las- aber auch, wenn nötig, Geduld haben. nämlich auf dem Weg zur Nachhaltigkeit sen sich überwinden. Und hier fällt mir Wir sollten uns mehr anstrengen, uns weiter vorankommen, auf der lokalen und Arthur Schopenhauers „Gesetz des Glücks größeren Mühen um Nachhaltigkeit un- nationalen, aber auch auf der internatio- und der Zufriedenheit“ ein: „Um glücklich terziehen – und zwar auf allen Ebenen. nalen Ebene. zu sein und zufrieden zu bleiben, hast Hierbei setze ich natürlich auch auf Dem Verein der Freunde und Förderer Du zwei Möglichkeiten: Senke Deine Er- die heutige Veranstaltung und den histo- der Technischen Universität Bergakademie wartungen oder steigere Deine Anstren- rischen Ort, an dem wir versammelt sind. Freiberg gelten mein Dank für die bisheri- gungen!“ Damit das Thema Nachhaltig- Wer so viele Jahre direkt oder aber indirekt ge und meine guten Wünsche für die zu- keit nicht weiter verschleppt wird, bietet am Thema Nachhaltigkeit dran war, wie künftige Arbeit. des Philosophen Weitsicht zwei konkrete viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Handlungsanleitungen: Wir sollten uns Bergakademie Freiberg, wird nicht leicht Literaturangaben zu diesem Beitrag unter: von unrealistischen Erwartungen trennen; aufgeben, wird immer wieder neue An- http://www.tu-freiberg.de/~vff/ „Energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe“ 13. Internationale Fachtagung am 6. und 7. September 2007 in Freiberg

Zum 13. Mal fand an der TU Bergaka- Grußwort auf die aktuelle Bedeutung der Die Themen der 15 Fachvorträge reich- demie die internationale Fachtagung zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe ein. ten von den gesetzlichen Rahmenbedin- energetischen Nutzung nachwachsender Besonderes Augenmerk richtete der Minis- gungen für die Stromerzeugung aus Bio- Rohstoffe statt. Diese wird traditionell vom ter auf die Thematik Biomasse: „Mittelsach- masse, aktuell: die bevorstehende Novel- Institut für Wärmetechnik und Thermody- sen ist ein Zentrum für die Forschung und lierung des EEG (Jaqueline Daniel vom namik der TU Bergakademie Freiberg und Produktion nachwachsender Rohstoffe und Institut für Energetik und Umwelt gGmbH seinen langjährigen Partnern, dem Säch- deren wirtschaftlichen Einsatz.“ Vor allem in Leipzig) über die Möglichkeiten der Bio- sischen Staatsministerium für Umwelt und Biomasse zeichne sich dadurch aus, dass massegewinnung, sei es aus Kleinprivat- Landwirtschaft, dem Institut für Internatio- sie nachhaltig produziert und durch sie wäldern (mit einem überaus engagierten nale Forst- und Holzwirtschaft der TU Dres- auch eine Wertschöpfung im ländlichen Vortrag von Forstdirektor Jörn Uth) oder den, dem Leibniz-Institut für Agrartechnik Raum gesichert werden kann. von schwermetallbelasteten Flächen (Dr. Potsdam-Bornim e. V. sowie der Thüringer In den Plenarvorträgen sprachen Chris- Christian Röhricht, Sächsische Landes- Landesanstalt für Landwirtschaft unter der tian Virks, Bundesministerium für Ernäh- anstalt für Landwirtschaft) bis zum Ein- Schirmherrschaft des Sächsischen Staats- rung, Landwirtschaft und Verbraucher- satz von Biomasse, beispielsweise für Ge- ministers für Umwelt und Landwirtschaft schutz zu Stand und Tendenzen der ener- wächshäuser (Roy Michael, HolSo Therm veranstaltet. Prof. Dimosthenis Trimis vom getischen Nutzung nachwachsender Roh- GmbH aus Kölleda) oder für kommunale Institut für Wärmetechnik und Thermo- stoffe aus der Sicht des BMELV und Daniel Heizungen (Prof. Ivan Pesenjanski, Univer- dynamik der TU Bergakademie Freiberg Gellner, Leiter der Sächsischen Landes- sität Novi Sad in Serbien). fungierte als Tagungsleiter. Der Sächsi- anstalt für Landwirtschaft, über die Bio- Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt vie- sche Staatsminister für Umwelt und Land- massepotenziale im Freistaat Sachsen und ler Vorträge lag auf den vielfältigen Mög- wirtschaft Stanislaw Tillich ging in seinem Möglichkeiten zu deren Nutzung. lichkeiten der Aufbereitung bzw. Umwand- lung von Biomasse zu einem komfortabel einsetzbaren Energieträger, wie z. B. die Vergasung von Biomasse und Einsatz des Gases im BHKW (Dr. Tobias Zschunke, In- stitut für Thermodynamik und Technische Gebäudeausrüstung der TU Dresden) oder die Aufbereitung teerhaltiger Brenngase (Dorith Böhning vom Institut für Energie- technik der TU Dresden) oder der Einsatz von Schwachgasen aus der Biomassever- gasung in speziellen Porenbrennern (Prof. Dimosthenis Trimis). Eine tagungsbegleitende Poster- und Firmenpräsentation gab den Teilnehmern die Gelegenheit, ihre Produkte und Tä- tigkeitsschwerpunkte dem interessierten Fachpublikum vorzustellen. Ergänzt wur- de das zweitägige Programm durch eine Fachexkursion in das Ökozentrum Nossen bei Freiberg am 7. September. Firmenpräsentation zur Tagung Saskia Wesolowski

14. Jahrgang 2007 15 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

6 CO2 + 6 H2O + Lichtenergie → C H O (Glukose) + 6 O Der globale CO2-Kreislauf 6 12 6 2 Pflanzen als sogenannte Primärprodu-

zenten assimilieren jedoch nicht nur CO2 aus ökologischer Sicht tagsüber in ihren Chlorophyll-(Blattgrün-) Hermann Heilmeier haltigen Organen (weltweit ca. 10 11 Ton- nen pro Jahr, Ricklefs & Miller 2000). Viel- Das Jahr 2007 bringt zwei zehnjährige minderung z. B. in den Sektoren Ener- mehr geben diese in der Dunkelheit, ge- Jubiläen mit sich, die neben der zeitli- gie, Industrie, Landwirtschaft und Ab- nauso wie durchgehend die nicht-grünen chen eine enge inhaltliche Verknüpfung fallbehandlung Pflanzenteile und die Tiere sowie Mikroor- aufweisen: am 18. Juni 1997 wurde in ei- • Förderung biologischer Senken im Forst ganismen in der gegenläufigen Reaktion nem Festakt im Stadttheater Freiberg das (Aufforstung, Vermeidung von Rodun- (Atmung) den in den photosynthetisch Interdisziplinäre Ökologische Zentrum als gen) und emissionsmindernde Maß- erzeugten Produkten festgelegten Koh- zentrale Einrichtung der Technischen Uni- nahmen in der Landwirtschaft lenstoff wieder als CO2 an die Atmo- bzw. versität Bergakademie Freiberg gegründet, • Handel von Emissionszertifikaten zwi- Hydrosphäre ab. Derjenige Anteil des von dessen Aufgabe es ist, die umweltbezo- schen den Industrieländern als finanzi- den Pflanzen photosynthetisch fixierten gene Forschung an der Universität zu eller Anreiz, Emissionen zu reduzieren Kohlenstoffs, der nicht veratmet wird (ca. fördern, zu initiieren und zu koordinieren. und den Quotenüberschuss an Länder die Hälfte der gesamten C-Bindung), kann Dazu gehören auch ein nachhaltiger Um- zu verkaufen, die noch keine Emissi- zunächst pflanzliche Biomasse (C-Gehalt gang mit Ressourcen und das Wirtschaf- onssenkung erreichen konnten der Trockensubstanz ca. 46 bis 50%) mit ten in geschlossenen Stoffkreisläufen. • Projekte von Industriestaaten in Ent- unterschiedlicher Lebensdauer (wenige Auf globaler Ebene sind diese Ziele unter wicklungsländern zur Emissionsreduk- Tage bis mehrere Tausend Jahre) bilden anderem im sogenannten Kyoto-Protokoll tion (z. B. durch erhöhte Effizienz der (Sitte et al. 2002). Beim Absterben der festgeschrieben, das am 11. Dezember Energienutzung) bzw. zur Erhöhung Pflanzen bzw. Abwurf einzelner Pflanzen-

1997 als ein Ergebnis von Verhandlungen der Kapazität von CO2-Senken (z. B. im teile gehen diese jedoch in die Zersetzer- unter dem Dach der Klimarahmenkon- Bereich der Land- und Forstwirtschaft), kette ein, in der die mikrobiellen Bakterien vention der Konferenz der Vereinten Nati- die von einem Industrieland finanziert und Pilze die organische Substanz wieder onen für Umwelt und Entwicklung von Rio werden, aber auch dem Entwicklungs- vollständig zu CO2 zersetzen. Somit wird de Janeiro (1992) verabschiedet wurde. Das land nützen (clean development me- zumindest prinzipiell durch die Respira-

Kyoto-Protokoll regelt verbindlich, wie von chanism). Die dadurch bewirkte CO2- tion annähernd so viel C freigesetzt wie 2008 bis 2012 die Emissionen der sechs Verminderung würde dem Industrie- durch die Photosynthese fixiert wurde. Al- wichtigsten Treibhausgase Kohlendioxid land gutgeschrieben. lerdings hängen die Photosynthese- und

(CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O) und be- Somit werden durch das Kyoto-Protokoll Respirationsraten und damit die Primär- stimmte Gruppen von Fluor-Kohlenwasser- erstmals nicht nur technisch-industrielle produktion und die Zersetzung, also die stoffen (FCKWs) global um etwa 5% unter Maßnahmen zur Erfüllung der Reduk- Geschwindigkeit des C-Kreislaufs in Öko- das Niveau von 1990 gesenkt werden sol- tionsverpflichtungen erwogen, sondern systemen von einer Reihe von Faktoren len. Der folgende Beitrag soll am Beispiel auch die Schaffung neuer biologischer und Prozessen ab, vor allem von Tempera- des globalen CO2-Kreislaufs eine kritische Senken, um einen Teil der industriellen tur und Wasserverfügbarkeit.

Bewertung der im Kyoto-Protokoll vorgese- CO2-Emissionen zu kompensieren. Wie henen Maßnahmen aus biologisch-ökolo- im folgenden dargestellt, beträgt die Re- Kohlenstoffumsatz und gischer Sicht ermöglichen. duktionsverpflichtung um 5,2 % nur einen Biomasseproduktion in Ökosystemen Bruchteil der natürlichen Kohlenstoffflüs- Die Bestimmung des Kohlenstoffumsatzes

Im Kyoto-Protokoll vorgesehene se von CO2-Assimilation und Atmung. So- bzw. der Biomasseproduktion in Ökosyste- Maßnahmen zur globalen Senkung mit stellt sich die Frage, ob eine geringe men ist alles andere als trivial, da neben klimawirksamer Emissionen Verschiebung dieser Flüsse einen großen den Atmungsverlusten ein beträchtlicher Die im Kyoto-Protokoll eingegangenen Teil der Reduktionsverpflichtungen ermög- Teil des photosynthetisch fixierten Koh- Verpflichtungen sind global nicht gleich- lichen könnte. lenstoffs einem ständigen Umsatz (Le- mäßig verteilt. Insgesamt sind nur für bensdauer von Feinwurzeln gemäßigter 30 Staaten (sogenannte Annex-I-Staaten; Photosynthese und Atmung: treibende Wälder beispielsweise 0,5 bis 1 Jahr, bei

Industrieländer und Länder im Über- Kräfte des globalen CO2-Kreislaufs Gräsern deutlich kürzer) unterliegt, von gang zur Marktwirtschaft) individuelle Kohlendioxid wird von sogenannten auto- Pflanzenfressern konsumiert wird (terrest- Reduk-tionsquoten festgelegt, so für die trophen Organismen, das sind diejenigen risch durchschnittlich ca. 7%) oder als so- Europäische Union 8%, für Deutschland grünen Pflanzen und Mikroorganismen, genannte Wurzelexsudate in den Boden 21%. Diese Staatengruppe repräsentiert die mittels Licht- oder chemischer Energie abgegeben wird (ca. 20% des täglichen auch die Hauptquellen der globalen CO2- (Photo- bzw. Chemotrophie) ihre körperei- C-Gewinns). Deshalb sind die mittels Bio-

Emissionen (Osten der USA, Mitteleuropa, genen organischen Substanzen aus CO2 masseernten erhobenen Produktivitätsra- Ostasien). Folgende Möglichkeiten sind aufbauen, aus der Atmo- bzw. Hydrosphä- ten mit einem großen Fehler behaftet. Eine im Kyoto-Protokoll vorgesehen (Schulze et re aufgenommen. Quantitativ überwiegt mit deutlich weniger Unschärfe behaftete, al. 2002a; Nentwig et al. 2004): dabei die Photosynthese, vor allem in den annähernd realistisch messbare Größe ist • Technische Maßnahmen zur Abgas- Blättern von Landpflanzen (Abb. 1): die Netto-Ökosystem-Produktion NEP, die

16 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg 55.000 Gt (Pg) in die globalen C-Kreisläufe involviert. Der Vorrat an fossilen Brennstof- fen wird auf 10.000 Gt geschätzt, davon sind ca. 3.700 Gt förderbar. Den größten C-Speicher in diesem Kreislauf stellen die Ozeane (ca. 37.000 Gt, meist als Bicarbo- nat- und Carbonationen, sowie 3.000 Gt in Form gelöster organischer Substanz und 17 Gt in der marinen Biomasse), gefolgt von Böden (1.500 Gt) und Land- pflanzen (560 Gt). Mit zusammen 2.060 Gt C beinhalten diese beiden Komparti- mente somit in etwa die dreifache C -Men- ge der Atmosphäre (ca. 760 Gt, entspricht < 1% des globalen Kohlenstoffs). Neben

dem CO2 finden sich 6 Gt Kohlenstoff in Form von Methan und 0,2 Gt C in Form von Kohlenmonoxid in der Atmosphäre.

Die mittlere Verweildauer eines CO2-Mole- küls in der Atmosphäre beträgt etwa drei Jahre. Diese geringe Zeitspanne und die Tatsache, dass die atmosphärische Koh- lenstoffmenge nur geringfügig größer ist als die in Pflanzen gebundene und nur halb so groß wie die im Boden gespei- cherte C -Menge, verdeutlichen die hohe Abb. 1: Messung der Photosyntheserate eines Blattes eines Mandelbaumes (Prunus dulcis) in einer sogenannten Sensitivität des atmosphärischen C-Pools

Gaswechselküvette. Die Abnahme der CO2-Konzentration in der Küvettenluft durch die Photosynthese wird mittels bereits auf geringe Störungen der globa-

Absorption der Infrarot-Strahlung bestimmt – das gleiche Prinzip, auf dem der Treibhauseffekt durch CO2 und andere len C -Kreisläufe (Schlesinger 1997; Schul- Treibhausgase basiert ze et al. 2002a). Der größte Teil des biologisch gebun- Netto-C-Bilanz eines Ökosystems, also die de in der jährlichen Primärproduktion denen Kohlenstoffs findet sich auf dem Differenz aus C-Aufnahme und C-Abgabe. sind vor allem durch die unterschiedli- Land. Die globale Biomasse besteht zu ca. Diese wird in der Regel auf Zeiträume von che Saisonlänge bedingt, die monatliche 85 % aus Bäumen, davon knapp die Hälfte mehr als einem Jahr und Flächen größer Primärproduktion in der Periode aktiven in tropischen und subtropischen Wäldern. als 1 ha bezogen, auf der Basis von CO2- Wachstums dagegen ist bei ausreichen- Die Agrarkulturen machen knapp 2 % der Fluss-Messungen mit meteorologischen der Wasserverfügbarkeit weltweit relativ globalen Biomasse aus, in den Ozeanen Verfahren („eddy co-variance“-Methode: einheitlich (Tabelle 1). Die mittleren Pro- finden sich nur 0,2 % (Abb. 2). Messung des vertikalen Bruttoflusses duktionsraten für Wälder und Grasländer Den größten terrestrischen Kohlenstoff- von Luftpaketen mit einem dreidimensi- unterscheiden sich dabei kaum. Unter speicher stellen die C-Vorräte im Boden dar onalen Ultraschall-Windmessgerät, Ver- besonders günstigen Bedingungen, wie (meist 10–20 kg C m-2, in Feuchtgebieten knüpfung mit zeitgleicher Messung der etwa in der Intensivlandwirtschaft, kann bis zu 70 kg C m-2; Ricklefs & Miller 2000).

CO2-Konzentration in sehr hoher zeitli- die jährliche Biomasseproduktion jedoch Während sie in den humiden Tropen auf- cher Auflösung). Allerdings sind aufgrund Extreme von über 5 kg m-2 erreichen (Sitte grund der hohen Abbauraten der organi- des hohen technischen Aufwandes NEP- et al. 2002). schen Substanz oft nicht mehr als 10–20% Messungen bisher nur für ausgewählte des gesamten C -Vorrates im Ökosystem Ökosysteme durchgeführt worden. Somit Kohlenstoff- und Biomassevorräte betragen, sind dies in borealen Nadelwäl- beruht der Großteil der globalen Schät- Die Erde enthält ca. 1023 g (100 Millionen dern oft 60–70%. Dennoch ist aufgrund zungen der Biomasseproduktion auf den Gigatonnen) Kohlenstoff (Smith & Smith der großen Fläche in den tropischen Wäl- fehlerbehafteten Erntedaten. Die dabei zu 2006), das sind etwa 0,1% ihrer Gesamt- dern (24,5 Mio. km2) mit 255 Gt C ca. ein Tage tretenden latitudinalen Unterschie- masse (Nentwig et al. 2004). Davon sind ca. Sechstel allen Bodenkohlenstoffs weltweit zu finden. Die Grasländer der gemäßig- Ökosystem Monatliche Primär- Vegetationszeit Jährliche Primärproduktion ten Zone (9 Mio. km2) und die landwirt- produktion (kg m-2) (kg m-2) schaftlichen Böden (14 Mio. km2) weisen Tropischer Regenwald 0,21 12 2,5 (1,8–3,0) mit 173 bzw. 178 Gt C annähernd gleich Gemäßigter laubabwerfender Wald 0,24 5 1,2 (1,0–1,5) große Kohlenstoffvorräte auf. Borealer Wald (Taiga) 0,21 5 1,1 (0,3–2,0) Die Akkumulation von kohlenstoffhal-

Tropisches Grasland 0,25 10 2,5 (0,2–4,0) tigen Verbindungen in Böden ist durch ein Ungleichgewicht zwischen Aufbau und Gemäßigtes Grasland (Steppe, Prärie) 0,17 6 1,0 (0,2–1,5) Abbau bedingt, da beide Prozesse durch Tabelle 1: Biomasseproduktion unterschiedlicher Ökosysteme (aus Sitte et al. 2002) Umweltbedingungen unterschiedlich be-

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Abb. 2: Verteilung des in der Biomasse festgelegten Kohlenstoffvorrates auf die großen Biome der Landoberfläche der Erde ohne eisbedeckte Flächen (10% Flächenanteil) (verändert nach Sitte et al. 2002) einflusst werden. So begünstigt steigende gen) kann dieser Kohlenstoff auch wieder jährlichen Netto-Transfer von etwa 1 Gt C Temperatur die Zersetzung von Biomasse aufgebaut werden (Schulze et al. 2002a). in die Weltmeere. Daneben werden über stärker als deren Produktion. In Mooren die Flüsse und Ströme 0,8 Gt C jährlich ist der Abbau organischer Substanz durch Bilanzierung der globalen C-Kreisläufe in die Ozeane transportiert, jeweils die sauerstoffarme bzw. O2-freie Bedingungen Die globale Biomasseprimärproduktion be- Hälfte davon als gelöster organischer und und niedrige pH-Werte gehemmt. In Wäl- trägt nach aktuellen Berechnungen jährlich anorganischer Kohlenstoff. Die Verweilzeit dern verlangsamen die ungünstige stoffli- etwa 250 Mrd. t Biomasse oder 120 Gt C des durch Diffusion in die Oberflächen- che Zusammensetzung der Streu (reich an (Sitte et al. 2002). Die darin gespeicherte gewässer eingetragenen und in Form 21 Lignin und Gerbstoffen) und Bodenversau- Energie von ca. 1,7 × 10 J entspricht etwa von CO2, Bicarbonat und Carbonat gelös- erung die Zersetzung. Bindung der organi- dem 5fachen des Weltenergieumsatzes, ten Kohlenstoffes beträgt weniger als schen Substanz an Tonminerale durch die obwohl global der durchschnittliche öko- ein Jahrzehnt. Im Gegensatz zu terrestri- Tätigkeit der Regenwürmer (Bildung stabi- logische Wirkungsgrad der Photosynthese schen Ökosystemen ist in den Ozeanen ler Ton-Humus-Komplexe in deren Darm- (in Biomasse gespeicherte Energie/auf- die Bilanz zwischen photosynthetischer trakt) verzögert den Abbau in Grünländern. treffende Strahlungsenergie pro Landflä- C-Festlegung in den Organismen (50 Gt In Äckern hingegen sind die Bodenorganis- che) bei nicht-limitierenden Wasser- und C a-1) und C-Freisetzung durch deren At- men durch den Entzug der oberirdischen Nährstoffbedingungen nur ca. 1–2 % be- mung bzw. Zersetzung (39 Gt C a-1) nicht und zum Teil auch unterirdischen Biomas- trägt (Nentwig et al. 2004). Durch die At- ausgeglichen, da der überwiegende Teil se bei der Ernte C-limitiert, so dass es zu ei- mungstätigkeit der Vegetation und der der abgestorbenen Biomasse von den nem Abbau organischer Substanz kommt. Tiere und die Zersetzung der organischen Oberflächengewässern in tiefere Schich- Dieser wird zusätzlich durch die mechani- Substanz im Boden (jeweils ca. 60 Gt C) ten gelangt (11 Gt C a-1). Die Prozesse, die sche Bodenbearbeitung gefördert. So ging ist die C-Bilanz der Biosphäre (Gesamtheit den in dieser toten Biomasse enthaltenen in landwirtschaftlich genutzten Präriebö- aller Ökosysteme) nahezu ausgeglichen Kohlenstoff von den Oberflächen- in die den in Nordamerika innerhalb von etwa (vorindustrieller „natürlicher“ Zustand, s. Tiefengewässer befördern und somit die

50 Jahren die Hälfte des Bodenkohlenstoffs Abb. 3). Neben dem CO2-Fluss zwischen CO2-Konzentration des Oberflächenwas- verloren, zum Teil durch Erosion, größten- Atmosphäre und Vegetation bzw. Boden sers verringern, werden als „biologische teils aber durch Zersetzung. Weltweit gin- bestimmt der CO2-Fluss zwischen Atmo- Pumpen“ bezeichnet. Im Gegensatz dazu gen in den letzen Jahrhunderten durch sphäre und Oberflächengewässer der Oze- befördern physikalische, auf der Löslich- die Kultivierung von Böden ca. 25 Gt C als ane den globalen C-Kreislauf. Der Aus- keit von CO2 beruhende Pumpen ca. 90 Gt -1 CO2 verloren (Schulze et al. 2007). Durch tausch von CO2 zwischen den Ozeanen C a als gelösten anorganischen Kohlen- Veränderung der Bewirtschaftung (kon- und der Atmosphäre durch physikalische stoff (DIC) in die Tiefengewässer. Mit den servierende Bodenbearbeitung ohne Pflü- und biologische Prozesse führt zu einem aufsteigenden kalten Tiefenwassern ge-

18 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg langen 101 Gt C a-1 als DIC wieder in die wärmeren Oberflächengewässer. Durch Sedimentbildung in Form von Carbona- ten verlieren die Tiefengewässer 0,2 Gt C pro Jahr. Somit kann der Meeresboden als globale Kohlenstoffsenke wirken (Den- man et al. 2007). Dieser „natürliche“ biologische Koh- lenstoffkreislauf wird durch anthropogene Einflüsse zum Teil erheblich gestört. Am deutlichsten wirkt sich dies in der Atmo- sphäre aus, deren CO2-Menge jährlich um 0,5 % oder 3 Gt C zunimmt. Die bei- den wichtigsten anthropogenen C-Quellen sind dabei Emissionen aus dem Verbrauch fossiler Brennstoffe (6,4 Gt C a-1 in den Jah- ren 1990-1999, 7,2 Gt C a-1 von 2000 bis 2005) und die Freisetzung von 1,6 Gt C pro Jahr durch Landnutzungsänderun- gen (vor allem Entwaldung, Abb. 3). Dass von den jährlich durch diese Aktivitäten in die Atmosphäre entlassenen 8 (1990– 1999) bzw. 8,8 (2000–2005) Gt C nur ca. 3,2 bzw. 4,1 Gt C pro Jahr dort verbleiben, liegt an mehreren Ursachen. Zum einen nehmen die Ozeane ca. 2,2 Gt C a-1 über das physikalische Lösungsgleichgewicht auf, weshalb sie als wichtige Kohlenstoff- senke im modernen „industriellen“ C-Kreis- lauf dienen. Die Kapazität der Ozeane zur Abb. 3: Der globale Kohlenstoffkreislauf mit vorindustriellen „natürlichen“ (schwarz) und anthropogenen (rot) Quellen Absorption von CO2 wird allerdings durch die geringe Mischung von Oberflächen- und Senken. C-Vorräte (fett gedruckt) sind in Gt (1015 g), C-Flüsse (kursiv) in Gt a-1 (1015 g a-1) angegeben. Die anth- mit Tiefenwasser begrenzt. Zum anderen ropogenen Vorratsänderungen umfassen den Zeitraum von 1750 bis 1994. Dei Bruttoflüsse weisen allgemein eine fixieren derzeit noch nicht endgültig iden- Unsicherheit von > 20% auf. Abbildung verändert nach Smith & Smith (2006); Werte aus Schlesinger (1997), Ricklefs tifizierte „biologische Senken“ 2,6 Gt C a-1. & Miller (2000), Sitte et al. (2002), Schulze et al. (2002a), Nentwig et al. (2004), Smith & Smith (2006) und Denman et Dies liegt wahrscheinlich zumindest teil- al. (2007) weise an einer erhöhten Photosynthese- aktivität der Landpflanzen durch einen tierten CO2 verblieben damit in der Atmo- Bio-Management als Beitrag zur

„Düngeeffekt“ aufgrund der höheren CO2- sphäre, ca. 30 % wurden von den Meeren Lösung des globalen CO2-Problems? Konzentration der Atmosphäre, wodurch absorbiert, der Rest (101 Gt C) von der ter- Die Landnutzungsänderungen trugen zu von 1982 bis 1999 die globale Primärpro- restrischen Biosphäre aufgenommen. Da- dem seit 1850 zu beobachtenden Anstieg duktion um 6,2 % stieg (Friend et al. 2007). mit ergibt sich seit 1750 ein Nettoverlust der atmosphärischen CO2-Konzentration Ein weiterer Grund ist die in der zweiten der terrestrischen Ökosysteme von 39 Gt von knapp 100 μl l-1 ca. 12–35% bei. Dabei Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgetretene C (Denman et al. 2007). Etwa die Hälfte waren bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts

Extensivierung der Landnutzung in Teilen der CO2-Emissionen wird innerhalb von Entwaldungen in den gemäßigten Brei- Nordamerikas und Europas (Aufforstun- 30 Jahren aus der Atmosphäre entfernt, ten die Hauptursache. Seitdem wurden gen früherer landwirtschaftlich genutzter weitere 30 % im Verlauf der nächsten Jahr- dort aber im Zuge der Extensivierung der Flächen, unternutzte Forste). hunderte, während die restlichen 20 % für Landwirtschaft Wälder wieder aufgeforstet, Infolge der anthropogenen Aktivitäten mehrere Jahrtausende in der Atmosphä- während derzeit die Waldvernichtung vor hat sich die CO2-Menge in der Atmosphä- re verbleiben (Solomon et al. 2007). Ge- allem in den Tropen fortschreitet (Forster et re seit 1750 bis 1994 um 165 Gt C, die der genüber den rein geochemischen, relativ al. 2007). Neben großflächigen Abholzun- Ozeane um 118 Gt C erhöht (s. Abb. 3). langsam ablaufenden Umsetzungen im gen, die nicht nur den aktuellen C-Speicher Dies entspricht einem Konzentrationsan- globalen C-Kreislauf (1013–1014 g C a-1) sind vermindern, sondern auch die zukünftige -1 -1 stieg von 280 μl l („ppm“) auf 379 μl l die raschen biogeochemischen Kohlen- CO2-Aufnahme reduzieren, sind auch das im Jahr 2005 (Forster et al. 2007). Gleich- stoffflüsse (1015–1017 g C a-1) um mehre- Verbrennen von Biomasse, die Nutzpflan- zeitig ist ein kumulierter Verbrauch fossiler re Größenordnungen höher. Inwieweit zenproduktion und die Umwandlung von Brennstoffe von 244 Gt C und ein Verlust durch menschliche Eingriffe in die bio- Grünländern in Ackerland bedeutende der terrestrischen Ökosysteme von 140 Gt geochemischen Umsetzungen die Bio- Änderungen der Landnutzung, die zu ei-

C, vor allem durch Landnutzungsände- sphäre als „Absorbens“ für die anthro- ner vermehrten CO2-Freisetzung führen. rungen, zu verzeichnen (Denman et al. pogen freigesetzten CO2-Mengen fungie- Allerdings sind die mit der veränderten 2007). Etwa 45% des anthropogen emit- ren kann, soll folgend betrachtet werden. Landnutzung verbundenen Abschätzun-

14. Jahrgang 2007 19 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik gen der globalen C-Flüsse mit einer sehr zungsänderungen auf die C-Vorräte von stoff als junge Wälder enthalten, stellen großen Unsicherheit behaftet. Böden abgeschätzt wurde, zeigte, dass Rodungen und darauffolgende Auffors-

Durch den CO2-Düngeeffekt, Stickstoff- bei der Rodung natürlicher Wälder zu- tungen in den ersten 100 bis 200 Jahren depositionen, eine verlängerte Vegetati- gunsten von Ackerland fast die Hälfte des immer einen C-Verlust dar. onsperiode, aber vor allem aufgrund der Boden-C-Speichers durch erhöhte Zer- Eine entscheidende Rolle sowohl bei hohe Wachstumsraten derzeit begünsti- setzung verloren geht, bei der Umwand- der unter- als auch der oberirdischen C - genden Altersstruktur der Wälder in der lung von Weide- in Ackerland sind dies Speicherung in Wäldern spielt die Baum- nördlichen Hemisphäre ist die Senkenstär- sogar knapp 60 %. Dagegen kann durch artenwahl (Kriebitzsch 2005). ke der terrestrischen Ökosysteme für CO2 die Umwandlung von Naturwäldern in Am wirkungsvollsten für die Senken- in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Weideland 8 %, von Acker- in Weideland funktion von Wäldern ist jedoch eine Re- Jahrhunderts von 1,7 auf 2,6 Gt C a-1 ge- sogar 19 % mehr C im Boden gespei- duktion der Waldvernichtung bzw. der stiegen. Trotz umfangreicher Entwaldun- chert werden. Da zumindest in den Tro- Bewirtschaftung. So ist durch forstliche gen stellen die Tropen derzeit keine C- pen der Verlust von Wäldern zugunsten Bewirtschaftung der Wälder der Neuen Quelle dar, und in der nördlichen Hemi- landwirtschaftlicher Nutzung immer noch Bundesländer ein Verlust an C -Speicher- sphäre gibt es bedeutende C-Senken. fortschreitet (ca. 140.000 km2 a-1, Smith & kapazität im Mittel von 20,1 t ha-1 einge- Im folgenden sollen am Beispiel der Smith 2006), ist mit einem zunehmenden treten (Anders & Pommer 2005). Dies ist Land-, Forst- und Plantagenwirtschaft die Verlust an Bodenkohlenstoff weltweit zu vor allem durch die Fichten- und Kiefern- Möglichkeiten einer verstärkten C-Bin- rechnen. In Europa stellen Ackerböden C- forste mit kurzen Umtriebszeiten auf den dung durch Pflanzen abgeschätzt werden. Quellen dar, die jährlich 0,84 t C ha-1 emit- nährstoffreichen Standorten im Tiefland Zunächst aber wird die physiologische Re- tieren, während Grünländer zum großen und in Berglagen bedingt, auf denen na- aktion der Pflanzen auf ein erhöhtes at- Teil C speichern (0,52 t C ha-1 a-1). Durch türlicherweise Buchen mit einer höheren mosphärisches C-Angebot diskutiert. Umwandlung von Acker- in Grünland Trockensubstanzproduktion und längeren können 1,44 t C ha-1 a-1 gebunden werden, Umtriebszeiten stehen.

Der CO2-Düngeeffekt in der Atmo- verringerte Bodenbearbeitung von Äckern Allgemein stellen jedoch die Wälder sphäre und die Biomasseproduktion allein reduziert die C-Emissionen um 0,25 t in den gemäßigten und borealen Zonen In der Gewächshausgärtnerei wurden in ha-1 a-1 (Vleeshouwers & Verhagen 2002). derzeit die wichtigste terrestrische C-Sen- Deutschland und in den Niederlanden Allerdings ist zu beachten, dass selbst der ke dar, ihre C -Senkenstärke wird sich vor- schon vor dem 2. Weltkrieg Ertragszu- C-Senken-Effekt bei der Umwandlung aussichtlich von derzeit ca. 0,14 Gt C a-1 auf -1 wächse durch ein erhöhtes CO2-Angebot von Acker- in Grünland nur vorüberge- 0,35 Gt C a bis 2050 erhöhen (Schulze et erzielt (bei 600 μl l-1 ca. 30 % pro Saison). hender Natur ist, da sich mit der Zeit (in al. 2007). Im Freiland (Arizona, USA) liefern gedüng- Europa ca. 100 Jahre) ein Gleichgewicht Ähnlich wie die tropischen Wälder sind te und bewässerte Weizenfelder bei eben- im Boden einstellt (Smith 2005). Deshalb sie jedoch durch in der Zukunft häufige- -1 falls 600 μl l CO2 14 % mehr Korn. Im kann die C-Speicherung nicht als Ersatz re Wetterextremereignisse und Störungen

Vergleich dazu wurden durch neue Sor- für eine Verringerung der CO2-Emissionen wie Feuer anfällig für C-Verluste. Vor allem ten und verbesserte Anbaubedingungen betrachtet werden: Bei einer maximalen bei langlebigen Ökosystemen wie Wäl- die Erträge in den letzten 100 Jahren um jährlichen C-Speicherung in Böden von dern ist entscheidend, dass dadurch der 300 bis 500 % gesteigert (Sitte et al. 2002). ca. 0,9 Gt kann diese bis 2100 nur ca. 2 in Jahrzehnten bis Jahrhunderten akku- Weshalb sind die Düngeeffekte durch bis 5 % (Szenario maximaler Emissionen) mulierte Kohlenstoff binnen sehr kurzer erhöhtes CO2 nicht stärker ausgeprägt? beitragen. Angesichts der Tatsache, dass Zeit freigesetzt werden kann. Somit stellt Unter natürlichen, nicht optimalen Bedin- die C-Speicherung in Böden in den ersten der Schutz der bestehenden Kohlenstoff- gungen limitieren meist andere Ressour- 20 Jahren der Nutzungsumstellung am vorräte vor Entwaldung und Degradation cen als CO2 das Wachstum, überwiegend wirkungsvollsten ist, sollte sie jedoch als das größte Emissionsminderungspoten- Nährstoffe und Wasser. Daneben könnten eine Überbrückungsmaßnahme bis zur zial dar (Schulze et al. 2007). noch andere, durch den möglichen Klima- Entwicklung und Anwendung effizienter wandel bedingte komplexe Wechselwir- CO2-Reduktionstechnologien in Erwägung Kohlenstoffbindung kungen die Kohlenstoffbindung durch die gezogen werden (Smith 2005). durch Biomasseplantagen Pflanzen einschränken (Ricklefs & Miller Sowohl die Umwandlung von Weideflä- 2000). Deshalb wird die Vegetation das Kohlenstoffspeicherung chen als auch von Naturwäldern in Planta- durch den anthropogenen CO2-Ausstoß in der Forstwirtschaft gen mit Energiehölzern (vor allem Weiden erhöhte Mehrangebot an Kohlenstoff im Wird Ackerland aufgeforstet, erhöht sich und Pappeln in gemäßigten, Eukalyptus Lauf der nächsten Jahrhunderte „sicher die im Boden gespeicherte C-Menge um und Kiefern in mediterranen Klimaten) nicht“ binden können (Sitte et al. 2002). über 50 % (Guo & Gifford 2002). Da dies verringert die im Boden gespeicherte C- Eher wird durch die Landnutzung zusätz- aber mindestens 80 Jahre dauert, sind Menge um ca. 10 %. Die Umwandlung von licher Kohlenstoff an die Atmosphäre ab- kürzere Umtriebszeiten im Hinblick auf Ackerland in Schnellwuchsplantagen da- gegeben werden, wie die nachfolgenden eine langfristige Boden-C-Speicherung ab- gegen kann den Boden-C-Speicher um Beispiele aus der Landwirtschaft zeigen. träglich (Thuille & Schulze 2006). Bei al- knapp 20 % erhöhen (Guo & Gifford len Aufforstungsmaßnahmen ist jedoch 2002). Dabei wirken sich Laubbäume im Kohlenstoffspeicherung auf zu bedenken, dass die nachwachsenden Gegensatz zu Nadelbäumen in der Regel landwirtschaftlich genutzten Böden Wälder Jahrzehnte benötigen, bis sie die eher positiv auf die C-Speicherung aus. Eine Metaanalyse von Guo & Gilbert Senkenleistung reifer Wälder erreichen. Die Ursache für die Abnahme des Boden- (2002), in der der Effekt von Landnut- Da alte Wälder wesentlich mehr Kohlen- C-Speichers bei der Umwandlung von

20 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Weide- und Waldland liegt in der erhöh- vom Botanischen Institut der Universität im Vergleich zu ihren fossilen Äquivalen- ten Zersetzung der organischen Substanz Basel, der unter Annahme eines Biomas- ten erzielen lassen, schneiden sie beim Eu- -1 -1 infolge erheblicher mechanischer Boden- seertrages von 10 t C ha a auf 10 % der trophierungs- und Versauerungspotenzial störungen bei der Etablierung der Planta- Ackerfläche in Deutschland bei einem deutlich schlechter ab (Weiß et al. 2004). gen. So dauert es mindestens 40 Jahre, bis jährlichen C-Ausstoß von 283 Mio. t ein Insbesondere durch die Folgen konventi- sich nach einer Waldrodung der Boden-C- Substitutionspotenzial von 4,2 % errechne- oneller Anbaumethoden belasten Nitrat, Speicher wieder regeneriert (Guo & Gifford te (Sitte et al. 2002). Im Vergleich zu der auf Phosphat und Ammonium die Umwelt, 2002). Allerdings liegen die Umtriebszei- land- und forstwirtschaftlichen Flächen in zusätzlich werden bei der Verbrennung ten von Schnellwuchsplantagen deutlich Deutschland insgesamt fixierten C-Menge der Biomasse bspw. für Heizzwecke oder darunter, beim sogenannten Kurzumtrieb ist der Ausstoß fossilen Kohlenstoffs etwa der Verwendung als Treibstoff SO2 und bei vier bis sechs Jahren (Fachagentur für 4fach höher (Loets 1992). Weltweit spart Stickoxide frei (Weiß et al. 2007). Nachwachsende Rohstoffe 2005). Somit die energetische Nutzung von Biomasse Ein weiteres Konfliktpotenzial kann mit ist bei dieser Art der Bewirtschaftung eine vor allem in Afrika, Südasien und China um den Anbau von Energiepflanzen kon- langfristige C-Speicherung im Boden nicht derzeit ca. 0,5 bis 1 Gt C jährlich ein (Sims kurrierenden Landnutzungsansprüchen, möglich, die Plantagen wirken vielmehr et al. 2006). Bis 2025 könnte nach diesen wie solchen zur Sicherstellung der Ernäh- als permanente Boden-C-Quellen. Autoren durch Energiepflanzen ein Netto- rung oder zum Erhalt der biologischen Viel- In der oberirdischen Biomasse von C-Einsparungspotenzial von ca. 25 bis falt, wie er in der Biodiversitätskonvention Schnellwuchsplantagen können jährli- 550 Mt C a-1 erreicht werden, was 0,5 bis von Rio 1992 vorgegeben ist, auftreten. che Zuwächse von 10–14 t ha-1 erreicht 20 % der nötigen Emissionsreduktion von Besonders in den Tropen werden derzeit werden (Sächsische Landesanstalt für Treibhausgasen entspricht. Dies zeigt die durch den Ersatz von primären Regenwäl- Landwirtschaft 2004). Bei einem durch- begrenzte Möglichkeit, über biologische dern beispielsweise durch Palmölplanta- schnittlichen C-Gehalt holziger Biomasse C-Senken die C-Schuld eines Landes im gen viele natürlichen Ökosysteme zerstört, von 50 % entspricht dies 5 bis 7 t C ha-1 Rahmen des Kyoto-Protokolls zu entlasten. aber auch in den gemäßigten Breiten a-1. Bei einer durchschnittlichen Umtriebs- Durch Ersatz von fossilen C-Quellen kön- kann der Anbau von Energiepflanzen und zeit von fünf Jahren würden somit in der nen aber Energiepflanzen und nachwach- nachwachsenden Rohstoffen die Arten- oberirdischen Biomasse 25 bis 35 t C ha-1 sende Rohstoffe eine wertvolle Quelle für vielfalt durch die Flächeninanspruchnah- akkumuliert. Der Anbau von Chinaschilf erneuerbare Ressourcen darstellen. me und die Verschlechterung der Lebens- (Miscanthus sinensis) erbringt einen Er- Allerdings berücksichtigt diese Be- raumqualität negativ beeinflussen (Heil- trag von 15 bis 20 t ha-1 a-1, was aufgrund rechnung nicht, dass unter anderem bei meier & Thies 2006). In der Forstwirtschaft des im Vergleich zu Holz geringeren C-Ge- der Gewinnung, dem Transport und der gefährdet eine zu intensive Nutzung u. a. -1 -1 haltes von ca. 46 % 7 bis 9 t C ha a ent- Konversion von Biomasse ebenfalls CO2 Alt- und Totholzanteile, Nist- und Höhlen- spricht. Über die gesamte Nutzungsdauer emittiert wird. Die für den Transport der bäume sowie den Nährstoffhaushalt der einer Chinaschilfkultur von 15 Jahren sind Biomasse zu überbrückenden Entfer- Ökosysteme. Kurzumtriebsplantagen kön- dies etwa 100 bis 135 t C ha-1. nungen seien am Biokraftwerk Delitzsch nen zwar im Gegensatz zu einer vorherigen GmbH veranschaulicht. Dieses benötigt intensiven Ackernutzung die Artenvielfalt Substitutionspotenzial von fossilem bei einer Leistung von 14,5 MW jährlich erhöhen, sind aber artenärmer als Wälder. Kohlenstoff durch biologische C-Senken ca. 110.000 t Holz (Sächsische Landesan- Beim landwirtschaftlichen Anbau von Ener- Scheffer (2002) geht davon aus, dass stalt für Landwirtschaft 2004). Bei einem giepflanzen sind, wenn dieser in Intensiv- mittelfristig in Deutschland für die ener- durchschnittlichen Hektarertrag von 10 bis Monokulturen erfolgt, Auswirkungen unter getische Nutzung von Biomasse eine 14 t Biomasse entspricht dies einer Fläche anderem auf den Nährstoffhaushalt der Ackerfläche von 4 Mio. ha zur Verfügung von ca. 10.000 Hektar (100 km2). Geht man Böden und die Artenvielfalt von Flora und stehen wird. Würde man diese Fläche je nun mit Scheffer (2002) von einer für den Fauna zu bedenken (Rode et al. 2005). So zur Hälfte mit schnellwachsenden Hölzern Anbau von Energiepflanzen in Deutsch- sind aus Umweltschutzgründen dringend und Chinaschilf für energetische Zwecke land zur Verfügung stehenden Fläche Anbaumethoden mit einem geringen Ein- bewirtschaften, so könnten damit pro Jahr von 40.000 km2 aus, so entspricht dies in satz an Dünge- und Pflanzenbehandlungs- etwa 28 Mio. t C gespeichert werden. Im etwa 10 % der Gesamtfläche Deutschlands mitteln nötig. Negative Auswirkungen – Kyoto-Protokoll hat sich Deutschland ver- (357.000 km2). Mit dieser Flächendichte die Bodenverdichtung/Bodenerosion, die pflichtet, seine Treibhausgasemissionen wäre ein Gebiet in der Umgebung des Bio- Eutrophierung von Böden und Gewässern 2 um 254 Mio. t CO2, das sind 70 Mio. t C, zu kraftwerks von 1.000 km vom Anbau von sowie global ein erhöhter Verbrauch limitie- reduzieren. Somit könnten durch die Nut- Energiepflanzen betroffen. Dies entspricht render Wasserressourcen sowie eine durch zung von Energiepflanzen ca. 40% des einem Anfahrweg der geernteten Biomas- den Einsatz von Düngemitteln zusätzliche

Einsparzieles erreicht werden. Bezogen se im Umkreis von ca. 20 km pro Fahrt. Klimawirkung durch freigesetztes N2O (mit auf den gesamten C-Ausstoß von 218 Mio t Zu den durch den Energieverbrauch für einer gegenüber CO2 ca. 300fach höheren a-1 im Jahr 2005 (Erdmenger et al. 2007) das Prozessieren der Biomasse verursach- Klimawirkung) – müssen unbedingt ver- stellt das Substitutionspotenzial ca. 13 % ten C -Emissionen kommen noch zusätzli- mieden werden. dar. Setzt man das weniger optimistische che negative Umwelteffekte, die bei einer Flächenpotenzial für den Anbau von Ener- ökologischen Bilanzierung zu berücksich- Das Kyoto-Protokoll als Lösungsstrate- giepflanzen nach Deimling & Kaltschmitt tigen sind. Während sich durch den Einsatz gie für die globalen CO2-Probleme? (2001) von 2 Mio. ha an, reduziert sich die- von Energiepflanzen wirksame Umweltent- Obwohl eine gewisse Integration von Na- ser Anteil auf 6,5 %. Dies entspricht un- lastungen beim Nichterneuerbaren Ener- turschutzzielen in die Biomasseproduk- gefähr den Werten von Prof. Ch. Körner gieverbrauch und beim Treibhauspotenzial tion machbar erscheint, bestimmte Syn-

14. Jahrgang 2007 21 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik ergieeffekte zwischen Naturschutz und Biodiversität und Landschaftsbild zu be- gefährden die Biodiversität in höchstem Biomasseproduktion wie eine Grün- rücksichtigen. Maße. Die Grenzen biologischer Maßnah- landpflege mit energetischer Nutzung Zudem erscheinen einige der im Kyoto- men zur Erreichung der im Kyoto-Proto- des Schnittgutes, die energetische Holz- Protokoll vorgeschlagenen Maßnahmen koll vorgesehen Reduktionsverpflichtung nutzung aus Nieder- und Mittelwäldern alles andere als geeignet, durch biologi- von 5,2 % (0,33 Gt C a-1) werden deutlich, oder der Schilfanbau auf degradierten sche Maßnahmen eine Stabilisierung der wenn man diese mit der globalen terrestri-

Niedermoorstandorten genutzt werden atmosphärischen CO2-Konzentration zu schen Netto-Senke für C von derzeit 1,4 Gt können und aus naturschutzfachlicher erreichen (Schulze et al. 2002b). Da Pri- a-1 (siehe Abb. 3) vergleicht: dazu müss- Sicht der Ausbau erneuerbarer Energien märwälder keine „anthropogene Senke“ ten die biologischen Senken um ca. 25 % zur Vermeidung von Klimaänderungen darstellen, sind sie als Kohlenstoffsenken verstärkt werden. Aber angesichts der in- grundsätzlich zu begrüßen ist, da sich nicht anrechenbar. Ebenso gelten Rodun- folge des Klimawandels eher steigenden Naturschutz langfristig nicht ohne Klima- gen von Primärwäldern nicht als C -Emis- Atmungsraten durch verstärkten Stoffab- schutz realisieren lässt, sind die mit der sionen, die anschließende Aufforstung bau werden heutige C-Senken sich eher energetischen Nutzung von Biomasse als Plantage jedoch als auf die nationa- in C-Quellen verwandeln. Somit wird in der sich ergebenden oben dargelegten weit- len CO2-Emissionen anrechenbare Maß- Zukunft sich die Bedeutung von Einspar- reichenden Veränderungen in der Land- nahme. Zusätzlich wird bei Plantagen nur potenzialen und Effizienzsteigerungen im und Forstwirtschaft und damit auch für der oberirdische Zuwachs, nicht aber der Energiesektor im Hinblick auf eine Stabi- den Naturschutz kritisch zu bewerten C -Haushalt des gesamten Ökosystems ein- lisierung der CO2-Konzentration in der At- (Rode et al. 2005). Auch wenn Biomas- schließlich des nach Entwaldung freige- mosphäre erhöhen – eine Herausforde- se global weiterhin den Hauptbeitrag zu setzten Boden-Kohlenstoffs betrachtet, der rung, zu der die TU Bergakademie Freiberg den erneuerbaren Energien leisten wird innerhalb der Umtriebszeiten der Planta- entscheidende Beiträge leisten kann. und Energiepflanzen einen zunehmen- gen nicht wieder gebunden werden kann. den Anteil daran haben werden (Sims Der dadurch erhöhte Umnutzungsdruck Literaturangaben zu diesem Beitrag unter: et al. 2006), sind negative Auswirkungen vor allem auf tropische Wälder und deren http://www.tu-freiberg.de/~vff/ auf die Schutzgüter Wasser, Boden, Luft, Ersatz durch standortfremde Plantagen

weist eine Vielzahl von Vorteilen auf, er Bioneutrale Kraftstoffe • kann direkt in die Infrastruktur bestehen- der Verteilungsketten gegeben werden,

Matthias Rudloff • ist erneuerbar und nahezu CO2-neutral, • ist ein extrem sauberer Kraftstoff: kein Synthetischer Biokraftstoff BTL nahme der weltweit ersten kommerziellen Schwefel und keine Aromaten, aus Freiberg Anlage zur Herstellung von BTL. • hat, verglichen mit fossilen Kraftstoffen, 30–50 % weniger Abgasemissionen, Wer im September 2007 durch das In- Vorteile und Herstellung von BTL • hat, verglichen mit den bekannten Bio- dustriegebiet Saxonia am Südostrand von CHOREN stellt aus einem breiten Spek- kraftstoffen Biodiesel oder Ethanol, eine Freiberg fährt, ahnt kaum, dass auf dem trum von Einsatzstoffen hochwertigen syn- vielfach höhere Ausbeute / ha, Betriebsgelände der CHOREN Industries thetischen Biokraftstoff (BTL) her. Dieser, • hat eine hohe Energiedichte (40 MJ je GmbH Großes bevorsteht: Die Inbetrieb- von CHOREN auch SunDiesel® genannt, Liter),

Abb. 1: Produktionsprozess

22 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg • ist geeignet für Ferntransport und La- gerung, • kann vor Ort produziert und verbraucht werden, • verringert die Importölabhängigkeit. Zur Herstellung von BTL (Abbildung 1) wan- delt CHOREN stückige Biomasse zunächst mit dem Carbo-V®-Verfahren zu einem Syn- thesegas mit den Hauptbestandteilen CO und H2 um. Dieses Synthesegas reagiert dann in der Fischer-Tropsch-Synthese („FT- Synthese“) beispielsweise an einem Kobalt- basierten Katalysator zu Kohlenwasser- stoffen.

CHORENs Weg zum BTL-Produzenten Erste flüssige Produkte aus Holz konnte CHOREN bereits im Jahr 2001 im Labor- maßstab herstellen (Abildung 2). Dabei wurde ein Teil des in der Pilotanlage (Al- pha-Anlage) in Freiberg hergestellten Holz- gases auf einen Katalysator geleitet. Nachdem in den Jahren 2002 und 2003 in einem vom BMWi im Rahmen des ZIP- Programms geförderten Vorhabens die be- stehende Carbo-V®-Vergasungsanlage mit einer Syntheseeinheit nachgerüstet wurde, konnten im Frühjahr 2003 erstmals konti- nuierlich nennenswerte Mengen Flüssig- produkt hergestellt werden. Entsprechend den Anforderungen des Programms und Abb. 2: UET/CHOREN Alpha-Anlage

Abb. 3: Beta-Anlage, Freiberg/Sachs.

14. Jahrgang 2007 23 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

Abb. 4: Standorte Sigma-Anlagen Betankung des SunDiesel®-Mercedes. Foto: by DC Media Services der Partner wurde zunächst Methanol pro- Die Standorte Lubmin, Schwedt und Bruns- Standort, der neben Verkehrsinfrastruktur duziert. Nach Austausch des Katalysators büttel haben sich als die am besten ge- auch alle denkbaren Ver- und Entsorgungs- wurden dann seit Sommer 2003 Fischer- eigneten in Deutschland für ein Erstpro- medien sowie die zugehörigen Dienstleis- Tropsch-Produkte hergestellt. jekt herausgestellt. In Lubmin, unmittelbar tungen einschließlich der optimalen Ab- Die Verfahrensoptimierung des Jahres angrenzend an das ehemalige Kernkraft- satzpfade für die Produkte bietet. 2005 konnte durch den Dauerbetrieb in werksgelände, hat CHOREN bereits einen CHORENs Kernkompetenz ist die Bio- 2005 mit über 3.000 h bestätigt werden. Grundstücksvertrag unterzeichnet. Der massevergasung. Im Bereich der FT-Syn- Die in der Alpha-Anlage gewonnen Er- Standort bietet hervorragende infrastruktu- these wurden zwar in den letzten Jahren kenntnisse flossen in das Design der ers- relle Voraussetzungen, ist aber ansonsten umfangreiche Betriebserfahrungen ge- ten kommerziellen BTL-Anlage der Welt, ein „Grüne-Wiese-Standort“. Ganz anders sammelt, doch handelt es sich hier um ein der CHOREN Beta-Anlage, Freiberg, ein der Standort Raffinerie Schwedt. Hier han- international sehr umkämpftes Feld. Es ist (Abbildung 3). Diese Anlage wird ab An- delt es sich um einen komplett integrierten davon auszugehen, dass es kaum mög- fang 2008 aus ca. 68.000 tTM Biomasse rund 18 Mio. l BTL herstellen. Während die Biomasselogistik bereits komplett in Be- trieb genommen wurde, ist der Vergaser fertig gestellt und befindet sich in der In- betriebnahme. In der FT-Synthese sind die Hauptkomponenten installiert, Verrohrung und Elektroinstallation laufen auf Hoch- touren. Die Nebenanlagen sind ebenfalls weitestgehend fertig gestellt. Die Beta-Anlage ist für CHOREN ein wichtiger Meilenstein, jedoch nur ein Zwi- schenschritt auf dem Weg zur Sigma- Anlage (Abbildung 4). Diese soll aus ca. 1 Mio. t/a Biomasse rund 250 Mio. l BTL herstellen. CHOREN strebt die Errichtung und den Betrieb von mehreren solcher Sigma-Anlagen in den nächsten Jahren an. Zurzeit läuft ein Standortsuchprozess mit einem differenzierten Bewertungs- schema. Dabei werden Informationen zu • Bebaubarkeit/Genehmigungsfähigkeit der Fläche • Medienver- und -entsorgung • Verkehrsinfrastruktur/Transportlogistik • Serviceleistungen, Standortsynergien • allgemeinen und wirtschaftlichen Rah- menbedingungen ermittelt und verglichen. Die Beta-Anlage Freiberg

24 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Abb. 5: Die CHOREN-Gruppe lich ist, außerhalb bestehender Patente Umweltwirkungen zerlegung aus Restgas und Abwärme im kommerzielle FT-Aktivitäten zu entwickeln. In der in Freiberg im Bau befindlichen Prozess selber hergestellt werden (Szena- Ziel von CHOREN war es deshalb, für die Beta-Anlage zur Herstellung von SunDiesel rio Basis autark) (Abb. 6), ist der Wirkungs- FT-Synthese mit einem starken Partner zu wird je nach Betriebsweise ein Gesamtwir- grad geringer als bei Maximierung der kooperieren, der darüber hinaus noch die kungsgrad der Flüssigproduktherstellung Dieselausbeute, wo 6,6 % elektr. Energie Verantwortung für die Qualität der Produk- (Diesel) von 45 bis 55 % erreicht. Wenn extern bezogen werden müssen (Szenario te sowie die Vermarktung übernimmt. Mit ausschließlich Biomasse als Energieträger teilautark). Zur Ermittlung der Umweltwir- Shell wird seit August 2005 eine solche eingesetzt wird und der Elektroenergiebe- kungen der Herstellung und Nutzung von Kooperation gelebt. Der Syntheseprozess darf für die Hilfsaggregate und die Luft- SunDiesel im Vergleich zu schwefelarmem in der Beta-Anlage wird eine Shell Middle Destillate Synthesis (SMDS) sein. Damit ist CHOREN das erste externe Unternehmen, das kompletten Einblick in diese sensible Technologie erhält. Die Entwicklung des Geschäftsfeldes BTL erfordert nicht nur eine leistungsfä- hige Technologie und starke Partner, son- dern auch eine umfassende Kompetenz in angrenzenden Bereichen sowie eine entsprechende Firmenstruktur. Neben der technologischen Kompetenz, die histo- risch in der UET Umwelt- und Energietech- nik Freiberg GmbH angesiedelt ist, verfügt CHOREN inzwischen mit der CHOREN Bio- mass über ein Biomassekompetenzzent- rum sowie über mehrere lokale Projektge- sellschaften, die für die Realisierung der Produktionsanlagen verantwortlich sind (CHOREN Fuel Freiberg GmbH & Co. KG, CHOREN Fuel Lubmin GmbH & Co. KG) (Abbildung 5). Abb. 6: Untersuchungen der Umweltwirkungen

14. Jahrgang 2007 25 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

Abb. 7: Variation der Transportentfernung Biomasse

Diesel wurde eine LCA (Life-Cycle-Analyse) prüft. Neben den erwähnten Szenarien au- Umweltwirkungen Photooxidationspoten- nach ISO 14040 durchgeführt. Dabei wur- tark und teilautark wurde ein Zukunftssze- zial (Sommersmog), Eutrophierungspoten- de erstmals mit Auslegungsdaten der Be- nario definiert, das die Vervielfachung der zial (Überdüngung) und Versauerungspo- ta-Anlage ein BTL-Herstellungsprozess von Ausbeute bei gleichem Biomasseeinsatz tenzial (SO2-äqui) untersucht (s. Abb. 6). einem unabhängigen Gutachter einer sol- durch Zugabe von regenerativ (mittels Über- Es wird deutlich, dass in jedem der un- chen Analyse unterzogen. schuss-Strom) gewonnenem Wasserstoff tersuchten Szenarien eine deutliche Ver- Die Ergebnisse wurden von einem wei- berücksichtigt. Neben dem klimarelevan- minderung der für den Verkehrssektor teren Gutachter (ESU, Schweiz) kritisch ge- ten Treibhausgaspotenzial wurden die besonders relevanten Umweltwirkungen Treibhausgas und Sommersmog erreicht wird, ohne, dass es in anderen Bereichen zu einer Verschlechterung kommt. Eine Variation der Transportentfernung für die eingesetzte Biomasse zwischen 50 und 200 km führt zu keiner signifikanten Ver- änderung der Ergebnisse (s. Abb. 7).

Die Marken SunDiesel und SunDiesel-Logo sind ein- getragene Marken der Volkswagen Aktiengesellschaft in der Europäischen Union und anderen Ländern und werden unter Lizenz des Markeninhabers Volkswagen Aktiengesellschaft benutzt.

Kontakt: CHOREN Industries GmbH Matthias Rudloff Frauensteiner Str. 59 D-09599 Freiberg Tel. +49 3731 2662-222 · Fax. +49 3731 2662-25 E-Mail: [email protected] www.choren.com

26 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Die Diskussion um klimatische Verände- rungen sollte, unabhängig von dem ex- Treibstoff sparen akten Nachweis der Beeinflussbarkeit, zur Reduzierung des Energieverbrauches und damit zur Reduzierung von Emissionen durch leichtere Autos zwingen. Diese Entwicklung wurde je-

doch nicht erst durch die CO2-Diskussion Klaus Eigenfeld, Steffen Klan, Katja Pranke, Volker Metan, Balazs Kovacs angestoßen, sondern ist seit langem, be- dingt durch die begrenzten Ressourcen unseres Planeten Erde, Gegenstand der Entwicklung. Insbesondere trifft dies die Automobilindustrie, da die notwendige in- dividuelle Mobilität mit den bekannten Antriebsquellen derzeit ohne Emissionen nicht denkbar ist. Rechnet man zu dem laufenden Energiekonsum während der Nutzung von Kraftfahrzeugen noch die Energie im Herstellprozess dazu, führt dies zu einer übergeordneten Betrach- tungsweise und stellt naturgemäß Fragen nach den verwendeten Werkstoffen. Die Reduzierung des Energieverbrau- ches wird nun auf zweierlei Weise re- alisiert. Zum einen haben sich die Wir- kungsgrade der Antriebsquellen in der letzten Zeit signifikant erhöht. Betrachtet man insbesondere die Wirkungsgrade und damit die spezifischen Treibstoffver- Der Druckguss als etabliertes Fertigungsverfahren für Leichtbauteile aus Aluminium- und Magnesium-Legierungen bräuche modernster Dieselmotoren, so ist wird am Gießerei-Institut erforscht. Unten: Aus der Tradition in die Zukunft – auch der Kupolofen erlebt derzeit eine zu konstatieren, dass die durch sie verur- Renaissance. Das Gießerei-Institut der TU Bergakademie Freiberg ist das einzige Institut mit einem Kleinkupolofen. sachte CO2-Emission inzwischen unter de- nen von Hybrid-Fahrzeugen gleicher Leis- tungsdichte liegt. Hier spielt naturgemäß dann die Frage nach dem Fertigungs- und Wartungsaufwand eine wichtige Rolle. Nicht zu vergessen ist aber auch die Entwicklung der Elektronik, die in außer- gewöhnlicher Weise zu den Effizienzstei- gerungen beigetragen hat. Modernes Mo- tormanagement ist ohne sie nicht mehr denkbar. Auf der anderen Seite ergeben sich durch konsequente Nutzung des Leicht- baus weitere Einsparungspotenziale. Die- se sind vor allem dort zu finden, wo stark schwankende Geschwindigkeiten mit häu- figem Abbremsen bzw. Beschleunigen zu einem erhöhten Treibstoffverbrauch führen. Ebenso spielt das Gewicht eine Rolle, wenn es sich um Strecken mit starken Höhenun- terschieden handelt. Die Verminderung des Gewichtes ist demzufolge eine grundsätzli- che Maßnahme zur Reduzierung des Treib- stoffverbrauches. Angemerkt sei jedoch hier, dass häufige Verzögerungs- oder Be- schleunigungsvorgänge durch intelligen- te Verkehrsführungen vermieden werden können. Leichtbaukonzepte müssen nun auf die einzelnen Wirkorte der Komponen- ten angepasst und ausgerichtet werden,

14. Jahrgang 2007 27 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik da die unterschiedlichsten Bedingungen vorliegen. Im Bereich des Antriebs und im Speziellen bei der Dieselmotorentech- nik stehen höchste thermische Belastun- gen des Zylinderkopfes, der Abgasführung und des Turboladers sowie extrem hohe Belastungen des Zylinderkurbelgehäuses im Vordergrund. Hier gilt es neue Werk- stoffe und neue Fertigungstechnologien zu finden, die den technologsichen Vor- sprung der hiesigen Region halten und ausbauen sowie die oben genannten An- sprüche an die Umwelt erfüllen. Anders sieht die Situation im Bereich des Fahrwerks aus. Leichtbau zur Komfort- steigerung unter gleichzeitiger Beachtung sicherheitsrelevanter Vorgaben, eine kos- tengünstige Fertigung und selbstverständ- lich auch hier die Recyclierbarkeit sind Abb. 1: Anstieg des Spritzdrucks bei PKW-Dieselmotoren1 permanente Entwicklungsthemen. Dabei stellen sich Ansprüche an Steifigkeit, Duk- tuellen Zielsetzungen der Weiterentwick- wird die geometrische Gestaltungsfreiheit tilität, Energieaufnahmevermögen genau- lung von Verbrennungsmotoren. durch die Nutzung der Mehrventiltechno- so wie ein möglichst hohes akustisches Besonders im Bereich direkt einge- logie stark eingeschränkt. Insgesamt kann Dämpfungsvermögen, da Geräuschemissi- spritzter hoch aufgeladener Dieselmoto- hinsichtlich der heute eingesetzten Werk- onen ebenfalls die Umwelt belasten. ren sowie bei direkt eingespritzten Otto- stoffe festgestellt werden, dass vor dem Die Fahrzeugstruktur, d. h. die Karos- motoren stellt der Zylinderkopf derzeit das Hintergrund des steigenden Leistungsni- serie, verlangt nach einem steifen, Crash- kritischste Bauteil dar. Erhöhte spezifische veaus, sinkender Motorgewichte und zu- optimierten Konzept, geringen Schwin- Leistungen führen zu höheren Bauteiltem- nehmender thermischer und mechani- gungseigenschaften und selbstverständ- peraturen und steigende Zünddrücke, wie scher Belastungen die Werkstoffausnut- lich einem niedrigen cw-Wert. Gerade die in Abbildung 1 gezeigt, erhöhen erheblich zung der Zylinderköpfe vielfach bis in den Analyse von Unfällen zeigt nun, dass hier die mechanische Belastung. Parallel dazu Grenzbereich optimiert ist. neue Wege beschritten werden müssen, um einen möglichst optimalen Insassen- Tabelle 1: Sollzusammensetzung der optimierten AlMgSi-Legierungen1 (* Maximalwerte) schutz zu realisieren. Erschwerend kom- Variante Gehalte in Gewichtsprozent men hier naturgemäß die geringen Verfor- Mg Si Mn Fe Ti Cr V Ni Cu Zr Sc Al mungswege hinzu, die einen kontinuierlich langsamen Energieabbau verhindern, so 5 5.5 2.3 0.6 0.2* 0.15 0.2 0.2 1.5 0.5 0 0 Rest dass auch hier neue Werkstoffe zum Ein- 5.1 5.5 2.3 0.2 0.2* 0.15 0.2 0.2 0 0 0 0 Rest satz kommen müssen. 5.2 5.5 2.3 0 0.2* 0.15 0 0.2 0 0 0.08 0.15 Rest Im Folgenden werden aus den ange- 8 3.3 1.1 0.6 0.2* 0.15 0.2 0.2 1.5 0 0 0 Rest sprochenen Gebieten einige Beispiele dar- gestellt, die den Beitrag des Gießerei-Insti- 8.1 3.3 1.1 0.2 0.2* 0.15 0.2 0.2 0 0 0 0 Rest tutes in der Grundlagenentwicklung neu- 8.2 3.3 1.1 0 0.2* 0.15 0 0.2 0 0 0.08 0.15 Rest er Werkstoffe für automobile Adaptionen 8.3 3.3 1.1 0.2 0.2* 0.15 0.2 0.2 1.5 0 0.08 0 Rest dokumentieren. Tabelle 2: Sollzusammensetzung der optimierten AlSi6Cu4-Legierungen1 (* Maximalwerte)

Variante Gehalte in Gewichtsprozent Bereich Antrieb: Neue Werkstoffe für hochaufgeladene Si Cu Mg Mn Fe Ag Ti Ni Ce Cr Al Dieselmotor-Zylinderköpfe 11 6.0 3.5 0.5 0.1* 0.15* 0.6 0.2 0.05 0.05 0.05 Rest 11.1 6.0 3.5 0.3 0.1* 0.15* 0 0.2 0.05 0.05 0.05 Rest

Um den weiterhin steigenden Anforderun- 11.2 6.0 3.5 0.3 0.1* 0.15* 0.3 0.2 0.05 0.05 0.05 Rest gen der Kunden und der Politik im Auto- mobilbau gerecht zu werden, müssen die Tabelle 3: Sollzusammensetzung der optimierten AlCu5Mn-Legierungen1 Automobilkonzerne und ihre Zulieferfir- men immer schneller innovative Ideen be- Variante Gehalte in Gewichtsprozent züglich Design, Prozessoptimierung und Cu Mn Fe Ti Zr V Cr Ni Ce Co Al Werkstoffe entwickeln und in die Serie um- 27 5 0.8 0.15* 0.2 0.2 0.3 0.2 0.2 0.2 0.2 Rest setzen. Dabei ist die Werkstoffinnovation 27.1 5 0.4 0.15* 0.2 0.2 0.3 0.2 0.2 0.2 0.2 Rest ein Schlüsselelement zur Optimierung der Bauteileigenschaften speziell für die ak- 29 5 0.4 0.15* 0.2 0.2 0.3 0 0.4 0.4 0 Rest

28 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Im Rahmen einer Arbeit am Gießerei- der Erstarrung bestimmen können, ist für te Verschlechterung der Streckgrenze bei Institut werden durch Optimierung und eine Gusslegierung aufgrund der benö- der neuen Legierung sichtbar geworden. Weiterentwicklung bestehender Alumini- tigten Freiheitsgrade (teilweise mehr als Da der Abfall der Eigenschaften der Le- umwerkstoffe Legierungen für den Ein- 10 Elemente) und der Annahme der un- gierung AlCu5MnNiCe bei thermischer Be- satz im Motorenbereich für deutlich höhe- endlich langsamen Erstarrung nicht sinn- anspruchung sehr gering ist, kann dar- re Temperaturbelastungen entwickelt. Die voll. Deswegen wurden aus dem System aus die Schlussfolgerung gezogen werden, Ergebnisse sollen die stetigen Bemühun- AlMg, AlSi und AlCu verschiedene Grund- dass sich die Eigenschaftskonstellation der gen um die Reduzierung von Emissionen legierungen mit unterschiedlichen Zusät- beiden Legierungen nicht wesentlich verän- der Kraftfahrzeuge durch effektivere An- zen und Zusatzmengen ausgewählt, um dert. Durch eine geänderte Wärmebehand- triebsquellen und werkstofftechnischen auf einer sehr breitgefächerten Grundla- lung ist die Erhöhung der Streckgrenze, mit Leichtbau unterstützen. Die neuen Legie- ge möglichst eine Legierung herauszuar- einer einhergehenden Verringerung der rungen sollen sowohl im Sand- als auch beiten, welche den hohen Anforderungen Bruchdehnung, vorstellbar. Somit dürfte die im Kokillenguss gleichzeitig mehrere kon- künftiger Zylinderköpfe gerecht wird. neue Legierung AlCu5MnNiCe der Legie- kurrierende Anforderungen erfüllen, wel- Um die Eigenschaften der neuen Legie- rung AlCu5Ni1CoSbZr überlegen sein. Des che jedoch nicht alle im Rahmen dieser rungen einstufen zu können, wurde paral- weiteren muss darauf hingewiesen wer- Arbeit überprüft werden konnten: lel die Zylinderkopflegierung AlSi7Mg mit den, dass die neue Legierung Sb-frei ist, • hohe Festigkeit und Dehnung sowohl untersucht. Als zusätzliche Legierungs- d. h. die Handhabung beim Recycling ver- bei Raumtemperatur als auch bei er- elemente wurden in unterschiedlichen einfacht sich und auch die Gesundheits- höhten Temperaturen (bis zu 300 ˚C), Gehalten Titan, Chrom, Vanadin, Nickel, und Umweltbelastungen beim Umgang • hohe Härte, Kupfer, Cer, Silber, Yttrium, Kobalt und Zir- (Schmelze, Krätze) mit der Legierung ver- • gute Gießeigenschaften mit niedriger kon zugesetzt. Die Gegenüberstellung der bessern sich deutlich. Warmrissanfälligkeit, besten Legierungen der verschiedenen Le- Um die von der Abkühlungsgeschwin- • hohe Wärme- und Temperaturleitfähig- gierungssysteme aus diesen Versuchsrei- digkeit ausgehenden unterschiedlichen keit, hen zeigte, dass zumindest die Varianten Eigenschaften zu berücksichtigen, erfolg- • hohe Kriechbeständigkeit, AlMg3Si1 und AlSi6Cu4 nach einer Lang- te der Abguss der Legierungen in Kokillen • niedrige thermische Ausdehnung, zeitwarmauslagerung bei 200 ˚C ähnlich und Sandformen. Die daraus gewonnenen • hohe Thermoschockbeständigkeit, gute Eigenschaften wie die AlCu5Mn- Gussteile konnten zum einen sofort aus- • Serientauglichkeit sowie Legierung aufweisen. Bei höheren Aus- gewertet bzw. für die jeweilige Untersu- • ausreichende Bruchzähigkeit, Korrosi- lagerungstemperaturen weist nur noch chung bzw. Prüfung präpariert und spä- onsbeständigkeit und Bearbeitbarkeit. die Legierungsvariante AlCu5Mn akzepta- ter analysiert werden. Die Festlegung der Diese Anforderungen lassen sich durch ble Werte auf. Aus diesem Grund wurde Wärmebehandlung erfolgte unter Berück- eine Legierungsmodifikation, eine Varia- eine weitere Optimierung der Zusammen- sichtigung der DTA- und Dilatometerun- tion der Kristallisationsbedingungen und setzung einzelner Varianten durchgeführt. tersuchungen. Zusätzlich wurden einige eine Anpassung der anschließenden Wär- Die jeweilige Zusammensetzung innerhalb Proben bei unterschiedlichen Temperatu- mebehandlung erfüllen. Durch Hinzufü- der einzelnen Gruppen ist in den Tabellen ren langzeitwarmausgelagert, um den Ei- gen von Legierungselementen, die sphäri- 1 bis 3 dargestellt. Für die Einstufung der genschaftsverlauf bei einer späteren An- sche, intermetallische Phasen bilden und/ Ergebnisse dienen die Diagramme in den wendung zu untersuchen. Neben der Fe- oder die Diffusion verringern, sollen die Abbildungen 2 bis 4, siehe folgende Seite. stellung der gewonnenen mechanischen Hochtemperatureigenschaften verbessert In diesen Diagrammen werden die Ergeb- Eigenschaften erfolgte auch die Bestim- werden. Bei der Auswahl der Legierungen nisse der neuentwickelten Legierungen mung gießtechnologischer und physika- wurde darauf Wert gelegt, dass Legierun- mit Ergebnissen bekannter Zylinderkopf- lischer Eigenschaf-ten sowie eine metal- gen aus der Gruppe AlSi, AlMg und AlCu legierungen verglichen. Speziell ab einer lografische Untersuchung mit Hilfe eines untersucht werden. Für die Bestimmung Auslagerungstemperatur von 200 ˚C wird Licht- und Raster-Elektronen-Mikroskopes des derzeitigen Ist-Zustandes und zum sehr deutlich, dass die neuen Legierungen (REM). Am REM erfolgte die Phasenbe- Vergleich der erhaltenen Ergebnisse dien- den zur Zeit üblichen Legierungen stark stimmung mittels EDX (Energie-Dispersi- te die Legierung AlSi7Mg, welche derzeit überlegen sind. So liegen die Werte der ve-Röntgenanalyse), um die Phasenbil- für höher belastete Zylinderköpfe verwen- neuen Legierungen nach einer Langzeit- dung der verschiedenen Legierungsele- det wird. warmauslagerung von 500 h bei 250 ˚C für mente zu verdeutlichen. Die vielen Veröffentlichungen zum Ein- die Festigkeit ca. doppelt so hoch wie bei Die Ergebnisse wiesen bei den einzel- fluss einzelner Elemente auf Aluminium- den herkömmlichen Legierungen. nen Legierungssystemen teilweise starke legierungen beschränken sich meistens Bei einem direkten Vergleich der neu- Unterschiede auf, welche zum Teil direkt nur auf die Verbesserung einzelner Eigen- entwickelten AlCu4Mn-Legierung mit der auf einzelne Elemente zurückgeführt wer- schaften, ohne auf die negativen Auswir- bisher höchstfesten, aber schwierig zu ver- den konnten. Eine statistische Darstellung kung der Elemente einzugehen. Aus die- gießenden Legierung AlCu5Ni1CoSbZr bezüglich der Auswirkung von verschiede- sem Grund ist es sehr schwierig, Voraus- sind aufgrund der unterschiedlichen Pro- nen Elementen auf die erhaltenen Ergeb- sagen über die vielfältigen Eigenschaften, benbehandlungen während der Messun- nisse ist aufgrund der geringen Zahl der welche bei einer Zylinderkopflegierung nö- gen nur Aussagen zu den Werten beim Freiheitsgrade nicht sinnvoll. tig sind, zu treffen. Auch die Verwendung Guss- und beim T6-Zustand sinnvoll. Bei Aus der Analyse der erhaltenen Eigen- von Simulationsprogrammen, welche das diesen beiden Zuständen ist eine deutli- schaften ist folgendes sichtbar geworden: chemische und thermodynamische Gleich- che Steigerung der Zugfestigkeit und der Während die AlCu5Mn-Legierungen und gewicht von Elementgemischen während Bruchdehnung, aber auch eine leich- speziell die AlMgSi-Legierung mit Sc- und

14. Jahrgang 2007 29 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

Zr-Zusatz im Guss- und wärmebehandel- ten Zustand nur durchschnittliche Ergeb- nisse bei den mechanischen Eigenschaf- ten zeigten, erreichten diese Legierungen nach der Langzeitwarmauslagerung bei erhöhten Temperaturen ein für die ande- ren Legierungsvarianten nicht erreichba- res Eigenschaftsniveau. Bei einer späteren Anwendung muss aber auch darauf ge- achtet werden, dass die AlCu5Mn-Legie- rungen stark zur Bildung von Warmrissen neigen und dass es bei den AlMgSi-Legie- rungen durch den Zusatz von Sc und Zr zu einer leichten Erhöhung der Warmriss- neigung kommt. Des Weiteren wirkt sich ein Sc- und Zr-Zusatz bei den AlMgSi-Le- gierungen besonders positiv auf die Tem- peraturleitfähigkeit aus. So erreichen diese Legierungen ähnlich gute Werte wie die untersuchten AlSi-Legierungen. Die Fes- Abb. 2: Vergleich der Streckgrenzen1 tigkeitssteigerung, vor allem nach thermi- scher Beanspruchung, bei den Sc-haltigen AlMgSi-Legierungen wird durch die Bil- dung thermisch stabiler Ausscheidungen im Mischkristall hervorgerufen. Weitere Schlussfolgerungen sind, dass durch einen Ag-Zusatz bei AlSi6Cu4-Legie- rungen keine relevante Eigenschaftsver- besserung zustande kam. Hingegen wirkt sich bei AlMg3Si1-Legierungen nach einer längeren thermischen Beanspruchung der Zusatz von Ni und Zr leicht festigkeitsstei- gernd aus, auch wird die Legierung weni- ger empfindlich gegenüber Warmrissen. In dieser Arbeit wurde festgestellt, dass für die Werkstoffanforderungen der nächs- ten Motorengenerationen der Einsatz von AlCu- sowie Sc- und Zr-haltige AlMgSi- Legierungen in Frage kommen kann. Für Abb. 3: Vergleich der Zugfestigkeit1 die AlCu5Mn-Legierungen sprechen die guten mechanischen Eigenschaften bei thermischer Beanspruchung, wobei bei der Umsetzung erhöhtes Augenmerk auf die gießtechnische Umsetzung und die Korrosion zu legen ist. Die Frage nach der Korrosionsbeständigkeit stellt sich bei den Sc- und Zr-haltigen AlMgSi-Legierungen nicht. Auch höhere thermische Belastun- gen stellen für diese Legierungen kein Problem dar. Ein Nachteil entsteht bei der wirtschaftlichen Betrachtung, denn durch den Zusatz von Sc erhöht sich der Legie- rungspreis erheblich. Bei einem derzeiti- gen Sc-Preis von ca. 2.000 $ pro kg in einer AlSc2-Vorlegierung ergibt sich bei einem Zusatz von wenigen zehntel Prozent Sc in den AlMgSi-Legierungen ein Kostenmehr- aufwand von ca. 2,60 €/kg. Bei einem Zy- linderkopfgewicht von ca. 17 kg würde sich das Gussteil um etwa 45,00 € verteuern. Auch wenn sich dieser Sachverhalt bei Abb. 4: Vergleich der Härtewerte1

30 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Abb. 5: Aufbau der Vibrationsversuche (links); Ultraschallkokille schematisch und real mit Generator (rechts)

Betrachtung des gesamten Motors bzw. Heutzutage werden die meisten Mag- positive Beeinflussung des Fließ- und späteren Autos relativiert, wird der Einsatz nesiumlegierungen im Druckguss vergos- Formfüllungsvermögens. Als Nachteil er- solcher Legierungen in der nahen Zukunft sen. Der Bereich Sand- und Kokillenguss weisen sich die hohen Investmentkosten5. voraussichtlich erst ab der (oberen) Mittel- wurde deshalb etwas vernachlässigt, ist Vorteil einer physikalischen Kornfeinung klasse beginnen können1. aber nicht minder von Interesse. Leider ist der Verzicht auf chemische Einsatzstof- sind die Forschungen auf diesem Gebiet fe, welche teilweise gesundheitsschädlich, doch sehr zaghaft. Die Erstarrung läuft aber auch umweltschädlich sein können. Physikalische Schmelzebehand- im Gegensatz zum Druckguss verlang- Vibration und Ultraschall beschreiben lung von Magnesiumlegierungen samt ab, weshalb ein gröberes Korn ent- Schwingungsarten, die sich sowohl in ih- steht. Hier müssen Möglichkeiten gesucht ren physikalischen Eigenschaften, als auch Der Werkstoff Magnesium rückte in den werden, um eine Kornfeinung und damit in der Art der Schwingungsausbreitung vergangenen Jahren wieder mehr und auch eine mögliche Eigenschaftsverbes- unterscheiden. Durch Vibrationsschwin- mehr in den Vordergrund, da er auf Grund serung zu erreichen. Dieser Aspekt wird gungen entstehen alternierende Folgen seiner geringen Dichte bei gleichzeitig durch eine physikalische Kornfeinungsbe- von Kompression und Entspannung, die guter Festigkeit ausgezeichnet für Leicht- handlung in Angriff genommen. sich mit Wellencharakter in der Schmelze bauanwendungen geeignet ist. Durch die Die gezielte Einstellung eines feinkör- ausbreiten6. Mit Ultraschall werden allge- Verwendung von Magnesiumlegierungen nigen Gussgefüges erfordert eine Beein- mein elastische Schwingungen mit einer kann im Vergleich zu Aluminium eine Ge- flussung des Erstarrungsablaufs dahin- Frequenz größer 16.000 Hz beschrieben, wichtsreduktion von 40 % erreicht werden. gehend, dass die Keimbildungsgeschwin- deren Wellenlänge in Folge kontinuierli- Leichtbauwerkstoffe kommen vor allem digkeit deutlich höher als die Kristall- cher, harmonischer Erregung wesentlich dort zum Einsatz, wo durch die Verringe- wachstumsgeschwindigkeit ist. Da für die kürzer ist als die von Vibrationen. Es sind rung des Gewichtes erhebliche Energie- technische Realisierung einer Unterküh- dadurch Druckwellen zu erwarten, die sich mengen eingespart werden können. Um lung Grenzen bestehen, muss versucht in der Schmelze mit Schallgeschwindig- diesen Vorteil des Magnesiums weiter werden, Energie in die Schmelze einzu- keit c ausbreiten können7. ausbauen zu können, besteht ein immen- bringen, um dadurch den Keimbildungs- Über die Wirkungsweise physikalischer ser Informations- und Forschungsbedarf prozess zu unterstützen4. Behandlungsmethoden ist sich die Wissen- im Bereich der Magnesiumlegierungen. Der Energieeintrag kann über verschie- schaft derzeit nicht einig. Es werden ver- In den Jahren von 1995 bis 2005 ist dene physikalische Behandlungsmetho- schiedene Mechanismen erwähnt, von de- der Bedarf an Magnesiumdruckgussteilen den erfolgen. Bei dieser Art der Schmelze- nen einige hier genannt werden sollen: von 4.000 auf 18.000 t gestiegen2. Haupt- behandlung werden Verfahren angewandt, • Kavitation8 anwender ist dabei die Automobilindus- mit denen physikalisch auf die Schmelze • Dendritenarmabschmelzen/ trie, wobei versucht wird, den klassischen eingewirkt wird, z. B. Vibration, Ultraschall Strömung9, 10, 11 Konstruktionswerkstoff Stahl zu substitu- oder magnetisches Rühren, um das Gefü- • Viskose Scherung12 ieren. Ein weiterer Anwender ist die Elek- ge der erstarrenden Schmelze zu beein- • Dendritenarmabbrechen13 troindustrie, die für ihre hochwertigen Ge- flussen. Mit Hilfe dieser Verfahren kommt • Durchbiegung von Dendritenarmen14, 15 rätegehäuse auf Magnesiumlegierungen es zu einem Energieeintrag in die erstar- • Kristallschauermechanismus16 zurückgreift. Dabei ist jedoch nicht nur rende Schmelze. Ziel einer solchen Beein- Ausgehend vom Stand der Wissenschaft die Gewichtsersparnis von Interesse, son- flussung kann es sein, ein korngefeintes sollte versucht werden eine Kornfeinung dern auch Vorteile im Bereich der elekt- Gefüge zu erreichen, wodurch auch wich- mit einhergehender Verbesserung der me- romagnetischen Abschirmung und Wär- tige mechanische Eigenschaften verbes- chanischen Eigenschaften zu erreichen. meabfuhr3. Dies zeigt die Wichtigkeit der sert werden können. Andere mögliche Dafür wurden sowohl mittels Vibration als Weiterentwicklung von Magnesiumlegie- Anwendungen sind: die Entgasung der auch mittels Ultraschall Versuche durchge- rungen, um dem steigenden Bedarf und Schmelze, verbesserte Dispersion von Le- führt. Die dafür verwendeten Versuchsauf- den Anforderungen gerecht zu werden. gierungsbestandteilen, Filtration sowie die bauten sind in Abbildung 5 dargestellt.

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Der linke Bildteil zeigt den verwendeten Vibrationstisch mit einer darauf befestig- ten, furanharzgebundenen Form zur Her- stellung von Zugstäben. Mit Hilfe einer Frequenzvariation im Bereich 0 bis 40 Hz wurde versucht, eine Beeinflussung der Be- schleunigung der Form und der Amplitude zu bewirken, in deren Folge eine Gefüge- feinung erreicht werden sollte. Im rechten Bildteil ist die zur Durchführung von Ultra- schallversuchen verwendete Kokille darge- stellt. Bei dieser Versuchsreihe wurde eine konstante Frequenz von ca. 19 kHz auf die Kokille übertragen. An Hand einer Amplitu- denvariation sollte in dieser Versuchsreihe eine Kornfeinung bewirkt und somit eine Verbesserung der mechanischen Eigen- schaften erreicht werden. Die vorliegenden Ergebnisse bei der Le- gierung AZ 91 (MgAl9Zn1) werden im Fol- genden entsprechend ihrem angewand- ten Behandlungsverfahren diskutiert. Zur Auswertung der Ergebnisse wurden Ab- kühlkurven aufgenommen, metallogra- fische Gefügeuntersuchungen durchge- führt und mechanische Kennwerte er- mittelt. Der erste Teil der Betrachtungen beschäftigt sich mit den Ergebnissen der Vibrationsbehandlung. Ausgehend von der Annahme, dass in Folge der Behand- lung eine Veränderung der Abkühlkurven eingetreten ist, kann eine Gefügeverände- rung erwartet werden. Untersucht wurde eine eventuelle Abhängigkeit der Korngrö- ße und der Festigkeitswerte in Abhängig- keit von Frequenz, Schwingungsamplitude und Beschleunigung. Es konnte nur für die Schwingungsam- plitude eine geringfügige Beeinflussung festgestellt werden (Abbildung 6). Es ist zu erkennen, dass die Korngröße bei Ampli- tudenwerten um 0,2 mm etwas kleiner ge- Abb. 6: Korngröße und Festigkeit in Abhängigkeit von der Schwingungsamplitude worden ist als bei der unvibrierten Probe. Bei den höheren Schwingungsamplituden und der Bruchdehnung. Bei den Härte- die Schwingungsamplitude variiert. Die Er- wird die Korngröße deutlich größer als der werten konnten sowohl erhöhte als auch gebnisse der Korngrößenbestimmung und Ausgangswert. Ausgehend davon ist mit verringerte Werte nachgewiesen werden. der Festigkeitsmessung werden in Abbil- einem Anstieg der Festigkeit für die nied- Für keine der betrachteten Eigenschaften dung 7 gezeigt. Es wird deutlich, dass die rigen Amplitudenwerte und einer Abnah- konnte eine deutliche Abhängigkeit von Korngröße im Bereich der Schwingungs- me für die höheren Werte zu rechnen. Wie der Schwingungsamplitude und der Be- amplitude von 0,3 bis 0,7 μm kleiner ist als die untere Abbildung zeigt, steigt jedoch schleunigung festgestellt werden. Einzig in der Referenzprobe. Damit einhergehend für alle untersuchten Proben die Zugfes- der bekannte Effekt, dass eine langsame- ist die Festigkeit größer. Mit weiter zuneh- tigkeit, bei gleichbleibender Streckgrenze, re Abkühlung ein gröberes Korn zur Fol- mender Amplitude nimmt die Korngröße leicht an. Eine Erklärung für diesen Effekt ge hat, konnte anhand der Gefüge und zu. Die Festigkeit fällt entsprechend ab, ist nicht eindeutig möglich, da auch in der der Abkühlkurven gezeigt werden. Mit zu- bleibt aber trotzdem größer als die der Re- Literatur verschiedene Theorien kursieren. nehmender Frequenz werden die Zugfes- ferenzprobe. Die Kornfeinung ist in Abbil- Zusammenfassend kann gesagt wer- tigkeit und die Bruchdehnung tendenziell dung 8 dargestellt: links die Referenzpro- den: Infolge der Vibration treten sowohl kleiner, trotz allgemeiner Zunahme gegen- be, rechts die Gefügeaufnahme der Probe Kornvergöberungs- als auch Kornfei- über der Referenzprobe. mit einer Amplitude von 0,33 μm. nungseffekte auf. Die vibrierten Proben Ein weiterer Punkt der Untersuchun- Zusammenfassend für die Ultraschall- zeigten gegenüber der Referenzprobe ei- gen war die Beeinflussung der Korngröße behandlung kann gesagt werden: Die nen geringen Anstieg bei der Zugfestigkeit mittels Ultraschall. Dabei wurde ebenfalls Korngröße steigt nach anfänglichem Ab-

32 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg fall tendenziell mit der Amplitude an. Die Zugfestigkeit steigt mit der Amplitude bis zu einem Maximum ebenfalls und fällt dann auf einen Wert oberhalb des Aus- gangswertes ab. Mit Hilfe der physikalischen Schmelze- behandlungsverfahren Vibration und Ultra- schall konnten eine Gefügebeeinflussung und eine Steigerung der Festigkeit erreicht werden. Als Folge der Vibrationsversuche konnte eine Festigkeitssteigerung um 10– 15 N/mm2 beobachtet werden. Durch die Ultraschallbehandlung konnte eine maxi- male Festigkeitssteigerung um 30 N/mm2 erreicht werden. Die Ergebnisse sind von den Behandlungsparametern abhängig.

Magnetofluiddynamische Abb. 7: Korngröße und Zugfestigkeit in Abhängigkeit der Amplitude Änderungen der Erstarrungs- morphologie von Leichtmetall- Gusswerkstoffen

Die gießtechnische Beeinflussbarkeit der Eigenschaften beruht auf den physikali- schen Grundlagen der Strömungsmecha- nik und der Thermodynamik. Mit den ge- nutzten Guss- und Formwerkstoffen wer- den aber durch physikalische Parameter Grenzen gesetzt, die oftmals automobil- technische Entwicklungen bremsen. Eine Abb. 8: Gefügeaufnahmen AZ 91; links: ohne Behandlung; rechts: Ultraschallbehandlung, Amplitude: 0,33 μm Aufweitung der Grenzen während der Erstarrung kann nun durch gezielte Be- der Schmelze kurz über und im Bereich • Einstellung eines feinen Gefüges und einflussung des Temperaturgradienten der zwischen Liquidus- und Solidus-Zone so- Verbesserung der Dichtspeisung Erstarrungsfront und deren Geschwindig- wohl an einfachen Proben in verlorenen • gleichmäßige Verteilung ausgeschiede- keit erreicht werden; Ansatz ist hier die Formen (Sandguss) als auch an praxis- ner Phasen oder Partikel Nutzung der Magnetofluiddynamik. relevanten, komplexen, in der Wanddicke • Bestimmung der Abhängigkeiten von Das Projekt „Magnetofluiddynamische stark differierenden Gussteilen untersucht Werkstoffstrukturen von den Magnet- Änderungen der Erstarrungsmorphologie werden. feldparametern bei unterschiedlichen von Leichtmetall-Gusswerkstoffen“ wird Die Konvektion der Schmelze aufgrund Geometrien seit 2002 als Teilprojekt des Sonderfor- der Magnetfelder führt zur Veränderung • Übertragung und Verifizierung der An- schungsbereiches 609, „Elektromagneti- der Temperaturverhältnisse im Bereich der sätze der numerischen Modellierung sche Strömungsbeeinflussung in Metal- flüssigen Schmelze im Gussteil, insbeson- makroskopischer und mikroskopischer lurgie, Kristallzüchtung und Elektroche- dere vor der Erstarrungsfront. Diese Ver- Erstarrungsabläufe aus anderen Teilpro- mie“ der Deutschen Forschungsgemein- änderung wirkt sich auf den Temperatur- jekten des Sonderforschungsbereichs schaft am Gießerei-Institut der TU Berg- gradienten in der flüssigen Schmelze und auf praxisrelevante Experimente akademie Freiberg bearbeitet. Im Projekt somit auf die Keimwachstumsgeschwin- Als Grundlage für das Forschungsprojekt werden die Einflüsse elektromagnetischer digkeit aus. Dadurch kann Einfluss auf dient ein Spulensystem (Abbildung 9), mit Felder (transversaler Magnetfelder) auf die die Gefügemorphologie, die Speisungsei- dem das transversale Magnetfeld (TMF) er- Erstarrungsmorphologie sowie das Gefü- genschaften (Dichtspeisung) und auf die zeugt wird. Die durch den Praxisbezug des ge von Leichtmetalllegierungen (Al, Mg) Erstarrungsbandbreite der Gussteilpartien Forschungsvorhabens bedingten geometri- bei der Anwendung in der Gießereitech- genommen werden. Konkrete Ziele der schen Abmessungen der Proben machten nik untersucht. Bei in der Praxis häufig Forschungsarbeit sind: es dabei erforderlich, ein Spulensystem ei- eingesetzten Gusslegierungen treten Fehl- • gezielte Beeinflussung von Temperatur- gens für das Gießerei-Institut zu konzipie- stellen (z.B. Mikrolunker) auf, die zur Ver- gradienten und Wachstumsgeschwin- ren und aufzubauen. Das Kernstück bilden schlechterung mechanischer Kennwerte digkeit, um durch Veränderung des G/V- zwölf wassergekühlte Ringspulen, die zu führen. Die aufgetretenen Fehlstellen sind Verhältnisses die Morphologie der Er- sechs Spulenpaketen zusammengefasst auf ein breites Erstarrungsintervall zurück- starrung (globular, dendritisch, zellular) und übereinander angeordnet sind (Abbil- zuführen. Insbesondere bei großen, lang- zu ändern dung 10). Der Spuleninnenraum für zu un- sam erstarrenden Gussteilen soll daher • Reduzierung der Mikrolunker durch Ver- tersuchende Proben weist dadurch einen der Einfluss einer intensiven Bewegung kleinerung der Erstarrungsbandbreite Durchmesser von 300 mm und eine Höhe

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von 500 mm auf. Durch die phasenverscho- bene elektrische Verschaltung der Spulen entsteht, dem sinusförmigen Verlauf des Wechselstroms folgend, zu unterschiedli- chen Zeitpunkten an den einzelnen Spulen die maximale Induktion und somit das ma- ximale Magnetfeld. Es kann somit von ei- nem „wandelnden Magnetfeld“ gesprochen werden, das mit seinen Maxima das Spu- lensystem von oben nach unten durchläuft. Dieses Magnetfeld koppelt an die flüssige Schmelze an und verursacht eine Konvek- tion in der flüssigen Schmelze der Proben. Auf diese Weise wird die Möglichkeit der Strömungsbeeinflussung zur Strukturver- änderung in den Proben genutzt. Durch eine regelbare Wechselstromquelle kann bei 50 Hz eine Magnetfeldstärke bis 18 mT erzeugt werden; für den Betrieb des Spu- lensystems sind außerdem eine elektrische Abb. 9: Spulensystem an der TU Bergakademie Freiberg mit Kühl- und Steuereinheit Steuereinheit und ein überwachtes Kühl- system nötig (Abbildung 9). Abb. 10: Anordnung der Spulenpakete Eine Besonderheit stellt die Tatsache dar, dass in dieser Versuchsanlage zur Zeit Werkstoffe mit Schmelztemperaturen Abb. 11 (unten links und rechts.): bis 1200 ˚C in Sandformen abgegossen präparierte Sandform mit Thermoelementen werden können. Dabei ermöglichen in die Sandformen integrierte Thermoelemente (Abbildung 11) die Aufzeichnung der Tem- peraturen während der Versuche. Bei den Formen handelt es sich um furanharzge- bundene Sandformen, mit denen Proben unterschiedlicher Geometrien mit praxis- relevanten Abmessungen laut Abbildung 12 hergestellt werden. In der Projektbearbeitung werden im Wesentlichen drei Untersuchungsrichtun- gen verfolgt. 1.) Zur Einstellung der Korngröße (Mor- phologie) durch transversale Magnetfelder findet eine AlSi7Mg-Legierung Anwen- dung. Bei der Erstarrung der zylindrischen Probekörper in einer Sandform werden diese einem transversalen Magnetfeld von unterschiedlicher Intensität und Richtung Abb. 12: bis max. 12 mT ausgesetzt. Mit steigen- Probegeometrien der Magnetfeldstärke ist deutlich eine Ab- nahme der Korngröße zu erkennen (Ab- bildung 13). Gleichzeitig treten Verände- rungen im Verlauf der Abkühlkurven der Probekörper auf. Mit zunehmender Mag- netfeldstärke ist ein abnehmender Tempe- raturgradient in der Probe zu verzeichnen, der sich durch einen deckungsgleichen Verlauf der Abkühlkurven der einzelnen Thermoelemente darstellt. 2.) Die Verbesserung der Dichtspei- sung sowie die positive Beeinflussung der Gießeigenschaften im Speisersystem (Nachspeisung) durch Einwirkung eines transversalen Magnetfeldes während des

34 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg der Hauptsache Hohlkugeln, werden in den entstehenden Zwischenräumen durch eine Metallschmelze infiltriert. Daraus bil- det sich eine geschlossenporige Schaum- struktur. Der Vorteil liegt hier in einer innerhalb eines Gussteiles nur partiell ausgebildeten Schaumstruktur mit mas- siven Partien zur Einleitung von Kräften. Darüber hinaus kann durch unabhängi- ge Variation der einzelnen Parameter wie Matrixlegierung, Geometrie, Dichte und Zellstruktur die Eigenschaften des End- produktes in einem breiten Spektrum va- riiert werden. Angewendet werden können diese Werkstoffe im Bereich der Automobiltech- nik für energieabsorbierende Elemente im Vorder- und besonders im Seitenbereich sowie zur Reduzierung der Geräuschemis- sion von Antrieb, Fahrwerk und Struktur. Weiterhin bieten diese Werkstoffe Anwen- Abb. 13: Abnahme der Korngröße mit zunehmender Magnetfeldstärke. Oben: Magnetfeldstärke 0mT, Mitte: Magnetfeld- dungsbereiche in der Werkzeugmaschi- stärke 8mT, unten: Magnetfeldstärke 12mT nen-Industrie zur Dämpfung von Eigen- schwingungen und zur Aussteifung von Erstarrungsprozesses kann an der Al- der Gießereitechnik (Stahl, Eisen, Bronze, Maschinenbauteilen. Si7Mg-Legierung dargestellt werden. Dazu Leichtmetall) größere Bedeutung, weil sie In ausgedehnten Versuchsreihen am dient eine zylindrische, abgestufte Probe unabhängig vom Temperaturregime stabil Gießerei-Institut wurden grundlegende (Abbildung 12) mit einem geringen Quer- bleiben und die Möglichkeit zur Herstel- Zusammenhänge zwischen der Art und schnitt im oberen Bereich zur Formfüllung lung von Gradientenwerkstoffen bieten. der Geometrie der Füllstoffe, dem Matrix- und einem zusätzlichen Speiser. Anhand In die Untersuchungen sollen in der material und dessen metallurgischer sowie von Computertomografie-Aufnahmen sind Praxis übliche Leichtmetall- (Al, Mg) und gießtechnischer Behandlung und den da- eine Verringerung der Lunkergröße in der Cu-Legierungen einbezogen werden. Da- raus resultierenden Eigenschaften ermit- Probenmitte und eine Lunkerverschiebung raus ergeben sich Parallelen zum Basis- telt. Als Füllkörper kamen Mineralschaum- in horizontaler Richtung bei zunehmender werkstoff Stahl mit homogen eingelager- granulate mit Kornfraktionen von 2–8 mm, Magnetfeldstärke festzustellen. Somit kann ten Partikeln17. Eisenhohlkugeln mit 2–3 mm Korndurch- auf eine Verbesserung der Formfülleigen- messer sowie Korundhohlkugeln zum Ein- schaften geschlossen werden. satz. Als Matrixmaterial wurden Magnesi- 3.) Das gleichmäßige Verteilen einge- Inhomogene Werkstoffe mit um-, Aluminium-, Zink- und Eisenlegie- brachter oder ausgeschiedener Partikel gegossener metallischer Matrix rungen bis hin zum Stahl untersucht. Die wird in verschiedenen parallelen Arbeits- Auswertung bezog sich dann auf die Be- schritten untersucht. Zum einen ist die Massive Konstruktionswerkstoffe werden stimmung von Eigenschaften im einaxia- Einstellung der Korngröße bei mit Titan durch Kennzahlen wie Elastizitätsmodul, len Druckversuch, die Ermittlung der Elas- korngefeinten AlSi7Mg-Legierungen zu Festigkeit und Bruchdehnung, Dauer- tizitätsmoduli sowie der Energieaufnahme nennen, bei der mit Zunahme der Magnet- festigkeit oder chemische Eigenschaften im Crash-Versuch und besonders auf die feldstärke eine Kornvergrößerung über das beschrieben. Die Entwicklung moderner akustischen Eigenschaften. gesamte Bauteil eintritt. Zum anderen fin- Verkehrsmittel verlangt aber nun Werk- Es konnte ein eindeutiger Zusammen- den Vorversuche mit Materialien statt, die stoffe, die einem anderen Anforderungs- hang zwischen der Granulatfraktion und eine wesentlich höhere Dichte als Alumini- profil entsprechen müssen. Beispielhaft dem Lastplateau im Druckversuch nachge- umlegierungen besitzen (z. B. Kupfer). hierfür seien Werkstoffe für die Energie- wiesen werden, wobei das kleinste Durch- Im Verlauf der Forschungsarbeit wur- absorption im Crash-Fall oder Werkstoffe messerverhältnis naturgemäß die besten den thermophysikalische Grenzen (Wär- mit Dämpfungseigenschaften genannt. Eigenschaften erbrachte. Durch eine Wär- meleitung, Wärmeübergänge) erreicht. Hier hat sich eine neue Gruppe nicht mebehandlung ist im Vergleich zum Guss- Daher ist in der Perspektive der Einsatz homogener Werkstoffe, d. h. zellularer zustand weiterhin eine Festigkeitssteige- neuer Magnetfeldqualitäten (variable Fre- Metalle oder Metallschäume heraus- rung erreichbar. Die Veredelung des eutek- quenzen, Pulsung des Magnetfeldes) be- gebildet. Eine Untergruppe davon sind tischen Siliziums in Aluminiumschmelzen absichtigt. Auf deren Grundlage kann im syntaktische Metallschäume, die durch bewirkt eine weitere Erhöhung der Druck- Weiteren die Kornfeinung, z.B. durch das Zusammensetzung zweier Komponen- festigkeit und beeinflusst insgesamt die Einbringen von Kornfeinungsmitteln (Na- ten, dem Füll- und dem Matrixmaterial, Charakteristik der plastischen Verformung. nopartikel) und deren Verteilung praxis- einen neuen Werkstoff darstellen. Die in Die Verformungsgeschwindigkeit selbst hat relevant untersucht werden. Nanopartikel einer Schüttung oder zu einem eigensta- hingegen keinen gravierenden Einfluss auf gewinnen in den verschiedenen Sparten bilen Kern geformten Füllmaterialien, in den Spannungsverlauf.

14. Jahrgang 2007 35 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

Der Elastizitätsmodul des Materials wurde durch zweierlei Methoden ermittelt: • über die Messung des Anstieges nach einem Hysteresezyklus im linearelas- tischen Bereich der Spannungs-Deh- nungs-Kurve im Druckversuch und • dynamisch durch die Bestimmung der Resonanzfrequenz. Beide Messungen haben übereinstim- mende Werte gebracht und gezeigt, dass auch hier das feinere Granulat zu höheren Werten führt. Vergleicht man nun die spezifischen Druckfestigkeitswerte, d. h. unter Berück- sichtigung des Verhältnisses Spannung zu Dichte, so ergibt sich, wie in Abbildung 14 dargestellt, eine Steigerung der spezifi- schen Druckfestigkeit von Zinkmatrix mit Mineralschaumkugeln hin zu hohen spe- zifischen Eigenschaften bei Magnesium mit Eisenhohlkugeln. Abb. 14: Vergleich spezifischer Druckfestigkeitswerte der mit unterschiedlichen Matrix- und Füllmaterialien hergestellten Diese Ergebnisse zeigen insgesamt, syntaktischen Metallschäume dass sowohl mit der Variation der Füllma- terialien als auch des Matrixmaterials und Diese Ergebnisse wurden nun genutzt, suchungen wurde das in Abbildung 15 seiner metallurgischen Behandlung eine um einen Demonstrator herzustellen und dargestellte Bauteil, ein Getriebequerträ- breite Palette von Eigenschaften einge- hinsichtlich seiner akustischen Eigen- ger aus Aluminiumguss für ein Oberklas- stellt werden kann. schaften zu untersuchen. Für die Unter- sefahrzeug, ausgewählt.

Abb. 15: PKW Querträger aus Aluminium im Originalzustand, mit Rippenstruktur

Abb. 16: Gießform mit (a) Metallschaum-Dauerkern und (b) im originalen Zustand

36 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Im Serienzustand wird die erforderliche Steifigkeit durch eine Verrippung gewähr- leistet, welche auf der zugbelasteten Seite des Gussstückes über die gesamte Län- ge vorgesehen ist. Für die Versuche wur- de diese Verrippung durch einen Metall- schaum-Dauerkern ersetzt und als dann geschlossenes Profil gegossen. Die Lage des Dauerkerns ist in Abbil- dung 16 verdeutlicht. Ergebnisse einer Untersuchung der Versuchsteile zeigen die Röntgentomographiebilder in Abbil- dung 17. Als Vergleich dazu wurde noch ein massives Aluminiumgussteil gegos- sen. Die akustische Untersuchung erfolgte mittels experimenteller Modalanalyse und Charakterisierung der Eigenfrequenzen der Bauteile. In Bild 18 sind die Ergebnisse dieser Untersuchungen dargestellt. Die Auswer- tung erfolgte im Frequenzbereich von 1000–3200 Hz. Die Spitzenwerte im Dia- gramm kennzeichnen die Eigenfrequen- zen der Struktur, bei denen besonders hef- tige Reaktionen mit hohen Auslenkungen auftreten. Mit jeder dieser Eigenfrequen- zen ist eine charakteristische Eigenschwin- gungsform der Struktur verbunden. Weiter- hin charakterisieren die Eigenfrequenzen Abb. 17: Röntgentomographische Aufnahmen eines Probekörpers. (Gussteil: AlSi7Mg, Dauerkern: Aluminiummatrix jeweiliger Schwingungsmoden die dyna- mit KeraBims Granulat 2–4mm) mische Steifigkeit des Bauteiles. Bei der Untersuchung der Dämpfung, d. h. Verrin- gerung der Amplitude bzw. der Intensität einer Schwingung wurde die Dämpfung der jeweiligen Eigenform bestimmt. Als Er- gebnis kam insgesamt mit der Erhöhung der ersten drei Eigenfrequenzen des Guss- teiles mit Schaumkern eine Erhöhung der dynamischen Steifigkeit des Bauteiles hinsichtlich Längs-, Torsions- und Biege- schwingung zustande. Die Veränderungen der Intensität und Form der Eigenfrequenzspitzen zeigen weiterhin, dass das mit Dauerkern herge- stellte Gussteil bei verschiedenen Eigen- formen verbesserte Dämpfungswerte auf- weist. Allerdings konnte die Intensität der Biegeschwingung hier nicht erhöht wer- den. Diese Arbeiten wurden nicht mit geo- metrieoptimierten Komponenten durchge- führt, so dass mit weiteren Untersuchun- gen die vorhandenen Potenziale besser Abb. 18: MPF und ausgewählte Eigenschwingungsformen genutzt werden können. Insbesondere bieten hier geordnete oder gradiert gestal- eines der wichtigsten Betätigungsfelder Freiberg wird diese Chancen nutzen und tete Porenstrukturen noch beträchtliche in der Entwicklung zukünftiger Verkehrs- auch zukünftig mit der Automobilindus- Optimierungsmöglichkeiten. mittel. Neben immer subtiler werdenden trie und ihren Zulieferern neue Wege zu Insgesamt beweisen diese Werkstoff- Konstruktionsprinzipien bietet die Werk- verbrauchs- und emissionsarmen Kraft- gruppen, dass zur Nutzung des Zusam- stoffentwicklung noch eine breite Palette fahrzeugen suchen18. menhangs zwischen Akustik und Leicht- von Möglichkeiten und demzufolge noch bau noch viele Möglichkeiten bestehen. ein erhebliches Optimierungspotenzial. Literatur zu diesem Beitrag siehe unter: Die Reduzierung bewegter Massen ist Das Gießerei-Institut der TU Bergakademie http://www.tu-freiberg.de/~vff/

14. Jahrgang 2007 37 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik Aus dem Labor in die ganze Welt Eine Freiberger Unternehmensgeschichte

Die TU Bergakademie Freiberg ist mit ih- rer industrienahen Forschung ein idealer Inkubator, wo Gründungsideen unterneh- merisch ambitionierter Studenten oder Absolventen entstehen und gefördert werden. Ergänzend dazu bietet das Frei- berger Gründerzentrum „GIZEF“ diesen innovativen Ideenträgern den Raum und vor allem auch einen Platz, die Infrastruk- tur und gute Konditionen, um ihre Ge- schäftsidee als angehende Unternehmer in der Start-Up-Phase umzusetzen. Wenn es den Jungunternehmern gelingt, ihre Abb. 1: Silex®-Schmelzspinnprozess Geschäftsidee am Markt gewinnbringend zu etablieren, dann sind solche Techno- den. Diese angewandte Forschung in Zu- führt wird. Dieser Prozess – auch Silex®- logieunternehmen aufgrund einer nach- sammenarbeit mit der Industrie erforderte Prozess genannt, erzeugt einheitliche Fa- haltigen Wertschöpfung durch Produktion einen vollständigen Überblick über den serdurchmesser mit einer geringen Grö- mit einem oft hohen Forschungs- und Weltmarkt hochtemperaturbeständiger Fa- ßenverteilung und einer gleichbleibenden Entwicklungsanteil ein strategischer regi- sern, deren Produkte und Applikationen. Temperaturbeständigkeit von über 1000 ĮC. onaler Wachstumsfaktor. Oft werden diese belChem realisierte mit diesem Wissen Die Silex®-Fasern besitzen eine porenar- Unternehmen zu einer Quelle von erneu- im Gründungsjahr 1997 erste Labormus- me Oberfläche sowie sehr gute mecha- ten Spin-offs bzw. zu Katalysatoren für die ter einer neuen textilen und voluminösen nische Fasercharakteristika. Die textilen Ansiedelung von Zulieferern und Koope- Stapelfaser, die aus einer siliciumdioxid- Eigenschaften dieses Produktes haben rationspartnern. Das schafft Arbeitsplätze reichen Schmelze kontinuierlich gezogen sich in den zurückliegenden Jahren zum auf allen Qualifikationsebenen mit lang- und danach mittels Ionenaustauschreak- Maßstab im globalen Markt für anorga- fristigen Perspektiven für Menschen, die tionen in eine amorphe Kieselsäure über- nische Fasern entwickelt. Aufgrund ihrer sich hier in der Region eine solide Exis- tenz aufbauen wollen. Die belChem fiber materials GmbH ist ein Fasertechnologieunternehmen, das sich mit der Entwicklung und Produkti- on von textilen hochtemperaturbeständi- gen Fasern auf Basis von oxidischen Sili- ciumverbindungen, d. h. hochkondensier- ten Kieselsäuren, befasst. belChem wurde von Dr. Robin Richter 1996 als Spin-off der TU Bergakademie (dem Institut für Anor- ganische Chemie der Fakultät für Chemie und Physik) in Form einer Einzelunterneh- mung gegründet; im Juni 1997 wurde bel- Chem in eine GmbH überführt. Im Rahmen der Silicium-Arbeitsgruppe unter Leitung von Professor Roewer war Dr. Richter an der Bergakademie einge- bunden in die Entwicklung eines neuen Verfahrens zur Herstellung von kontinu- ierlichen, textilen und hochtemperatur- resistenten Siliciumcarbidfasern aus sili- ciumorganischen Polymeren, die aus in- dustriellen Nebenprodukten der Synthese von Methylchlorsilanen, der sogenannten Müller-Rochow-Synthese, gewonnen wur- Abb. 2: Silex®-Stapelfaser

38 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Abb. 3: REM-Aufnahme Silex®-Fasern

Faserdurchmesser von 9 bzw. 7.5 μm sind Silex®-Fasern nicht atembar und gelten somit gemäß internationaler Gesetzge- bung zur Gesundheit und Sicherheit als gesundheitlich unbedenklich. Die Gründung eines solchen Techno- logieunternehmens ist eine komplexe un- ternehmerische Herausforderung, die mit einem hohen Risiko behaftet ist. belChem startete mit fünf Mitarbeitern, fast alle kamen von der Bergakademie. Die Her- stellung der neuen Faser wurde in einer mehrjährigen Produkt- und Prozessent- wicklung aus dem Labor- in einen Techni- kums- und danach in einen Pilotproduk- tionsmaßstab skaliert. 1999 standen erste nennenswerte Mengen zu Verfügung, die potenziellen Kunden zum Test überlassen Abb. 4: Silex®-Langstapelfasern werden konnten. Typisch für viele Technologieunterneh- vielfältige faserverstärkte Verbundwerk- licher Methoden zur Prozessentwicklung men ist, dass in den ersten Jahren der Pro- stoffe oder technische Textilien hergestellt gut beherrschbar; hingegen ist die Etab- duktentwicklung den Ausgaben nur ge- und genutzt wie z. B. Formteile, Vliesstoffe, lierung von neuen Produkten auf einem ringe Einnahmen gegenüber stehen und Gewebe, Gestricke und Geflechte (Abb. 3). konservativen und internationalen Markt somit geplante (und – noch schwieriger – Anwendungsgebiete sind u. a.: mit sehr hohen Unsicherheiten und Auf- auch nicht geplante) Verluste finanziert • Schutz unseres Lebensraums: wendungen verbunden, insbesondere für werden müssen. Eine solide, langfristig – Emissionskontrollanlagen bei Kraft- eine kleine (wenn auch effiziente) Orga- angelegte Unternehmensfinanzierung bis und Nutzfahrzeugen zur Senkung nisation wie die von belChem. Das erfor- zum Erreichen der Gewinnschwelle und des CO2- und Schadstoffausstoßes dert immer wieder echte Pionierleistungen darüber hinaus ist deshalb unabdingbar • Nachhaltige Einsparung von Ressour- aller Mitarbeiter, die außerdem eine hohe und neben engagierten und begeisterten cen, Senkung von Energieverbräuchen: interkulturelle Kompetenz entwickeln Mitarbeitern der Erfolgsfaktor. – Thermisch-akustische Isolation müssen, um gleichermaßen mit amerika- belChem wurde in den ersten Jahren – Hochtemperatur-Dichtungen nischen, asiatischen, europäischen und mit Hilfe der SchmidtBank, der Deutschen • Hitze- und Brandschutz afrikanischen Kunden erfolgreich zusam- Bank, der Mittelständischen Beteiligungs- – Personenschutz menzuarbeiten. Persönlichkeit, Integrität, gesellschaft und über einen Business An- – Maschinen und Anlagen Disziplin und Fleiß sind auch in Zeiten gel finanziert. Essenzielle Förderungen – Gebäude und Einrichtungen der Globalisierung Erfolgsfaktoren, in de- wurden seitens des BMBF und des Sächsi- • Hochtemperatur-Filtration von Gasen nen sich Kundenwünsche sowie Wettbe- schen Ministeriums für Wirtschaft und Ar- und Fluiden werbsbedingungen ständig und kurzfris- beit bereitgestellt. Im Jahre 2001 kam eine – Lebenserhaltende Systeme tig ändern können. Venture Capital Finanzierung dazu, die – Trennung und Reinigung von Roh- belChem blickt voller Optimismus und die weltweite Markteinführung des inzwi- stoffen Wachstumsaussichten auf die kommen- schen patentierten Produktes sicherstellte. Die belChem fiber materials GmbH feierte den Jahre der Unternehmensentwicklung. Seit 2003 schreibt belChem stabil Gewin- in diesem Jahr ihren 10. Geburtstag. An- Konsequente Kundenorientierung, ver- ne und erwirtschaftet mit 20 Mitarbeitern lass genug für einen Rückblick, vor allem bunden mit innovativen Produktlösungen, Jahresumsätze in Höhe von etwa drei bis aber für einen Ausblick. sind die Maxime des Unternehmens, die fünf Mio. EUR. Die Exportrate des Unter- Im Rückblick betrachtet ist die Über- baldigst in einer neuen Produktionsstät- nehmens beläuft sich auf etwa 85 %. windung von technischen Risiken durch te am Standort Freiberg weitergeführt wer- Aus belChems Silex®-Fasern werden vorausschauende ingenieurtechnische den soll. heute in 26 Ländern auf vier Kontinenten Planung und Anwendung wissenschaft- Robin Richter

14. Jahrgang 2007 39 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik Geophysikalischer Nachweis eines prähistorischen Grabenwerks Volker Donner, Bernhard Forkmann, Rolf Käppler, Michael Strobel

Seit Anfang der 1990er Jahre werden Mai 1993 bei einem archäologischen Bild- zum äußeren Graben von 2 m auf 1 m ab, mit Hilfe der Luftbildarchäologie auch in flug entdeckte Grabenwerk bei Riesa die Grabenbreite beträgt zwischen 2–4 m. Sachsen immer wieder spektakuläre prä- (Abb. 1). Die ovale Anlage besitzt in ih- Einzelheiten der Grabenfüllung werden historische Siedlungsspuren entdeckt. Es rer Längsachse eine Ausdehnung von im Radargramm nicht deutlich aufgelöst. sind u. a. Grabenwerke, die die besondere ca. 280 m und besteht aus drei bzw. vier Während Radargramme so schnell die Aufmerksamkeit der Archäologen erwe- konzentrischen Gräben, die von drei er- Querschnittsdimensionen der Gräben ins cken. Denn sie weisen einerseits mit ihrer haltenen Zugängen unterbrochen wer- Bild rücken, dient eine geomagnetische gleichzeitigen weiträumigen Verbreitung den. Für ein Bodendenkmal dieser Grö- Kartierung der schnellen flächenhaften zwischen Pariser Becken und Mittel- ße wird nach einem zweckmäßigen Gra- Abbildung der Grabenanlage (Abb. 3). Der deutschland darauf hin, dass es im 4. Jahr- bungsfeld gesucht, da es unmöglich ist, Verlauf der Gräben ist im Detail erkennbar. tausend v. u. Z. bereits eine weitreichende die gesamte Anlage zu ergraben. Hier hat Besonderheiten der geomagnetischen Si- Kommunikation gegeben haben muss. sich international der Einsatz hochauflö- gnatur treten im Zugangsbereich (A) bzw. Andererseits existiert bis heute noch kein sender geophysikalischer Messverfahren im Bereich des äußeren Grabens (B) auf. geschlossenes Bild ihrer funktionellen bewährt, die mit geringem Zeit- und Kos- Im ersten Fall, der lokalen geomagneti- Bedeutung in der jungsteinzeitlichen Ge- tenaufwand eine flächenhafte Abbildung schen Anomalie zwischen zwei Graben- sellschaft, so dass diese monumentalen der Untergrundstruktur liefern und damit köpfen, entsteht sofort die Frage nach de- Anlagen noch viel Raum für schlüssige die Auswahl für eine aussichtsreiche Gra- ren spezifischer Ursache. Im zweiten Fall Erklärungskonzepte bieten. Auf Grund der bung erleichtern. wurde durch eine punktuelle Grabung die akuten Gefahr, dass diese Bodendenkmä- Wie erste Testmessungen im März Vermutung schnell bestätigt, dass es sich ler durch natürliche, aber vor allem an- 2004 mittels Georadar ergaben, sind die um eine rezente lokale Deponie (Haus- thropogene Erosion zunehmend verloren heute nur unter bestimmten Bedingungen müll) handelte. Im Zugangsbereich der gehen, besteht ein besonderes Interesse und visuell nur im Luftbild erkennbaren Testfläche wurde ein drittes hochauflösen- seitens der Archäologen, die Reste die- Grabenartefakte noch in einem guten Er- des Verfahren herangezogen, das anhand ser jungsteinzeitlichen Denkmälergruppe haltungsstand. Im Radargramm tritt ihre des geoelektrischen Widerstands ein cha- eingehend zu untersuchen und – soweit Signatur anhand eines charakteristischen rakteristisches Abbild der Durchfeuchtung möglich – unter Schutz zu stellen. Reflexionsmusters klar hervor (Abb. 2). Der der oberen Bodenschichten liefert (Abb. 4). Als besonders lohnendes Untersu- Abstand der Gräben untereinander beträgt Die blaufarbige niederohmige Signatur im chungsobjekt erwies sich das bereits im 10 m, die Grabentiefe nimmt vom inneren Bereich der Gräben verweist im Vergleich zur gelb-braunen hochohmigen Signatur ihrer Nachbarschaft auf einen deutlichen Widerstandskontrast, der ursächlich mit ei- ner gegenüber ihrer Umgebung stärkeren Durchfeuchtung der Grabenfüllung ver- bunden ist. Im Bereich der obengenann- ten lokalen geomagnetischen Anomalie (A) fällt im geoelektrischen Bild ebenfalls eine lokale (niederohmige) Anomalie auf. Die breite diagonal verlaufende blaufar- bige (niederohmige) Zone unterhalb des Zugangsbereichs korrespondiert mit einer entsprechenden graufarbigen Zone im Luftbild (s. Abb. 1). Ihre Ursache lässt sich auf ein altes Flussbett der benachbarten Jahna zurückführen. Den Geophysiker interessiert am meis- ten die Frage nach den petrophysikalischen Ursachen der geophysikalischen Indika- tionen. Im Falle des Georadars und der Geoelektrik ist offenbar nur ein gering- fügiger Unterschied in der Bodenfeuchte Abb. 1: Luftbild des Grabenwerkes bei Riesa (geomagnetische Messfläche und Grabungsfeld im Bereich des östlichen für die eindrucksvollen Messbilder verant- Zuganges schwarz bzw. rot markiert) wortlich. Und auch das Luftbild ist damit

40 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Abb. 2: Radargramm im Querschnitt der drei östlichen Grabenrelikte (mittlerer Graben unten vergrößert)

Abb. 3: Flächenhaftes Ergebnis der geomagnetischen Vermessung des Vertikalgradienten ΔT (hervorgehoben Spezialanomalie A und B)

zu erklären, nimmt doch das Reflexions- vermögen des Bodens mit zunehmendem Wassergehalt ab, was zur dunkleren Sig- natur der Gräben gegenüber ihrer Umge- bung führt. Diese Situation ist offenbar in einer frühen Vegetationsperiode, in der im Bereich der Gräben die Frühjahresnieder- schläge noch besser gespeichert werden, am stärksten ausgeprägt. Das wiederum lässt sich zwanglos durch eine höhere Po- rosität der Sedimente der Grabenfüllung erklären. Um eine Vorstellung von der Größe des Bodenfeuchteunterschiedes zu bekommen, wurden Spezialmessungen mittels Georadar durchgeführt. Über den Vergleich der Ausbreitungsgeschwindig- keiten der Radarwellen innerhalb des Grabenbereichs und außerhalb dessel- ben kann mit einer empirischen Bezie- hung zwischen der Geschwindigkeit der Bodenwelle, der Dielektrizitätszahl (ε) und

der Wassersättigung (SW ) eine Abschät- zung des Feuchtigkeitskontrastes erfol- gen (Abb. 5). Das Ergebnis dieser Spezi- almessungen lieferte einen Bodenfeucht- eunterschied von nur 5 %. Schwieriger ist die Frage nach dem petrophysikalischen Modell der geomagnetischen Indikatio- Abb. 4: Flächenhaftes Ergebnis der geoelektrischen Spezialvermessung im Bereich des östlichen Zuganges der Anlage nen zu beantworten. Der gemessene Ver- (kombiniert mit dem geomagnetische Vertikalgradienten in Form von Isolinien) tikalgradient der magnetischen Flussdich-

14. Jahrgang 2007 41 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik te liegt im Grabenbereich mit 2–5 nT/m nur wenig über dem Pegel in der Umge- bung der Gräben. Über den Grabenköpfen wird jedoch teilweise ein 2–3facher Wert gemessen. Die magnetische Wirkung von Böden und Gesteinen ist wesentlich vom Gehalt an ferromagnetischen Mineralen, vor allem des Magnetits abhängig. Für seine Anreicherung in den durch natür- liche Sedimentationsvorgänge verschütte- ten Gräben sind vermutlich magnetotakti- sche Bakterien verantwortlich. Für die teils deutlich erhöhten Messwerte im Bereich der Grabenköpfe lieferte erst die im Juli 2005 angesetzte archäologische Grabung einen Hinweis. Im Bereich der Grabensoh- le wurden Gerölle gefunden (Abb. 6), die sich teilweise durch hohe Werte der ma- gnetischen Suszeptibilität auszeichnen. Wie eine Modellrechnung unter Berück- sichtigung von Suszeptibilität, Volumen und Tiefenlage der angetroffenen Gerölle ergab, lassen sich die erhöhten Messwerte damit zwanglos erklären. Insgesamt lieferten die geophysikali- schen Messergebnisse eine gute Diskus- sionsgrundlage, die schließlich zur Aus- wahl eines Grabungsfeldes von 9 × 14 m im östlichen Zugangsbereich der Anlage unter Einbeziehung der geomagnetischen Anomalie (A) und des mittleren südlichen Grabenkopfes führte (s. Abb. 1). Die vom sächsischen Landesamt für Archäologie Abb. 5: Spezialvermessung mittels Georadar zur Ermittlung der Geschwindigkeit der Bodenwelle (b) innerhalb bzw. im Sommer 2005 ausgeführte Grabung außerhalb des mittleren Grabens (a) lieferte eine klare petrographische Bestä- tigung für die feinkörnige (dunkelfarbige) Matrix der Grabenfüllung im Gegensatz zur grobkörnigen (hellfarbigen) Nach- barschaft (s. Abb. 6) und damit einen schlüssigen Nachweis des obengenann- ten Porositäts- und Feuchtigkeitskontras- tes. Weiterhin erbrachte sie auch einen wertvollen archäologischen Fund in Form zweier Tongefäßfragmente von sogenann- ten Kragenflaschen, die bisher in Sachsen nur selten gefunden wurden und die eine Datierung des Grabenwerkes in die Trich- terbecherkultur, also das 4. Jahrtausend v. u. Z., erlaubten. Diese beiden Funde be- fanden sich in dem angeschnittenen mitt- leren südlichen Grabenkopf bzw. genau im Bereich der mit (A) bezeichneten loka- len geomagnetischen Anomalie, der sich Abb. 6: Grabungsschnitt durch den mittleren südlichen Grabenkopf des östlichen Zugangsbereiches der Anlage in seiner petrographischen Signatur nicht von den Sedimenten des Grabenkopfes köpfe und der spezifischen Ursache der Zusammenarbeit mit dem Institut für Geo- unterscheidet und entsprechend der iso- lokalen geomagnetischen Anomalie (A) physik der TU Bergakademie Freiberg ist in lierten Lage dieser Anomalie als eine Art im östlichen Zugangsbereich auf die geo- den letzten Jahren stark gewachsen. Das Grube im Zugangsbereich angesehen wer- physikalisch nicht direkt prognostizierba- zeigt sich an der Zahl ähnlicher gemein- den kann. So führte die Neugier der Geo- ren archäologischen (Zufalls)-Funde. Das samer Untersuchungen in den archäo- physiker hinsichtlich der erhöhten magne- Interesse des sächsischen Landesamtes logischen Objekten Seydewitz, Kyhna, tischen Messwerte im Bereich der Graben- für Archäologie an einer systematischen Zschaitz, Biehla und Seußlitz.

42 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Neues aus dem ewigen Eis Fortsetzungsbericht zur 9. Antarktisexpedition der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Der Start zur GANOVEX IX, zur „9th German Antarctic North Victoria Land Expedition“ Oktober 2005/Februar 2006, liegt nun fast zwei Jahre zurück (siehe Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergaka- demie Freiberg, 2006, S. 37–40). Und je größer der zeitliche Abstand wird, umso unwirklicher erscheinen die Arbeitsbedin- gungen und die Erlebnisse dort im Eis. Ganz präsent ist stattdessen das gerade zu Ende gegangene zweiwöchige Gra- bungspraktikum mit Studenten in einem fossilen Seehorizont im Rotliegend des Thüringer Waldes Ende August/Anfang September diesen Jahres. Der Nieselre- gen in der zweiten Woche machte das Arbeiten im bis drei Meter tiefen Schurf nahe zum Rennsteig bei Tambach-Diet- harz schon schwer und die Nächte mit Temperaturen um die Null Grad auf dem Abb. 1: Schematisches Profil der Abfolge von Sedimenten und vulkanischen Gesteinen in North Victoria Land. Das Zeltplatz Georgenthal waren auch nicht untere Foto zeigt die Situation am Mt. Adams – den Rand eines vulkanischen Explosionskraters, das obere Bild vulka- gerade angenehm. Da kamen die Erinne- nische Auswurfmassen und Lavaströme (braun), darunter umgelagerte feine Aschentuffe. rungen wieder auf – drei Monate im Zelt in der Antarktis, zeitweilig in einem Feld- kontinentweite Regionen katastrophales ner charakteristischen Lokalität Exposure camp bei 2.500 m Höhe, durch Schnee Ereignis ankündigt, welche Prozesse in Hill Events bzw. - Ereignisse. Diese Ereig- und Eis Schürfe in den steinhart gefrore- Erdmantel und Erdkruste die Ursache da- nisse unterbrechen mehrfach die Ablage- nen Boden gehackt und um Schutz vor für sein könnten und welche Folgen dies rung der von uns in North Victoria Land scharfen, bitterkalten Winden zu finden, für die zuvor existierende Umwelt im da- entdeckten und definierten Shafer Peak manchmal im Liegen die Gesteinsplatten maligen Antarctica hatte. Über die Expe- Formation. Typusprofil ist eine 50 m mäch- auf der Suche nach Fossilien aufgespal- dition und die Geländearbeiten in North tige Sequenz in 3.200 m Höhe am namen- ten. Kaum vorstellbar, dass dort, nahe Victoria Land wurde in der vorhergehen- gebenden Berg in der Deep Freez Range zum Südpol, einmal Wälder mit bis zu den Ausgabe berichtet. (Abb. 2). 30 m hohen Bäumen wuchsen, Farne ihre Inzwischen liegen erste Ergebnisse der Wedel in lauen Winden wiegten. Das war Laboruntersuchungen zur Vulkanologie allerdings auch vor 195 bis 200 Millionen und Sedimentologie der Team-Mitglieder Jahren, als unsere Erde eine sehr unge- Prof. L. Viereck-Götte und Dr. R. Schöner, wöhnlich warme Klimaphase durchlief – Universität Jena, zur Paläobotanik von Dipl. das sogenannte mesozoische „super hot- geol. B. Bomfleur, Universität Münster, und house“. In dieser Zeitspanne begannen zur Paläozoologie von J. W. Schneider, TU Prozesse, die unser heutiges Erdbild form- Freiberg, vor. Wichtigstes gemeinsames Er- ten – das Auseinanderbrechen des Su- gebnis ist ein komplett neues Bild der Stra- perkontinentes Pangea und die Drift der tigraphie, der Abfolge der Gesteine und da- dabei entstandenen neuen Kontinente mit der Reihenfolge der Prozesse (Abb. 1). in ihre heutige Position. Der Beginn die- Bisher war man der Meinung, dass im ge- ses Auseinanderbrechens, verbunden mit samten Transantarktischen Gebirge den der Eruption gewaltiger Lavamassen über gewaltigen, bis 1 km dicken Kirkpatrick- mehrere tausende Quadratkilometer und Lavaströmen ein explosiver Vulkanismus die Situation kurz zuvor sind in den Ge- mit dem Auswurf von Gesteinsblöcken, steinen des Transantarktischen Gebirges Lavafetzen und Aschen vorausgegangen dokumentiert. ist. Wir können zeigen, dass dies nicht auf Forschungsziel unseres (Universität Je- einen relativ kurzen Zeitraum beschränkt na, Universität Münster, TU Freiberg) sich war, sondern dass derartige vulkanische über drei Jahre erstreckenden DFG-Projek- Schuttmassen in verschiedenen Positio- Abb. 2: Die Basis der Shafer Peak Formation am namen- tes ist es, Antworten auf die Fragen zu fin- nen im Profil auftreten. Wir nennen diese gebenden Shafer Peak in der Deep Freeze Range bei ca. den, wie sich ein derartiges globales, für wiederholten Eruptionen deshalb nach ei- 3200 m Höhe.

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ziellen Methoden der Säure-Mazeration ist es Benjamin gelungen, die Pflanzen- substanz selbst in großen Fragmenten vom Gestein zu lösen. Diese sogenannten Cuticulen bieten nicht nur spannende In- formationen zum Aufbau der Pflanzen, sondern auch zu ihrer Lebensweise, zur Umwelt ihrer Wuchsorte, zur Klimasitua- tion. Sehr häufig sind verschiedene Arten des Samen-Farnes Dicroidium, von denen Abb. 3b: Gesteinsdünnschliff aus der Shafer Peak Forma- Benjamin prächtige Exemplare in einem Abb. 3a: Für Fluß-Sedimente typische Rippelschichtung tion. Deutlich sind die Fragmente einer aufgeschäumten Schurf in der Section Peak Formation am in den umgelagerten Vulkanaschen der Shafer Peak For- Lava zu erkennen. Die geringe Größe der Blasenfragmente Timber Peak bergen konnte (Abb. 5a, b). mation. weist auf eine hunderte Kilometer entfernte Eruption hin. Diese Pflanze ist eine Leitform für die Trias des Südkontinentes Gondwana. Ebenfalls Mit Gesteinsdünnschliffen und geoche- derbrechen des Superkontinents generier- am Timber Peak gelang der Fund von win- mischen Analysen wurde in Jena heraus- ten Spalten in der Erdkruste. zigen Käfer-Flügeldecken (Abb. 6a). Spä- gefunden, dass es sich bei den Ablage- Bis zum Beginn unserer Expedition wa- ter haben wir sie auch zwischen Pflan- rungen der Shafer Peak Formation um ren in North Victoria Land lediglich vier zenfragmenten in den feinen Aschen der durch Flüsse umgelagerte feinste Partikel Fossilfundpunkte bekannt, am Ende un- Shafer Peak Formation am Mt. Carson ent- vulkanischen Glases handelt (Abb. 3). serer Expedition waren es mehr als 15 deckt. Sie könnten Auskunft über paläo- Die Partikel-Größe lässt darauf schließen, über die gesamte Sedimentfolge verteilte biogeographische Beziehungen zwischen dass diese sehr starken Asche-Eruptionen Lokalitäten. Allein das war ein toller Er- den ehemals außer Antarktika zum Süd- hunderte Kilometer fern von North Victo- folg. Inzwischen haben die zahlreichen kontinent Gondwana gehörenden Konti- ria Land waren. Auf diese umgelagerten Pflanzenfunde während unserer Expedi- nenten, wie Süd-Afrika und Süd-Amerika Aschen folgen erste Lavaströme, die, in tion für Benjamin Bomfleur ein eigenes geben. Sehr zahlreich sind Funde von feuchtes Sediment eindringend, zu Kis- Promotionsforschungsprojekt ermöglicht. etwa 5 mm großen Schalenkrebschen, den senlaven erstarrten (Abb. 4). Erst danach Ungewöhnlich für die durch die Lavamas- Conchostraken (Abb. 6b). Von diesen er- beginnt der Ausstrom der gewaltigen La- sen aufgeheizten Sedimente des Mesozo- hoffen wir uns Informationen zum Alter vamassen der Kirkpatrick Basalte entlang ikums der Antarktis ist die ausgezeichne- der Sedimente. Weder im Gelände noch von tiefreichenden, durch das Auseinan- te Erhaltung der Pflanzenfunde. Mit spe- unter den hunderten Kilogramm Proben-

Abb. 4: Der Vulkanologe Prof. Viereck-Götte untersucht am Mt. Carson die metergroßen Aggregate (rotbraun) einer sogenannten Kissenlava.

44 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Bild 6b: fossiler Conchostrake; Maßstab 1 mm; derartige Schalenkrebse kommen oft massenhaft in den mesozoi- schen Seesedimenten der Antarktis vor.

material haben wir aber bisher Reste von Wirbeltieren gefunden, nicht eine winzige Fischschuppe, schon gar nicht etwas von Bild 5a: Wedelfragment eines Dicroidium-Farnsamers; die den aus South Victoria Land bekannten dunkle Pflanzensubstanz (Cuticula) beginnt sich vom Sauriern. Warum diese in North Victoria Abdruck zu lösen. Land so völlig zu fehlen scheinen, wis- sen wir noch nicht. Vielleicht liegt es an der noch wenig erforschten Vorgeschichte dieser Region, die in den Perm-Sedimenten aufgeschrieben ist. Diese könnten Ziel ei- ner nächsten Expedition in drei Jahren sein, die die Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe, Hannover, angekündigt hat. Bild 6a: Fossile Käferflügeldecke vom Timber Peak; Maß- Erste Projektentwürfe unseres Teams stab 1 mm. von GANOVEX IX sind dazu eingereicht. Eventuell kann ein Freiberger Student mit Bild 5b (links): Fossile Pflanzen-Cuticula unter dem Mi- in das ewige Eis kommen – er bereitet sich kroskop; deutlich sind die von Schließzellen umgebenen mit der Untersuchung der Proben von GA- Öffnungen im fossilen Blatt zu erkennen, deren Anord- NOVEX IX in seiner Diplomarbeit bereits nung und Ausbildung Auskunft z. B. über die Luftfeuch- darauf vor. tigkeit und damit über das Klima gibt. Jörg Schneider

sität Bergakademie Freiberg naheliegend, den Schwerpunkt Halbleitertechnologie Materialien für die in Forschung und Lehre deutlich auszu- Halbleitertechnologie bauen. Ein neues Forschungsgebiet an der TU Bergakademie Freiberg Schwerpunkt Halbleitermaterialien und Reinraumlabor Einleitung elemente etablieren. In Anlehnung an In jedem technischen System überneh- das kalifornische Silicon Valley wurde Seit vielen Jahren ist die TU Freiberg bereits men heute Halbleiterbauelemente eine deshalb der Begriff „Silicon “ ge- auf den Gebieten Kristallzüchtung, Photo- tragende Rolle. Die globale wirtschaftliche prägt. Sachsen hat somit auch einen sehr voltaik und Halbleiterspektroskopie tätig. Entwicklung wird deshalb entscheidend hohen Bedarf an Fachkräften, die neben Zusätzlich gab und gibt es eine Vielzahl von der Einführung neuer, auf Halblei- entsprechenden mathematisch-naturwis- von Forschungsaktivitäten aus anderen terbauelementen beruhender, Produkte senschaftlichen Grundlagenkenntnissen Bereichen (z. B. Chemie, Maschinenbau), bestimmt. Wichtige Beispiele dafür sind spezifisches Wissen aus diesem Bereich die ebenfalls Anwendung in der Halblei- der PC, das Handy, die digitale Fotografie, mitbringen. Freiberg befindet sich im Zen- tertechnologie finden. Über diese beste- die Medizintechnik aber auch moderne trum dieser Hochtechnologieregion und henden Aktivitäten hinaus wird nun ein Automobile, die eine Vielzahl von Halb- hat mit „Solar World“, „Siltronic“ und „Frei- neuer Schwerpunkt „Halbleitermaterialien“ leiterbauelementen enthalten. Innerhalb berger Compound Materials“ drei ortsan- aufgebaut, in dem alle für die Herstellung Deutschlands konnte sich Sachsen im sässige Unternehmen, die diese Branche von Halbleiterbauelementen nötigen Ma- vergangenen Jahrzehnt als der maßgeb- repräsentieren. Unter diesen Randbedin- terialien und ihre Grenzflächen im Zent- liche Industriestandort für Halbleiterbau- gungen ist es für die Technische Univer- rum des Interesses stehen. Diese spezielle

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Ausrichtung hat zwei Hintergründe. Zum einen hängt die weitere Entwicklung der Halbleitertechnologie entscheidend von der Fähigkeit ab, neue Materialien schnell und zielgerichtet in den Halbleiterprozess einzuführen. Die Materialentwicklung ist somit ein Schlüsselthema für die weitere Entwicklung der Halbleitertechnologie. Zum anderen folgt dieser Ansatz aus der bereits erfolgten Profilierung der TU Berg- akademie Freiberg, in der das Thema Ma- terial eine von vier Profillinien ausmacht. Dadurch kann die Synergie zu anderen Bereichen der Bergakademie optimal ge- nutzt werden. Um den neuen Schwerpunkt zu definieren, wurden zwei neue Professu- ren geschaffen bzw. neu ausgerichtet, die beide im letzten Quartal 2006 ihre Arbeit aufnahmen. Dies sind die Professur für Halbleitermaterialien am Institut für An- Abb. 1: Moderne Technik in traditionsreichem Gewand: Blick auf das künftige Reinraumlabor der TU Bergakademie gewandte Physik (Prof. Dr. L. Frey) der Fa- Freiberg im Gellertbau kultät für Chemie und Physik (Fakultät 2) und die Professur für Elektronik- und Sen- herstellung. Ein Ofensystem wird neben 2008 beginnen und ein erstes Praktikum sormaterialien (Prof. Dr. T. Mikolajick) an der Temperung die thermische Oxidation für Studenten ist für das Sommersemester der Fakultät für Werkstoffwissenschaften sowie die Abscheidung von Silicium und 2009 vorgesehen. Neben der technischen und Werkstofftechnologie (Fakultät 5). An Siliciumnitrid erlauben. Durch zusätzliche Bereitstellung der Reinraum-Infrastruktur der Fakultät 2 ist die Halbleitertechnolo- Gase können künftig aber auch ande- samt Geräten stellt die zügige Einarbei- gie als Vertiefungsrichtung „Naturwissen- re Abscheidungen aus der Gasphase in tung des wissenschaftlichen und techni- schaftliche Grundlagen der Stoffe der diesen Anlagen durchgeführt bzw. unter- schen Personals in das neue Fachgebiet Mikroelektronik“ fest in der Ausbildung sucht werden. Eine Aufdampfanlage mit eine Kernaufgabe dar, die in den nächs- „Angewandte Naturwissenschaft“ veran- drei Verdampferquellen (thermischem Ver- ten ein bis zwei Jahren eine hohe Priorität kert. An der Fakultät 5 wird der Diplomstu- dampfer, Elektronenstrahlverdampfer und haben wird. diengang „Elektronik- und Sensormateria- einer speziell geregelten Quelle für or- lien“ bereits seit 1999 angeboten. Mit der ganische Materialien) erlaubt neben der Besetzung der gleichnamigen Professur routinemässigen Herstellung von Metalli- Forschungsgebiete und der Gründung des gleichnamigen sierungsschichten auch die sehr flexible Institutes am 1. März 2007 wurde das Herstellung unterschiedlicher Materialien, Das Institut für Angewandte Physik wird Thema nun in Forschung und Lehre fest um neue Effekte grundlegend zu studie- sich dabei vor allem mit den ultradünnen in der Struktur der Fakultät 5 verankert. ren. In einer Mehrkammer-Sputteranlage, Schichten sowie deren Grenzflächen be- Entscheidend für die erfolgreiche Arbeit die sowohl mit Gleichspannungs- als schäftigen, wie sie z. B. für moderne MOS der beiden neu geschaffenen Professu- auch mit Hochfrequenzquellen ausgestat- (Metall-Oxid-Silicium)-Transistoren benö- ren ist der Bau des Reinraumlabors im tet sein wird, können dann die erfolgver- tigt werden. Dieser MOS-Transistor ist das Gellertbau. Durch den Reinraum wird die sprechenden Materialien in Richtung auf Arbeitspferd einer Integrierten Schaltung Möglichkeit geschaffen einfache Testbau- die Anwendung in einem Standard-Halb- MOS. Dafür wird ein hochwertiges Dielek- elemente bzw. Teststrukturen herzustellen leiterprozess weiterentwickelt werden. Mo- trikum benötigt, um den Kanal über eine und damit neben den Materialeigen- derne Bauelemente verwenden Schichten, isolierte Elektrode ansteuern zu können. schaften an sich auch die Grenzflächen die nur noch wenige Atomlagen dick sind. Damit ein MOS-Transistor kleiner (billiger) und die Rückwirkungen unterschiedlicher Mit einer Anlage zur Atomlagenabschei- und leistungsfähiger wird, muss dieses Materialien bzw. Prozesse aufeinander zu dung (engl. atomic layer deposition = Dielektrikum immer dünner gemacht wer- untersuchen. Im Reinraum werden alle ALD) wird es möglich sein, Schichten mit den. Traditionell wird als Dielektrikum Sili- dafür nötigen Prozessschritte etabliert atomarer Kontrolle herzustellen. Deshalb ciumdioxid verwendet. Heutige Mikropro- werden. Zur Strukturübertragung wird es ist für die Zukunft auch die intensive Nut- zessoren verwenden Siliciumdioxiddicken eine Kontaktlithographie geben, die die zung dieser Technik geplant. von ca. 1,2–1,4 nm (siehe Abb. 2), was nur Erzeugung von Strukturen mit Struktur- Die Fertigstellung des Reinraumlabors mehr ca. drei Moleküllagen Siliciumdioxid breiten bis herab zu ca. 2μm ermöglicht. wird für das erste Quartal 2008 erwar- bedeutet. Bei einem so dünnen Oxid kann In der Nasschemie erfolgt neben der tet. Ein Teil der Geräte wurde bereits be- der aufgrund des Tunneleffektes fließende Reinigung der Substrate auch die nas- schafft und außerhalb des Reinraums in- Strom nicht mehr vernachlässigt werden. schemische Ätzung. Eine Trockenätzung stalliert, so dass eine zügige Bereitstellung Eine weitere Skalierung hin zu noch dün- ist für den weiteren Ausbau vorgesehen. der Anlagen und Prozesse im Reinraum neren Schichten ist daher nicht möglich. Den Schwerpunkt der Ausstattung bilden zu erwarten ist. Erste Forschungsarbeiten Es müssen neue Materialien untersucht unterschiedliche Methoden zur Schicht- könnten somit in der zweiten Jahreshälfte werden, die aufgrund einer deutlich höhe-

46 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg sormaterialien untersucht werden. Dabei soll die Spannbreite von der Anwendung möglichst halbleiterkompatibler Materiali- en wie Metalloxide bis hin zu einzelnen Molekülen als Schalter reichen. Im letzt- genannten Bereich ist die Entwicklung entsprechender Moleküle am Institut für Organische Chemie vorgesehen. Neben der reinen Informationsverarbei- tung spielt die Ankopplung an die Umwelt eine sehr wichtige Rolle für die Weiterent- wicklung elektronischer Systeme. Es wer- den Sensoren benötigt, die physikalische Abb. 2: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines MOS Transistors aus einem Mikroprozessor der 65-nm-Generation. oder chemische Signale in elektrische Si- Das als Gate-Dielektrikum verwendete Siliciumdioxid ist nur noch 1,4 nm dick. (Foto: AMD Dresden) gnale verwandeln sowie Aktoren, die die umgekehrte Funktion übernehmen. Aus ren Dielektrizitätszahl trotz größerer Dicke abhängigkeit der Einsatzspannung einer diesem Themenkomplex wird sich das eine bessere Ansteuerung des Transistors Teststruktur für defektgestützte Speicher- neue Institut für Elektronik- und Sensor- erlauben. Solche sogenannten Hoch-Ep- zellen für unterschiedliche Temperaturen. materialien insbesondere mit den chemi- silon-Materialien werden vom Institut für Aus derartigen Messungen können erste schen Sensoren beschäftigen. Basierend Angewandte Physik im neuen Reinraum- Erkenntnisse über die energetische Lage auf den Arbeiten des Vorgängerinstitutes labor mit atomarer Präzision hergestellt der zum Speichern verwendeten Defekte werden Festelektrolytsensoren auf Ba- und anschließend charakterisiert und op- abgeleitet werden. Die so extrahierten Pa- sis keramischer Technologien entwickelt. timiert werden. Neben der Materialher- rameter werden verwendet, um Modelle zu Künftig sollen auch dünne Schichten als stellung selbst wird dabei die Grenzfläche entwickeln, mit denen das Verhalten un- Festelektrolyte eingesetzt werden. Außer- zum darunterliegenden Halbleiter und terschiedlicher Schichtstapel vorhergesagt dem wird an Schichten gearbeitet werden, zur darüberliegenden Metallelektrode im werden kann. Auch für diese Anwendung mit deren Hilfe es möglich sein soll, aus Mittelpunkt des Interesses stehen. Auch werden neue Dielektrika mit hoher Dielek- einem MOS-Transistor einen Sensor für für die Metallelektroden selbst sollen trizitätszahl benötigt. So kann in einigen Ionen oder biochemische Stoffe zu kon- neue Wege beschritten werden. Die für Bereichen auf die Arbeiten am Institut für struieren. Hier wird die Kopplung dieser die präzise Abscheidung nötigen Precur- Angewandte Physik aufgebaut und die sensitiven Schichten an die Halbleiter- soren werden dabei am Institut für Anor- dort entwickelten Schichten als Startpunkt bauelemente im Zentrum des Interesses ganische Chemie (Prof. Kroke) entwickelt verwendet werden. Für künftige Speicher- stehen. Hinsichtlich der sensitiven Schich- werden. generationen werden völlig andere Schalt- ten selbst ist eine intensive Kooperation Das Institut für Elektronik- und Sensor- effekte, die eine Widerstandsänderung in mit den chemischen Instituten der Berg- materialien beschäftigt sich im Bereich dielektrischen Materialien bewirken, dis- akademie vorgesehen. der Elektronikmaterialien mit Feststoffen, kutiert. Auch derartige Materialien wer- Als dritter Nutzer des neuen Reinrau- die nichtflüchtige Schalteffekte zeigen. den am Institut für Elektronik- und Sen- mes beschäftigt sich das Institut für Ex- Nichtflüchtige Speichereffekte werden vor allem zur Informationsspeicherung z. B. für Handys, Digitalkameras oder MP3- Player eingesetzt. In enger Kooperation mit der Industrie werden Defekte in di- elektrischen Schichten verwendet, um Information zu speichern. Dazu sind das Verständnis der Defekte und deren geziel- te Beeinflussung von essenzieller Bedeu- tung. Den Startpunkt bildet dabei die aus- führliche elektrische Charakterisierung des Speicherverhaltens, aus dem Rück- schlüsse auf die Haftstellen gezogen wer- den können. Bei defektgestützten nicht- flüchtigen Speichern wird normalerweise die Einsatzspannung eines MOS-Transis- tors, der im Dielektrikum eine geeignete defektreiche Schicht zur Ladungsspeiche- rung beinhaltet, als Speichergröße ver- wendet. Als Einsatzspannung wird dabei diejenige Steuerspannung bezeichnet, bei der im MOS-Transistor ein Strom zu fließen Abb. 3: Einsatzspannung einer defektgestützten nichtflüchtigen Speicherzelle als Funktion von der Zeit für beginnt. Abb. 3 zeigt als Beispiel die Zeit- verschiedene Temperaturen.

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Auf den Lehrstuhl „Elektronik und Sensormaterialien“ an der Fakultät für Werkstoffwissenschaft und Werkstoff- technologie ist am 1. Oktober 2006 Thomas Mikolajick berufen worden. Die Professur wurde zunächst am Institut für Keramische Werkstoffe angesiedelt, dessen Mitarbeiter und Gebäude am 1. März 2007 in das neue Institut für Elektronik- und Sensormaterialien über- gegangen sind. Thomas Mikolajick, 1963 in Nürn- berg geboren, studierte ab 1984 Elek- trotechnik an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. Nach seinem Ingenieur-Abschluss 1990 war er dort Mitarbeiter am Lehrstuhl für Elektronische Bauelemente. Neben sei- Studenten des Studiengangs Elektronik- und Sensormaterialien bei der Charakterisierung von Halbleiterbauelementen nem Engagement in der Lehre forschte am Waferprober Thomas Mikolajick über Halbleiter-Bau- elementemesstechnik und chemische perimentelle Physik mit der Photovolta- eines neuen Reinraumlabors baut die Halbleitersensoren. 1995 schloss er auf ik. Neben den bisher an diesem Institut TU Bergakademie Freiberg einen neuen diesem Gebiet erfolgreich seine Disser- erfolgreich laufenden Arbeiten wird der Schwerpunkt Halbleitermaterialien in For- tation über „Feldeffektsensoren zur pH- Reinraum die Möglichkeit eröffnen, auch schung und Lehre auf. Im Herzen von Wert-Messung und als Transducer für neue Technologien für Dünnschicht-Solar- „Silicon Saxony“ findet dies in einem her- Biosensoren“ ab. zellen zu entwickeln, um in Zukunft die vorragend dafür ausgelegten Umfeld statt. Im Anschluss übernahm er bis Kosten für die Herstellung von Solarzel- Dieses Umfeld bietet direkt vor Ort wichti- 1996 am Fraunhofer Institut für Integ- len und damit gleichfalls die Kosten für ge Wafer- und Solarzellenhersteller sowie rierte Schaltungen in Erlangen die Lei- den daraus gewonnenen Solarstrom wei- eine europaweit einmalige Konzentration tung der Arbeitsgruppe für allgemeine ter deutlich zu reduzieren. von Halbleiterherstellern und Forschungs- Prozesstechnik und Bauelemente. Vor Für alle Arbeiten wird eine umfangrei- einrichtungen im Großraum Dresden-Frei- seiner Berufung nach Freiberg arbei- che Charakterisierung der Schichten be- berg-Chemnitz. Speziell in Freiberg steht tete Thomas Mikolajick zehn Jahre in nötigt. Die elektrische Charakterisierung diese Entwicklung nicht isoliert dar. der Halbleiterindustrie. So leitete er von wird dabei schwerpunktmäßig an den In- Einerseits hat die lokale Freiberger 2002 bis 2006 in Dresden bei Infineon stituten „Angewandte Physik“ und „Elektro- Halbleiterindustrie ein beeindruckendes Technologies/Qimonda die Vorfeldent- nik- und Sensormaterialien“ durchgeführt. Wachstum in den vergangenen Jahren wicklung im Bereich Flash-Technologie. Zur physikalischen Charakterisierung wird erlebt und andererseits entstehen weitere In Freiberg wird Thomas Mikolajick eine enge Kooperation mit den anderen auf die Halbleitertechnologie ausgerich- seine Forschungen auf zwei Bereiche Instituten der TU Bergakademie aufge- tete Aktivitäten. Hier ist insbesondere das fokussieren. Auf dem ersten Gebiet, den baut. Insbesondere ist dabei das Institut Fraunhofer THM (Technologie der Halb- Materialien für Halbleiterspeicher, bildet für Werkstoffwissenschaft zu nennen, das leitermaterialien) zu nennen, das die Be- die Modellierung und Materialoptimie- über eine umfangreiche Ausstattung und deutung Freibergs als Forschungsstandort rung für „charge trapping“ Speicherzel- Expertise im Hinblick auf die Schichtcha- weiter unterstreicht. Eine enge Zusammen- len einen Schwerpunkt. Daneben wird rakterisierung (hochauflösende analyti- arbeit zwischen einem Fraunhofer Institut er sich neuen anorganischen und or- sche Transmissionsmikroskopie; Röntgen- und der Universität wird an den meisten ganischen Schaltmaterialen für resistive beugung etc.) verfügt. Aber auch die am der deutschen Universitäten, welche in der Speicher widmen. Institut für Nichteisenmetallurgie und Halbleitertechnologie einen Schwerpunkt Auf dem zweiten Gebiet, den Mate- Reinststoffe vorhandenen Methoden der haben, erfolgreich praktiziert und sollte rialien für chemische Sensoren, setzt er Sekundärionen- und Sekundärneutralteil- auch in Freiberg aufgebaut werden. die erfolgreiche Arbeit am Institut für spektroskopie sind hier sehr wichtig. Per- Zusammenfassend kann festgestellt Keramische Werkstoffe über Festkörper- spektivisch sollte an der Bergakademie werden, dass in den vergangenen Jah- elektrolytsensoren fort. Zusätzlich ent- zusätzlich die Möglichkeit der Photoelekt- ren eine Reihe von Aktivitäten begonnen steht mit der Entwicklung von Feldef- ronenspektroskopie geschaffen werden. wurde, die in ihrer Kombination das Po- fektsensoren für Ionen in Flüssigkeiten tenzial haben, die TU Bergakademie in sowie, darauf aufbauend, von Biosenso- den nächsten fünf Jahren in die Spitzen- ren ein neues Arbeitsgebiet. Der ambi- Zusammenfassung und Ausblick gruppe der halbleitertechnologischen For- tionierte Langstreckenläufer, der schon schungslandschaft in Deutschland zu mehrmals die Marathonstrecke meister- Mit der Schaffung zweier neuer Profes- führen. te, ist verheiratet und hat zwei Kinder. suren und dem Bau und der Ausstattung Thomas Mikolajick

48 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg tete der Freiberger Professor für Chemie Clemens Winkler mit der Entdeckung des 50 Jahre Elementes Germanium als Bestandteil des Silbererzes Argyrodit Ag8GeS6. Damit be- gann der weite historische, wissenschaft- Halbleitermaterialien liche und industrielle Bogen „vom Silber zum Silicium“, der Freiberg zu einem Zent- rum der Halbleiterwerkstoffe werden ließ. in der Region Freiberg Zur Bewertung der Bedeutung dieser Entdeckung muss beachtet werden, dass Ende des 19. Jahrhunderts zwar bereits eine Teil I: Siliciumchemie und Kristallzüchtung Vielzahl chemischer Elemente bekannt war, doch fehlte zunächst eine prinzipiel- Gerhard Roewer, Eberhard Buhrig le Systematik für die chemischen Elemen- te, die auch eine Korrelation zu den cha- Halbleiter und ihre Anwendungen sind wissenschaftlichen Begleitung und die rakteristischen physikalischen und che- von essenzieller Bedeutung für alle Be- Ausbildung von qualifizierten Fachleuten mischen Eigenschaften ermöglichte. reiche der Volkswirtschaft, Wissenschaft – im jeweiligen historischen Niveau – als Unabhängig voneinander hatten der und Kultur. Es ist ein Glücksfall, dass maßgebliches Erfolgsrezept erkannt wur- deutsche Chemiker Lothar Meyer und sich Freiberg mit seinem Ausbildungs-, den. sein russischer Fachkollege Dimitri Men- Forschungs- und Industrie-Potenzial so- Die historische chemisch-metallurgi- delejev aus Petersburg eine systematische wie mit der Anbindung an die Zentren sche Entwicklung der Freiberger Region Anordnung der Elemente in einem peri- Dresden und Chemnitz zu einem regi- ist mit dem Wirken bedeutender Persön- odischen System vorgeschlagen. In die- onalen Halbleiter-Werkstoff-Cluster mit lichkeiten verbunden. Im vorliegenden sem fehlte aber das damals noch unbe- international anerkanntem Niveau for- Zusammenhang seien genannt: Agricola kannte Element Nr. 32, das wegen seiner mieren konnte. Die Freiberger Halbleiter- (de re metallica 1556), Gellert (1713–1795), Stellung in der Nachbarschaft zum Silici- industrie und die Technische Universität Reich (1799–1832), Richter (1824–1882) um zunächst als „Ekasilicium“ bezeichnet Bergakademie Freiberg können auf eine und Winkler (1838–1904). wurde. Eben dieses wurde von Clemens 50-jährige erfolgreiche Entwicklung zu- Georgius Agricola, der in seinem epo- Winkler im Jahre 1886 in Freiberg entdeckt rückblicken. In dem international re- chalen Werk „de re metallica“ das zu sei- und schließlich auf Vorschlag von ihm mit nommierten Halbleiter-Standort Freiberg ner Zeit vorhandene Wissen zum Bergbau Germanium benannt. Es fügte sich hin- sind – einschließlich der wissenschaft- und zur Metallurgie zusammenfasste, be- sichtlich aller Eigenschaften in das System lich-technischen Kooperationspartner – schrieb bereits die Reinigungswirkung der Elemente von Meyer und Mendelejev gegenwärtig mehr als 3.000 Beschäftig- von Kristallisationsprozessen, die damals ein und lieferte damit die Bestätigung des te auf diesem Gebiet tätig. Das belegt in Form von Seigerprozessen genutzt wur- allgemeingültigen Charakters des „Perio- die herausragende Bedeutung, die die de. Dieses Prinzip der Kristallisationsraf- dischen Systems der Elemente“, das später Halbleiterwerkstoffe für Freiberg besit- fination wurde Anfang der 1950er Jahre mit der Aufdeckung der Gesetzmäßigkei- zen. Im Beitrag werden ausgewählte von Pfann mit dem Zonenschmelzen zu ten des Aufbaus der Elektronenhülle der Aspekte des Halbleiter-Clusters Freiberg einem ersten großtechnischen Verfahren Atome auch theoretisch gestützt und zu dargestellt. Dabei liegt der Schwerpunkt der Halbleitertechnologie entwickelt. Auch einer unverzichtbaren Matrix in der Che- auf Fragen der Werkstofftechnologie. heute noch spielt die Raffinationswirkung mie geworden ist. Die chemische, strukturelle und physi- von Kristallisationsprozessen in allen Ver- Winkler ahnte natürlich damals nicht, kalische Diagnostik sowie moderne Bau- fahren der Züchtung von massiven Halb- dass er mit dem Germanium auch den element-Aspekte und die industrielle leiterkristallen eine wichtige Rolle. Stoff entdeckt hatte, mit dem in der Mitte Fertigung von Halbleitermaterialien wer- Christlieb Ehregott Gellert schuf als ei- des 20. Jahrhunderts weltweit der wissen- den in den nächsten Ausgaben dieser ner der ersten Professoren der Bergaka- schaftlich-technische Siegeszug der Halb- Zeitschrift behandelt. demie die wissenschaftlichen Grundlagen leitertechnik starten konnte. zur Chemie und Analytik metallurgischer Prozesse, die in weiter entwickelten For- Historische Hintergründe men später auch für die „Halbleitermetall- Halbleiterwerkstoffe urgie“ bedeutsam sein sollten. Mit der Entdeckung der Freiberger Erzla- Die Freiberger Professoren Ferdinand Die Herstellung sowie die Anwendung von gerstätten, die im 12. Jahrhundert begann, Reich und Hieronymus Theodor Richter Halbleiterwerkstoffen und -Bauelementen entwickelte sich auch eine vielschichtige entdeckten 1863 das Element Indium. Es sind heute äußerst dynamische Wirt- metallurgische Industrie. Dabei spielte zu- ist heute als Bestandteil von Verbindungs- schaftszweige, welche auch große gesell- nächst die Herstellung von Metallen wie halbleitern, wie Indiumphosphid, Indium- schaftliche Anerkennung besitzen, wie Silber, Blei, Zinn, Zink, Arsen, Antimon und antimonid und weiteren, speziell in der die Vergabe des Nobelpreises für Physik Wismut eine besondere Rolle. Die dafür Optoelektronik genutzten Mischkristallen 2007 an den Deutschen Halbleiterphysi- erforderlichen speziellen praktischen und der III/V-Verbindungen von Bedeutung. ker P. Grünberg belegt. theoretischen Kenntnisse führten früh- Einen hochrangigen Beitrag zur For- Zur Einordnung der Freiberger Aktivi- zeitig dazu, dass die Einbeziehung einer mulierung des chemischen Weltbilds leis- täten soll zunächst ein kurzer Überblick

14. Jahrgang 2007 49 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

über aktuelle Halbleiterwerkstoffe und Elemente C (Diamant) perspektivische Anwendung möglich Anwendungsbeispiele gegeben werden. Probleme: Herstellung, Dotierung

Halbleiter sind Substanzen, deren elekt- Silicium dominanter Halbleiterwerkstoff, Anteil ca 95 % ronische Eigenschaften durch Fremdele- Anwendungen: Mikroelektronik, Solarzellen mente sowie Einwirkung von Wärme- bzw. Germanium historischer Startwerkstoff der Halbleitertechnik Strahlungsenergie in weiten Grenzen vari- Anwendungen heute: Spezialbauelemente sowie als iert werden können. Daraus ergeben sich Si-Ge-Mischkristall für schnelle Elektronik Anwendungen in der Mikroelektronik, Op- binäre Typ IV–IV toelektronik, Sensorik, Aktorik und Photo- Verbindungen Mischkristalle SiC Leistungselektronik, Hochtemperaturelektronik voltaik, jedoch auch ganz spezifische An- (Beispiele) Si-Ge-Mischkristall Hochfrequenz-Mikroelektronik forderungen an das Niveau der Herstel- lungsverfahren, speziell hinsichtlich der Typ III–V (Al, Ga, In) (N, P, As, Sb) chemischen und strukturellen Material- GaAs, InP Mobilfunkkommunikation, schnelle Elektronik reinheit. Substrat für LED und Halbleiter-LASER Neben oxidischen, keramischen und GaN favorisierter zukünftiger optoelektronischer Werkstoff organischen Materialien, die hier unbe- Probleme: Herstellung, hoher Preis rücksichtigt bleiben, können die aktuellen Mischkristalle Optoelektronik, Halbleiter-LASER Halbleiter aus der Palette der in Tabelle 1 (Al, Ga, In) (N, P, As) dargestellten Elemente definiert werden. Typ II–VI (Zn, Cd) (S, Se, Te) ZnTe Sensorik, Solartechnik Periode Nebengruppen Hauptgruppen

ternäre Typ II–IV–V2 (Zn, Cd) (Si, Ge, Sn) (N, P, As, Sb) 11 12 13 14 15 16 Verbindungen ZnSiP kaum Anwendungen 2CN 2

3AlSi PS Typ I–III–VI2 4ZnGaGeAsSe (Cu) In (Se, Te) Solarzellen, Sensorik

5CdInSnSbTe Beispiel: CdInSe2

6Cu Tabelle 2: Beispiele für Halbleiterwerkstoffe und ihre Anwendungen Tabelle 1: Matrixelemente für Element- und Verbindungs- halbleiter zungsmöglichkeiten für Halbleiterwerk- werden. Konstitutionelle Voraussetzung für die stoffe ergab sich aus der Entwicklung Die industrielle Kristallzüchtung von Realisierung halbleitender Eigenschaften technologisch realisierbarer Methoden für Halbleitern befasst sich mit der geziel- für eine Vielzahl von Elementen oder die Herstellung von Verbindungshalblei- ten Herstellung von kristallinem Material, Verbindungen ist, dass der Quotient aus tern, insbesondere von sogenannten III/V- das durch seine Struktur und Realstruk- Valenzelektronensumme und Anzahl der Halbleitern durch Welker. Dadurch erhiel- turdefekte, seine chemische Reinheit so- Komponenten einer Elementarzelle den ten die Optoelektronik und die Elektronik wie durch seine elektronischen, optischen, Wert 4 besitzt und in der Regel eine Dia- der Halbleiter-LASER sowie die Hochfre- mechanischen und geometrischen Eigen- mant- oder diamantähnliche Kristallstruk- quenz- und Mobilfunk-Technologien neue schaften technisch nutzbar ist. Die erzeug- tur vorliegt1. Impulse. Diese Gebiete weisen bis heute ten Kristalle können einkristallin – aus ei- Als erster Halbleiterwerkstoff wurde in ein hohes Entwicklungstempo auf. Es wird nem einzigen Kristall bestehend – oder den 1950er Jahren das Element Germani- erwartet, dass der Halbleiter Galliumnitrid polykristallin, also durch Korngrenzen in um in hochreiner Qualität hergestellt und in den nächsten Jahren die Optoelektro- unterschiedlich orientierte Bereiche ge- großtechnisch für Elektronikzwecke einge- nik revolutionieren könnte, wenn für die- trennt sein. setzt. Bald erfolgte jedoch in der Massen- sen Halbleiterwerkstoff geeignete, kosten- Halbleitermaterialien lassen sich durch anwendung für Halbleiterbauelemente ein günstige Herstellungsverfahren gefunden Kristallisation aus der Gasphase, stöchio- Übergang zum Silicium. Dieses weist ge- werden. Von den ternären Halbleitern hat metrischen Schmelzen, Lösungen oder in genüber dem Germanium in den elektroni- vor allen Dingen das Kupfer-Indium-Dise- Ausnahmefällen auch durch Rekristallisa- schen und technologischen Eigenschaften lenid als Photovoltaik-Werkstoff Chancen tion eines Festkörpers gewinnen. Bei der entscheidende Vorteile auf. Sein Rohstoff ist für eine Massenanwendung. Kristallisation aus Schmelzen entsteht in praktisch unbegrenzten Mengen auf der Die im vorliegenden Beitrag betrach- bei der Erstarrung ein Konzentrationsun- Erde verfügbar. Wichtige Anwendungen teten Halbleitermaterialien besitzen eine terschied für Beimengungen zwischen sind gemeinsam mit denen für die ande- kristalline Struktur2, es liegt also eine de- Schmelze und Kristall, der durch den Ver- ren Halbleiter in der Tabelle 2 zusammen- finierte Anordnung der Atome vor. Diese teilungskoeffizienten gestellt. Für Silicium sind dies die Mikro- technisch genutzten Halbleiter kristallisie- elektronik und die Photovoltaik. ren in Strukturen, die in Analogie zu natür- ki = Konzentration des Fremdelements i im Kristall Konzentration des Fremdelements i in der Schmelze Eine neue Dimension potenzieller Nut- lich vorkommenden Mineralien, beispiels- weise als Diamant-, Zinkblende-, Chalko- i = betrachtetes Fremdelement 1 Es existieren auch halbleitende Materialien, wie etwa pyrit- oder Sphalerit-Strukturen bezeichnet Oxide und die jetzt hochaktuellen organischen Substan- definiert ist. Dieser führt bei der Kristallisa- zen, die diese Bedingung nicht erfüllen. Diese Halbleiter werden im vorliegenden Beitrag nicht behandelt, siehe 2 Amorphe Halbleiter und Flüssigkristalle bleiben im Bei- tion zu makroskopischen Anreicherungen aber Beitrag von Th. Mikolajick. trag unberücksichtigt. oder Abreicherungen von Verunreinigun-

50 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg blockstaaten zu produzieren. Der Name „Spurenmetalle“ wies bereits auf das ange- strebte Produktionsprofil hin. Standort der neuen Firma war zunächst das historisch entstandene, mit einer funktionierenden Infrastruktur ausgestattete Produktionsare- al für Zinn, Blei und andere Schwermetalle in Muldenhütten. Trotz des für eine solche Firma für Halbleiter und Reinststoffe un- günstigen, durch Industrieabgase und me- tallhaltige Stäube belasteten Umfeldes be- gann eine technologisch und hinsichtlich der Personalausstattung außerordentlich erfolgreiche Firmenentwicklung. Die Per- sonalzahl wies einen steilen Anstieg von 35 Mitarbeitern im Jahre 1957 bis zu ca. Abb. 1: Wichtige Kristallzüchtungsverfahren für GaAs (schematisch). Quelle: O. Pätzold, E. Buhrig; Vorlesung Kristall- 1.800 Mitarbeitern im Jahre 1989 auf. züchtung 2006 1960 begann im VEB Spurenmetalle der Aufbau einer Produktionslinie zur Her- gen im Kristall, so dass der Kristallisations- • Herstellung von Vorlaufmaterialien in stellung von Germanium. Dazu gehörten vorgang beispielsweise beim sogenannten „metallurgischer“ Qualität die Verfahren: Erzeugung von reinem Ger- Zonenschmelzen auch als Raffinationspro- • Hochreinigung (chemische, physikali- maniumdioxid, Reduktion des Oxids zum zess genutzt werden kann. Zur Gestaltung sche Verfahren) elementaren Germanium, Zonenschmel- der Kristallisationsprozeduren speziell zur • Kristallzüchtung (aus Schmelze, Gas- zen zur Erzeugung des hochreinen Ger- Einkristallzüchtung existiert mittlerweile phase oder Lösung) maniums sowie die Züchtung von Einkris- eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren, • Herstellung von Bauelementen tallen. Mitte der 1960er Jahre produzierte die in einer nahezu 100-jährigen tech- Die meisten der aufgeführten Material- die Firma „Spurenmetalle“ bereits quali- nisch-wissenschaftlichen Entwicklung ent- beispiele und Kristallzüchtungsprinzipien tativ hochwertige Germaniumeinkristal- standen sind. Am Beispiel der Halbleiter- wurden oder werden in der Region Freiberg le, die in den Halbleiterwerken Frankfurt/ verbindung GaAs sind wichtige, technisch industriell oder im Labormaßstab herge- Oder und Berlin zu elektronischen Bau- genutzte aktuelle Methoden in Abb. 1 stellt bzw. genutzt. An der Erkundung ihrer elementen verarbeitet werden konnten. schematisch dargestellt. Insgesamt exis- mineralogischen, chemisch-thermodyna- In dieser Zeit begann jedoch im inter- tiert eine Vielzahl von Kristallzüchtungs- mischen, physikalischen, apparativen und nationalen Maßstab der Übergang zum verfahren für Massivkristalle oder Schich- technologischen Grundlagen wird hier Silicium als Halbleiter. Silicium, dessen ten, wie gearbeitet. Sie sind inhaltliche Bestandtei- Rohstoff in der Erdkruste praktisch unbe- • horizontales/vertikales Zonenschmel- le von akademischen Lehrveranstaltungen grenzt verfügbar ist, weist gegenüber dem zen, z. B. für Silicium an der TU Bergakademie. Germanium auch technologische und • horizontales oder vertikales Bridgman- Bezogen auf Lehr-, Forschungs- und elektronische Vorteile auf, die dieses Mate- Verfahren (gerichtete Kristallisation mit Industrieaktivitäten liegen in der Region rial bis heute zum dominanten Halbleiter Tiegel- oder Kristallbewegung, bzw. mit Freiberg für alle vier Prozessstufen in aus- machten. Auch die Firma „Spurenmetalle“ wanderndem Temperaturfeld, ohne Be- gewählten Schwerpunkten umfassende folgte diesem Trend und begann 1963 mit wegung als Gradient-Freezing Verfah- Kompetenzen vor. der Produktion von Silicium-Einkristallen ren), z. B. für GaAs oder polykristallines und -Wafern. In Muldenhütten entstand Solarsilicium ein Betriebsteil zur Herstellung von hoch- • Czochralski-Verfahren, z. B. für Silicium Die Freiberger Halbleiter-Industrie reinem polykristallinem Silicium und im oder III/V-Verbindungen Süden Freibergs jeweils eine Produktions- • Kristallzüchtung aus Lösungen, wie z. B. Die Arbeiten an Halbleiterwerkstoffen be- stätte für die Kristallzüchtung bzw. Schei- als Hydrothermalverfahren oder Züch- gannen in Freiberg mit wissenschaftlich- benherstellung. Die Produktionskapazität tung aus Schmelzlösungen technischen Untersuchungen zur Hoch- für Silicium-Scheiben wuchs von 952 m2 • Züchtung aus Gasphase, wie z. B. für reinigung von Halbleiter-Basiselementen (1974) auf 13.130 m2 im Jahre 1989. SiC mit dem Lely-Verfahren oder für und Dotierstoffen, wie Gallium, Phosphor, Dem internationalen Trend folgend be- GaN als Gasphasen-Epitaxie (HVPE) Arsen, Indium, Germanium und Silicium gann nach langjährigen Entwicklungsar- Die Kristallzüchtung ist heute eine Hoch- sowie Reinststoffen und zur Synthese beiten – neben der erfolgreichen Produk- technologie, die auf fundierten theoreti- halbleitender Verbindungen in der zwei- tion von Germanium und Silicium – die schen Kenntnissen, präzise arbeitenden ten Hälfte der 50er Jahre im Forschungs- Herstellung von Galliumphosphid, Galli- Anlagen und Diagnose-Verfahren sowie institut für Nichteisen-Metalle. umarsenid und anderen III/V-Verbindun- auf spezifischen Erfahrungen basiert und Im Jahre 1957 wurde durch Beschluss gen. Diese Halbleiter wurden später – bis ständig weiter entwickelt wird. der DDR-Regierung der VEB Spurenme- heute in ihrer Bedeutung zunehmend – zu Die Halbleiter-Technologie ist in der Re- talle Freiberg (SMF) gegründet, mit der selbsttragenden wissenschaftlichen und gel durch folgende Prozessstufen gekenn- Aufgabe, Reinststoffe und Halbleiterwerk- industriellen Schwerpunkten des Halblei- zeichnet: stoffe für die DDR und die damaligen Ost- terstandortes Freiberg.

14. Jahrgang 2007 51 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

Werk der Welt mit Kristallziehanlagen der Firmen/Institutionen Aufgaben, Werkstoffe/ Kristallzüchtung/Synthese Personal gesamt* Produkte damals neuesten Generation, einschließ- lich der Technologie für die mechanischen Siltronic Si-Einkristalle, Scheiben Czochralski Zone-Floating 1160 Arbeitsschritte Sägen und Läppen. Im Jahr Freiberger Compound GaAs und andere Synthese 273 2000 wurde bereits das Werk zur Herstel- Materials Verbindungshalbleiter Czochralski (LEC) GPT (Kristalle, Substrate) Gradient Freezing lung von Einkristallen für die Produktion von 200-mm-Wafern auf dem Gelände an SolarWorld Wafer Blockguss, polykristallines 766 (DeutscheSolar, Deutsche Solarzellen Solarsilicium der Berthelsdorfer Straße in Freiberg mit Cell, SolarFactory, Solar- Recycling hervorragenden Produktionsbedingungen Log, SolarMaterial) in Betrieb genommen. Ein neuer Durch- TU Bergakademie Akademische Ausbildung Precursor-Chemie, Kristallzüch- > 50 bruch in der Etablierung als Standort Fakultäten: Forschung tung, physikalische, chemische für „High-Tech-Wafer“-Produktion gelang Chemie und Physik Wissenstransfer und strukturelle Diagnostik, Werkstoffwissenschaft Scheibentechnologie 2004 mit dem Aufbau der Fab 300-2 für und Werkstofftechnologie 300-mm-Wafer (Kapazität: 150.000 Wafer Maschinenbau pro Monat), deren Erweiterung Ende 2006 Fraunhofer-THM Werkstoff- und im Aufbau steigend abgeschlossen worden ist. Sie beherbergt Technologiezentrum Wafer-Entwicklung die drei charakteristischen Bereiche Kris- Halbleitermaterialien tallzüchtung, Wafering und Epitaxie auf Tabelle 3: Halbleiterproduktion regionaler Firmen. TU Bergakademie Freiberg, Stand 2006 modernstem Niveau. * tätig in Halbleiterproduktion, -lehre und -forschung (ohne Service-Firmen) Allein diese neuen Technologien wer- den in den nächsten Jahren viele neue Ar- Wie in vielen Bereichen der ehemaligen triebsgesellschaft mbh (FEW) umgewan- beitsplätze schaffen. Der heutige Stand in- DDR war 1989 das Niveau der Forschung, delt. Dann folgte die Aufgliederung in die dustrieller Halbleiteraktivitäten in den Frei- akademischen Ausbildung und industriel- Firmen Siltronic für die Silicium-Aktivitä- berger Halbleiterfirmen sowie auch die seit len Produktion auch auf dem Halbleiter- ten, Freiberger Compound Materials für 1957 erzielten umfangreichen firmenspe- gebiet in der Region Freiberg aus natio- die Produktion von GaAs, GaP, InP und zifischen Forschungsleistungen werden in naler Sicht sehr hoch, aber international in die Firma Bayer-Solar, aus der später Nachfolgebeiträgen in dieser Zeitschrift aus- in seiner Logistik, apparativen Ausstattung die sieben Firmenbereiche des Solarworld führlicher behandelt. und hinsichtlich des Produktionsvolumens Konzerns für die Herstellung von Solar-Sili- nicht konkurrenzfähig. cium und Solar-Modulen entstanden. Eine In den Jahren 1989/1990 begann auch Übersicht über die Produktions-Kennzah- Die Bergakademie Freiberg für das Arbeitsgebiet der Firma Spurenme- len ist in Tabelle 3 zusammengestellt. von den Anfängen bis 1990 talle Freiberg der schmerzhafte Weg der Allein die Gesamtzahl der beschäf- Privatisierung unter dem Dach der Treu- tigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Vor über 50 Jahren starteten an der Berg- hand. Das von vielen engagierten Mitar- übersteigt heute bei weitem das Personal- akademie Freiberg, zunächst am Institut beitern getragene Grundkonzept der er- potenzial des VEB Spurenmetalle im Jah- für Metallhüttenkunde, Lehre und For- forderlichen Konsequenzen als Vorausset- re 1989. Die Halbleiterfirmen in Freiberg schung auf dem Gebiet der Erzeugung, zung zum Erhalt der Firma enthielt drei haben in Teilbereichen die Marktführer- Hochreinigung und Einkristallzüchtung prinzipielle Maßnahmen: Drastische Re- schaft erreicht und zeichnen sich durch von Halbleiterwerkstoffen. Es war dem duzierung des Personalbestandes, Kon- die Produktion von Material-Highlights strategischen Weitblick von Prof. Alfred zentration auf Kerngeschäfte und Suche aus, die durch ihr innovatives Niveau ge- Lange zuzurechnen, dass sich damals die nach Investoren für die Privatisierung. Der währleisten, dass die Region Freiberg auch „Halbleitermetallurgie“ an der Bergakade- Optimismus der damaligen Aktivitäten ba- zukünftig ein gefragter Halbleiter-Standort mie etablieren konnte. Seitdem fanden sierte maßgeblich auf der Überzeugung, mit weltweiter Ausstrahlung und Wachs- die aktuellen Werkstoffe, wie Germanium, dass das regional vorhandene Know-how tumspotenzial sein wird. Beispiele dafür Elektronik- und Solarsilicium und Silici- und die fachliche Kompetenz der „Freiber- sind die Züchtung von versetzungsar- umverbindungen, wie Silane, III/V-Verbin- ger“ den steinigen Weg zu global agie- men GaAs-Kristallen mit dem Gradient- dungen, wie Galliumarsenid, ternäre II/ renden erfolgreichen Produktionslinien Freezing-Verfahren in der Firma Freiberger IV/V2-Verbindungen, speziell ZnSiP2 , SiC, schaffen können. Compound Materials, die Entwicklung des und das System Si-Ge, aus verschiedenen Der Erfolg bestätigte diesen Optimis- kostengünstigen Blockgussverfahrens für Blickwinkeln das wissenschaftliche Inter- mus, dabei wurde die Privatisierung auch polykristallines Solar-Silicium mit erheb- esse der Bergakademie. glückhaft durch Persönlichkeiten und Fir- lich verringertem Energiebedarf in den Die Arbeiten begannen Ende der 1950er men unterstützt, ohne die der Halbleiter- neuen Tochterfirmen des Solar World-Kon- Jahre an der metallurgischen Fakultät der standort Freiberg wohl nicht zu sichern zerns und die Produktion von 300-mm-Si- Bergakademie mit Forschungsvorhaben gewesen wäre. Zu nennen sind hier be- liciumscheiben in der Firma Siltronic. zur Gewinnung und Reinigung von Selen, sonders Dr. W. Freiesleben sowie die Fa- Mit der Verschmelzung der FEW GmbH Tellur und Gallium sowie zur Einkristall- milie Federmann aus Israel, aber auch die mit der Wacker Siltronic GmbH am 1. Ja- züchtung von Metallen. Im Gleichklang Firmengruppen Bayer und Wacker. nuar 1996 zur Siltronic AG begann eine damit wurde die akademische Ausbildung Die Privatisierung vollzog sich in meh- stürmische Entwicklung der Freiberger von Studenten auf diesem Gebiet mit ei- reren Etappen. Zunächst wurde der VEB Siliciumwafer-Produktion. Im Herbst 1997 nem ständig steigenden Anteil an Vorle- SMF zur Freiberger Produktions- und Ver- besaß Freiberg das modernste 150-mm- sungen und studentischen Praktika vor-

52 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg angetrieben. Die ersten Vorlesungen wur- zu unbegrenzt) absenken. Leider wurde den von W. Schreiter gehalten, der damals eine industrielle Einführung des Verfah- Mitarbeiter am Forschungsinstitut für NE- rens durch die sich damals vollziehende Metalle war. 1966 wurde die studentische Ablösung des Germaniums durch Silicium Ausbildung von Dr. K. Hein übernommen, nicht mehr weiter verfolgt. der in seiner 30-jährigen Tätigkeit als Pro- In den 1960er Jahren wurde, neben fessor und Direktor des Institutes für NE- den Untersuchungen zur Hochreinigung Metallurgie die Reinststoff- und Halblei- von Halbleitermaterialien und Dotiersub- tertechnologie zu einem eigenständigen stanzen durch Ionenaustausch im Institut Lehrgebiet entwickelte. für Metallhüttenkunde, noch ein weiterer Abb. 2: Striations in Germanium- und Kupferbarren Experimentell stand ab 1963 am Ins- Problemkreis im Hinblick auf Kristallisati- nach dem Zonenschmelzen im horizontalen Graphit- titut für Metallhüttenkunde zunächst das onserscheinungen bearbeitet. Ergebnisse boot mit induktiver Heizung. Quelle: Metallhütteninstitut damals dominierende Halbleiterelement aus der Literatur, aus Laborversuchen und 1969. Ge-Barren: Autoradiographie mit 124Sb als Germanium in Vertragsforschungsthemen industriellen Qualitätskontrollen zeigten radioaktiver Tracer, im Punkt „a“ erfolgte die radioaktive mit der Firma Spurenmetalle Freiberg im das Auftreten von streifigen Verunreini- Markierung. Cu-Barren: Schliffbild, graphisch nachbear- Mittelpunkt. Die Arbeiten konzentrierten gungsinhomogenitäten, den sogenannten beiteter Striationverlauf sich auf die Technologie und Theorie des Striations, beim Zonenschmelzen und bei Zonenschmelzens. der Einkristallzüchtung. Es war damals so- zungen. Das historische Image Freibergs Ein industrieller Ausgangbefund war, wohl strittig, wodurch die Striations verur- mit der chemisch-metallurgischen Tradi- dass der Raffinationseffekt beim Zonen- sacht werden als auch, ob sie vermeidbar tion, das Erbe der weltweit bekannten schmelzen des Germaniums chargenwei- sind. Die experimentellen Untersuchun- Wissenschaftler (Agricola, Winkler, Reich se sehr differierte. Für eine breite Palette gen wiesen aus, dass die Striations bei der und Richter), das industrielle Umfeld mit von Verunreinigungen (Ga, As, Sb, Cu) Kristallisation aus Schmelzen nicht nur „Spurenmetalle“ als der einzigen Firma der wurden deshalb in theoretischen und ex- beim Germanium auftreten, sondern un- DDR, welche Halbleiter und Dotiersubstan- perimentellen Forschungsarbeiten die Ver- abhängig von der Art der Beheizung auch zen in bester Qualität herstellte, und das teilungskoeffizienten als Gleichgewichts- bei anderen Materialien, s. Abb. 2. wissenschaftliche Potenzial der Bergaka- und Effektivwerte umfassend untersucht. Es konnte belegt werden, dass die demie mit den werkstoffwissenschaftli- Die Ergebnisse haben über die Gruppe Striations durch ein Zusammenspiel von chen, metallurgischen, chemischen, mine- der Halbleiterwerkstoffe hinaus Anwen- Strömungs- und Temperaturfluktuationen ralogischen, physikalischen und elektro- dungen gefunden und sind bis heute ak- sowie die dadurch verursachten periodi- technischen Instituten bildeten dafür eine tuell. Es zeigte sich, dass sich die thermo- schen Änderungen der mesoskopischen exzellente Startposition. Es entstand ein dynamischen Aktivitätskoeffizienten un- Kristallisationsgeschwindigkeiten entste- interdisziplinäres Team von technischen terschiedlicher Verunreinigungen bei den hen. Sie lassen sich nur durch eine indus- und wissenschaftlichen Mitarbeitern, das in der Halbleitertechnologie erforderlichen triell nicht realisierbare extreme Verkleine- die methodischen und apparativen Poten- Reinheiten gegenseitig nicht beeinflussen rung des Schmelzvolumens vermeiden, zen der oben genannten Institute und die und somit die binären Verteilungskoeffi- oder, wie sich viele Jahre später zeigte, Kooperation mit der Firma „Spurenmetalle“ zienten als gültig angenommen werden auch durch die Anwendung magnetischer geordnet nutzte und für 30 Jahre ein wohl können. Felder. Die damals mit Germanium erziel- in ganz Deutschland unikales wissen- Als ein entscheidender Faktor für den ten Ergebnisse sind auch aus heutiger schaftlich-technisches Zentrum für Halb- prinzipiellen Reinigungserfolg des Zonen- Sicht als Trends, selbst bei der vertikalen leiterwerkstoffe entwickelte. schmelzens als konservative Raffinati- Einkristallzüchtung von III/V-Verbindun- Organisatorisch wurde die Bereitschaft onsmethode erwiesen sich dagegen die gen, gültig. zur Kooperation dadurch entscheidend ge- Ausgangsreinheiten des Vorlaufmaterials Ende der 1960er Jahre wurde an der fördert, dass, ausgehend von einem zen- und der Hilfsstoffe. Aus diesen Befunden Bergakademie die Bildung von interdis- tralen Aufgabenfeld, die Mitwirkung im entstand die Idee, den durch das Errei- ziplinären Forschungsgruppen angeregt, Team sowohl an die Bedingung der För- chen der Grenzverteilung limitierten Rei- um die Effektivität der Forschung und ihre derung des eigenen, lehrstuhlspezifischen nigungsvorgang des Zonenschmelzens fachübergreifende Ausstrahlung auf die Wissensgebietes als auch an zwingende durch eine Abführung der stark verunrei- Lehre zu erhöhen. Der Grundgedanke war Beiträge zur Unterstützung für die ande- nigten Endbereiche der Germaniumbar- dabei, dass die relativ kleinen Institute we- ren Partner und die aktive Identifikation ren kontinuierlich zu gestalten. Verbunden der hinsichtlich der personellen noch der mit den Gesamtzielen gebunden war. mit einer gut funktionierenden experimen- apparativen Kapazitäten ausreichend leis- Die Leitung der interdisziplinären Ge- tellen Lösung und einer computergestütz- tungsfähig waren, so dass nur eine inter- meinschaft konzentrierte sich auf die ten Prozessmodellierung konnte das „Zo- disziplinäre, also instituts- und fakultäts- Festlegung prinzipieller Orientierungen. nenschmelzen mit Materialabführung“ übergreifende Kooperation als Ausweg ge- Die praktische Realisierung erfolgte de- speziell für Verunreinigungen mit k < 0,2 sehen wurde. Dabei musste das damals zentral in den Arbeitsgruppen Züchtung, zu einem erfolgversprechenden Techno- schon vorhandene Autonomiestreben der Struktur und Physik. Die interdisziplinäre logievorschlag entwickelt werden. Damit Lehrstühle überwunden werden. Forschungsgemeinschaft „Halbleiter“ wies ließ sich die Grenzverteilung einzelner Hinsichtlich einer breit angelegten ko- folgende Organisationsstruktur auf: Verunreinigungen, wie von der Theorie operativen Lehr- und Forschungsarbeit auf • Wissenschaftlicher Rat gefordert, auch im Experiment tatsächlich dem Halbleitergebiet bestanden in der (Vorsitzende: Prof. F. Günther, mit jedem Zonendurchgang stetig (nahe- Freiberger Region die besten Vorausset- Prof. K. Hein, Prof. H. Schneider)

14. Jahrgang 2007 53 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

• Vertreter der Industrie: Dr. T. Flade, Zeit gewonnenen, in den Arbeitsgruppen sem Verfahren gelang es, kleine, aber Dr. D. Clauß profilierten oder neu etablierten methodi- hochwertige GaP-, InP-, InAs- und GaAs- • Sekretär: Dr. E. Buhrig schen Kompetenzen. Dazu gehörten die Kristalle herzustellen und strukturell sowie • Leiter der Fachgruppen: extrem genaue Einstellung von Tempe- bezüglich der elektrischen Eigenschaften Physik: Dr. H. Boudriot raturen in Züchtungsöfen, die Präparati- zu charakterisieren. Dabei wurden erste Struktur: Dr. H. Oettel onstechnik für die Züchtung As- und P- Schritte der Modellierung des Stofftrans- Herstellung: Dr. K. Winkler, Dr. H. Koi haltiger, hochreiner Verbindungen aus portes in der Schmelze auch für die soge- • 20 – 30 wissenschaftliche und Schmelzlösungen und der Gasphase, die nannte „beschleunigte Rotationstechnik, technische Mitarbeiter Methodenentwicklung zur Dampfdruck- ACRT“ gemacht. • Studenten messung und Vielkomponenten-Thermo- Mit verschiedenen Verfahren wurden Die ersten von der Gemeinschaft bearbei- dynamik. Bezüglich der Materialcharak- am Institut für NE-Metallurgie und Reinst- teten Aufgaben beinhalteten die Züch- terisierung und Theorieentwicklung sind stoffe Dampfdruckmessungen durchge- tung und Untersuchung ternärer II/IV/V2- die Bandstrukturberechnung und Prog- führt. Für GaAs fand die Bourdon-Methode Verbindungen, speziell des Zinksilicium- nosen thermodynamischer Eigenschaften, Verwendung. Dieses Messverfahren eignet phosphids ZnSiP2 . die Erfassung elektrischer Halbleiterpara- sich besonders für Materialien mit merk-

Die II/IV/V2-Verbindungen repräsentie- meter, die optische Festkörperanalytik, die lichem Dampfdruck, da es im geschlosse- ren eine Stoffgruppe mit außerordentlich Präparationstechniken zur Elektronenmi- nen System realisiert wird. Für GaAs wur- breit gefächertem Eigenschaftsspektrum kroskopie und Metallographie von Halb- de ein Dampfdruck von 0,8 – 0,9 bar bei (Bandlücken von 0,3 bis 4 eV, Schmelz- leitermaterialien, Verfahren zur röntgeno- 1250 ĮC ermittelt. Später wurden für GaAs punkte von 600 ĮC bis > 1500 ĮC, Dampf- graphischen Realstrukturanalytik von Ein- in Abhängigkeit von der Synthesemetho- drücke am Schmelzpunkt von 0.01 bar bis kristallen und die chemische Präzisions- de auch Werte nahe 2 bar gefunden. > 10 bar). Die Entscheidung für diese Sub- analytik hervorzuheben. Nach parallel durchgeführten Unter- stanzgruppe war auch politisch durch das Als weiteres bleibendes Ergebnis wur- suchungen zur Herstellung von rotem

Vorbild russischer Wissenschaftler beein- den zahlreiche Stoffdaten von II/IV/V2-Ver- Phosphor eröffnete der Übergang zum flusst. Aus heutiger Sicht und in Kennt- bindungen gewonnen und in internatio- horizontalen und später zum vertika- nis der Kompliziertheit der bauelementre- nalen Fachzeitschriften publiziert. len Gradient-Freezing-Bridgman Verfah- levanten Eigenschaften und der Probleme Eine Übertragung des Aufgaben- und ren bei der Züchtung und Untersuchung bei der Züchtung der „einfacheren“ binä- Organisationskonzeptes der damaligen in- von GaAs-Einkristallen eine Phase der ren III/V-Verbindungen gab es für eine in- terdisziplinären Forschungsgemeinschaft wesentlich industrienäheren Forschungs- dustrielle Nutzung solcher ternärer Verbin- auf heute erscheint mit Blick auf die da- arbeit. Die maßgeblich vom damaligen dungen keine Chancen. mals verfügbaren zentralen Finanzquel- Forschungsdirektor der Firma Spurenme- Wissenschaftlich war die Beschäfti- len und den jetzigen autonomen Charak- talle, Dr. Flade, verantwortete förderliche gung mit den II/IV/V2-Verbindungen für ter der Lehrstühle zwar nur bedingt mög- Industrie-Kooperation fand auch darin ih- die Bergakademie dennoch ein Glücksfall. lich. Auch gegenwärtig sollte aber eine ren Ausdruck, dass Mitarbeiter der Berg- Es wurden neue Untersuchungsmethoden gut organisierte Kooperation der Fachge- akademie aus mehreren Fakultäten eine und Laborverfahren zur Charakterisierung biete und Kompetenzen auf dem so dy- Qualifizierungstätigkeit direkt in der Firma und Erzeugung von Halbleitermaterialien namischen und vielschichtigen Gebiet der absolvieren konnten. Der Bau geeigneter entwickelt. Im Metallhütteninstitut wurde Halbleiterforschung in der relativ kleinen Öfen war ein ernstes Problem. Kommer- auch das erste Halbleiter-Reinraumlabor TU Bergakademie helfen, niveaubegren- ziell gefertigte Öfen standen damals nur der Bergakademie mit einer Reinraum- zende personelle und apparative Lücken begrenzt zur Verfügung. klasse von 10 eingerichtet und in Betrieb zu schließen. Gemeinsam mit dem Institut für Auto- genommen. Innerhalb kurzer Zeit war die Unter dem Zwang einer größeren Tech- matisierung, den Physikalischen Institu- Freiberger Forschungsgemeinschaft in der nologienähe und einer Intensivierung der ten und dem Institut für NE-Metallurgie DDR und auch international bekannt und Kooperation mit der Firma „Spurenmetalle“ und Reinststoffe sowie der Firma Elek- geachtet. Dabei beschränkte sich die An- wurde in den 80er Jahren das Aufgaben- tromat Dresden wurden Mehrzonenöfen, erkennung nicht auf Partner aus dem Ost- gebiet der II/IV/V2-Verbindungen verlassen. einschließlich einer rechnergestützten block. Sie förderte aber den internationa- Es begannen Arbeiten an binären III/V- Temperaturregelung, entwickelt und ex- len Ruf Freibergs als Halbleiterstandort. Verbindungen. Die organisatorische und perimentell erprobt. Ein Prototyp dieser Die Vielzahl qualitativ hochwertiger Pro- interdisziplinäre fachliche Struktur der Anlagenlösung für größere Durchmesser motionen (siehe Literatur im Internetpor- Freiberger Forschungsgemeinschaft blieb konnte auch in der Firma „Spurenme- tal), über 100 Publikationen und ein rei- zunächst teilweise erhalten. talle“ unter Mitwirkung von Mitarbeitern cher, neu erworbener, bis heute ausstrah- Damals zeichnete sich die später vor- der Bergakademie aufgebaut und in Be- lender Erfahrungsschatz belegen diese herrschende Dominanz des GaAs noch trieb genommen werden. Dabei wurde Aussage. nicht deutlich ab. Als Kristallzüchtungs- für die Züchtung von GaAs-Einkristallen Das Erfolgskonzept bestand in der ef- methode wurde daher an der Bergakade- mit dem horizontalen Bridgman-Verfah- fektiven Kooperation der an der Bergaka- mie zunächst eine Variante gesucht, die ren die Gradient-Freezing-Methode wei- demie vorhandenen Fachgebiete Theo- mit den verfügbaren, bescheidenen ex- ter entwickelt, die eine Kristallisation retische Physik, Angewandte Physik, Me- perimentellen Möglichkeiten auf mehre- durch ein wanderndes Temperaturfeld oh- tallkunde, Automatisierungstechnik und re III/V-Verbindungen anwendbar war. Als ne mechanische Bewegung des Kristalls Metallurgie sowie der chemischen Analy- erfolgreich erwies sich die SSD-Methode und damit stark vereinfachte Züchtungs- tik. Besonders wertvoll waren die in dieser (solid-solution-diffusion-method). Mit die- apparaturen ermöglichte.

54 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg 4 HSiCl3 → Si + 3 SiCl4 + H2 (1)

SiCl4 + H2 → HSiCl3 + HCl (2)

Eine Schlüssel-Prämisse für die Realisie- rung eines solchen „Konvertierungspro- zesses“ ist die Aufrechterhaltung des hohen Reinheitsgrades, den das hier

einzusetzende Edukt SiCl4 als Produkt aus dem Si-Abscheidungsreaktor bereits hat. Um diesen für das primär zur Si-Ab- scheidung eingesetzte Trichlorsilan zu er- reichen, muss ja ein enormer Energieauf- wand in den Reinigungsprozess gesteckt werden (Destillation über viele Trennstufen und komplizierte Abtrennung der Dotier- Elemente, wie Phosphor und Bor). Die erfolgreiche Entwicklung und An- wendung von Metallsilicid-Katalysatoren durch die gemeinsamen Aktivitäten der beiden Arbeitsgruppen aus den Instituten Anorganische Chemie (Roewer) und Phy- sikalische Chemie (Bohmhammel) führte dazu, dass als Alternative zum u. a. von der Firma Wacker in Burghausen prakti- Abb. 3: Produktionskreislauf für polykristallines Silicium nach dem Siemens-Prozess, erweitert um die katalysierte zierten, sehr material- und energieinten- Konvertierung von Siliciumtetrachlorid zu Trichlorsilan. Quelle: Institut für Anorganische Chemie, 2007 siven Hochtemperatur-Konvertierungsver- fahren ein bei wesentlich niedrigerem Die Arbeiten wurden durch umfangreiche auf die Felder Temperaturniveau betreibbarer Konvertie- strukturelle und physikalische Untersu- • Precursor-Chemie für Si-Material, rungsprozess möglich geworden ist (vgl. chungen am Galliumarsenid begleitet, • Ätzprozesse von Si-Wafern, roten Kasten in Abb. 3, Kat = Metallsilicid). die vor allem methodisch eine nachhal- • Recycling von Si-Wafern und Die Ergebnisse dieser nach der Wiederver- tige Ausstrahlung auf die studentische Si-Feinkorn, einigung Deutschlands in Zusammenar- Ausbildung und die Halbleiterforschung • Synthese und Reaktivitätsmuster von beit mit den Firmen Wacker und Degussa an der Bergakademie hatten. Ergebnis- Nano-Si. betriebenen Forschung zur katalysierten se dieser ersten 25-jährigen Periode der Sie werden in enger Kooperation mit In- Hydrodehalogenierung von Siliciumtetra- Beschäftigung mit Halbleiterwerkstoffen dustriepartnern konzipiert und realisiert. chlorid sind in mehreren Patenten fixiert. an der Bergakademie waren ein fundier- Mit der Berufung von G. Roewer auf die Im Labormaßstab lässt sich aus SiCl4/ ter Erfahrungsschatz auf dem Gebiet der Professur Anorganische Chemie im Sep- H2-Mischungen auch nano-kristallines Si- Einkristallzüchtung, der Diagnostik phy- tember 1988 begannen konkret die Aktivi- licium-Material gewinnen, wie durch ge- sikalischer, struktureller und chemischer täten zur Unterstützung und Optimierung meinsam betriebene Forschung der beiden Eigenschaften und des Gerätebaus sowie des im VEB Spurenmetalle Freiberg bereits Arbeitskreise Bohmhammel/Roewer ge- das Verständnis des komplexen Charak- laufenden industriellen Abscheidungspro- funden worden ist. Die chemischen Reak- ters der Halbleiterwerkstoffe. Die Koope- zesses von polykristallinem Silicium aus tivitätsmuster und elektronischen Eigen- ration zwischen Universität und Industrie Trichlorsilan nach dem Siemens-Prozess- schaften werden nun im gemeinsamen war fruchtbar, wie eine Vielzahl von Pub- Regime. Abgestimmt mit den Intentionen Projekt mit dem Institut für Experimentelle likationen mit neuen wissenschaftlichen des damaligen SMF-Forschungsdirektors Physik erkundet. Erkenntnissen belegt. Diese wichtigen Dr. Flade wurde mit Untersuchungen für Der ursprünglich zur Produktion von

Ergebnisse waren Beiträge zur Qualifi- die katalysierte Wandlung von Siliciumtet- Elektronik-Si aus Monosilan (SiH4) in den zierung Freibergs als Standort der Halb- rachlorid in Trichlorsilan begonnen. USA entwickelte Weg des Si-Produzenten leiterforschung, -lehre und -industrie mit Da aus dem in den Siemens-Prozess REC (USA, Norwegen) fußt letztlich auf der weltweiter Anerkennung. eingespeisten Edukt-Trichlorsilan unter in- Erzeugung von Trichlorsilan (Hydrodeha- dustriellen Bedingungen (CVD bei 1100 ĮC) logenierung des Siliciumtetrachlorids bzw. praktisch nur 25 % der darin enthaltenen Umsetzung von metallurgischem Silicium Forschung und Lehre an der TU Siliciummenge als Wunschprodukt Silici- mit Chlorwasserstoff). Aus ihm wird das Bergakademie Freiberg nach 1990 um abgeschieden, aber 75 % zu hochrei- Monosilan, das sich bei wesentlich niedri- nem Siliciumtetrachlorid (pro Tonne Si ca. gerer Temperatur als Trichlorsilan und voll- Chemie zu Elektronik-/Solar-Silicium 20 Tonnen) gewandelt werden, ist es im ständig zu Silicium und Wasserstoff spal- Die an der TU Bergakademie Freiberg im Sinne der Prozessökonomie von enormer ten lässt, durch eine sogenannte „Dismu- Bereich Chemie ausgeführten Forschungs- Bedeutung, das anfallende Siliciumtetra- tation“ erhalten (Gl. 3). arbeiten zum Themenkreis „hochreines chlorid wiederum zu Trichlorsilan zu kon- Wie aus der Bilanzgleichung abzule- elementares Silicium“ konzentrieren sich vertieren (Gl. 1, 2). sen ist, beträgt der erreichbare Maximal-

14. Jahrgang 2007 55 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

anteil an SiH4 nach dieser „Umverteilung“ der Atome Wasserstoff und Chlor aller- dings auch nur 25 %, Gl. 3:

4 HSiCl3 → SiH4 + 3 SiCl4 (3)

Um die immer größer werdende Lücke zwischen dem Bedarf an Solar-Silicium für die Photovoltaik und verfügbarem kosten- günstig produzierten Material zu schlie- ßen, haben Degussa und Solar World in einem „Joint Venture“ ein prinzipiell ana- loges Prozess-Regime zur Erzeugung von solar-grade-Si-Pulver (SUNSIL®) zur Pro- duktionsreife gebracht. Zum Prozess der Si-Abscheidung (Gl. 4)

SiH4 → Si + 2 H2 (4) werden bezüglich einer Reaktoroptimie- rung (Durchsatz, Verlust) und der Qualität (Reinheit, Partikelgröße, Agglomeration) des anfallenden Silicium-Materials am 1 schwache 2 Politur Institut für Technische Chemie (AG Dr. Zie- Politur genbalg, nachfolgend Prof. Bertau) und im Rahmen von Projekten mit den genannten Firmen umfangreiche Forschungsarbeiten betrieben. Die Überführung von Monosi- lan in Si-Pulver gelingt nahezu verlustfrei. Die Nachfrage nach für photovoltaische Anwendungen relevantem Silicium ist in 3 Übergang 4 Struktur den letzten Jahren sprunghaft angestie- Politur (Gräben, gen, ein weiteres Wachstum des Marktes Struktur Löcher) wird allgemein erwartet. Weltweit sind die Photovoltaikanlagen-Hersteller dabei, in- dustrielle Fertigungen mit hohen Kapazi- täten aufzubauen. Ein großer Teil des Sili- cium-Materials zur Herstellung von Solar- zellen kommt aus der Silicium-Produktion 5 Struktur 6 neutral für die Elektronikindustrie, ca. 35.000 t (sg- (Mattbeize) plus eg-Si-Material) im Jahr 2006. Für So- laranlagen übersteigt der derzeitige Si-Be- darf immer stärker die verfügbare Menge. Darüber hinaus sind Materialien vor- handen, die aufgrund ungeeigneter Do- tierung und von Verunreinigungen erst nach einer Aufbereitung für die Solartech- Abb. 4: HF/HNO3-Ätzdiagramm und Oberflächenmorphologie von Solar-Si-Wafern. Quelle: Institut für Anorganische nik nutzbar sind. Zur Erschließung neuer Chemie 2007 Quellen zählen auch moderne und kos- tengünstige Aufbereitungsprozesse von Interesse der großflächigen, ökologisch erforderlich. In Freiberg ist deshalb in einer verunreinigtem Halbleiter- und Solarsilici- ausgewogenen regenerativen Energieer- gemeinsamen Initiative der Deutsche Solar um sowie die Schaffung einer Kreislauf- zeugung ist es erforderlich, neben um- AG und TU Bergakademie ein neuer For- wirtschaft für Solarprodukte. Ein neuer weltfreundlichen und energiesparenden schungsschwerpunkt „Silicium-Recycling“ Wirtschaft- und Umweltaspekt, der durch Herstellungsverfahren auch die spätere kreiert worden. Auf der Basis eines Inno- die Knappheit an solar-grade-Silicium-Ma- Entsorgung von Solarmodulen unter öko- regio-Projektes „Somozell-1“ (2002–2005) terial und Erhöhung der Energiekosten ein logischen und ökonomischen Gesichts- der Deutschen Solar GmbH mit Instituten noch größeres Gewicht erhält, umfasst das punkten zu berücksichtigen. der TU Bergakademie (Institut für Wärme- Silicium-Recycling aus nicht mehr funkti- Für die Verwirklichung eines schlüssi- technik und Thermodynamik, Institut für onstüchtigen Anlagen und die Reinigung gen globalen Umweltschutzkonzeptes ist Energieverfahrenstechnik und Chemiein- von bei der mechanischen Silicium-Bear- ein solches Recycling mit dem progressi- genieurwesen, Institut für Anorganische beitung anfallendem „Feinkorn“-Anteil. Im ven Wachstum der Photovoltaik zwingend Chemie, Institut für Physikalische Chemie)

56 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg ist im Rahmen von Laborentwicklungen Stoffbilanz, Thermodynamik und Kine- terdisziplinäre Team blieb also zunächst erfolgreich die technische Machbarkeit tik, insbesondere der Mechanismus des erhalten, wenn auch durch die neue Profi- des konzipierten Verfahrensablaufs im Ätzprozesses, werden im Zusammenhang lierung der beteiligten Institute andere For- kleinen Maßstab erprobt worden. mit seiner Effektivierung und Steuerung in men der Kooperation entstanden. Aufbauend auf den Laborergebnissen den Instituten Anorganische Chemie (AG Die Arbeiten zum Galliumarsenid wa- wurde dieses neue Trennverfahren zu- Prof. Kroke und AG Prof. Voigt) und Physi- ren motiviert durch den rasanten Anstieg nächst in den halbtechnischen und dann kalische Chemie (AG Prof. Bohmhammel) der industriellen Anwendung dieses Werk- in den technischen Maßstab am Standort in einem aktuellen Verbundprojekt detail- stoffes in der Kommunikationstechnik, der Freiberg übertragen. Dieses erfolgreich in liert untersucht (Projekt Somozell-2). Optoelektronik und LASER-Technik. Aus die Praxis überführte Projekt zum Recyc- In zweijährlichem Turnus werden auf dieser Massenanwendung ergaben sich ling von Solarzellen und -modulen hat 42 dem BHT (Freiberger Forschungstage) im neue Anforderungen an die Effektivität Arbeitsplätze bei der Solar World AG ent- 3-tägigen Kolloquium „Freiberger Silicium- der Züchtungstechnologien und physika- stehen lassen. Tage“ mit großer Publikumsresonanz aus lischen Eigenschaften sowie auch an die Die Reinigung der abgetrennten So- Betrieben neueste Ergebnisse zur Si-Halb- strukturelle und elektrische Diagnostik. larzellen- und Solarsilicium-Rückstände leiter- und Solarmaterialsynthese, der Ma- Die Bandstruktur des GaAs ermög- durch eine mehrstufige chemische Be- terialbearbeitung und -charakterisierung licht mit einer Bandlücke von 1,4 eV, di- handlung mit flusssäurehaltigen Ätzbä- vorgestellt. rekten Band/Band-Übergängen und der dern verkörpert ein sehr wesentliches hohen Beweglichkeit der Elektronen von Stadium in diesem Konzept zur Ressour- GaAs–Forschung und Kristallzüchtung μ ≥ ..7 · 10 3 cm2/Vs (undotiert) gegenüber cen-Schonung: Entwicklung und Optimie- Die Zeit um 1990 brachte auch in der dem mengenmäßig dominierenden Sili- rung des Ätzprozesses, Konstruktion und Halbleiterforschung der Bergakademie im cium ein erweitertes Anwendungsspekt- Aufbau einer Ätzlinie, Entwicklung eines Hinblick auf die Kristallzüchtung eine rum. Aufgrund dieser Eigenschaften hat Kreislaufkonzeptes unter Reduzierung der völlig neue Situation, insbesondere neue das GaAs für schnelle Bauelemente in der Abgasbelastung und der Abfallmengen. Möglichkeiten. Die Öffnung zu Gesamt- „Handy“-Technologie sowie als Substrat für Die dafür relevanten Forschungsarbei- deutschland und zum westlichen Ausland Lumineszenzdioden und neuerdings auch ten zum Si-Solar-Wafer-Ätzprozess sind im erbrachte die Chance, Kontakte zu inter- für Halbleiter-LASER, wie sie in einer Viel- Institut für Anorganische Chemie ausge- national angesehenen Halbleiter- und zahl von modernen Geräten der Medizin, führt worden. Die stark geschädigten Wa- Kristallzüchtungseinrichtungen Deutsch- der Material-Technologie und in der Unter- feroberflächen aus dem Recyclingprozess lands, wie den Universitäten in Erlangen haltungselektronik zum Einsatz kommen, müssen nach Abbrennen der Kunststoffe und Freiburg und den Zentren in Göttin- breite industrielle Anwendungsbereiche und Ablösen der metallischen Leiterbah- gen und Jülich, zu knüpfen. Diese Kontak- erobert. Diese erfordern sehr unterschied- nen durch Säure-Laugung im Ätzprozess te entwickelten sich, gefördert durch die liche GaAs-Werkstoffqualitäten. mit Flusssäure zunächst weitgehend ge- Unterstützung durch die Firma Spuren- Während für die Optoelektronik und glättet werden. Erst dann kann, je nach metalle bzw. später Freiberger Compound LASER-Technik halbleitende hochdotierte Wunsch, eine Strukturierung bzw. Tex- Materials, schnell zu einer erfolgreichen GaAs-Kristalle benötigt werden, ist für die turierung der Oberfläche vorgenommen und dauerhaften Kooperation. Positive Im- Anwendung in der schnellen Mikroelek- werden. pulse ergaben sich auch aus der Stärkung tronik GaAs mit sogenannten halbisolie- Der chemische Ätzprozess des elemen- der Halbleiterforschung in den Physik-In- renden Eigenschaften, also mit einem ho- taren Siliciums durch den Kontakt mit ei- stituten und durch den Zugang zu neuen hen spezifischen Widerstand, zwingend nem Bad, das Flusssäure im Gemisch mit Arbeitsmethoden und Geräten. erforderlich. Hinzu kommt noch, dass die einem potenziellen Oxidationsmittel OM Am Institut für NE-Metallurgie und GaAs-Kristalle ein hohes Maß an struk- (z. B. konzentrierte Salpetersäure, Wasser- Reinststoffe, das aus dem Metallhüttenin- tureller Perfektion aufweisen, also verset- stoffperoxid) enthält, besitzt eine herausra- stitut hervorgegangen war, begannen un- zungsarm sein müssen. gende Bedeutung für die Planarisierung, ter Leitung von Prof. K. Hein und später Technologisch wird die Erzeugung von Oberflächenstrukturierung und Reinigung unter Prof. E. Buhrig Arbeiten zum vertika- GaAs-Einkristallen dadurch erschwert, dass von Wafern, sowohl in der Photovoltaik als len Gradient-Freezing-Verfahren (VGF) für diese Verbindung bei der Schmelztempe- auch in der Elektronik-Industrie, Gl. 5: GaAs, zur Bedeutung von Strömungsvor- ratur von 1238 ĮC in Abhängigkeit von dem gängen bei der Kristallzüchtung, zur Kris- As-Gehalt in der Schmelze einen Dampf- + - 2- Si + H3O + F + OM →→→ SiF6 … (5) tallzüchtung unter Schwerelosigkeit, zur druck von 0,8 bis 2 bar aufweist und die thermodynamischen Modellierung und dominante Gaskomponente aus dem to- Durch elektronenmikroskopische Unter- später auch zur Kristallzüchtung von SiC. xischen Arsen besteht. Daraus ergibt sich suchungen in Korrelation mit Ätzraten- Die Schwerpunkte lagen aber zunächst in die Tatsache, dass die Züchtung vorzugs- bestimmungen an den Wafern konnten der Züchtung und Eigenschaftscharakteri- weise unter einer Boroxid-Abdeckung er- Reaktant-Konzentrationsbereiche (1 bis 6 sierung von halbisolierendem und dotier- folgt und stringente Vorschriften des Ar- in Abb. 4), bei deren Anwendung jeweils tem VGF-GaAs. beits- und Umweltschutzes eingehalten eine ähnliche Oberflächenstruktur resul- An den Arbeiten beteiligten sich eben- werden müssen. tiert, für das Ätzbad HF/HNO3/H2O ermit- so Institute aus den Fakultäten Chemie Nachdem in der Industrie anfänglich telt werden. Deutlich wird, dass nur ganz und Physik, Werkstoffwissenschaft und meistens das Czochralski-Verfahren zum bestimmte Konzentrationsbereiche der Werkstofftechnologie sowie Maschinen- Einsatz kam, gewann die horizontale Ätz-Reaktanten für eine gezielte Oberflä- bau, Verfahrenstechnik und Energietech- Bridgman-Züchtung für GaAs-Einkristal- chengestaltung nutzbar sind. nik. Das in den Jahren zuvor etablierte in- le in der Firma „Spurenmetalle“ bzw. de-

14. Jahrgang 2007 57 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik ren Nachfolgefirma Freiberger Compound Materials (FCM)3 industriell und am Ins- titut für NE-Metallurgie und Reinststoffe im Labormaßstab an Bedeutung. Anfang der 1990er Jahre bestand allerdings die Aufgabe, GaAs in einem vertikalen Gra- dient-Freezing-Verfahren herzustellen. Das Grundprinzip dieser Methode ist in Abb. 5 dargestellt. Der Vorteil dieser vertikalen Züchtungs- methode gegenüber der in einem horizon- talen Boot besteht darin, dass axialsym- metrische, runde Kristalle entstehen, die eine hohe radiale Homogenität der Eigen- schaften aufweisen. Durch die Möglich- keit einer Durchmesservergrößerung wird das industrielle Anwendungspotenzial des GaAs (VGF) entscheidend erweitert. An der Einführung des vertikalen Gra- dient-Freezing-Verfahrens wurde damals sowohl in der Industrie als auch an deut- schen Universitäten und Forschungsein- richtungen gearbeitet. Daraus entstand die Möglichkeit, in Forschungsaufträgen, die vom BMBF finanziert und von der Fir- Abb. 5: Grundprinzip des Gradient-Freezing-Verfahrens. Quelle: O. Pätzold, E. Buhrig, U. Wunderwald: Vorlesung Kris- ma Freiberger Compound Materials ge- tallzüchtung 2006 stützt wurden, grundlegende experimen- telle und theoretische Arbeiten zum ver- tikalen Gradient-Freezing-Verfahren in das Forschungsprofil der TU Bergakademie Freiberg aufzunehmen. Entscheidend für den sich einstellenden Erfolg dieser Ar- beiten war, dass dabei sowohl an unserer Universität als auch deutschlandweit eine intensive Kooperation entwickelt wurde. An ihr beteiligten sich das Forschungszen- trum in Jülich und Institute der Universität Erlangen mit eigenständigen, aber koordi- nierten Teilaufgaben. Diese Forschungsaufgabe, die nahezu 10 Jahre die GaAs-Halbleiterforschung an der Bergakademie prägte, fand mit dem Thema „Züchtung von halbisolierenden undotierten GaAs-Einkristallen nach dem vertikalen Bridgman-/Gradient-Freezing- Verfahren“, das federführend von Prof. H. Oettel vertreten wurde, im Jahre 2000 ei- nen erfolgreichen Abschluss (siehe Tabel- le im Halbleiter-Internetportal). An der Bergakademie beteiligten sich folgende Institute an dieser Entwicklungs- arbeit: • das Institut für Automatisierungstech- nik mit der Entwicklung einer compu- tergestützten hochpräzisen Temperatur- Mess- und Regelungstechnik • das Institut für Hochtemperaturanlagen

3 Im Rahmen der Privatisierung entstand aus der Firma Spurenmetalle Freiberg die Firma Freiberger Elektronik- werkstoffe und, als Hersteller für GaAs, die Firma Freiber- Abb. 6: GaAs- und InAs-Kristalle, gezüchtet mit dem Gradient-Freezing-Verfahren im Institut für NE-Metallurgie und ger Compound Materials. Reinststoffe, 40 mm, 1995. Originalkristallfarbe silbergrau. Quelle: B. Weinert, Festkolloquium für Dr. Flade 2007

58 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Arsen aus einer Quelle verdampft, so dass der As-Dampf den gesamten freien Am- pullenraum ausfüllt. Das GaAs mit Si-Do- tierung befindet sich in einem Bornitrid- Tiegel und kann mit Boroxid überschichtet werden. Das GaAs wird bis auf den Keim aufgeschmolzen. Durch gesteuerte Absen- kung der Temperatur wird eine Kristallisati- onsfront, vom Keim beginnend, nach oben geführt, bis das gesamte GaAs kristallisiert ist. Das thermodynamische Modell weist aus, dass alle im Reaktionsraum vorhan- denen Phasen mit den Spezies im Gas (As,

N2, SiO, B2O3), im Boroxid (B2O3, SiO2, As2O3,

Ga2O, N2), Bornitrid (Tiegel), SiO2 (Ampulle) und As-Quelle oder auch einem Graphit- Zusatz untereinander in einem tempera- turabhängigen chemischen Gleichgewicht stehen, also Verunreinigungen und Ma- trixkomponenten austauschen. Die sich Abb. 7: Geschlossenes Ampullensystem zur Züchtung von Galliumarsenid. Quelle: E. Buhrig, Vorlesung Kristallzüchtung ergebenden chemischen Konzentrationen 2007 können durch das thermodynamische Modell quantitativ berechnet werden. mit der thermischen Simulation, der wie in Bezug auf Grundlagenfragen an Neben der zielgerichteten Kristallzüch- Konstruktion und dem Bau eines opti- der TU Bergakademie. Die Druckofenva- tung bildete die Installation einer leis- mierten Gradient-Freezing-Ofens für die riante ist heute eine tragende Säule der tungsfähigen, vollautomatisierten Gradi- GaAs-Kristallzüchtung Züchtung von VGF-GaAs-Kristallen in der ent-Freezing-Apparatur und einer kom- • das Institut für NE-Metallurgie und Firma FCM. pletten Züchtungstechnologie im Institut Reinststoffe mit der Entwicklung einer Am Institut für NE-Metallurgie und für NE-Metallurgie und Reinststoffe den Technologie zur Züchtung von dotier- Reinststoffe wurde alternativ dazu eine an- Ausgangspunkt und die experimentelle ten und undotierten, versetzungsar- dere Technologie, die Züchtung der GaAs- Basis für die Entwicklung neuer Kristall- men GaAs-Kristallen in geschlossenen Kristalle und weiterer III/V-Verbindungen züchtungsvarianten. Im Mittelpunkt steht Quarzampullen, der Bereitstellung von (siehe Abb. 6) im geschlossenen System dabei nach wie vor die Modellierung und Kristallmaterial für die Arbeitsgruppen in der in Abb. 7 dargestellten Ampullen- aktive Beeinflussung von Strömungsvor- und mit der thermodynamischen Mo- variante weiterentwickelt und realisiert. gängen in der Halbleiterschmelze, weil dellierung des Züchtungsprozesses Mit diesem Verfahren konnten sowohl dadurch der Wärme- und Stofftransport • das Institut für Metallkunde mit der Ent- halbisolierende als auch hoch-Si-dotierte, während der Züchtung – und damit die wicklung und Anwendung von Verfah- versetzungsarme GaAs-Kristalle gezüchtet Kristallqualität und Ausbeute – verbessert ren zur lichtoptischen, röntgenographi- werden. Dabei gelang es auch durch die werden können. Die Arbeitsschwerpunkte schen und elektronenoptischen Analy- Diagnostik-Kooperation mit den Industrie- auf diesem Gebiet umfassen den Einsatz tik der Realstruktur des GaAs partnern, den Physik-Instituten sowie dem zeitabhängiger Magnetfelder bei der VGF- • das Institut für Experimentelle Physik Institut für Werkstoffwissenschaft grund- Züchtung sowie die Kristallzüchtung un- mit der elektrischen Charakterisierung, legende Zusammenhänge für das Ent- ter Schwerelosigkeit, also im Weltraum. einschließlich ortsaufgelöster Verfahren stehen des halbisolierenden Zustandes Der Kristallisationsprozess und die ent- und der Störstellenanalytik tiefer Ener- im GaAs zu analysieren. Außerdem wur- stehende Kristallqualität werden maßgeb- gieniveaus den aus dem Institut für NE-Metallurgie lich durch die Strömung vor der Kristallisa- • das Institut für Theoretische Physik mit und Reinststoffe wesentliche Beiträge zur tionsfront und im Schmelzvolumen beein- der Bandstrukturberechnung. Thermodynamik der GaAs-Kristallzüch- flusst. Für diese Strömung in der Schmelze Die Gradient-Freezing-Züchtung von tung erbracht. Ein wichtiges Merkmal die- existieren zwei natürliche Triebkräfte: GaAs-Einkristallen wurde in dieser um- ser Züchtungsmethode im geschlossenen a) die gravitativ erzeugte Strömung (Auf- fassenden Forschungsaufgabe in zwei Quarzcontainer ist, dass der As-Partial- triebsströmung), die unter terrestrischen Richtungen weiterentwickelt. Die eine druck durch ein exakt temperiertes As- Bedingungen bei Vorliegen eines Tempe- orientierte sich auf die Entwicklung einer Reservoir eingestellt und damit auch die raturgradienten unvermeidbar ist und Druckofenvariante, die für die Züchtung Stöchiometrie des GaAs-Kristalls definiert b) die Strömung durch den Marangoni- großer GaAs-Kristalle im industriellen werden kann. Das ist im Druckreaktor nur Effekt, der durch Gradienten der Oberflä- Maßstab prädestiniert ist. Diese Verfah- bedingt möglich. chenspannung verursacht wird und damit rens- und Ofenentwicklung erfolgte im Für Si-dotiertes, versetzungsarmes GaAs auch unter Schwerelosigkeit wirkt. Rahmen des obengenannten gemeinsa- wurde ein thermodynamisches Modell Die Kristallzüchtung unter Schwere- men Forschungsprojektes vorzugsweise entwickelt, das folgenden Kristallisations- losigkeit ist vor allem für grundlegende am Jülicher Forschungszentrum und am ablauf beschreibt: In der geschlossenen Untersuchungen zu den Ursachen und Kristalllabor der Erlanger Universität so- Quarzglasampulle wird bei 610 – 630 ĮC Mechanismen der Schmelzströmung von

14. Jahrgang 2007 59 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

Abb. 8: Gradient-Freezing-Anlagen zur Kristallzüchtung im Magnetfeld im Institut für NE-Metallurgie und Reinststoffe für Kristalldurchmesser bis 30 mm. Quelle: O. Pätzold, 2007 a) rotierendes Magnetfeld, b) wanderndes Magnetfeld, c) Anlagenprinzip

Bedeutung. Unter Weltraumbedingungen zum Übergang von einer laminaren zu ei- Verringerung der thermischen Spannun- lassen sich auch schwerkraftunabhängi- ner zeitabhängigen Strömung liefern. gen an der Phasengrenze Schmelze/Kris- ge Phänomene erforschen, die ansonsten Ein statisches Magnetfeld mit sehr ho- tall und zu einer homogeneren Verteilung unvermeidlich von der Auftriebsströmung hen Feldstärken kann die Konvektion in von Dotierstoffen führen. Damit ist der überlagert werden. Ein Beispiel dafür ist der Schmelze komplett unterbinden und Nachweis erbracht, dass sich die entwi- die Marangoni-Konvektion an freien Ober- damit eine Stabilisierung des Kristallisa- ckelte Magnetfeld-VGF-Technologie prinzi- flächen, die durch die Temperatur- und tionsvorganges bewirken. Durch Erzeu- piell für die Züchtung von Halbleiterkris- Konzentrationsabhängigkeit der Oberflä- gung einer definierten Strömung mittels tallen mit verbesserten strukturellen und chenspannung verursacht wird. zeitabhängiger Magnetfelder lässt sich elektrischen Parametern eignet. In einem Kristallisationsexperiment, eine Optimierung der Züchtung erzielen. Diese Arbeiten erfolgen im Rahmen welches vom Institut für NE-Metallurgie Die letztgenannte Variante benötigt nur des DFG-Sonderforschungsbereichs 609 und Reinststoffe initiiert, vorbereitet und geringe Feldstärken und ist deshalb sehr „Elektromagnetische Strömungsbeeinflus- ausgewertet und in der Orbitalstation MIR vorteilhaft. Sie ist im Labormaßstab sowie sung in Metallurgie, Kristallzüchtung und vollzogen wurde, zeigte sich, dass bei der auch im technischen Maßstab effektiv Elektrochemie“ in enger Kooperation mit Existenz freier Schmelzoberflächen durch einsetzbar. dem Forschungszentrum Rossendorf und den Marangoni-Effekt tief in das Volumen Zeitabhängige Magnetfelder bieten die der TU Dresden. eingreifende Strömungen entstehen. Sie Möglichkeit der kontaktlosen Beeinflus- Die Entwicklung und Optimierung ge- können die Fremdelementdurchmischung sung der Schmelze. Für die Untersuchungen eigneter Apparaturen mit einem Magnet- im Volumen und auch die Vorgänge an der Kristallzüchtung unter Einwirkung zeit- modul einschließlich präparativer Erfah- der Kristallisationsfront nachhaltig beein- abhängiger Magnetfelder wurden die am rungen und Simulationsrechnungen für flussen. Auch unter terrestrischen Bedin- Institut für NE-Metallurgie und Reinststoffe die Strömungsvorgänge sind eine Voraus- gungen, also in der praktischen Kristall- existierenden VGF-Anlagen mit Spulensys- setzung für die Realisierung der Magnet- züchtung, muss immer mit der Wirkung temen für die Erzeugung eines horizontal feldzüchtung. Dieser Aufgabenkomplex ist der Marangoni-Strömung gerechnet wer- rotierenden und eines axial wandernden ein weiteres aktuelles Arbeitsgebiet am In- den. Die weiterführenden aktuellen Arbei- Magnetfeldes ausgerüstet (Abb. 8). stitut für NE-Metallurgie und Reinststoffe. ten zur Kristallzüchtung im Weltraum er- Derzeit wird ein umfangreiches Ver- Dabei werden die kommerziell verfügba- folgen in einem durch die deutsche Luft- suchsprogramm zur Erprobung und Op- ren Programme CrysVUN++ und FactSage und Raumfahrtbehörde (DLR) geförderten timierung der Anlagen und zur systema- genutzt. Forschungsprojekt. Die zugehörigen Welt- tischen Untersuchung der Magneto-Hy- CrysVUN++ ermöglicht auf der Basis ei- raumexperimente werden von der Euro- drodynamik-Effekte realisiert. Die bisher nes thermischen Modells der Züchtungs- päischen Weltraumbehörde (ESA) koordi- durchgeführten Experimente zur Mag- anlage (Abb. 9) die numerische Simula- niert und im Rahmen der unbemannten netfeldzüchtung von Ge und GaAs bele- tion des VGF-Prozesses unter Berücksich- FOTON M3-Mission durchgeführt. Sie sind gen, dass eine gezielte Beeinflussung der tigung von Auftriebs-, Marangoni- und auf die Untersuchung der durch ein rotie- Schmelze durch die verwendeten Magnet- magnetfeldinduzierter Schmelzkonvekti- rendes Magnetfeld induzierten Strömung felder möglich ist. Es lassen sich stationäre on. FactSage wird für die thermodynami- gerichtet und sollen neue Erkenntnisse Strömungsmuster erzeugen, die zu einer sche Modellierung eingesetzt, um fun-

60 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Wissenschaftlicher Nachwuchs, neue Si-Wafern, Si-Beschichtungsprozesse und Studiengänge an der TU Bergakademie strukturelle Charakterisierung/Diagnos- Die Spezialausbildung des wissenschaft- tik) entstanden. Auf dem letztgenannten lichen Nachwuchses für die Halbleiter- Gebiet sind insbesondere die spektrosko- forschung und -industrie wird an der TU pischen Methoden zur zerstörungsfreien Bergakademie Freiberg maßgeblich von Analyse von Wafern, basierend auf laser- den beiden Fakultäten „Werkstoffwissen- induzierten Leitfähigkeitsänderungen, zu schaft und Werkstofftechnologie“ und nennen, die auch eine Voraussage von „Chemie und Physik“ getragen. deren elektrischer Charakteristik gestat- Mit der Installierung der beiden neu- ten. Sie erlauben eine prognostische Qua- en Studiengänge „Angewandte Naturwis- litätseinschätzung der Wafer in Bezug auf senschaft“ und „Elektronik- und Sensor- ihren weiteren Einsatz für Bauelemente materialien“ hat unsere Universität auch in der Mikroelektronik bzw. Photovoltaik. auf neuen Pfaden konkret auf die erhöh- (Ein Beitrag dazu ist für das Heft 2008 ge- ten Anforderungen zur intensiven Ausbil- plant). Die methodischen Erfolge zur Ma- dung von wissenschaftlichem Nachwuchs terialsynthese und -charakterisierung wer- auf dem Sektor Halbleitermaterialien re- den begleitet und befruchtet durch moder- agiert. „Stoffe der Mikroelektronik“ verkör- ne theoretische Methoden im Bereich der pern eine der drei Vertiefungsrichtungen Professur für „Theoretische Physik“ (Prof. des Studiengangs „Angewandte Naturwis- Kortus). senschaft“, der 1996 von der Fakultät für Ein großer Sprung in Richtung prakti- Chemie und Physik kreiert worden ist. Sein scher Einstieg in die Gebiete der Herstel- Konzept hat unter Kontrolle des Mathema- lung und Charakterisierung neuer Materi- Abb. 9: Numerische Simulation unter Berücksichtigung tisch-Naturwissenschaftlichen Fakultäten- alien für zukünftige elektronische Bauele- der Auftriebs- und Marangoni- und magnetfeldinduzier- Tages gestanden und schließlich auch mente sowie der Herstellungstechnologien ten Schmelzkonvektion. Quelle: O. Pätzold, 2007 hohe (finanzielle) Anerkennung vom „Stif- der Mikro- und Nanoelektronik ist durch terverband für die Deutsche Wissenschaft“ den Aufbau eines modernen Reinraumla- dierte Aussagen über chemische Gleich- gefunden. In seinem Rahmen sind inhalt- bors im Gellert-Bau gelungen. Dieses wird gewichte und dominierende Spezies im lich völlig neue Lehrveranstaltungen ge- auch wesentlich das Umfeld für die prak- System Kristall-Schmelze-Gasphase unter neriert worden, die interdisziplinär ausge- tischen Untersuchungen im Rahmen der Berücksichtigung von Verunreinigungen, richtet sind (Physik/Chemie/Biologie/Ma- Forschung am neu eingerichteten Lehr- Dotierungen sowie latenten Fremdele- terialwissenschaft). Der interdisziplinäre stuhl „Angewandte Physik – Halbleiterma- mentquellen aus Konstruktionskompo- Charakter zahlreicher Themenstellungen terialien“ (Prof. Frey, vgl. Porträt in dieser nenten im Züchtungsreaktor zu erhalten. findet seinen Ausdruck auch in der Form Ausgabe) bilden und zu einer effektiven Die bisherigen Ergebnisse aus Kristall- der Betreuung von Qualifizierungsarbei- Kooperation mit den Arbeiten am Lehr- züchtungsversuchen mit GaAs und auch ten. Die für den Halbleitersektor relevan- stuhl „Elektronik- und Sensormaterialien“ mit der Modellsubstanz Germanium bele- te Vertiefungsrichtung wird jährlich von (Prof. Mikolajick, Fakultät für Werkstoff- gen die Möglichkeit der effektiven Beein- ca. 15 Studenten gewählt. Hinzu kommen wissenschaft und Werkstofftechnologie, flussung und Optimierung der Strömung Studenten des Studiengangs Chemie. Die- vgl. Beitrag S. 45–48) beitragen. Mit die- während der Züchtung sowie positive Aus- ser Studiengang verkörpert in Freiberg sem bedeutsamen Schritt der Gründung wirkungen auf die Form der Phasengrenze schon seit 1990 ein Reservoir für Nach- des Instituts für Elektronik- und Sensorma- und auf die Kristallhomogenität. wuchs in der Si-Halbleitermaterialproduk- terialien hat unsere Universität ihre An- Die Magnetfeldanwendung bei der tion und Elektronikindustrie. Im Rahmen strengungen weiter verstärkt, der gestiege- Kristallzüchtung in verschiedenen und der Master-Ausbildung wird hier nun auch nen Bedeutung neuer Materialien in der hier in ihrer Vielfalt nicht darstellbaren ein Modul „Halbleiterchemie“ angeboten. Elektronik-Industrie Rechnung zu tragen. Ausführungsformen wird als wichtige Er- Mit den aus beiden Studiengängen resul- Dieses Institut hat auch die Schlüsselposi- weiterung von Kristallzüchtungstechniken tierenden Studien- und Diplomarbeiten tion für die Ausbildung von Studenten im sowohl im Labormaßstab als auch für In- sowie Dissertationen ist eine beträchtliche gleichnamigen Studiengang „Elektronik- novationen der industriellen Kristallzüch- Forschungskapazität verfügbar, die sich und Sensormaterialien“ inne. tung angesehen. in der Entwicklung neuartiger Verfahren Im von Prof. Stelter geleiteten Institut für Der auf dem Gebiet der Grundlagen von bzw. Methoden zur Synthese, Prozessie- NE-Metallurgie und Reinststoffe der Fakul- Kristallisationsvorgängen, der praktischen rung und Charakterisierung von Halblei- tät Werkstoffwissenschaft und Werkstoff- Kristallzüchtung sowie der umfassenden ter- und Solarmaterialien niederschlägt. technologie finden Vorlesungen, Seminare Prozessmodellierung und Eigenschaftser- Basierend auf den bisher realisierten und Praktika zu den Gebieten Seltene Ele- kundung von Halbleitermaterialien an der Forschungsleistungen ist viel neues stoff- mente, Hochreinigung und Dotierung so- TU Bergakademie erreichte Kenntnisstand liches Know-how (Si-Precursorchemie/ wie zur Kristallzüchtung statt. Diese sind ist eine solide Basis für langfristig ange- Abscheidung) in Verknüpfung mit der Bestandteile des Studienganges „Werk- legte Forschungsarbeiten. Zugleich er- markanten Entwicklung eines modernen stoffwissenschaft und Werkstofftechnolo- zeugt er Stimulation für Vorlesungen und Reservoirs an Methoden zur Materialbe- gie“ mit der Studienrichtung „NE-Metallur- Praktika im Rahmen der akademischen arbeitung (u. a. schadensarmes Sägen gie“ sowie des Studienganges „Elektronik- Ausbildung Freiberger Studenten. von Si-Blöcken, chemisches Ätzen von und Sensormaterialien“. Die Arbeitsgruppe

14. Jahrgang 2007 61 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik um Dr. O. Pätzold konzentriert sich auf die ausgegebenen Mittel!). Dazu gehören u. a. der TU Bergakademie und wird das wis- Kristallzüchtung als Basistechnologie der die neu geschaffenen modernen Reinräu- senschaftliche Leben der Halbleiter-Regi- Halbleitertechnik. Der neu ausgestaltete me im Gellert-Bau und im Ledebur-Bau, on Freiberg fördern. Ledebur-Bau wurde dafür u. a. mit einem in welchen Studenten und Doktoranden Mit dem Gesamtverbund erwächst die modernen hochauflösenden analytischen praxisrelevant den Umgang mit Halblei- Basis für einen Cluster für die Halbleiter- Raster-Elektronenmikroskop, mit einem termaterialien trainieren sowie neue Ma- materialforschung in Freiberg, der das Po- Reinraumtrakt und neuen Arbeitsplätzen terialien und deren Effekte erforschen tenzial hat, ein großes Zentrum der Mate- für die Kristallzüchtung zur Nutzung in können. Begleitend erwarben die Institu- rialforschung für die Mikroelektronik und Forschung und Lehre ausgestattet. te der Universität Forschungsgroßgeräte Photovoltaik in Deutschland zu werden. Die Intensivierung der Kooperation zwi- im Wert von 15 Millionen Euro. Noch für schen TU Bergakademie und Halbleiter/ 2007 sind Investitionen von weiteren fünf Photovoltaik-Industrie dokumentiert sich Millionen Euro geplant. Wie Rektor Georg Zusammenfassung und Ausblick außer in der Vergabe bzw. gemeinsamen Unland auf dem Festakt „50 Jahre Elektro- Bearbeitung von Forschungs- und Ent- nikwerkstoffe aus Freiberg“ anlässlich der Die Region Freiberg verkörpert – einge- wicklungsaufgaben auch in der verstärk- Gründung des VEB Spurenmetalle vor 50 bettet in ihre historische Tradition – ein ten Ausbildung von wissenschaftlichem Jahren erst kürzlich erneut zum Ausdruck wissenschaftlich-technisches Halbleiter- Personal. Ein immer kräftiger werdender brachte, soll mit diesen Investitionen die zentrum. Dessen Kompetenz umfasst die Strom von Absolventen, insbesondere aus Ausbildung von Fachleuten für die Halb- gesamte Kette von der Materialentwick- den drei Studiengängen Angewandte Na- leiterindustrie weiter gestärkt werden. Er- lung und Kristallzüchtung, über die chemi- turwissenschaft, Elektronik- und Sensor- klärte Ziele sind jährlich etwa 100 Absol- sche, strukturelle, elektrische und optische materialien sowie Chemie, verstärkt den venten und 10–15 Promotionsarbeiten. Diagnostik bis hin zur Bauelementeent- Personalbestand der Unternehmen und Viele Absolventen der TU (insbesonde- wicklung in Bezug auf Forschung, indus- trägt maßgeblich zur Umsetzung der ehr- re der Fakultäten 2 und 5) haben in Frei- trielle Produktion und akademische Aus- geizigen Produktionsziele bei. So haben berger Halbleiterbetrieben schon einen bildung. in den vergangenen zehn Jahren zwölf Arbeitsplatz gefunden. Die drei Freiberger Die 50-jährige „Halbleiterstory“ Frei- promovierte Chemiker unserer Universität Halbleitermaterialbetriebe sind Mitglieder bergs ist durch eine stetige Weiterent- bei den drei Freiberger Halbleitermaterial- der „Kompetenzoffensive Nachhaltigkeit“. wicklung charakterisiert und hat sicher produzenten einen Arbeitsplatz gefunden. Bisher läuft eine beachtliche Anzahl noch keinen Endpunkt erreicht. Das bele- Weitere sind in die Betriebe des „Silicon an gemeinsamen Drittmittelprojekten, die gen innovative Forschungsarbeiten, neue Saxony“-Verbundes (AMD, Infineon, Qi- weiter wachsen und damit die seit lan- Lehrgebiete an der TU Bergakademie und monda, Siemens …) gegangen. Elf Absol- gem geübte, erfolgreiche Tradition fortset- neue Produktionslinien der Freiberger Fir- venten des Studienganges Angewandte zen soll. men. Die TU Bergakademie verfügt über Naturwissenschaft arbeiten heute bereits In Einklang mit dem generellen For- ein angemessenes Forschungspotenzial in der Halbleiterindustrie, vorwiegend im schungsprofil der Universität werden na- auf dem Halbleitersektor mit beträchtlicher Freiberger Umfeld. Alle 20 Absolventen turwissenschaftliche und werkstoffwissen- Personalkapazität und moderner Geräte- des Studiengangs Elektronik- und Sen- schaftliche Institute bei den Forschungs- ausrüstung. Damit sind auch sehr gute Vo- sormaterialien, die bisher die Hochschu- arbeiten zu Halbleitermaterialien zusam- raussetzungen für die Nachwuchsausbil- le verlassen haben, wirken in Stätten der menwirken. Diese Aktivitäten sollen sich dung von Fachleuten geschaffen worden. Halbleiterforschung und -produktion, fünf effektiv ergänzen mit denen des Portfolios Mit dem 2005 gegründeten Fraunho- davon unmittelbar in Freiberg. Die Imma- des in Freiberg installierten Fraunhofer ferinstitut „THM“, das sich in der Phase der trikulationszahlen für die letztgenannten Instituts „Halbleiter-Technologiezentrum“ inhaltlichen Ausgestaltung der erklärten jungen Studiengänge sind steigend. (THM). Dieses neu entstehende Technolo- Forschungsziele befindet, wurde ein wei- giezentrum ist eine gemeinsame Einrich- terer Schritt zur Ausprägung einer erfolg- tung des Fraunhofer-Instituts für Integrier- reichen regionalen Kooperation und zur Freiberger Halbleiter-Cluster – te Systeme und Bauelementtechnologie Steigerung der Leistungsfähigkeit des Frei- Leuchtturm für die Kooperation in Erlangen und des Fraunhofer-Instituts berger Halbleiter-Standortes getan. für Solare Energiesysteme in Freiburg. Es Gegenwärtig wirken elf Professoren mit unterstützt Firmen bei der Forschung und Danksagung halbleitermaterial-relevanten Forschungs- Entwicklung zur Materialpräparation und Die Autoren bedanken sich für die Unterstützung bei aktivitäten an der TU Freiberg, d. h. jeder -bearbeitung für 300-mm-Silicium-Wafer, der Erarbeitung des Beitrages bei den Herren Dr. Flade zehnte Professor der TU forscht im Halblei- Solarsilicium und III/V-Halbleiter und bietet (Freiberger Compund Materials), Dr. Müller (Solar World), ter-/Photovoltaik-Bereich, unterstützt von den Industriepartnern Dienstleistungen für Dipl.-Ing Richter (Siltronic), Dr. Pätzold (TU Bergakademie mehr als 30 wissenschaftlichen und eben- die laufende Produktion und später auch Freiberg) und Dr. Weinert (FCM) sowie bei den Professo- so vielen technischen Mitarbeitern. Damit der TU Bergakademie Freiberg im Bereich ren K. Hein, J. Niklas, M. Stelter und H. Oettel. Unser Dank arbeiten rund 15 % der haushaltfinanzier- der Analytik, Charakterisierung und tech- gilt besonders den vielen Freiberger wissenschaftlichen ten Beschäftigten in diesem Bereich. nologische Tests an. Dieses eröffnet neben und technischen Mitarbeitern sowie den Studenten, de- Auf dem Freiberger Campus wurden in den Möglichkeiten für eine fruchtbare For- ren Arbeitsergebnisse im Beitrag referiert wurden. den letzten fünf Jahren 20 Millionen Euro schungskooperation auch ausgezeichnet investiert, um die räumlichen Bedingun- ein erweitertes Feld für die zielgerichte- Ein ausführliches Literaturverzeichnis und Zusatzinfor- gen für die Halbleiterforschung zu verbes- te praxisnahe Ausbildung der Studenten mationen zum Beitrag sind unter http://www.tu-freiberg. sern (mehr als 40 % der in diesem Zeitraum und Doktoranden (Graduiertenschule) an de/~vff/ zusammengestellt.

62 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg 40 Jahre selbständiges Lehrgebiet Hydrogeologie

Im Januar 2007 jährte sich die Einrichtung eines selbständigen der Freiberger Kernphysik (T, C-14, Si-32) und lsotopengeoche- Lehrgebietes Hydrogeologie an der TU Bergakademie Freiberg mie (O-18, C-13, D, Edelgase) vertieft weitergeführt und zu einer durch die Gründung einer solchen Professur zum 40. Mal. international anerkannten Lehr- und Forschungsrichtung aus- Bereits mit der Gründung der Königlich Sächsischen Bergaka- gebaut. Zweijährlich fanden „Internationale Isotopenkolloquien“ demie im Jahre 1765 musste sich die zu lehrende Bergbaukunde unter Einbeziehung der IAEA, Wien und der GSF, Neuherberg auch der „hydrogeologisch-technischen“ Aufgabe der Entwässe- statt. Die internationale Zusammenarbeit erweiterte sich durch rung von Grubenbauen widmen. Anfang des 20. Jahrhunderts gemeinsame Arbeiten mit der TU Bratislava, der TU Irkutsk und wurde diese Lehraufgabe in der Bergmännischen Wasserwirt- den Akademien der Wissenschaften in Moskau und Irkutsk. Des schaft zusammengefasst. Auch eine Radiumhydrologie wurde Weiteren wurde die Marine Geologie durch Peter Dietrich als ab 1908 betrieben. Nach der Einführung eines eigenständigen Lehr- und Forschungsgebiet am Lehrstuhl eingerichtet. Studienganges Geologie im Jahre 1941 mit dem Abschluss als Eine tragende Säule der von der Industrie finanzierten For- Diplom-Geologe wurde dann bis 1966 die Hydrogeologie mit ei- schung wurde der Grundwasserschutz (qualitativ und quantita- genen Lehrveranstaltungen durch verschiedene Lehrbeauftrag- tiv, Geschütztheitsbewertung, Schwermetallmigration u. a.). Die te (u. a. Köhler, Hohl, Milde) dargeboten. Mit der Berufung von Mineral- und Thermalwässer Sachsens und die hydrologische Gerald Milde auf die Professor für Hydrogeologie an die Berg- Gefährdung des Kalibergbaues waren ebenfalls ein Forschungs- akademie zum 1. Januar 1967, die er bis 1975 innehatte, wur- gegenstand in dieser Periode. de das selbständige Lehrgebiet Hydrogeologie begründet. Dies Die Neustrukturierung der TU Bergakademie 1992/93 führ- dürfte wohl die erste etatisierte Professur für Hydrogeologie (im te zur Gründung der Fakultät Geowissenschaften, Geotechnik Wortsinn) in Deutschland gewesen sein. An der TH Karlsruhe und Bergbau mit ihrem Institut für Geologie, für das neben vier war schon im Herbst 1965 ein hauptamtliches Lehrgebiet Ange- anderen Professuren seit 1993 Broder Merkel als ordentlicher wandte Geologie eingerichtet worden, das ebenfalls die Hydro- Professor für Hydrogeologie berufen wurde. In der Lehre wur- geologie betreute. de die Tradition der breiten hydrogeologischen Ausbildung bei- Von der Gründung an erfolgte ein breiter Ausbau der hydro- behalten, aber um die Aspekte der numerischen Grundwasser- geologischen Lehre. Ebenso wurden am Lehrstuhl für Hydrogeo- modellierung, der Wasserchemie und der geochemischen Mo- logie umfangreiche, vor allem Drittmittelforschungen betrieben, dellierung sowie der Geoinformationssysteme ergänzt. die sich in den ersten zehn Jahren besonders den Entwässe- In der Forschung wurden die Schwerpunkte nun im Bereich rungsproblemen des Braunkohlenbergbaus, der Paläohydrogeo- Uran, Bergbausanierung, alternative Wasserbehandlung, CO2- logie als Suchstrategie auf Kohlenwasserstoff- und Kupferlager- Trapping sowie internationaler regionaler Fragestellungen ein- stätten, dem Komplex Grundwasserqualitätsgefährdung und der schließlich geothermischer Systeme (Yellowstone, Äolische In- Isotopenhydrogeologie (gemeinsam mit den Lehrbereichen Phy- seln) und Enhanced Geothermal Systems (EGS) angesiedelt. sik [instabile Isotope] und Geochemie [stabile Isotope]) widme- Sechs internationale Tagungen, u. a. vier zum Thema Uranberg- ten. Weitere Forschungen galten den Grundwassererkundungs- bau und Hydrogeologie, festigten den internationalen Ruf der methoden (Prognoseverfahren, Variabilität von Aquifereigen- Freiberger Hydrogeologie. In den vergangenen 40 Jahren pro- schaften, Parameter der Grundwasserneubildung u. a.). movierten 51 Doktorandinnen und Doktoranden im Bereich Hy- Neben den internationalen Kontakten auf den jährlich statt- drogeologie. Über 300 Diplomarbeiten wurden angefertigt und findenden Berg- und Hüttenmännischen Tagen der Bergakade- erfolgreich verteidigt. mie entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit den Hydro- Hanspeter Jordan geologen der Karls-Universität Prag, der Bergakademie Krakau, Der Verein gratuliert Prof. Jordan zu seiner Ernennung zum Ehrenmitglied der Deutschen der Universität Warschau, der Lomonossow Universität Moskau Gesellschaft für Geowissenschaften in der Sektion Hydrogeologie. Zu den umfangreichen und dem Moskauer Bergbauinstitut. 1976 mit der Wahrnehmung wissenschaftlichen Leistungen Prof. Jordans, der nach dem Studium der Geologie in Jena der Leitung des Lehrgebietes beauftragt, wurde Hanspeter Jor- und Freiberg an der Bergakademie auch promoviert hat, gehören 180 Publikationen dan 1977 als Hochschuldozent und 1979 als ordentlicher Pro- und fünf Patente, die Autorenschaft des Buches „Hydrogeologie“, die Mitarbeit an den fessor für Hydrogeologie berufen. In der Periode ab 1976 wurde Büchern „Spurenelemente in der Umwelt“ und „Grundwasserschutz“ sowie zahlreiche die lsotopenhydrogeologie/-hydrologie in Zusammenarbeit mit Fachvorträge im In- und Ausland.

14. Jahrgang 2007 63 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik terra mineralia Statusbericht für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg e. V.

Die Pohl-Ströher Mineralienstiftung um- Räumen, die im Kleinen für die gesamte fasst eine der international dichtesten Exposition steht und das absolute High- Sammlungen exzellenter Minerale, die light darstellt, lernt jeder Besucher ken- nach Qualität und Fundorten systematisch nen, egal, ob er nur kurze Zeit oder mehre- erworben und zusammengestellt worden re Stunden in der terra mineralia verbringt. sind. Diese Sammlung wird im Schloss Dem Grundkonzept der Ausstellung, „Die kaufsbereich und eine Mini-Cafeteria. Freudenstein aufbewahrt und in den Aus- Reise um die Welt“, gliedern sich weitere In Vorbereitung auf eine Besucherfüh- stellungsräumen des „Langen Hauses“ thematische Reisen an, die sich geschickt rung im Schloss Freudenstein entwickel- der Öffentlichkeit zugänglich gemacht in die Ausstellungsräume einfügen: „Die ten Studenten der Studiengänge Network werden. Dem Charakter der Sammlung Faszination der Minerale“ in der Schatz- Computing und Mineralogie unter Leitung entsprechend, erfolgt die Präsentation der kammer, „Die Reise ins Licht“ im Lumines- von Prof. Jung, Professor für Virtuelle Rea- Minerale nach ihrer Herkunft. Von Fundort zenzraum, „Die Reise ins Innere des Mine- lität und Multimedia, ein interaktives Quiz zu Fundort soll der Besucher eine minera- ralreichs“, eine Zeitreise und die Reise in durch die Geowissenschaftlichen Samm- logische Weltreise erleben. Die Kontinente die Wissenschaft. lungen. Dabei geht es mit Minicomputer sind dabei den verschiedenen Renais- Für Gruppen gibt es die Möglichkeit zu (PDA) durch die Ausstellungsräume. An sancesälen zugeordnet. Ästhetik und Fas- Führungen durch die Ausstellung. Indivi- ausgewählten Exponaten gilt es Fragen zu zination der einzelnen Mineralstufen sind dualbesuchern steht ein modernes Audio- beantworten. Ist die Antwort richtig, gibt es die Basis der Ausstellung. system zur Verfügung, welches auch mul- Punkte. Wer die Höchstzahl erreicht, kann In terra mineralia gibt es nicht das timediafähig ist. Außerdem ist es möglich, sich in eine Highscore-Liste aufnehmen klassische Vitrinenkonzept einer systema- dass Schulklassen, Reisegruppen, Vereine lassen. Je nach Interesse sind verschiede- tischen Lehr- und Forschungssammlung oder Unternehmen im Vortragssaal Infor- ne Routen und Schwierigkeitsgrade wähl- wie im Werner- bzw. Humboldt-Bau. Jeder mationen zu ausgewählten Themen erhal- bar (http://vr.tu-freiberg.de/viamineralia/). Kontinent, d. h. jeder Saal besitzt sein ei- ten oder eigene Veranstaltungen in den Über 200 Fragen warten derzeit im Wer- genes Gesicht. Zu den Glanzlichtern der Räumlichkeiten buchen. Der Vortragssaal ner-Bau auf neugierige Besucher. Diese Ausstellung gehört die Schatzkammer. Sie im gotischen Gewölbe mit seiner erstklas- Spielidee soll neben gedruckten Führern präsentiert in einem Renaissance-Gewöl- sigen, vielfältig nutzbaren technischen und einem Audio-Guide-System auch im be die schönsten und größten Stufen der Ausstattung ist zudem ein exklusiver Ver- Schloss Freudenstein angeboten werden. Sammlung und lässt jeden spüren, wel- anstaltungsort für die Bergakademie und Seit Anfang 2006 verfolgt eine Web- chen Reiz die Minerale auf den Besucher ihre Gäste. Im öffentlichen Bereich finden cam die Bautätigkeit am Schloss, die ers- ausüben. Die Schatzkammer mit ihren vier sich neben der Kasse auch ein kleiner Ver- ten Kurzfilme wurden vom Medienzentrum erstellt (http://www.tu-freiberg.de/hyperak- tuell/webcam/webcam_schloss.html). Freiberg erhält mit dieser Stiftung nicht nur eine beachtliche Erweiterung der Geo- wissenschaftlichen Sammlungen als wis- senschaftliche Datenbank, Lehrmittel und Kulturgut, sondern ermöglicht auch ein unvergleichliches Naturerlebnis. Mit dem Ausstellungskonzept wollen wir eine brei- te Öffentlichkeit ansprechen und vor allem junge Menschen an natur- und ingenieur- wissenschaftliche Fragestellungen heran- führen. Dank der weitsichtigen Strategie des Rektoratskollegiums kann Freiberg entsprechend dem Leitmotiv „Zukunft aus Tradition“ wieder zum internationalen Zen- trum der Geowissenschaften werden. Die räumliche Nähe des Bergarchivs und der terra mineralia ist eine weitere weltweite Besonderheit. Frau Dix, Mitarbeiterin des Architekturbüros AFF, Berlin, beim Aufbau des Modells der Ausstellungsbereiche Amerika Die Ausstellung im Schloss Freuden- und Europa, mit dem Holzspeicher stein wird ab Oktober 2008 ihre Pforten

64 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg gefangen werden. Freiberg und die Ausführungsplanung der Sehr eng mit terra mineralia und diesen Ausstellungs-, Depot- und Arbeitsräume. Sonderausstellungen ist die Herausgabe Die Übergabe der Räume vom Bauträger der ersten beiden Bände „Zarenschätze“ Stadt Freiberg an die Nutzer Sächsisches und „Namibia“ der „Edition Schloss Freu- Bergarchiv, die Gaststätte und die TU Berg- denstein“ verbunden (http://www.terra- akademie erfolgt wie geplant im Januar mineralia.de/start/material.php). Der dritte 2008. Zu diesen Hauptaufgaben kommt Band befindet sich derzeit in der Korrek- die Klärung vieler Detailfragen, die sich turphase. aus unvermeidlichen Änderungen bzw. Außerhalb der Universität wurden Son- Abweichungen oder der Konkretisierung derausstellungen mit Sammlungsgut der der Bauplanung ergeben und zeitnah ent- Pohl-Ströher-Mineralienstiftung im Säch- schieden werden müssen. Nutzerspezifi- sischen Ministerium des Inneren, Dresden, sche Einbauten, wie etwa das Regalsystem in der Deutschen Bank, Freiberg, im The- des Mineraldepots im „Neuen Haus“ oder ater Freiberg und im Haus der Geschich- die Vitrinen der Ausstellungsräume, und te, Darmstadt durchgeführt. Sie waren Be- die Bemusterung verschiedenster Objek- standteil von Präsentationen der Firma te sollen für die außergewöhnlichen Mi- Arcadis, die die Projektsteuerung des Um- neralstufen auch eine außergewöhnliche baus von Schloss Freudenstein übernom- Präsentation garantieren. men hat. Mit dem Ziel, der Öffentlichkeit Einen kleinen Einblick in die Bautätig- die alte und neue Nutzung des Schlosses keit und die Entwicklung der Räume konn- darzustellen, wurden Teile der Holzkonst- te die Öffentlichkeit zum Richtfest am 19. ruktion des Speichers, Archivgut und Mi- April, zur Nacht der Wissenschaft am 7. Juli nerale ausgestellt. und zum Tag des offenen Denkmals am 9. für die Besucher öffnen. Im Vorfeld aber Die feierliche Eröffnung der vierten September gewinnen. Ohne die uneigen- fanden bereits mehrere Sonderausstellun- Ausstellung erfolgte am 28. Juni in der nützige Hilfe unserer Studenten wären die gen der Geowissenschaftlichen Sammlun- Partnerstadt Darmstadt mit dem Titel letzten beiden Veranstaltungen nicht mög- gen mit Exponaten der Stiftung statt: „vis-a-vis: Analogien baulicher Nutzung“ lich gewesen. Ich bedanke mich herzlich • Lomonossow-Ehrung, 19./21.5.2005 im (http://www.arcadis.de/web/Bildarchiv. für das Engagement der Studenten ver- Kellergewölbe des Schlosses Freuden- nsf/AlleDokumente/flyer_freudenstein_ schiedenster Fakultäten. Es ist eine große stein: http://www.tu-freiberg.de/allge- einladung/$File/flyer_freudenstein_einla- Freude, die Unterstützung zahlreicher Ins- mein/presse/aktuell/lomongalerie/ dung.pdf). titutionen, Firmen und Privatpersonen zu • Zarenschätze, 15.7.2006 – 2.6.2007 im Die interne Arbeit an terra mineralia erfahren, die uns bei der Bewältigung der Werner-Bau: http://www.tu-freiberg. hat zwei Schwerpunkte: die schrittweise Aufgaben zu terra mineralia hilft. de/~geowsam/aktuell/zaren.htm Überführung des Sammlungsgutes nach Gerhard Heide • Die Farbe der Minerale, 22.6 – 31.12. 2007 im Werner-Bau: http://www.tu- freiberg.de/~geowsam/aktuell/farbe. html • Namibia – Mineralien & Fundstellen, 20.10.2006 – 15.9.2007 im Historicum des Hauptgebäudes: http://www.tu- freiberg.de/~geowsam/aktuell/namibia. html Alle vier Sonderausstellungen fanden gro- ßes Interesse, so dass wir uns entschlos- sen, die Ausstellungsdauer jeweils um mehrere Wochen zu verlängern. An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich für das überdurchschnittliche Engagement der Sammlungsmitarbeiter Geschäftsfüh- rerin Diplom-Geologin Karin Rank, Kustos der Mineralogischen Sammlung Diplom- Mineraloge Andreas Massanek, Dipl.-Ing. (FH) Katrin Treptow, Frau Ungar, Frau Wald und der Studenten Lutz Geißler und Ke- vin Keller bedanken. Neben den zusätz- lichen Aufgaben, die mit terra mineralia verbunden sind, musste ein planmäßiger Personalabbau im Mitarbeiterbereich der Geowissenschaftlichen Sammlungen ab- Richtfest auf Schloss Freudenstein am 19. April 2007. Foto: Detlev Müller

14. Jahrgang 2007 65 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

liegend, doch ebenso wahrscheinlich ist es auch, dass Sie Unterstützung und Kraft Ehrenpromotion Prof. aus eben dieser Familie ableiten konnten und können, und dass Freude und Dank- barkeit überwiegen, so gemeinsam zur Er- Dr. Dr. mult. Klaus Töpfer reichung sehr wesentlicher Ziele beitragen Jörg Matschullat zu können. In den 1970er Jahren hat meine Gene- Die Geschicke der menschlichen Gesell- unserer Universität. Die TU Bergakademie ration erstmals laut ihre Sorgen zur Um- schaften, ihre Fortschritte ebenso wie ihre Freiberg nennt sich die „Universität der weltbelastung in Deutschland und Euro- Rückschritte sind stets auch eine direkte geschlossenen Stoffkreisläufe“ und ihre pa zu Sprache gebracht. Anfang der 70er Funktion der agierenden und sich enga- vier Kompetenzfelder oder Säulen heißen: wurde die „Grüne Liste Umweltschutz“ in gierenden Individuen. Dies gilt auf allen Energie, Geo, Material und Umwelt. Damit Niedersachsen gegründet und 1979 dann Ebenen und für alle Gesellschaften. Und ist sie eine profilierte und zugleich ehr- die Partei „Die Grünen“, aus denen mit der meist ist es so, dass Stimmungen und geizige Hochschule. Die Profillinien basie- deutschen Wiedervereinigung bekannt- Konstellationen Chancen auftreten lassen, ren auf der Tradition und zugleich haben lich „Bündnis 90/Die Grünen“ wurde. Doch die ergriffen werden oder auch ungenutzt sie sich aktiv an neue Erfordernisse ange- als diese Partei in den ersten Kinderschu- verstreichen. Ein Mensch, der die Möglich- passt. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass hen stand, waren Sie schon da, wie wir keiten sieht und sie in vielen Fällen auch die Bergakademie einen weit überdurch- Ihrer Vita entnommen haben. Lassen Sie konstruktiv genutzt hat, ist Prof. Dr. Klaus schnittlichen Anteil ausländischer Stu- mich dazu Franz Alt zitieren, das aus einer Töpfer. Ihn ehrte die TU Bergakademie dierender hat. Auch darauf sind wir stolz deutlich späteren Preisverleihung an Sie Freiberg über ihre Fakultät für Geowissen- und zugleich haben all diese Kriterien uns und Hermann Scheer stammt: „… Doch schaften, Geotechnik und Bergbau am 11. motiviert, Sie zu uns einzuladen und Ih- was heißt bei diesen beiden, die wir heute Januar 2007 für seine Verdienste um die nen die Ehrendoktorwürde der Fakultät für ehren, schwarz und rot? Beide sind viel- Durchsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips Geowissenschaften, Geotechnik und Berg- mehr grün. Also: wir ehren heute einen in Deutschland, und - besonders in seiner bau zu verleihen. Die Verknüpfung Ihres grünen Schwarzen und einen grünen Ro- Rolle als stellvertretender Direktor der Ver- Engagements und Ihrer Kompetenz mit ten. Übrigens: beide sind viel grüner als einten Nationen und als Direktor des Um- denen der Bergakademie soll diese Lau- viele Grüne – vor allem erfolgreich grün“. weltprogramms der Vereinten Nationen, datio hervorheben und zugleich verbinde Zu der damaligen Zeit bereits engagierten UNEP, mit der Ehrendoktorwürde. ich damit für uns alle eine Hoffnung. Sie Sie sich für eben diesen Umweltschutz, Der Verfasser dieser Zeilen hatte die engagieren sich an einem wesentlichen interessanterweise bereits verknüpft mit Ehre, die Laudatio für Herrn Prof. Töpfer Brennpunkt der Weltenläufe, nämlich in Raumplanungsfragen. Und anders als vie- halten zu dürfen, die im Folgenden (in ge- Shanghai. Zugleich weisen Sie immer wie- le eher naturromantisch Denkende, be- kürzter Form) wiedergegeben wird. Die Le- der auf die Bedeutung und auch auf die schritten Sie einen Weg, der aus heutiger ser des Jahresheftes 2007 der Zeitschrift Chancen und die Verantwortung Europas Sicht betrachtet wie gezielt erscheint, ob- des Vereins Freunde und Förderer der hin. Wir sind Europa, bzw. ein Teil davon gleich er das bestimmt nur sehr bedingt TU Bergakademie Freiberg seien jedoch und wir würden uns freuen und dankbar gewesen sein kann. an dieser Stelle auch darauf hingewie- schätzen, wenn Sie uns auch in Zukunft Im April 1986 geschah das Reaktorun- sen, dass eine Video-Dokumentation so- Ihren Rat, Ihr kritisches Wort und auch Ih- glück in Tschernobyl, dessen Folgen noch wohl der Ehrenpromotion als auch einer ren Ansporn zugute kommen ließen. Und heute Krankheit und Leid sowie erhebli- herausragenden Podiumsdiskussion am umgekehrt wären wir stolz und froh, Ih- che Kosten verursachen. 1989 wurde auf Vorabend im Internet auf den Seiten der nen zur Seite stehen zu können, wo dies Ihr Betreiben das Bundesamt für Strahlen- Bergakademie zu erleben ist. Besuchen erwünscht und von Nutzen sein kann – schutz gegründet, mit Aufgaben auf den Sie deshalb http://www.tu-freiberg.de/ mit unserem Können und unserer trotz al- Gebieten des Strahlenschutzes, der kern- ler Unkenrufe doch eher sehr guten Inf- technischen Sicherheit, der Beförderung ra- rastruktur. dioaktiver Stoffe und der Entsorgung ra- Laudatio für Prof. Dr. rer. pol. Einige von uns Hochschullehrern jam- dioaktiver Abfälle. Diverse Arbeitsgruppen Dr. h. c. mult. Klaus Töpfer mern manchmal, wie überlastet wir sei- der Bergakademie arbeiten seit 1990 di- en, dass wir angesichts der vielen Lehre rekt und indirekt mit dieser Behörde zu- Sehr verehrter, lieber Herr Prof. Töpfer, kaum zur Forschung kämen und was der sammen. Bereits 1986 erhielten Sie das in Gedanken auch liebe Familie Töpfer, vermeintlichen Probleme mehr sind. Ihre Bundesverdienstkreuz, 1989 den Eselor- sehr verehrte Festgäste! Vita macht deutlich, dass eine auf heraus- den der Stadt Wesel und 1990 dann das Hier an dieser Stelle stehen und die ragendem Niveau stattfindende parallele Große Bundesverdienstkreuz. Den Eselor- Laudatio für Sie, verehrter Herr Professor Bearbeitung durchaus unterschiedlicher den erwähne ich bewusst, denn oftmals Töpfer, halten zu dürfen, ist mir nicht al- Felder geradezu Markenzeichen Ihrer Ak- lässt sich das Arbeiten an fraglos hehren lein eine besondere Freude, sondern vor tivitäten ist, und ich kann mich weder er- Zielen nur mit einer erheblichen Portion allem eine große Ehre, für die ich mich innern noch mir vorstellen, dass Sie sich Humor ertragen und bewältigen. herzlich bedanken möchte. Diese Bemer- jemals davor geziert hätten, die damit ver- Nachdem Deutschland im eigenen kung bedarf vielleicht einer Erläuterung bundenen Verantwortungen auf sich zu Müll zu ersticken drohte und ein Skandal und diese ergibt sich aus Ihrer Vita in Ver- nehmen. Dass dies für Ihre Familie vermut- nach dem nächsten die Medien bereicher- knüpfung mit den Zielen und Profillinien lich nicht immer einfach war, wäre nahe- te (Stichwort Müllexporte), gelang es Ih-

66 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg nen, 1991 die Verpackungsverordnung als Verordnung zum Schutz der stratosphäri- und geförderte Doktoranden an. Im selben Teil des späteren Kreislaufwirtschaftsge- schen Ozonschicht durchsetzen – wiede- Jahr konnten Sie die Ehrendoktorwürde setzes der Bundesregierung zu etablieren. rum Beispiel für viele Nationen und kon- des Fachbereichs Geowissenschaften der Hierbei ist auch auf das oft beschimpfte sequente Umsetzung des 1989 in Kraft Freien Universität Berlin für Ihre Verdiens- Duale System zu verweisen, das internati- getretenen Montréaler Protokolls. Hier in te als Politiker und Ihr Engagement in der onal lange schon als ein Vorbild für wirk- der Region wurde unter Ihrer Mithilfe 1992 Umweltpolitik und die Ehrendoktorwürde same und rationale Abfallverwertung gilt der weltweit erste FCKW- und FKW-freie des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaf- und bereits in viele Länder übertragen wer- Kühlschrank bei Foron entwickelt und ab ten der Universität Essen für Ihren Ein- den konnte. Am Standort Freiberg werden 1993 vermarktet. satz für nachhaltige Lösungen globaler mit der Freiberger Interessengemeinschaft 1993 wurde unter Ihrer Ägide das Kreis- Umweltprobleme entgegennehmen. Ein der Recycling- und Entsorgungsunterneh- laufwirtschaftsgesetz konzipiert, welches Jahr später, 2003, erhielten Sie die Ehren- men e. V. (FIRE), zu der so potente Vorzei- 1996 in Kraft trat. Ebenfalls 1993 führten doktorwürde der Universität Hannover für geunternehmen wie die B.U.S. Zink-Recyc- Sie die weltweit strengsten Dioxin-Grenz- Ihre Verdienste um die Universität und als ling und die Muldenhütten Recycling und werte ein, wiederum Vorbild für zahlrei- Bundesumweltminister, und im Jahr 2004 Umwelttechnik GmbH gehören, Ihre Ideen che Nationen – und zugleich Auslöser für die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofes- und damaligen Forderungen umgesetzt. Forschungsarbeiten, die uns zeigten, dass sur der Universität . Ein Jahr später Zeitgleich starteten Sie das Aktionspro- Dioxine und Furane entgegen der damali- bekamen Sie den Theodor-Heuss-Preis für gramm „Ökologischer Aufbau in der ehe- gen Kenntnis auch natürlich synthetisiert besonders verdiente Politiker in Deutsch- maligen DDR“ und wenn wir uns heute werden können. Der erste Klimabericht der land, die Dag-Hammarskjöld-Ehrenmedail- ansehen, wie der ehemalige Schwerindus- Bundesregierung wurde unter Ihrer Ver- le für hervorragende Verdienste um die trie-Standort Freiberg, dessen Böden noch antwortung im selben Jahr veröffentlicht. Förderung der Lösung von Weltproble- in Generationen eher einer ausgekippten 1996 leiteten Sie die deutsche Delega- men, eine Honorarprofessur der Universi- Apotheke denn einem natürlichen Boden tion bei der Weltsiedlungskonferenz „Ha- tät Tübingen und den Solarworld-Einstein gleichen, sich verändert hat, dann ist es in bitat II“ in Istanbul. Diese stand im Zeichen Award, zusammen mit Hermann Scheer der Tat nicht anders möglich, als von den der zwischenzeitlich weltweit immens ge- für herausragendes Engagement für So- Kohlschen „blühenden Landschaften“ zu stiegenen Verstädterung und des damit larenergie und nachhaltige Nutzung na- sprechen. Der SAXONIA Standortentwick- verbundenen Wachstums der Elendsvier- türlicher Ressourcen. Von da stammt das lungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH tel (Verslumung). Es war Ihr Verdienst, dass angeführte Zitat von Franz Alt. Und anek- ist die Konversion gelungen, das gewaltige es hierbei zu einer einvernehmlichen Stra- dotisch darf ich ergänzen, dass die preis- Hüttenwerk „Albert Funk“ zu einem High- tegie der Staatengemeinschaft kam. An verleihende Solarworld AG hier in Freiberg Tech-Standort zu verwandeln, der wesent- der Bergakademie arbeiten Gruppen aktiv einen der bedeutendsten Produktionss- lich zum wirtschaftlichen Aufschwung an der Umnutzung von Industriebrachen, tandorte hat und in diesem Jahr die welt- Freibergs beiträgt. dem Flächenrecycling, um den unsägli- weit erste Modul-Recycling Fabrik der Welt 1990 haben Sie einen internationalen chen Verbrauch wertvoller Böden zu brem- in Betrieb nehmen wird. Sie sehen, die Ver- Umwelt-Kooperationsvertrag, den Deutsch- sen. Seit 1998 leiteten Sie die UNEP als Di- bindungen zwischen Ihnen und Freiberg Deutschen Umweltvertrag, aushandeln rektor und begannen mit einer Umstruk- sind sehr eng. können. Dies war wohl Ihre „Feuertaufe“ turierung auf Basis des „Töpfer-Berichtes“. Das Jahr 2005 hatte noch Bedeuten- auf dem internationalen Parkett, bevor Sie Seitdem sind es fünf Kernbereiche, welche deres zu bieten, so die von Ihnen mitorga- 1992 ein erstes Meisterstück der führen- die Aktivitäten des UNEP charakterisieren: nisierte UN-Weltklimakonferenz in Mont- de Vertreter der Bundesregierung bei der 1) Umweltinformationen, deren Einschät- réal. Auf die damalige Frage des Deutsch- UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro ab- zung und Forschung, 2) Trinkwasser, 3) landfunk-Journalisten Jochen Spengler, ob lieferten. Die damals verabschiedete De- Unternehmens- und Technologietransfer, die Ziele des Kyoto-Protokolls denn über- klaration von Rio verankerte erstmals das 4) Unterstützung für Afrika, in der Sie un- haupt erreicht werden könnten, antworte- Prinzip der Nachhaltigkeit als verbindliche serem Bundespräsidenten Horst Köhler ten Sie: „Ganz eindeutig ja, nicht schnell Basis und etablierte die Kooperation zwi- sehr nahe stehen, und 5) Nachhaltige Ent- genug, wie wir es müssen, nicht breit ge- schen den hoch entwickelten Industrie- wicklung der Verstädterungsprozesse. Letz- nug angelegt. Für die Zukunft muss we- nationen mit den besonders betroffenen teres wird hier oft erheblich unterschätzt, sentlich mehr geschehen. Aber es gibt kei- „Entwicklungsländern“. Wesentliche Er- obwohl bekannt ist, dass auch in Mittel- nen Grund zur Resignation, nebenbei wir gebnisse, zu denen Sie beigetragen ha- europa der Urbanisierungsprozess weiter haben auch keine Berechtigung dazu. Die ben, sind der Agenda 21-Prozess (und ja, fortschreitet und in ca. 30 Jahren wieder- Konsequenzen des Klimaschutzes sind Freiberg hat ein sehr engagiertes Agenda- um eine deutliche Veränderung der Land- so weit reichend für alle Menschen die- Büro), die Konventionen zu Biodiversität, nutzung bewirkt haben wird – was wie- ser Welt, dass es wirklich unverantwort- zur Bekämpfung der Wüstenbildung und derum Auswirkungen auf den regionalen lich wäre, auch nur eine Minute darüber die Klimarahmenkonvention der Vereinten Klimawandel hat. nachzudenken, dass hier ein Stillstand Nationen, als deren „Vater“ Sie oft bezeich- Den Deutschen Umweltpreis, die höchs- oder ein Rückschritt möglich wäre“. Es ist net werden. Anschließend (1994/95) wur- te solche Auszeichnung weltweit, erhiel- dieser Satz zum Thema Resignation und den Sie Vorsitzender der UN-Kommission ten Sie im Jahr 2002 von der Deutschen deren Berechtigung bzw. Nicht-Berechti- für nachhaltige Entwicklung, welche die Bundesstiftung Umwelt. Die TU Bergaka- gung, den ich hervorheben möchte, denn Umsetzung der Rio-Beschlüsse zu steu- demie Freiberg ist ein starker Partner dieser mit ihr gestatten sich oft gerade diejenigen ern hatte. In Deutschland konnten Sie Stiftung und führt die Liste der Deutschen einen nicht berechtigten „Luxus“, die einen im selben Jahr die weltweit erste FCKW- Universitäten im Hinblick auf Projektzahl Beitrag zur positiven Veränderung leisten

14. Jahrgang 2007 67 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik könnten – und auf die es ankommt. Zu- kultätsrat und im Senat über diesen Schritt mittelbare Nähe zu den Erkenntnisquellen gleich möchte ich bestätigen, dass das unterhielten, kamen auch Fragen auf: ob im Vordergrund stehen. Das allein recht- Thema „Klimawandel“ hier in Sachsen Sie sich denn über so etwas freuen wür- fertigt es, Ihre Leistungen hervorzuheben sehr ernst genommen wird und unsere den von so einer kleinen Universität …,ob und dankbar zu sein, dass unter Ihrer Ver- Landesregierung seit Ende der 1990er Jah- Sie denn nicht schon so viele Ehrungen er- antwortung doch so viele Ideen, Leitlinien, re ein eigenes und durchaus als ehrgeizig halten hätten, dass diese doch gar nichts Gesetze, Regelwerke formuliert und um- zu bezeichnendes Programm zum Klima- Besonderes mehr sei und so weiter. Dabei gesetzt werden konnten bzw. in weiterer schutz aufgelegt hat. Dazu gehören auch habe ich unwissentlich eine falsche Ant- Umsetzung befindlich sind. Wir, die Welt- die Annaberger Klimatage, die Sie im ver- wort gegeben, nämlich dass Sie erstmals gemeinschaft, brauchen das sehr nötig. gangenen Mai durch Ihren vielbeachteten eine Ehrendoktorwürde verliehen bekä- Diese Laudatio zusammenfassend, de- Vortrag maßgeblich bereichert haben. Wie men. Dass dem nicht so ist, fand ich erst ren Inhalte für Sie, lieber Herr Töpfer, nicht Sie wissen, hat Ihr Besuch darüber hinaus bei meinen späteren Recherchen heraus neu waren, aber doch dem großen Teil der weitere Schubkraft entwickelt und dazu und bitte alle um Entschuldigung, die sich heute hier versammelten Gäste, möchte geführt, dass nunmehr versucht wird, un- durch meine Auskunft getäuscht gefühlt ich einige wesentliche Aspekte noch ein- ter Federführung der TU Bergakademie haben. Die andere Frage habe ich sicher- mal sehr deutlich aussprechen, nämlich Freiberg ein ehrgeiziges Projekt zur An- lich richtig beantwortet, wenn ich an un- dass Sie passung an den regionalen Klimawandel ser damaliges Gespräch erinnere. Denn es • stets etwas früher als andere das Rich- im 7. EU Forschungsrahmenprogramm zu ist angesichts der geschilderten Tatsachen tige erkennen und in Handlung umset- etablieren. Wissenschaftler von Behörden, nicht irgendeine Ehrendoktorwürde, son- zen, Universitäten und Forschungszentren aus dern die der dem Nachhaltigkeitsprinzip • zugleich Wissenschaftler und Politiker neun europäischen Ländern wollen dazu dienenden Universität an den Menschen, sind und nie Scheu haben, gegen den beitragen, dass Planungen zur Anpassung der dieses Prinzip gegen alle Widerstände Strom zu schwimmen (und sei es 1988 auf rationaler und robuster Entscheidungs- verteidigt und mit bemerkenswertem Er- im Rhein) oder sich die Fachleute als basis und mit maximalen Erfolgsaussich- folg durchsetzt. Berater an die Seite zu holen, die zur ten durchgeführt werden können. Ihr Weg und Ihre Leistungen sind uns Lösung einer komplexen Aufgabe ge- Auch in 2006 erhielten Sie Preise und Ansporn, sind Mutmacher und legen zu- braucht werden, Anerkennung und nun beginnt das Jahr gleich Zeugnis ab von den Machbarkei- • stellvertretend stehen für die Prinzipien 2007 hier in Freiberg wiederum mit der ten in der Realpolitik – wenn neben Hart- der Nachhaltigkeit in allen Aspekten, Verleihung einer Ehrendoktorwürde. Als näckigkeit und Zielstrebigkeit vor allem • offen sind für den Dialog mit allen Ebe- wir uns in der Hochschulleitung, im Fa- auch wissenschaftliche Qualität und un- nen, von Nicht-Regierungsorganisatio-

Curriculum Vitae Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus Töpfer

29. Juli 1938 Geburt in Waldenburg, Schlesien, heute ditanstalt für Wiederaufbau – 4. Dezember 2002: Ehrendoktorwürde des Fachbe- Walbrzych, Polen, Partnerstadt von Freiberg. Klaus – 1978–1985: Staatssekretär im Ministerium für Soziales, reichs Geowissenschaften der Freien Universität Berlin Töpfer ist katholisch, verheiratet und hat drei Kinder. Gesundheit und Umwelt in Rheinland-Pfalz. am für seine Verdienste als Politiker und sein Engage- – 1945: Vertreibung aus Schlesien – 1983–1987: Mitglied und stellvertretender Vorsitzender ment in der Umweltpolitik – 1959: Abitur am König-Wilhelm Gymnasium in Höxter im Bundesfachausschuss Umwelt der CDU – 13. Dezember 2002: Ehrendoktorwürde des Fachbe- an der Weser, Westfalen – 1985–1986: Honorarprofessur für Umwelt- und Ressour- reichs Wirtschaftswissenschaften der Universität Es- – 1959–1960: Wehrdienst; Entlassung als Leutnant der cenökonomik an der Universität Mainz sen wegen seines Beitrags zur nachhaltigen Lösung Reserve – Mai 1985 bis Mai 1987: Minister für Umwelt und Ge- globaler Umweltprobleme – 1960–1964: Studien der Volkswirtschaft an den Uni- sundheit in Rheinland-Pfalz – 14. Januar 2003: Ehrendoktorwürde des Fachbereichs versitäten von Mainz, Frankfurt am Main und Münster. – 1986: Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienst- Landschaftsarchitektur und Umweltentwicklung der Abschluss als Diplom-Volkswirt ordens Universität Hannover für seine Verdienste als Wissen- – 1965–1971: Wissenschaftliche Assistenz bei Prof. – 1987–1989: Kreisvorsitzender CDU Rhein-Hunsrück schaftler, Umweltpolitiker und Person Hans-Karl Schneider am Zentralinstitut für Raumfor- – 7. Mai 1987 bis 17. November 1994: Bundesminister für – 2003: Danaker Orden der Kirgisischen Republik; Wil- schung und Landesplanung der Universität Münster; Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit helm Weber-Preis; Ordem do Cruzeiro do Sul der Re- Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsakademie Hagen – 1989: Eselsorden der Stadt Wesel publik Brasilien und der Universität Bielefeld – seit 09/1989: Mitglied des CDU-Bundesvorstandes – 2004: Johannes-Gutenberg-Stiftungsprofessur der Uni- – 1968: Promotion zum Dr. rer. pol. in Münster zu „Regio- – 1990: Großes Bundesverdienstkreuz des Verdienstor- versität Mainz nalpolitik und Standortentscheidung. Die Beeinflussung dens der Bundesrepublik Deutschland – 2005: Theodor-Heuss-Preis; Dag-Hammarskjöld-Ehren- privater Pläne, dargestellt an der unternehmerischen – 1990–1995: Landesvorsitzender der CDU Saar medaille der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Standortentscheidung“ mit „Summa cum laude“ – 1990 bis 28. Februar 1998: Mitglied des Bundestages Nationen; Solarworld-Einstein Award der Solar World AG – 1970–1971: Leitung der volkwirtschaftlichen Abteilung – Mai 1994 bis Mai 1995: Vorsitzender der Commission – 11. November 2005: Honorarprofessur an der Univer- des Zentralinstituts für Raumplanung in Münster on Sustainable Development (CSD) sität Tübingen – 1971–1978: Leitung der Abteilung für Planung und In- – 17. November 1994 bis 14. Januar 1998: Bundesminis- – 14. Juli 2006: Meerespreis des Konsortiums Deutsche formation der Staatskanzlei des Saarlandes nach As- ter für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Meeresforschung für Verdienste um verantwortungs- sistenzzeit. Zeitgleich Engagement als Lehrbeauftrag- – 15. Januar 1998: Ernennung zum Exekutiv-Direktor vollen Umgang mit den Weltmeeren ter der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in – 24. November 2006: Erster Deutscher Alpenpreis Speyer. Entwicklungspolitische Gutachten für Ägypten, Nairobi und Generaldirektor des dortigen Büros der – seit 2006: Ordentlicher Professor für Nachhaltige Ent- Brasilien, Jordanien und Malawi Vereinten Nationen wicklung an der Universität Tongji in Shanghai, VR Chi- – seit 1972 Mitglied der CDU – 21. Oktober 1998: Ehrendoktor der Brandenburgischen na (dort bereits in 1997 und 1998 Honorarprofessur) – 1977–1979: Kreisvorsitzender der CDU Saarbrücken, Technischen Universität Cottbus – 11. Januar 2007: Ehrenpromotion der Fakultät für Mitglied im Landesvorstand der CDU Saar – 1998–2006: Leitung des Siedlungsprogramms „Habi- Geowissenschaften, Geotechnik und Bergbau der TU – 1978–1979: Ordentlicher Professor und Direktor des tat“ der Vereinten Nationen Bergakademie Freiberg Instituts für Raumforschung und Landesplanung der – ab 2001: Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung Universität Hannover. Mitglied des Sachverständigen- – 27. Oktober 2002: Deutscher Umweltpreis der Deut- rates für Umweltfragen und im Verwaltungsrat der Kre- schen Bundesstiftung Umwelt Verantwortlich: Jörg Matschullat (31. Mai 2007)

68 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg nen über Konzerne und Staatsregierun- hat sich etwas gewandelt und vielleicht Sie: „Auch ich muss manchmal innehal- gen bis zu den supranationalen Institu- war auch von Carlowitz nicht der erste, der ten und über die Zukunft nachdenken. tionen wie den Vereinten Nationen, den Begriff nutzte, aber seine Publikation Ich habe eine fünf Monate alte Enkelin. • ein kompromissloser Verfechter der Vor- ist erhalten geblieben. Und ich frage mich, wie die Welt aussehen sorge und der Gefahrenabwehr sind. Ebenso sind Sie, verehrter Herr Profes- wird, wenn sie in meinem Alter – also fast Das ist gelebte Nachhaltigkeit. Und damit sor Töpfer, ein wesentlicher Teil und Mo- 70 Jahre alt – sein wird. Dabei sehe ich sind Sie hier praktisch zuhause. Hans-Carl tor der öffentlichen Nachhaltigkeits-Dis- gute Chancen dafür, dass – unter der Vo- von Carlowitz verfasste 1713 in Freiberg mit kussion. Für Ihre großartigen Leistungen raussetzung von politischem Willen und seiner Schrift „Sylvicultura oeconomica, auf letztlich allen Maßstabsebenen für dem Freisetzen menschlicher Kreativität – oder haußwirthliche Nachricht und Na- den Wandel zu einer wahrhaft nachhal- sie sehr optimistisch sein sollte.“ turmäßige Anweisung zur wilden Baum- tigen Entwicklung danken wir Ihnen. Am Die formale Verleihung der Ehrendok- Zucht“ das erste geschlossene Werk über Schluss möchte ich Sie einmal selbst zi- torwürde werden nun der Dekan unserer Forstwirtschaft und gilt als Schöpfer des tieren, wobei ich mir erlaube, Worte Ihrer Fakultät, Kollege Anton Sroka, und unser forstlichen Nachhaltigkeitsbegriffs – 274 UNEP-Rede in Dubai vom Februar 2006 Rektor, Magnifizenz Georg Unland, vorneh- Jahre vor dem Bericht der Brundtland- ins Deutsche zu übertragen: Unter dem men. Ich danke Ihnen und allen Festgästen Kommission. Zugegeben, die Bedeutung Aspekt der Zukunftsaussichten sagten für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit.

Industriedenkmalpflege zwischen Diktatur und Demokratie Prof. em. Dr. rer. nat. habil. Otfried Wagenbreth zum 80. Geburtstag

Man mag es kaum glauben, aber nur genbreths Persönlichkeit sowohl in wis- berg. Seit 1951 inventarisierte Wagenbreth wenige Tage nach seinem 80. Geburtstag senschaftlicher wie auch in persönlicher für das Institut für Denkmalpflege der DDR am 7. April 2007 stand Otfried Wagenbreth Hinsicht nachhaltig. Bereits als 15-jähri- die technischen Denkmale des Freiberger bereits wieder im Hörsaal vor Studieren- ger Schüler hatte Wagenbreth seine Nei- Erzbergbaus und entwickelte sich zu ei- den aller Fakultäten der TU Bergakademie gung zu den Geowissenschaften entdeckt nem gefragten Gutachter für technische Freiberg, um seine Vorlesung zur Lan- und 1942 einen ersten kleineren Aufsatz Denkmale. Zahlreiche technische Denk- des- und Industriegeschichte Sachsens zur Geologie Thüringens publiziert. Diese male Ostdeutschlands verdanken seinen und Freibergs zu halten. Professor Wa- Liebe zur Geologie machte er in Freiberg Aktivitäten seit den 1950er Jahren ihre Er- genbreth ist damit vermutlich der älteste, zum Beruf, der ihn nach seiner Assisten- haltung. 1960 wurde Wagenbreth für sein noch regelmäßig Vorlesungen an seiner tenzeit in Freiberg zunächst als Objektgeo- diesbezügliches Engagement als „Aktivist“ Alma Mater abhaltende Hochschullehrer loge und Arbeitsgruppenleiter zum Geo- ausgezeichnet, erhielt 1963 und 1964 die Deutschlands. logischen Dienst in Halle, ab 1962 zum goldene und silberne Aufbaunadel und Wagenbreth wurde im Jahre 1927 in Dozenten für Geologie und Technische wurde 1975 vom Kulturbund der DDR, dem Zeitz geboren, wo er auch seine Schulzeit Gesteinskunde und schließlich zum Leiter er seit 1949 angehörte, mit der Johannes- absolvierte und im Jahre 1946 die Reife- des gleichnamigen Instituts an der Hoch- R.-Becher-Medaille in Silber sowie mit der prüfung ablegte. Während des Zweiten schule für Architektur und Bauwesen in Ehrennadel für heimatkundliche Leistun- Weltkrieges diente der Oberschüler Wa- führte. 1978, kurz bevor er Wei- gen in Gold ausgezeichnet. Im Rahmen genbreth ab 1943 zunächst als Flakhel- mar verließ, vermochte Wagenbreth nicht des Kulturbundes engagierte sich Wagen- fer und nach dem Reichsarbeitsdienst in weniger als 89 wissenschaftliche Publika- breth ehrenamtlich für die Belange der den letzten Kriegsmonaten von November tionen zur Geologie vorzuweisen. technischen Denkmale in der DDR, deren 1944 bis April 1945 als Kanonier bei der Wagenbreths Publikationsliste zählte Minister für Wissenschaft und Kunst ihn Wehrmacht. Das Kriegsende erlebte Wa- zu diesem Zeitpunkt allerdings insgesamt 1970 zum Leiter einer Expertengruppe für genbreth in amerikanischer Gefangen- 195 wissenschaftliche Arbeiten – neben technische Denkmale berief. Von 1976 bis schaft, aus der er Mitte Juni 1945 wieder denen zur Geologie weitere 46 Arbeiten 1990 leitete Wagenbreth die Arbeitsgrup- entlassen wurde. Nach einem Vorprakti- zur Geschichte der Geologie sowie 60 Ar- pe „Technische Denkmale“ beim Zentralen kum in verschiedenen Bergbaubetrieben beiten zur Geschichte der Technik und Fachausschuss für Denkmalpflege des Kul- immatrikulierte er sich im November 1946 der Pflege technischer Denkmale. Beide turbundes, 1977 wurde er in die zentrale an der gerade erst wieder eröffneten Berg- Bereiche – die der Wissenschafts- und Arbeitsgruppe „Erfassung der technischen akademie in Freiberg als Student im Fach Technikgeschichte sowie der technischen Denkmale und Geschichte der Produktiv- Bergbaukunde, das er Ende 1950 mit dem Denkmale – hatten sich bereits während kräfte“ im Wissenschaftlichen Beirat für Diplom abschloss. Anschließend arbeite- seiner Freiberger Studienzeit zur eigentli- Museen beim Ministerium für Hoch- und te Wagenbreth bis 1958 als Assistent und chen Berufung Wagenbreths entwickelt. Fachschulwesen der DDR berufen und Lehrbeauftragter am Geologischen Insti- Schon 1950 erschien eine erste kleinere 1978 in den Fachausschuss „Geschichte tut der Bergakademie, wo er im Dezem- Publikation zur Geschichte der Mineralo- des Bergbaus“ der Kammer der Technik ber 1956 mit einer Arbeit zur Geologie gie und Geologie aus seiner Feder. Zwei der DDR gewählt. Besondere Verdienste er- der Braunkohlenlagerstätten im Weiße- Jahre später publizierte er seine ersten Bei- warb sich Wagenbreth im Rahmen seiner elsterbecken promovierte. Die Freiberger träge zur Bergbaugeschichte und zu den ehrenamtlichen denkmalpflegerischen Tä- Studien- und Assistentenzeit prägte Wa- Denkmalen des Montanwesens in Frei- tigkeit dadurch, dass es u. a. seiner Mitwir-

14. Jahrgang 2007 69 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik kung zu verdanken ist, dass das Denkmal- gebenen gesellschaftlichen Aufgaben ge- gesetz der DDR aus dem Jahre 1975 als eignet erscheinen kann“. Der der Kom- erstes deutsches Denkmalschutzgesetz mission angehörende SED-Parteisekretär explizit die Denkmale der Produktions- Kornprobst konkretisierte diese Bedenken: und Verkehrsgeschichte, also technische „Herr Dr. Wagenbreth soll im Institut für und industrielle Denkmale, als schützens- Geschichte des Bergbaus und Hüttenwe- werte Kulturdenkmale definierte. sens marxistisch denken und publizieren. Die außerordentlichen Leistungen Wa- Wenn er Gottesdienste besucht, so ist das genbreths für die Technikgeschichte, ins- zwar seine Privatsache, aber mit der im In- besondere die Geschichte des Montanwe- stitut nötigen Einstellung nicht vereinbar. sens, sowie für die Pflege technischer und … Hier an diesem Institut muß Partei er- industrieller Denkmale lassen sich auch griffen werden, das nicht nur formell, son- an seinen zahllosen wissenschaftlichen dern mit der ganzen Person“. Aufsätzen und Büchern zu diesem The- Trotz seiner Beteuerung, dass er das menkreis ablesen. Das anlässlich seines „marxistische Geschichtsbild für rich- 70. Geburtstages im Jahre 1997 erschie- tig“ halte und seiner Ansicht nach „zwi- nene Schriftenverzeichnis listet mehr als schen den Prinzipien christlicher Auffas- 470 Arbeiten auf, darunter die inzwischen sung und dem marxistischen Geschichts- zu Klassikern gewordenen Werke zu den bild durchaus nicht die Widersprüche technischen Denkmalen und der Ge- Otfried Wagenbreth vor(liegen), die von mancher kirchlichen schichte des Freiberger Bergbaus (1986) Seite gesehen werden“, vermochte Wa- und des Bergbaus im Erzgebirge (1990), noch der als Schüler des bekannten DDR- genbreth seine Gegner in Hochschul- und das in mehrfacher Neuauflage erschie- Wirtschaftshistorikers Jürgen Kuczynski Parteileitung nicht zu überzeugen. Ob- nene Buch Technische Denkmale in der ausgebildete damalige Oberassistent der wohl fachlich für die Position eindeutig DDR (Erstauflage 1973) sowie seine Stan- Abteilung Wirtschaftsgeschichte des In- besser ausgewiesen als sein Mitbewerber dardwerke zur Geschichte der Kolben- stituts für Geschichte an der Deutschen Wächtler, entschied sich die Kommission dampfmaschine als historische Erschei- Akademie der Wissenschaften zu Berlin gegen ihn und damit für den Kandidaten nung und technisches Denkmal (Dampf- und wissenschaftlicher Leiter von deren der Partei, der in der Tat in den folgenden maschinen 1986) oder zur Geschichte der Leipziger Außenstelle, Dr. phil. habil. Eber- Jahren seiner Tätigkeit an der Bergakade- Getreidemühlen und ihrer technischen hard Wächtler, zur Disposition. Nachdem mie bis 1990 die in ihn gesetzten Erwar- Denkmale in Mittel- und Ostdeutschland beiden aufgrund ihrer Probevorträge von tungen hinsichtlich der klassenmäßigen (Mühlen 1994), um nur die wichtigsten zu der zuständigen Kommission an der Berg- und weltanschaulichen Parteinahme und nennen. Bis heute hält die unermüdliche akademie ihre grundsätzliche Berufungs- des marxistischen Denkens und Publizie- Arbeitskraft und Publikationstätigkeit Wa- fähigkeit bescheinigt worden war, kam es rens erfüllte. Wagenbreth nützten weder genbreths an, wie seine Bücher zur Ge- am 10. November 1962 zu einer Entschei- seine unbestreitbaren Verdienste um die schichte der Dampfmaschine (2002) oder dung der Berufungskommission zuguns- Geschichte des Montanwesens und die zu Leben und Werk des Freiberger Tech- ten Wächtlers und damit gegen Wagen- Pflege technischer Denkmale in der DDR, nikers Christian Friedrich Brendel (2006) breth, deren Zustandekommen noch heu- noch seine Mitgliedschaft in der LDPD bezeugen. te in den Akten des Universitätsarchivs der (seit 1946). Auch sein Wirken als 2. Vorsit- Wagenbreths Brendel-Biographie stellt TU Bergakademie Freiberg (UAF I A 306) zender des Studentenrates der Bergakade- eine Überarbeitung seiner im Jahre 1968 nachzulesen ist. mie zwischen 1948 und 1950 sprach eher an der Bergakademie Freiberg angenom- Als langjähriges SED-Mitglied (seit gegen ihn, berichteten doch frühere Kom- menen Habilitationsschrift dar. Sechs Jah- 1946) und Schüler Kuczynskis favorisier- militonen, „daß es in der Studienzeit mit re zuvor, im Jahre 1962, hatte Wagenbreth ten die Vertreter der Partei in der Kommis- ihm im Studentenrat Auseinandersetzun- sich an seiner Alma Mater auf die dort sion eindeutig Eberhard Wächtler, obwohl gen gegeben hat, die oftmals die progres- am Institut für Geschichte des Bergbaus innerhalb der Kommission Bedenken da- siven Kräfte behindert haben“. und Hüttenwesens erstmals zu besetzen- hingehend geäußert wurden, dass Wächt- So erhielt Wächtler 1962 die Leitung de Stelle eines Institutsdirektors und da- ler als gelernter Historiker zu wenig mit der des Instituts und die Professur, während mit der gleichnamigen Professur bewor- Technik des Bergbaus und Hüttenwesens die Kommission Wagenbreth großzügig ben. Die Einrichtung einer derartigen Pro- vertraut sei. Von den Befürwortern Wächt- die weitere Mitwirkung im „Arbeitskreis der fessur an dem bereits 1954 gegründeten lers innerhalb der Kommission wurden Historiker“ und – auf besonderen Wunsch Institut war noch der Wunsch des kurz dagegen gegenüber dem Kandidaten Wa- des verstorbenen Professors Fritzsche – die zuvor verstorbenen Freiberger Maschinen- genbreth ernsthafte Bedenken hinsicht- Fortführung seiner Arbeit an der Brendel- bauprofessors Otto Fritzsche (1877 – 1962) lich seiner politischen und gesellschaftli- Biographie bis zur Habilitation gestat- gewesen, dessen Aktivitäten für den chen Einstellung erhoben. Der Rektor der tete. Der neue Institutsdirektor Wächt- Schutz und die Dokumentation techni- Bergakademie, Professor Günter Hollweg ler begutachtete 1968 die Habilitations- scher Denkmale Wagenbreth schon wäh- (1902 – 1963), brachte in der Befragung schrift Wagenbreths selber und kam trotz rend seiner Studienzeit in Freiberg den Wagenbreths zum Ausdruck, dass dessen mancher „klassenmäßigen“ und „marxisti- Weg zur technischen Denkmalpflege ge- „frühere gesellschaftliche Tätigkeit nicht so schen“ Kritik an der Arbeit zu dem Fazit: wiesen hatten. Neben Wagenbreth stand gewesen sei, daß er dem Staat und der „Entscheidende Partien der Arbeit sind der als Anwärter für die Freiberger Professur Partei für die mit der Institutsleitung ge- historisch-technischen Dokumentation ge-

70 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg widmet. … Ich muß feststellen, daß die so ist der Unterzeichnete der Auffassung, ler. Zu Jahresbeginn 1991 wurde Wächtler, Geschichtswissenschaft an solchen Arbei- dass es Geschichte und Dokumentation der seit 1973 an der Bergakademie die Lei- ten sehr interessiert ist. … Es ist selbst- der Produktivkräfte und -mittel sein wür- tung des Wissenschaftsbereiches IV (Wirt- verständlich, daß diese Partien der Arbeit den“ (UAF 9708/27). schaftsgeschichte und Geschichte der vor allem unter dem Gesichtspunkt des Mit der später in Dozentur für Geschich- Produktivkräfte) der Sektion für Sozialisti- Technikers bewertet werden müssen“ (UAF te der Technik und Technischen Denkmale sche Betriebswirtschaftslehre innegehabt 9708/27). Wächtler empfahl die Annahme umbenannten Stelle an der TH Dresden hatte und in dieser Zeit als Prodekan und der Habilitationsschrift, worauf am 15. März fanden Wagenbreths Bemühungen um Dekan der Fakultät für Gesellschaftswis- 1968 die Habilitation Wagenbreths an der die Erforschung und den Erhalt techni- senschaften fungierte, de facto entmach- Bergakademie erfolgte. Wächtler legte da- scher Denkmale in der DDR endlich ihre tet und nur noch mit befristeten Arbeits- mit den Grundstein für eine über Jahre offizielle Anerkennung. Zugleich wurde verträgen als verantwortlicher Hochschul- andauernde, überaus erfolgreiche Zusam- damit der als mitunter unbequem und ei- lehrer für das Studium Generale weiter menarbeit beider so unterschiedlichen gensinnig geltende Wagenbreth, der sich beschäftigt. Seine endgültige Entlassung Historiker, die ihren Ausdruck vor allem in nicht scheute, für die Belange „seiner“ aus dem Hochschuldienst erfolgte zum den gemeinsam herausgegebenden Wer- technischen Denkmale unter Umgehung 31. März 1992. Wächtlers Nachfolge an ken zum Freiberger und Erzgebirgischen aller Dienstwege selbst die höchsten Auto- der Bergakademie trat mit Wirkung vom Bergbau fand. Während Wagenbreth hier ritäten der DDR und des SED-Regimes di- 1. März 1992 Otfried Wagenbreth an, der den „Gesichtspunkt des Technikers“ und rekt anzusprechen, in das offizielle System ein Jahr zuvor noch an der TU Dresden der Denkmalpflege vertrat, sicherte Wächt- der Denkmalpflege der DDR eingebunden. zum außerplanmäßigen Professor für ler den marxistisch-wirtschaftsgeschichtli- Seine gerade in den 1980er Jahren vorge- Wissenschafts-, Technik- und Wirtschafts- chen Standpunkt und aufgrund seiner aus- legten Standardwerke zur Pflege techni- geschichte ernannt worden war. gezeichneten Verbindungen in höchste scher Denkmale in der DDR bezeugen den Wagenbreth wurde in Freiberg zunächst SED-Kreise auch die notwendigen Publi- Erfolg dieser „Einbindung“ für die Sache zum Vorsitzenden der Gründungskommis- kationsgenehmigungen und Papierkon- der technischen Denkmale und brachten sion und zum Gründungsdirektor des neu tingente. So entstanden Standardwerke Wagenbreth sowohl nationale wie auch geschaffenen Instituts für Wissenschafts- der Technikgeschichte und der techni- internationale Anerkennung. Sie bedeute- und Technikgeschichte (IWTG) ernannt. Er schen Denkmalpflege, deren bleibender te allerdings nicht, dass der Querdenker setzte sich dabei gegen so renommierte Wert heute allerdings vor allem durch die Wagenbreth auch in den erlauchten Kreis Vertreter der westdeutschen Technikge- darin enthaltene Arbeit Wagenbreths ge- der Reisekader Aufnahme fand. Die Au- schichte wie z. B. Wolfhard Weber (Ruhr- sichert wird. ßendarstellung der DDR-Technikgeschich- Universität Bochum), Akos Paulinyi (TH Nach dem vergeblichen Versuch, 1962 te wie auch die der Pflege technischer Darmstadt), Ulrich Wengenroth (TU Mün- eine seinen inzwischen deutlich in den Denkmale in der DDR lag weiterhin in der chen) oder Rainer Slotta (Deutsches Berg- Vordergrund getretenen historischen Inte- Hand des Freiberger Ordinarius und SED- bau-Museum Bochum) durch, die vom ressen gemäße Hochschullehrerstelle zu Parteimitgliedes Eberhard Wächtler, der Prorektor Bildung im August 1991 dem Se- erhalten, widmete Wagenbreth sich notge- jahrelang die DDR sowie den gesamten nat der Bergakademie als mögliche Kan- drungen, aber ebenso erfolgreich seiner Ostblock in internationalen Fachorganisa- didaten für die Besetzung des neuen Ins- Tätigkeit als Geologe in Halle und Wei- tionen wie ICOTHEC (Technikgeschichte) tituts vorgeschlagen wurden (UAF 9747/3). mar. Erst mehr als anderthalb Jahrzehn- oder TICCIH (Industriedenkmalpflege) ver- Zum 1. Juni 1992 erfolgte dann die Be- te später bot sich ihm erneut die Chan- trat und dort sogar in Führungspositionen rufung des mittlerweile 65-jährigen Wa- ce, aus seiner Leidenschaft eine beruflich (TICCIH Schatzmeister) aufstieg. DDR-in- genbreth zum Ordinarius für Technikge- sichere Stellung zu machen, als an der tern bestimmte und kontrollierte Wächtler schichte und Industriearchäologie sowie Technischen Hochschule Dresden zum den Kurs und damit auch die Aktivitäten zum Direktor des IWTG. Damit fanden Februar 1979 die Stelle eines Hochschul- Wagenbreths, dessen Rolle aber durchaus Wagenbreths Verdienste und Leistungen dozenten für Geschichte und Dokumen- an Bedeutung gewann, da Wächtler seit für die Technikgeschichte sowie für die tation der Produktionsmittel besetzt wur- der Dritten Hochschulreform der DDR und Erforschung und Erhaltung technischer de. Grundlage für Wagenbreths Berufung der Umwandlung seiner bisherigen Pro- Denkmale in Ostdeutschland auch an der auf diese Stelle war ein Gutachten seines fessur für Geschichte des Bergbaus und Bergakademie Freiberg ihre späte Aner- früheren Hochschullehrers und langjähri- Hüttenwesens in eine inhaltlich sehr viel kennung. gen Mentors Prof. Dr.-Ing. Erich Rammler breiter angelegte Professur für Wirtschafts- Die Gründung des IWTG war vom Se- (1901 – 1986), der zu folgendem Schluss geschichte und Geschichte der Produktiv- nat der Bergakademie im April 1991 in kam: „Mustert man nochmals die wissen- kräfte ab 1969 seine wissenschaftlichen Nachfolge für das alte Institut für Ge- schaftlichen Leistungen Wagenbreths mit Aktivitäten stärker auf wirtschaftshistori- schichte des Bergbaus und Hüttenwesens 106 geschichtlichen Arbeiten …, so wird sche Fragestellungen zur Rechtfertigung beschlossen worden. Aufgabe des Insti- man gedrängt, die Folgerung zu ziehen, der Lehren des Marxismus-Leninismus tutes sollte es sein, einerseits das erst im daß er von Natur aus als Historiker veran- verlagerte. Juli 1990 vom Senat beschlossene Studi- lagt ist. … Wenn man sich fragt, auf wel- Die friedliche Revolution in der DDR um Generale der Hochschule zu organi- chem wichtigen Gebiete die starken Ka- und die politische Wiedervereinigung sieren und durchzuführen sowie die fach- pazitäten Wagenbreths in der Lehre und Deutschlands in den Jahren 1989 bis liche Leitung des Historischen Kabinetts in der Wissenschaft künftig am besten für 1991 beendete die ungleiche, nichtsdesto- und der Kustodie der TU Bergakademie den Dienst an der Deutschen Demokrati- trotz durchaus erfolgreiche Zusammen- sicherzustellen und andererseits die Frei- schen Republik genutzt werden können, arbeit zwischen Wagenbreth und Wächt- berger Tradition im Bereich der Forschung

14. Jahrgang 2007 71 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik zur Geschichte des Montanwesens sowie Land und seine Menschen in mühevoller tung von Kulturgut und damit den Verlust zur Wissenschafts- und Technikgeschich- Arbeit und mit innovativer Kraft über viele von Vergangenheit und – vielleicht noch te fortzuführen. Otfried Wagenbreth nahm Jahrhunderte hervorgebracht haben und schlimmer – den Verlust von Identität in sich dieser Aufgaben mit der ihm inne- die insbesondere in Sachsen für eine in der Gegenwart. wohnenden Energie an und schuf mit sei- Deutschland einmalige Entwicklung von Die Vermittlung dieser Erkenntnis vor nem kleinen Mitarbeiterstab (Dr. Siegfried der Agrar- zur Industriegesellschaft ste- allem an junge Menschen lag und liegt Richter, Dr. Frieder Jentsch und Dr. Sabi- hen? Sowohl für den einzelnen Menschen Otfried Wagenbreth nach wie vor am Her- ne Schetelich) die Grundlagen sowohl für wie auch für die Gesellschaft insgesamt zen. Seine überaus erfolgreiche Tätigkeit ein erfolgreiches fachübergreifendes und gilt: Wer die Vergangenheit nicht kennt, als emeritierter Hochschullehrer an der allgemein bildendes Lehrangebot im Rah- kann die Gegenwart nicht verstehen. Und TU Bergakademie im Rahmen des Studi- men des Studium Generale an der TU wer die Gegenwart nicht versteht, kann um Generale sowie des deutschlandweit Bergakademie Freiberg wie auch für die die Zukunft nicht sinnvoll gestalten. Die einmaligen Studienganges für Industriear- weitere Erforschung der Geschichte der Denkmale der Arbeit, Technik und Indust- chäologie legt davon bis heute ein bered- Freiberger Hochschule und der Montan- rie sind wie andere Kulturdenkmale auch tes Zeugnis ab. und Technikgeschichte der Region. Als ein Zeugnis dieser Vergangenheit. Ihr Ab- Helmuth Albrecht er 1995 im Alter von 68 Jahren aus dem riss bedeutet unwiederbringliche Vernich- aktiven Hochschullehrerdienst ausschied, hinterließ er seinem Nachfolger ein intak- tes, voll funktionsfähiges und fest in der Dr. Wolf-Dieter Schneider nunmehrigen TU Bergakademie Freiberg verankertes Institut. zum Honorarprofessor bestellt Wer Otfried Wagenbreth kennt, ist nicht verwundert darüber, dass seine Pensionie- Auf einer Festveranstaltung unserer Universität rung keineswegs sein Engagement für die ist am 19. Oktober Herr Dr. Wolf-Dieter Schnei- Forschung und Lehre beendete. Er ermög- der, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gie- lichte mir als seinem Nachfolger nicht nur ßerei- und Industrie-Holding AG (DIHAG, Haupt- einen reibungslosen Einstieg in meine sitz Essen), von Rektor Prof. Georg Unland zum neuen Aufgaben, sondern wies mir mit Honorar-Professor für das Gebiet „Optimierung seiner umfassenden Kenntnis und sei- gießereitechnischer Prozesse“ bestellt worden. ner Liebe zu den technischen Denkma- Der „neue“ Professor hat bereits eine Vorle- len Sachsens und Ostdeutschlands sowie sungsreihe zur Modellierung der Gießereivorgän- zur Montangeschichte des Erzgebirges ge maßgeblich konzipiert und einen Teil dieser entscheidend den Weg für eine weitere Lehrveranstaltungen seit 2002 selbst gehalten. Profilierung des IWTG in Lehre und For- Darin werden konkrete technologie- und ökono- schung. Bis heute steht er dabei dem In- miebeeinflusste Abläufe behandelt. Diese werden stitut als Berater sowie als Lehrbeauftrag- von Prof. Schneider als erfahrenem Vertreter der ter zur Verfügung. Nach wie vor zeichnen Gießereiwirtschaft den Studierenden authentisch unter Bezug auf den jeweils tech- ihn dabei sein Forscherdrang, seine über- nologisch neuesten Entwicklungsstand und unterschiedliche praktische Randbedin- aus aktive Publikationstätigkeit sowie vor gungen dargeboten. Er hält außer dieser Vorlesung zusätzlich weitere Lehrbeiträge allem sein vorbehaltloser Einsatz für die zu aktuellen Themen, wie Qualitätsmanagement, im Rahmen der Pflichtlehrveran- Belange der technischen und industriel- staltung „Gießereiprozessgestaltung“. len Denkmale aus. In Zeiten wie heute, in Unter Vorsitz und engagiertem Wirken von Herrn Prof. Schneider hat sich die DI- denen im Zeichen der New Economy Be- HAG in den vergangenen 15 Jahren sehr stark im Bereich der Gießereiindustrie in den lange der Denkmalpflege mehr und mehr neuen Bundesländern etabliert. So gehören die Gießereien in Schmiedeberg, Leipzig hinter kurzfristigen wirtschaftlichen und und Coswig, Meuselwitz und Arnstadt sowie an der Müritz zum Konzern. Neben finanziellen Überlegungen zurückstehen, den erreichten beträchtlichen Steigerungen des Umsatzes und der Zahl von Arbeits- in denen vor allem zahllose technische plätzen ist Herrn Prof. Schneider die Förderung des studentischen Nachwuchses ein und industrielle Denkmale ohne Konzept permanentes Anliegen. So wurde der an der TU Freiberg im Jahre 1999 eingeführte und vielfach willkürlich dem sogenannten Studiengang „Bachelor Gießereitechnik“ in erheblichem Maße von der DIHAG mit- Fortschritt geopfert werden, mag manchem gestaltet und unterstützt. Die Unternehmen der DIHAG-Gruppe stellen auch regel- ein unbeirrter Kämpfer für die technischen mäßig Praktikumsplätze und Themen für studentische Arbeiten bereit. Zu den Tagen Denkmale wie Otfried Wagenbreth als ein der offenen Tür der TU Bergakademie Freiberg sind sie im Rahmen der Firmenprä- Anachronismus erscheinen. Sein fortwäh- sentation stets präsent. Herr Prof. Schneider hat auch den Vorsitz im Fachausschuss render Appell an uns, die Zeugen der in- „Ingenieurausbildung“ des Vereins Deutscher Gießereifachleute inne, besitzt umfas- dustriellen Vergangenheit Sachsens zu sende Kenntnisse und klare Vorstellungen über die Ansprüche der Gießereien an die schützen und zu bewahren, ist manchem universitäre Ausbildung. Er ist unserer Universität durch seine Engagements für die unangenehm, trifft aber gleichwohl den „Stiftung Technische Universität Bergakademie Freiberg“ eng verbunden, war einer Kern einer wichtigen Frage, der wir uns der ersten Gründungsstifter und ist aktuell ein prominentes Mitglied des Vorstandes alle stellen müssen: Wollen wir die letz- des Vereins der Freunde und Förderer unserer Alma Mater. Herzlichen Glückwunsch ten Zeugen einer Geschichte der Arbeit, zur Bestellung zum Honorar-Professor ! Technik und Industrie aufgeben, die dieses Gerhard Roewer

72 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg rallel anzubieten, sondern es gibt häufi- ger nur noch zwei Grundtypen: Module für Der Bachelor ist da – Hauptfachstudierende und solche für Ne- benfachstudierende. Dies erforderte um- fangreiche Diskussionen und Abstimmun- der Master folgt bald gen zwischen den Fakultäten. Genauso in- tensiv wurden die profilbildenden Modu- Im Lichte des reichen und vielgestaltigen ein Drittel der Unternehmen Akademikern le der Studiengänge innerhalb und zwi- kulturellen Erbes Europas wird auf der mit Masterabschluss die besten Einstiegs- schen den Fakultäten erörtert. Grundlage institutioneller Autonomie, aka- chancen ein. Noch größer war die Skep- Einen wichtigen Meilenstein im Bolo- demischer Freiheit, der Chancengleichheit sis gegenüber den Bachelorabsolventen. gna-Prozess hat die Universität im Som- und demokratischer Grundsätze ein Euro- Nur neun Prozent der Befragten wollten mer 2007 passiert. Zum Wintersemester päischer Hochschulraum geschaffen. Da- demnach Bachelorabsolventen einstel- 2007/2008 führt die TU Bergakademie rauf haben sich die Bildungs- und Kultur- len. Ein Jahr später ergab eine Umfrage Freiberg zwölf weitere Bachelorstudien- minister von 29 Staaten am 19. Juni 1999 in des Instituts der deutschen Wirtschaft, gänge und zwei neue Masterstudiengän- Bologna verbindlich verständigt – seitdem dass Bachelor- oder Masterabsolventen ge ein (siehe auch Übersicht auf S. 74). werden die damit verbundenen Aktivitäten bereits in jedem zehnten deutschen Un- Außerdem wurde die Modularisierung als „Bologna-Prozess“ bezeichnet. ternehmen vertreten waren. Dabei waren der verbleibenden Diplomstudiengänge In den Medien und in der Gesellschaft Absolventen der Bachelor- und Master- vollzogen, so dass ab dem Wintersemes- stellt die Umstellung auf ein zweistufiges studiengänge erst seit 2001 auf dem Ar- ter 2007/2008 alle Studiengänge mit Mo- Bachelor- und Master-System das wohl beitsmarkt. Drei Viertel der Firmen hätten dulen und einem Leistungspunktesystem am meisten diskutierte Ziel des Bologna- Bewerber mit diesen Abschlüssen einge- starten. Die Umstellung auf das zweistu- Prozesses dar. Sehr wenig Beachtung und stellt, so das Institut. Demgemäß konnten fige Bachelor- und Mastersystem und die Würdigung finden die anderen genauso sich 83 Prozent der Konzerne vorstellen, Modularisierung aller Studiengänge be- wichtigen Ziele des Bologna-Prozesses. Er- künftig erstmals Hochschulabgänger mit deutete und bedeutet einen Kraftakt für lauben Sie deshalb an dieser Stelle etwas deutschem Bachelorzeugnis einzustellen. die gesamte Universität, insbesondere für breitere Ausführungen: Es soll ein System Auch die Umfrage der Hochschul-Infor- die Studiendekane und Studienkommis- leicht verständlicher und vergleichbarer mations-System-Gesellschaft (HIS) im glei- sionen, denen an dieser Stelle ein herzli- Universitätsabschlüsse und ein Leistungs- chen Jahr kam zu dem Ergebnis, dass Ba- cher Dank ausgesprochen sei. punktesystem nach dem European Credit chelorabsolventen fast genauso schnell Dem mit solchen Fragen wenig ver- Transfer and Accumulation System (ECTS) einen Arbeitsplatz finden wie Absolven- trauten Leser drängt sich sicherlich immer eingeführt werden. Bei einem Leistungs- ten klassischer Diplomstudiengänge. Im mehr die Frage auf, was sich hinter die- punktesystem werden für die einzelnen Jahr 2005 vermeldete der Bundesverband sem Wort „Modularisierung“ verbirgt. Jeder Module eines Studiengangs Punkte ver- mittelständischer Wirtschaft (BVMW), dass Studiengang ist nun in Module gegliedert. geben. Dadurch sollen der zu leistende Ar- kleine und mittlere Betriebe immer häufi- Die Module selbst stellen eine Zusammen- beitsaufwand pro Modul sichtbar und ver- ger Hochschulabsolventen mit einem Ba- fassung von inhaltlich abgestimmten Leis- gleichbar gemacht sowie die Anerkennung chelor- oder Masterabschluss einstellten. tungspaketen, also Übungen, Vorlesungen von Studien- und Prüfungsleistungen an Eine Stichproben-Umfrage ergab, dass oder Praktika dar. Die Module erstrecken in- und ausländischen Hochschulen er- rund neun von zehn befragten mittel- sich über höchstens zwei Semester und leichtert werden. Beide Anliegen bezwe- ständischen Unternehmen bereits Master- umfassen in der Regel 4 – 10 Leistungs- cken das Erreichen des dritten Ziels – Stei- oder Bachelorabsolventen eingestellt hät- punkte. Die Leistungspunkte verdeutli- gerung der Mobilität. Außerdem verfolgen ten oder dies in Kürze planten. Die Frage chen den Arbeitsumfang für den Studie- die anfänglich 29 teilnehmenden Staaten „Wird die Wirtschaft Bachelor akzeptieren renden – ein Leistungspunkt beschreibt die Förderung der europäischen Dimensi- und den Master als gleichwertig mit den 30 Stunden Arbeit. Ein Modul wird mit ei- on der Hochschulausbildung sowie eine Diplomabschlüssen betrachten?“, kann ner Modulprüfung abgeschlossen. In je- Zusammenarbeit in der Qualitätssiche- also wohl mit „Ja“ beantwortet werden. dem Semester werden 30 Leistungspunkte rung. Auch die nachfolgenden Konferen- Bis Mitte des Jahres 2006 waren dank vergeben. Die Vorteile einer solchen Syste- zen bestätigten die Maxime des Bologna- des unermüdlichen Einsatzes von Herrn matisierung des Studiums liegen zum Ei- Prozesses – die Gestaltung von Vielfalt – Professor Voigt die Grundlagenmodule für nen in der größeren Transparenz. So ist das flankiert von den übergeordneten Prinzi- alle Studiengänge konzipiert. Zeitgleich Angebot der Universität in Form größerer pien Mobilität, Qualität und Transparenz. mit der Modularisierung sah sich die Uni- Themenblöcke leichter zu überschauen als Im Jahr 2007 beteiligen sich 46 europäi- versität vor dem Problem, mit schrump- bei herkömmlichen Studiengängen. Zum sche Staaten am Bologna-Prozess. fender Personalstärke die Lehre in den Zweiten wird erwartet, dass übermäßige Anfänglich wurden Absolventen von Grundlagenmodulen für eine steigende zeitliche Belastungen der Studierenden Bachelor- und Masterstudiengängen von Anzahl von Studierenden aus verschiede- schon in der Planung vermieden werden der Industrie kritisch betrachtet und das nen Studiengängen anbieten zu müssen. und damit die Einhaltung der Regelstu- „klassische Diplom“ schien bevorzugt. Laut Die verschiedenen Fachrichtungen stellten dienzeit gefördert wird. Ein dritter Vorteil einer Umfrage des Magazins „Junge Karri- z. T. ähnliche, aber nicht identische Anfor- besteht für die Studierenden darin, dass ere“ (2003) unter 30 im DAX gelisteten Un- derungen an die Grundlagenmodule. So die umfangreichen Diplomprüfungen ent- ternehmen und den drei umsatzstärksten ist es aus Kapazitätsgründen nicht mehr fallen und die Inhalte vielmehr studien- Unternehmungsberatungen räumte nur möglich, Physik und Chemie vielfach pa- begleitend abgeprüft werden. Allerdings

14. Jahrgang 2007 73 Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik bedeutet dies auch, dass der Studierende sere Universität mit der Akkreditierung der zientes Qualitätssicherungssystem stellen. vom Beginn des Studiums an kontinuier- Studiengänge erreichen. Folglich stellt in Der berufliche Erfolg unserer Absolventen lich am Abschluss des Studiums arbeiten den nächsten zwei Jahren die Akkreditie- wird eine solche Qualitätskennziffer dar- muss. Denn jede Modulprüfung ist auch rung unserer Bachelor- und Masterstudi- stellen. Deshalb erhält die Alumni-Arbeit Teil der Abschlussprüfung. Die Universität engänge einen Schwerpunkt im Rahmen eine weitere wichtige Zielstellung – die wiederum erhofft sich davon eine kürzere des Bologna-Prozesses dar. Nach der Ak- Kontaktpflege zum Zwecke der Evaluati- Studienzeit, da viele unserer Studierenden kreditierung ist vor der Reakkreditierung – on der Studiengänge durch unsere Absol- vor den bisherigen Abschlussprüfungen deshalb muss die TU Bergakademie Frei- venten. lange Vorbereitungszeiten benötigten. Al- berg bereits jetzt die Weichen für ein effi- Michael Schlömann lerdings entsteht den Lehrenden durch die Modulprüfungen auch ein erhöhter Prü- fungsaufwand. Aufbauend auf die Bachlorstudiengän- ge heißt es nun, geeignete Masterprogram- me zu konzipieren. Zu allen Bachelorstu- diengängen unserer Universität sollen aufbauende Masterstudiengänge etabliert werden. Ziel unserer Universität bleibt es, den wissenschaftlichen Nachwuchs auf hohem Niveau auszubilden und somit unsere Studierenden bis zum Masterab- schluss zu begleiten. Die Universität erhält durch die zweistufigen Studiengänge die Möglichkeit, auf neue wissenschaftliche und technologische Entwicklungen zu re- agieren und so die Attraktivität der Univer- sität nachhaltig zu stärken. Nicht nur die Bachelorabsolventen un- serer Universität sollen passende Master- studiengänge an der TU Bergakademie Freiberg finden, auch Absolventen anderer in- und ausländischer Hochschulen sollen durch interessante Masterprogramme an- gezogen werden. Mit fortschreitender In- ternationalisierung und einhergehend mit dem Selbstverständnis unserer Universität als internationale Lehr- und Forschungs- stätte ist es erklärtes Ziel, auch englisch- sprachige Masterprogramme anzubieten. Die Absolventen unserer Universität sollen weiterhin national wie international sehr gute Berufseinstiegschancen vorfinden. Die Qualitätssicherung stellt eine un- verzichtbare Voraussetzung für das Funk- tionieren des europäischen Hochschul- raumes dar. Die Bedeutung der Qualitäts- sicherung zeigt die Einrichtung eines Qua- litätsregisters, in welches Qualitätssiche- rungsagenturen aufgenommen werden, die nach den Standards und Leitlinien für die Qualitätssicherung im Europäischen Hochschulraum arbeiten. Mit dem Re- gister wird die Transparenz innerhalb des Europäischen Hochschulraums aber auch für Drittstaaten verbessert. Die Hauptver- antwortung für die Qualität liegt bei den Hochschulen. So bildet die Weiterentwick- lung der Qualitätssicherung eine vordring- liche Aufgabe auch unserer Universität. Den kurzfristigen Nachweis einer hoch- Stand der derzeitigen Planung (10. Oktober 2007), vorbehaltlich Änderungen bei der Etablierung von Masterstudien- wertigen Lehre und Ausbildung kann un- gängen, ohne weiterbildende Studiengänge

74 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg TU Eine isländische Studentin in Freiberg Die Idee, in Deutschland zu studieren, tauchte Bergakademie im Sommer 2001 auf, als ich mit dem Pädagogi- schen Austauschdienst (PAD) einen Monat lang Freiberg in Deutschland herumreiste. Es waren Jugend- liche aus etwa 52 Ländern da, um Land, Leute, international Kultur und Geschichte Deutschlands kennen zu lernen und ich glaube, dass alle, die da waren, nach dieser Reise mal wieder nach Deutschland „Wo kann ich mich hier zum Deutschkurs kommen wollten. anmelden?“, „Is there a possibility to ap- Nach dem Abitur habe ich u. a. als Au-pair ply for a TU Freiberg scholarship?“, „Gibt in Deutschland gearbeitet und neben meinem es noch freie Plätze für die Exkursion in Studium der Mathematik an der Universität Is- die Sächsische Schweiz?“ - diese und vie- lands an Deutschkursen teilgenommen, um le andere Fragen klingen derzeit wieder das Deutsch beizubehalten. Im Sommer 2006 durch die Gänge, Seminarräume und Bü- schloss ich den B. Sc. Math. ab und hatte mich dann mit Hilfe des DAAD-Lektors in ros des Internationalen Universitätszent- Island im Herbst 2005 um ein Stipendium vom Deutschen Akademischen Austausch- rums (IUZ) in der Lessingstraße 45. Es ist dienst (DAAD) beworben. Es gab viele unterschiedliche Gründe dafür, dass Freiberg in Anfang September. Für viele neue auslän- den Bewerbungsunterlagen als Erste auf meiner Liste der gewünschten Hochschulen dische Studierende hat das Semester be- stand. An einem deutschen Stammtisch in Island hatte ich schon im Frühling 2004 reits begonnen. Sie nutzen das Angebot zwei Geoökologiestudenten der Bergakademie kennengelernt, die an meiner Uni des Internationalen Universitätszentrums, ihren ERASMUS-Aufenthalt verbrachten und ihre Uni weiterempfehlen konnten. Im sich einige Wochen vor Beginn der ei- Uni-Ranking hatte die Fachrichtung Angewandte Mathematik in Freiberg einen sehr gentlichen Lehrveranstaltungen mit ihrem guten Ruf und mein Sommerjob im Hydrologischen Institut in Reykjavik ging genau neuen Studienort vertraut zu machen, die in die Richtung Angewandte Mathematik. Außerdem schien Freiberg einfach viel zu vorhandenen Sprachkenntnisse zu vertie- bieten – eine eher kleine Uni, wo man garantiert nicht verloren gehen würde, mit fen, ggf. die Deutsche Sprachprüfung ab- gutem Sport-Angebot. Und die Nähe zu Ost-Europa würde eventuell eine Gelegenheit zulegen, Freiberg und Umgebung kennen bieten, dorthin zu reisen. Als ich dann ein Jahr später mich mit einem Stipendium in zu lernen und erste Kontakte zu anderen der Hand in Freiberg befand, wartete viel Bürokratie auf mich. Zwar wusste ich, dass ausländischen und deutschen Studenten es in Deutschland so wäre, aber das ist nicht das Gleiche, wie es zu erleben! Es gab zu knüpfen. kaum einen Englisch sprechenden Beamten und ich war daher sehr froh, Deutsch An der TU Bergakademie Freiberg stu- sprechen zu können. Aber es warteten nicht nur Bürokratie, sondern auch sehr nette dieren ca. 440 ausländische Studierende Leute. Frau Fröhlich bei der Wohnheimverwaltung hätte z. B. keinen mehr passenden aus über 70 Ländern. Sie bereiten sich am Namen kriegen können und schon am ersten Tag habe ich Studenten kennen ge- Studienkolleg oder am IUZ fachlich und/ lernt, die mir vom Arbeitskreis Ausländischer Studierende (AKAS) erzählten. Im Be- oder sprachlich auf das Studium vor, absol- gegnungsraum des AKAS habe ich den Donnerstag darauf sowohl ausländische als vieren ein oder zwei Semester im Rahmen auch deutsche Freunde gefunden. Mein Betreuer, Herr Prof. Hebisch, hat mir gezeigt, einer der insgesamt 104 Partnerschaften wie man die bisherigen Leistungen anerkannt bekommen kann, und mir geholfen, der TU Freiberg im ERASMUS-Programm die Studien- und Prüfungsordnung zu verstehen. Die Mitstudenten empfingen mich oder haben sich für ein Vollzeitstudium auch mit offenen Armen: Sie halfen mir dabei, meinen Studienplan aufzubauen, entschieden, erwerben im Rahmen eines gaben verschiedene Tipps zum Studium in Freiberg und führten mich durch den unserer 27 Doppeldiplomprogramme das „Rechenzentrum-Wald“ – wo man hingehen muss, um sich anzumelden, damit man Freiberger Diplom, absolvieren ein Prak- in die Computerpools hereinkommt und dort ein Login für die Rechner hat. tikum, studieren im englischsprachigen Am Anfang hatte ich die Idee, Optimierung als Vertiefungsrichtung und Geologie MBA-Studiengang „International Manage- oder Hydrologie als Nebenfach zu belegen. Nach vielen Überlegungen habe ich jetzt ment of Resources and Environment“oder mathematische Methoden der Informatik als Vertiefungsrichtung und Geoinformatik promovieren an einer der 6 Fakultäten. als Nebenfach. Das Studium gefällt mir sehr gut und die Bergakademie entspricht Internationalität hat Tradition an der meinen Vorstellungen als „keine Massenuni“ sehr gut – hier lernt man schnell die Bergakademie. In der Geschichte der TU Professoren kennen und kann sich mit Ideen oder Fragen jederzeit an sie wenden. Bergakademie machten ausländische Stu- Seit ich in Freiberg bin, nehme ich neben dem Studium am Uni-Schwimmen dierende teils über 50 % der gesamten und am Uni-Badminton teil, arbeite viel mit dem AKAS und seit dem Frühling auch Studentenschaft aus. Heute kommen ca. im Rahmen des ISIS Projektes („Internationale Studierende in die Schulen“). Für das 10 % unserer immatrikulierten Studenten nächste Semester kann ich sogar als Hilfskraft im Internationalen Universitätszent- und Doktoranden aus dem Ausland. rum arbeiten. Diese Tätigkeiten – sowohl bezahlt als auch freiwillig – sind mir sehr In Lehre und Forschung ist die TU Berg- wichtig und es macht viel Spaß, daran teilnehmen zu können. akademie international aufgestellt. Über Insgesamt bin ich mit der Entscheidung, nach Freiberg zu gehen, sehr zufrieden. die Jahre hat sich ein beachtlicher Bestand Ich werde mit vielen guten Erinnerungen in die Heimat zurückkehren, wenn ich mein an internationalen Kooperationen mit ca. Diplom erhalten habe. 200 Hochschulen der Welt auf verschie- Bjarnheidur Kristinsdóttir, Studentin der Angewandten Mathematik im 6. Semester (September 2007)

14. Jahrgang 2007 75 TU Bergakademie Freiberg international

Zusammenarbeit mit Universitäten und Firmen in der kanadischen Provinz Alberta

Internationale Kooperation lebt in gro- in Freiberg im Sinne einer weiteren Opti- gationsvertreter an den verschiedenen ßem Maße vom Engagement der betei- mierung des Angebots profitiert. beteiligten Instituten der TU Bergakade- ligten Personen. Die Zusammenarbeit Im Spätherbst 2006 fuhr dann eine mie Freiberg sowie bei den vertretenen mit der University of Alberta in Edmon- kleine Delegation aus Freiberg unter der sächsischen Industrieunternehmen ver- ton und anderen Einrichtungen in der Leitung des Prorektors für Außenbezie- anstaltet. Zukünftige Aktivitäten, Koope- kanadischen Provinz Alberta, wie der hungen, Herrn Prof. Christoph Breitkreuz, rationsmöglichkeiten sowie gemeinsame University of Calgary und einigen Unter- nach Calgary und Edmonton. Die Freiber- Forschungs- und Entwicklungsprojekte nehmen, ist ein typisches Beispiel dafür. ger Ausbildungs- und Forschungsaktivitä- wurden ausgelotet, gemeinsame Projek- Nachdem es im Rahmen der Partner- ten konnten so einem breiteren Kreis von te zur Energieforschung und zur Entwick- schaft zwischen dem Land Sachsen und Interessenten an den Universitäten und lung und Vermarktung von energietechni- der kanadischen Provinz Alberta bereits in regionalen Wissenschafts- und Wirt- schen Produkten werden angestrebt. Die 2004 erste gemeinsame Aktivitäten mit schaftsorganisationen vorgestellt werden. beiden Universitäten wollen außerdem der School of Engineering der Universi- Es stellte sich heraus, dass auf Firmene- den Austausch von Studenten und For- ty of Calgary gegeben hatte, bereiste im bene durchaus schon mehr als oberfläch- scherpersonal weiter ausbauen. Seitdem Frühsommer 2006 eine kleine Delegati- liche Kontakte bestehen. So wurde die haben elf Studenten aus Alberta an der on von Wissenschaftlern und Wissen- Idee eines Workshops geboren, an dem diesjährigen Freiberger Summer School schaftsmanagern aus der Provinz Alberta von beiden Seiten sowohl Wissenschaft- teilgenommen. Dabei hat mit Prof. Amir- die sächsischen Universitäten, darunter ler als auch Wirtschaftsvertreter teilneh- fazli erstmalig ein Hochschullehrer aus die Bergakademie. men. Weiter konnten die Freiberger Orga- Edmonton als Lehrender mitgewirkt und Alberta, das ist die Provinz in Westka- nisatoren bereits die Kandidaten für die das Lehrangebot um das Fachgebiet „New nada, die über riesige Ölsandvorkommen nächstjährige Summer School kennen Hydro Power“ (Wellen-, Gezeiten- und verfügt. Die gestiegenen Weltmarktpreise lernen. Mit Stolz berichteten vorjährige Meeresströmungsnutzung) bereichert. für Erdöl haben es wirtschaftlich möglich Teilnehmer, dass sie sich durch ihre „Frei- Prof. Mahinpey von der University of gemacht, dass Alberta in wenigen Jahren berger Erfahrungen“ besonders gute Jobs Regina, Teilnehmer des Workshops im zu einer der großen Erdölförderregionen sichern konnten. Es wurden Ideen für ge- Juni, besuchte Ende August zum wieder- der Welt aufgestiegen ist. Um die Be- meinsame Studienmodule und für den holten Male Prof. Meyer und dessen Insti- grenztheit der Reserven wissend, bemü- erweiterten Studentenaustausch geboren. tut. Hier steht das Freiberger Knowhow in hen sich weitblickende Regionalpolitiker, Vom 18. bis 19. Juni 2007 fand dann mit der Vergasungstechnologie im Zentrum „die Zeit danach“ schon heute einzuleiten, freundlicher Unterstützung des Sächsi- des Interesses. indem Projekte auf innovativen Gebie- schen Ministeriums für Wissenschaft und Am Freiberger Institut für Wärmetech- ten der Energietechnik gefördert werden. Kultur sowie des Vereins der Freunde und nik und Thermodynamik sind für CCI Deutschland genießt den Ruf, hierin Spit- Förderer der TU Bergakademie Freiberg Thermal Technologies Inc. thermodyna- zenreiter zu sein. Für die Kanadier liegt es der erste Workshop zum Thema „Energy mische Berechnungen zur Reaktion von daher mehr als nahe, hier Partner zu su- Related Research and Industrial Activities Erdalkali-Silikat-Fasern mit schwefelhalti- chen. Deshalb stießen Freiberger Projek- in Edmonton (Alberta) and Freiberg (Saxo- gen Gasen durchgeführt worden. Damit te zur Photovoltaik, zur Solarthermie, zur ny)“ in Freiberg statt. Eine Delegation aus konnte der kanadischen Firma bei der Lö- Windkraftnutzung, zur Geothermie, zur Wissenschaftlern der University of Alberta sung eines praktischen Problems bei den Brennstoffzellentechnologie, zur energe- in Edmonton und der University of Regi- von ihr hergestellten Heizgeräten gehol- tischen Nutzung von Biomasse und an- na (Saskatchewan) sowie Industrievertre- fen werden. Alexander Szymanek, Student dere auf größtes Interesse. ter aus dem Umfeld dieser Universitäten der Verfahrenstechnik an der TU BAF, hat Als erste Reaktion entsandte die ka- waren zu Gast an der TU Bergakademie, inzwischen sein Praxissemester an der nadische Seite, konkret die Universitäten um mit Freiberger Professoren und säch- University of Calgary begonnen. Er wird in Calgary und Edmonton, der Provinz- sischen Industrievertretern in einen fach- sich mit Fragen zur Nutzung von Gashyd- hauptstadt, eine größere Zahl von Stu- bezogenen Informations- und Ideenaus- raten beschäftigen. denten zu der fünfwöchigen International tausch zu treten. Die Organisation lag in Im Oktober wird Prof. Gerd Walter, In- Summer School „On the Cutting Edge of den Händen des Instituts für Wärmetech- stitut für Wärmetechnik und Thermody- Sustainable Energy Supply“, die seit 2004 nik und Thermodynamik (IWTT) sowie namik, für einen Monat nach Edmonton jährlich an der TU Bergakademie statt- des Internationalen Universitätszentrums reisen, um dort Vorlesungen zu „Renewa- findet. Die Zuerkennung von Leistungs- (IUZ) vgl. Beitrag S. 123. ble Energy Technologies“ zu halten und punkten für die erfolgreiche Teilnahme Als Gebiete gemeinsamer Interessen die Ideen von gemeinsamen Lehrmodu- schuf eine Randbedingung dafür, eine bestätigten sich die Photovoltaik, die So- len voranzubringen. Die Erweiterung der Vorauswahl der Bewerber vor Ort in Ka- larthermie, die energetische Biomasse- Kontakte mit der University of Alberta auf nada eine weitere. Die hohe Wertigschät- nutzung, die Vergasung, die Brennstoff- die Geowissenschaften, insbesondere zung dieser Teilnahme von kanadischer zellenentwicklung und die Geothermie. den Bereich der Geoökologie, wird der- Seite zeigt sich unter anderem darin, dass Am zweiten Tag des Workshops wur- zeit vorbereitet. Die Kooperation mit Al- mit den heimgekehrten Teilnehmern eine den kompetenzorientierte und auf indi- berta beginnt also Früchte zu tragen. sorgfältige Auswertung erfolgte. Von den viduelle Interessen zugeschnittene Be- Dr. Martin Kautz, Corina Szeszkat, Ergebnissen haben auch die Veranstalter sichtigungen für die kanadischen Dele- Prof. Dr. Gerd Walter

76 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg denen Ebenen und in unterschiedlichen Fachrichtungen entwickelt. Langjährige Verbundnetz Gas AG fördert die und enge Beziehungen verbinden die TU Freiberg mit ihren mittel- und osteuropä- internationale Hochschulkooperation ischen Partnerhochschulen, wie z. B. der AGH Krakau, dem Moskauer Institut für Von 1994 bis 2006 konnten durch die VNG-Förderung insgesamt 190 Studenten aus Stahl und Legierungen oder der VSB TU Trondheim, Prag, Krakau und Freiberg bei einem Partner dieses Netzwerkes ein Auslands- Ostrava. Die neueste der 34 Hochschulko- semester absolvieren, ihre Diplomarbeit schreiben oder ein Praktikum durchführen. Im operationsvereinbarungen wurde im Mai gleichen Zeitraum erfolgten 203 Studien- und Forschungsreisen von Wissenschaftlern 2007 im Beisein des sächsischen Minis- aus Trondheim, Prag, Krakau und Freiberg zu einem Partner dieses Netzwerkes sowie terpräsidenten in China mit der Wuhan seit 2001 31 Reisen Freiberger Wissenschaftler (vorwiegend Mineralogie und Bergbau, University of Science and Technology ab- aber auch andere Fachrichtungen wie Geologie, Wirtschaftswissenschaften, Kustodie, geschlossen. Seit 2004 entwickelt sich ein Maschinenbau, Eisen- und Stahltechnologie) nach St. Petersburg. zunehmend intensiver Kontakt zwischen Prof. Hentschel, Institut für Maschinenelemente, Konstruktion und Fertigung, und der TU Freiberg und der kanadischen Pro- Prof. Koch vom IPT der NTNU Trondheim arbeiten z. B. gemeinsam an Problemstellun- vinz Alberta, insbesondere mit der Univer- gen wie der Genauigkeit der CAD-Daten für CAM oder der Nutzung von Optimierungs- sity of Calgary und der University of Alber- verfahren für die Zeitverkürzung von Bearbeitungsprozessen. ta in Edmonton. Frau PD Dr. Tichomirova vom Institut für Mineralogie untersucht gemeinsam mit Eines unserer intensivsten und inter- ihren Partnern am Lehrstuhl für Geoökologie an der Bergbauuniversität St. Petersburg disziplinärsten akademischen Netzwerke Schadensbelastungen auf dem Gelände und im Umfeld ehemaliger bzw. sich noch im ist die von der Verbundnetz Gas AG in Betrieb befindlicher Bergbaubetriebe (z. B. Bleiisotopenuntersuchung). Leipzig geförderte Kooperation zwischen Im Auftrag der VNG forschen Prof. Kuna und Dr. Scherzer, Institut für Mechanik und der NTNU Trondheim, der AGH Krakau, der Fluiddynamik, und Prof. Pusch und Dr. Hübner, Institut für Werkstofftechnik, gemein- Universität für Chemie und Technologie sam mit ihrem Kollegen von der AGH Krakau, Prof. Pietrzyk, seit 2006 zum Festigkeits- Prag und der TU Bergakademie Freiberg. verhalten beim Schweißen von druckbelasteten Gashochdruckleitungen mit den zuge- Im Rahmen dieser Kooperation studieren hörigen Einflussgrößen für das beanspruchungsgerechte Gestalten von Abzweigen. jährlich ca. 8 – 10 Freiberger Studenten an Über diese und ähnliche gemeinsame Forschungsprojekte hinaus bereicherten den Partnerhochschulen, reisen Freiberger vielschichtige Aktivitäten der Nachwuchswissenschaftler die Zusammenarbeit. Seit Wissenschaftler zu Lehr- und Forschungs- 2003 finden regelmäßige Deutsch-Tschechische Doktorandentreffen auf dem Gebiet zwecken zu ihren Fachpartnern und tau- der Keramik-, Glas- und Baustofftechnik statt. Neben dem fachlichen Austausch im schen sich Nachwuchswissenschaftler Rahmen von Kolloquien und Vorträgen stehen auch Besuche in fachrelevanten Fir- auf gemeinsamen Exkursionen, Sommer- men auf dem Programm. Seit 2005 gibt es im Rahmen des akademischen Netzwerks schulen und Fachkolloquia aus. Neben auch ein jährliches Deutsch-Polnisches Metallurgisches Seminar für Nachwuchswis- dieser multilateralen Kooperation unter- senschaftler, das abwechselnd von der AGH Krakau oder der TU Bergakademie Frei- stützt VNG Leipzig auch die Zusammen- berg ausgerichtet wird. Ebenfalls seit 2005 nimmt in jedem Jahr eine Gruppe von arbeit zwischen der Bergbauuniversität Nachwuchswissenschaftlern der TU Freiberg erfolgreich an einer wissenschaftlichen St. Petersburg und der TU Bergakademie, Tagung in St. Petersburg teil. Die Kooperation auf dem Gebiet der Lehre wurde in den vor allem im Bereich der Geowissen- und vergangenen Jahren u.a. durch mehrere Vorlesungsreihen von Prof. Volkmann, Institut Geoingenieurwissenschaften. für Geologie der TU BAF, in Trondheim zum Thema „Kohle und organische Petrologie“ Es ist sehr erfreulich, dass auch im- bereichert. mer mehr deutsche Studierende an der Zur Tradition geworden sind außerdem nicht nur die jährlichen Sprachkurse an TU Bergakademie die internationale Di- der NTNU Trondheim für Teilstudenten der Partner dieses Netzwerks, sondern auch mension der Ausbildung schätzen ler- gemeinsame Fachexkursionen, an denen Studenten aus Trondheim, Prag, Krakau und nen und sich dafür entscheiden, an der Freiberg teilnehmen. Der einwöchige Intensivkurs „Gastechnik“, der im Rahmen der TU Freiberg nicht nur eine Fremdsprache VNG-Kooperation 2006 erstmals für deutsche, norwegische, tschechische und polni- zu lernen oder zu vertiefen, sondern im sche Studenten angeboten und mit Unterstützung von Lehrkräften aus den beteiligten Rahmen ihres Studiums auch ein Studien- Universitäten durchgeführt wurde, fand im September 2007 erneut an der TU Berg- oder Praxissemester im Ausland zu ver- akademie Freiberg statt. bringen. Jährlich gehen ca. 120 Studenten Mit dem Abschluss von Doppeldiplomabkommen auf den Gebieten Gastechnik unserer Universität für einen Studienab- und Maschinenbau zwischen der TU Bergakademie Freiberg und der NTNU Trondheim, schnitt ins Ausland, z. B. im Rahmen des die sich momentan in Vorbereitung befinden, werden weitere attraktive Studienange- ERASMUS-Austauschs (2006/07: 44), im bote und Möglichkeiten der Kooperation zwischen beiden Universitäten geschaffen. Austausch mit amerikanischen oder ka- Durch die langjährige Förderung des akademischen Netzwerkes zwischen den Part- nadischen Partnerhochschulen (2006/07: nern in Trondheim, Krakau, Prag, St. Petersburg und Freiberg ermöglicht die Verbund- 10), gefördert durch die Verbundnetz Gas netz Gas AG Leipzig den beteiligten Universitäten vielfältige gemeinsame Aktivitäten AG (2006/07: 7), als Doppeldiplomanden in Forschung und Lehre. Dafür gilt der Verbundnetz Gas AG Leipzig unser herzliches (2006/07: 6), als Praktikanten über IAES- Dankeschön. Das Internetportal „VNG-Campus“ (www.vng.campus/tu-freiberg.de), das TE oder das Leonardo-Programm der EU im Rahmen einer Projektarbeit an der TU Bergakademie Freiberg entstand, reflektiert (2006/07: über 50) sowie über weitere Pro- die Ergebnisse dieser vielschichtigen multilateralen Kooperation. gramme bzw. individuelle Kontakte. Vor- Christine Fischer, Katja Polanski wiegend hat es unsere Studenten im ver-

14. Jahrgang 2007 77 TU Bergakademie Freiberg international gangenen Studienjahr in skandinavische Doppeldiplomprogramme, die Einrichtung mer es wünschen, durch ein optionales Länder gezogen, aber auch nach Polen, weiterer internationaler Masterprogram- Praktikum in Firmen in Sachsen ergänzt. Tschechien und Ungarn sowie nach Nord- me, die Nutzung der Möglichkeit der Dop- 2007 konnten z. B. zwei kanadische Stu- amerika. Es gibt jedoch zunehmend auch pelpromotion sowie die Erweiterung des denten ein Praktikum bei der Verbundnetz Studenten, die die erprobten Wege der Angebots an attraktiven Kompaktkursen Gas AG in Leipzig absolvieren. Steven Tran Hochschulpartnerschaften verlassen und und Sommerschulen. berichtet darüber wie folgt: erste Erfahrungen in Ländern wie Ägyp- Eine internationale Sommerschule im „We were excited to start work at VNG ten, China oder Armenien sammeln. Be- Bereich der Erneuerbaren Energien, an der and to live in Leipzig for six weeks. When richte der Studenten über ihre Auslandser- in jedem Jahr ca. 15 internationale Studen- we first arrived in Leipzig we were im- fahrung (siehe beispielsweise den Bericht ten teilnehmen und die sich besonders pressed by VNG’s office building and the von Mathias Klinger im hinteren Teil unse- bei unseren kanadischen Partnerhoch- beautiful Leipzig Zentrum. We immediate- rer Zeitschrift) bestätigen, dass ein länge- schulen großer Beliebtheit erfreut, bietet ly liked the friendly working atmosphere rer Studien- oder Praktikumsaufenthalt im die TU Bergakademie bereits seit 2004 mit with much hand shaking, and both of our Ausland eine durchaus lohnenswerte Er- Erfolg an. In fünf Wochen erhalten die Teil- mentors were eager to get us started on fahrung ist, die noch viel mehr Studenten nehmer einen Einblick in Themenbereiche our projects. … I worked in 3450, „Tech- unserer Universität zu wünschen wäre. wie Fotovoltaik, Windenergie, Brennstoff- nology Center“, under Lars Winkler. There Die Vermittlung von Auslandserfahrung zelle, Geothermie, Energiegewinnung aus were a few small projects I worked on du- in Deutschland, das Lernen der deutschen Biomasse etc. Die Lehrveranstaltungen an ring the six weeks. I gave a presentation Sprache, das Kennenlernen eines anderen der Universität, die von Hochschullehrern on the Canadian energy supply and the Hochschulsystems, den Austausch in der aus vier Fakultäten getragen werden, wer- role of renewable energy in Canada. My Forschung streben wir auch zukünftig für den durch Fachexkursionen in Unterneh- main project was developing a calculation unseren ausländischen Studierenden und men der näheren Umgebung vertieft. Das tool to estimate geothermal power plant Nachwuchswissenschaftler an. Zur In- Fachprogramm wird von einem umfang- output and costs. The program allows you ternationalisierungsstrategie der Univer- reichen Rahmenprogramm und einem to change environmental parameters and sität gehört daher auch der Ausbau der Deutschkurs begleitet und, so die Teilneh- see the estimated output. I wrote a short

Wie viel ist Russland die Umweltforschung wert? Dass es in Russland große Gebiete mit Umweltproblemen. So waren die Kollegen Forschungsprojekte aus. Zum einen liegt starker Umweltverschmutzung durch aus St. Petersburg erstaunt, als ich ihnen ein gemeinsames Forschungsinteresse industrielle Gewinnung von Rohstoffen Bilder der „roten Pfützen“ des Bergwer- darin, Prozesse der Sulfidoxidation, die in und deren Veredlung gibt, ist wohl weit- kes „Himmelfahrt Fundgrube“ zeigte, die Halden oder stillgelegten Bergwerken ab- läufig bekannt. Aber wie sieht es heute sie natürlich sofort als „quietschsaure“ laufen, zu untersuchen. Eine Doktorandin mit der Umweltforschung aus, welchen (pH = 3) Lösungen mit sehr hohen Gehal- aus St. Petersburg hat dazu unlängst ihre Wert hat diese, wie wird sie finanziert? ten an Eisen, aber auch an Sulfaten und Promotion abgeschlossen. Sie untersuch- Gibt es erste Fortschritte in einer umwelt- einigen Schwermetallen erkannten. Und te einen großen Haldenkörper des Kupfer- verträglicheren Nutzung der natürlichen das im kulturellen Europa, wo man aus Nickel-Bergwerkes „Severonickel“ auf der Ressourcen und im Verständnis von Um- russischer Sicht alle Umweltprobleme als Kola-Halbinsel, aus dem stark saure Wäs- weltproblemen und der Beseitigung von gelöst ansieht! Ähnliche Oxidations-Pro- ser durch Sulfidoxidation austreten. Wir, Umweltschäden? Diese Fragen führten zesse laufen in der Halde des erzverarbei- als Freiberger Partner, bieten der jungen mich zu einer Reise nach St. Petersburg, tenden Kombinates bei Monchegorsk auf Wissenschaftlerin Isotopenuntersuchun- an den Lehrstuhl für Geoökologie des der Kola-Halbinsel ab, nur dass die Aus- gen am Sulfat der Wässer an, mit deren Bergbauinstitutes, der Partnerhochschule maße riesig sind. Obwohl mein Besuch Hilfe die Identifizierung von Verschmut- im Norden Russlands. Schon der Name in St. Petersburg sehr kurz war (2,5 Tage), zungsquellen und Mischungsprozessen des Lehrstuhls verrät, dass man sich hier musste ich noch unbedingt im Isotopen- und damit auch eine genauere Prognosti- vorrangig mit der Erforschung von Um- zentrum vorbeischauen, das mit mo- zierung und Bilanz der Langzeitwirkungen weltproblemen auseinandersetzt. Und er dernsten Geräten der Isotopenforschung auf die Umwelt möglich ist – so wie wir das ist nicht der einzige derartige Lehrstuhl, ausgestattet ist. für die Freiberger „Himmelfahrt Fundgrube“ der in den letzten Jahren in St. Petersburg Bei meinem zweiten kurzen Aufent- bereits anwandten. Andererseits haben wir entstanden ist. Auch die Staatliche Uni- halt in St. Petersburg im Juni 2007 hatte für das Bergbaugebiet um Monchegorsk, versität verfügt seit einiger Zeit über einen ich die Möglichkeit, in einem öffentlichen das besonders stark durch Umweltschä- Lehrstuhl für „Ökologische Geologie“ und Isotopenseminar die Forschungsergebnis- den, insbesondere von Waldsterben betrof- nach Aussagen der russischen Partner se unserer Freiberger Arbeitsgruppe zu fen ist, vorgeschlagen, zusätzlich zu den „boomt“ dieser Bereich. Themen der Umweltforschung mit Isoto- von der russischen Seite im Rahmen einer Der Lehrstuhl für Geoökologie am St. pen darzulegen. Das Seminar wird monat- weiteren Dissertation durchgeführten bio- Petersburger Bergbauinstitut wurde 2004 lich vom Lehrstuhl für „Isotopengeologie“ und geochemischen Untersuchungen Iso- eröffnet. Die Lehrstuhlinhaberin hatte der Staatlichen Universität St. Petersburg topenuntersuchungen an Blei durchzu- mich zu einem Treffen eingeladen, um durchgeführt. Als konkrete Maßnahmen führen. Dazu wurden erste Proben vom Möglichkeiten der Zusammenarbeit aus- der zukünftigen wissenschaftlichen Ko- Doktoranden ausgewählt, die ich bereits zuloten. Denn auch wir in Freiberg be- operation zwischen St. Petersburger und mit nach Freiberg bringen konnte. schäftigen uns seit einigen Jahren mit Freiberger Geoökologie wählten wir zwei Marion Tichomirowa

78 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg report for the selection of a backup system for a self-sustaining community powered Am ICT Prag by a biogas plant. The goal was to have a solution in place in case of breakdown of the biogas plant. I also researched and wrote a report on the considerations re- quired for the transmission of CO2 for cap- ture and storage. Thank you to VNG for giving us the opportunity to live and work in Leipzig …“ Eines der wichtigsten Kriterien für die Attraktivität einer Hochschule im nationa- len und internationalen Maßstab ist der erfolgreiche Studienabschluss der Studie- renden. Die Sicherung des Studienerfolgs unserer ausländischen Studierenden ist uns daher ein wichtiges Anliegen. Mit die- Ich war im 8. Semester Verfahrenstechnik an der TU Bergakademie Feiberg eingeschrie- sem Ziel beantragte das IUZ 2005 im Rah- ben, habe dieses jedoch als Student in Prag als Praxissemester am Institute of Che- men des DAAD-Programms zur Förderung mical Technology (ICT) absolviert und mich mit der CO2-Adsorption aus befeuchteten der Internationalisierung an den deut- Gasen bei erhöhten Temperaturen beschäftigt. schen Hochschulen (PROFIS) erfolgreich Da ich aufgrund meiner Laborarbeiten bis auf einen Tschechischsprachkurs kei- das Projekt FREQUENT „Freiberger Quali- ne anderen Vorlesungen besuchen konnte, kann ich nur über Erfahrungen anderer täts- und Exzellenznetzwerk zur Gewin- ERASMUS-Studenten berichten. Viele Vorlesungen, die ursprünglich als englischspra- nung ausländischer Studierender“. Ziel des chig ausgewiesen waren, wurden nur in Tschechisch angeboten. Die jeweiligen Stu- Projekts war die Einleitung von Maßnah- denten mussten den Lehrstoff aus Büchern nacharbeiten. Bei mir im Labor klappte die men zur Verbesserung der Auswahl aus- Verständigung sehr gut. Mein Betreuer konnte perfekt Deutsch und die Doktorandin, ländischer Studierender, ihrer fachlichen mit der ich zusammen arbeitete, konnte gut Englisch sprechen. Die Universität selber und sprachlichen Vorbereitung auf das befindet sich etwas abseits der Innenstadt. Auf dem Bild sieht man links das ICT. An Studium und ihrer Unterstützung während der Universität gibt es seit diesem Semester auch einen Studentenclub für ausländi- des Fachstudiums. Zu Beginn des Projekts sche Studenten. Prag ist auch wunderbar dazu geeignet, andere interessante Städte in wurde eine Analyse des Studienerfolgs der Mittel- und Osteuropa zu besuchen. Wer in einer größeren Gruppe mit der Tschechi- ausländischen Studierenden der letzten schen Bahn fährt, bekommt relativ viel Rabatt. Städte wie Budapest, Krakau, Wien oder 10 Studienjahre vorgenommen. Das Ana- Bratislava lassen sich mehr oder weniger bequem mit der Bahn erreichen. lyseergebnis bescheinigt der TU Freiberg Der Aufenthalt in Prag war eine spannende und interessante Erfahrung für mich eine Studienerfolgsquote ausländischer und eine willkommene Abwechselung zu Freiberg. Ich möchte mich bei dem Institut Studierender, die leicht über dem Bun- für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen und bei meinem Betreuer desdurchschnitt liegt, zeigt aber durchaus vor Ort in Prag, Doz. Dr.-Ing. Karel Ciahotny, bedanken, die es mir ermöglichten, mein starken Verbesserungsbedarf, vor allem Praxissemester in Prag zu absolvieren. Des Weiteren möchte ich mich für die finanzielle bei Vollzeit-Studierenden. Im Rahmen des Unterstützung der Verbundnetz Gas AG bedanken. Volker Kempkes Projekts wurden daher folgende Maßnah-

Vierte Freiberger „International Summer School“ lockt 14 internationale Studierende an die TU Bergakademie Die diesjährige Sommerschule stand unter dem Thema „On the Cutting Edge of Sustainable Energy Supply“ . Die Teilnehmer kamen aus Kanada, Indien, Mexiko und den USA, um von Ende Mai bis Ende Juni einen Einblick in aktuelle alter- native Energieforschungen zu erhalten. Für viele Teilnehmer war es der erste Kontakt mit Deutschland, so wie für Thomas Wells, Student der Colorado School of Mines. Dass er für den ersten Auslandsaufenthalt seine Universität in Golden Richtung Freiberg verließ, ist kein Zufall. Die Hochschulen verbindet ein Abkom- men zum Studentenaustausch. Das Thema der Sommerschule 2007 griff genau sein Interessensgebiet auf. Vor allem reizte ihn bei dem Freiberger Angebot die Vielfalt der nachhaltigen Energietechnologien. So widmeten sich die Vorlesun- gen und Seminare unter anderem der Solarenergie, Biogas, Kraftstoffen aus

nachwachsenden Rohstoffen, CO2-freien Kraftwerken aber auch Wasserstoffan- wendungen. Neben der Theorie warfen die Sommerschüler auch viele Blicke in die Praxis. Exkursionen führten unter anderem in die Unternehmen Deutsche Solar AG und Choren Industries GmbH Freiberg. Wer es noch genauer wissen wollte, dem bot sich die Gelegenheit, im Anschluss an das fünfwöchige Programm noch ein Praktikum in einem deutschen Unternehmen zu machen. Wie Thomas Wells, der nach seiner Teilnahme an der Sommerschule in Freiberg nach Dresden ging, um dort bei SunStrom, einem Photovoltaik-Unternehmen, zu arbeiten. Doch wenn der Student von seinem ersten Deutschlandbesuch nach Amerika zurückkehrt, wird er sicher von einem Teil der Sommerschule besonders begeistert berichten: dem kulturellen Programm. Christian Möls

14. Jahrgang 2007 79 TU Bergakademie Freiberg international

Afrika zum Greifen nah Internationale Studierende der TU Bergakademie Freiberg zu Gast in Kitas und Schulen in Freiberg und der Region

Für die Kinder des Kinderlandes Berthels- Semester auch andere Länder und Regio- dorf wurde dieser Traum im Mai 2007 nen an Schulen Freibergs und der Freiber- wahr. Zum Abschluss ihrer „Afrika-Woche“ ger Region im Rahmen von ISIS-Projekten im Rahmen des Projektes „Unsere bunte eine Rolle. So ermöglichte Brad Burke, ein Welt“ ermöglichten die Organisatoren des Student aus Kanada, einigen Schülern der vom Internationalen Universitätszentrum Freiberger Agricola-Grundschule die Kom- der TU Bergakademie Freiberg koordinier- munikation in Englisch mit einem Mutter- ten Projektes „Internationale Studenten in sprachler, andere ausländische Studenten Schulen“ (ISIS), Elke Nikolai und Mirjam der TU Bergakademie Freiberg beendeten Grahmann, den Kindern und Erziehern in der Grundschule Großschirma die Pro- dern, die sie von verschiedenen griechi- des Kinderlandes Berthelsdorf ein un- jektwoche zum Thema „Indianer“ mit ei- schen Speisen zeigte, erkannten die Kin- vergessliches Erlebnis. Pierre Amezougne ner Präsentation über das indianische Le- der den Feta-Käse sofort. Auch Vasiliki und Titus Douka Dezoumbe, zwei eifrige ben in Südamerika. tanzte zum Schluss noch mit den Schü- afrikanische Studenten der TU Bergaka- Im Rahmen des Projekts „Europage- lern, sie lernten bei ihr den Sirtáki. demie Freiberg aus Togo bzw. Kamerun, danke 2007“ wurden wir am 11. Mai in Bjarnheidur präsentierte Island, die In- brachten Kinderaugen zum Leuchten. die Grundschule der Gemeinde Groß- sel aus Feuer und Eis. Nachdem sie den hartmannsdorf eingela- Kindern erläutert hatte, dass Island eine den. Während der vor- Insel ist, die man nur mit dem Flugzeug angegangenen Projekt- oder mit dem Schiff erreichen kann, ver- tage hatten die Schüler setzte sie die Kinder in Staunen: Island bereits viel Neues über wächst jedes Jahr um ca. 2 cm. Natürlich Griechenland, Tschechi- wollten die Kinder wissen, wie das denn en, Spanien und andere geht. Also erklärte die Isländerin gedul- Länder der EU erfahren. dig, wie Island entstanden ist und dass Den letzten Projekttag ver- die Vulkane noch heute aktiv sind. Auch brachten sie gemeinsam die Tierwelt interessierte die Kinder: Del- mit drei ausländischen phine, Wale und Papageientaucher wa- Studenten der Bergaka- ren faszinierende Lebewesen. Bjarnheidur demie Freiberg: Vasiliki zeigte den Kindern auch, wie isländische Vasilatou aus Griechen- Kinder ihre Freizeit verbringen. Sie spielte land, Marcin Piechoki mit den Schülern und erzählte von „Wiki aus Polen und Bjarnhei- und den starken Männern“, einem Wikin- dur Kristinsdottir aus Is- gerjungen, dessen Geschichten in Island Gespannt lauschten die zwei- bis sechs- land. Von Marcin erfuhren die Kinder über sehr bekannt sind. Aber natürlich hörten jährigen Kinder den afrikanischen Ge- verschiedene Regionen und Städte Polens. die Kinder auch Geschichten von Trollen schichten und verfolgten interessiert und Er erzählte polnische Märchen, was man und Elfen. Zum Schluss durften die Kin- neugierig die Bilder Afrikas, der Tiere, und in Polen isst und dass man in Polen ganz der dann noch getrockneten Stockfisch besonders der Kinder. Viele Fragen gab ähnlich Ostern und Weihnachten feiert. mit Butter probieren und bekamen somit es zu beantworten. So wollten die Kinder Die Kinder hörten gespannt zu und wa- einen Geschmack von Island. wissen, was man in Afrika isst, was die ren erstaunt, wie ähnlich unser Nachbar Die Projekte im Kinderland Berthels- Kinder in Afrika spielen, welche Tiere es Polen doch eigentlich ist. Auch polnische dorf und in der Schule in Großhartmanns- in Afrika gibt und ob die Studenten schon Persönlichkeiten wie Marie Curie oder dorf waren insbesondere für die Kinder einmal einem Löwen begegnet sind. Pi- Papst Johannes Paul II waren den meis- ein großer Gewinn, denn diese Art von erre und Titus standen mit Freude und ten Schülern bekannt. Bildung, die die Kindergartenkinder und Geduld Rede und Antwort. Das beson- Sehr gut vorbereitet begrüßten die Schüler durch das ISIS-Projekt erfahren dere Highlight dieses Tages war Pierres Schüler Vasiliki mit einem lauten „Kalime- haben, kann nicht früh genug beginnen Trommelkonzert. Die Kinder versuchten ra“. Sie erklärte ihnen dafür, wo Griechen- und sie ist durch kein Buch zu ersetzen. emsig mit ihren selbst gebastelten Trom- land liegt und dass das Land aus sehr Aber auch für unsere internationalen Stu- meln Takt zu halten und das Kinderland vielen Inseln besteht. Vasiliki zeigte ihnen denten waren die Offenheit und Neugier begann zu beben. Titus mischte sich zum verschiedene Bauten aus der Antike und der Kinder sowie ihre Begeisterungsfähig- Finale unter die Kinder und forderte sie erläuterte einige Figuren aus der griechi- keit ein schönes Erlebnis, eben ein wei- zum Tanz auf. So trommelten und tanzten schen Mythologie. Sie erzählte den Schü- teres Stück Deutschland. Beide Projekte die Kinder zum Beispiel einen afrikani- lern, dass man in Griechenland Zitronen behalten wir sehr gern in Erinnerung. schen Begrüßungstanz, den Agbaza. und Oliven anbaue, die in Deutschlands Mirjam Grahmann, Elke Nikolai Neben Afrika spielten im vergangenen Gärten nicht zu finden sind. Auf den Bil-

80 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg men eingeleitet: den ausländischen Be- Freiberger Schulen und Kitas seitdem inte- werbern werden online-Selbsttests ange- Alumni-Arbeit der TU Bergakademie: ressierte ausländische Studierende in den boten, anhand derer sie ihre fachlichen mehr zu tun für beide Seiten! Sprach-, Sachkunde-, Geschichts- oder Vorkenntnisse und ihre Motivation für das Die Bergakademie Freiberg ist seit ihrer Geografieunterricht oder zu Projekttagen. Studium überprüfen können. Die Studen- Gründung eine internationale Hochschu- Bei seiner Betreuungstätigkeit wird ten in Doppeldiplomprogrammen werden le, viele in- und ausländische „Ehema- das IUZ intensiv durch den Arbeitskreis mit Hilfe von Sprachtests und Interviews lige“ (Alumni) unterhielten bzw. unter- „Ausländische Studierende“ (AKAS), eine im Heimatland ausgewählt. Die ausländi- halten lebenslange Kontakte zu ihrer Arbeitsgemeinschaft des Studentenrates, schen Studierenden erhalten vor Studien- Alma mater. Die TU verstärkt seit eini- unterstützt. Der AKAS organisiert ein um- beginn eine Einführung in das Studium gen Jahren ihre Anstrengungen, die fangreiches Kulturprogramm mit Exkursi- in Deutschland, in die Studienorganisati- Alumni-Arbeit erfolgreicher und effekti- onen, Länderabenden, dem alljährlichen on sowie in die grundlegenden Methoden ver zu gestalten. Zum einen wurde das internationalen Wochenende und ande- des wissenschaftlichen Arbeitens, da sich Freiberger Alumni Netzwerk (FAN) mit ren Freizeitaktivitäten, das nicht nur aus- die Lehr- und Lernstile in Deutschland z. T. einer per Internet nutzbaren Datenbank ländischen, sondern auch deutschen Stu- gravierend von denen im Heimatland un- geschaffen. Zum anderen wurde, in Zu- dierenden offen steht. Es soll das Studen- terscheiden. Während ihres Fachstudiums sammenarbeit mit dem Internationalen tenleben bereichern, den internationalen wird den Studenten ein zusätzliches Fach- Universitätszentrum (IUZ), aus Mitteln Studierenden Deutschland und seine Kul- tutorium angeboten, um die durch Sprach- des Alumni-plus-Programms des DAAD tur näher bringen und sie mit deutschen probleme und den Wechsel des Bildungs- die Alumni-Homepage der TU Bergaka- Studenten vernetzen. In diesem Sinn ist systems begründeten Defizite auszuglei- demie Freiberg neugestaltet (www.tu- auch das Sprachtandemprogramm des chen. Zukünftig soll den ausländischen freiberg.de/alumni/). Hierzu wurden Be- AKAS zu verstehen. Studierenden vor allem in den ersten Se- fragungen ausländischer Studenten und Die Integration, der Studienerfolg und mestern die Betreuung durch einen wis- Doktoranden ausgewertet sowie über die Zufriedenheit unserer ausländischen senschaftlichen Mentor, also einen Hoch- 1.300 Alumni aus dem In- und Ausland Studierenden sind für die TU Bergakade- schullehrer oder wissenschaftlichen Mit- angeschrieben. mie eines der wesentlichsten Ziele ihrer arbeiter, zuteil werden, um einen engeren Es wurde u. a. zur Teilnahme an einem Internationalisierungsstrategie. Die Studie- fachlichen Kontakt zu pflegen, sie besser Symposium „Resource Industry – Sustai- renden von heute sind unsere Absolven- zu unterstützen und ihren Studienerfolg nability and global perspective“ eingela- ten und Fachpartner von morgen. Nach- besser verfolgen zu können. den, welches direkt vor dem BHT 2008 in kontaktarbeit beginnt an der TU Bergaka- Während das PROFIS-Projekt stark auf Freiberg durchgeführt werden wird. Die- demie also schon während des Studiums. die Erhöhung der fachlichen Qualifikation ses Symposium, für das ebenfalls eine Aber auch die Betreuung unserer auslän- der ausländischen Studierenden abzielte, Förderung im Rahmen des Alumni-plus- dischen Alumni ist eine wichtige Aufga- sind die Rahmenbedingungen für die Stu- Programms beantragt wurde und zu be, der wir uns in Zukunft noch intensiver dierenden keinesfalls zu vernachlässigen. dem u. a. über 20 ausländische Alumni widmen werden. Das IUZ bietet den ausländischen Studie- erwartet werden, soll der aktuellen Alum- Das Internationale Universitätszent- renden ein umfangreiches Betreuungs- ni-Arbeit der TU ein „Glanzlicht“ aufset- rum wurde im Jahr 2000 gegründet. Zu programm im sozialen und kulturellen Be- zen. Im Erfolgsfalle ist eine Symposiums- seinen Aufgaben gehören die Koordinie- reich an, das die Integration in ihr neues reihe alle zwei Jahre vorgesehen. rung der internationalen Aktivitäten der Studienumfeld erleichtern und ihren Stu- Die Alumni-Aktivitäten der TU Berg- TU Bergakademie und die Unterstützung dienerfolg befördern soll. Dazu gehört das akademie Freiberg sind für beide Seiten der Hochschulleitung bei der Entwick- so genannte Mentorenprogramm, das im ein Erfolg: Ehemalige aus nah und fern lung und Umsetzung der Internationali- IUZ koordiniert wird und in dem deutsche können die guten Weiterbildungsange- sierungsstrategie. Das IUZ begleitet die Studenten und Doktoranden ihre zukünf- bote in Freiberg nutzen und gleichzeitig Vorbereitung von Vertragsabschlüssen mit tigen Kommilitonen in den ersten Wochen Kontakte zur TU und zu Studienkollegen internationalen Partnerhochschulen, berät des Aufenthaltes in Freiberg unter ihre Fit- halten. Andererseits wollen wir die Pra- Hochschulmitglieder zu internationalen tiche nehmen und sie bei ihren ersten xiserfahrung der Alumni den Studen- Programmen und Auslandsaufenthalten Schritten an der Universität begleiten. ten anbieten. Unsere Alumni können als und führt selbst internationale Projekte Für ausländische Studierende, Dokto- „Botschafter“ der TU in Gymnasien und durch. Darüber hinaus koordiniert das IUZ randen und Gastwissenschaftler bietet das Betrieben ihrer Region aktiv sein. Hierfür das Internationale Marketing und die Rek- IUZ studienvorbereitende oder studienbe- stellen wir aktuelles Informationsmate- rutierung ausländischer Studierender und gleitende Deutschkurse auf verschiede- rial bereit. ist für die Betreuung der ausländischen nen Niveaustufen an. Darüber hinaus können langjährige, Studierenden an der TU Bergakademie zu- Um den ausländischen Studierenden erfolgreiche Alumni auch die TU Berg- ständig. Im Rahmen seiner Tätigkeit arbei- einen Teil der Welt außerhalb der Hoch- akademie Freiberg durch einen Beitrag tet das IUZ eng mit dem Prorektor für Au- schule zu öffnen und auch um die Stadt zu einer der Stiftungen direkt stärken. ßenbeziehungen, dem Studienkolleg und Freiberg und die Region an dem interna- Wir stehen auch mit erfolgreichen aus- dem Fachsprachenzentrum der Universität tionalen Potenzial der Bergakademie teil- ländischen Alumni im Gespräch über zusammen. haben zu lassen, hat das IUZ vor einigen die Möglichkeit, Studienaufenthalte jun- Katja Polanski Jahren das Projekt „Internationale Studen- ger Landsleute in Freiberg durch ein Rei- ten in Schulen“ (ISIS) ins Leben gerufen, sestipendium zu unterstützen. Den Volltext der teilweise aus Platzgründen gekürzten und vermittelt entsprechend dem Bedarf Christoph Breitkreuz Berichte finden Sie unter: http://www.tu-freiberg.de/~vff/

14. Jahrgang 2007 81 Veranstaltungen und Ehrungen

Fotos: Detlev Müller Freiberger Wissenschaftsnacht entpuppte sich als Besuchermagnet

Mehrere Tausend Besucher strömten rimentierstraße. Die zahlreichen Stände zustellen. Das Institut für Informatik hatte am 7. Juli zur ersten Freiberger „Nacht mit Versuchen zum Mitmachen boten die mit seinen drei Robotern Platz im Foyer der Wissenschaft“ auf den Campus der Gelegenheit, Chemie im Alltag zu verste- des Humboldt-Baus gefunden. Auch hier TU Bergakademie Freiberg. Vom frühen hen. Ein Angebot, das auch Schüler be- konnten die Besucher unter Anleitung Abend bis nach Mitternacht ließen sie geisterte. selbst tätig werden und einen Roboter sich vom Enthusiasmus der über 300 Um „junge Forscher“ für Naturwissen- bedienen. Nicht nur als Ort der Wissen- Mitarbeiter anstecken und nutzen die schaften und Technik zu begeistern, boten schaft, sondern auch als ein artenreicher vielfältigen Angebote, Wissenschaft und Kindervorlesungen einen Blick in das Erd- Lebensraum ließ sich der Campus bei den Technik hautnah zu erleben. Die Reso- innere oder erklärten, wie sich die Sonne zahlreichen Führungen erleben. Bis zum nanz war überwältigend. anzapfen lässt – und wurden mit Begeis- Ende herrschte an allen Ständen reger Be- Das Konzept, alle Altersgruppen mit terung genutzt. Großes Interesse weck- trieb, von der Fahrt mit dem Radlader im vielfältigen Angeboten anzusprechen, ist te auch das Angebot im Humboldt-Bau, Institut für Tagebaukunde, über eine „Ex- voll aufgegangen. Ob Eltern mit ihren Kin- Gipsabdrücke von Fossilien selber her- perimentalstraße Maschinenbau“ im Lam- dern, ob Studierende oder Technikbegeis- terte, alle zeigten sich sehr aufgeschlos- sen gegenüber den präsentierten Themen und machten begeistert mit. Was die be- teiligten Institute auf die Beine gestellt ha- ben, war wirklich großartig. Schon vor 18 Uhr drängten sich die ersten Besucher um die einfallsreich und phantasievoll präsentierten Versuche. Viele Gymnasiasten nutzten die Veranstaltung, um Freiberg als möglichen Studienort live zu erleben. „Die Wissenschaftsnacht war für uns die beste Studienwerbung, die man sich vorstellen kann“, schwärmte Prof. Matthias Otto, Dekan der Fakultät für Che- mie und Physik. Durch den Clemens-Winkler-Bau führ- te ein Band mit chemischen Elementen die Besucher entlang einer langen Expe-

82 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg und in den Gebäuden spielten zahlreiche Bands auf. Von Jazz über Klassik, von Mu- sical bis Blues war alles dabei. Für drama- turgische Momente sorgte das Mittelsäch- sische Theater mit Kurzinszenierungen auf der Bühne und in einem Theater-Bus. Den furiosen Abschluss der Campus- Nacht machte um 23:30 Uhr ein „Trom- melfeuer“ auf der Großen Bühne vor dem Clemens-Winkler-Bau. Vor Hunderten Be- suchern sorgte die gleichnamige Percus- sion-Gruppe für rhythmische Explosionen und riss die Zuhörer mit. Sorgen, dass das rhythmische Feuerwerk etwas anderes als die Ohren in Brand setzte, kamen durch den ehrenamtlichen Einsatz der Feuer- wehr erst gar nicht auf. Nach dem Hoffest im Hauptgebäude der TU Bergakademie und dem Zechen- fest auf dem Gelände der „Himmelfahrt vorstellen möchte. Nach dem enormen Fundgrube“ in den vergangenen Jahren Zuspruch für diese Idee wird es auch im war es die dritte Veranstaltung der Freiber- nächsten Jahr wieder ein großes Fest ge- padius-Bau bis zu Führungen durch die ger Universität, mit der sie sich und ihre ben, bei dem das Hauptgebäude in der geowissenschaftlichen Sammlungen im verschiedenen Standorte der Bevölkerung Altstadt im Zentrum stehen wird. Werner-Bau wurde bis zur letzten Minute alles ausgeschöpft. Bewundernswert war, dass auch die Begeisterung der Mitarbei- ter nicht abriss. Der Campus klang nicht nur von den Stimmen der zahlreichen Besucher. Vor

14. Jahrgang 2007 83 Veranstaltungen und Ehrungen Bewährter Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft 58. Berg- und Hüttenmännischer Tag 2007

Zu einem gemeinsamen Dialog trafen Kolloquium 2 schiedlichen Sanierungsansätze für das sich Wissenschaftler und Vertreter der Behandlungstechnologien für Lausitzer Braunkohlenrevier. Industrie auf dem Freiberger Forschungs- bergbaubeeinflusste Wässer Die Ausrichtung dieser beiden Kollo- forum vom 13. bis 15. Juni 2007 an der quien wurde durch die Kooperation mit TU Bergakademie Freiberg. Die wissen- Bereits zum vierten Mal in Folge präsen- den Partnern Sächsisches Landesamt für schaftliche Hauptveranstaltung, die vor tierte das Geologische Institut gemeinsam Umwelt und Geologie, Firma Beak Consul- 58 Jahren als Berg- und Hüttenmänni- die beiden Kolloquien 2 (Leitung: Prof. Bro- tants GmbH, Partnership for Acid Drainage scher Tag (BHT) ihren Anfang nahm, zog der Merkel, Dipl.-Geol. Andrea Berger) und Remediation in Europe, Sektion Geologie auch in diesem Jahr Teilnehmer aus aller „GIS – Geowissenschaftliche Anwendun- der Ludwig-Maximilians-Universität Mün- Welt in die Bergstadt. Mehr als 600 Gäste gen und Entwicklungen“ (3). 120 Teilneh- chen, Deutsche Gesellschaft für Geowis- erlebten drei informative Tage in interna- mer verdeutlichten das Interesse an diesen senschaften, der Fachsektion Hydrogeolo- tionaler Atmosphäre. Den Plenarvortrag beiden Veranstaltungen sowie den hohen gie in der Deutschen Gesellschaft für Geo- am Eröffnungsabend hielt Prof. Rainer Stellenwert des nationalen und internati- wissenschaften und International Network Slotta vom Deutschen Bergbau Museum onalen Wissenstransfers und der interdis- for Acid Prevention ermöglicht. Bochum zum Thema „Montanistische ziplinären Diskussion. Gäste waren neben Ein einheitlicher Tagungsband mit Tätigkeit als Fundament bergmännischer Vertretern der großen Kohlebergbaufirmen den Beiträgen aller vortragenden Wissen- Identität“. Das traditionelle Agricola-Kol- MIBRAG mbH und Vattenfall Europe Mi- schaftler erschien als Band 35 der „Wis- loquium, das auch interessierten Bür- ning AG sowie der Bergbausanierungs- senschaftlichen Mitteilungen – Institut für gern offen stand, war Ferdinand Reich unternehmen (Lausitzer Mitteldeutsche Geologie“, ISSN 1433-1284. und seiner wichtigsten Entdeckung, dem Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, Element Indium, gewidmet. In über 160 WISMUT GmbH) auch Behördenvertre- Vorträgen stellten Gastgeber und Gäste ter des Sächsischen Oberbergamtes, der Kolloquium 3 in den zehn Kolloquien Arbeits- und For- Regierungspräsidien, der Umwelt- und GIS – Geowissenschaftliche schungsergebnisse zu grundlagen- und Landesämter aus den verschiedenen Bun- Anwendungen und Entwicklungen anwendungsorientierten Themen vor. Zu- desländern sowie Teilnehmer von anderen gleich wurden neue Kontakte geknüpft universitären Forschungseinrichtungen Das Kolloquium 3 fand mit rund 50 Be- und Kooperationen angebahnt. und Ingenieurbüros. Neben der überwie- teiligten aus Geologischen Landesäm- gend deutschen Beteiligung konnten auch tern, Ingenieurbüros und Universitäten Kolloquium 1 Teilnehmer und Referenten der Staatlichen statt. Es gab 14 Beiträge, die von einem Geomonitoring in der Energie- und Bergbauuniversität in Moskau und des St. fachkundigen Auditorium mit regen Dis- Rohstoffwirtschaft mit Methoden der Petersburger Staatlichen Bergbauinstituts kussionsbeiträgen aufgenommen wur- Fernerkundung begrüßt werden. den. Die Beiträge aus den Landesäm- Im Mittelpunkt der zweitägigen Veran- tern zeigen auf eindrucksvolle Weise an, Im Kolloquium (Leitung: Jun. Prof. Dr. Irm- staltung standen der Fortgang der Sanie- dass geologisches Modellieren – 2d mit gard Niemeyer, Dr.-Ing. Christian Fischer, rungsarbeiten der Tagebaurestseen der GIS-Software, 3d häufig mit der software Jun. Prof. Dr. Richard Gloaguen) diskutier- Lausitzer Braunkohlelandschaft sowie die gOcad der ASGA, Nancy – zu einem inte- ten rund 25 Gäste sowie Studenten und Vermeidung von kontaminierten Gruben- gralen Bestandteil ihrer Aufgaben wird. So Doktoranden der Freiberger Universität wässern auch in anderen Bergbauberei- zeigte Isabel Rupf, LGRB Freiburg und Ab- über die Themen: chen. Daneben wurden Methoden vorge- solventin der TU Freiberg, im Zusammen- • Geomonitoring auf der Grundlage von stellt, mit denen die Wirkungsweise von hang mit dem ersten landesweiten 3d- Radarbilddaten Behandlungstechnologien geprüft werden Geomodell für Baden-Württemberg, wie • Geomonitoring von Bergbau(folge) kann. Dabei lag der Fokus außer auf den sich die spezifischen Stärken von GIS- landschaften innovativen Konzepten und Entwicklun- und 3d-Modellierungssoftware ergänzen • Integriertes Geomonitoring gen in der Behandlungs- und Aufberei- und gemeinsam nutzen lassen. Dr. Rainer • Überwachung von kerntechnischen tungstechnologie von sauren Grubenwäs- Schweizer, LGRB Freiburg, stellte den neu- Anlagen. sern auch auf den passiven alternativen en LGRB-MapServer vor, der OGC-Web- Auch in diesem Jahr konnten wieder Vertre- Methoden. Besonders erfreulich war die Services als standardisierte Schnittstellen ter des Deutschen Zentrums für Luft- und Teilnahme der Siemens AG – Industrial So- anbietet, damit die geologischen Landes- Raumfahrt (DLR) sowie des Forschungs- lution and Services mit einem Beitrag zur daten z. B. auch über Open Source Internet zentrums Jülich und internationale Gäste industriellen Grubenwasseraufbereitung. GIS Viewer zu ihren Nutzern gelangen. Dr. aus St. Petersburg (Russland), der Schweiz Interessante und teilweise kontroverse Dis- Henning Bombien, LBEG Hannover, be- und aus Frankreich begrüßt werden. kussionen gab es vor allem um die unter- richtete über den Arbeitsprozess von der

84 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Datengewinnung bzw. -aufbereitung bis Strauß) widmete sich dem Thema „Innova- Schwerpunkt lag bei den Metallrohstof- zum fertigen 3d-Geomodell des Quartärs tive Bohrtechnologien für Flach-, Tief- und fen. Neben den rund 60 registrierten des östlichen Allertals und über die Prä- Großlochbohrungen“. Außer von der Ge- Teilnehmern konnten 50 weitere Interes- sentation des Modells mit einem externen winnung von Erdöl, Erdgas oder Wasser senten begrüßt werden. Sie stammten vor 3d-Viewer. handelten die Beiträge des Kolloquiums allem aus der rohstoffgewinnenden und Dr. Sara Carena, LMU München, wen- auch von der Nutzung von Erdwärme zur -verarbeitenden Industrie, aus Bundes- dete die Möglichkeiten der 3d-Geomodel- Strom- und Fernwärmegewinnung, vom und Landesbehören, Ingenieurbüros und lierung zur 3d-Kartierung sowohl einzelner Umleiten von Flüssen durch Pipelines, Dienstleistungsunternehmen. Als Neue- oder kleiner Gruppen von Störungsflächen von der „Ernte“ von Diamanten aus dem rungen wurden die Ostseepipeline für Gas als auch von größeren Störungssystemen sandigen Meeresgrund, vom Gründen von aus Russland nach Deutschland – hier im Maßstab regionaler Tektonik an. An Windkraftwerken im Meer, vom Tunnelbau vor allem die genehmigungsrechtlichen Beispielen demonstrierte sie, dass mit die- zur Wasserentsalzung, vom Auffinden und Aspekte – sowie technische Lösungen im sem Zugang die Störungssysteme sichtbar Verfüllen alter Bergwerksstollen oder von Metallrecycling vorgestellt. und begreifbar und etwa im Falle Taiwans der Bereitstellung von Gas- und Wasser- Den Eröffnungsvortrag hielt Ministerial- zum ersten Mal in einem Modell abgebil- anschlüssen in Gebäuden. Die Palette der dirigent Andreas Obersteller vom deut- det werden konnten. vorgestellten Bohrgeräte reichte von einer schen Bundesministerium für Wirtschaft Beeindruckend ist das Leistungsvermö- Endteufe von einem Meter bis in fünf und Arbeit. Er wies auf die hohen Import- gen von Airborne-Laserscanning, beson- Kilometer Tiefe. Außerdem waren neu- quoten bei fast allen wesentlichen Roh- ders in der Kombination mit terrestrischen artige Bohranlagen und -ausrüstungen, stoffen hin und vertrat die Auffassung, Laserdaten, das der Freiberger Absolvent neuartige Zementiermethoden und neue dass die Unternehmen der Wirtschaft sich Dipl.-Ing. Sven Jany, Milan Flug GmbH, an- Nutzungsmöglichkeiten für erschöpfte stärker im Bereich der Rohstoffgewinnung hand von Fallbeispielen vorstellte. Produktionsbohrungen zu sehen. Ange- engagieren sollten. Er erläuterte die Pro- Der Beitrag von Prof. Heinz Konietzky sichts der derzeitigen Klima-Diskussion gramme der Bundesregierung, mit denen und Dipl.-Ing. Thomas Frühwirt, TU Frei- erfreute sich das Thema Erdwärme (Wär- sie ein solches Engagement zu fördern berg, belegt nachdrücklich die Bedeutung mepumpen, Geothermalkraftwerke) und versucht, wies aber auch darauf hin, dass der Zusammenarbeit von Geologen und die Kostenreduktion für die erforderlichen die Reaktion auf diese Programm bislang Ingenieurgeologen, wenn es um quantita- Bohrarbeiten im Hartgestein besonderer ziemlich verhalten sei. Es folgte ein Vor- tive Analysen oder Prognosen geht. Wäh- Aufmerksamkeit. trag von Heiko Pafferath von der RAG tra- rend Ingenieurgeologen ihre Arbeitsweise Neben dem der fachlichen Beiträge be- ding GmbH, der sich scherzhaft als Koh- auf der Grundlage mathematisch formu- stand ein zweiter Schwerpunkt des Kollo- lehändler vorstellte. Er befasste sich ins- lierter physikalischer Gesetzmäßigkeiten quiums darin, den Vertretern der Industrie besondere mit den Steinkohlemärkten und deren numerischer Behandlung unter das Studium am Institut für Bohrtechnik und zeigte die gewaltige Kohlelücke auf, eher großmaßstäblich zutreffenden Ver- und Fluidbergbau, seine Studenten und die entstehen werde, wenn der Ausstieg einfachungen in den Dialog einbringen speziell die nächsten Absolventen zu prä- aus der Kernkraft fahrplanmäßig stattfin- können, können Geologen die Komplexi- sentieren. In Gesprächen wurden neue den sollte. Der eigentliche Engpassfaktor tät und die damit verbundenen Probleme Kontakte geknüpft und konkrete Themen bei der Schließung dieser Lücke sei die der Modellbildung von unzureichend be- für Diplomarbeiten und Praktika fixiert. unzureichende Hafen- und Verladungs- kannten Randbedingungen oder Stoffge- Das Kolloquium war mit ca. 110 Teilneh- infrastruktur sowohl in den Abnehmer- setzen bis zu fehlenden Daten über Mate- mern aus Polen, den USA, den Niederlan- als auch in den Erzeugerländern. Rainer rialparameter thematisieren. den, Bulgarien, Österreich und Deutsch- Wolf, Professor für Rechtswissenschaft an Prof. Vera Pawlowsky-Glahn von der Uni- land stark besetzt. Die größten Teilnehmer- der TU Bergakademie Freiberg, der sich mit versität Girona, Spanien, von der Internati- gruppen stellten die Serviceunternehmen rechtlichen Problemen beim Bau der Ost- onal Association for Mathematical Geology und die Bohrfirmen, jedoch waren auch seepipeline befasste, berichtete, dass sich (IAMG) 2006 mit der Krumbein-Medaille die Ölfirmen und die Wissenschaftler mit die Ostseeanrainer nach anfänglichen Be- ausgezeichnet, nahm mit einem Sonder- Vertretern der Universitäten Clausthal, Kra- denken bemerkenswert kooperativ verhiel- vortrag zum Thema „Statistische Analyse kau und Ankara vertreten. ten und auf diese Weise viele Fallstricke von Kompositionsdaten“ am Kolloquium aus dem Weg geräumt werden konnten. teil. Stellt man Kompositionsdaten bezüg- Gesichert sei der Erfolg des Projekts aber lich einer orthogonalen Basis dar, dann Kolloquium 5 damit keineswegs. Als unüberwindliche können alle klassischen statistischen Me- Rohstoffgewinnung und Hürde könnte sich der Vogelschutz ge- thoden problemlos auf die entsprechenden Rohstoffwirtschaft mäß EU-Recht erweisen. Wie er darlegte, Koordinaten angewendet werden. würde es allerdings nicht einer gewissen Helmut Schaeben Hauptthemen des Kolloquiums (Leitung: Komik entbehren, wenn das Vorhaben der Prof. Christian Buhrow, Prof. Bruno Schön- Ostseepipeline letztlich an den Belangen felder, Prof. Jan Bongaerts, Prof. Dieter Ja- der Stockente scheitern sollte. Kolloquium 4 cob) waren die Rohstoffgewinnung und Ein Vortrag von Prof. Buhrow befass- Innovative Bohrtechnologien für die Rohstoffwirtschaft. Die Vortragenden te sich mit der Thematik Motivation und Flach-, Tief- und Großlochbohrungen thematisierten die absehbaren Schwie- Kompetenz und analysierte den Unter- rigkeiten für die Rohstoffversorgung der schied zwischen intrinsischer und ext- Das Bohrtechnische Kolloquium (Leitung: Bundesrepublik Deutschland und zeigten rinsischer Motivation. Er wies auf die er- Prof. Dr.-Ing. Matthias Reich, Dr. Heike Wege zu deren Lösung. Ein spezieller heblichen Personalprobleme hin, die die

14. Jahrgang 2007 85 Veranstaltungen und Ehrungen im Rohstoffbereich tätigen Unternehmen betrifft, vermittelten die Darlegungen von Kolloquium 6 plagen und zeigte, dass die Bergakademie Weber den Eindruck, dass Österreich sich Modellierung, Simulation und Freiberg mehr und mehr zu der beinahe hier im Vergleich zu Deutschland einen Visualisierung von Prozessen im einzigen Ausbildungsstätte geworden ist, Vorsprung erarbeitet hat. Bergbau und Bauwesen die die benötigten Qualifikationen anbie- Richard Janson von der Heidelberger tet. Im Anschluss sprach Dr. Ing. Hilmar Zement AG widersprach der These, dass Im Kolloquium (Leitung: Prof. Dr. Carsten Tuschoff von der Mitteldeutschen Hart- die Unternehmen die langfristige Vorsor- Drebenstedt, Prof. Dr. Wolfram Kudla, Prof. stein-Industrie AG über die Versorgung ge vernachlässigten. Zumindest in seinem Dr. Heinz Konietzky) ging es um aktuelle mit Natursteinen und Asphaltmischgut. Hause werde sehr darauf geachtet, dass Themen des Geoingenieurwesens, speziell Er beklagte, dass die Raumplanung be- für jede Fertigungsstätte die Rohstoffver- um Modellierung, Simulation und Visua- stimmter Bundesländer, darunter einiger sorgung auf ca. 50 Jahre gesichert sei. lisierung im Bergbau und im Bauwesen. sehr volkreicher, von der Fiktion ausgehe, Dr.-Ing. Wolf Dieter Schneider von der Der fachübergreifende Ansatz ermöglichte dass Baumaterial aus heimischen Quel- DIHAG Deutsche Gießerei- und Industrie- es, Themen des Berg- und Deponie- so- len bereits in einigen wenigen Jahrzehn- holding AG zeigte die große und noch im- wie des kommunalen Tiefbaus und der ten nicht mehr benötigt werden werde und mer wachsende Bedeutung des Recycling Geotechnik zu verbinden. Die angebote- daher beispielsweise mögliche Standorte auf dem Zinkmarkt auf. Diese Entwick- nen Beiträge reichten von mathematisch- für Steinbrüche in einer Weise verplant lung sei der Öffentlichkeit bislang weitge- informationstechnologischen Grundlagen werden, die sich in Zukunft, wenn der hend entgangen. über Softwarelösungen bis zu Anwen- Bedarf auftreten wird, kaum mehr werde Ebenfalls auf das Recycling ausgerich- dungsbeispielen. rückgängig machen lassen. tet war der Vortrag von Wellner vom Me- Den Auftakt bildeten Vorträge zu neu- Prof. Schönfelder sprach im Anschluss tallhüttenwerk Bruch, der sich mit den Alu- en Entwicklungen im Bereich der Informa- über die Irrwege der Klimapolitik. Er trug miniummärkten befasste. Beim Aluminium tionstechnologie. Vorgestellt wurden neue vor, dass die Befürworter drastischer Spar- schlägt der Vorteil, dass Recycling mit ei- Ansätze der Nutzung der Technik der Vir- maßnahmen bei den fossilen Energieträ- nem viel geringeren Energiebedarf verbun- tuellen Realität, des Data Mining, der Web- gern die zu erwartenden Marktreaktionen den ist, in besonderer Weise zu Buche. Nutzung und des Rendering von Oberflä- unterschätzen, die in einer stärkeren Ver- Christian Kawohl von der Norddeut- chenstrukturen und -texturen. brauchssteigerung in den Entwicklungs- schen Affinerie AG, der sich mit dem Kup- In den anwendungsorientierten Vor- und Schwellenländern bestehen werden. fermarkt befasste, präsentierte Schätzun- tragsblöcken wurden insbesondere fol- Dies werde nur dann ausbleiben, wenn gen über die Recyclingquote beim Kupfer. gende Themen der Nutzung computerge- die Grenzkosten der Förderung und damit Die vorhandenen Statistiken seien in die- stützter Systeme behandelt: die Preise fossiler Energieträger trotz unse- sem Bereich fragwürdig, tatsächlich betra- • Prozessüberwachung und -steuerung rer Sparbemühungen weiterhin stark an- ge die Recyclingquote ca. 35 Prozent. Die im Bergbau, z. B. Kohlequalitätssteue- steigen. Er wies auch auf die Unsinnigkeit eigentliche Schwierigkeit bei der weiteren rung, Steuerung von Fördersystemen; der sogenannten Ökobilanzierung hin. Ein Erhöhung der Recyclingquote sei oft die • Modellierung und Steuerung von Pro- Vortrag von Manuel-Viorel Semen, Mitar- Beschaffung der benötigen Kupferschrotts, zessen des Wassermanagements, z. B. beiter am Lehrstuhl für Allgemeine Volks- da der Schrottmarkt sowohl durch Eingrif- in der Bergbausanierung; wirtschaftslehre der Bergakademie, folgte. fe der EU als auch anderer Staaten gestört • Dimensionierung von Verschlussbau- Er befasste sich mit der Umstrukturierung werde. werken unter Tage; der Steinkohlebergbaus in Rumänien. Marko Uhlich von der Thyssen Krupp • Berechnungen in der Boden- und Fels- Vergleicht man die dortigen Umstruktu- Steel AG schilderte die Lage auf dem Ei- mechanik. rierungsmaßnahmen mit der Geschichte senerzmarkt. Brasilien und Australien Rund 70 Vertreter aus Wissenschaft, Wirt- des Ruhrbergbaus, muss man dem ru- seien wegen ihrer hochwertigen Erze zu schaft und Behörden sowie Studierende mänischen Staat eine fast heroische Ent- den dominierenden Anbietern geworden. gehörten zu den Teilnehmern. Vier Fach- schlossenheit und Kühnheit zugestehen. In beiden Länder werde eine weitere Pro- beiträge wurden von russischen bzw. ka- Ob die Zukunft des Schiltalbergbaus da- duktionssteigerung vor allem durch die sachischen Wissenschaftlern eingebracht, mit gesichert werden kann, ist aber noch fehlende Infrastruktur behindert, die auch was den internationalen Anspruch des offen und wird maßgeblich von der wei- nicht binnen kurzer Frist bereitgestellt wer- Themas und des Wissenschaftsstandortes teren Entwicklung der Steinkohlenpreise den könne. Erst ihr Ausbau, der Jahre in Freiberg verdeutlicht. abhängen. Anspruch nehmen wird, könne zu einer Der Morgen des zweiten Vortragstages Entspannung der Lage führen. wurde von Prof. Dr. Leopold Weber einge- Das Kolloquium endete mit einem Vor- Kolloquium 7 leitet, der dem österreichischen Bundesmi- trag von Prof. Dr.-Ing. Piotr Czaja und Lu- 2. Freiberg-St. Petersburg-Kolloquium nisterium für Wirtschaft und Arbeit ange- kasz Herezy von der AGGH Krakau, die die junger Wissenschaftler hört. Im Rahmen einer Tour de Force durch Entwicklung des Kupfer-, Zink- und Blei- eine Vielzahl von Rohstoffmärkten brachte bergbaus im Olkuszer Revier darstellten. Dieses Jahr wurde zum zweiten Mal das er zum Ausdruck, dass ihm insbesonde- Deutlich wurden die großen Fortschritte, die Freiberg-St. Petersburger Kolloquium jun- re die Kokskohle Sorgen mache. Auf dem man erzielt hat, aber auch, dass der Abbau ger Wissenschaftler unter der Leitung von Kokskohlemarkt seien erhebliche Engpäs- in absehbarer Zeit dadurch auf Hemmnisse Prof. Carsten Drebenstedt, Prof. Piotr Schel- se absehbar. Was die Sorge um die heimi- stoßen wird, dass die verbliebenen Lager- ler und Prof. Gerhard Heide durchgeführt. schen Quellen, insbesondere im Baustoff- stätten bereits stark überbaut sind. Anliegen ist es zum einen, insbesondere bereich im Rahmen der Raumplanung an- Bruno Schönfelder jungen Wissenschaftlern die Möglich-

86 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg keit zu geben, ihre ersten Erfahrungen Thermocouple Technique), das HTCLS-Mi- berger Siliciumtage erneut eine hervor- auf einer internationalen Fachtagung zu kroskop (high temperature confocal laser ragende Resonanz besaßen. Neben der sammeln und zum anderen dabei die Zu- scanning microscopy) oder das Sekundär- Beteiligung vieler Firmenvertreter belegen sammenarbeit mit der nach Freiberg zwei- Neutralteilchen-Massenspektrometer ken- auch Gäste aus Norwegen, der Schweiz, tältesten Montanuniversität in St. Peters- nenlernten. Österreich, Bulgarien und England das ge- burg zu vertiefen. Die jungen Wissen- Im Rahmen des Kolloquiums fand eine wachsene Interesse. schaftler von heute sind die Führungs- Exkursion zur BGH (Boschgotthardshütte) Im Beisein der Teilnehmer des Agrico- kräfte, die die Kooperation in der nächs- Edelstahl Freital GmbH statt. la-Kolloquiums bildete die Enthüllung der ten Generation zum gegenseitigen Vorteil Olena Volkova Ferdinand-Reich-Gedenktafel im Gellert- weiter entwickeln werden. Konzipiert und bau, die an den 125. Todestag von Reich, durchgeführt wurde dieses Kolloquium in einem der Entdecker des Indiums und Zusammenarbeit des Institutes für Berg- Kolloquium 8 ersten Physikprofessor, erinnerte, den Ab- bau und Spezialtiefbau, des Institutes für Freiberg Silicon Days schluss der Tagung. Mineralogie und des Institutes für Eisen- und Stahltechnologie. Am Kolloquium Die Freiberger Siliciumtage, die sich mit nahm eine große Gruppe junger Wissen- aktuellen Themen der Halbleitermaterial- Kolloquium 9 schaftler aus St. Petersburg teil. entwicklung, Photovoltaik und Mikroelek- Gas- und Wärmetechnische Anlagen Das Kolloquium wurde entlang der tronik beschäftigen, fanden im Rahmen Prozesskette der Rohstoffe interdisziplinär des BHT zum sechsten Male seit 1995 Themenschwerpunkte des dreitägigen aufgebaut und umfasste in thematischen statt (Leitung: Prof. H. J. Möller, Institut für Gastechnischen Kolloquium (Leitung: Prof. Blöcken die Themen: Geologie/Mineralo- Experimentelle Physik, Prof. L. Frey, Institut Dr. Ulrich Groß, Prof. Dr. Gerd Walter, Prof. gie, Bergbau, Geoökologie, Aufbereitung, für Angewandte Physik und Prof. E. Kroke, Dr. Dimosthenis Trimis, Dr. H. Krause) wa- Metallurgie und Management. Institut für Anorganische Chemie). ren in diesem Jahr: Das Themenspektrum wurde durch 30 Die heutige Photovoltaik- und Mikro- • Gasverwendung: Technologien der Wa- Vorträge ausgefüllt, die von Freiberger und elektronikindustrie basiert zu über 90 % sserstofferzeugung aus Erdgas und St. Petersburger Studenten sowie von Ver- auf dem Material Silicium. Gemeinsame Biogas, moderne Verbrennungstechno- tretern der Universität aus Petrosani, Ru- Probleme in der Siliciumherstellung, der logien, Steigerung der Energieeffizienz mänien, gehalten wurden. Die Fachthe- Bearbeitung von Kristallen sowie der Ma- in Thermoprozessanlagen. men befassten sich mit einem Themen- terialcharakterisierung, standen im Mit- • Gasverteilung: Neue Technologien und spektrum von der Charakterisierung von telpunkt der Tagung. Ein für beide Indus- Methoden im Umfeld des Gasnetzma- Stoffen über Fragen der Rohstoffgewin- triebereiche zunehmend wichtiges Thema nagements, Fragen der Einspeisung nung und -aufbereitung, etwa von Kohle sind die Trenn-, Schleif- und Poliertechno- von Biogas ins Erdgasnetz. und Salz, über die Herstellung von Alu- logien von Halbleiterkristallen, mit denen Die Vortragsthemen wurden so gewählt, minium und die Silberrückgewinnung aus Scheiben hergestellt und deren Oberflä- dass Forschungsergebnisse zu innova- Abfällen bis zu Fragen der Unternehmens- che bearbeitet werden können. tiven Technologien in der dezentralen bewertung unter russischen Bedingungen In der Mikroelektronik und der Photo- Wasserstofferzeugung und Energieversor- und der Nutzung von Tonen als Medium voltaik geht die Entwicklung zu größeren gung vorgestellt wurden, aber auch breiter für die Endlagerung radioaktiver Abfälle. und dünneren Wafern. Gleichzeitig wach- Raum für Fragen der Nutzung regenera- Am Kolloquium nahmen rund 50 Stu- sen die Anforderungen an deren Oberflä- tiver Energieträger (Biogas und -masse) denten und junge Wissenschaftler teil. chenqualität, Planarität und damit verbun- belassen wurde. Schwerpunkt waren zum Ein Tagungsband darüber ist in der Rei- den an ihre mechanische Stabilität. Die großen Teil Themen, welche einen direkten he C 615 der Freiberger Forschungshefte Entwicklung der dazu erforderlichen Pro- Bezug zur industriellen Anwendung (wie erschienen. zesstechniken ist heute ohne erhebliche etwa zum Einsatz von Sensoren zur Effi- Das größte Interesse weckte der Vortrag wissenschaftliche Begleitung nicht mehr zienzsteigerung von Gasanlagen) hatten, von S. Vinogradov mit dem Thema „To the möglich. Auf der Tagung gab es dazu ei- aber auch Einsatzergebnisse von neuen question of joint processing of nepheline nen ganztägigen Schwerpunkt. Technologien aus Felderprobungen (bei- and bauxite ores“. Im Vortrag wurde darge- Ein weiteres wichtiges Thema war die spielsweise die Methan- und Wasserstof- stellt, wie diese Stoffe in der Zementindus- Rohstoffversorgung der rapide wachsen- ferzeugung aus Biomasse). trie eingesetzt werden können. den Photovoltaikindustrie mit hochreinem Mit rund 50 Teilnehmern aus Wirt- T. Litvinova zeigte in ihrem Vortrag Silicium. Hier wurden die neuesten Ent- schaft und Forschung war das Kolloqui- „Thermodynamic simulation of solvent ex- wicklungen dargestellt, darunter Verfah- um gut besucht. Etwa 50 Prozent der Teil- traction process“ die Ergebnisse, die sie im ren zum Recycling von Solarmodulen oder nehmer kamen aus der Gaswirtschaft und Rahmen des Forschungsaufenthaltes am Waferbruch. der gasverwendenden Industrie; darunter Institut für Eisen- und Stahltechnologie im Neueste Entwicklungen des Werkstoffs waren Vertreter der großen Energieversor- Rahmen des DAAD-Lomonossov-Program- Silicium – zum Beispiel nanostrukturierte gungsunternehmen (E-on, RWE). Die Gas- mes 2006 erarbeitet hatte. Oberflächen, das sogenannte schwarze Si- wirtschaft selbst war durch ihren wissen- Am Ende des Kolloquiums besuchten licium, – gehörten ebenso zu den neuen schaftlichen Verband, den DVGW – Deut- die Gäste aus St.-Petersburg das Institut Schwerpunkten wie die Materialentwick- scher Verein für das Gas- und Wasserfach für Eisen- und Stahltechnologie, wo sie lungen für mikroelektronische Bauele- e. V., vertreten. die modernen Forschungsanlagen des In- mente, zum Beispiel Speicherchips. Weiter wurden Gäste und Referenten stitutes, wie die DHTT-Technik (Double Hot 125 Teilnehmer zeigen, dass die Frei- aus der Schweiz und Österreich begrüßt.

14. Jahrgang 2007 87 Veranstaltungen und Ehrungen

Kolloquium 10 Kraftwerke auf der Basis von IGCC-Tech- RWE, Siemens Fuel Gasification Technolo- Agricola Kolloquium nologien (Integrated Gasification Com- gies GmbH und Vattenfall sowie aus den bined Cycle) sowie für die Synthese von USA EPRI (Electric Power Research Insti- Der Senatssaal im Hauptgebäude der TU flüssigen Chemikalien und Kraftstoffen tute), Dow Chemical, aus Südafrika Sasol Bergakademie Freiberg stand für das tradi- aus Kohle, Erdgas oder Biomasse (XtL). Technology R&D, aus Japan CRIEPI (Cen- tionelle Agricola-Kolloquium (Leitung: Prof. Die Konferenz trug dazu bei, Synergien tral Research Institute of Electric Power In- Dr. Hans-Joachim Möller und Dr. Norman zwischen den einzelnen Routen aufzu- dustry) sowie TOTAL aus Frankreich. Pohl) auch interessierten Bürgern offen. zeigen und deren Weiterentwicklung zu Als Neuerung stellte die RWE Power AG Die Veranstaltung war diesmal Ferdinand fördern. An diesen beiden Schwerpunkten auf der Konferenz die ersten Schritte zu Reich gewidmet, dem Entdecker des che- orientierte sich das Vortragsprogramm. Es einer kommerziellen Anwendung der mischen Elements Indium. Er gehört zu wurden nationale sowie international Vor- emissionsfreien Kohleverstromung in den berühmtesten Gelehrten der Bergaka- haben und Projekte im Bereich IGCC- und Deutschland vor. Vom IEC wurde über ein demie Freiberg. In fünf Vorträgen wurden XtL-Technologien vorgestellt. zukünftiges Forschungsprojekt, Virtuhcon, sein Leben und seine wissenschaftlichen Besonderer Magnet waren die Tech- berichtet. Durch zwei Forschergruppen Leistungen beleuchtet, vergleiche den Bei- nical Tours in Zusammenarbeit mit der sollen virtuelle Hochtemperaturkonver- tag von Norman Pohl, S. 96–97. Siemens Fuel Gasification Technologies sionsprozesse modelliert werden. Das in GmbH, CHOREN Industries GmbH, Sustec der Antragsphase befindliche Projekt fand Schwarze Pumpe GmbH und Sokolovska international großen Anklang. Folgege- 2nd International Freiberg Confe- uhelna a.s. (Tschechien) und die Besich- spräche werden derzeit durchgeführt. Die- rence on IGCC & XtL Technologies tigung der dort befindlichen Vergasungs- se zweite Tagung verband Industrie und anlagen. Die Konferenz wurde von ca. 240 Wissenschaft in hohem Maße. 60 Prozent Die 2nd International Freiberg Conference Teilnehmern aus 22 Ländern besucht, wo- der Teilnehmer kamen aus der Industrie. on IGCC & XtL Technologies (Leitung Prof. bei ein internationales Fachpublikum aus Somit wurden sowohl wissenschaftliche Bernd Meyer) fand im Rahmen des 58. BHT Industrie und Wissenschaftseinrichtungen Themenstellungen als auch praktische bereits vom 8. bis 12. Mai statt. Vergasung vertreten war. Zu den Gästen zählten aus Anwendungen, Erfahrungsberichte zu be- und Gasbehandlung sind Schlüsselpro- Deutschland Vertreter namhafter Groß- stehenden Anlagen sowie zu verschiede- zesse emissionsarmer bis emissionsfreier konzerne im Bereich Energietechnik wie nen Teilprozessen der Technik präsentiert.

Freiberger Studierende erstmals mit einem Kulturstipendium ausgezeichnet

Mit einem bundesweit einmaligen Kul- turstipendium wurden am 23. Januar, fünf Studierende der TU Bergakademie Freiberg ausgezeichnet. Das Stipendium eröffnet die Möglichkeit, das reichhaltige Kulturleben der Region kennen zu lernen. Ausgezeichnet wurden damit Studierende, die sich in besondere Weise für die Kultur an der Universität engagiert haben. Prof. Georg Unland, Rektor der Freiberger Uni- versität, und Manuel Schöbel, Intendant des Mittelsächsischen Theaters, hatten im Die Stipendiaten Tippelt, Miekley, Ehlig, Liebke und Preißler (v. l.) haben ihre Auszeichnung entgegengenommen. Herbst erstmalig das Stipendium im Rah- men des gemeinsamen Projektes , einer langfristigen Zusammenar- das Freiberger Stadt- und Bergbaumuse- harmonie unter der Leitung von Jan Mi- beit zwischen Theater und Hochschule, um und das „Grüne Gewölbe“ in Dresden chael Horstmann. ausgelobt. besuchen. Wer selber künstlerisch tätig „Nach dem großen Interesse der Stu- Aus zahlreichen Vorschlägen und Ei- werden möchte, kann für 80 Euro einen dierenden werden wir auch im nächsten genbewerbungen wurden Christina Eh- Kurs der Musikschule der Kontakt Kultur Jahr wieder Kulturstipendien verleihen“, er- lig, Raphael Tippelt, Britta Miekley, Mar- gGmbH besuchen. Ein Barbetrag von 15 klärte Manuel Schöbel. „Damit wollen wir cel Liebke und Stefanie Preißler für das Euro darf für kulturelle Angebote der ei- dauerhaft eine Brücke zwischen Wissen- Kulturstipendium ausgewählt. Die Studie- genen Wahl verwendet werden. schaft und Kultur schlagen. Weitere Stifter renden können nun während eines Jah- Umrahmt wurde die Verleihung im Au- sind herzlich eingeladen, sich für das Pro- res kostenlos unter anderem ein Konzert dimax der TU Bergakademie Freiberg von jekt zu engagieren.“

88 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Neuberufungen

Lothar Frey wurde am 1. November 2006 zum Professor für „Angewandte Physik – Halbleitermaterialien“ der Fakultät für Chemie und Physik berufen. Der Lehr- stuhl ist neu am Institut für Angewandte Physik eingerichtet worden. Lothar Frey wurde 1958 in Würzburg geboren. 1977 schrieb er sich an der Uni- versität Würzburg für ein Studium der Phy- sik ein, das er 1983 erfolgreich abschloss. In Würzburg promovierte er 1987 am Lehr- stuhl für Experimentelle Physik I über die „Erzeugung und Anwendung intensiver Ionenstrahlen“. Bei einem Aufenthalt an der Rice University, Houston, Texas, forsch- mit der VEW Energie AG. An der Univer- te er über die Entwicklung von kurzwel- sität Duisburg-Essen, Campus Duisburg, ligen Lasersystemen. Ab 1989 leitete der legte er 2005 erfolgreich seine Habilitati- Physiker in Erlangen die Gruppe Analytik onsarbeit „Personalisierung der Informati- und Messtechnik an der Fraunhofer Ar- onsversorgung in Unternehmen“ vor. Cars- beitsgruppe Integrierte Schaltungen, Bau- technologie der Mikro- und Nanoelektro- ten Felden dozierte bis zu seiner Berufung elementetechnologie, des späteren Fraun- nik. Die gezielte Herstellung und Bearbei- nach Freiberg an zahlreichen Bildungs- hofer Instituts Integrierte Systeme und tung von Materialien der Halbleitertech- einrichtungen, unter anderem an den Bauelementetechnologie (FhG-IISB). nologie stehen hierbei im Zentrum. Dazu Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien 1993 übernahm er an der Universität gehört die Entwicklung von Verfahren zur in Duisburg und Krefeld, an der Heinrich- Erlangen die Leitung des damals größten Schichterzeugung mit atomar kontrollier- Heine-Universität Düsseldorf, an der Szko- universitären Reinraumlabors in Deutsch- tem Aufbau (Atomic Layer Deposition), zur la Glowna Handlowa in Warschau und land sowie ab 1997 zusätzlich die Abtei- konformen chemischen Schichtabschei- an der Universität Leipzig. Zusätzlich war lung Halbleitertechnologie des FhG-IISB. dung bei niedrigeren Temperaturen und er in zahlreichen Beratungsprojekten im 2004 habilitierte Lothar Frey im Fach- plasmagestützter Schichtmodifikation. Bereich der Abwicklung von Analyse- und gebiet Elektronik über „Nichtdotierende Daneben wird Lothar Frey im Gellert- Berichtssystemprojekten, vornehmlich im Anwendungen von Ionenstrahlen in der Bau den Aufbau eines neuen Reinraum- Banken- und Energiesektor, tätig. Halbleitertechnologie“ an der Universität labors organisieren. In Freiberg setzt Carsten Felden seine Erlangen-Nürnberg. Vor seiner Berufung traditionellen Forschungsthemen Busi- nach Freiberg war er in Dresden bei In- Carsten Felden nahm am 1. Dezember ness Intelligence mit Data Warehousing, fineon (Qimonda) im Bereich der Vorfeld- 2006 den Ruf der TU Bergakademie Online Analytical Processing und Data forschung „Neue Materialien für Transis- Freiberg zum Professor für „Allgemeine Mining weiter fort. Daneben wird er sich toren“ tätig. Betriebswirtschaftslehre, insbesondere dem Gebiet der automatisierten Textanaly- Einen Forschungsschwerpunkt bildet Informationswirtschaft/Wirtschaftsin- se widmen, auf dem er vor allem Algorith- für Lothar Frey in Freiberg die Herstellung formatik“ an der Fakultät für Wirtschafts- men und Text-Mining-Prozesse betrachtet. und Untersuchung neuer Materialen für wissenschaften an. Carsten Felden ist Im Bereich der Betriebswirtschaft liegt sein zukünftige elektronische Bauelemente. Nachfolger von Peter Buxmann. Fokus auf den Veränderungen in der Ener- Themen werden dabei neue Isolatorschich- Carsten Felden wurde 1969 in Gelsen- giewirtschaft. Dies beinhaltet die organisa- ten mit hoher Dielektrizitätszahl, metalli- kirchen geboren. Nach einer Ausbildung torische Neugestaltung sowie die Umset- sche Elektroden und Halbleiterschichten zum Bankkaufmann nahm er 1993 an der zung des Unbundling. Als neuen Schwer- mit reduzierter Defektdichte sein. Immer Gerhard-Mercator-Universität Duisburg ein punkt greift Carsten Felden in Freiberg mehr bestimmen zudem Grenzflächen Studium der Wirtschaftswissenschaft mit das Thema XBRL (eXtensible Business die Eigenschaften der Schichtsysteme, so den betriebswirtschaftlichen Vertiefungen Reporting Language) auf, mit dem die Fi- dass einer Grenzflächenoptimierung seine Banken- und Finanzmanagement, Logis- nanzberichterstattungskette zwischen Un- besondere Aufmerksamkeit gilt, um zum tik sowie Wirtschaftsinformatik auf. Die- ternehmen und Stakeholdern abgebildet Beispiel die Beweglichkeit der Ladungs- ses schloss er 1999 als Diplom-Kaufmann werden soll. Zusätzlich erforscht er Service- träger zu erhöhen, Kontaktwiderstände zu ab. 2002 promovierte er in Duisburg mit orientierte Architekturen (SOA) im Kontext minimieren oder die Austrittsarbeit gezielt einer Arbeit „Konzept zum Aufbau eines Business Intelligence. Leitfrage ist dabei, zu modifizieren. Marktdateninformationssystems für den wie diese die Energiewirtschaft unterstüt- Einen weiteren wichtigen Bereich sei- Energiehandel auf der Basis interner und zen können, um den sich wandelnden An- ner Forschungen bildet die Herstellungs- externer Daten“, ein Kooperationsprojekt forderungen Rechnung zu tragen.

14. Jahrgang 2007 89 Veranstaltungen und Ehrungen Zum 90. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Alfred Neumann Nach leitenden Tätigkeiten in der Braun- kohlenindustrie Mitteldeutschlands 1963 auf den Lehrstuhl für Organisation und Planung des Bergbaus (Braunkohlen- bergbau) berufen, widmete sich Professor Alfred Neumann besonders der Ingeni- eurökonomie des Bergbaus. Er war zeit- weise der Leiter dieser Fachrichtung und engagierte sich besonders für die Erwei- terung der Kapazitäten von Lehre und Forschung. Als Prodekan der Fakultät für Ingenieurökonomie und Direktor des In- stituts für „Ökonomie, Organisation und Planung des Bergbaus“ sowie des Indus- trieinstituts hat er wesentlich zur Stärkung dieser seinerzeit besonders wichtigen Säule beigetragen. Prof. Alfred Neumann ist seit dem Jahr Kanzlerwechsel an der Universität der Wiedergründung 1990 Mitglied un- seres Vereins. Wir wünschen ihm für das Auf einer Festveranstaltung am 12. Sep- Standeszeichen der Bergleute, solle nun neue Lebensjahrzehnt alles Gute, vor al- tember 2007 in der Alten Mensa wurde dieses traditionelle Werkzeug als „Kanz- lem Gesundheit und persönliches Wohl- der Kanzler der TU Bergakademie Frei- lersymbol“ seine Arbeit begleiten. ergehen. berg, Andreas Handschuh, feierlich in Kanzler Handschuh bedankte sich für sein Amt eingeführt. Gleichzeitig gab es die vielen guten Wünsche und das überra- für Gerlinde Dietze einen Abschied. Von schende und symbolträchtige Geschenk. In 50 Jahre Januar 2002 bis Juni 2007 war sie als seiner Ansprache stellte er ebenfalls einen Kanzlerin mit der Wahrnehmung der Bezug zur Geschichte her. Er verglich die Diplombergingenieur Geschäfte beauftragt, nun scheidet sie Arbeit eines heutigen Universitätskanzlers aus Altersgründen aus dem Dienst aus. mit dem damaligen Amt von Prof. Abra- Der Diplomjahrgang Bergbau 1957, mit In Würdigung ihrer außerordentlich en- ham Gottlob Werner als einem der ersten den Fachrichtungen Bergbau-Tagebau und gagierten 35-jährigen Tätigkeit an der Inspektoren der Bergakademie. Bei vielen Bergbau-Tiefbau, hat sich vom 11. bis 13. Bergakademie erhielt sie die Universi- Aufgaben, die vor über 200 Jahren vor der Mai 2007 in Freiberg versammelt und voll tätsmedaille. Verwaltung standen, finden sich Gemein- Freude bestehende Kontakte gepflegt. Andreas Handschuh wurde zum 1. Juli samkeiten. Die Herausforderungen einer Die Veranstaltung begann am Freitag- 2007 vom Sächsischen Staatsministerium modernen Verwaltung sind umfassender nachmittag in der Clemens-Winkler-Ge- für Wissenschaft und Kunst zum Kanzler und liegen deutlich höher. Ihnen wolle er denkstätte mit lebhaften Erinnerungen der Freiberger Universität ernannt und trat sich stellen. an das „Analysen-Kochen“ auf der Brenn- am 2. Juli sein Amt an. 1973 in Zschopau Ein sehr emotionaler Augenblick war hausgasse. Der Abend wurde zusammen geboren, studierte er an der Universität die Übergabe von Universitätsmedail- mit den Freiberger Bergsängern feierlich Leipzig Rechtswissenschaften und Volks- le und Urkunde an Gerlinde Dietze. Sie begangen. Der zweite Tag bot zunächst wirtschaftslehre und arbeitete zuletzt an nahm sie aus den Händen von Rektor eine Besichtigung des renovierten Rek- der TU Chemnitz als Leiter des Dezernats Georg Unland entgegen. Die Medaille, die toratsgebäudes mit Karzer und Namibia- Haushalt und Wirtschaft. Der Rektor der das Antlitz der beiden Gründer der Uni- Ausstellung. Ein Vortrag von Prof. Dr. Cars- TU Bergakademie Freiberg, Prof. Georg versität, Friedrich Anton von Heynitz und ten Drebenstedt zur Rohstoffsituation in Unland, begrüßte den Kanzler noch ein- Friedrich Wilhelm von Oppel, trägt, wurde Deutschland und zur Ausbildung für die mal offiziell im Rahmen der Festgemein- ihr auf Beschluss des Senats der TU Berg- Rohstoffindustrie fand ein sehr lebhaftes de und überreichte ihm eine eigens von akademie für ihr langjähriges außeror- Interesse. Am Abend konnten noch, wie- der Universität gestaltete Urkunde. Dort dentliches Wirken verliehen. Ihrem Nach- der im Ratskeller, Erinnerungen ausge- ist der Wunsch vermerkt, dass sich An- folger wünschte Gerlinde Dietze bei Ent- tauscht werden. dreas Handschuh in seiner neuen Tätig- scheidungen stets eine glückliche Hand Es war insgesamt ein Treffen, bei dem keit mit ganzer Kraft für die erfolgreiche und betonte, unter den sächsischen Uni- die Verbindung zur Alma Mater TU Berg- Weiterentwicklung der Bergakademie en- versitäten sei die Freiberger Alma Mater akademie Freiberg auch nach 50 Jahren gagiere. Als Begrüßungsgeschenk über- ein Juwel, das er mit seiner Arbeit zu wei- sehr lebendig war. reichte der Rektor eine Bergbarte. Einst terem Glanz führen solle. Norbert Piatkowiak

90 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg „Die Technik” ist weiblich, doch was heißt das schon in Freiberg? Heinrich Oettel

Am 20. Oktober des vergangenen Jahres Leipzig übergesiedelt war. Startend mit veranstaltete das Institut für Werkstoff- materialprüftechnischen Arbeiten avan- wissenschaft ein Festkolloquium anläss- cierte sie zur stellvertretenden Leiterin der lich des 75. Geburtstags von Frau Prof. Abteilung Forschung und ab 1962 zur Lei- Dr.-Ing. habil. Maja Krumnacker, der ers- terin der Abteilung Werkstoffprüfung. ten Professorin in der langen Geschich- Ihre Ambitionen bezüglich wissen- te der TU Bergakademie Freiberg. Mehr schaftlicher Arbeit hat sie in Leipzig kon- als 70 Teilnehmer waren erschienen, um sequent verteidigt. Beeinflusst durch die ihr Reverenz zu erweisen. damalige Zielstellung des Betriebes, etwas Frau Maja Krumnacker wurde am 11. für die Entwicklung von Flugzeuggusstei- Juli 1931 in Zwickau geboren und ist da- len zu tun, wandte sie sich den Fragen mit eine ursächsische Pflanze. Ihr Vater der Mikroporosität, der Oxidationsnei- war Gewerbeoberlehrer, ihr technischer gung von Magnesium-Legierungen, den Sachverstand und pädagogisches Ge- gießtechnischen Problemen von warm- schick sind somit nicht nur Produkt ihrer festen Aluminium-Gusslegierungen und Nachwuchs üblich war, die junge Kollegin Strebsamkeit, sondern auch den väter- der Wärmebehandlung von Aluminium- mit Lehrveranstaltungen gehörig voll: lichen Genen, zumindest partiell, zuzu- Gussteilen zu. Aus diesen Arbeiten leite- • Allgemeine und angewandte Metall- schreiben. Dass sie sich im Oktober 1949 te sie letztlich ihre Promotion zum Thema kunde einschließlich der Seminare in der noch sehr jungen und damit wenig „Gas- und Schwindungsmikroporosität bei • Werkstoffe für den Maschinenbauer bekannten Fachrichtung Metallkunde an Leichtmetallguss“ ab. Sie war sehr mutig, • Werkstoffkunde für Verfahrenstechniker der Bergakademie einschreiben ließ, ver- mit dieser Arbeit zum „Gießer“ Prof. J. Czi- und Ingenieurökonomen danken wir insbesondere ihrem Bruder, kel zu gehen, der bekanntlich nicht zu • Materialprüfung für Direkt- und Fern- der bereits an dieser Hochschule Berg- den Sympathisanten der damaligen Me- studenten bau studierte und die Meinung hatte, die tallkunde gehörte. Umso mehr zählt das Sie muckte nicht auf, sie konnte ja auch Metallkunde könnte etwas Gutes für die mit der Verteidigung 1962 erzielte Prädikat nicht, denn mit der Habilitation hatte sie Schwester bringen. Er behielt Recht. „Magna cum laude“. sich unmissverständlich für die akademi- Zu ihren akademischen Lehrern zäh- Aber nicht nur über ihr Promotionsvor- sche Laufbahn entschieden. len Prof. Erdmann-Jessnitzer als ihr erster haben hielt sie während der Leipziger Zeit Die sich Ende der 60er Jahre vollziehen- und Prof. Fritz Günther als späterer Insti- Kontakt zur Bergakademie und zur Metall- de III. Hochschulreform brachte auch für tutsdirektor. Im Frühjahr 1955 schloss sie kunde, sie betätigte sich als Konsulentin die Dozentin Krumnacker erhebliche Ver- ihr Studium als Diplom-Metallogin ab, für das Fernstudium an der Bergakademie änderungen: Sie wurde mit der Wahrneh- denn damals gehörte die Fachrichtung im Fach Werkstoffkunde, eine gute Gele- mung des Lehrgebietes „Metallkunde der Metallkunde noch zur naturwissenschaft- genheit, eigene Erfahrungen in der aka- NE-Werkstoffe“ betraut, das aber nicht im lichen Fakultät, den Diplom-Ingenieur demischen Lehre zu sammeln. Auf Anre- Wissenschaftsbereich „Physikalische Me- gab es erst ab 1966. Sie muss wohl eine gung der Bergakademie und sicher auch tallkunde“ angesiedelt wurde, wo es ei- leistungsstarke und engagierte Studentin von Prof. W. Lange, dem damaligen Leiter gentlich hingehört hätte, sondern im Wis- gewesen sein, denn auch damals gab es des Institutes für Metallkunde, kehrte sie senschaftsbereich „NE-Metallurgie“, damit die Agricola-Medaille nur für wirklich aus- 1963 an das Institut zurück, um sich einer strukturell entfernt von jenen Bereichen, gezeichnete Studienleistungen und nicht Habilitation zu widmen. Das Thema „Kon- die für ihre Forschungsarbeit notwendig umsonst ! zentrationsverteilung an der Phasengrenz- waren. Dessen ungeachtet beschäftigten Für eineinhalb Jahre verdingte sie sich fläche bei der Erstarrung von verdünnten sie und ihre Doktorandinnen sich nach als wissenschaftliche Assistentin am Insti- Zinn-Zink-Legierungen unter Berücksich- wie vor im Metallkundebereich bzw. in tut für Metallkunde und Materialprüfung, tigung von Wachstumsstrukturen“ war ein den metallkundlichen Fachabteilungen. ihrer Ausbildungsstätte. Doch mit 30 Wo- sehr komplexes Grundlagenforschungs- Nach einem Jahrzehnt endlich erfolgte chenstunden Praktikum fand sie wenig vorhaben, dessen Ergebnisse jedoch hohe 1978 die Berufung Maja Krumnackers zur oder besser keine Zeit, sich einer wissen- Praxisnähe aufwiesen. ersten Professorin in der damals 213-jähri- schaftlichen Aufgabe mit dem Ziel einer Nach erfolgreichem Abschluss ihres gen Geschichte der Bergakademie für das Promotion zu widmen, was ihr gar nicht Habilitationsverfahrens wurde sie bereits Gebiet „Metallkunde der NE-Werkstoffe“! schmeckte. Da sie auch der Meinung war, 1968 zur Hochschuldozentin für Metall- Und sie blieb die einzige Professorin der dass ein beruflicher Tapetenwechsel der kunde berufen. Der damalige Institutsdi- „Altehrwürdigen“ bis zu ihrer Emeritierung persönlichen Entwicklung nur förderlich rektor Prof. Günther wollte offensichtlich 1991! Heute kann die TU Bergakademie sein könne, stieg sie im Herbst 1956 kurz wenig posthabilitative Langeweile auf- zwar auf aktive Professorinnen verweisen, entschlossen im Metallgusswerk Leipzig kommen lassen, denn er packte, wie es jedoch nicht in technischen oder natur- ein, zumal die Familie inzwischen nach eben für frisch gebackenen akademischen wissenschaftlichen Breichen. Frauenförde-

14. Jahrgang 2007 91 Veranstaltungen und Ehrungen rung in diesem Metier generiert nach wie sind dabei als wesentliche Partner neben und Fleiß. Nichts nahm sie ernster als die vor nur Singularitäten, von Breitenwirkung dem Forschungsinstitut für NE-Metalle Betreuung ihrer Studenten und Dokto- nichts zu spüren. das Leichtmetallwerk Nachterstedt und randen bzw. besser Doktorandinnen, die Sieht man von den beiden akademi- das Walzwerk Hettstedt. Frau Prof. Krum- ihr noch heute dafür dankbar sind. Sie sche Qualifizierungswerken und einem nacker kann auf die stattliche Zahl von 40 hat vielleicht nicht für das weibliche Ge- Intermezzo in der „Interdisziplinären For- Vorträgen auf Symposien und Tagungen schlecht gekämpft, doch sie hat dafür ge- schungsgemeinschaft Halbleiter“ ab, so verweisen. Eine Reihe von Fachtagungen wirkt! Und natürlich hatte und hat sie Hob- lassen sich drei Themenschwerpunkte ih- in Freiberg hat sie selbst organisiert. Dazu bys. Klavierspielen, Wandern, Reisen sowie rer langjährigen Forschungstätigkeit als gesellen sich 65 Publikationen, wobei das Kennenlernen fremder Kulturen. Und Hochschullehrerin erkennen. Das sind: ihr „Hausjournal“ die „Neue Hütte“ war. natürlich darüber z. B. im Arbeitskreis Alte • Rekristallisation und Entfestigung von Ihr diente sie eine sehr lange Zeit als Kulturen berichten. Kupferwerkstoffen, insbesondere von Vorsitzende des Redaktionsbeirates und All das lässt sich kurz zusammenfas- Messingen, wobei Prof. Krumnacker die hat damit dazu beigetragen, dass diese sen: Sie war und ist noch heute ein aka- Akzente auf den Einfluss der Aufheiz- Zeitschrift im Verlaufe der Zeit in der wis- demisches Vorbild. Leider kann sie nicht geschwindigkeit und der Stapelfehler- senschaftlichen Community gebührende auf erfolgreiche Nachahmerinnen verwei- energie auf diese Prozesse gesetzt hat Anerkennung fand. sen, die Zeiten müssen sich eben doch (z. B. Schnellrekristallisation); Und ihre Persönlichkeit? Sie war eine noch etwas ändern. Die Technische Uni- • Thermomechanische Behandlungen von Hochschullehrerin mit Leib und Seele. versität Bergakademie, insbesondere die zweiphasigen Messingen zur Gefügeo- Lehrveranstaltungen waren alles ande- Metallkundler bzw. die Werkstoffwissen- ptimierung; re als notwendiges Übel für sie, es hat- schaftler, besonders ihre Doktorandinnen • Thermomechanische Behandlung von te ihr immer Spaß gemacht, den Studie- sowie alle, die sich zum Kolloquium einge- Al-Gießwalzband, ein Gebiet, das alle renden ihre Erfahrungen mitzuteilen. Und funden hatten und auch die, die leider an „Scheußlichkeiten“ der Metallkunde be- das auch nach ihrer Emeritierung: Oder der Teilnahme verhindert waren, dankten reit hält: Erstarrung, Plastizität und Ver- wie soll man es verstehen, dass sie noch Frau Professor Krumnacker für das von ihr festigung, Diffusion und Ausscheidungs- in den Jahren 2000 bis 2005 einen Lehr- Geleistete und ihr langjähriges Engage- vorgänge, Entfestigungen und Gefüge- auftrag der Staatlichen Studienakademie ment für das Fachgebiet Metallkunde an neubildungen durch Rekristallisation. Riesa für das Gebiet der Werkstoffkun- der Bergakademie. Und 213 Jahre darf es Alle diese Arbeiten hat sie mit und im de erfüllt hat? Wissenschaftliche Neugier nicht wieder dauern, bis die nächste Pro- Auftrag der einschlägigen Industrie der paarte sich mit viel, vielleicht allzuviel Be- fessorin im Ingenieurbereich berufen wer- ehemaligen DDR ausgeführt. Zu nennen scheidenheit, dazu kamen Engagement den kann.

75. Geburtstag von Prof. Dr. Hans-Walter Bandemer

Am 1. April 2007 wurde Prof. Bandemer 75 Jahre alt. Er gehört zu den einpräg- samsten Persönlichkeiten der Freiberger Mathematik. Seit 1958 an der Bergaka- demie, als Assistent von Kneschke, hat er seine Wurzeln in der Numerischen Ma- thematik. 1969 wurde er ordentlicher Pro- fessor für Mathematische Statistik. 1997 endete seine aktive Zeit in Freiberg. Bandemer gilt als Vater der inzwischen weltbekannten Freiberger Stochastik. Weit- sichtig vorausschauend hat er die dama- ligen Rahmenbedingungen genutzt, um fachlich ausgezeichnete Stochastiker nach Freiberg zu holen (König, Stoyan, Beichelt), die dann ihrerseits eigene Forschungsge- biete aufbauten. Seine eigenen Forschungsinteressen lagen bis etwa 1980 auf dem Gebiet der zur Theorie unscharfer Mengen, insbeson- ten Wiley-Verlag erschien. Zusammen mit Statistischen Versuchsplanung. Höhepunkt dere auf dem Grenzgebiet zwischen Sto- Näther schrieb er 1992 „Fuzzy Data Analy- dieser Forschungsperiode war die Erarbei- chastik und Fuzzytheorie. 1989 verfasste sis“, erschienen bei Kluwer Academic Pu- tung der zweibändigen, im Akademie- er zusammen mit Gottwald (Leipzig) die blishers. In allen Bandemerschen Fuzzy- verlag Berlin erschienenen Monographie „Einführung in die Fuzzymethoden: Theo- Arbeiten fällt das spürbare Engagement „Theorie und Anwendung der Optimalen rie und Anwendung unscharfer Mengen“, auf, Fuzzy-Denkweisen neben etablierten Versuchsplanung“ (Band 1 1977, Band 2 die vier Auflagen erlebte und als engli- statistischen Datenanalysemethoden zum 1980). Ab 1980 begann er Forschungen sche Übersetzung auch im renommier- Durchbruch zu verhelfen.

92 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Nicht nur in der Forschung, auch in suchsplanung noch ein Band 3 (in drei- zogen wegen gesundheitlicher Probleme. der Lehre setzte Bandemer deutliche Ak- ßig nummerierten Exemplaren) entstehen Auch konnte er nie verwinden, dass er, der zente. Generationen von Freiberger Stu- konnte, in dem etwa ein mathematischer die Freiberger Statistik so maßgeblich ge- denten haben seine Vorlesung „Stochastik Satz aus Band 1 vom Mathematiker und prägt hat, sich zu Wendezeiten trotz posi- für Ingenieure“ gehört, und viele werden Musiker G. Heinz vertont worden ist. Als tiver Evaluierung erneut auf eine Professur sich noch an seinen unorthodoxen Stil ungeschriebenes Gesetz galt weiterhin, bewerben musste. Überhaupt ist er sehr erinnern. Bandemer hat 20 Doktoranden dass seine Doktoranden ihm zur Doktor- sensibel gegenüber der Ungleichbehand- betreut, davon haben Bellmann, Näther feier eine vergegenständlichte Version ih- lung von „Ost- und West-Professoren“. Sei- und Richter in Freiberg, Fellenberg in Zwi- res Doktorthemas zu übergeben hatten. J. nen gegenwärtigen Status benennt er als ckau, Nagel in Jena und Pilz in Klagen- Pilz, der über Bayessche Verfahren promo- Sozialrentner in Halle. furt Hochschullaufbahnen eingeschlagen. vierte, übergab z. B. einen Satz selbst mo- Nichtsdestotrotz ist Bandemer auch im Noch in den 1990er Jahren war er erfolg- dellierter Kompetenzgewichte. Bandemer Ruhestand noch wissenschaftlich aktiv reich um Nachwuchsförderung bemüht: Er war und ist ein überaus geistvoller Zeit- geblieben. 1997 erschienen bei Teubner war maßgeblich beteiligt an der Einrich- genosse. Bekannt sind sein Humor, der seine genussvoll zu lesenden „Ratschläge tung des Graduiertenkollegs „Räumliche mitunter sarkastisch ist, sein nie versie- zum mathematischen Umgang mit Unge- Statistik“ und von 1993 bis 1996 dessen gender Zitatenschatz, abendfüllend in so wissheit. Reasonable Computing“, 2006 in Sprecher. mancher geselligen Runde, seine geistrei- englischer Übersetzung auch bei Springer Bandemer ist eine einprägsame Figur chen und rhetorisch gekonnt formulierten verlegt. der Bergakademie nicht nur wegen seiner und häufig überspitzt auf den Punkt ge- Mögen dem Jubilar Hans-Walter Ban- Verdienste in Forschung und Lehre. Er hat- brachten Einwürfe zu allgemeinen (hoch- demer noch viele Jahre selbstbestimmten te die Gabe, Schüler identitätsstiftend um schul-)politischen Problemen, die mitunter Lebens beschieden sein, vielleicht Jahre – sich zu scharen und zu motivieren. Nur so schockierend wirken. weniger mit großen Leistungen, denn mit ist es zu verstehen, dass nach jahrelanger Seit 1997 lebt Bandemer in seiner Ge- guten Erinnerungen. harter Arbeit an den zwei Bänden zur Ver- burtsstadt Halle, zunehmend zurückge- Wolfgang Näther

Zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. Horst Brezinski

Prof. Dr. Horst Brezinski vollendete am hört er schon seit 1993 dem Vorstand des 15. November sein 60. Lebensjahr. Der Vereins der Freunde und Förderer der TU Universitätsöffentlichkeit ist er vor allem Bergakademie Freiberg an. Fast ein Jahr- durch sein Wirken als Prorektor Bildung zehnt lang gehörte er zu den Herausge- im dem Rektorat Schlegel und als Pro- bern der Zeitschrift Moct-Most, seit 1997 rektor Außenbeziehungen im Rektorat ist er Mitherausgeber der Zeitschrift „Za- Unland bekannt geworden, ein Amt, zu greb International Review of Economics dem er als polyglotter Kosmopolit wie and Business“, seit 2003 Mitherausgeber kaum ein anderer berufen schien. Dem von „The Poznan University of Economics zuvor ging eine Tätigkeit als Dekan der Review“ und seit 2007 Review Editor der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Zeitschrift Economic Systems. Seit 2000 Dies war eine schwierige Aufgabe, in ist er Mitglied der Akkreditierungskommis- der er sich große Verdienste erworben hat, sion für Ingenieur-, Informatik- und natur- wie der Autor dieser Zeilen aufgrund sei- wissenschaftliche Studiengänge (ASIIN), ner besonderen Einblicke in diese Ent- in der er insbesondere für das Wirtschafts- wicklung zu behaupten wagen darf. Im ingenieurwesen zuständig ist. Seit 2004 ist Nachhinein mag mancher die Ansicht ver- er Mitglied des Kuratoriums des Dresdener treten, dass man langsamer vorgehen und Osteuropa Instituts e. V. und Vorsitzender bei der Besetzung der Stellen stärker auf des Kuratoriums vom Bayrischen Hoch- die Entwicklung eines bestimmten Profils schulzentrum für Mittel-, Ost- und Süd- hätte achten sollen. Doch verkennt diese osteuropa an der Universität Regensburg Ansicht die Realitäten jener Zeit. Zu die- Brezinski in einer Vielzahl weiterer Ämter sowie Mitglied des Forschungsrates des sen Realitäten gehörte, dass die Fakultät und Aktivitäten hervorgetan, von denen Johann-Gottfried-Herder-Institutes in Mar- 6 als einzige einen bedeutenden Zulauf hier nur einige wenige Erwähnung finden burg. Seit 1999 ist der Mitglied des Ver- von Studenten hatte und dafür auch die können. Er hat nicht weniger als fünf Dop- waltungsrates der Kreissparkasse Freiberg entsprechende Lehrkapazität bereitge- peldiplomabkommen in die Welt gesetzt und seit 2007 gehört er auch dem Kurato- stellt werden musste. Sie verkennt weiter, und danach auch noch tatsächlich mit Le- rium der Sparkassenstiftung an. dass das Angebot an ausreichend quali- ben erfüllt. Schon seit den achtziger Jah- Wir dürfen ihm aus Anlass seines Ge- fizierten Bewerbern für Professuren eben ren ist er in der European Association für burtstags wünschen, dass er seine Tätig- nicht so war, dass man damit sehr spe- Comparative Economic Studies tätig, in der keit noch viele Jahre wird fortsetzen kön- zielle Profilierungsvorstellungen hätte be- er seit 1994 das Amt des Schatzmeisters nen. dienen können. Daneben hat sich Horst bekleidet. Ebenfalls als Schatzmeister ge- Bruno Schönfelder

14. Jahrgang 2007 93 Veranstaltungen und Ehrungen

• Dr.-Ing. Lawrenz, Manfred, Freiberg Geburtstage • Dr.-Ing. Liersch, Wolfgang, Cottbus • Dipl.-Ing. Nauke, Herbert, Der Vorstand gratulierte in diesem Jahr • Dr.-Ing. Richter, Ulf, Schönburg zum 60. Geburtstag • Dr.-Ing. Rudolph, Kurt, Zwickau • Dipl.-Ing. Böhm, Erich, Osterrode • Dr. Rütger, Gert, Freiberg • Prof. Dr. rer. pol. habil. Brezinski, Horst, Oberschöna • Dr.-Ing. Schlauderer, Henry, Dippoldiswalde • Dipl.-Ing. Falk, Lutz-Dietmar, Berlin • Dipl.-Geol. Schmitz, Wolfgang, Hoyerswerda • Dr.-Ing. Friederici, Carmen, Freiberg • Prof. Dr. rer. oec. habil. Seidelmann, Peter, Freiberg • Dipl.-Ing. Höppner, Arnim, Weißwasser • Dipl.-Ing. Teubner, Werner, Merseburg • Dr. sc. phil. Jentsch, Frieder, Chemnitz • Dr. rer. nat. Zänker, Günter, Wolmirstedt • Dipl.-Ing. König, Gerhard, Hundeshagen zum 75. Geburtstag • Dipl.-Ing. oec. Moser, Hans-Christoph, Freiberg • Dipl.-Ing. Bosse, Joachim, Hannover • Dipl.-Ing. Stauch, Thomas, Leipzig • Dipl.-Ing. Diefenbach, Jutta, Dortmund • Dr. rer. nat. Tzscharschuch, Dietmar, Freiberg • Doz. Dr.-Ing. habil. Förster, Siegfried, Freiberg • Dipl.-Ing. Wehner, Klaus-Eckart, Alpen • Dipl.-Ing. Gampe, Josef, Schwerte zum 65. Geburtstag • Prof. Dr. rer. nat. habil. Hofmann, Joachim, Großschirma • Prof. Dr.-Ing. habil. Bast, Jürgen, Freiberg • Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Höffl, Karl, Freiberg • Prof. Dr. rer. nat. habil. Bohmhammel, Klaus, Freiberg • Dipl.-Ing. Hohoff, Wilhelm, Lingen • Dr. rer. nat. Czolbe, Peter, Freiberg • Prof. Dr.-Ing. habil. Kohl, Manfred, Mainz • Dipl.-Ing. Engelhardt, Joachim, Magdeburg • Prof. i. R. Dr.-Ing. habil. Lehnert, Wolfgang, Freiberg • Ing. Espozo V., Eloy, La Paz • Dipl.-Ing. Lenz, Louis, • Dr.-Ing. Flade, Tilo, Freiberg • Dr. oec. Mitzinger, Wolfgang, Berlin • Prof. Dr. rer. nat. habil. Freiesleben, Hartwig, Dresden • Prof. Dr. rer. nat. Raub, Christoph, Schwäbisch Gmünd • Prof. Dr. rer. oec. habil. Freyer, Bernd, Gera • Dipl.-Ing. Schölzel, Helmut, Muldenstein • Dipl.-Ing. Hammer, Gerd, Magdeburg • Prof. Dr.-Ing. habil. Straßburger, Christian, Dinslaken • Prof. Dr.-Ing. Häge, Kurt, Cottbus • Dipl.-Ing. Triebel, Karl, Vellmar • Dr. Heinze, Frank, Königs-Wusterhausen • Prof. Dr. rer. nat. Wolf, Monika, Krefeld • Dipl.-Ing. Kraneis, Hans-Joachim, Bernburg • Markscheider Dr.-Ing. Wordelmann, Heinz, Leipzig • Dipl.-Ing. Klose, Dieter, Nordhausen zum 80. Geburtstag • Dipl.-Ing. Koch, Bernd, Klettwitz • Herrn Flach, Siegfried, Damme • Prof. Dr.-Ing. Köckritz, Volker, Freiberg • Dipl.-Met. Gerischer, Karl, Köln • Dr. rer. nat. Kunert, Hannes, Hoyerswerda • Prof. em. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Kratzsch, Helmut, Berlin • Dr. rer. nat. habil. Dr.-Ing. Neuhofer, Richard, Sennewitz • Dipl.-Ing. Matthes, Günter, Luxemburg • Dipl.-Ing. Nitzsche, Wolfgang, Heidenau • Dr.-Ing. E. h. Rauhut, Franz Josef, Bottrop • Herrn Oehme, Rolf, Freiberg • Prof. Dr.-Ing. habil. Schmidt, Martin, Berlin • Dr.-Ing. Schacht, Wolfgang, Dorndorf-Steudnitz • Prof. Dr. sc. techn. Schmidt, Reinhardt, Weimar • Herrn Schneider, Eberhard, Freiberg • Dipl.-Ing. Stolpe, Egon Emanuel, Nürnberg • Prof. Dr.-Ing. Schneider, Wolf-Dieter, Essen • Prof. Dr. rer. nat. habil. Wagenbreth, Otfried, Freiberg • Dipl.-Ing. oec. Schröder, Bernd, Potsdam zum 81. Geburtstag • Dipl.-Ing. Tittel, Peter, Berlin • Prof. Dr.-Ing. habil. Dulinski, Wladyslaw, Krakau • Prof. Dr.-Ing. habil. Walter, Gerd, Dresden • Prof. Dr.-Ing. habil. Lewandowski, Jan Lech, Krakau zum 70. Geburtstag • Prof. em. Dr. rer. nat. Macherauch, Eckard, Karlsruhe • Dipl.-Ing. Albrecht, Fritz, Leipzig • Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Röbert, Siegfried, Weimar • Dr.-Ing. Bleilebens, Hans, Düsseldorf • Prof. Dr. rer. nat. habil. Schneider, Herbert A., Freiberg • Dipl.-Ing. Boßler, Günter, Freiberg • Prof. Dr. sc. techn. Drs. h. c. Schubert, Heinrich, Freiberg • Dr.-Ing. Daenecke, Rudolf, Brahmenau • Prof. em. Dr. Dr. h. c. Weber, Franz, Leoben • Dr.-Ing. Denke, Christoph, Brand-Erbisdorf zum 82. Geburtstag • Dr.-Ing. Dombrowe, Helfried, Freiberg • Dr.-Ing. Bartelt, Dietrich, Essen • Dr.-Ing. Dressel, Siegfried, Wilkau-Haßlau • Dr.-Ing. Boltz, Gerhard, Lutherstadt Eisleben • Dipl.-Ing. Dunger, Egon, Hoyerswerda • Markscheider Dipl.-Ing. Hartnick, Dieter, Freiberg • Prof. Dr. Ediberidze, Alexandre, Tbilissi • Prof. em. Dr. Junghans, Rudolf, Freiberg • Dipl.-Ing. Eger, Wolfgang, Langenfeld • Dipl.-Ing. Reimann, Dieter, Kronberg • Prof. Dr.-Ing. habil. Franke, Berndt, Oberbobritzsch • Dr. Schmid, Alfred, Wolfenbüttel • Dipl.-Ing. Franke, Hartmut, Bobritzsch • Oberingenieur Unland, Johann, Hofheim • Prof. Dr.-Ing. Gatzweiler, Rimbert, Saarbrücken • Prof. Dr. habil. Wünsche, Manfred, Freiberg • Dr.-Ing. Grosser, Wolfgang, Dresden zum 83. Geburtstag • Herrn Hachenberger, Johannes, Hannover • Prof. em. Dr.-Ing. Dietze, Wolfgang, Freiberg • Dr. Hein, Stefan, Freiberg • Prof. Dr. Heitfeld, Karl-Heinrich, Aachen • Dipl.-Ing. Jung, Wolfgang, Lauchhammer-Ost • Prof. Podrzucki, Czeslaw, Krakau

94 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg • Dr. Rudolf, Heinz, Merseburg zum 96. Geburtstag • Prof. em. Dr. sc. oec. Dr. jur. Zienert, Hans, Freiberg • Dr.-Ing. Kootz, Karl Richard, Salzburg zum 84. Geburtstag zum 97. Geburtstag • Dipl.-Ing. Hagelüken, Manfred, Erftstadt-Bliesheim • Dipl.-Ing. Dürr, Hans, Bad Laasphe • Dipl.-Berging. Katzmann, Otto, Nordhausen zum 98. Geburtstag • Prof. em. Dr. phil. habil. Uhlmann, Harro, Freiberg • Dr.-Ing. Buckeley, August, Ratingen-Lintorf zum 85. Geburtstag Geburtstagsjubiläen nach dem 23. November 2007: • Dipl.-Ing. Kögler, Erhard, Wiesbaden 65. Geburtstag • Prof. Dr. Dr. h. c. Moser, Heribert, Hechendorf • Prof. Dr.-Ing. Husemann, Klaus, Freiberg • Prof. Dr. jur. Dipl.-Ing. Weißflog, Johannes, Leipzig • Dr. Löscher, Bernd, Halsbrücke zum 86. Geburtstag • Ministerialrat Rahtgens, Albrecht, Meißen • Dr.-Ing. Baunack, Fritz, Bad Hersfeld • Dipl.-Ing. Scholz, Eberhard, Staßfurt zum 87. Geburtstag 70. Geburtstag • Doz.-Ing. Bauer, Jaroslav, Prag • Dr.-Ing. Fröhling, Ernst-Peter, Kerpen • Markscheider Dipl.-Ing. Beyer, Kurt, Dresden 75. Geburtstag • Dipl.-Ing., Bergwerksdirektor i. R. Höppner, Joachim, Lorsch • Dipl.-Ing. Krausch, Siegmar, Leipzig • Prof. em. Dr. habil. Rösler, Hans-Jürgen, Freiberg • Dr.-Ing. Strasse, Wolfgang, Berlin zum 88. Geburtstag 82. Geburtstag • Dipl.-Ing. Heisig, Helmut, Zwickau • Prof. i. R. Köhler, Johannes, Mülheim a. d. Ruhr zum 90. Geburtstag 85. Geburtstag • Prof. em. Dr.-Ing. Neumann, Alfred, Schöneiche • Dr.-Ing. Johnsson, Gunnar, Ahnatal zum 91. Geburtstag 86. Geburtstag • Dipl.-Ing. Samtleben, Werner, Hildesheim • Dr. Fritzsche, Volker, München zum 93. Geburtstag • Dipl.-Ing. Gärtner, Jürgen, Radebeul • Dipl.-Berging. Rüsse, Horst, Bad Wörishofen 87. Geburtstag • Prof. em. Dr. oec. habil. Köhler, Johann, Freiberg

Promotionen 1. Juli 2006 – 30. Juni 2007 Dipl.-Geoök. Annett Weiß 30.03.2007 Dr. rer. nat. Fakultät für Werkstoffwissenschaft Fakultät für Mathematik und Informatik Dipl.-Geol. Thomas Herzog 04.05.2007 Dr. rer. nat. und Werkstofftechnologie Dipl.-Math. Anja Kohl 30.08.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Geol. Thomas Wotte 01.06.2007 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Dmitri Goureev 13.10.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Math. Olaf Schneider 09.10.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Enchbat Dombon 18.06.2007 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Alexey Pankov 13.10.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Math. Diana Fanghänel 09.11.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Lutz Weber 26.06.2007 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Beate Fankhänel 03.11.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Math. Elena Zhebel 20.12.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Franz Reischer 01.12.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Math. Ralf Hielscher 29.03.2007 Dr. rer. nat. Fakultät für Maschinenbau, Verfahrens- Dipl.-Ing. Tilo Schulz 15.12.2006 Dr.-Ing. M.Sc. Roman Kohut 30.05.2007 Dr.-Ing. und Energietechnik Dipl.-Ing. Astrid Wurm 12.02.2007 Dr.-Ing. Dipl.-Inf.(FH) Dominik Fröhlich 20.06.2007 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Jan Kollmus 17.07.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Falko Uyma 19.03.2007 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Moh. Al-Addous 19.07.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Fabian Bubeck 04.05.2007 Dr.-Ing. Fakultät für Chemie und Physik Dipl.-Ing. Ralf Reinhart 20.07.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Dorota Siodlak 04.05.2007 Dr.-Ing. Dipl.-Geoökol. Thorid Zierold 06.07.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Axel Filounek 20.07.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Rosemarie Dittrich 28.06.2007 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. (FH) Markus Pfänder 27.07.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Katrin Ogriseck 10.08.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Balázs Kovács 28.06.2007 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. (FH) Sylvia Steffen 08.09.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Katrin Grosser 05.09.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Chem. Dirk Wählisch 10.11.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Pärvis Mövlasadä 19.09.2006 Dr.-Ing. Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Dipl.-Chem. Uta Graupner 17.11.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Christian Warnecke 22.09.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Volksw. Oliver Falck 04.07.2006 Dr. rer. pol. Dipl.-Chem. Ulrike Wunderwald 01.12.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Nils Ohly 11.10.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Betriebsw. (FH) Dipl.-Chem. Sven Köther-Becker 13.04.2007 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Wolfgang Simon 19.10.2006 Dr.-Ing. Steffi Poznanski 01.12.2006 Dr. rer. pol. Dipl.-Geoök. Andrea Geißler 11.05.2007 Dr. rer. nat. M.Sc. Syed Ali Rizwan 20.10.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Kffr. Birgit Leick 07.12.2006 Dr. rer. pol. Dipl.-Ing. Maik Werner 16.11.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Kffr. Constanze Stuhr 14.12.2006 Dr. rer. pol. Fakultät für Geowissenschaften, Geotechnik Dipl.-Ing. Martin Dreßler 08.12.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Kffr. Dana Kuhnert 12.04.2007 Dr. rer. pol. und Bergbau Dipl.-Ing. Gert Anders 08.12.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Björn Wolf 10.05.2007 Dr. rer. pol. Dipl.-Min. Michael Scheel 10.07.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Jan Gerber 08.02.2007 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Kai-Uwe Belohlavek 14.07.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Albrecht Heinzel 02.03.2007 Dr.-Ing. Habilitationen 1. Juli 2006 – 30. Juni 2007 Dipl.-Ing. (FH) Nanette Schleich 28.07.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Denis Kramer 27.03.2007 Dr.-Ing. Fakultät für Geowissenschaften, Geotechnik M.Sc. M. Biltayib Biltayib 20.10.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Sirko Ogriseck 12.04.2007 Dr.-Ing. und Bergbau Dipl.-Geoök. H. Annikki Pöhler 30.10.2006 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Heiko Anger 26.04.2007 Dr.-Ing. Dr. rer. nat. Christian Wolkersdorfer Dipl.-Ing. Taner Aydogmus 08.12.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Simeon Simeonov 08.06.2007 Dr.-Ing. am 24.11.2006 zum Dr. rer. nat. habil. Dipl.-Ing. Peter Fischer 14.12.2006 Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Ivan Imenokhoyev 08.06.2007 Dr.-Ing. Dr. rer. nat. Thomas Seifert M.Sc. Khalid Mustafa Kheiralla 26.01.2007 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. Undine Fischer 13.06.2007 Dr.-Ing. am 12.06.2007 zum Dr. rer. nat. habil. Dipl.-Geol. Gunnar Krauß 26.01.2007 Dr. rer. nat. Dipl.-Ing. (FH) Hans-Jürgen Dr.-Ing. Andreas Ricoeur M.Sc. Myo Min 05.03.2007 Dr. rer. nat. Schneider 15.06.2007 Dr.-Ing. am 12.06.2007 zum Dr.-Ing. habil.

14. Jahrgang 2007 95 Geschichtliches

Humboldt-Universität in Berlin eingesetz- halb schon mit dem Erlernen des Hebräi- ten Ressourcen in Betracht zieht. schen beschäftigte. Dass Reich sich den- Ferdinand Der Persönlichkeit Ferdinand Reich noch den Naturwissenschaften zuwandte, und seinem wissenschaftlichen Wirken ist der Begegnung mit dem Grafen Det- waren die beiden Vorträge des Vormittags lef von Einsiedel zu danken. Reichs Vater, Reich gewidmet (Dr. Norman Pohl und Dr. Jörg 1815 abdelegiert zum Wiener Kongress, Zaun), den Eigenschaften des Indiums nahm seinen Sohn mit auf die Reise, und Die nunmehr 242-jährige Geschichte der und den künftigen Perspektiven seiner die Einkehr in Dresden ins Haus des Mi- TU Bergakademie Freiberg birgt für jedes Gewinnung und Anwendung der Nach- nisters brachte für den jungen Ferdinand Jahr eine ganze Reihe von historischen mittag. Dr. Thomas Seifert und Dipl.-Geol. das Versprechen einer Anstellung in einer Ereignissen oder Gedenktagen, die es Dirk Sandmann stellten die Mineralogie der gräflichen Eisenhütten mit sich, sofern alle wert wären, sich der Geschehnisse und Geochemie von Indium führenden er ein – gräflich gefördertes – Studium der und der herausragenden Personen zu er- Polymetall-Mineralisationen vor, Frau Prof. Naturwissenschaften aufnehmen würde. innern. Ferdinand Reich und das Indium Dr. Lux-Steiner erörterte Indium als Basis- Vater und Sohn stimmten zu, letzterer standen im Mittelpunkt des diesjährigen werkstoff für Dünnschichtsolarzellen, Dr. mehr aus Neigung, ersterer aus finanziel- Agricola-Kolloquiums des Berg- und Hüt- Frank Bugge behandelte Indium in der len Erwägungen, denn für das ursprüng- tenmännischen Tages. Anwendung für Laserdioden. Nachfolgend lich vom Sohn ins Auge gefasste Studium Dabei fiel die Wahl aus den unter- wird eine knappe Zusammenfassung der der Medizin fehlte das Geld! Während des schiedlichsten Erwägungen auf den vor historischen Beiträge gegeben. in Leipzig begonnenen und in Freiberg 125 Jahren, am 27. April 1882, verstorbe- In Bernburg geboren, war Ferdinand beendeten Studiums befasste sich Reich nen Ferdinand Reich. Reich zunächst Stu- Reich schließlich ein nach Freiberg Zuge- sehr intensiv mit der Chemie, wohl durch dent, dann Bibliothekar und Inspektor zogener. Für das Entstehen einer Traditi- zahlreiche Versuche in Lampadius’ Vorle- der Bergakademie und schließlich Profes- on der historischen Erinnerung ist dieser sungen, weniger durch den Vortrag selbst, sor für Physik, trat ungeachtet der Belas- Punkt sicherlich nicht ausschlaggebend. animiert. Überhaupt hielt Reich wenig vom tungen durch die Verwaltungsarbeit als Schwerer dürfte der Umstand wiegen, Studium in Freiberg und charakterisiert in Akademieinspektor mit einer Reihe be- dass Reichs Ehe kinderlos blieb – unge- seiner Autobiographie die Dozenten als deutender wissenschaftlicher Leistungen achtet dessen sind angesehene Freiberger meistens nicht auf der Höhe der Zeit ste- hervor: Die Fallversuche auf dem Dreibrü- mit ihm verwandt – und Reichs Grab auf hend, selbstverliebt oder langweilig. Vor derschacht zum Nachweis der Erdrotation, dem Donatsfriedhof die Zeiten nicht über- seinem strengen Urteil fanden nur die ihn Arbeiten zur Rauchplage und die Entde- dauerte. Auch gelang es Ferdinand Reich begeisternde Vorlesung bei Mohs und der ckung des chemischen Elementes Indi- nicht, als Physiker eine wissenschaftliche Unterricht in praktischer Probierkunde bei um. Sorgfalt im wissenschaftlichen Arbei- Schule zu etablieren. Ursächlich dafür Schiedswardein Sieghardt Gnade. Die ihm ten, offenes Einräumen von Zweifeln und war der Umstand, dass der Bergakademie von Hecht vermittelten Kenntnisse der hö- somit wissenschaftliche Redlichkeit waren zur Zeit Reichs noch die Möglichkeit der heren Mathematik empfand er immerhin ihm dabei stets besondere Anliegen. Graduierung – Promotion – des eigenen als nützlich. Die ihm nach Abschluss sei- Eine Würdigung von Ferdinand Reich wissenschaftlichen Nachwuchses vorent- nes Studiums in Freiberg ausgesprochene stand zu seinem 200. Geburtstag, er wur- halten war. Zudem hatte die Physik eher Belobigung bedeutete ihm wenig, er emp- de am 19. Februar 1799 geboren, schon „Dienstleistungen“ für die ingenieurwis- fand die Konkurrenz seines Studienjahres im Rahmen des Agricola-Kollquiums des senschaftliche Ausbildung zu erfüllen. als zu schwach. BHT 1999 zur Debatte. Letzten Endes sieg- Und schließlich: Albin Weisbach, Sohn Das auf seine Zeit als Hüttengehilfe fol- te aber die Erwägung, durch die Wahl von Julius Weisbach, seit 1860 als Dozent gende Studium in Göttingen hatte in der Otto Meißers – seinerzeit 100. Geburtstag der Physik Nachfolger von Reich, wandte Chemie einen eindeutigen Schwerpunkt. – eine Beschäftigung mit der Geschichte sich ab 1866 der Mineralogie zu. Der Auf- Das an die Göttinger Zeit anschließen- der Bergakademie in der NS-Zeit und in bau einer wissenschaftlichen Schule war de Studium in Paris, einem Mekka eben den ersten Jahren der DDR voranzutreiben. in der Chemie viel einfacher, und zwar auch der Naturwissenschaften, mochte Diese seinerzeit erkannte Notwendigkeit auch über die Verknüpfung mit den er- Reichs Interessen mehr auf die Physik ge- wird umso deutlicher, als dass bis heute forderlichen hüttenmännischen wie auch lenkt haben. An beiden Universitäten war weder eine den modernen Anforderungen der metallurgischen Forschungsgebieten. Reich gleichsam als Spion der Bergakade- genügende Geschichte der Bergakademie Und nicht zuletzt zeigt besonders die Ge- mie tätig. Seine Rückreise von Paris nach in der NS-Zeit noch für die Zeit der DDR schichte der Physik an der Bergakademie Freiberg führte Reich durch die Auvergne vorliegt. Dies sind zwei schwerwiegende eine jeweils zeitgemäße, aktuelle inhaltli- und durch die Schweiz. Dass er in seiner Faktoren, die auch das Fehlen eines histo- che Ausrichtung auf Themen, die das „in- Auswertung, entgegen der Wernerschen rischen Überblickswerks trotz der Vielzahl genieurwissenschaftliche Establishment“ Lehre die vulkanische Entstehung des Ba- der vorliegenden Einzelstudien und der nicht sofort goutieren mochte. saltes vertrat, führte zu der Empfehlung v. wegweisenden tabellarischen Übersicht In der historischen Rezeption zählt Fer- Herders, auch auf eine nur auszugsweise von Otfried Wagenbreth aus dem Jahre dinand Reich heute zu den Physikern – Veröffentlichung des Reiseberichts zu ver- 1994 begründen. Im Zuge der Vorarbeiten erstaunlich für einen Forscher, dessen Be- zichten. Immerhin erhielt Reich eine An- zum 2015 anstehenden 250-jährigen Ju- rufswunsch als Jugendlicher zunächst dar- stellung als Akademieinspektor, die ihn ei- biläum ist dem dringend abzuhelfen, zu- auf hinauslief, Theologe werden zu wollen nerseits finanziell absicherte, andererseits mal wenn man die an anderen Universi- und der sich ungeachtet seiner mathemati- mit der Aufsicht über die bergakademi- täten wie Jena, Dresden, Rostock oder der schen und physikalischen Begabung des- schen Gebäude und die Sammlungen, mit

96 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg der Führung der bergakademischen Nie- Universität in Marburg eingerichtete - hat- darauf verstellen, dass die jeweilige Entde- derschriften und Akten, mit der Ordnung te die Nutzung des „Labors Umwelt“ der ckungsleistung beispielhaft für neugieri- der Wernerschen Sammlungen auch mit Bergakademie eine bis in die Zeit von Ab- ges Forschen und zweckfreie Grundlagen- der Führung der Bibliothek in Atem hielt. raham Gottlob Werner und Lampadius zu- forschung war. Ausschlag für das Interesse an der Phy- rückreichende Tradition, mit Arbeiten zur Mir persönlich erscheint im Hinblick sik dürfte die in Aussicht stehende Neu- Gewinnung von Rübenzucker, über den auf die Entdeckung des Indiums vor allem besetzung des Lehrstuhls zur Arbeitsent- Gehalt von Mineralwässern und zur Koh- die Zurücksetzung von Ferdinand Reich – lastung von Friedrich Gottlieb von Busse levergasung. Diese Tradition setzte sich und des mit ihm zusammen arbeitenden (1773–1836) gegeben haben. Diese kam auch fort in dem Diskurs, der auf die seit Hieronymus Theodor Richter – bemerkens- zum 14. Juli 1827 zustande, und zwar Mitte des 19. Jahrhunderts forcierte Verhüt- wert. Häufig wird nur die Entdeckung des durch den Einsatz von von Herder, mit tungstätigkeit folgte. Selbigen prägten die Germaniums mit der bergakademischen dessen Stiefnichte Sophie Friederike Julia- Bergakademie Freiberg und die Forstaka- Geschichte verbunden. Für jeden Che- ne Stichling, einer Enkelin Wielands, Reich demie Tharandt, und er resultierte in der miker war und ist die Entdeckung eines seit 1826 verlobt war und die er am 4. Sep- Zeit der beginnenden Industrialisierung in chemischen Elementes geradezu die Krö- tember 1827 heiratete. Nach der Ordnung zeitgenössisch durchaus fortschrittlichen nung der wissenschaftlichen Arbeit. Mit seiner privaten Verhältnisse war Ferdinand Lösungsansätzen. Die 15 Jahre währende dem von Dimitri Mendelejew und Lothar Reich auch wissenschaftliches Arbeiten Tätigkeit Ferdinand Reichs auf diesem Ge- Meyer vorgeschlagenen und später ver- vergönnt. biet resultierte außer in einer Apparatur vollkommneten Periodensystem der che-

Die von von Herder angeregten, auf zur Bestimmung des SO2-Gehaltes im Ab- mischen Elemente, der von Frederick Sod- Vorarbeiten anderer Wissenschaftler in gas auch in ersten Versuchen einer nassen dy auf dieser und anderen Grundlagen Dortmund 1804 fußenden Messungen Rauchgaswäsche. Absolut betrachtet, wa- etablierten Vorstellung der Isotope ist heu- zum Nachweis der Erdrotation im Drei- ren die erreichten Lösungen jedoch nichts te klar, dass neue Elemente nur in den von brüderschacht setzten aufgrund der an- weiter als unzulänglich, und daran änder- physikalisch-chemischen Normalverbin- gestrebten Vergleichbarkeit der Messun- te sich auch nichts durch die von Clemens dungen weit entfernten Transuranen zu gen die Einheiten Meter und Kilogramm Winkler später eingeführte Produktion von finden sein werden. Mit zwei entdeckten im Freiberger Bergrevier und in Sachsen Oleum aus den Hüttenabgasen. Unhisto- chemischen Elementen, Germanium und durch – Jahrzehnte vor weiten Teilen des risch knapp zusammengefasst: Erst die Indium, liegt die Bergakademie in der ewi- übrigen Deutschlands. Für solche geophy- Durchsetzung der TA Luft in ihrer 1986 in gen Hitliste gar nicht schlecht im Rennen. sikalischen Messungen nutzte Ferdinand der BRD verabschiedeten Fassung im Rah- Es erstaunt daher, dass lediglich das Ger- Reich die Umwelt als Labor: die in der men der deutsch-deutschen Umweltunion manium immer wieder herausgestellt wur- durch jahrhundertelange Bergbautätigkeit 1990 und in den danach folgenden Jahren de. Es ist natürlich eine Spekulation, aber zur Umwelt umgestaltete Natur. Die Mon- brachte mit dem Einsatz erfolgreich nach- der Kontakt von Clemens Winkler und tanregion Erzgebirge bot die spezifischen sorgender Umwelttechnik eine bis heute Dimitri Mendelejew ließ sich als Vorbo- Voraussetzungen, auch für Reichs weitere spürbare Entlastung der Umwelt - ein po- te deutsch-sowjetischer Freundschaft viel geophysikalischen Arbeiten, 1830/32 die litischer Erfolg des aus einer alten Berg- besser in die Historiographie der DDR ein- Messung von Gesteinstemperaturen in mannsfamilie stammenden seinerzeitigen bauen und kann auch noch der heutigen verschiedenen Tiefen in den Gruben des Bundes-Umweltministers und Ehrendok- Betonung deutsch-russischer Zusammen- sächsischen Erzgebirges, oder 1840 „Über tors der TU Bergakademie Freiberg, Klaus arbeit dienen als die eher spröde Entde- elektrische Ströme auf Erzgängen“. Auch Töpfer. ckungsgeschichte des ansonsten duktilen die 1838 publizierten „Versuche über die Das wissenschaftliche Lebenswerk von Indiums. Die Enthüllung einer Gedenkta- mittlere Dichtigkeit der Erde mittels der Ferdinand Reich war, zusammengefasst fel im Foyer des Gellertbaus zu Ehren von Drehwaage“ sind dem „Forschungsklima“ betrachtet, der Grundlagenforschung ge- Ferdinand Reich im Rahmen des Agrico- und dem „Umfeld Umwelt“ geschuldet. widmet, wiewohl er auch an der Lösung la-Kolloquiums hat diesen Eindruck nun- Über diese Arbeiten, die Ferdinand Reich praktischer, drängender Probleme mit- mehr nachhaltig korrigiert. den Rang eines Mitbegründers der Geo- wirkte. Heute sind die Arbeiten Reichs als Nach Einritt in den Ruhestand am 1. physik einnehmen lassen, berichtete der interdisziplinär zu bezeichnen, und inter- Mai 1866 begann Ferdinand Reich im Au- Kustos der TU Bergakademie Freiberg, Dr. disziplinäres Arbeiten hatte schon immer gust 1867 mit der Abfassung einer hand- Jörg Zaun in seinem Vortrag. mehr um Anerkennung zu ringen als wis- schriftlichen Autobiographie, die kürzlich Auch die jahrhundertelange Tradition senschaftliche Erfolge, die eine eindeu- vom wissenschaftlichen Altbestand der des Hüttenwesens hatte ihren, euphemis- tige Zuordnung in eine Schublade, viel- Universitätsbibliothek Georg Agricola er- tisch so zu bezeichnenden, Anteil an der mehr: Disziplin, zulassen. Im Bewusstsein worben werden konnte. Es ist geplant, Umgestaltung der freibergischen und erz- der Stadt Freiberg und ihres Umfeldes wie diese Schrift kommentiert herauszugeben, gebirgischen Landschaft. Und obwohl die auch in der Außendarstellung der Berg- doch sagt uns: „Zeit ist das un- Bergakademie mit dem von August Wil- akademie, kann Reich eine durchaus pro- entbehrliche Mittel zur Pflege der Freund- helm Lampadius errichteten chemischen minentere Rolle als bisher spielen. Dass schaft“, und, so wäre zu ergänzen, wohl beziehungsweise hüttenmännischen La- mit Indium und Germanium zwei Ele- auch zum sorgfältigen wissenschaftli- bor bereits frühzeitig eine wegweisende mente in Freiberg entdeckt wurden, die chen Arbeiten. Die Vorträge und Diskus- Ausbildungs- und Forschungsstätte be- im 20. Jahrhundert interessante industri- sionsbeiträge des Agricola-Kolloquiums saß – das erste chemische Labor an ei- elle Anwendungen fanden und, mit Blick sollen in einem Freiberger Forschungsheft ner Universität ist jedoch nach derzeitigem auf das Indium, im 21. Jahrhundert wohl erscheinen. Kenntnisstand jenes 1609 an der Philipps- finden werden, sollte aber nicht den Blick Norman Pohl

14. Jahrgang 2007 97 Geschichtliches Zum Prioritätsstreit der Indium-Entdeckung Bemerkungen im Anschluss an das Agricola-Kolloquium 2007 „Ferdinand Reich und das Indium“ Herbert A. Schneider

In einem Festakt wurde im Rahmen des wir Indium nennen möchten, zu schlies- Agricola-Kolloquiums im Foyer des Gellert- sen nicht anstehen.“ Da auch in den bei- Baus der Bergakademie eine Gedenktafel den folgenden Publikationen [6], in denen enthüllt, auf welcher Ferdinand Reich und neben der Gewinnung und einigen che- Hieronymus Theodor Richter als Entdecker mischen Eigenschaften ein spezifisches des Elements Indium gewürdigt werden. Gewicht und ein Atomgewicht des neuen Dagegen stellte Norman Pohl in sei- Elementes angegeben werden, Reich und Ferdinand Reich (1799–1882) nem Vortrag „Zur Autobiografie Ferdinand Richter gemeinsam als Autoren auftreten, Reichs“ fest, dass dieser als alleiniger Ent- sollte man annehmen, dass sich damals Leopoldina einreichte und bei der Publika- decker des Elements Indium zu gelten beide auch gemeinsam als Entdecker des tion über das Indium ausdrücklich Richter habe. Diese Auffassung ist bereits in der Indiums sahen. Aber bereits in der Sitzung als dessen Entdecker erwähnte. Gedenkschrift zum 200. Geburtstag von des Bergmännischen Vereins zu Freiberg Reichs Darstellung der Indium-Ent- Julius L. Weisbach [1] zu finden, dem das am 15. März 1864 [7] schränkte Reich ein, deckung verbietet es andererseits auch, Agricola-Kolloquium 2006 gewidmet war, wenn er u. a. ausführt: „Das von Hrn. Prof. ihn als alleinigen Entdecker des Indiums und geht vermutlich auf eine Fußnote von Richter durch das Spektroskop entdeckte hervorzuheben, wie dies Undeutsch in Constantin Täschner in seinem umfangrei- neue Metall, welches von uns Indium ge- [2] nachgesagt wird. Daher kann auch chen Beitrag über Ferdinand Reich in den nannt wurde, kommt in geringer Menge die Darstellung von A. Lange [10] und „Mitteilungen des Freiberger Altertumsver- in der schwarzen Blende von der Grube C. Schiffner [11] nicht stimmen, wonach eins“ aus dem Jahre 1916 [2] zurück. Hier Himmelfahrt bei Freiberg vor. …“. Richter seinem Chef und Kollegen Reich heißt es wörtlich: „Nach einem Briefe des Nachdem F. Reich im Jahre 1860 die eine Lötrohrprobe übergeben und dieser Akademieprofessors Herm. Undeutsch, der Physikprofessur aufgegeben hatte und im bei der spektroskopischen Untersuchung sich auf Cotta als Gewährsmann bezieht, Jahre 1866 im Alter von 67 Jahren in den das neue Element gefunden haben soll. war Reich der Entdecker des Indiums“. Ruhestand getreten war, äußerte er sich Nach Schiffner war Reich „das Muster Es gab früher offensichtlich schon in seiner handschriftlichen, schwer lesba- eines Gelehrten, seine Persönlichkeit fast einmal einen Prioritätsstreit um die Indi- ren Autobiografie [8] noch einmal unmiss- ohne Schatten: Streng gegen sich selbst, um-Entdeckung: Nach der Pensionierung verständlich zur Indium-Entdeckung: „Die mild gegen andere, selbstlos, bescheiden Reichs im Jahre 1866 hatte sein Nachfol- Entdeckung dieses bisher unbekannten fast bis zum Übermaß, stets getreu seinem ger im Hüttenlaboratorium, der 25 Jahre Metalles durch das Spectroskop gehört Beruf, die Wahrheit als solche zu suchen jüngere Richter, Irritationen ausgelöst, in- ausschließlich Herrn Prof. Richter, und und anderen mitzuteilen.“ dem er sich als Alleinentdecker des In- wenn es nach den zitierten Notizen“ – ge- Die drei bekannt gewordenen persönli- diums ausgeben ließ [3] und in entspre- meint sind [5] und [6] – „darüber schei- chen Äußerungen Reichs zur Priorität der chenden Publikationen [4] F. Reich auch nen kann, als mache ich gleichzeitig ei- Indium-Entdeckung sind daher wohl eher nicht mehr erwähnte. nen Anspruch daran geltend, so ist das seiner Bescheidenheit und dem weisen Die Erstpublikation „Vorläufige Notiz zu berichtigen. Ich habe nur durch die Bit- Streben zuzuschreiben, jedem Streit und über ein neues Metall“ [5] erfolgte dage- te, einen erhaltenen Niederschlag durch übler Nachrede zu entgehen. Bedenkt gen unter beider Namen: „Das erhalte- das Spectroskop zu prüfen, zu der Entde- man außerdem, dass nach heutigen Wer- ne unreine Chlorzink wurde … mit dem ckung Veranlassung gegeben und dann tungen Problemstellung, Lösungsweg und Spectroskop untersucht. Es zeigte keine mich mehrfach mit seiner Gewinnung Lösung eines Problems untrennbar mitei- Thalliumlinie1, dagegen eine indigoblaue, und der Ermittlung seiner Eigenschaften nander verknüpft sind, scheint es gerecht- bisher unbekannte Linie. Nachdem es ge- beschäftigt.“ fertigt, beiden – Ferdinand Reich und Hie- lungen war, den vermutheten Stoff … als Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ronymus Theodor Richter – ganz im Sinne Metall darzustellen, erhielten wir … im der spektroskopische Nachweis des Indi- der enthüllten Gedenktafel im Gellert-Bau Spectroskop die blaue Linie so glänzend, ums erst durch den präparativen Beitrag die Priorität und den wissenschaftlichen scharf und ausdauernd, dass wir aus ihr Reichs möglich wurde. Folglich ist Reich Ruhm zuzuerkennen. Wer zuerst den Ge- auf ein bisher unbekanntes Metall, das untrennbar mit der Indium-Entdeckung danken hatte, dass es sich bei dem frag- verbunden. Daran ändert auch seine Be- lichen Spektrum um ein neues Element 1 Die Indium-Entdeckung war insofern ein, wenn auch merkung im „Verzeichnis der veröffentlich- handeln könnte, wird angesichts der Sach- herausragendes Zufallsereignis, als eigentlich nach dem ten wissenschaftlichen Arbeiten“ [9] nichts, lage ein ewiges Geheimnis bleiben. zwei Jahre zuvor spektroskopisch von Crookes entdeck- ten Thallium gesucht wurde. Stattdessen dominierte das das er anlässlich seiner Aufnahme in die Bemerkenswert ist weiterhin, dass ein bisher unbekannte Spektrum des Indiums [14]. Deutsche Akademie der Naturforscher sachkundiger Zeitzeuge, der spätere Ent-

98 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg decker des Elementes Germanium, Cle- mens Winkler, in seiner zweiteiligen Publi- kation „Beiträge zur Kenntnis des Indiums“ Frederick Gleason Corning – [12] ebenfalls davon ausgeht, dass Reich und Richter gemeinsam als Entdecker des zum 150. Geburtstag eines treuen Indiums anzusehen seien2. Die vorstehenden Erörterungen beru- Freundes der Bergakademie hen auf Vorträgen zum Ferdinand-Reich- Ehrenkolloquium anlässlich der 150. Wie- derkehr der Gründung des selbständigen Der 150. Geburtstag und auch der 70. der begeistert diesem Aufruf folgte. Er Lehr- und Wissenschaftsgebietes Physik Todestag geben uns Anlass, eines Man- brachte viele Freunde in diese Gesellschaft an der Bergakademie im Jahre 1977 [13] nes zu gedenken, der als ausländischer ein, organisierte eine Spendenaktion für und des Kolloquiums „125 Jahre Indium“, Student an der Bergakademie Freiberg den studentischen Ausbildungsfonds der das zu Ehren der Indium-Entdeckung von 1875 bis 1879 noch im Nachhinein Gesellschaft und machte sich selbst mit ei- 1988 veranstaltet wurde [14]. 60 Jahre lang seiner Alma Mater die ner erheblichen Spende zum Förderer der Treue gehalten hat. Er war einer, der den Gesellschaft. In den USA hatte sich schon Literatur Namen der Bergakademie in alle Welt eine Vereinigung: „The Old Freibergers in 1 Pohl, N.: „Stillstand ist Rückschritt“. Julius L. Weis- hinaustrug und so in hohem Maße das America“ gebildet, deren Präsident Cor- bach (1806–1871), Gedenkschrift zu seinem 200. Geburtstag. Freiberger Forschungshefte D 222, Frei- Ansehen der Akademie weltweit prägte. ning einige Jahre lang war. berg 2006, S. 9 Frederick Gleason Corning wurde am Corning ließ auch alsbald seine Alma 2 Täschner, C.: Ferdinand Reich (1799–1882). Ein Bei- 27. März 1857 in Brooklyn/New York gebo- Mater in Freiberg wissen, dass sein Heim trag zur Freiberger Gelehrten- und Akademiege- schichte. Mitteilungen des Freiberger Altertumsver- ren. Von 1873 bis 1875 besuchte er – nach in New York für alle offen stehe, die in die eins, Heft 51 (1916), 23 den zu absolvierenden Schuljahren – das USA kommen wollten. 3 Anonym: Über Chemikalien auf der diesjährigen Polytechnikum in Stuttgart. Von dort aus So unternahm Prof. Dr. Ing. O. Fritzsche Allgemeinen Industrieausstellung zu Paris. Poly- techn. Journal 184 (1867), 455 ging er nach Freiberg, wo er sich im Okto- vom Institut für Maschinenkunde im Jah- 4 Richter, Th.: Sur l’indium. Comptes rendus, 64 (1867), ber 1875 an der Bergakademie einschrei- re 1930 eine Studienreise in die USA und 827 ben ließ, um Bergbau und Hüttenwesen wurde von Corning betreut. Fritzsche be- 5 Reich, F. und Th. Richter: Vorläufige Notiz über ein neues Metall. Journ. f. prakt. Chemie, 89 (1863), 441 zu studieren. 1879 erwarb er dann das Di- richtete über seine Reise in den Blättern 6 Reich, F. und Th. Richter: Ueber das Indium. Journ. f. plom als Bergingenieur. der Bergakademie 1938 unter dem Titel: prakt. Chemie, 90 (1863), 172 und 92 (1864), 480 In der Folge ließ er sich von 1879 bis „Meine Erinnerungen an Fred G. Corning“. 7 Reich, F.: Verhandlungen des Bergmännischen Ver- eins zu Freiberg, Sitzung vom 15. März 1864. Berg- 1881 in Leadville, Colorado, nieder – da- Unter anderem schrieb Prof. Fritzsche: „Er und Hüttenm. Zeit. (1864), 142 mals die bedeutendste Bergbaustadt Nord- erzählte bei meiner Ankunft sogleich von 8 Reich, F.: Selbstbiographie (1867). Wiss. Altbestand amerikas. Er hatte vorerst keinen festen den Studienfreunden, die mit ihm den der Bibliothek der Bergakademie, XVII 610, S. 82 9 Buchheim, W.: Studien und Dokumente zur Geschich- Wohnsitz. Ein bis zwei Jahre lang besuch- Ruf Freibergs und der Bergakademie in te der Physik an der Bergakademie Freiberg I – Ferdi- te er beruflich verschiedene andere Berg- der ganzen Welt verbreitet hatten … Sein nand Reich, Bergakademie Freiberg 1977, S. 13 baugegenden in Nevada, Idaho, Neumexi- Heim in New York hatte die Atmosphäre 10 Lange, A.: Die Freiberger Chemie und ihr Verhältnis zur Metallurgie. Bergakademie Freiberg, Festschrift ko, Kalifornien und Arizona. Alt-Freibergs.“ zu ihrer Zweihundertjahrfeier am 13. November Seine Tätigkeit erstreckte sich auch au- Von außerordentlichem Interesse ist 1965, Leipzig 1965, Bd. 1, S. 135 ßerhalb der USA. Reisen führten ihn 1884 auch die umfangreiche handschriftliche 11 Schiffner, C.: Aus dem Leben alter Freiberger Berg- studenten, Bd. 1 (1935), Ferdinand Reich: Seite 42; nach Südamerika, hier nach Peru und Bo- USA-Reisebeschreibung des Geologen H. Theodor Richter: Seite 46 livien. In Peru besichtigte er die berühm- Prof. Otto Stutzer aus den Jahren 1935 bis 12 Winkler, C.: Beiträge zur Kenntnis des Indiums. Journ. ten reichen Silberminen in den Anden, in 1936. Prof. Stutzer reiste vom 17. Dezem- f. prakt. Chemie, 94 (1865), 1 und 102 (1867), 273 13 Buchheim, W.: Ferdinand Reich – 1827 erster Inha- Hualgayoc, die von Alexander von Hum- ber 1935 bis zum 30. April 1936 als Prä- ber des Lehrstuhles für Physik an der Bergakademie boldt 1802 besucht und wissenschaftlich sident der Gesellschaft „Society of Econo- Freiberg. Freiberger Forschungshefte D 115, Leipzig beschrieben worden waren. In Kolumbien mic Geologists“ nach New York, um dort 1978, S. 9 14 Schneider, H. A.: Zur Entdeckung des Indiums, in: unternahm er mehrere Reisen, u. a. auch am Jahresende die Jahresversammlung zu 125 Jahre Indium, Vorträge des Kolloquiums 1988 um den Panamakanal zu erforschen, des- leiten. Corning nahm ihn als Vertreter der aus Anlass der 125. Wiederkehr der Entdeckung des sen Bau bereits von Alexander von Hum- Gesellschaft in seine Obhut und betreute Indiums durch die Freiberger Professoren F. Reich und Th. Richter, Bergakdemie Freiberg 1988 boldt gefördert worden war. Gutachtertä- ihn während seines Aufenthalts. tigkeiten führten ihn auch nach Nicara- Corning, der seine Augen am 12. Juli 2 Winkler entdeckte 2 weitere Spektrallinien des Indiums und ermittelte die physikalisch-chemischen Eigenschaften gua, Britisch-Guayana, Kanada, hier nach 1937 für immer schloss, hatte sich auch des Indiums und seiner wichtigsten Verbindungen. Er ver- Ontario, an den Sankt-Lorenz-Strom und schriftstellerisch betätigt. Von 1886 an glich sie mit den Angaben der Entdecker. Indium wird als zu den Goldfeldern von Neuschottland. verfasste er Abhandlungen in vielen Zeit- weißes Metall beschrieben, das in seinem Aussehen dem Platin ähnelt. Es ist äußerst weich und sehr duktil, Dichte Schließlich richtete er ein Büro als beraten- schriften, so in dem „Engineering and Mi- und Schmelzpunkt liegen bei den von Richter und Reich der Ingenieur in New York ein und wählte ning Journal“, im „Scientific American Re- angegebenen Werten. Winkler ging gleich diesen davon diese Stadt als ständigen Wohnsitz. cord“ oder im „Financial and Mining Re- aus, dass Indium im gelben Indiumoxid zweiwertig als InO vorliegt, so dass sich ein viel zu niedriges „Atomgewicht“ Als im Jahre 1921 von der Bergaka- cord“. Im Jahre 1889 gab er schließlich ergab. Erst nachdem mit der Einordnung des Indiums in demie Freiberg ein Aufruf zur Gründung dazu ein Buch mit dem Titel „Papers from die III. Hauptgruppe des seit 1869 bekannten Periodensys- einer „Gesellschaft der Freunde der Berg- the Notes of an Engineer“ heraus. Doch tems der Elemente die Dreiwertigkeit erkannt wurde, ergab akademie Freiberg“ in alle Welt erging, war das schönste schriftstellerische Zeugnis sich, von Indiumtrioxid (In2O3) ausgehend, annähernd der heute gültige Tabellenwert [14]. Corning einer der ersten „alten Freiberger“, ist sein Buch über seine Freiberger Stu-

14. Jahrgang 2007 99 Geschichtliches

Auszug aus dem Matrikelbogen mit eigenhändiger Unterschrift Cornings dienzeit: „A Student Reverie – An Album Manager unbedingt zwei Fremdsprachen of Saxony Days“ (frei übersetzt: Schwärme- erlernt haben, vorzugsweise Französisch Im Februar 1929 wurde er Ehrenmit- rische Gedanken eines Studenten – ein und Spanisch, wie Corning damals mein- glied des „American Institute of Mining Album der Erinnerungen an die Zeit in te. Der Vorteil für Freiberg wäre, dass man and Metallurgical Engineers“. Sachsen). Es wurde 1920 in New York he- dort „die sehr nützliche Gelegenheit“ hat, Im November 1932 wählte man ihn rausgegeben und umfasst 96 Seiten mit ein oder zwei Fremdsprachen zu erlernen, zum Mitglied des Senats der „School of 44 Abbildungen. Corning gibt in diesem nicht nur um wissenschaftlich epochema- Mines“ der Columbia University in New Buch ein umfassendes Bild der damali- chende Literatur lesen zu können, son- York. Da er mit ganz besonderer Liebe und gen Zeit in den vier Abschnitten: Freiberg – dern auch um Erfahrungen mit verschie- Treue an seiner alten Alma Mater hing, er- the City, Freiberg – the Mines, Freiberg – denen Nationalitäten auszutauschen und hielt er auch von ihr zwei hohe Auszeich- the Royal Mining Academy und Freiberg – Standpunkte zu diskutieren. nungen: Am 1. Juli 1922 ernannte ihn die the Freiberg life. Seine Ausführungen im Über die Universalität der damaligen Bergakademie für seine Verdienste um die Buch gipfeln im Bericht über die „König- Professoren auch aus sprachlicher Sicht Gesellschaft der Freunde der Bergakade- liche Bergakademie“. So schreibt er u. a.: führt Corning Folgendes aus: „Die Pro- mie und als Dank für das hervorragende „den Hauptgrund für die Einrichtung der fessoren Alfred Wilhelm Stelzner, Theo- Buch „A Student Reverie“ zu ihrem Ehren- berühmten Bergakademie 1765 sehe ich dor Richter, Albin Weisbach und Clemens bürger, eine Würde, die später in die eines vor allem in den Erfahrungen beim Berg- Winkler beherrschten mehrere Sprachen“. Ehrensenators umgewandelt wurde, und bau in der Freiberger Region“. Die Akade- Stelzner zum Beispiel sprach neben seiner am 16. März 1937 – kurz vor seinem 80. mie bezeichnete er als die älteste techni- Muttersprache noch Englisch, Französisch, Geburtstag – erhielt er von der Bergakade- sche Hochschule der ganzen Welt: „the ol- Spanisch und Portugiesisch. Corning be- mie die Würde eines Dr.-Ing. Ehrenhalber dest technical High College in the world“, hauptete gar, dass viele Professoren ihrer in Anerkennung seiner Pionierarbeit im als Ausgangspunkt aller Bergbauschulen Zeit weit voraus waren. Von Prof. Stelzner amerikanischen Bergbau und Metallhüt- der Welt. Corning führt Wissenschaftler an, berichtet er emphatisch, dass dieser auch tenwesen und seiner Verdienste um die die Weltruhm erlangten, wie Abraham einige Zeit Professor für Geologie und Mi- Förderung der deutschen Wissenschaft. Gottlob Werner, Johann Friedrich August neralogie an der Universität zu Córdoba In Cornings Dankschreiben an den Rektor Breithaupt, Julius Ludwig Weisbach und in Argentinien war, danach im Dienste heißt es unter anderem: „Die große Ehre, natürlich Clemens Winkler. Corning hebt der argentinischen Regierung dreieinhalb die mir Ihre berühmte Akademie anläßlich auch die Akademie als führend in der Jahre lang geologische Untersuchungen meines achtzigsten Geburtstages am sie- Welt in der Ausbildung hervor, mit einem des Landes vornahm, bevor er schließlich benundzwanzigsten März hat zuteil wer- Standard, den noch nicht einmal die USA nach Freiberg zurückkehrte. den lassen, ließ in mir unbeschreibliche erreicht hatten. An einer Stelle spricht er Fred Cornings weltweit hervorragen- Freude aufkommen … das liebe Freiberg gar von einer „completeness in education“ de Aktivitäten fanden Ausdruck in hohen in Vergangenheit und Gegenwart brachte (frei: Vollendetheit in der Ausbildung). Ehrungen und Auszeichnungen. Im No- viel Glück in mein Leben …“ Auch rühmt Corning die Praktika unterta- vember 1910 erhielt er von der Universität Cornings Ansinnen war es stets, den ge und stellt heraus, dass durch diese die Pittsburgh die Würde eines Ehrendoktors Ruf der Akademie in alle Welt zu tragen Ausbildung an der Akademie ihre „höchs- L.L.D. (Doctor of Laws). Im September 1928 und hochzuhalten. Für uns gilt es, die alte te Stufe“ und einen würdigen Abschluss wurde ihm von der deutschen Regierung Tradition der Freundschaft, des guten Zu- fand. in Berlin das Ehrenzeichen des Roten sammenlebens und der Kooperation mit Auffallend ist auch Cornings Denk- Kreuzes verliehen „in dankbarer Anerken- dem Ausland in bewährter Weise fortzu- weise über die Bedeutung der Sprachen nung der ausgezeichneten Dienste, die Sie setzen. bei der studentischen Ausbildung. Um in in Zeiten der Not dem wissenschaftlichen Ernst Menzel der weiten Praxis bestehen zu können, und akademischen Leben in Deutschland Quellenangaben sind im Internet zu finden unter: sollte der spätere Bergbauingenieur und erwiesen haben“. http://www.tu-freiberg.de/~vff/

100 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Carl Emanuel Löscher, der Erfinder der „Mammutpumpe“ vor über 200 Jahren

Carl Emanuel Löscher wurde am 27. Juli Die beschriebene Vorrichtung ist die 1750 zu Wiederau bei Mittweida geboren später als „Mammutpumpe“ bekannte und studierte ab 1775 an der Bergakade- Wasserhebungsmaschine und Löscher ist mie Freiberg. Nach beendetem Studium ihr Erfinder. Allerdings konnte er mit ihr arbeitete er bei Professor und Akademie- noch keine großen Förderhöhen überwin- inspektor Abraham Gottlieb Werner als den, da er nur mit seiner „Lungenkraft“, Mitarbeiter. In den Jahren 1785 bis 1793 mit dem Mund geblasen, arbeitete und stand er in Diensten des Grafen Thun in ihm keine Maschinen zur Erzeugung hö- Klösterle an der Eger als Bergmeister und heren Druckes zur Verfügung standen. Es Leiter des grundherrlichen Bergbaus, hat noch längere Zeit gedauert, bis seine kehrte anschließend nach Freiberg zu- geniale Idee in brauchbarem Maße in die rück. Er war Besitzer der Apotheke zum Praxis umgesetzt werden konnte. In den „Schwarzen Elefanten“ auf dem Ober- Anfängen des 19. Jahrhunderts geschah markt in Freiberg. dies in Amerika, wo man übrigens die Pri- Am 21. März 1813 starb C. E. Löscher orität Löschers anerkannt hat. In der Mitte an Typhus. Löscher hat mehrere Bücher des 19. Jahrhunderts erfolgte der Einsatz geschrieben, in denen er seine bergmän- des Lufthebeverfahrens in den Ölfeldern Zum Gedenken an nischen Erfahrungen niedergelegt und Pennsylvaniens. Auf der Weltausstellung eigene Erfindungen mitgeteilt hat. Am in Chicago 1892 hat eine derartige Ma- den 130. Geburtstag bemerkenswertesten ist die Erfindung ei- schine großes Aufsehen erregt. Außer nes „Aerostatischen Kunstgezeuges“ im zum Heben von Flüssigkeiten hatte das Otto Emil Fritzsches Jahre 1797, in dem er Versuche zu einer Prinzip große Bedeutung für das kräfti- ganz neuen Art der Wasserhebung be- ge Durchrühren großer Trübemassen er- Prof. Dr.-Ing. Otto Emil Fritzsche war einer schreibt. Er nahm eine 283 mm lange langt. Weiterhin hat es die Cyanidlaugerei der bedeutenden Hochschullehrer der und oben und unten 12 mm weite Röh- von Gold- und Silbererz in den Pachuca- Bergakademie Freiberg im letzten Jahrhun- re, steckte sie in ein mit Wasser gefülltes Tanks überhaupt erst ermöglicht. dert. In einer für seine Zeit vorbildlichen Gefäß und blies in diese von unten her Löscher war ein hochbegabter, fleißi- Weise hat er die schwierige Aufgabe, das durch eine nur 6 mm weite Röhre Luft ein. ger und erfahrener Experimentator. Die gesamte große Gebiet der Maschinenkun- Dabei stellte er fest, dass die in der ersten von ihm angestellten Versuche zeich- de an der Bergakademie in einer neuen vertikalen Röhre aufsteigenden Luftbla- neten sich durch Klarheit und Zielbe- Form übersichtlich unter Würdigung der sen eine große Menge Wasser förderten wusstheit aus. Er strebte immer einen besonderen Bedingungen des Bergbaus und nach oben ausgossen. optimalen Wirkungsgrad der untersuch- und Hüttenwesens zu lehren, hervorragend Auf diesen Gedanken wurde er durch ten Vorrichtungen an. Seine Erfindungen gelöst. Seine Lehrveranstaltungen reichten eine Beobachtung gebracht, welche er in zeugen im Rahmen der damaligen Zeit von den Vorlesungen über Technische den engen Schächten des damaligen Erz- von seltener Selbständigkeit des Denkens Wärmelehre, über Maschinenelemente so- bergbaues gemacht und in seinen Schrif- und Handelns und von genialer Schaf- wie über die Behandlung der Kraft- und ten, die historisch bergmännischen Cha- fenskraft. Arbeitsmaschinen bis zu den praktischen rakter trugen, bereits 1786 erwähnt hatte. Gerd Grabow Gebieten des Maschinenzeichnens und der Maschinenuntersuchungen. Otto Fritzsche wurde am 5. Mai 1877 in Berlin geboren. Nach der vierklassigen Grundschule besuchte er neun Jahre das Realgymnasium der Stadt Essen, das er im Jahre 1896 mit dem Reifezeugnis ab- schloss. Er hatte sich entschlossen, Ma- schineningenieur zu werden. Das hierfür erforderliche Vorpraktikum absolvierte er in den Werkstätten der Firma Krupp. Wie ernst er es mit seiner praktischen Ausbil- dung nahm, ist daraus zu erkennen, dass er seine Praktikantentätigkeit über die normale Zeit noch um ein halbes Jahr ver- längerte. Erst zweieinhalb Jahre nach dem Abitur kam er 1898 zum Studium nach Dresden an die Technische Hochschule. Die Zeit seines Studiums in Dresden so-

14. Jahrgang 2007 101 Geschichtliches wie auch die anschließende Assisten- tes übergeben wurde. Otto Fritzsche hat ten. Die Sammlung geschichtlich wertvol- tenzeit bis 1906 war mit ernster, eifriger sehr viel zur Entstehung und Zusammen- ler Maschinen wurde auf der Grube „Alte Arbeit, aber auch frischer Lebensfreude arbeit mit Organisationen und Interessen- Elisabeth“ aufgestellt und umfasst eine erfüllt. Von seinen Lehrern zog ihn am verbänden der Industrie beigetragen. In betriebsfähige Balancier-Dampfmaschine, meisten Richard Mollier an, der Nachfol- die Rektoratszeit Fritzsches fällt auch die eine sogenannte Wassersäulenmaschine, ger Zeuners, dessen anschaulicher und Gründung der „Gesellschaft der Freunde ein Kastengeb1äse sowie ein großes ste- formvollendeter Vortrag ganz den Anla- der Bergakademie Freiberg“. hendes 3-kurbeliges Zylindergebläse, das gen und dem Ideal Fritzsches entsprach. Fritzsche war der geborene Lehrer, der sogenannte „Schwarzenberg-Gebläse“. Am 21. Dezember 1906 schloss Fritzsche nicht nur die Fähigkeit besaß, die wesentli- Otto Fritzsches technischgeschichtli- sein Promotionsverfahren zum Dr.-Ing. an chen Gesetzmäßigkeiten und Zusammen- ches Lebenswerk war progressiv. Die von der TH Dresden mit Auszeichnung ab und hänge maschinentechnischer Konstruktio- ihm geretteten historischen Maschinen beendete gleichzeitig seine Assistententä- nen sowie ihre Betriebseigenschaften klar bilden bis zur Gegenwart wichtige Po- tigkeit. Im April 1906 trat er in die Diens- zu erkennen, sondern dazu auch noch die sitionen in Konzeption und System der te der Firma Krupp. Nach mehrjähriger Gabe, sie in einer außerordentlich leben- technischen Denkmale. Zukunftsweisend erfolgreicher praktischer Tätigkeit wurde digen und einprägsamen Darstellung in war auch seine Grundhaltung, die techni- Otto Fritzsche am 1.10.1910 mit 33 Jahren Wort und Bild vorzutragen. Die geschicht- schen Denkmale nicht um ihrer selbst wil- als ordentlicher Professor für Mechanik liche Entwicklung der Bergakademie, die len zu erhalten, sondern sie zur Formung und Maschinenkunde an die Bergakade- Entwicklung des Maschinenbaus sowie eines Traditionsbewusstseins zu nutzen. mie Freiberg berufen. Vom Wintersemes- besonders die maschinentechnische Ent- In seinem letzten Lebensjahrzehnt befass- ter 1920 bis zum Sommersemester 1922 wicklung des Bergbaus und Hüttenwe- te er sich als Emeritus stärker mit biogra- war Fritzsche Rektor magnificus der Berg- sens in Sachsen boten ihm reichhaltiges phischen Arbeiten zur Technikgeschichte, akademie Freiberg. Sein Amtsantritt stand Material für seine historischen Studien allerdings stets mit dem Anliegen, die In- auch deshalb unter einem guten Stern, und wissenschaftlichen Arbeiten. genieurtätigkeit der betreffenden Wissen- weil bei der Rektoratsübergabe am 30. Ok- Das größte Verdienst Fritzsches auf dem schaftler zu analysieren. Am 2. Oktober tober 1920 vom Vertreter der sächsischen Gebiet der Historie ist sein Bemühen, Zeu- 1962 schloss Prof. Dr. Otto Fritzsche im Al- Landesregierung die Urkunde zur Verlei- gen und Marksteine der maschinentech- ter von 85 Jahren seine Augen für immer. hung des selbständigen Promotionsrech- nischen Entwicklung als solche zu erhal- Gerd Grabow

bei der Umsetzung dieser gewonnenen Zum Gedenken an Erkenntnisse für den zukünftigen Einsatz der Absolventen in der Industrie. den 100. Geburtstag Schon frühzeitig erkannte Prof. Beck die Bedeutung der Hydraulik und Pneu- von Werner Beck matik für die an der Bergakademie auszu- bildenden Diplomingenieure. In mehr als Im Herbst 1954 erfolgte die Berufung von 20 Jahren seiner Hochschullehrertätigkeit Dr.-Ing. Werner Beck zum Dozenten für hatte er einen maßgeblichen Anteil an der Strömungsmechanik an die damalige maschinentechnischen Ausbildung von Fakultät für Hüttenwesen der Bergakade- über 1.500 Studenten. Er hat in dieser Zeit mie Freiberg. Anfang 1958 wurde er zum 25 Dissertationen und Habilitationen be- Professor mit vollem Lehrauftrag berufen. treut bzw. hierfür eine Gutachtertätigkeit Neben der Ausbildung der Studierenden ausgeübt. im Fach Technische Strömungsmechanik Der Schwerpunkt seiner wissenschaftli- übernahm Prof. Beck auch die Vorlesun- chen Arbeiten lag auf dem Gebiet des hy- gen über Maschinenkunde für die Fach- draulischen und pneumatischen Feststoff- richtungen der Fakultät Hüttenwesen und transportes in horizontalen und vertikalen die Lehrveranstaltungen Turboarbeits- und Rohrleitungssystemen für die unterschied- Kraftmaschinen für die Fachrichtung Berg- tanistischen Industrie, zu wecken. Er hat lichsten Fördergutarten. Wesentliche Teile baumaschinen. Seine Bestrebungen wa- es verstanden, das Ausbildungsniveau für seiner Vorlesungen hat er als Lehrbriefe ren stets darauf gerichtet, den Studieren- die von ihm zu vertretenden Fachgebie- und auch als Lehrbuch veröffentlicht. In den sowohl Kenntnisse und Erfahrungen te so zu gestalten, dass der Studierende über 20 wissenschaftlichen Arbeiten und zum praktischen Einsatz der verschiede- mit dem erworbenen Grundwissen stets über 100 Berichten zur Strömungsmecha- nen Fluidenergiemaschinen zu vermitteln in der Lage war, den im späteren prakti- nik hat er seine Ergebnisse in Fachzeit- als auch sie in die konstruktive Gestaltung schen Einsatz gestellten Forderungen be- schriften publiziert. von Strömungsmaschinen einzuführen, züglich der Lösung bestimmter Aufgaben Als engagierter Hochschullehrer hat ihnen das Rüstzeug zu geben, um mit der voll zu entsprechen, d. h. er fand immer sich Prof. Beck auch nach seiner Emeritie- Sprache des Technikers, des Konstrukteurs ein gesundes Mittelmaß zwischen dem rung im Rahmen der Traditionspflege an das Verständnis für die vielschichtigen notwendigen theoretischen Erkenntnis- der Bergakademie in verschiedenen Fach- Probleme des Maschinenbaus, ausgerich- stand für die verschiedenen Fachdiszipli- gremien, in denen Fragen der historischen tet auf die speziellen Belange der mon- nen und den praktischen Erfordernissen Entwicklung des Montanwesens, vor al-

102 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg lem auf dem Gebiete des Maschinenbaus ständiges Bedürfnis, Beiträge zur Traditi- und Forschung an der Bergakademie zu behandelt wurden, tatkräftig eingesetzt. onspflege zu leisten. leisten, sollen an dieser Stelle besonders Bereits im Jahre 1956, anlässlich des 150. Bis zu seinem Tode nahm er regen hervorgehoben werden und verdienen Re- Geburtstags von Julius Ludwig Weisbach, Anteil am wissenschaftlichen Leben der spekt. Freunde, Kollegen, Mitarbeiter und war er maßgebend an Vorbereitung und Bergakademie und führte fakultative Lehr- Studenten haben Prof. Beck als engagier- Durchführung des Ehrenkolloquiums be- veranstaltungen für Studierende des Fach- ten Maschinenbauer und integren Men- teiligt. Von ihm wurde ein Freiberger For- bereichs Maschinenbau und Energietech- schen schätzen gelernt. Alle die ihn kann- schungsheft (Festschrift) gestaltet, welches nik durch. ten und mit ihm zusammengearbeitet ha- das Wirken von Weisbach als Wissen- Seine Aktivitäten und Bemühungen, ben, werden seiner stets mit Hochachtung schaftler und Lehrer an der Bergakademie einen Beitrag zur Lösung der vielseitigen gedenken. Freiberg zum Inhalt hat. Für Beck war es Aufgaben auf dem Gebiete der Bildung Gerd Grabow

Friedrich Emil Heyn wurde am 8. Juli zwei Jahren, im November 1892 wechsel- Matrikel-Nr. 3440: 1867 als Sohn des Bergmannsschneiders te er zum Bergwerks- und Hüttenverein in Wilhelm Emil Heyn in Annaberg geboren. Hörde/Westfalen, zunächst als Chemiker Friedrich Emil Heyn Bereits 1872 übersiedelte die Familie Heyn und ab Herbst 1893 bis Ende 1894 als In- nach Freiberg, so dass der Sohn seine genieur und Konstrukteur für den Aufbau Am 5. Dezember 1921 wurde in Neubabels- Schulbildung in Freiberg erhielt (Knaben- zweier Hochofenanlagen. berg das Kaiser-Wilhelm-Institut für Me- bürgerschule 1874 – 1881 und Städtisches Im November 1894 folgte Heyn einem tallforschung1 seiner Bestimmung über- Realgymnasium 1881 – 1886). Sicher an- Ruf an die Königliche Oberrealschule in geben, die sein geistiger Vater und erster geregt durch seine kurzzeitigen prakti- Gleiwitz, um dort bis März 1896 die Fä- Direktor Emil Heyn anlässlich dieses Er- schen Tätigkeiten in Hüttenwerken der cher Chemie, Physik, Kristallographie und eignisses mit folgenden Worten benannte: Region nahm Emil Heyn am 4. Mai 1886 Hüttenkunde zu unterrichten. Diese Zeit „Man muss die Vorgänge und Erscheinun- ein Studium der Eisenhüttenkunde an war sicher gut geeignet, seine didakti- gen bei der Herstellung und Verarbeitung der Bergakademie auf (Matrikel-Nr. 3440). schen Fähigkeiten zu vervollkommnen, der Metalle und Legierungen unter Be- Diese Wahl wird auch verständlich, wenn Möglichkeiten für Forschungsarbeiten rücksichtigung ihrer bestmöglichen Ver- man bedenkt, dass sich in dieser Zeit die waren jedoch zu seinem Leidwesen kaum wendung in der Technik wissenschaftlich deutsche wie auch die europäische Stah- gegeben. Das änderte sich auch nicht untersuchen.“ lindustrie in einer stürmischen Entwick- grundsätzlich, als er an die neue Königli- Ersetzt man in dieser Formulierung lungsphase befand und zudem der ent- che Oberschlesische Maschinenbau- und „Metalle und Legierungen“ einfach durch sprechende Ordinarius an der Bergaka- Hüttenschule am gleichen Orte wechselte, „Werkstoffe“, so ist das bis zum heutigen demie, Carl Friedrich Adolf Ledebur, einen an der er bis März 1898 die bereits ge- Tag und sicher auch zukünftig eine sehr ausgezeichneten Ruf als Lehrer und For- nannten Fächer vertrat. Verständlich also, treffende Beschreibung dessen, was ein scher nicht nur in Deutschland genoss. dass Heyn, vermittelt durch seinen aka- Werkstoffingenieur zu leisten hat. Nur we- Dem Studenten Heyn werden Bega- demischen Lehrer Ledebur, eine Assisten- nig später, am 1. März 1922 verstarb Emil bung, Ernsthaftigkeit und Fleiß beschei- tenstelle bei Adolf Martens, dem Leiter der Heyn, knapp fünfundfünfzigjährig und da- nigt, seine Prüfungen bestand er mit aus- Mechanisch-Technischen Versuchsanstalt mit viel zu früh. Die Fachwelt, und nicht gezeichneten Prädikaten und im Dezember der Königlichen Technischen Hochschule nur die deutsche, hatte damit eine für die 1890 schloss der Dreiundzwanzigjährige Berlin-Charlottenburg antrat. Der 17 Jahre Entwicklung der Metallographie bzw. der sein Studium sehr erfolgreich als Eisenhüt- ältere Martens hatte sich große Verdienste Metallkunde äußerst bedeutsame Wis- teningenieur ab. Interessant erscheint auch, um die Entwicklung der Materialprüfung, senschaftlerpersönlichkeit verloren, deren dass er im Frühjahr 1890 in Zschopau beim insbesondere aber der Metallographie auf Wirken tiefe Spuren bis in die heutige Zeit Preis-Stenographieren des Königlichen Ste- der Grundlage lichtmikroskopischer Un- hinterlassen hat. nographischen Institutes den ersten Preis tersuchungen erworben, wobei die Un- Mindestens einmal im Jahr bietet der (80 – 100 Worte pro Minute !) gewann. Be- tersuchung von Stählen im Mittelpunkt Name Heyn Gesprächsstoff in den Kreisen reits in seiner Freiberger Studienzeit be- seiner Arbeiten stand. Als Leiter der Ab- der Fachleute, nämlich dann, wenn die gann er, sich für das neue technische Fach- teilung Metallographie widmete sich Emil Deutsche Gesellschaft für Materialkun- gebiet der Metallographie zu interessieren, Heyn nicht nur der methodischen Weiter- de (DGM) ihre höchste und international dessen Entwicklung in Deutschland durch entwicklung der noch in den Anfängen sehr geachtete Auszeichnung, die Heyn- die Arbeiten von Adolf Martens stark geför- steckenden Metallographie (Präparation Denkmünze an einen herausragenden dert wurde. Man sagt, dass damals dieses und Mikroskopiertechnik), sondern auch Materialwissenschaftler verleiht, doch we- Interesse Heyns nicht unbedingt von Lede- einer verallgemeinernden Bewertung der nige wissen, dass damit gleichzeitig eines bur geteilt wurde. mit dieser neuen Methode erzielbaren Mannes gedacht wird, dessen Wurzeln in Seine fast 18 Jahre währende Freiber- Resultate. Das zeigt sich schon in seiner Freiberg zu suchen sind. ger Zeit endete damit, dass er im Januar ersten Berliner Veröffentlichung mit dem 1891 eine Tätigkeit als Ingenieur bzw. La- Titel „Mikroskopische Untersuchungen an 1 Dieses Institut musste Anfang der dreißiger Jahre aus borant in den Chemischen Laboratorien tiefgeätzten Eisenschliffen“, in der auch finanziellen Gründen schließen, wurde aber 1934 in der Gussstahlwerke der Krupp-AG in Es- das von ihm entwickelte und heute noch Stuttgart abermals gegründet und präsentiert sich heute als Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart- sen aufnahm. Hier begannen wohl seine gebräuchliche Ätzverfahren zur Detektion Büsnau. ersten metallographischen Arbeiten. Nach von Phosphorseigerungen beschrieben

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Sein Maßstäbe setzender Arbeitsstil ist den soll in diesem Zusammenhang, dass dadurch gekennzeichnet, dass er ausge- auch der damalige Freiberger Professor für hend von praktischen Fragestellungen die Metallographie Robert Willy Heike zu den Probleme so scharfsinnig und tiefgrün- vier Hochschulvertretern bei der Grün- dig bearbeitete, dass neben einer prak- dungsversammlung dieser Gesellschaft tisch verwertbaren Lösung auch immer zählt. Heute firmiert diese Gesellschaft als ein verallgemeinernder Erkenntnisgewinn „Deutsche Gesellschaft für Materialkunde erreicht wurde. Die von ihm bearbeiteten (DGM)“, und sie ist die bedeutendste wis- Themen waren vielfältig: Gefügebildungen senschaftlich-technische Gesellschaft für in Stählen, Eigenspannungen in Werkstü- das breite Gebiet der Materialwissenschaf- cken nach Wärmebehandlungen, Einfluss ten im deutschsprachigen Raum. Den Hö- von Verformungen und anschließenden hepunkt seiner beruflichen Tätigkeit stellte Wärmebehandlungen auf das Gefüge und aber die eingangs bereits erwähnte Beru- die Eigenschaften, Härten und Anlassen fung zum Direktor des zu gründenden Kai- von Stählen, Korrosions- und Löslichkeits- ser-Wilhelm-Institutes für Metallforschung verhalten von Eisen und Stählen, Kupfer- in Neu-Babelsberg dar. Es war ihm jedoch und Aluminiumlegierungen, Lagermetalle, nur kurze Zeit vergönnt, dieses nach sei- Wärmeleitfähigkeit von Feuerfestmateriali- ner Einrichtung auch tatkräftig zu leiten. en, Wirkung von Kerben auf mechanische Eine zu spät erkannte Gesichtsrose führte Eigenschaften, technische Schadensfälle. am 1. März 1922 zu seinem Tode. Besonders verdienstvoll sind seine Arbei- Carl Schiffner schreibt in seinem Buch ist (Heynsches Ätzmittel). 1903 erschien ten zum Verständnis des stabilen und me- „Aus dem Leben alter Freiberger Bergstu- im Verlag Craz & Gerlach in Freiberg sein tastabilen Systems Eisen-Kohlenstoff, d. h. denten“ in Band 1 über Emil Heyn: „Dieser Buch „Die Metallographie im Dienste der zur Aufklärung des Doppeldiagramms Ei- (Heyn) war einer jener seltenen Forscher, Hüttenkunde“, mit dem es Heyn gelang, sen-Graphit und Eisen-Zementit. die voll neuer und origineller Ideen neben das Potenzial der Metallographie für tech- 1909 erscheint in erster Auflage und in tiefgründigem theoretischem Wissen und nologische Entwicklungen im Bereich der Zusammenarbeit mit Oswald Bauer (Frei- großer Gelehrsamkeit außerordentlich metallischen Werkstoffe aufzuzeigen und berger Absolvent der Eisenhüttenkunde praktische Kenntnisse mit Sinn für die Be- damit diese als wichtige betriebliche Un- 1901, Matrikel-Nr. 4090) im Rahmen der dürfnisse der Industrie besitzen und da- tersuchungsmethode zu etablieren. Die Sammlung Göschen der weitverbreite- durch berufen sind, auf jedem Gebiet, mit Heynschen Arbeiten begründeten nicht te Klassiker „Metallographie – Kurze ge- dem sie sich befassen, bahnbrechend zu nur den Siegeszug der Metallographie an meinfassliche Darstellung der Lehre von wirken.“ Die Bergakademie Freiberg berei- Technischen Hochschulen2 und in der In- den Metallen und Legierungen unter be- tete ihn offensichtlich erfolgreich auf je- dustrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sonderer Berücksichtigung der Metall- nes Gebiet vor, in dem Emil Heyn tatsäch- sondern erweiterten diese in ihrem Inhalt mikroskopie“ in zwei Bänden. Wohl von lich bahnbrechend wirkte, nämlich auf und ihrer Zielstellung so beträchtlich, dass noch größerer Bedeutung dürfte der 1912 dem Gebiet der Materialwissenschaft im man sie nicht mehr nur als eine wissen- beim Springerverlag Berlin verlegte zwei- heutigen Sinne. schaftliche Methode, sondern vielmehr te Band des von Adolf Martens begrün- Erwähnt werden muss noch, dass Emil als eine technische Wissenschaftsdiszip- deten „Handbuches der Materialienkun- Heyn auf der Brüsseler Weltausstellung lin verstand. Die Metallographie mauserte de für den Maschinenbau“ mit dem Titel 1910 den „Großen Preis“ in der Sektion sich insbesondere dank des erfolgreichen „Die technisch wichtigsten Eigenschaften „Metallographie“ zuerkannt bekam. 1921 Wirkens von Heyn zur Metallkunde. der Metalle und Legierungen“ sein. Bei- verlieh ihm die Bergakademie Clausthal- Emil Heyn machte rasch Karriere: Un- de Werke wurden wegen ihrer Bedeutung Zellerfeld die Würde eines Doktor-Inge- ter Martens Sonderbeauftragter für den auch nach dem Tode Heyns von seinen nieurs ehrenhalber. Seit 1929 vergibt die Bau des Königlichen Materialprüfamtes in Kollegen O. Bauer bzw. E Wetzel noch lan- Deutsche Gesellschaft für Metallkunde Groß-Lichterfelde West (heute Bundesan- ge Zeit weitergeführt. die hochgeschätzte „Emil-Heyn-Denkmün- stalt für Materialprüfung, BAM) und nach Emil Heyn hat sich neben seinen rein ze“ an herausragende Wissenschaftler des dessen Fertigstellung ab 1904 Direktor wissenschaftlichen auch bemerkenswerte Fachgebiets. Ihr erster Preisträger war der der Chemisch-Physikalischen Abteilungen organisatorische Verdienste erworben: Er Göttinger Physico-Chemiker Gustav Tam- und der Metallographie, 1900 Habilitation zählt zu den Gründern der „Gesellschaft mann, dem zusammen mit Emil Heyn und 1901/02 Berufung zum Professor für Deutscher Metallhütten- und Bergleute“, das Verdienst zuzuschreiben ist, das Fach- „Allgemeine mechanische Technologie“ eine wissenschaftlich-technische Vereini- gebiet der Metallkunde im deutschen an der TH Berlin-Charlottenburg. Diese gung, die noch heute äußerst aktiv ist. Im Sprachraum in seiner Entstehungsphase Doppelfunktion, Hochschullehrer an der Rahmen dieser Gesellschaft formierte er entscheidend geprägt zu haben. TH und Direktor am Materialprüfamt, ver- einen Fachausschuss Metallverarbeitung, Die Stadt Annaberg gedachte auf Initia- schaffte ihm ein sehr breites Betätigungs- der zur Keimzelle für eine weitere Gesell- tive von Dr. Wolfgang Piersig am 6. und 7. feld, forderte von ihm aber auch eine au- schaft wurde: Am 27. November 1919 wur- Juli dieses Jahres in Zusammenarbeit mit ßergewöhnliche Arbeitsleistung. de besonders auf Initiative von Emil Heyn der Deutschen Gesellschaft für Material- die „Deutsche Gesellschaft für Metallkun- kunde mit einem Festkolloquium des 140. 2 Beispielsweise erweiterte Prof. Robert Willy Heike das Metallographische Laboratorium der Bergakademie 1916 de“ gegründet, zu deren erstem Vorsit- Geburtstages von Friedrich Emil Heyn. zum Institut für Metallographie. zenden er gewählt wurde. Bemerkt wer- Heinrich Oettel

104 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Gustav Anton Zeuner – Lehrer, Forscher, Organisator Zum 100. Todestag des hervorragenden deutschen Wissenschaftlers der Mechanik und Maschinenkunde

Am 17. Oktober 2007 jährt sich zum 100. lung haben bis in die Gegenwart volle Tätigkeit als Direktor Technischer Schu- Mal der Todestag von Gustav Anton Zeu- Gültigkeit. Er bot eine ausgewogene wis- len wider. Hierin zeigt sich seine Befähi- ner, eines der hervorragendsten deutschen senschaftlich fundierte und überzeugend gung für die akademische Verwaltungsar- Wissenschaftler auf dem Gebiet Mechanik dargelegte Vorlesung, hinter der er mit der beit. Nach siebenjähriger Direktorentätig- und Maschinenkunde. Autorität seiner Persönlichkeit stand und keit in Zürich am Polytechnikum folgte er Zeuner wurde am 30. November 1828 in mit deren Inhalt er sich identifizierte. 1871 einer Berufung als Direktor an die Chemnitz geboren. Er erhielt an der dorti- Sein größtes Verdienst und seinen be- Bergakademie Freiberg und 1873 als Di- gen Gewerbeschule seine mathematisch- deutendsten Erfolg stellen seine wissen- rektor an das Königliche Polytechnikum naturwissenschaftliche Grundausbildung. schaftlichen Schriften dar. Sie haben Zeu- Dresden. Bis 1875 leitete er beide Schu- An der Bergakademie Freiberg studierte er ners Namen in der gesamten Fachwelt des len gleichzeitig. Die Reformen, die Zeuner von 1848 bis 1851 und war hier ein Schü- In- und Auslandes zu hohem Ansehen ge- während seiner Amtszeit als Direktor an ler Weisbachs. 1853 promovierte Zeuner bracht. Die ersten Arbeiten Zeuners lagen der Bergakademie Freiberg durchgeführt an der Universität Leipzig über eine phy- auf dem Gebiet der Hydraulik. Er schrieb hat, waren von ausschlaggebender Be- sikalische Abhandlung zu Foucaultschen in den Jahren 1854 bis 1858 Abhandlun- deutung für die Hochschulgeschichte. Es Pendelversuchen. Er übernahm 1855 eine gen über Turbinen, Wasserräder und den ging um eine völlige, das ganze akademi- Professur für Technische Mechanik und Wasserausfluss. sche Leben umfassende Reorganisation. Theoretische Maschinenlehre an dem Mit den Schieber- und Kulissensteu- Er führte diese Reform innerhalb weniger neugegründeten Eidgenössischen Poly- erungen begann sich Zeuner 1856 zu Jahre mit großem Erfolg durch. Als wichti- technikum in Zürich. 1871 folgte er einer beschäftigen. 1858 erschien sein Buch ge Bestandteile sind u. a. zu nennen: Berufung an die Bergakademie Freiberg über die „Schiebersteuerungen“, in dem 1. Die Bergakademie erhielt 1872 ein und übernahm den Lehrstuhl seines am er als erster die graphische Behandlung eigenes Statut und damit erstmalig in ihrer 24. Februar verstorbenen Lehrers Julius der Schieberbewegung in erschöpfender Geschichte eine selbständige Verfassung. Ludwig Weisbach. Im Mai 1873 wurde ihm und praktisch brauchbarer Weise ausge- 2. Die Disziplinarbehörde wurde aufge- die Leitung des Lehrstuhls für Mechanik führt hat. Die sogenannten „Zeunerschen hoben und durch den akademischen Se- und Theoretische Maschinenlehre am Po- Schieberdiagramme“ fanden in der gan- nat ersetzt. lytechnikum in Dresden übertragen. Zeu- zen Welt eine rasche Verbreitung und wa- 3. Das Statut stellte die Gleichheit aller ner starb in Dresden am 17. Oktober 1907 ren bald ein unentbehrliches Hilfsmittel Studenten nach dem Prinzip der Studien- im Alter von 78 Jahren. für den Konstrukteur. freiheit her. Zeuners Leben zeichnete sich durch Von den Arbeitsgebieten Zeuners ist 4. Die Unterscheidung in Stipendiaten drei markante Merkmale aus, die eines die Mechanische Wärmetheorie am wich- und auf eigene Kosten Studierende sowie hervorragenden Hochschullehrers, eines tigsten. Er kann als Schöpfer der Techni- in In- und Ausländer fiel grundsätzlich im In- und Ausland anerkannten Wissen- schen Thermodynamik angesehen wer- weg. schaftlers und eines befähigten Organi- den. Frühzeitig hat Zeuner die grundle- Mit diesem Reformwerk hatte Zeuner sators. Seine pädagogisch-erzieherischen genden Arbeiten von Carnot, W. Thomson, ein Fundament geschaffen, auf dem die Leistungen sind dadurch charakterisiert, Rankine und anderen sowie die Versuche Bergakademie Freiberg weiter aufbauen dass er mit unübertrefflicher Klarheit und von Joule, Hirn und Regnault in sich auf- konnte. In Würdigung seiner hohen wis- Anschaulichkeit wissenschaftlich-techni- genommen und ihre große Bedeutung für senschaftlichen Leistungen, seiner Lehr- sche Probleme allseitig entwickelte und die Maschinentechnik erkannt. befähigung sowie seiner Verwaltungstä- in knapper und eleganter Form mathema- Die außerordentliche Vielfältigkeit der tigkeit erhielt Zeuner zahlreiche Ehrungen tisch einkleidete, wobei er durch die Leb- wissenschaftlichen Leistungen Zeuners und Auszeichnungen des In- und Aus- haftigkeit und Beweglichkeit seines We- kann auch durch seine Arbeiten auf dem landes. Er war Ehrendoktor der Universi- sens die Studenten in seinen Vorlesungen Gebiet des Versicherungswesens und der tät Bologna, der Technischen Hochschule begeisterte. Er bediente sich in seinen Vor- Statistik dokumentiert werden. Durch eine Dresden, Mitglied zahlreicher Akademi- trägen einer einfachen und klaren Spra- Gutachtertätigkeit über die Knappschafts- en der Wissenschaften, z. B. der in Paris, che. Seine mathematischen Ableitungen kasse für das Freiberger Oberbergamt im Mailand, Turin, Rom, Stockholm und Mos- waren kurz und stellten keine hohen An- Jahre 1853 beschäftigte er sich einge- kau. Zeuner lieferte in seiner Zeit einen sprüche an die Vorkenntnisse der Hörer. hend mit dem von der Technik etwas ab- bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Bei der Vermittlung des Wissens ging seits stehenden Problemkreis. Zeuner war Technischen Wissenschaften, vor allem er stets von den in der Praxis bestätigten der erste, der an seiner Hochschule über der „Technischen Wärmelehre bzw. Ther- Ergebnissen aus und gewann damit hohe diesen Gegenstand Vorlesungen gehalten modynamik“ und zur Einführung neuer Anerkennung und gleichzeitig ein gro- hat. 1869 erschien das vielbeachtete Buch Bildungsinhalte und Organisationsstruk- ßes Vertrauen bei seinen kritischen Stu- „Abhandlungen aus der mathematischen turen im Hochschulwesen. Sein wissen- denten. Die von Zeuner eingenommene Statistik“. Er kann unter die Begründer die- schaftliches Schaffen gehört mit zu den Grundposition zur Anwendung effektiver ser Wissenschaft eingereiht werden. Seine Grundlagen des technischen Fortschritts Lehrmethoden und damit zur Wahrung reformatorisch-organisatorischen Leistun- der Gegenwart. einer praxisnahen Wissenschaftsvermitt- gen spiegeln sich in seiner 25-jährigen Gerd Grabow

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und der Verfassung bey dem Bergbaue in Alexander Wilhelm Köhler Chursachsen und dazugehörigen Landen zur Grundlage bey Vorlesungen“, der gera- Lehrer für Bergrecht und deutschen Stil an der Bergakademie de erst von Köhler verfasst worden war, zu Grunde gelegt werden.10 Dem Sekretär des „… welchergestalt mir zu meinen Wi- sucht Köhler das Gymnasium zu Freiberg. Oberbergamtes eröffnen sich damit weit- ßenschafften, so ich zu erlernen bemü- 1773 beginnt Alexander Wilhelm Köhler gehende berufliche Entwicklungsmöglich- het bin, auch die Berg-BauKunst und der sein Studium an der Bergakademie u.a. keiten. Unterricht in der Mathematik besonders gemeinsam mit dem etwa gleichaltrigen, Aus der für die zukünftige Lehrtätig- unentbehrlich seyn will …“ 1 jüngsten Sohn des kursächsischen Ober- keit Köhlers verabschiedeten oberberg- Am 23. Dezember 1832 – also ziemlich forstmeisters auf Bärenfels, Ernst Friedrich amtlichen Instruktion wird die ausgespro- genau vor 175 Jahren – starb in Freiberg Carl von Schirnding, der später bis zum chene Praxisbezogenheit der Rechtsaus- der ehemalige Lehrer für Bergrecht und Bergkommissionsrat im Oberbergamt auf- bildung an der Bergakademie besonders „deutschen Styl“, Alexander Wilhelm Köh- steigen wird, und dem ein Jahr jüngeren Jo- deutlich. Köhler darf seinen Unterricht da- ler. Obwohl Köhler über 35 Jahre an der hann Friedrich Lempe aus Weida im Vogt- bei keineswegs so gestalten, „wie sonst für Bergakademie tätig war und sich dessen land, dem zukünftigen hiesigen Professor Personen, welche schon die Rechte stu- Name so häufig wie kaum der eines an- für Mathematik und Physik. Auch Johann dirt, oder sich zum Studio derselben … deren bergakademischen Lehrers in den Simon Benjamin Sieghard, ab 1785 „wirk- vorbereitet haben“ üblich, sondern der Akten des Universitätsarchivs erhalten hat, licher Zeichenmeister“ der Bergakademie, Lehrer für Bergrecht soll darauf bedacht sind Leben und Wirken Köhlers bis heute ist ein Studienkollege Köhlers. sein, dass die Bergakademisten meist zu relativ unbekannt geblieben. Wer war die- In seinem Aufnahmegesuch vom 10. Steigern, Schichtmeistern, Geschworenen ser Mann, dessen Geburtstag sich im ver- März 1773 bringt Alexander Wilhelm Köh- oder ähnlichem ausgebildet werden. Des- gangenen Jahr zum 250. Mal jährte und ler zum Ausdruck, dass ihm für seine halb hat er vor allem „die Berggesetze und über den sich in der Literatur doch so we- Studien „… die Berg-BauKunst und der was bey derg[leichen] Funktionen zu wis- nig in Erfahrung bringen lässt? Unterricht in der Mathematik besonders sen nöthig, und nützlich ist, bekannt und Als am 5. Februar 1756 dem königlich- unentbehrlich seyn will …“ 5. Da das Ober- verständlich …“ zu machen und sich vor polnischen und kurfürstlich-sächsischen bergamt das Gesuch Köhlers befürwortet, allem den dabei vorkommenden Gegen- Bergmeister zu Freiberger, Johann Samuel genehmigt Kurfürst Friedrich August durch ständen wie „Schürffen, Muthen, Bestäti- Köhler2, und dessen „Eheliebster“, Christi- Reskript vom 29. Mai 1773 die Zulassung gen von höchsten Landesherrlichen Ge- ane Elisabeth, geb. „Bormannin“, ein Sohn Köhlers zum Studium an der Bergakade- rechtsamen, Zehenden“ zu widmen.11 Am geboren wird, trifft der Vater bereits Vorsor- mie6, an der dieser bis 1775 verbleibt. 21. Juni 1786 schwört Köhler einen Eid, in ge für die spätere berufliche Entwicklung Zwischen 1775 und 1778 finden wir welchem er sich zur Einhaltung der ihm des Kindes. Denn keine Geringeren als der Köhler dann auf der Universität Leipzig, wo durch die Instruktion übertragenen Aufga- damalige Oberberghauptmann Curt Ale- er u. a. Jura und Philosophie studiert. Im ben verpflichtet.12 Noch am gleichen Tag xander von Schönberg auf Oberschöna, Oktober 1778 nach Freiberg zurückge- wird der Lehrstuhl für Bergrecht eröffnet Magdalena Eleonora, geb. von Boxdorf, kehrt, ist Köhler zunächst (1779) Auditor und Köhler durch den Berghauptmann eine verwitwete Reichsgräfin von „Schön- (Zuhörer) und Protokollführer im Oberhüt- Benno von Heynitz in seine neue Funk- bourgk“, sowie Friedrich Wilhelm von Op- tenamt, ab etwa März 1780 Expedient im tion eingewiesen; unmittelbar daran an- pel, seit 1755 kurfürstlich-sächsischer Berg- Freiberger Oberbergamt.7 schließend hält Köhler seine Antrittsvor- hauptmann, später (ab 29. Oktober 1763) Mit der Berufung Alexander Wilhelm lesung.13 Oberberghauptmann, fungieren als Tauf- Köhlers zum Sekretär des Oberbergamtes Ein Jahr darauf, 1787, ernennt ihn die paten des Neugeborenen bei der am 7. Fe- im Jahre 1784 setzt sich dessen weiterer Leipziger Ökonomische Sozietät – eine Ge- bruar 1756 in der Kirche St. Petri zu Frei- beruflicher Aufstieg fort. In dieser Funktion sellschaft prominenter Mitglieder aus Ver- berg vollzogenen Taufe.3 Dass die beiden begleitet Köhler über viele Jahre die Amts- waltung, Wirtschaft und Wissenschaft, die ranghöchsten kursächsischen Bergbeam- geschäfte des Oberbergamtes.8 sich im Rahmen des Wiederaufbaus Sach- ten unterhalb des Dresdner Berggemachs Am 8. Mai 1786 verabschiedet Kurfürst sens nach dem Siebenjährigen Krieg vor als Taufpaten für den Sohn des Freiberger Friedrich August ein Reskript, in welchem allem Fragen der Entwicklung der Land- Bergmeisters auftreten, weist zumindest er bestimmt, dass zukünftig an der Berg- wirtschaft und des Manufakturwesens zu- auf die verhältnismäßig bedeutende Stel- akademie „… auch in den Berg-Rechten wendet – zu ihrem Ehrenmitglied.14 lung hin, die der Freiberger Bergmeister in ein ordentlicher und hinlaenglicher Un- Bei den erwähnten „Probejahren“ Köh- der Hierarchie der Bergverwaltung inne- terricht ertheilt …“ wird.9 Hier findet sich lers bleibt es dann nicht, wie dies die wei- hat. Die Weichen für eine spätere Karri- auch die für die Karriere Köhlers entschei- tere berufliche und wissenschaftliche Ent- ere Köhlers im sächsischen Staatsdienst dende Formulierung, wonach dieser Un- wicklung Köhlers belegen. Durch landes- scheinen damit bereits gestellt zu sein. terricht „… zum Versuch, auf zwey Jahre, herrliches Reskript vom 28. Juli 1788 wird Aufgewachsen dürfte Köhler im Ge- dem Secretario bey dem Ober-Bergamte, Alexander Wilhelm Köhler zum „beständi- bäude Brandkatasternummer 137 (heu- Koehler …“ mit einem Gehalt von 100 Ta- gen“ Lehrer der Bergrechte an der Berg- te Waisenhausstraße 7) sein, das seinem lern aus der Oberzehntenkasse zu über- akademie ernannt, wobei ab 1. Juli des Vater bis 1765 gehört. Über die Schulzeit tragen sei (Abb. 1). Für den „schulmaeßig“ gleichen Jahres zugleich seine bisherigen des Bergmeistersohnes ist recht wenig be- durchzuführenden Unterricht im Bergrecht Bezüge auf nun 200 Taler erhöht werden. kannt; er soll zunächst Privatunterricht solle der eben erst in Druck erschienene Neben den erwähnten „Berg-Rechten“ erhalten haben.4 Von 1767 bis 1773 be- „Versuch einer Anleitung zu den Rechten muss der Bergrechtslehrer zusätzlich –

106 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Abb. 1: Auszug aus dem Reskript Kurfürst Friedrich Augusts vom 8. Mai 1786 zur Bestallung Alexander Wilhelm Köhlers als Lehrer der Bergrechte Abb. 2: Ehemaliges Wohnhaus Köhlers in Freiberg, heuti- ge Waisenhausstraße 10 ohne dafür allerdings ein Honorar von den lien-Verkaufsniederlage, Christian August Stipendiaten zu erhalten – ab Herbst 1788 Siegfried Hoffmann, herausgibt. Anschlie- haus – eigentlich ein Doppelgebäude – ein praktisches „Collegium über den deut- ßend (von 1795 bis 1816) veröffentlicht er, das damals sicherlich zu den bedeutends- schen Styl“ lesen.15 Ab 1797 führt Köhler wiederum gemeinsam mit Letzterem, das ten Wohngebäuden Freibergs zählte, hat- noch eine Vorlesung über „Practische An- „Neue Bergmännische Journal“.18 In beiden ten vor Gellert schon mehrere Vertreter des weisung zu Canzelley-, Expeditions- und Werken lässt Köhler meist andere Autoren weit verzweigten Geschlechts derer von Archiv-Geschäften“ ein.16 – wie zum Beispiel den Mathematikpro- Schönberg besessen. Nach Schließung Die Bewertung der wissenschaftlichen fessor Lempe, aber auch Abraham Gott- des Kaufvertrages vom 7. Mai 1804 zwi- Fähigkeiten Köhlers ist nur schwer mög- lob Werner, Franz Xaver von Baader, Alex- schen Köhler und dem für die Loge als lich, zumal sich die stark an der Praxis ori- ander von Humboldt oder Dietrich Ludwig Lehnträger fungierenden Christian Au- entierte Rechtsausbildung nur kaum mit Gustav Karsten – zu den verschiedensten gust Roch und der notwendigen Beurkun- der üblichen Juristenausbildung an deut- montanbezogenen Themen zu Wort kom- dung vor dem Stadtrichter Schubarth am schen Universitäten vergleichen lässt. Aus men. Für kurze Zeit erscheint auch Köh- 15. Juni 1804 geht das Eigentum am Ge- Köhlers jährlicher Berichterstattung über lers „Bergmännischer Kalender“, u. a. mit bäude auf die Loge über. Köhler bedingt die von ihm gehaltenen Vorlesungen, ins- Angaben zu den damals im sächsischen sich allerdings für einen jährlichen Miet- besondere aber aus seinen 1794 einge- Berg- und Hüttenwesen angestellten Per- zins das weitere Wohnrecht am Gebäude reichten Vorschlägen zu Verbesserungen sonen.19 aus, von dem er anscheinend bis zu sei- an der Bergakademie lässt sich jedoch Im Jahre 1800 wird Köhler erstmals in nem Tode Gebrauch macht. 1820 erwirbt eine gewisse Kleinlichkeit in den Darstel- den Freiberger Stadtrat gewählt. Zwei Jahre Köhler das Nachbargrundstück Waisenh- lungen ableiten, weswegen sich z. B. auch darauf überträgt man ihm die Bauinspek- ausstraße 8.24 Abraham Gottlob Werner einiger Vorwürfe tion der Stadt; es folgen weitere wichtige 1821 wird Alexander Wilhelm Köhler nicht enthalten kann. Ungeachtet dessen Funktionen, so die „Direction der Armen- als Nachfolger des verstorbenen Bürger- wird, wer heute in die sächsische Bergver- versorgungs-Anstalten“ in Freiberg, aber meisters Bernhardi zum Bürgermeister von fassung im ausgehenden 18. Jahrhundert auch solche im Erzgebirgischen Kreis bzw. Freiberg gewählt. In dieser Funktion kann einzudringen versucht, nicht an Köhlers bei den „Landtags- und Ausschußtags-Ver- Köhler am 26. März 1830 sein 30-jähriges bereits erwähntem Hauptwerk aus dem sammlungen“.20 In Erinnerung geblieben Dienstjubiläum als Mitglied des Stadtrates Jahre 1786, das 1824 eine wesentliche Er- sein dürfte die im Wesentlichen nach Köh- feiern.25 Aus diesem Anlass ernennt ihn weiterung erfuhr, vorbeikommen. lers Plan im Jahre 1802 geschaffene städ- der Landesherr zum Bergkommissionsrat. Obwohl Köhler die gesamte Zeit seiner tische Straßenbeleuchtung.21 Die Ernennungsurkunde wird durch den Tätigkeit als Lehrer der Bergrechte bzw. Weitgehend ununtersucht geblieben damaligen Oberberghauptmann, des deutschen Geschäftsstils (bis 1822) ist bislang Köhlers Wirken innerhalb der von Herder, übergeben.26 zugleich auch Sekretär des Oberbergam- 1798 gegründeten Freimaurerloge „Zu den Am 23. Dezember 1832 verstirbt Köh- tes bleibt, stammen die letzten von ihm in drei Bergen“, deren „Meister vom Stuhl“ er ler.27 Seine Grabstätte scheint sich nicht dieser Funktion unterzeichneten Protokol- neun Jahre gewesen sein soll.22 Nach dem erhalten zu haben. le des Oberbergamtes von 1798.17 Tode des Bergrates und bekannten Lehrers Alexander Wilhelm Köhler war über 50 Kurz nach Beginn seiner Lehrtätigkeit für Metallurgische Chemie an der Berg- Jahre mit der aus Reipzig (bei Frankfurt/ gibt Köhler einige interessante Schriften akademie, Christlieb Ehregott Gellert, im Oder)28 stammenden Pastorentochter Be- heraus. So erscheint zwischen 1788 und Mai 1795 erwirbt Alexander Wilhelm Köh- ate Katharine, geb. Weinspach, mit der er 1794 das „Bergmännische Journal“, das er ler das Wohnhaus Kataster-Nr. 148 (heu- mehrere Kinder hatte, verheiratet.29 zunächst allein, ab 1792 gemeinsam mit te Waisenhausstraße 10) von den Testa- Herbert Kaden seinem Schwiegersohn, dem Leiter der an mentserben Gellerts zum Preis von 2.000 Quellenangaben und Anmerkungen zu diesem Beitrag die Bergakademie angegliederten Minera- Reichstalern.23 Dieses alte Patrizierwohn- siehe unter: http://www.tu-freiberg.de/~vff/

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Neuerungen und Erfindungen notwendig. Auf den Spuren berühmter Namen in Dass solche herausragenden Leistungen oftmals auch mit klangvollen Namen der der Freiberger „Himmelfahrt Fundgrube“ Freiberger und sächsischen Geschichte, ja überhaupt der Montangeschichte in Ver- Das große Freiberger Erzrevier war vom seit dem Jahre 1919 durch die TU Bergaka- bindung stehen, sei an Beispielen aus un- 12. bis zum 20. Jahrhundert zur Gewin- demie Freiberg für Lehre und Forschung terschiedlichen Gebieten gezeigt. nung von Silber und Buntmetallen in Be- und seit einigen Jahren auch als Besu- trieb. Ein noch zugängliches Bergwerk cherbergwerk für den Bildungstourismus und zahlreiche erhaltene Technische durch einen Förderverein genutzt. Beispiele für technische Neue- Denkmale bieten heute die Möglichkeit, Dieses Bergwerk gilt wegen seiner At- rungen im Freiberger Erzbergbau wichtige Etappen der 800-jährigen Mon- traktivität und Einmaligkeit als „Perle des tangeschichte nachzuerleben. Mit den sächsischen Erzbergbaus“. Man kann den (1) Erstmalige Nutzung von erzgebirgi- derzeitigen Bemühungen um Anerken- Gangerzbergbau kaum woanders so pra- schem Flusswasser als Antriebsenergie für nung der „Montan- und Kulturlandschaft xisnah kennen lernen wie hier ! Zu den Wasserpumpen zum Heben des Grund- Erzgebirge“ als Weltkulturerbe soll auch übertägigen geschichtlichen Superlativen wassers aus den untertägigen Arbeitsräu- die geschichtliche Bedeutung des Frei- gehören die letzte Wattsche Dampfma- men sowie für die Schachtförderung. Das berger Reviers untermauert werden. schine von 1848, die letzte Betstube und dazu seit dem 16. Jahrhundert geschaffe- Dazu gehören als Schwerpunkt auch verschiedene historische Bergbaumaschi- ne Wasserenergiesystem im Osterzgebirge Sachzeugen aus der Freiberger „Himmel- nen wie Wassersäulenmaschine, Zylinder- mit Kunstgräben, Kunstteichen, Wasser- fahrt Fundgrube“, die zugleich einen Be- gebläse, Fahrkunst, Kunstgezeug und die kraftmaschinen und Wasserstolln wurde zug zu berühmten Namen der Montange- älteste europäische Gesteinsbohrmaschi- vor allem im 19. Jahrhundert weiterentwi- schichte haben. Der Kernbereich dieses im ne für hartes Gestein. ckelt. Beispielsweise wurden die Maschi- 19. Jahrhundert größten sächsischen Erz- Um wirtschaftlich bestehen zu können, nen nicht mehr aus Holz, sondern aus bergwerks „Himmelfahrt Fundgrube“ wird waren über die Jahrhunderte hinweg viele Eisen gebaut, um den Wirkungsgrad und die Lebensdauer zu erhöhen. (2) Verbesserung der Dampfmaschine durch neue Konstruktionsprinzipien (3) Bau der ersten sächsischen Eisen- bahn nach dem Vorbild aus England und Einführung der über- und untertägigen Pferdeeisenbahnen im Revier (4) Einführung der „neuen Markschei- dekunst“ unter Verwendung des Theodoli- ten beim Bau des „Rothschönberger Stollns“ mit einer Gesamtlänge von 50 km (5) Entwicklung der Schumannschen Gesteinsbohrmaschine, der ersten brauch- baren Druckluftbohrmaschine Europas für hartes Gestein (6) Erstmalige Anwendung von „Schie- ßen aus dem Ganzen“ als neuartige Stre- ckenvortriebsmethode mittels Bohren und Sprengen. Durch die besondere Form einer Gan- gerzlagerstätte entsteht der Zwang, in im- mer größere Tiefen vorzudringen. Diese Problematik erforderte spätestens im 16. Jahrhundert technische Neuerungen zum Weiterbestehen des Freiberger Silber- und Buntmetallbergbaus. Die Anfänge dieser Entwicklung findet man in Georgius Agri- colas berühmtem Werk „De re metallica“ (1556) beschrieben und abgebildet. Dazu gehören das Kehrrad und das Kunstge- zeug als Frühform von wasserbetriebener Förder- und Pumptechnik. Im Freiberger Die Tagesanlagen und Schachthalden der Himmelfahrt Fundgrube um 1900 nach D. Schräber 2006 Bergbau hatte man in der Agricolazeit 1 Thurmhofschacht, 2 Abrahamschacht (Verwaltung der Himmelfahrt Fundgrube), 3 Alte Elisabeth und Davidschacht, bereits Tiefen von 350 m erreicht. Später dazwischen Bahnlinie Halsbrücke, 4 Reiche Zeche, dahinter Kobschacht in Tuttendorf, 5 7. und 8. Lichtloch des Roth- musste man sich auf 600 bis 800 m ein- schönberger Stollns, Halsbrücke mit Hüttenwerk und Hoher Esse sowie Hoffnungschacht von Ober Neu Geschrei stellen. Dadurch war auch das Interesse

108 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Kehrrad aus dem 19. Jahrhundert am Abrahamschacht, im Alter von 27 Jahren, nach Generalbergkommissar von Heynitz in sächsischer Para- Zeichnung H. Wirth Krausse 1796 dekleidung, nach Graff 1768 am Bau von immer tieferen wasserab- Mulde. Längere Abschnitte dieses auch in Namentlich wird auf einer Tafel außer führenden Stollen bedingt. Für die Stol- der Planer-Zeit aufgefahrenen Wasserlö- Heynitz auch dem Berghauptmann Karl len brauchte man möglichst tief gelege- sungsstollens kann man noch heute bei Eugen Pabst von Ohain gedankt. Er galt ne Flusstäler. Die aber fand man nur in einer Befahrung über den Schacht „Reiche um 1760 als der bedeutendste Mineraloge großer Entfernung, zum Beispiel das Elbtal Zeche“ kennen lernen. Auch Wasserräder Sachsens, bei dem auch Abraham Gottlob bei Meißen oder Dresden in etwa 30 km. und Radstuben sind noch erreichbar, also Werner lernte. Heynitz und Pabst waren Wegen der mit der Stollenlänge anstei- Sachzeugen, die an die Zeit vom 16. bis 19. Schüler von Johann Friedrich Henckel, der genden Herstellungskosten hat man den Jahrhundert erinnern, in der das schwieri- als Wegbereiter der Bergakademie Frei- tiefsten Freiberger Stollen, den „Rothschön- ge Grundwasserproblem nach dem Prin- berg bekannt ist. Unter Henckels Regie berger Stolln“, erst Mitte des 19. Jahrhun- zip „Wasser hebt Wasser“ gelöst wurde. gab es bereits die „Kleine Bergakademie“. derts gebaut. Heynitz hat als preußischer Minister Generalbergkommissar Friedrich Anton später auch auf den beruflichen Weg Ale- von Heynitz (1725–1802) xander von Humboldts eingewirkt. Hum- Auf den Spuren berühmter Namen F. A. von Heynitz ist im sächsischen boldt war 1791/92 „Zögling der Bergaka- und preußischen Montanwesen bekannt demie Freiberg“, auch Praktikant und For- Oberbergmeister Martin Planer als hervorragender Fachmann und Orga- scher in der „Himmelfahrt Fundgrube“. (1510–1586) nisator eines landesweit aufblühenden Berühmt wurde er als einer der bedeu- Planer zählt zu den ganz bedeuten- Bergbaus. In Sachsen musste der Bergbau tendsten europäischen Naturforscher des den Technikern der Agricolazeit. Der säch- nach dem verheerenden Siebenjährigen 19. Jahrhunderts. In Freiberg hat er Spuren sische Bergbau verdankt ihm die um- Krieg wieder aufgebaut werden. Auf Initi- hinterlassen, so durch erste Versuche zur fassende Anwendung der von Agricola ative von Heynitz wurde 1765 die Bergaka- Geothermie und zur Erdumdrehung. Auf beschriebenen wasserwirtschaftlichen An- demie Freiberg als damals weltweit neuar- dem Wernerplatz erinnert ein Denkmal lagen und Maschinen. Unter seiner Re- tiger Hochschultyp gegründet. Zu den vie- an ihn. Humboldt wohnte als Student im gie ist das weiträumige Freiberger Kunst- len technischen Neuerungen gehörte die Haus Weingasse 2 (Gedenktafel). grabennetz im Osterzgebirge entstanden Verbesserung der Technologie beim Vor- und sind 26 Schächte mit Wasserkraftma- trieb von Strecken in hartem Gestein. Dazu Oberberghauptmann Siegmund schinen als „Kunstschächte“ ausgestat- ließ Heynitz im Jahre 1767 in der Grube August Wolfgang Freiherr von Herder tet worden. Sie nutzten erzgebirgisches „Alte Elisabeth“ Versuche mit dem „Schie- (1776–1838) Flusswasser als Energiequelle. Ohne die- ßen aus dem Ganzen“ durchführen, mit August von Herder war durch seinen se Umstellung wäre der Freiberger Silber- denen eine Leistungssteigerung beim Vor- Patenonkel Johann Wolfgang von Goe- bergbau wohl im 16. Jahrhundert solange trieb um 50 % erzielt wurde. Man betrach- the zum Bergbaustudium an die Bergaka- zum Erliegen gekommen bis ein James tete diese neuartige Methode des Mehr- demie Freiberg gekommen und blieb im Watt aus England Ende des 18. Jh. die lochsprengens bereits damals als Epoche sächsischen Bergbau. Zuletzt war er als Dampfmaschine auf den Markt gebracht machend, und sie gehört noch heute zum Oberberghauptmann Chef des Sächsi- hätte. Das in den Kunstschächten von den Standard bei Vortriebsarbeiten. Man do- schen Oberbergamts mit Sitz in Freiberg. „Wasserkünsten“ abfließende Aufschlag- kumentierte die Versuchsergebnisse mit Zu seinen Verdiensten gehört das 1825 wasser nahm größtenteils über den „Fürs- aufwändigen in den Fels gemeißelten so vorgelegte Projekt zum Bau des tiefsten tenstolln“ den Weg ins Tal der Freiberger genannten Schießtafeln. Freiberger Wasserlösungsstollens. Mit die-

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Dampfmaschinen. Die enge Verbindung zwischen Freiberg und England kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass der Er- finder der Dampfmaschine, James Watt, seinen Sohn 1787 bis 1789 zum Studium an die Bergakademie Freiberg schickte. Als Ergebnis einer längeren Studienreise durch England brachte Brendel die Idee der Eisenschienenbahn mit nach Freiberg. So wurde bereits 1829 die erste Eisenbahn- linie Sachsens im Freiberger Bergbau mit bestem wirtschaftlichen Erfolg in Betrieb genommen. Damit schuf Brendel eine Pi- lotanlage für die 1837 fertig gestellte erste deutsche Fernbahnlinie Dresden-Leipzig. An Brendels Neuerungen erinnern zahlreiche Sachzeugen, so der Bahndamm bei der „Zugspitze“, die Dampfmaschi- Der sächsische Oberberghauptmann von Herder 1831, ne von 1848 sowie ein „Drucksatz“, eine Zeichnung E. Heuchler Wassersäulenmaschine und das „Schwar- zenberg-Gebläse“ am Schacht „Alte Elisa- sem sollte die Kapazität der wasserbetrie- beth“. Untertage findet man ebenfalls Spu- benen Pump- und Schachtfördertechnik ren von Brendels progressivem Wirken, so im Bergbaurevier erhöht und zugleich am Hoffnungsschacht die kunstvolle Gru- die Zukunft des Freiberger Erzbergbaus benmauerung oder die Kehrradstube und abgesichert werden. Herders Plan wurde eine Maschinenkammer der Wassersäu- 1844 bis 1877 als Großprojekt von euro- lenmaschine von 1847 am Schacht „Rei- päischem Rang realisiert und erhielt den che Zeche“. Namen „Rothschönberger Stolln“. Die Tras- Brendel war beim Sächsischen Ober- Das Schwarzenberggebläse, ein gusseisernes Hüttenge- se dieses Stollns verläuft anfänglich in bergamt der führende Maschinentechni- bläse von 1830, Zeichnung M. Wagner 230 Meter Tiefe zwischen Schacht „Reiche ker des sächsischen Berg- und Hüttenwe- Zeche“ und „Herders Ruhe“. Hier hat Her- sens. Er hat mit seinen Konstruktionen und einer von Brendel konstruierten Dampf- der als „Der Knappen treuester Freund“ ein Gutachten den deutschen Maschinenbau maschine, die auch in englischen Fach- eindrucksvolles neogotisches Grabmal in des 19. Jahrhunderts mitbestimmt. Nach zeitschriften beachtet wurde. einer Schachthalde hoch über der Stadt 1817 übernahm er an der Bergakademie Freiberg erhalten. Herders Name steht die Vorlesungen über Maschinentechnik. Professor Julius Weisbach (1806–1871) auch für „Bergbauromantik“, „Bergbaukul- In der Modellsammlung der TU Bergaka- Weisbach wurde erstes Ehrenmitglied tur“ und „Bergparaden“. Herder hat die bis demie Freiberg existiert noch ein Modell des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), heute gepflegten Traditionen entscheidend gefördert. Auch das Schwarzenberggeblä- se am Schacht „Alte Elisabeth“ erinnert an Herders Wirken, denn es wurde 1830 als Hüttengebläse für die auf Betreiben Her- ders geschaffene Antonshütte bei Schwar- zenberg von Brendel konstruiert. Als kom- plett aus Eisen gefertigtes Zylindergebläse ist es heute ein wertvoller Sachzeuge des frühen sächsischen Maschinenbaus.

Maschinendirektor Christian Friedrich Brendel (1776–1861) Brendel hat als Kunstmeister und Ma- schinendirektor beim Sächsischen Ober- bergamt bedeutende Neuerungen in der maschinentechnischen Ausstattung des sächsischen Montanwesens initiiert und eingeführt. Dazu zählen in Freiberg die konstruktiv verbesserten und leistungs- fähigeren „Wassersäulenmaschinen“, der Bau von Pumpen mit höherem Wirkungs- Am Schacht „Alte Elisabeth“ existiert die letzte Dampfmaschine des sächsischen Erzbergbaus. Historische Maschinen- grad und von verbesserten Wattschen zeichnung von 1848

110 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Sachzeuge des Bergbaus ging auf Wanderschaft

Aus dem Dornröschenschlaf hinter dem Gebläsehaus auf der Lehrgrube „Alte Elisabeth“ wurde ein wenig beachteter Sachzeuge des Bergbaus – drei Elemente eines Stahlguss-Schachtbodenverschlus- Eine 1857 veröffentlichte Zeichnung von Professor Eduard Heuchler zeigt die Pferdeeisenbahn der Himmelfahrt Fund- ses – erweckt. Vor mehreren Jahrzehnten grube an der Erzrolle des Abrahamschachtes hat Prof. Werner Arnold diese Teile vom Schacht „Marx-Engels“ II des damali- (vgl. Beiträge Prof. Grabow, Dr. Pohl im Heft Freiberg betreute „Weisbach-Museum“ mit gen Kalibetriebes „Werra“ nach Freiberg 2006). Er gilt als führender Wissenschaft- einer Sammlung von hydraulischen Mess- bringen lassen. Dieser Schachtbodenver- ler des Maschinenwesens und als Mit- geräten und Apparaten. In der Strömungs- schluss war eine mit dem Nationalpreis begründer der „Technischen Mechanik“. mechanik hat man nach dem vielseitig der DDR ausgezeichnete Neuerung des Spuren seines Wirkens findet man mit der erfolgreichen Akademieprofessor eine Ein- damaligen VEB Schachtbau Nordhausen ältesten Gesteinsbohrmaschine für hartes heit für den Strömungswiderstand „Milli- und auf Vorschlag von Prof. Arnold für Gestein am Schacht „Alte Elisabeth“. Die- Weisbach“ benannt. das Schachtabteufen bei Anwendung des ser Maschinentyp erbrachte beim Vortrieb Zementierverfahrens gefertigt worden. des „Rothschönberger Stollns“ die 6fache Professor Johann Eduard Heuchler Auf der Lehrgrube befanden sich bei- Vortriebsleistung und 50 % Kosteneinspa- (1801–1879) spielhaft davon das runde Mittelstück, rung. Heuchler war Professor für Bau- und ein keilförmiges Innensegment und ein Am Schacht „Reiche Zeche“ entdeckt Zeichenkunst an der Bergakademie Frei- Segment des als Widerlager ausgelegten man in der Sammlung markscheideri- berg und hat auch als Architekt und Denk- Außenkranzes. In den Segmenten wa- scher Instrumente des Instituts für Mark- malpfleger Spuren hinterlassen. Sein Ge- ren Öffnungen belassen worden, auf die scheidewesen und Geodäsie der Berg- burts- und Wohnhaus ist der „Dunkelhof“ Schrägstutzen mit Hochdruckhähnen für akademie den von Weisbach erstmals im in der Kreuzgasse 7. Auf Heuchler gehen das Injizieren in verschiedenen Richtun- Bergbau der Welt zum Einsatz gebrachten beispielsweise der Umbau des Grün- gen geschraubt werden konnten. Grubentheodoliten. Mit diesem optischen dungsgebäudes der Bergakademie in der Da die Schachtbodensegmente im ei- Vermessungsinstrument wurde in den Akademiestraße 6, das Freiberger Bahn- gentlichen Sinne keine traditionelle Bin- 1860er Jahren die Grundlage für die bis hofsgebäude sowie die Entwürfe für das dung zum Freiberger Erzbergbau haben, heute weltweit angewandte „Neue Mark- Schwedendenkmal, das Werner-Denkmal entsprach man der Bitte des Kaliwerkes scheidekunst“ geschaffen. Anlass hierfür und „Herders Ruhe“ zurück. „Unterbreizbach“ an die TU Bergakade- war die sehr anspruchsvolle Vermessungs- Weit über Freibergs Grenzen bekannt mie Freiberg um Überlassung als Dau- aufgabe beim Bau des „Rothschönberger geblieben sind seine drei veröffentlichten erleihgabe. Diese Segmente sollten als Stollns“, der zu den Meisterwerken der Bildwerke. Darin sind 82 anschauliche technische Sachzeugen für das Abteu- bergbaulichen Ingenieurkunst gehört. Im Zeichnungen enthalten, die eine einma- fen von Schächten unter kompliziertes- Gegenortbetrieb wurde dieser 26 km lan- lige Bilddokumentation über das Freiber- ten hydrologischen Gebirgsbedingungen ge Stollen von 19 Ansatzpunkten aus in ei- ger Berg- und Hüttenwesen darstellen. am Ort ihres ursprünglichen Einsatzes ner Tiefe von 150–280 m aufgefahren. Mit Fast alle damaligen Arbeitsmethoden und präsentiert werden. Der Stahlgussboden der herkömmlichen Messmethode mit- Technologien sind als Motiv erfasst. Für wurde in diesem von 1955 bis 1964 ge- tels Kompass und Gradbogen war man etwa ein Viertel der Zeichnungen hat er teuften Schacht zum Einsatz gebracht. der Aufgabe nicht mehr gewachsen. Der die Motive in der „Himmelfahrt Fundgru- Im vergangenen Jahr wurde im thürin- „Rothschönberger Stolln“ erfüllt bis heute be“ gefunden. Dieses stadtnah gelegene gischen Sünna am Schacht II des Kali- wichtige Funktionen. Ein Hauptzugang ist Bergwerk gehörte im 19. Jahrhundert zu werks in beeindruckender Form mit Hilfe der Schacht „Reiche Zeche“. Die einst ge- den technisch und wirtschaftlich führen- der drei Segmente und farbiger Pflaste- nutzte Gesamtlänge betrug 50 km. den Freiberger Unternehmen des Silber- rung der Schachtbodenverschluss nach- Hingewiesen sei auf das vom Institut bergbaus. gestaltet, wie auf dem Bild zu sehen ist. für Maschinenbau der TU Bergakademie Herbert Pforr Karl-Heinz Eulenberger

14. Jahrgang 2007 111 Geschichtliches Die SAXONIA-FREIBERG-STIFTUNG Stiftung für die Pflege und den Erhalt berg- und hüttenmännischen Brauchtums

Mit der 800-Jahr-Feier der Stadt Freiberg wurde 1993 durch verantwortungsbewusst im Jahre 1986 begann in Freiberg insbe- handelnde Herren des Aufsichtsrates und sondere durch die Aufstellung der histo- des Vorstandes der SAXONIA AG sowie von rischen Freiberger Bergparade eine neue Kommune und Kirche eine gemeinnützige Ära der Pflege des für Freiberg typischen Stiftung, die SAXONIA-FREIBERG-STIFTUNG, berg- und hüttenmännischen Brauch- geschaffen. Am 19. Februar 1993 wurde tums in Vereinen und im kulturellen All- durch das Regierungspräsidium Chemnitz tag der Stadt. die SAXONIA-FREIBERG-STIFTUNG als ers- Zu Beginn der 1990er Jahre war durch te rechtsfähige gemeinnützige Stiftung die neuen wirtschaftspolitischen und kom- des bürgerlichen Rechts nach der Wende munalen Bedingungen in Freiberg eine im Landkreis Freiberg genehmigt. Situation entstanden, die einer Klärung Die Erforschung, Pflege und Erhaltung über das „Wie“ der zukünftigen Unter- des berg- und hüttenmännischen Brauch- stützung für die berg- und hüttenmänni- tums und der berg- und hüttenmänni- sche Traditionspflege und über den Erhalt schen Frömmigkeitstradition in der Re- verschiedener Kulturgüter des Berg- und gion Freiberg sind die satzungsgemäßen Hüttenwesens für das Freiberger Territori- Aufgaben der Stiftung. Sie ist mit diesen um bedurfte. Eine angedachte komplette Aufgabenstellungen ein Exot unter der Privatisierung der SAXONIA AG Metallhüt- Vielzahl verschiedener Stiftungen in der Abb. 2: Mineralienpräsentation auf der „Reichen Zeche“ ten und Verarbeitungsbetriebe und damit Bundesrepublik. der Erhalt eines finanzstarken Unterneh- Damit die Stiftung die ihr gestellten Auf- e. V. und den Förderverein „Himmelfahrt mens der Montanindustrie im Freiberger gaben erfüllen kann, werden ihr das ehe- Fundgrube Freiberg“ e. V. mit dem Besu- Raum konnte nicht realisiert werden. Die malige Verwaltungsgebäude der SAXONIA cherbergwerk „Reiche Zeche“. In das Stif- SAXONIA AG war Eigentümer vieler Kultur- AG und verschiedene Kulturgüter als Stif- tungseigentum sind folgende wertvolle güter, Sachzeugen des Montanwesens so- tungsvermögen zugestiftet. Mit der Bewirt- Kulturgüter eingebracht worden: wie der Uniformen und Ausrüstungen der schaftung dieses stattlichen Gebäudes in • Eine Mineraliensammlung mit ca. 300 Bergparade. Die mit dem Privatisierungs- der Chemnitzer Straße in Freiberg (Abb. 1) Schaustufen der ehemaligen Bergbau- vorgang verbundenen Ausgliederungen sollen die notwendigen Stiftungsgelder er- betriebe des Bergbau- und Hüttenkom- oder Liquidierungen von Betriebsteilen wirtschaftet sowie die Unterstützung von binates in Freiberg, Altenberg, Ehrenfrie- der SAXONIA AG gefährdeten den weite- Vereinen abgesichert werden, deren Arbeit dersdorf, Elbingerode und St. Egidien. ren Bestand dieser Kulturgüter im Freiber- die Pflege und den Erhalt des berg- und 150 der schönsten Mineralstufen aus ger Territorium und ihre Nutzung für den hüttenmännischen Brauchtums beinhal- der letzten Betriebsphase des Freiber- Tourismus und die Vereinsarbeit. tet. Dies betrifft vor allem die Historische ger Bergbaus sind gegenwärtig im al- Für den Erhalt der Ausrüstungen der Freiberger Berg- und Hüttenknappschaft ten Fördermaschinenhaus der „Reichen Bergparade und verschiedener Kulturgüter e. V., das Bergmusikkorps Saxonia Freiberg Zeche“ zu besichtigen (Abb. 2). • Über 250 Uniformen und die zugehö- rigen Ausrüstungen der Historischen Freiberger Berg- und Hüttenparade (Abb. 3) und des Bergmusikkorps. Sie wurden den beiden Vereinen für ihre Arbeit als Dauerleihgabe überlassen. • Die Ausstattung der „Zinnstube“ auf dem Abrahamschacht mit wertvollem Zinngeschirr, historischem Raumdekor und Gestühl, die als Leihgabe dem För- derverein Himmelfahrt Fundgrube für seine Arbeit und für touristische Belan- ge zur Verfügung gestellt wurde. • Ein Lagerstättenarchiv des Freiberger Bergbaus, in dem seit 1954 bis zur Schließung der Freiberger Gruben ins- gesamt über 1000 Belegstücke von Auf- schlüssen der Lagerstätte erfasst wur- den. Das Archiv wurde als Dauerleih- gabe der TU Bergakademie Freiberg für Abb. 1: Stiftungsgebäude, Chemnitzer Str. 8 die Ausbildung der Studenten und für

112 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Forschungszwecke zur Verfügung ge- stellt. • Ein Raummodell vom Grubengebäude der Grube „Beihilfe“, das auf der „Rei- chen Zeche“ als Leihgabe neben dem stiftungseigenen mechanischen Berg- werksmodell besichtigt werden kann. Durch die Ausleihe der stiftungseigenen Kulturgüter erfüllt die Stiftung auch ihre satzungsmäßigen Zielstellungen, sie la- gert ihre „Schätze“ nicht in Depots ein, sondern ermöglicht ihre Nutzung für die Vereinsarbeit, den Tourismus, die Studen- tenausbildung und macht sie für die Öf- fentlichkeit zugänglich. Die Stiftung wird in ehrenamtlicher Arbeit von vier durch das Stiftungskura- torium in den Vorstand berufenen Mit- gliedern geführt. Der Vorstand trägt die Abb. 3: Uniformen der Historischen Freiberger Berg- und Abb. 4: Glockenstuhl mit der Holzplastik „Hüttenknapp- Verantwortung für die ordnungsgemäße Hüttenparade schaftsältester“ im Stiftungshof Geschäftsführung, was die Finanzen, die Bewirtschaftung des Stiftungsgebäudes, penarbeit, Stammtische, Vereinstreffen etc. letzten Jahren erweitert werden. Die Stif- den Erhalt des Stiftungseigentums und zur Verfügung. Die HFBHK hat die ihr tung unternimmt Anstrengungen, um im das satzungsgemäße Arbeiten betrifft. zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten Freiberger Raum tätige Vereine, die mit Das Kuratorium, bestehend aus führenden durch funktionale und ansprechende Aus- dem Stiftungsgedanken verbunden sind, Funktionsträgern Freiberger Institutionen gestaltung zur ihrer Heimstatt gemacht. für gemeinsame Veranstaltungen zusam- und gewählten Personen, überwacht, be- Bisher konnten von der Stiftung für den menzuführen und am Stiftungswirken rät und unterstützt den Vorstand bei der Erhalt der Ausrüstungen und Uniformen teilnehmen zu lassen. Dank der vor 14 Einhaltung des Stifterwillens und der ord- der Bergparade, die Pflege stiftungseige- Jahren gegründeten SAXONIA-FREIBERG- nungsgemäßen Geschäftsführung. Im Ku- ner Kulturgüter, für die Denkmalspflege, STIFTUNG ist für die Zukunft eine stabile ratorium sind von Amts wegen der Präsi- die Unterstützung des berg- und hütten- Unterstützung der berg- und hüttenmän- dent des Sächsischen Oberbergamtes, der männischen Tourismus und weitere stif- nischen Brauchtumspflege im Freiberger Landrat des Landkreises, der Oberbürger- tungsgerechte Aktivitäten über 170.000 € Raum und insbesondere die Förderung meister der Stadt, der Superintendent des ausgereicht werden. Durch den Erwerb ei- der Historischen Freiberger Bergparade evangelisch-lutherischen Kirchenbezirkes, ner Holzskulptur (Abb. 4) und eines me- als Aushängeschild der Berg- und Univer- der Rektor der TU Bergakademie sowie als chanischen Bergwerksmodells (Abb. 5) sitätsstadt Freiberg gesichert. Person gewählte Mitglieder vertreten. konnte der Fundus der Stiftung in den Karl-Heinz Eulenberger Im Januar 2008 kann die SAXONIA- FREIBERG-STIFTUNG auf 15 Jahre erfolg- reiche Stiftungsarbeit zurückblicken. Dank der erfolgreichen Bewirtschaftung des Stiftungsgebäudes konnte es über eine Kreditfinanzierung zum modernen Büro- gebäude umgestaltet werden. Durch die Modernisierung des nun schon 100 Jahre alten Gebäudes und vor allem durch ein sehr aktives Wirken von Stiftungsvorstand und Kuratorium konnte über die Jahre ein guter Vermietungsstand gesichert werden. Im Stiftungsgebäude werden der His- torischen Freiberger Berg- und Hütten- knappschaft (HFBHK), dem Bergmusik- korps Saxonia Freiberg und weiteren Vereinen Räumlichkeiten mit ca. 900 m2 Fläche kostenlos zur Verfügung gestellt. So befinden sich die Kleiderkammer der Bergparade, das Instrumentendepot des Musikkorps und Büroräume der Vereine im Stiftungsgebäude. Die Knappenstube mit 250 m2 Fläche steht den Vereinen für Abb. 5: Mechanisches Bergwerksmodell „Dresdener Silberstolln“ aus der „Reichen Zeche“. Alle Fotos: Archiv der Stiftung Übungsabende, Feierlichkeiten, Fachgrup- und der HFBHK e. V.

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für die Saline Dürrenberg die erste Dampf- boren († 1960), 1946–1953 Professor für Chronik 2008 maschine Sachsens (Fertigstellung 1811) Bergbaukunde • 1883 (4. Februar) Cornelius Netter ge- 775 Jahre 175 Jahre boren († 1954), 1946–1954 Professor für • 1233 erste Erwähnung des Freiberger • 1833 (30. März) Daniel Friedrich Hecht Verformungskunde sowie 1945–1951 Ver- Bergrechts (Niederschrift um/nach 1307) gestorben (geb. 1777), Student 1803, 1816– tretung der Professur für Betriebs- und 1833 Professor für Mathematik, Theore- Volkswirtschaftslehre 500 Jahre tische Markscheidekunst und (ab 1827) • 1883 (16. April) Carl Maximilian Ehre- • 1508 Beginn der Arbeit an der Tulpen- Bergmaschinenlehre gott Edler von der Planitz gestorben (geb. kanzel für den Freiberger Dom durch den • 1833 (8. August) Carl Gustav Kreischer 1711), Oberbergrat, 1869–1871 Mitglied Chemnitzer Bildhauer Hans Witten (Voll- († 1891), Student 1858/62, 1871–1891 Pro- der Bergakademie-Direktion endung 1510) fessor für Bergbaukunde und Aufberei- • 1883 August Ferdinand Coith († 1894), tung, ab 1874 nebenamtlich Leiter der Bi- Kustos der Bibliothek der Bergakademie, 275 Jahre bliothek der Bergakademie d. h. erster hauptamtlicher Bibliothekar • 1733 Der Freiberger Arzt und Bergrat Jo- • 1833 (27. Januar) Isaias Carl Gustav hann Friedrich Henckel (1675–1744) be- Richter geboren († 1884), Professor an 100 Jahre ginnt in einem auf Staatskosten erbauten der Forstakademie Tharandt, 1882–1884 • 1908 (29. Juli) Leo Gottschalk geboren Laboratorium mit dem Unterricht. nebenamtlich Vorlesungen über Volks- († 1971), 1949–1970 Direktor der Arbeiter- und Staatswirtschaftslehre sowie Versiche- und Bauernfakultät der Bergakademie 225 Jahre rungswesen an der Bergakademie • 1783 (9. April) Karl Georg von Raumer • 1833 (6. Dezember) Albin Julius Weis- 75 Jahre geboren († 1865), Student 1804 (Werner- bach geboren († 1901), Student 1850/ • 1933 (8. Mai) Victor Goldschmidt ge- Schüler), Professor für Mineralogie in Bres- 1853, 1860–1868 Dozent, ab 1863 Profes- storben (geb. 1853), Student 1871/74, Pro- lau und Erlangen sor für Physik sowie 1866–1890 Professor fessor für Mineralogie in Heidelberg, 1923 • 1783 (22. September) Karl Amandus für Mineralogie Ehrendoktor der Bergakademie Kühn geboren († 1848), 1816–1835 Pro- • 1833 (22. November) Carl Wilhelm fessor für Geognosie und Bergbaukunst, von Oppel, Sohn des Mitbegründers der 50 Jahre Unternehmer im Zwickauer Steinkohlen- Bergakademie, gestorben (geboren 1767), • 1958 (29. Mai) Einweihung des neu- bergbau Student 1782, Direktor des Steinkohlen- en Gebäudes der Geologischen Institute werkes im Plauenschen Grund (bei der (Bernhard-von-Cotta-Straße 2) und Na- 200 Jahre Stadt Dresden) mensverleihung „Humboldt-Bau“ • 1808 (20. Februar) Friedrich Wilhelm • 1833 (6. Januar) Fausto Delhuyar ge- • 1958 (14. Oktober) Alfred Dierichs ge- Schwamkrug geboren († 1880), Student storben (geb. 1755), Student 1778/79, Grün- storben (geb. 1903), 1952–1958 Professor 1826/30, Oberkunstmeister (verantwort- der einer Bergakademie (Colegio de Mi- für Organische Chemie und Chemie der lich für Bau und Erhaltung bergmänni- nera) in Mexiko, Leiter des mexikanischen Kohle und Öle, 1955–1958 Prorektor für scher Maschinen) im sächsischen Berg- Bergwesens Forschungsangelegenheiten bau, Erfinder einer nach ihm benannten • 1958 Fertigstellung und Bezug des Turbine, Lehrer an den Technischen Staats- 150 Jahre neuen Institutsgebäudes der Gas-Institute lehranstalten Chemnitz • 1858 (22. Januar) Carl Friedrich Plattner (Gustav-Zeuner-Straße 7), 1992 Namens- • 1808 (3. April) Georg Carl Theodor Bu- gestorben (geb. 1800), Student 1817–1820, gebung „Lampadius-Bau“ derus geboren († 1873), Student 1828, 1842–1856 Professor für Hüttenkunde Gründer des bedeutenden Hüttenwerkes und Lötrohrprobierkunde, ab 1851 auch 25 Jahre „Sophienhütte“, später Hauptwerk der Bu- Eisenhüttenkunde • 1983 (20. März) August Götte gestor- derusschen Eisenwerke in Wetzlar • 1858 (25. Mai) Karl Julius Kretzschmar ben (geboren 1901), 1965 Ehrendoktor der • 1808 (2. Oktober) Bernhard Konstan- geboren († 1929), 1891–1898 Professor Bergakademie, Professor und Direktor des tin Ludwig Braunsdorf geboren († 1886), für Allgemeine Rechtskunde und Berg- Institutes für Aufbereitung, Kokerei und Student 1826, nach Auflösung des Ober- recht, 1898–1907 Direktor des Bergamtes Brikettierung der RWTH Aachen bergamtes 1869 erster Direktor am neu ge- Freiberg • 1983 (23. Mai) Helmut Kirchberg ge- bildeten Bergamt Freiberg • 1858 (24. November) Richard Beck ge- storben (geboren 1906), Student 1924/25, • 1808 (24. Oktober) Bernhard von Cotta boren († 1919), 1895–1919 Professor für 1947–1960 Professor für Aufbereitung und geboren († 1879), 1842–1874 Professor für Geologie, Lagerstätten- und Versteine- Bergbaukunde, 1953–1955 Rektor der Geognosie, Versteinerungslehre und (ab rungslehre, 1911–1913 Rektor der Berg- Bergakademie 1851) Erzlagerstätten akademie • 1808 (6. Dezember) August Krantz ge- 20 Jahre boren († 1872), Student 1832/33, Gründer 125 Jahre • 1988 (4. Mai) Fertigstellung/Einwei- des „Rheinischen Mineralien-Kontor“ in • 1883 (29. Januar) Friedrich Adolf Wil- hung Tagebautechnikum (Gustav-Zeuner- Bonn (berühmtes Mineraliengeschäft, Fir- lers geboren († 1959), 1928–1934 Pro- Str. 1A) ma besteht noch heute) fessor für Mathematik und darstellende • 1988 (17. Juni) Hochschulvertrag mit • 1808 Der Kunstmeister und Maschi- Geometrie, aus politischen Gründen ent- dem Staatlichen Bergbauinstitut (TU) von nendirektor Christian Friedrich Brendel lassen St. Petersburg (1776–1881), Student 1797/1801, erbaute • 1883 (1. Februar) Georg Spackeler ge- Norman Pohl, Roland Volkmer

114 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Berichte

die erste Bewährungsprobe werden. Oben Erstsemesterfahrt angekommen, machten wir eine kurze Rast bei schönstem Schneetreiben. Auf dem weiterem Weg zur Bastei, dem Hö- „Geotechnik und Bergbau“ 2006 hepunkt unserer Wanderung, mussten wir „zwangsläufig“ durch die Schwedenlöcher. Das heißt in Zahlen, ein über 2 km langer Anstieg mit mehr als 700 Stufen und einer Hand voll Leitern. Aber als ob das nicht ge- nug gewesen wäre, fing es trotz aller Hoff- nungen doch noch an zu regnen. Als wir uns nach einer längeren Pause alle wie- der zusammengefunden hatten, begann der scheinbar letzte Aufstieg zur Bastei. Kaum auf dieser „hoch über Rathen“ an- gekommen, verfolgte uns die Pechsträhne weiter. Selbst das Gruppenfoto wäre uns fast verwehrt geblieben, denn ab jetzt fing es an wie aus Eimern zu schütten. Wir ent- schlossen uns schnellstens gen Burg auf- zubrechen. Unser Weg führte weiter durch den Kurort Rathen und durch das Polentz- tal, dem letzten kraftraubenden Anstieg entgegen. Nach fünf Stunden waren dann Auch 2006 wurde an der Tradition fest- unsere zwei angekündigten Gäste Sebas- die Ersten wieder im Burghof angelangt gehalten, dass wir, die Studenten des 3. tian Wagner und Christoph Nicolai (Insti- und wollten nur noch eine warme Dusche Semesters GtB, für die „Erstis“ unseres tut für Bergbau und Spezialtiefbau) ihre und etwas Schlaf. Studienganges eine Kennenlernfahrt oder anschaulichen und informativen Vorträge Als alle sich etwas erholt hatten, war auch ERSTI-Fahrt veranstalten. über von ihnen gewählte Vertiefungsrich- es auch schon wieder Zeit für die letzte Wir waren von Erfahrungswerten der tungen. Als die Vorträge endeten, gab es „Pflicht“ des Tages. Die Erstsemester beka- vergangenen Einschreibungszahlen aus- nur noch einen Wunsch: „Essen“. Der Grill men auch an diesem Abend interessante gegangen und hatten uns für eine net- war angeheizt, das Bier reichlich vorhan- und ausdrucksvolle Vorträge der Geotech- te, kleine Unterkunft in der Sächsischen den, gegessen wurde allerdings draußen. nik (Dr. Hausdorf) und der Bohrtechnik Schweiz, die Burg Hohnstein, ein Wahrzei- Es dauerte nicht lange und die ersten ver- (Prof. Häfner) geboten. Sie informierten chen der Sächsischen Schweiz und ide- langten nach Glühwein und Lagerfeuer. die Studenten über die Tätigkeiten ihrer al für unsere Wochenendgestaltung, ent- Nachdem die ERSTI‘s den Tipp bekommen Institute und berichteten auch von aktu- schieden. Nun konnte alles beginnen ! hatten, sich im Burggarten umzuschauen, ellen Exkursionen, Technologie- und Ener- Erst am Tag der Abfahrt, dem 3.11.2006 kamen sie nun in den Genuss der inneren gietrends. stand die endgültige Teilnehmerzahl fest. und äußeren Wärme. Von nun an konn- Wir hatten uns dazu entschlossen, an Zu unserem Bedauern konnten von 60 te jeder den Abend auf seine Weise aus- diesem Abend eine Turmparty ins Leben nur 30 Erstsemester mitfahren. Allerdings klingen lassen. Doch halt ! Eines hätten wir zu rufen. Innerhalb kürzester Zeit ergab wurde die Reisegruppe noch durch 12 Stu- fast vergessen, es gab ja noch einen Hö- sich eine super Stimmung über drei Eta- denten des 3. Semesters GtB aufgestockt, hepunkt des Abends. Wie die Tradition es gen. Trotz aller Erschöpfung schafften wir so dass wir über das gesamte Wochen- verlangt, sangen wir um Mitternacht den es aber auch in dieser Nacht, um Punkt ende 42 wissensdurstige und unterneh- „Steiger“. Da die Liedtexte rechtzeitig ver- Null Uhr den „Steiger“ zu singen, dies- mungslustige Studenten waren. teilt worden waren, hatten die Erstis noch mal aber nicht im Burggarten, sondern im Nach gut zweistündiger Busfahrt stand genug Zeit den Text zu lernen. Und jeder, Burghof mit Blick auf die Stadt Hohnstein. die erste schwere Aufgabe für alle an. Der egal ob erstes oder drittes Semester oder Am letzten Tag war dann noch genügend Bus musste komplett entladen werden Professor, jeder sang mit voller Stimme mit, Zeit bis zum Mittag für ein Video über die und das hieß Schwerstarbeit bei den mit- und der Abend war rundum gelungen. Grubenwehrübung auf der „Reichen Ze- gebrachten Mengen an Getränken und Als am nächsten Morgen alle gut ge- che“. Und so endeten drei Tage voller Spaß, Organisationsmaterial. Nachdem dann frühstückt und wir unsere Materialien ver- Wissenschaft und Begegnung. alle ihre Zimmer im Wachturm der Burg packt hatten, konnte es zu einer fünf- bis Eva Dierkes, Sascha Noll und Steven Bertl bezogen hatten, zog langsam etwas Ruhe sechsstündigen Wanderung quer durch in die Gänge ein. Doch da hatte man nicht die Sächsische Schweiz losgehen. Als wir PS: Ohne die großzügigen Spenden der Institute, Vereine mit uns gerechnet, denn der Abend war von der Burg runter und in Richtung Hock- und Firmen hätte diese Fahrt nicht stattfinden können. komplett verplant. Prof. Häfner (Institut für stein unterwegs waren, verhieß das Wetter Wir bedanken uns hiermit bei: Dekanat 3, Institut für Bohrtechnik und Fluidbergbau) zog alle stabil zu bleiben, denn es fing zwar an zu Bergbau und Spezialtiefbau, Institut für Bohrtechnik und mit der historisch-politischen Entwick- schneien, nicht aber zu regnen, wie der Fluidbergbau, Fachschaftsrat 3, Verein für Geotechnik, lungsgeschichte der Institute in seinen Wetterbericht es vorhergesagt hatte. Verein Freunde und Förderer der TU Bergakademie Frei- Bann. Anschließend hielten dann auch Der Anstieg auf den Hockstein sollte berg, ExxonMobile.

14. Jahrgang 2007 115 Berichte Ein halbes Jahr Trondheim

Zugegeben, es waren nur fünf Monate, kann man hier oben jeden Euro (Krone) aber wer wird schon zählen?! Außerdem gebrauchen. kann ich jedem, der sich in das Abenteuer Ausland stürzen will, nur empfehlen, für Anreise ein ganzes Jahr zu gehen. Ein halbes ist Viele Wege führen nach Rom – und auch oft nicht genug, um sich auf das Leben Trondheim ist über mehrere Wege zu er- im fremden Land vollkommen einzulas- reichen. Die beste Variante ist wohl, mit sen, um feste Freundschaften zu schlie- dem eigenen Auto anzureisen oder noch DNT-Hütte Munkebu auf der Lofoteninsel Moskensøy ßen oder um die Sprache wirklich gut zu besser, jemanden zu finden, der das glei- lernen. Dieser Erfahrungsbericht soll allen che Ziel hat. So kann man zum Beispiel sen wollen, sei der Reiseführer von lonely Mut machen, die sich bis jetzt noch nicht viel mehr Gepäck mitnehmen als mit dem planet zu empfehlen. Dieser bietet neben dazu durchringen konnten diesen Schritt Flugzeug. Leider ist es aber auch die teu- wichtigen Informationen zu Städten (und zu vollziehen, und die Entscheidung er- erste Variante, da so oder so – entweder anderen Ansiedlungen) zahlreiche Tipps leichtern – man wird es nicht bereuen! per Fähre oder über Brücken – die Ostsee für Individualtouristen und Entdecker. überquert werden muss. Die hohen Sprit- Ich selbst habe den Besuch meiner Warum Norwegen, warum Trondheim? preise tun ihr Übriges. Die schnellste Vari- Freundin zum Anlass genommen, mit ihr Für alle, die die Natur lieben, gern draußen ante, nach Trondheim zu gelangen, ist das das Land zu erkunden. So führte uns die sind und das Abenteuer Wildnis suchen, Flugzeug. Leider gibt es von Deutschland erste Reise mit Bahn und Fähre auf die Lo- wird sich die Frage „Warum Norwegen?“ aus keine Direktflüge, so dass stets ein foten, wo wir mit Rucksack und Zelt zwei erübrigen. Auch für mich war genau Zwischenstopp in Oslo fällig wird. Günsti- der Inseln erkundet haben. dieser Reiz der ausschlaggebende Fak- ge Angebote findet man bei norwegian.no Für eine zweite Tour haben wir uns ein tor, um nach Norwegen zu gehen. Aber (auch auf Deutsch und Englisch) und Auto gemietet und sind damit über den natürlich finden sich auch noch andere auch germanwings fliegt Oslo an (jeweils Jotunheimen Nationalpark, Bergen und Vorteile: Für einen Deutschen bedarf es von Berlin). den Preikestolen nach Stavanger gefah- keiner großen Umstellung der Lebensum- Die günstigste Variante ist, bis Oslo zu ren, von wo aus es mit dem Zug zurück stände – Norwegen ist, obwohl es kein fliegen und von dort aus weiter mit dem nach Trondheim ging. EU-Mitgliedsland ist, doch sehr europä- Bus (lavprisekspressen.no) nach Trond- isch. Das Erlernen der Sprache fällt auch heim zu fahren. Jedoch ist hierfür eine sehr Sprachkurs recht leicht. Und wenn man keine Lust frühe Buchung nötig, um auch wirklich in Vor Beginn der eigentlichen Vorlesungszeit auf eine neue Sprache hat, kommt man den Vorzug eines Spartickets zu gelangen. ist es möglich, an einem drei- bzw. vierwö- mit Englisch überall weiter. Das Studium Das gleiche gilt für Zugfahrten: hier bietet chigen Intensivsprachkurs teilzunehmen. kostet nichts, die Hochschulen sind aber die NSB bei entsprechend früher Buchung Hier lernt man die nötigen Grundlagen, sehr gut ausgestattet. Viele Vorlesungen sogenannte minipris-Tickets an. Natürlich um sich im täglichen Leben verständigen (vor allem im Masterstudium) werden auf besteht auch die Möglichkeit, die gesam- zu können. Wie gesagt, es sind jedoch Englisch angeboten. te Strecke mit Bus oder Bahn zurückzu- nur Grundlagen – daher sollte man auch Weshalb die Wahl letztendlich auf legen. Ich hatte das Glück, von Freunden versuchen, einen Platz im semesterbeglei- Trondheim fiel, liegt an der guten Verbin- bis Oslo im Auto mitgenommen zu wer- tenden Sprachkurs zu bekommen (frühes dung meiner Heimathochschule (Techni- den und habe für das restliche Stück die Anmelden nötig!). Das International Office sche Universität Bergakademie Freiberg) besagte Billig-Buslinie genutzt. der NTNU bietet während des vorbereiten- zu der hiesigen (NTNU). Schon im Vorfeld den Kurses ein reichhaltiges und gut orga- konnte ich mich mit vielen anderen Stu- Reisen im Land nisiertes Social Program an. Dieses reicht denten unterhalten, die diesen Schritt be- Es wäre vermessen zu sagen, man fahre von Grillabenden über Feiern bis hin zu reits getan hatten. Ihre positiven Berichte nach Norwegen nur des Studierens we- Wochenendausflügen, wobei man die an- haben mich dann schnell von dieser Stadt gen. Dieses Land bietet mit seiner schier deren Austauschstudenten kennen lernen und dieser Universität überzeugt. Und ich endlosen Weite und unberührten Natur und erste Freundschaften schließen kann. kann sagen, dass meine Erwartungen die besten Voraussetzungen für Entde- Um die Sprache jedoch richtig zu lernen, nicht enttäuscht wurden. ckungstouren. Leider ist man hier ohne hilft es nur, sich zu unterhalten. Das ist Bevor man sich entschließt, für eine Auto recht aufgeschmissen. Die norwegi- manchmal gar nicht so einfach, da die gewisse Zeit nach Norwegen zu gehen, sche Bahn (NSB) bietet zwar eine günstige Norweger sofort mit Englisch anfangen, sollte man eines wissen – Norwegen ist Möglichkeit des Reisens, doch sind selbst sobald sie merken, dass man ein Auslän- nach Island das zweitteuerste Land der so bekannte Ziele, wie der Geiranger Fjord der ist. An sich ist das zwar sehr freundlich, Welt ! Also muss die Finanzierung geklärt oder der Preikestolen mit ihr nicht zu errei- aber nicht wirklich hilfreich. Man sollte sie sein. Ich persönlich wurde über die VNG chen. Norwegen ist schlichtweg zu dünn daher bitten, norwegisch zu sprechen – (Verbundnetz Gas AG) gefördert. Darüber besiedelt, um ein verzweigteres Strecken- aber langsam! Im Sprachkurs lernt man hinaus habe ich noch Auslands-BAföG er- netz zu bieten. die offizielle Sprache Bokmål. Gesprochen halten, was ich wiederum nur empfehlen Für alle, die mit dem Auto anreisen wird hier aber der Trønder Dialekt, so dass kann. Erstens erhält man dieses zusätz- oder sich durch die teilweise schlechte die Verständigung manchmal schwerfal- lich zu der Regelstudienzeit und zweitens Bahnanbindung nicht abschrecken las- len kann.

116 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Lomer Stabkirche am Jotunheimen Nationalpark Bryggen -- das alte Handelsviertel von Bergen Mein Wohnheim im Sommer

Unterbringung nanzielle Lage der Universität. So fehlt es von dort aus Wanderungen oder Ski-Tou- Die meisten ausländischen Studenten nirgends an Arbeitsmitteln, die Hörsäle ren in Norwegens Wildnis unternehmen. kommen im Moholt Studentby unter. Das und Klassenräume sind modern und die Kulturell bietet Trondheim mit seiner ist das größte von Trondheims zahlreichen Labors und Computerkabinette gut aus- über 1000-jährigen Geschichte sehr viel. Studentendörfern. Es besteht aus vielen gestattet – drucken kann man natürlich Allein schon der beeindruckende Nidaros- roten Ziegelsteinhäusern, die über eine überall kostenlos! dom mit dem angrenzenden Erzbischöfli- überschaubare Anlage verteilt sind. Dabei Nun muss man sich vor Reiseantritt chen Palais ist einen Besuch wert ! Dane- wohnt man meist in 4er-WGs mit einer überlegen, welche Vorlesungen man be- ben bietet das überschaubare Stadtzen- großen gemeinschaftlichen Küche. suchen möchte und welche eventuell an trum viele alte und liebevoll restaurierte Mir wurde jedoch eine Wohnung in der heimatlichen Hochschule anerkannt Holzhäuser, einige Museen und den Stifts- einem etwas abgelegeneren Teil des Stu- werden. Bei der Wahl der Kurse hilft der gården – Skandinaviens größtes Holzpa- dentendorfes zugewiesen, wo anstelle der ECTS catalogue der NTNU. Hier findet man lais. Über der Stadt thront die Festungsan- großen Ziegelsteinhäuser kleinere Holz- alle Fächer und kann nach Studienrich- lage Kristiansten, die nachts eindrucksvoll bauten zu finden waren. Hier wohnte ich tung und Sprache suchen. Vor allem die beleuchtet wird. in einer 2er-WG zusammen mit einer nor- Vorlesungen der Masterstudiengänge wer- Wenn man als Student selbst aktiv wer- wegischen Studentin. Insgesamt war es den auf Englisch gehalten, aber auch ei- den will, kann man einer der vielen Mu- hier viel ruhiger, da die meisten Partys im nige andere. sik-, Tanz- oder Theatergruppen beitreten. Hauptkomplex von Moholt stattfanden. Je- In Freiberg studiere ich Mineralogie mit Auch hat die Universität einen eigenen TV- doch muss man dafür auch eine höhere der Vertiefung Technische Mineralogie. Lei- und Radiosender und eine Studentenzei- Miete in Kauf nehmen. der gibt es diesen Studiengang in Trond- tung. Zentrum dieser kulturellen Aktivitä- Man sollte sich auch nicht wundern, heim nicht, sodass ich meine Fächer frei ten ist das Studentersamfundet. wenn man bis zur Ankunft in Trondheim zusammenstellen musste. Erschwerend Damit bin ich auch schon beim Thema keine Bestätigung für die Wohnung erhält. kam hinzu, dass viele Kurse, die mich inte- Party angekommen, was ja alle Studenten So reist man mit einem unguten Gefühl ressierten, nur aller zwei Jahre oder nur im interessieren dürfte. Neben den verschie- im Bauch an, um dann zu erfahren, dass Frühjahrssemester angeboten wurden. So denen Basements (Partykeller im Studen- doch alles geklappt hat. Die Wohnungs- habe ich mich fachübergreifend in Petro- tendorf Moholt) und diversen Clubs im verwaltung hält es anscheinend nicht für leum Geology und High Deviation Drilling Stadtzentrum ist das Studentersamfundet nötig, einem Bescheid zu geben, ob man weiter gebildet. Damit konnte ich einen das Partyzentrum. Hier finden viele kleine- ein Zimmer erhalten hat – und das ging Einblick in Norwegens wichtigsten Wirt- re und auch größere Konzerte statt und je- allen so, mit denen ich mich unterhalten schaftszweig gewinnen und mein Wissen den (!) Samstag ist was los. Darüber hinaus hatte! Also keine Sorge, in der Regel be- in diesem Gebiet erweitern. haben auch Theater- und Kinovorführun- kommen alle Austauschstudenten einen gen ihren Platz im Programm. Für Mitglie- Wohnheimplatz. Freizeit der ist der Eintritt meistens frei, Nichtmit- An Möglichkeiten einer aktiven Freizeitge- glieder müssen einen Preis von 40 NOK Studium staltung mangelt es in Trondheim wahr- für die Veranstaltungen bezahlen. In Trondheim leben knapp 146.000 Men- lich nicht! Neben Sport und Kultur kann schen, davon sind etwa 20.000 Studenten. man natürlich auch feiern. Resümee Trotz dieser Größe ist es ein sehr angeneh- Der NTNUI (NTNUs Sportverein) bietet Der Aufenthalt in Trondheim war für mich mes und fast familiäres Studieren an der ein reichhaltiges Angebot an sportlichen sehr erfahrungsreich und interessant. Ne- NTNU. Die Klassenstärke beträgt meist nur Aktivitäten. Von Fußball über Volleyball, ben schönen Erlebnissen und vielen Ein- um die 20 bis 30 Studenten und es wird Baseball, American Football bis hin zu Ski- blicken in das norwegische Leben habe großer Wert auf engagiertes Mitarbeiten langlauf kann man hier so gut wie alles ich auch gelernt, was es bedeutet, allein gelegt. Zu den Vorlesungen finden häufig machen. Ein ganz besonderes Erlebnis in ein fremdes Land zu gehen – auf sich auch Übungen statt, die einem das theo- stellt wohl eine Übernachtung auf einer selbst gestellt zu sein. retische Wissen praktisch näher bringen. der zahlreichen Koiene dar. Das sind mehr Ich möchte der VNG danken, dass sie Darüber hinaus gibt es noch relativ viele oder weniger große Berghütten rund um es mir durch ihr Stipendium ermöglicht Hausaufgaben, wodurch man zum Lernen Trondheim und Umgebung, die vom NT- hat, all diese Erfahrungen und Eindrücke über das ganze Jahr „gezwungen“ wird. NUI betreut werden. Diese kann man als zu sammeln. Hervorzuheben ist auch die gute fi- Mitglied sehr kostengünstig mieten und Mathias Klinger

14. Jahrgang 2007 117 Berichte

trie des Porenraumes gebunden. Gruppiert Bernhard-von-Cotta-Preis 2006 man die Gesteine nach ihrer Textur in ver- schiedene Typen, so erhält man Gruppen, Vergleichende Untersuchung von Methoden die ähnliche Korn- und Porengrößenver- teilungen aufweisen. Eine Hydraulic Unit zur vertikalen Lagerstättenzonierung (HU) wird daher als ein repräsentatives Ein- heitsvolumen eines Lagerstättengesteins Kurzreferat Motivation definiert, innerhalb dessen einheitliche Die Diplomarbeit zu diesem Thema ent- Für die dynamische Modellierung von Flu- strömungsbeeinflussende Eigenschaften stand zwischen November 2005 und Feb- idlagerstätten sind detaillierte Informatio- vorherrschen. Hydraulic Units stehen zwar ruar 2006 bei den Erdölwerken der Win- nen über die Permeabilitätsverteilung im in Beziehung zur geologischen Faziesver- tershall AG in Barnstorf. Träger notwendig. Aus den mehr oder we- teilung, sind aber nicht notwendigerweise Das Ziel war es, anhand einer nordwest- niger standardisierten geophysikalischen an ihre Grenzen gebunden und können, deutschen Gaslagerstätte im Rotliegenden Messungen am offenen Bohrloch lassen je nach sedimentologischer Textur, mehre- verschiedene Methoden zur Permeabili- sich unter anderem zwar Größen, wie die re Faziestypen umfassen. tätsprognose miteinander zu vergleichen. Porosität und Dichte, verhältnismäßig gut Die Hydraulic Units einer Lagerstätte

Die Arbeit umfasste dazu zwei Aufgaben- bestimmen, Permeabilitäten jedoch nicht. können aus den Porositäts-[φe ]- und Per- bereiche. Ein Bereich beschäftigte sich mit Direkte Permeabilitätsmessungen können meabilitätsdaten [k in mD] von Kernmes- der Identifizierung von Hydraulic Units in nur an Probekörpern aus Bohrkernen er- sungen ermittelt werden. Die Technik dazu der Lagerstätte auf Basis von Porositäts- folgen. Da aus wirtschaftlichen Gründen beruht auf der Berechnung des Flow Zone und Permeabilitätsdaten aus Labormes- nicht alle Bohrungen gekernt werden, ist Indicators [FZI in μm] aus dem Verhältnis sungen. Diese Art der Lagerstättenzonie- die Informationsdichte in den Lagerstät- von Porenraum- zu Matrixvolumen [φz ] rung ermöglicht Permeabilitätsprognosen ten entsprechend gering. Deshalb sind und dem Reservoir Quality Index [RQI in nach der Flow Zone Indicator Methode Permeabilitätsprognosen in ungekernten μm] aus Gleichung 1. Die Gleichung ist und bietet eine Alternative zur klassi- Bohrungen und Bohrlochabschnitten er- vom Permeabilitätsmodell nach KOZENY- schen Fazieszonierung. Es konnte gezeigt forderlich. Klassische Porositäts-Permea- KARMANN abgeleitet. Gesteine mit ähn- werden, dass die Einteilung in Hydraulic bilitäts-Beziehungen sind dafür meist zu lichen FZI-Werten gehören zur selben Units nach dem Flow Zone Indicator Prin- unzuverlässig, weil dadurch die vorhan- Hydraulic Unit und sind entsprechend in zip für die vorliegende Lagerstätte zu sehr dene Datenstreuung ignoriert wird und ihren porengeometrischen Eigenschaften guten Porositäts-Permeabilitäts-Beziehun- die Variabilität der Permeabilität nicht ähnlich. gen führt. Der andere Aufgabenbereich ausreichend charakterisiert werden kann beschäftigte sich mit der Erweiterung der (Abbildung 1). Auch die Gruppierung der Permeabilitätsprognosen auf ungekern- Porositäts- und Permeabilitätsdaten nach te Bohrungen und Bohrlochabschnitte. ihrer Fazieszugehörigkeit führt meistens Dazu war die Identifizierung von Hydrau- nicht zu einer Verbesserung der Porositäts- lic Units auf Basis von Logdaten (entlang Permeabilitätskorrelationen. der Teufenachse aufgenommene Werte Die Gruppierung der Daten nach dieser von Messungen im Bohrloch) notwendig, Methodik Methode führt zu deutlich verbesserten wofür unter anderem ein künstliches neu- Die hydraulischen Eigenschaften eines Porositäts- und Permeabilitätsbeziehun- ronales Netzwerk verwendet wurde. Gesteins sind an die komplizierte Geome- gen, wie aus Abbildung 2 hervorgeht. Die Herausforderung besteht darin, die verti- kale Verteilung der Hydraulic Units auch in ungekernten Bohrungen und Bohrlo- chabschnitten aus Logdaten ermitteln zu können, um über die Porositäten die Per- meabilitäten zu bestimmen. Dazu müssen jene Bohrlochlogs (Mes- sungen im Bohrloch zur Bestimmung der physikalischen und chemischen Eigen- schaften des Gesteins und seiner Poren- fluide) gefunden werden, die am ehesten mit dem FZI korrelieren und außerdem in allen Bohrungen verfügbar sind. Im Falle der untersuchten Lagerstätte waren dies das Gamma Ray (GR), das Sonic (DT) und das Density (RHOB) Log. Damit konnte eine Trainingsdatenbank erstellt werden, die die FZI Werte der Kerndaten enthielt und ihre jeweilig zugehörigen Logwer- te, die den Logs in der entsprechenden Abb. 1: Klassisches Porsitäts-Permeabilitätsdiagramm Kernteufe entnommen wurden. Die Trai-

118 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg ningsdatenbank ist quasi ein künstliches Bohrlochlog, auf das verschiedene Algo- rithmen angewendet werden können. Da- durch können in einer ungekernten Boh- rung aus den Logdaten der FZI und damit die vertikale HU-Verteilung prognostiziert werden. Ist die vertikale HU-Zonierung er- mittelt, können die Permeabilitäten unter Verwendung eines Porositätslogs und der für die HU spezifische Porositäts-Perme- abilitätsbeziehung errechnet werden. Die vielversprechendste Methode für derartige Prognosezwecke ist die Verwendung ei- nes künstlichen neuronalen Netzwerkes (KNN). Andere Methoden wurden eben- falls untersucht, werden aber an dieser Stelle nicht weiter vorgestellt. Künstliche neuronale Netzwerke zeichnen sich be- sonders durch ihre Lernfähigkeit aus und sind nach einer Trainingsphase in der Abb. 2: Nach HU gruppiertes Porositäts- und Permeabilitätsdiagramm Lage, stark verrauschte oder unvollständi- ge Informationen zu klassifizieren.

Ergebnisse Nach dem Trainieren des KNN an der Trainingsdatenbank konnte die vertikale Verteilung der Hydraulic Units in allen Bohrungen der Lagerstätte erfolgen. In der untersuchten Lagerstätte variiert die Per- meabilität in kleinen Teufenschritten oft um mehrere Größenordnungen. Ein Bei- spiel dafür ist in Abbildung 3 zu sehen, in der die Permeabilitäten aus Kernmessun- gen und Prognosen in der Bohrung WIDA- Z16 entlang der Teufenachse aufgetragen sind. Die mit der Hydraulic-Unit-Klassifi- zierung verbundenen Permeabilitätsprog- nosen konnten diese Variabilität sehr gut charakterisieren und übertrafen in dieser Hinsicht die Ergebnisse jener Prognosen, die auf Porositäts- und Permeabilitätsbe- ziehungen von Faziesgruppen beruhen. Bei der Gruppierung nach Faziestypen wird nur auf die Ablagerungsräume der Sedimente Bezug genommen. Eine nach- folgende Diagenese bleibt dabei außen vor, welche in diesem Falle für den hohen Permeabilitätskontrast in der Lagerstätte verantwortlich ist. Danksagung An dieser Stelle möchte ich allen Personen, die zum Ge- lingen dieser Arbeit beigetragen haben, danken. Mein Dank geht besonders an Prof. Frieder Häfner für die Be- treuung seitens der TU Bergakademie Freiberg und an die Wintershall AG, die mir die Möglichkeit gab, dieses Thema in ihrem Hause in Barnstorf zu bearbeiten. Ganz besonders herzlich danke ich dem Verein der Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg für die An- erkennung dieser Arbeit durch die Verleihung des Bern- hard-von-Cotta-Preises. Torsten Eden Abb. 3: Vergleich zweier Prognosemethoden

14. Jahrgang 2007 119 Berichte Abenteuer Nahost Praxissemester in Israel

Andreas Hänel und Tomer Zidki bei der Posterpräsentati- on zu der Israelischen chemischen Konferenz in Tel-Aviv

teilgenommen. Die erste Station war das Kohlekraftwerk Ruthenbourg südlich von Aschkelon. Die Besichtigung umfasste alle wichtigen Abschnitte und Prozesse von der Anlieferung der Kohle über das Mit- telmeer bis zur Verbrennung, Verstromung und Abgasreinigung. Anschließend haben Gesine Heiber in Yafo am Mittelmeer wir uns mit Vertretern der NCAB (National Coal Ash Board) und der GlassCeraX Ltd. Mit der Ankunft am 29. September 2006 tersuchungen in den vergangenen Jah- Company getroffen, wo wir Erfahrungen in in Tel-Aviv hatte unser Praxissemester in ren haben gezeigt, dass die Kolloide der Bezug auf unsere Forschungsthemen und Israel begonnen. Unser Betreuer Prof. Co- Edelmetalle katalytisch aktiv sind. Um die die Praxis ausgetauscht haben. hen empfing uns am Flughafen. Von dort Kolloide für industrielle Anwendungen Neben dem Erwerb vieler neuer fach- ging es weiter nach Beer-Sheva, der größ- nutzbar zu machen, müssen diese an ei- licher Kenntnisse haben wir auch eines ten Stadt der Negev Wüste. In den folgen- nem Träger fixiert werden. Es wurden SiO2- der interessantesten Länder der Welt ken- den fünfeinhalb Monaten haben wir an Nanopartikel gezüchtet, auf deren Ober- nen lernen können, welches uns durch die der Ben-Gurion-Universität in Beer-Sheva fläche später Silberkolloide angeheftet jüdische Religion und Kultur, aber auch unsere jeweiligen Praxisarbeitsthemen be- wurden. In den darauffolgenden Experi- durch seine einmalige Landschaft immer arbeitet. menten wurde untersucht, inwieweit die wieder faszinierte. Wir konnten ein ande-

Gesine Heiber hat sich mit dem The- SiO2-Partikel die katalytischen Eigenschaf- res Israel erleben, als man es sich sonst ma „Flyash as a Chemical Scrubber for To- ten der Silberkolloide beeinflussen. Dafür aus Berichten der Medien vorstellt. Natür- xic Trace Elements“ befasst. Während der wurden mittels Gammastrahlung Methyl- lich ist die politische Lage eine andere als Verbrennung von Kohle fallen große Men- radikale in einer wässrigen Dispersion er- in Deutschland, aber man fühlt sich den- gen an Flugasche an, die bisher nur teil- zeugt. In Anwesenheit der Edelmetallkol- noch sicher. Während der Feiertage von weise in der Zementindustrie weiterverar- loide wird ein Großteil der Radikale ein- Sukkoth (Laubhüttenfest) und Chanuka beitet werden können. Ein weiterer mög- gefangen und dimerisiert zu Ethan. Somit (Lichterfest) hatten wir die Gelegenheit licher Verwendungszweck ist die Nutzung konnte einerseits während des Praxisse- das Land zu erkunden. Wir waren in Tel- der Flugasche als ein chemisches Ab- mesters eine Methode entwickelt werden, Aviv, Jerusalem, Haifa, Nazareth, Eilat und sorptionsmittel für Industrieabwässer. Da- mit der die Edelmetallkolloide an einem anderen Orten. für wurden Absorptionsuntersuchungen Träger fixiert werden können und anderer- Ein besonderer Dank gilt den Herren mit schwermetallionenhaltigen Lösungen seits konnte experimentell nachgewiesen Prof. Meyer, Prof. Cohen und Dr. Krzack, die durchgeführt. Experimente ergaben, dass werden, dass die immobilisierten Kolloide uns das Praxissemester in Israel ermög- Kupfer- und Bleiionen sehr gut durch Flug- weiterhin katalytisch aktiv sind. licht haben. Des Weiteren bedanken wir asche absorbiert werden (mit wachsendem Vom 6. bis 7. Februar hatten wir zur uns bei Prof. Meyerstein und Prof. Pelly, in pH-Wert intensiver). Dies wurde dadurch Konferenz der Israelischen Chemischen deren Laboratorien wir forschen durften, bewiesen, dass bei Proben mit Flugasche Gesellschaft in Tel-Aviv die erste Möglich- für ihre ausgezeichnete fachliche Unter- mehr Metallionen-Absorption/Präzipitation keit bekommen, unsere Ergebnisse öffent- stützung. Weiterer Dank gebührt Tomer stattfand als im Falle des Verzichts auf Flug- lich zu präsentieren. Eine zweite Präsen- Zidki und Eli Lederman, die uns auch bei asche bei gleichem pH-Wert. tation fand während der Internationalen der Bewältigung alltäglicher Probleme hal- Andreas Hänel beschäftigte sich mit Freiberger Konferenz der IGCC & XtL Tech- fen. Ebenso gilt Dank dem Verein Freunde dem Thema „The Reactivity of Aliphatic nologien im Mai 2007 statt. und Förderer der TU Bergakademie für die Radicals with Immobilized Noble Metal Als Ergänzung zu unserer Arbeit ha- finanzielle Unterstützung. Nanoparticles in Aqueous Solutions“. Un- ben wir im Januar an einer Exkursion Andreas Hänel, Gesine Heiber

120 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Fachtagung EGU 2007 in Wien Vom 21. bis 25. April 2007 fand Europas größte Geowissenschaften-Tagung „EGU General Assembly“ (European Geoscience Union) im Austria Center der Stadt Wien statt. Wir nahmen als Diplomanden des Geologie-Institutes der TU Bergakademie Frei- berg an dieser Fachtagung teil. Unsere Diplomarbeiten in der Fernerkundungsarbeits- gruppe beschäftigen sich mit anwendungsorientierten Lösungsansätzen für geologi- sche Fragestellungen in der Fernerkundung und Bildverarbeitung. Judith Lippold (Geoökologie) stellte ihre Arbeit über die automatisierte Zählung von Spaltspuren in Mineralen in einem 15-minütigen Vortrag vor. Florian Wobbe und Ma- ria Helbig (in Zusammenarbeit mit Michael Buchwitz) zeigten ihre Arbeiten in einer der vielen Poster-Sessions. Florian Wobbe beschäftigt sich mit der Erkennung von ak- tiven tektonischen Grenzen und der Ableitung von relativen Hebungsraten in Ostku- ba. Die Analysemethode basiert auf einem exponentiellen Zusammenhang zwischen Hebungsrate und Flussgefälle sowie Entwässerungsfläche. Als Datengrundlage liegen digitale Geländemodelle in verschiedenen Auflösungen vor. Maria Helbig und Micha- el Buchwitz präsentierten Deformationsanalysen an hochauflösenden (1 m) digitalen Geländemodellen (basierend auf Luftbildern) vom Mitteläthiopischen Riftsystem und dem Isländischen Rift. Die Konferenz war ein voller Erfolg. Das Vorstellen unserer Arbeiten vor einem grö- ßeren Fachpublikum machte uns nicht nur an Erfahrung reicher, sondern lieferte in der anschließenden Diskussion vor allem auch neue Impulse und Ideen zur Weiterar- beit. Mit Interesse und Begeisterung verfolgten wir auch die Beiträge anderer Arbeits- gruppen Europas. Die ganze Welt der Geowissenschaften stand uns offen. Wir nutzen die Gelegenheit zum Austausch mit anderen Geowissenschaftlern und knüpften viele neue interessante Kontakte. Das internationale Flair war unverkennbar, und Zeit zum „Sightseeing“ in Wien blieb auch noch. Wir bedanken uns beim Verein Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg, ohne dessen Unterstützung eine Teilnahme wohl nicht möglich gewesen wäre. Judith Lippold, Maria Helbig und Florian Wobbe

Göttingen GIS & Remote Sensing Days Globaler Wandel in Entwicklungs- und Schwellenländern

Die Göttinger GIS & Remote Sensing Days geleiteten „Remote Sensing Group“ erhiel- bieten dem Besucher über die Grenzen ten vom Verein der Freunde und Förderer des eigenen Fachbereiches hinaus einen der TU Bergakademie Unterstützung, um Überblick über aktuelle, umweltrelevan- sich in die Diskussion einzubringen. Die Ta- te Forschung und Anwendungen in den gung bot für Sabine Höhlig, Sandy Peischl Die Teilnehmerinnen Sandy Peischl, Sabine Höhling, Bereichen Geoinformationssysteme und und Anna Görner auch eine gute Möglich- Anna Görner (v. l.) Fernerkundung. Der Themenbogen 2006 keit, die eigenen Arbeiten in einem Vortrag spannte sich vom Management von Forst- oder als Poster vorzustellen und mit dem Möglichkeiten und Grenzen eines ferner- und Agrarlandschaften sowie Wasserein- Fachpublikum zu erörtern. Sabine Höhlig kundungsgestützen Monitorings von See- zugsgebieten bis hin zu Untersuchungen untersuchte in ihrer Diplomarbeit die Ab- spiegeländerungen in Ostafrika. Die Topo- der Dynamik in Städten und Stadtrandge- hängigkeit der Landnutzung von verschie- graphie führt hier zu sehr kleinräumigen bieten. Auch epidemiologische Fragestel- denen Standortparametern mittels Ferner- Variationen des Mikroklimas. Außerdem lungen wurden behandelt. Die angeneh- kundung und Statistik. Die Arbeit ist ein wird der Wasserhaushalt durch tektoni- me Atmosphäre am Göttinger Institut für Beitrag zum Einzugsgebietsmanagement. sche Prozesse stark beeinflusst. Geographie ließ unbefangene Gespräche Die Methodik wurde exemplarisch für ein Neben der Möglichkeit, Kontakte zu auch in den Pausen zu und ermöglichte Gebiet im Osterzgebirge angefertigt, ist knüpfen und Wissenschaft mit Gesichtern einen lebendigen Einblick in die aktuelle, aber auf andere Regionen übertragbar. zu verbinden, trug die Tagungsteilnahme wissenschaftliche Diskussion. Wie lässt Man benötigt lediglich die Eingangsdaten, darüber hinaus dazu bei, die Arbeitsgrup- sich beispielsweise die Verbreitung von um ein neues Modell aufzubauen. Sandy pe Fernerkundung vorzustellen. Mitglie- Malaria modellieren? Wie können Satelli- Peischl beschäftigt sich mit der Modellie- der der „Remote Sensing Group“ präsen- tendaten besser in nationale und interna- rung der Bodenfeuchte anhand von RA- tierten ihre Arbeiten 2006 auf nahezu al- tionale Waldinventuren einbezogen wer- DARSAT- und ENVISAT-ASAR-Daten. Als len relevanten Konferenzen, zum Beispiel den? Mit welchen Methoden lassen sich entscheidender Kennwert für dynamische der European Geoscience Union General Unsicherheiten in Fernerkundungsdaten Transfer- und Speicherprozesse im Boden Assembley und dem International Geos- quantifizieren? spielt die Bodenfeuchte eine große Rolle cience and Remote Sensing Symposium Drei Freiberger Geoökologie-Studentin- im Hinblick auf nachhaltiges Ressourcen- (IGARSS). nen aus der von Prof. Richard Gloaguen management. Anna Görner sprach über Anna Görner

14. Jahrgang 2007 121 Berichte

Anreicherungskultur Mikrobiologie auf Schwedisch zu erkennen: Im unte- ren Teil des Reagenz- „Gallionella its a girl, because she has um Gallionella ferruginea bildet charakte- glases ist Eisen(II)- got a plait. Anna, 6 years old.“ (Original- ristische Stängel aus, mit deren Hilfe sich sulfid in Form eines zitat von Prof. Karsten Pedersen) das Bakterium an Oberflächen wie z. B. schwarzen Nieder- Im Rahmen meiner Diplomarbeit be- Glas festhalten kann. Bei einer 4.000-fa- schlags zu sehen, schäftige ich mich mit der Mikrobiologie chen Vergrößerung waren diese „stalks“, die Nahrungsquel- der Wettinquelle in Bad Brambach, einer wie sie im Englischen genannt werden, le des Bakteriums. touristisch erschlossenen Mineralwasser- tatsächlich zu sehen. Zu diesen „stalks“ Das Reagenzglas ist quelle. Da Eisen oxidierende Mikroorganis- erzählt Prof. Pedersen übrigens jedem Be- gefüllt mit Minimal- men sehr häufig in diesem Mineralwasser trachter dieselbe Geschichte: Als seine da- medium. Es enthält vorkommen, versuche ich, diese Mikroor- mals sechsjährige Tochter das Bakterium nur einige Salze in ganismen anzureichern, zu isolieren und Gallionella ferruginea auf einer mikrosko- Spuren und wurde eventuell auch zu charakterisieren, um die- pischen Aufnahme sah, meinte sie, dass gespült mit Kohlen- se Bakterien als Reinkulturen in unserem Gallionella eine „Sie“ sein muss, weil sie stoffdioxid, welches mikrobiologischen Labor an der TU Berg- doch einen Zopf hat. Überzeugen Sie sich das Bakterium zum akademie Freiberg vorrätig zu haben. Leider im untenstehenden Bild von Gallinella Wachsen braucht. erwiesen sich die in Freiberg unternomme- ferruginea selbst … Beim Schließen des nen Versuche zur Isolierung als experimen- Gallionella benötigt für seinen Ener- Reagenzglases ent- Anreicherungskultur für tell außerordentlich schwierig. giestoffwechsel zwei Komponenten, um stehen mikroaerophi- eisenoxidierende Mikro- Große Erfahrungen mit der Kultivie- daraus Energie gewinnen zu können: le Bedingungen: Sau- organismen bei neutra- rung dieses Typs von Mikroorganismen Eisen(II)-Ionen und Sauerstoff. Als zusätz- erstoff diffundiert von lem pH-Wert hat die Arbeitsgruppe um Herrn Prof. Pe- liche Bedingung kommt hinzu, dass das oben in das Medium, dersen aus Göteborg in Schweden, die be- Bakterium meist in Wässern mit einem Eisen(II)-Ionen von reits zahlreiche Publikationen zu diesem pH-Wert um den Neutralpunkt gefunden unten. In der Höhe des roten Ringes sind Thema verfasst hat. Glücklicherweise war wird. Hier liegt auch ein Problem, das auf- sowohl Sauerstoff als auch Eisen(II)-Ionen Prof. Pedersen vor kurzem zum GDCh-Kol- tritt, wenn man Eisen(II)-oxidierende Mi- vorhanden, so dass sich dort kleine weiße loquium eingeladen, und bei dieser Gele- kroorganismen bei neutralem pH-Wert Kolonien bilden. genheit hatte er angeboten, mir in seinem anreichern will: Bei neutralem pH werden Neben den praktischen Arbeiten im Labor die entsprechenden Kultivierungs- Eisen(II)-Ionen durch anwesenden Sauer- Labor hielt ich auch einen kurzen Vor- methoden zu zeigen. Also hieß es für stoff zu Eisen(III)-Ionen oxidiert. trag über meine Diplomarbeit vor der Ar- mich: Koffer packen und auf nach Schwe- Im Labor von Prof. Pedersen wurden mir beitsgruppe von Prof. Pedersen. Neben den zu einem lehrreichen Forschungsauf- für dieses Problem mehrere Lösungsansät- der Laborarbeit und wissenschaftlichen enthalt in seinem Labor. ze aufgezeigt. Frau Dr. Lotta Hallbeck erklär- Diskussion blieb noch Zeit für Sightsee- Im Labor, zusammen mit Frau Dr. Lotta te mir unermüdlich in zwei Tagen die spe- ing in Göteborg und die After-Work-Party Hallbeck, konnte ich mein mitgebrachtes zielle Handhabung und Vorbereitung der des Labors. Dabei konnte ich mein eher Mineralwasser aus Bad Brambach sofort Anreicherungskulturen. Schließlich zeigte mäßiges Englisch im „Small Talk“ mit den unter dem Mikroskop untersuchen und jede Anreicherungskultur aus dem Mine- schwedischen Mitarbeitern testen. erkennen, was Laien ansonsten verbor- ralwasser der Wettinquelle Wachstum. Was mich ganz besonders beeindruckt gen bleibt: Das Eisen oxidierende Bakteri- Im Bild ist das Ergebnis einer solchen hat: Die Mentalität der Schweden. Ich wur- de von Prof. Pedersen persönlich am Flug- hafen abgeholt. In seinem Labor stürzten sich sofort alle Mitarbeiter auf mich. Stets zuvorkommend und freundlich, so sind mir die Mitarbeiter des Labors in Erin- nerung geblieben. Mein nächster Urlaub wird mich wieder zurück nach Göteborg ziehen! Ich möchte dem Verein der Freunde und Förderer der TU Bergakademie Frei- berg danken, ohne dessen schnelle und unkomplizierte finanzielle Unterstützung dieser Forschungsaufenthalt nie möglich gewesen wäre. Dank möchte ich auch an Prof. M. Schlömann und meine Betreue- rin Frau Dr. Mau richten. Zuletzt möchte ich noch Karsten, Lotta, Johanna, Sara und Sara E. für die schönen Tage in Göteborg danken. Gallionella ferruginea (4000x-Vergrößerung) Sandra Gruner

122 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Energietechnischer Workshop Europa 2030 – Politik- Edmonton/Kanada – Freiberg beratung für Europa Studenten der TU Bergakademie Frei- berg entwarfen mit Experten die Zu- Vom 18. bis 19. Juni 2007 fand ein zwei- Schon während der Vorträge kristallisier- kunft der Europäischen Union tägiger Workshop zum Thema „Energy re- ten sich als Gebiete gemeinsamer Interes- Die Europäische Union muss in Zu- lated research and industrial activities in sen die Photovoltaik, Solarthermie, Biomas- kunft besonders auf die Themen Ein- Edmonton (Alberta) and Freiberg (Saxony)“ senutzung, Vergasung, Brennstoffzellenent- wanderung, Förderung von Familien an der TU Bergakademie Freiberg statt. wicklung und Geothermie heraus. und Innovationen sowie die Ratifizie- Eine Delegation aus Wissenschaftlern der Am zweiten Tag des Workshops wur- rung eines europäisches Umweltpro- University of Alberta in Edmonton und der den kompetenzorientierte und auf indivi- tokolls fokussieren. Dies loteten 15 University of Regina (Saskatchewan) sowie duelle Interessen zugeschnittene Besichti- deutsche und ausländische Studenten Industrievertreter aus dem Umfeld dieser gungen für die kanadischen Delegations- Ende Juni in einem dreitägigen Semi- Universitäten waren zu Gast, um mit Frei- vertreter an den verschiedenen beteiligten nar „Europa 2030 – Szenarioplanung berger Professoren und sächsischen In- Instituten der TU Bergakademie Freiberg als Methode für das Entwerfen ver- dustrievertretern in einen fachbezogenen sowie bei den vertretenen sächsischen In- schiedener Zukunftsversionen“ an der Informations- und Ideenaustausch zu tre- dustrieunternehmen veranstaltet. TU Bergakademie Freiberg aus. Unter- ten. Die Organisation lag in den Händen Abgeschlossen wurde der Workshop stützt wurden sie von Experten aus Ita- des Instituts für Wärmetechnik und Ther- mit einer Diskussionsrunde über zukünf- lien und Frankreich. modynamik (IWTT) sowie des Internatio- tige Aktivitäten, Kooperationsmöglichkei- Prof. Horst Brezinski, Lehrstuhlinha- nalen Universitätszentrums (IUZ), s. S. 76. ten sowie gemeinsame Forschungs- und ber für internationale Wirtschaftsbezie- Ziel der Veranstaltung war es, die be- Entwicklungsprojekte. Gemeinsame Pro- hungen an der Freiberger Universität, stehenden Kontakte zwischen den beiden jekte zur Energieforschung, Entwicklung initiierte gemeinsam mit Dr. Martin Gil- Universitäten einschließlich der örtlichen und Vermarktung von energietechnischen lo, ehemaliger sächsischer Wirtschafts- Industrie weiter zu entwickeln und zu Produkten werden angestrebt. Die beiden minister, die Veranstaltung. Ziel war es stärken. Dazu fanden am ersten Tag Vor- Universitäten wollen außerdem den Aus- mit Hilfe der Szenarioanalyse, welche stellungsvorträge der einzelnen Vertreter tausch von Studenten und Forscherperso- besonders Industrieunternehmen für statt. Der Schwerpunkt lag im Bereich der nal weiter ausbauen. Elf Studenten aus ihre Strategieplanung anwenden, ein Energietechnik. Eine bunte Mischung aus Alberta nahmen bereits an der Freiberger realistisches Bild der EU für das Jahr Forschung und praxisnaher Anwendung Summer School „On the cutting edge of 2030 zu entwerfen. brachte viele neue Impulse. Insgesamt energy supply“ teil. Die Veranstaltung wur- Die Studenten arbeiteten drei Sze- stellten sich zwölf Universitätsinstitute de gefördert mit Mitteln des Sächsischen narien aus. Im ersten stellten sie fest, und elf Industrie- bzw. Forschungseinrich- Ministeriums für Wissenschaft und Kultur dass Europa sich besonders im inter- tungen vor. Außerdem waren Vertreter des sowie vom Verein der Freunde und Förde- nationalen Wettbewerb durch qualifi- Sächsischen Ministeriums für Wirtschaft rer der TU Bergakademie Freiberg. zierte Arbeitskräfte, eine attraktive Fa- und Arbeit anwesend. Martin Kautz milienpolitik sowie Innovationen im Bereich der Biotechnologie und der erneuerbaren Energien hervorheben muss. Das zweite Szenario stellte die Auswirkungen des Rückgangs der Ge- burtenzahlen und einer nicht funktio- nierenden Immigrations- und Integrati- onspolitik in den Mittelpunkt. Dies hät- te zur Folge, dass sich die Anzahl der Singles in der Europäischen Union auf bis zu 100 Mio. erhöhen könnte und ab dem Jahr 2020 verstärkt Investitio- nen aus Europa nach China und In- dien abwandern. Um den Verlust gut ausgebildeter Arbeitskräfte zu verhin- dern, welche die Investitionsentschei- dungen von Unternehmen maßgeblich beeinflussen, sollte u. a. eine EU-weite Kampagne auf den Geburtenrückgang aufmerksam machen. Steuererlässe für Frauen mit mehr als zwei Kindern und bessere Rückkehrmöglichkeiten in den Beruf sind demnach notwendig. Fortsetzung S. 122

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Aufenthalt am Institute of Technology and Renewable Energy (I.T.E.R.), Teneriffa, Spanien

Dr. Martin Gillo (li.) und Teilnehmer des internatio- nalen Seminars

Ein Europa, das sich auf Versor- gungsprobleme, Versteppungen, Über- schwemmungen und Megastädte ein- stellen muss, kennzeichnete das dritte Szenario. Um dies zu verhindern, sind vermehrt Anstrengungen in Richtung Energieeffizienz, Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien und die Ra- tifizierung eines europäischen Umwelt- protokolls von Bedeutung. „Das Seminar bereitet mich aktiv für Abb. 1: Institute of Technology and Renewable Energy (Teneriffa, Spanien) meine Zukunft vor. Besonders heraus-

fordernd fand ich, die Szenarien rück- Diplomarbeit zum Thema: Diffuse CO2 Das Hengill volcanic system befindet wärts, vom Jahr 2030 ausgehend bis emissions from Hengill volcanic system, sich im SW von Island innerhalb des ak- heute, zu entwerfen.“ zeigt sich Chris- SW Iceland tiven Rifts. In dem Gebiet treffen die Rey- tabel Fombang, Studentin des eng- Während eines Praktikums bei Icelan- kjanes Volcanic Zone, die West Volcanic lischsprachigen Masterstudiengangs dic Geosurvey (Ísor) in Reykjavík lernte ich Zone und die South Iceland Seismic Zone Umwelt- und Ressourcenmanagement Geochemiker vom Institute of Technology aufeinander und bilden eine sogenannte (IMRE), aus Ghana beeindruckt. „Für and Renewable Energy kennen (Abb. 1). triple junction (Abb. 2). mich ist die Szenarioanalyse eine gute Durch eine Kooperation zwischen Ísor und Der damit verbundene Vulkanismus Möglichkeit, Probleme zu lösen. Damit I.T.E.R. wurden im August 2006 zwei vul- führt zu einer intensiven geothermalen kann ich in gewisser Weise meine Zu- kanische Systeme in Island auf diffusive Aktivität. Diese wird in Form von Fumaro- kunft und die der EU ausloten.“ meint Entgasungsstrukturen analysiert. Die Un- len, heißen Quellen sowie Geysiren sicht- Zuza Browarczyk, polnische BWL-Dop- tersuchungen gehören zu einem Projekt bar. Im Zusammenhang mit geothermaler peldiplomandin. von I.T.E.R. (CGL 2005-07509), dessen Ziel und vulkanischer Tätigkeit werden große „Durch die Beschäftigung mit dem es ist, den globalen Anteil an diffusiv ab- Mengen an Gas in die Atmosphäre ab- Thema Europa im Jahr 2030 wurden gegebenem Kohlenstoffdioxid in der At- gegeben. die Studierenden aktiv eingebunden. mosphäre zu bestimmen. Unterstützt wird Bisher konzentrierten sich alle Arbei- Sie fühlen sich damit auch in gewisser es vom Spanischen Ministerium für Bil- ten auf aktive, sichtbare Entgasungsstruk- Weise für die EU verantwortlich.“ Dies dung und Wissenschaft. turen, nicht aber auf diffusive Entgasung betonte Martin Gillo, der das Seminar moderierte. „Jedes der gewählten und ausgearbeiteten Szenarios hat meiner Meinung nach eine Wahrscheinlich- keit von 20 %.“ Ein abschließendes Resümee zog Prof. Richet von der Nouvelle Sorbonne in Paris: „Die Studenten haben eine sehr gute Arbeit gemacht. Sie haben mögliche Entwicklungspfade für die EU bis zum Jahr 2030 aufgezeigt. Kreativi- tät und Fachwissen sind eine gelunge- ne Symbiose bei den ausgearbeiteten Szenarios eingegangen. Ich glaube, ein Abb. 2: Mittelozeanische Rücken und vulkanische Systeme Islands. a) Das Digitale Geländemodell zeigt die geografi- Szenario, das einzelne Elemente mehr sche Position Islands auf dem Mittelatlantischen Rücken. b) Die Karte gibt eine Übersicht zu den vulkanischen Zonen oder weniger stark beinhaltet, wird ein- von Island, welche sich in mehrere vulkanische Systeme untergliedern (verändert nach Einarsson & Sæmundsson, treten.“ 1987; Clifton & Schlische, 2003). Hengill volcanic system (He) im Südwesten und Krafla volcanic system (Kf) im Norden Jens Hofmann sind hervorgehoben. Beide Gebiete wurden im August 2006 untersucht.

124 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg durch den Boden. Messungen haben je- doch ergeben, dass auch aus diesen Struk- turen erhebliche Gasmengen austreten. Die angefertigte Diplomarbeit präsen- tiert die erste großflächige Kartierung von diffusiven Kohlendioxidentgasungen im Hengill volcanic system auf einem Ge- biet von 145 km2. Unter Verwendung der Accumulation Chamber Method war es möglich, an über 700 Punkten Emissions- raten zu bestimmen. Neben dem Kohlen- dioxid-Efflux wurden auch Parameter, wie Schwefelwasserstoff-Efflux, Bodentempe- ratur und Lufttemperatur erhoben. Außer- dem erfolgte die Entnahme von Boden- gasproben zur späteren Analyse im Labor. Innerhalb eines Monats wurden alle in- situ-Messungen abgeschlossen. Die weitere Aufbereitung der Daten fand am Institute of Technology and Renew- able Energy statt. Dazu reiste ich mit Un- terstützung der Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg e. V. im Novem- ber 2006 nach Teneriffa. Während meines Aufenthalts erfolgte die Digitalisierung und statistische Aus- wertung aller erhobenen Daten. Dabei un- terstützten mich die Mitarbeiter von I.T.E.R. maßgeblich. Durch die Anwesenheit vor Abb. 3: Übersichtskarte der Kohlenstoffdioxidentgasung im Untersuchungsgebiet. Ort konnten wir umfangreich über gege- bene Probleme diskutieren und die weite- kanisch aktiven Gebieten liegen die Ent- beit fließen in das Projekt von I.T.E.R. ein. re Vorgehensweise festlegen. gasungsmengen auf durchschnittlichem Zusätzlich sollen die Ergebnisse über das Als Ergebnisse der Arbeit wurden un- Niveau. Darüber hinaus wurden auch vulkanische System Hengill in Form von ter verschiedenen Aspekten Karten ange- Temperaturverteilungskarten erstellt, aus Postervorstellungen und eines Artikels fertigt, die die Verteilung von Emissionen denen ersichtlich wird, dass Temperatur über das Hengill volcanic system in einer zeigen (Abb. 3). Die Gesamtmenge an und Kohlendioxidentgasung eng mitein- wissenschaftlichen Zeitschrift veröffent- abgegebenem CO2 konnte somit quanti- ander zusammenhängen. Die Resultate licht werden. fiziert werden. Verglichen mit anderen vul- der im August 2007 beendeten Diplomar- Egbert Jolie

Kartierung auf der Reykjanes-Halbinsel

Diplomkartierung im Rahmen der Dip- dung) und Dr. Amy Clifton von der Háskó- lomarbeit zum Thema: „Neotectonic ana- li Íslands Reykjavik (Nordic Volcanological lysis of exemplary sites of two oblique rift Center). zones situated (1) on the Reykjanes Pen- Ich beschäftige mich mit der neotekto- insula, SW Iceland and (2) in the Beseka nischen Situation von schräg spreizenden area, Main Ethiopian Rift – A comparison Riftsystemen. Bekannte Beispiele sind das of structural data derived from remote Main Ethiopian Rift (MER), welches den sensing and GPS measurements.“ nördlichen Teil des Ostafrikanischen Gra- Mit Unterstützung der Freunde und bensystems darstellt, oder Island, das auf Tektonische Karte von Island. Pfeile zeigen Richtung Förderer der TU Bergakademie Freiberg e.V. der Achse des Mittelatlantischen Rückens der Plattenbewegung an. Dunkelgraue Flächen zeigen reiste ich am 26. Juni 2007 nach Reykjavík, sitzt. In diesen Regionen driften kontinen- aktives Rift und Zonen rezenten Vulkanismus. Weiße Island. Die einmonatige Kartierarbeit auf tale (MER) bzw. ozeanische Kruste (Island) Landflächen: Gletschergebiete. Kasten: Lage des Unter- der Reykjanes-Halbinsel südlich von Reyk- durch entgegengesetzte (divergente) Plat- suchungsgebietes. Auf Reykjanes kommt der Mittelatlan- javík ist Teil meiner Diplomarbeit und Di- tenbewegung auseinander. Entlang der tische Rücken an Land und bietet die einzigartige Gele- plomkartierung (kombiniert). Betreut wird Riftachse entstehen große Bruchstruktu- genheit die Geologie Ozeanischer Rücken zu studieren. die Arbeit von Dr. Richard Gloaguen vom ren, die mit intensivem Vulkanismus und Institut für Geologie der TU Bergakademie seismischer Aktivität verbunden sind. Das land ist, dass hier die Öffnungsrichtung Freiberg (Juniorprofessur für Fernerkun- besondere am Main Ethiopian Rift und Is- nicht senkrecht zur Riftachse liegt, son-

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Lage Islands im Nordatlantik

dies. Zusätzliche Hilfe bekam ich von Dr. talen Geländemodelle, welche ich mit Hil- Kristján Sæmundsson (Isländischer Geo- fe von Luftbildpaaren erstellt habe. Das Kinematisches GPS (Rover-Einheit): mit diesem Gerät logischer Dienst Ísor), Amy Clifton und Kir- gleiche Messprinzip hat Michael Buchwitz wurde die Háleyjabunga-Störung vermessen. Ein diffe- by Young (Pennsylvania State University). bereits im Main Ethiopian Rift angewandt. rentielles Post-processing der gemessenen Daten zu ei- Durch die gemeinsame Kartierung habe Unsere Messungen sollen nun in weiteren ner Basis-Station erlauben cm-genaue Messungen. ich neue Interpretationen und wichtige Arbeiten miteinander verglichen werden. Ansatzpunkte für meine weitere Gelände- Ich werde meine Diplomarbeit Ende dern schräg. Es bilden sich Störungszonen arbeit kennengelernt. diesen Jahres abschließen. Die zu erwar- mit besonderer Geometrie und Dynamik, Die gesammelten Daten (rund 6.000 tenden Ergebnisse sollen anschließend in deren Entstehung bisher ungeklärt ist. Ziel Messpunkte) müssen nun verarbeitet und internationalen Wissenschaftsmagazinen meiner Diplomarbeit ist es, einen Vergleich dargestellt werden. Sie dienen auch der publiziert werden. zwischen diesen beiden System zu ziehen. Verbesserung der hochauflösenden Digi- Maria Helbig Mit Hilfe von Fernerkundung, GPS-Vermes- sung und strukturgeologischer sowie vul- kanologischer Feldarbeit sollen beide Sys- teme detailliert dokumentiert werden. Die Aufgabe der Kartierung ist es, ty- pische Störungsmuster hochauflösend zu vermessen. Unter Verwendung eines cm- genauen Kinematic-GPS habe ich vier Wochen an einem ca. 6 km langen Stö- rungssystem gearbeitet, der sogenann- ten Háleyjabunga-Störung, welche nach einem ca. 12.500 Jahre alten Scoria-Kra- ter benannt wurde. Das Gebiet befindet sich im SW der Reykjanes-Halbinsel. Auf der Reykjanes-Halbinsel erstreckt sich die Amerikanisch-Eurasische Plattengrenze in WSW-ENE-Richtung. Die Region ist daher seismisch und vulkanisch extrem aktiv. Die Riftöffnung erfolgt hier 30Į schräg zur Riftachse. Es gestaltete sich sehr schwierig, die unterschiedlichen Lava-Ströme auseinan- der zu halten. Die extreme Verwitterung Kristján Sæmundsson beim Graben: Aschelagen von Vulkanausbrüchen ermöglichen die Datierung von Lava-Strömen selbst junger Oberflächen erschwerte und somit die Altersbestimmung von Störungen.

126 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg chen herauszufinden, die durch das Film- Ökologische Untersuchungen im ehemaligen projekt beeinflusst wurden, und solche, die im naturnahen Zustand verblieben. Dabei Basaltsteinbruch Sághegy (Ungarn) war klar ersichtlich, dass der Steinbruch- hof mit seinen verschiedenen Niveaus so- wie die Fahrwege zum Steinbruch von den Aufbau- und Filmdrehmaßnahmen stark umgestaltet worden sind. Anfang Mai und Anfang Juni wurde die Vegetationskartierung der betroffenen Gebiete durchgeführt. Laut Aussage des ortskundigen Botanikers Attila Mesterházy soll auf den gestörten Flächen vor den Filmdreharbeiten die gleiche Artenzusam- mensetzung vorgeherrscht haben wie auf den naturnahen Flächen, die kartiert wur- den. Auf den gestörten Flächen wachsen jetzt hauptsächlich solche Pflanzen wie der Gewöhnliche Natternkopf, verschiede- ne Labkraut-Arten und Ginster-Leinkraut, die vorher entwickelte Strauchschicht von bis zu 2 m Höhe ist gar nicht mehr vor- Blick nach Westen durch den Steinbruch Sághegy während der Vegetationsperiode im Mai 2007 (zu sehen sind die handen. Auf den naturnahen Trockenra- Steinbruchhöfe und die verschiedenen Niveaus im Steinbruch) senflächen auf einem höheren Niveau des Steinbruches wurden zum Beispiel folgen- In meiner Diplomarbeit beschäftigte ich der Betrieb wurde eingestellt. Durch den de Pflanzenarten gefunden: Siebenbürgi- mich mit den Vegetationsveränderungen geologischen Aufbau des Berges und sei- sches Perlgras, Zypressen-Wolfsmilch und im ehemaligen Basaltsteinbruch und heu- ne Gegebenheiten bildet sich ein eigen- die Kugeldistel. Auf der gleichen Ebene tigen Naturschutzgebiet (seit 1975) Ság- ständiges Kleinraumklima aus. Dieses wachsen Schlehengebüsche mit Hunds- hegy in Ungarn, die durch den Aufbau ist viel wärmer und trockener als das der rosen, Feldahorn und Gewöhnlicher Wald- von Filmkulissen und die nachfolgenden Umgebung. Daher konnte sich auf den rebe auf den ungestörten Flächen. Dreharbeiten zum Film „Eragon“ im Stein- Doppelgipfeln eine separate und einzig- Auf Basis der Einteilung der Flora in bruchgelände entstanden. Mit Hilfe einer artige Pflanzenwelt entwickeln, die klei- Pflanzengesellschaften stellten sich er- Vegetationskartierung von gestörten und ne Bestände des Grauscheidigen Feder- hebliche Unterschiede in der Artenzu- ungestörten Flächen dieses Gebietes und grases, der Schwarzen Kuhschelle sowie sammensetzung im Vergleich gestörter den daraus abgeleiteten Pflanzengesell- des Frühlings-Teufelsauges ausbildet. Die mit naturnahen Flächen heraus. Die vor schaften sollen die Veränderungen in den natürliche Vegetation an den Berghängen dem Eingriff nahezu gleichen Flächenty- Artenzusammensetzungen aufgezeigt und wurde durch die Ausdehnung des Wein- pen weisen jetzt nur noch eine sehr gerin- Vorschläge für einen zukünftigen Schutz baus auf das obere Drittel des Berges zu- ge Artenähnlichkeit auf. Gefährdete Arten erarbeitet werden. Aus diesem Grund habe rückgedrängt. So sind nur noch kleine sind nicht gefunden worden. Die Vegetati- ich mich in drei Aufenthalten am Sághegy Teile der Berghänge mit Karststrauchwald onsschäden sind nicht so einfach umkehr- mit dem Gebiet vertraut gemacht und die aus Flaum-Eiche, Zerr-Eiche, Wildem Birn- bar; wenn es kein gezieltes Bearbeiten der gestellten Aufgaben bearbeitet. baum und Wolligem Schneeball übrig Flächen (z. B. Einsaat von Zielarten, Schutz Der 279 m hohe Sághegy ist der west- geblieben. An den Schotterrändern des der Flächen vor mechanischen Schäden lichste Berg der transdanubischen Kette Plateaus entstanden Felsrasen u. a. mit durch Betretung und Befahrung) gibt, wird von Zeugenbergen im Balaton-Hochland. Weißer Fetthenne, Scharfem Mauerpfef- es möglicherweise sogar Jahrzehnte dau- Vor etwa 5 Millionen Jahren entstand der fer, Gewöhnlichem Tüpfelfarn und Felsen- ern, bis sich die gestörten Flächen rege- Berg durch vulkanische Aktivität. Das Steinkraut. neriert haben. Daher sollte immer auf den harte Vulkangestein schützte die darun- Bei den drei Exkursionen wurden Tem- Schutzstatus der betrachteten Fläche ge- ter liegenden Ablagerungen. Seitdem ha- peratur- und Luftfeuchtemessungen mit achtet werden, wie im vorliegenden Fall ei- ben Wind und Wasser den pannonischen Mini-Sensoren durchgeführt. Mit den me- nes Naturschutzgebiets, bevor ein Eingriff Sand von der Umgebung abgetragen. Der teorologischen Daten dieser Sensoren soll in die Natur vorgenommen wird. Außer- Sághegy blieb jedoch stehen. Seit 1907 das Standortsklima der unterschiedlich dem zeigte die Vegetationskartierung, wel- wurde die ursprüngliche Form des Berges exponierten Bereiche im Steinbruch mit che Pflanzen in der Sommertrockenheit durch eine intensiv betriebene Steinbruch- ihrer unterschiedlichen Artenzusammen- der pannonischen Ebene wachsen kön- industrie vernichtet. setzung belegt werden. Im Mittelpunkt der nen. Dies verschafft uns einen Einblick Im Zentrum des ehemaligen Vulkans Arbeit stand das Bestimmen von dort hei- in Pflanzengesellschaften, die sich mögli- entstanden zerrissene Steinbruchhöfe, die mischen Pflanzenarten. cherweise bei zukünftigen Klimaänderun- einen Einblick in das Innere des Berges Anfang April verschaffte ich mir einen gen in Mitteleuropa an ähnlichen Berg- geben (Abbildung). 1957 war das wertvol- ausführlichen Überblick über die Gliede- baufolgestandorten ausbreiten können. le Gestein des Berges ausgeschöpft und rung des Geländes Sághegy, um die Flä- Doris Scheibe

14. Jahrgang 2007 127 Berichte Tauchen für die Forschung Wissenschaftliche Tauchexkursion 2007

Die tektonischen Besonderheiten um Teilnehmer des Kurses Wissenschaftliches die Äolischen Inseln in Süditalien verur- Tauchen bei der diesjährigen Tauchexkur- sachten seit jeher Vulkanausbrüche in sion erneut auf eine der Aölischen Inseln, diesem Gebiet. Besonders die ständigen Panarea, um die submarin vulkanisch ge- Bewegungen und Eruptionen des Strom- prägte und ständig von vulkanischen Phä- boli und die submarinen vulkanischen nomenen beeinflusste Unterwasserwelt zu Erscheinungen um die Insel Panarea zie- untersuchen. hen die Aufmerksamkeit von Forschern Die Teilnehmer der Exkursion glieder- auf sich. Dieses vulkanisch aktive Gebiet ten sich in verschiedene Arbeitsgruppen stellt folglich eine potenzielle Gefahr für ein, die unter speziellen Gesichtspunkten die Einwohner der Region dar. Aus diesem das Untersuchungsgebiet in Teilobjekten Gasprobenahme am hydrothermalen Austritt Grund wird an einem Frühwarnsystem für erforschten. seismische und vulkanische Aktivitäten und Zollstock. Die gewonnenen Daten gearbeitet. Dahingehend ist eine weitrei- Vermessung müssen digital aufgearbeitet werden und chende Grundlagenforschung unabding- Die Vermessung und Kartierung von sollen die bereits bestehenden Informatio- bar, um die besonderen Gegebenheiten Gasaustrittsstellen und der Unterwasser- nen aus dem vergangenen Jahr ergänzen. des Äolischen Archipels richtig interpre- morphologie des Untersuchungsgebietes Ziel ist es, ein dreidimensionales Blockbild tieren zu können. Deswegen zog es die erfolgte mittels GPS, Kompass, Maßband zu erstellen.

Geologische Charakterisierung Zur geologischen Analyse des durch Vul- kanismus geprägten Tauchgebietes wur- den umfangreiche Gesteins- und Sedi- mentproben entnommen, die vor Ort zum Teil schon bestimmt wurden und nun in Nacharbeit genauer beschrieben wer- den. An unterschiedlichen Standorten er- folgten unter Wasser Bohrungen, um Gesteinskerne zu gewinnen, welche sehr aufschlussreiche geologische Zusammen- hänge wiedergeben. Das Ziel bestand da- rin, Sinterbildungen, Mineralausfällungen durch hydrothermale Wässer (zum Teil auch gasreich) in aktiven vulkanischen Systemen nachzuweisen.

Temperaturmessungen Es wurden Wiederholungsmessungen zur Verifizierung der Messergebnisse aus dem letzten Jahr durchgeführt und auch Mes- sungen an neuen ausgewählten Standor- ten vorgenommen, um Temperaturprofile bzw. -verteilungen zu erstellen. Dazu wur- den die Temperaturen im Raster 1 m × 1 m ermittelt und dreidimensional dargestellt. Die Messergebnisse des letzten Jahres wurden bestätigt. Erstmals wurden damit Temperaturfelder an zwei signifikanten submarinen geothermalen Aktivitätsflä- chen systematisch erfasst.

Wasser- und Gaschemie Diese Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit der Probenahme und der anschließenden Analyse der vulkanischen Gase und Wäs- ser der submarinen Austritte. Dabei kamen Transport der Rammkernbohrsonde zum Einsatzort zunächst selbst entwickelte Geräte und

128 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Methoden zum Einsatz, wie zum Beispiel eine mit Druckluft arbeitende Vorrichtung zum erleichterten Aufziehen von Probe- nahmespritzen unter Wasser. Untersucht wurden anschließend die physikalisch- chemischen Parameter. Eine umfassende- re Analyse wird in den Laboratorien der TU Freiberg nach der Exkursion stattfinden. Die vor Ort gewonnenen Ergebnisse zei- gen, dass sich die einzelnen Probenahme- orte untereinander durch ihre elektrischen Leitfähigkeiten unterscheiden und sich stark vom Chemismus des umgebenden Meerwassers abheben. Das austretende Gasgemisch besteht zu über 90 % aus

CO2. Zudem sind die Konzentrationen der

Spurengase wie H2S und CO stark erhöht. Da solche Untersuchungen auch bereits zu früheren Zeitpunkten durchgeführt Probenahme und Vorortbestimmung chemischer Parameter wurden, können die hier gewonnenen Er- gebnisse auch in die Untersuchungen der genutzt werden sollen. Ziele der Arbeiten denten unterschiedlicher Studiengänge langzeitlichen Entwicklung der submari- sind die Erstellung einer umfassenden teil. So konnte ein interdisziplinärer Aus- nen vulkanischen Aktivitäten einfließen. Übersicht zur bakteriellen Artenvielfalt tausch und Zusammenarbeit zwischen der Untersuchungsgebiete sowie die Iso- Naturwissenschaftlern und Ingenieuren Gasvolumenstrommessung lierung von Actinobacteria. Die Ergebnisse stattfinden. Dies brachte den Exkursions- Die submarinen Gasvolumenströme wur- werden unter Einbeziehung der Vor-Ort- teilnehmern einen reichen Schatz an Er- den mit einer Messtechnik erfasst, welche Parameter ausgewertet und sollen den fahrung, wissenschaftlich zu agieren. Or- auf Schallausbreitung basiert. Das System Grundstein für weitere mikrobiologische ganisiert und begleitet wurde die Exkursion und die Software für die Datenaufnahme Forschungen legen. von Prof. Broder Merkel, Dipl.-Geoökologin wurden in Vorarbeit in Freiberg (Institut Mandy Schipek (Institut für Geologie, Be- für Mechanik und Fluiddynamik und Dokumentation reich Hydrogeologie), Dr. Thomas Pohl Institut für Experimentelle Physik) entwi- Mit Hilfe von Foto- und Videoaufnahmen (Geo-Dive Freiberg), Dr. Elke Eckardt (Uni- ckelt. Während der Exkursion sollte deren wurden die Untersuchungsgebiete im versitätssportzentrum) sowie Dipl.-Ing. Ge- Praxistauglichkeit nachgewiesen werden. Überblick dokumentiert und im Detail rald Barth (Institut für Wärmetechnik und Dazu wurde zunächst die Einrichtung für erfasst. Außerdem wurden Arbeitsschrit- Thermodynamik). Ein großes Dankeschön, das „Sammeln“ der Gasblasen unter Was- te, Probenahmevorgänge und der Einsatz im Namen aller Teilnehmer richtet sich ser aufgebaut. Wesentlich dabei war, die von Mess- und Arbeitsgeräten in Bild und an den Verein der Freunde und Förderer Stabilität des Gerätes auch bei stärkeren und Film unter Wasser festgehalten. der TU Bergakademie Freiberg, ohne des- Gasaustritten zu gewährleisten. Bei ersten Als Ergebnisse dieser Exkursion entste- sen tatkräftige Unterstützung die Exkur- Tests zeigte sich, dass dies gegeben war hen eine Diplomarbeit, eine Studienarbeit sion nicht möglich gewesen wäre. und der Gasvolumenstrom vom Wasser- und eine Bachelor-Arbeit. Es nahmen Stu- Katja Nitzsche volumenstrom separiert werden konnte. Weiterhin wurden Tests der Haltbarkeit der eingesetzten Materialien in dem aggressi- ven Medium durchgeführt. Auf Grund ei- nes fehlerbehafteten elektronischen Bau- teiles konnten bisher noch keine Messrei- hen realisiert werden.

Mikrobiologie Das Mikrobiologie-Team befasste sich mit der detaillierten Kartierung ausgewählter Probenahmebereiche nach geologischen und biologischen Gesichtspunkten. Zu- dem wurden auffällig weiße Bakterien- matten in den vielfältigsten Ausbil- dungsformen direkt an den Fluid- und Gasaustritten entdeckt. Von den Algen- Bakterien-Matten des Sediments und des Wassers wurden Proben genommen, die zur anschließenden Bearbeitung im Labor Dokumentation

14. Jahrgang 2007 129 Kuriosa Vom Sinn des Lebens. Tretet ein, Kapitalistisches Märchen nach einer uralten Begebenheit aus dem wirklichen Leben

Ein ziemlich erfolgreicher Hedge*-Fonds- dem Erlös aus dem Fischfang könnten denn auch Investment-Manager war einmal auf Ab- Sie bald mehrere Boote kaufen, bis Sie wegen aus der selbst inszenierten Hektik eines Tages Besitzer einer ganzen Fische- und der hohen Kunst des Hochseese- reiflotte sind. Anstatt den Fang nur an ei- hier sind gelns noch reichlich unkundig mit seiner nen Händler zu verkaufen, könnten Sie geborgten millionenschweren Segelyacht damit gleich eine große Fischfabrik be- vor einem kleinen mexikanischen Fi- liefern und schließlich eine eigene Fisch- Götter scherdorf gestrandet. verarbeitungsfabrik eröffnen. Sie könnten Nachdem er glücklich aus dem Rest- dann Produktion, Verarbeitung und den „Introite, nam et hic dii sunt“. Wer mag wert der stark havarierten Segelyacht Vertrieb kontrollieren. Danach könnten diesen Satz wohl einst über die Tür einer herausgekrabbelt war, ruhte er sich erst Sie auch dieses kleine Fischerdorf verlas- Bodenkammer der Bergakademie ge- einmal von den überstandenen heftigen sen und nach Mexiko City oder Los An- schrieben haben? Ganz genau wissen Strapazen aus. An der Pier beobachtete geles oder vielleicht sogar nach New York wir es nicht, aber es wird mit Sicher- er, wie ein kleines buntes Fischerboot mit City ins World Trade Center einziehen. Von heit einer der ca. 50 Insassen dieser einem Fischer an Bord anlegte. Der Fi- dort aus könnten Sie dann Ihr großes, „Bodenkammer“ gewesen sein. In die- scher hatte eine größere Anzahl Fische weltweit florierendes Unternehmen leiten ser Bodenkammer befand sich näm- geladen. und befehlen. lich – vermutlich seit 1844, eventuell Angesichts der großen Ausbeute des Der Fischer fragte: „Aber wie viele auch erst ein wenig später – bis 1872 anderen gratulierte der Hedge-Fonds- Jahre wird denn dies alles dauern?“ Der ein Karzer, also ein „Studentengefäng- Banker dem Fischer zu seinem präch- Hedge-Fonds-Manager antwortete: „Na, nis“. Die Disziplinargewalt oblag damals tigen Fang und fragte ihn, wie lange er vielleicht so etwa 20 Jahre!“ Der Fischer der Bergakademie, bis die akademische denn dazu gebraucht hätte. Der beschei- fragte schüchtern: „Und dann?“ Der In- Gerichtsbarkeit nach der Gründung des dene Fischer antwortete dem Fremden: vestment-Banker lachte verschmitzt, und Deutschen Reiches hinfällig wurde. „Ein paar Stunden nur. Überhaupt nicht erwiderte: „Dann kommt erst das Allerbes- Zahlreiche Zeichnungen, Selbstpor- der Rede wert!“ Daraufhin fragte ihn der te! Wenn die Zeit reif ist, gehen Sie mit Ih- träts, Inschriften, aber auch die mit deut- Fonds-Manager, warum er denn nicht rem Unternehmen an die Börse und ver- scher Gründlichkeit erarbeitete Karzerord- länger auf See geblieben sei, um noch kaufen Ihre Unternehmensanteile. Damit nung sowie eine Gebührenordnung für viel mehr Fische zu fangen. Der Fischer können Sie Millionen verdienen und sehr den Karzer legen Zeugnis ab über das erwiderte, diese Fische reichten ihm, um reich werden!“ Der Fischer fragte: „Millio- damalige Studentenleben, über die Mis- seine Familie für die nächsten Tage zu nen verdienen? Und dann?“ setaten und Sehnsüchte der Karzerinsas- versorgen. Der Hedge-Fonds-Manager, Der Fondsmanager erwiderte: „Dann, sen. Neben den persönlichen Spuren, die über diese unerwartet einfache Antwort mein Lieber, können Sie endlich aufhö- die Inkarzerierten hinterlassen haben, fin- ein wenig irritiert, fragte weiter: „Aber was ren zu arbeiten. Sie könnten sich in ein den sich an den Wänden auch interessan- tun Sie denn den Rest des ganzen Tages?“ kleines Fischerdorf an der Küste zurück- te Zeitzeugnisse wieder. Besonders erwäh- Der bescheidene, sichtbar zufriedene Fi- ziehen, morgens lange ausschlafen, noch nenswert ist zudem das Karzerbuch, das scher erklärte ihm: „Ich schlafe morgens ein bisschen fischen gehen, mit Ihren En- Informationen über die Insassen, die Dau- aus, gehe dann ein bisschen fischen und kelkindern spielen, eine ausgiebige Sies- er ihres Karzeraufenthaltes sowie manch spiele danach mit meinen Kindern. Nach ta mit Ihrer Frau Maria halten, ins Dorf lustige Geschichte über den Grund der Be- dem Mittagsmahl halte ich mit meiner spazieren, ein bis zwei Gläschen Wein strafung enthält. Frau Maria eine ausgiebige Siesta. Dann trinken, abends mit Ihren Freunden Gi- Die Herkunftsorte der Karzerinsassen spaziere ich ins Dorf, trinke dort ein bis tarre spielen … und über den Sinn des spiegeln wider, dass die Bergakademie zwei Gläschen Wein und am Abend spie- Lebens philosophieren!“ schon immer eine internationale Hochschu- le ich zusammen mit meinen Freunden Hans-Joachim Wilhelm Kutzer le war: Etwa ein Drittel kam aus Sachsen, im Dorf Gitarre. Habe ich nicht ein schö- „Authentische Geschichten“, EV Windach ein weiteres Drittel aus anderen deutschen nes und ausgefülltes Leben?“ Ländern und ein Drittel aus dem Ausland. Der Fondsmanager erwiderte: „Schau- Von den letztgenannten kamen mehrere en Sie, ich bin ein erfolgreicher Harward- aus den USA, jeweils zwei aus England Absolvent. Ich könnte Ihnen mit ein paar und Norwegen sowie jeweils ein Student geldwerten Tipps behilflich sein, viel er- aus Chile, aus Bogotá im damaligen Neu folgreicher zu werden. Sie sollten viel Granada (heute Kolumbien), Frankreich, mehr Zeit mit dem Fischen verbringen Belgien, Luxemburg und Böhmen. und sich von der Fangausbeute ein grö- Über viele Karzerinsassen gibt es in- ßeres und moderneres Boot leisten. Mit teressante Geschichten zu berichten. So verweist beispielsweise gleich der erste *Fonds mit geborgtem Kapital einkaufen, Entbeinen, Fi- letieren, und mit sehr viel höherem Gewinn weiterveräu- Eintrag im Karzerbuch auf einen Studen- ßern – kann (leicht) auch zu Schiffbruch (s. o.) führen! ten namens Rudolf Eduard Gerlach aus

130 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Selbstporträt des Norwegers Nils Andreas Vibe Thaulow, der vermutlich gemeinsam mit seinem Landsmann Hen- rik Thomas Hornemann 14 Tage „geschärften Karzer“ Gesamtansicht des Karzers abzusitzen hatte

Freiberg, der „wegen Postskandal“ mit drei nau nachvollziehbar. So gibt es teilweise jeweils von früh um 6 Uhr bis abends um Tagen Karzer bestraft wurde: Er hatte die Abweichungen zwischen den Angaben 8 Uhr dauerte. Gemäß Karzerordnung gab Scheibe eines Postwagens eingeschlagen. im Karzerbuch und den Darstellungen es keine Begrenzung der Dauer einer Kar- (Zehn Jahre später heiratete er übrigens im Karzer selbst. Beispielsweise befinden zerstrafe. So ist beispielsweise im § 31 fol- die Tochter eines Postmeisters. Ob dies sich im Karzer die Selbstporträts von Nils gendes geregelt: „Der Ausgang aus dem auch ein Teil der Strafe war, geht zumin- Andreas Vibe Thaulow und Henrik Tho- Karzer ist in der Regel nicht gestattet. Dau- dest aus den Unterlagen nicht hervor.) Zu- mas Hornemann aus Norwegen sowie an ert die Karzerstrafe vier Wochen, so kann gleich beweist der Fall Gerlach, dass aus zwei weiteren Stellen ein Schriftzug „be- er wöchentlich zweimal eine Stunde lang einem Karzerinsassen durchaus noch ein rühmte Norwegere“ und eine gemeinsa- unter Begleitung des Karzerdieners er- anständiger Mensch werden konnte: Spä- me „Stundentafel“ der beiden, auf der sie laubt werden.“ Eine so lange Karzerstrafe ter war er nämlich u. a. Lehrer des Berg- die 336 Stunden ihres Karzeraufenthaltes wurde jedoch nie ausgesprochen. Die von rechtes an der Bergakademie. abkreuzten und sie auf „den 8. August 8 Hornemann (und Thaulow) abzusitzende Wofür wurden – neben dem Ein- Uhr abend“ datierten. Karzerstrafe von 14 Tagen verschärften schmeißen von Postkutschenfenstern – Dem Karzerbuch können wir denn Karzers war praktisch das Höchstmaß – sonst noch Karzerstrafen ausgesprochen? auch entnehmen, dass Hornemann ins- und dieses wurde nicht nur den beiden Mit dem Karzer bestraft werden sollten gesamt 14 Tage „geschärften Karzer“ ab- Norwegern verabreicht … zum einen hochschulinterne Vergehen zusitzen hatte, nämlich vom 20. Juli bis Friedrich Oheim aus Gefell im dama- wie Faulheit, unentschuldigtes Schwän- zum 8. August 1867, 20:00 Uhr, mit ei- ligen Regierungsbezirk Erfurt hingegen zen, das Vergessen von Lehrmaterialien ner Unterbrechung von „vier Tagen Feri- musste 1872 eine 14-tägige einfache Kar- oder die Vernachlässigung praktischer en“. Thaulow hingegen ist im Karzerbuch zerstrafe absitzen, da er seiner Meinung Kurse, zum anderen jedoch auch über die nicht erwähnt. Auf Grund der Darstellun- nach „unschlau genug war, sich bei einer Hochschule hinausgehende Angelegen- gen im Karzer liegt jedoch die Vermutung nächtlichen Affäre von Polizisten prügeln heiten wie nächtliches Randalieren, Prü- nahe, dass sowohl Hornemann als auch zu lassen und den dicken Wachtmeister geleien, unpassendes Benehmen an öf- Thaulow tatsächlich gemeinsam eine Kar- aus Versehen in den Bauch zu gungsen.“ fentlichen Orten, Landfriedensbruch oder zerstrafe abbüßten. Charles Gignoux aus New York wieder- demokratische Umtriebe. Liest man jedoch Hornemann (und vielleicht auch Thau- um verbrachte im Jahr 1872 lediglich zwei die Geschichten der Insassen im Karzer- low) waren zu „geschärfter Karzerstrafe“ Tage einfachen Karzers für ein – wie er buch, so scheinen sich – mit einem Au- verurteilt. Darunter war eine Karzerstra- im Karzerbuch ausdrücklich der Nachwelt genzwinkern – die meisten von ihnen zu fe „über Nacht ohne Unterbrechung“ zu mitteilt – „Versehen“: „Ich habe dieses alte Unrecht bestraft zu sehen. Manches ist verstehen. Im Unterschied dazu gab es gemütliche Nest während zwei Tage be- jedoch aus heutiger Sicht nicht ganz ge- auch noch die einfache Karzerstrafe, die suchen müssen, weil ich zwei Polizisten

14. Jahrgang 2007 131 Kuriosa

Das Karzer-Buch enthält Einträge über die Insassen des Karzers, ihre Vergehen und ihr Strafmaß

Harry Bowman aus Newcastle in England wurde mit vier Tagen geschärften Karzers bestraft. Er „ging einmal ins Theater und amüsierte sich sehr gut; da das Lachen aber streng verboten war, musste er hier sitzen.“

d. h., ich hatte mich krank entschuldigt ihre Unterrichtsmaterialien vergessen hat- und als man zu mir kam, um nachzuse- ten. Falls diese vergesslichen Studenten hen, ob es auch an dem sei, da war ich nun auch im Karzer nicht mit den ent- ganz gemütlich bummeln gegangen.“ sprechenden Schreibutensilien ausgerüs- Vielleicht der letzte, zumindest jedoch tet sein sollten, hatten andere Karzerinsas- An den Karzerwänden befinden sich zahlreiche Zeich- einer der letzten Insassen des Karzers sen diesem Umstand vorgebeugt: In einer nungen, Selbstporträts und Inschriften war im August 1872 Enrique Astaburaga Wand befand sich eine „Karzerspitze“ – aus Chile. Über ihn ist bekannt, dass er vermutlich eine kleine Bleistiftspitze oder auf dem Heimweg nach der Kneipe ge- zu einer 14-tägigen einfachen Karzerstra- ein kleiner Stift, mit dem die Studenten hauen haben soll. Aber, liebe Nachkom- fe verurteilt wurde. Er hatte sich nach dem dann ihre Spuren an den Karzerwänden menschaft, glaubt es nicht; denn obgleich Randalieren in der Stadt einer Festnahme hinterlassen konnten. ich etwas neblig war, doch besinne ich durch die Nachtpolizisten widersetzt und Noch heute kann man deutlich sehen, mich ganz genau, dass ich sie bloß um- dabei einem Ordnungshüter ein blaues wo sich einst diese „Karzerspitze“ befand: armt habe. Darauf sind sie auf eine ei- Auge verpasst. Neben dem Loch für den Stift befindet sich gentümliche Weise auf dem Boden liegen Was die Studenten während ihrer Haft der wohlgemeinte Hinweis „Karzerspitze – geblieben. …“ in den Karzer mitbringen durften, war im gebrauchet sie, aber führet sie nicht aus“. Bereits 10 Jahre zuvor erhielt Friedrich § 3 der Karzer-Ordnung geregelt: „Dem zur Zu den interessantesten, leider jedoch Wilhelm Theodor Kohlmann das gleiche Haft Gebrachten ist erlaubt, sein Bette, die nicht mehr ganz so deutlich erkennba- Strafmaß, worüber man im Karzerbuch notwendigen Kleider, Wäsche, Kollegien- ren Zeitzeugnissen an den Wänden des nachlesen kann, dass er sich „zu zwei hefte etc., wissenschaftliche und Religions- Karzers gehört die Abbildung eines Zu- Tagen einfacher Karzerstrafe verdonnern bücher, Schreibe- und sonstiges Arbeits- ges mit den Unterschriften (links) Frei- (ließ), weil er sich von einem wohllöbli- material, auch Messer und Gabel und Le- berg und (rechts) Tharandt. Zu den Zeiten chen Nachtpolizisten beim Läuten an ei- bensmittel mit Ausnahme von Leckereien nämlich, zu denen der Karzer als solcher ner verwechselten Haustür klappen ließ.“ und geistigen Getränken mit sich auf den genutzt wurde, genauer gesagt im Jahre Für ein ganz anderes Vergehen hinge- Karzer zu nehmen oder dahin bringen zu 1862, wurde die Bahnstrecke zwischen gen wurde Harry Bowman aus Newcast- lassen.“ Andererseits können wir der Ge- Tharandt und Freiberg fertig gestellt. Dies le in England mit vier Tagen geschärften bührenordnung entnehmen, dass man hatte natürlich für die Freiberger Studen- Karzers bestraft. Er „ging einmal ins The- sich im Karzer durchaus bedienen lassen ten deutliche Konsequenzen – konnten ater und amüsierte sich sehr gut; da das und z. B. „eine Portion Kaffee oder Tee mit sie doch nun per Bahn nach Tharandt, Lachen aber streng verboten war, musste Sahne und Zucker“ bringen lassen konn- Dresden und in andere Orte reisen, wo- er hier sitzen.“ Sein Bruder, Hugh Bowman, te. Die Gebührenordnung war jedoch weit durch sie wesentlich flexibler wurden als leistete ihm dabei Gesellschaft. mehr als eine mit entsprechenden Preisen bis zu diesem Zeitpunkt. Auch die studentische Disziplin ließ versehene „Speisekarte“ – so war auch für Ein Raum. Eine Bodenkammer, nur ca. offenbar bereits damals zumindest hin den Einschluss und ebenso für den Aus- 15 m2 groß. 20 Jahre als Karzer genutzt. und wieder zu wünschen übrig. So wurde schluss aus dem Karzer eine Gebühr zu Und dennoch – ein spannendes Stück Ge- Paul Grabowsky zu einer sechstägigen entrichten, und selbst das Scheitholz für schichte. Was hier steht, ist noch längst einfachen Karzerstrafe verurteilt, „wegen den Ofen gab es nicht umsonst. nicht alles … Schwänzens, Ungehorsam, Aufgaben nicht Einige der Karzerinsassen büßten ihre Birgit Seidel eingeben, und wegen Lügenhaftigkeit, Strafe vielleicht auch deshalb ab, weil sie

132 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg derlichen Gesichtspunkte der Entschei- Buchbesprechung dungsfindung auf dem allerneuesten Stand der technischen, geowirtschaft- Dieter Slaby, F. Ludwig Wilke lichen und ökologischen Erkenntnis- Bergwirtschaftslehre in 2 Bänden se. Das Werk, das sich durch einen flüs- Band 1: Wirtschaftslehre der minerali- sigen Stil und anschauliche praktische schen Rohstoffe und der Lagerstätten und graphische Beispiele sehr positiv von Band 2: Wirtschaftslehre der Bergbau- manchen trockenen Standardwerken ab- unternehmen und der Bergbaubetriebe hebt, vermittelt nach der Intention der Ver- Erschienen im Verlag der Technischen fasser „ein Verständnis von Bergbau als Universität Bergakademie Freiberg, Mensch-Maschine-Natur-System“. 2005/2006, ISBN 3-86012-245-2 und Im Teil 1 werden vor allem Fragen der ISBN 978-386012-294-5 äußeren Betriebswirtschaftslehre und der Lagerstättenwirtschaft behandelt, insbe- Die beiden Autoren, Prof. Dieter Slaby (em. sondere: Vorkommen, Märkte, Preise und TU Bergakademie Freiberg) und Prof. F. Handel; Verfügbarkeit, Bewertung und Ludwig Wilke (em. TU Berlin), sind inter- Klassifikation mineralischer Rohstoffe; national renommierte Fachleute auf dem Rohstoffvorsorge und Rohstoffsicherung Gebiet der Rohstoffwirtschaft im allerwei- sowie die Lagerstätte als ein spezieller testen Sinn. Ihr umfassendes Wissen ist in Produktionsfaktor der Bergbauunterneh- die beiden Bände der Bergwirtschaftsleh- mung. re eingeflossen, die sich nicht nur an Stu- Im Teil 2 stehen Fragen der inneren dierende, sondern auch an alle Praktiker Bergwirtschaftslehre im Vordergrund, hier wenden, die mit der Materie Rohstoffge- wiederum: Wirtschaftliche Bewertung und winnung zu tun haben. rücksichtigung von globalen, nationalen Finanzierung; Anlagen- und Personalwirt- Gerade im Zeitalter der Globalisierung und einzelwirtschaftlichen Interessen und schaft; Organisation und Planung sowie ist es wichtig, mit wissenschaftlichem der Beachtung der Gebote der Nachhaltig- Kostenrechnung im Bergbau. Rüstzeug neue Wege zu suchen, um die keit, der Umweltverträglichkeit sowie der Das Werk ist es wert, eine weite Ver- komplexen Probleme zu lösen. Diese re- Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Ver- breitung und eine entsprechende Aner- sultieren aus der Notwendigkeit einer sorgung mit mineralischen Rohstoffen. kennung zu finden. ganzheitlichen Betrachtung, d. h. der Be- Die Autoren behandeln alle erfor- Peter Kausch

fordert hat, beschäftigte er sich in der sehr Erinnerung an Friedrich-Karl von Oppel knappen „Freizeit“ mit dem Sammeln und Auswerten neuer technischer Informatio- „Trauern heißt nicht nur lautes Klagen, schluss mit „Notabitur“ wurde er im Alter nen und nahm sich Zeit für die Diskus- Trauern heißt liebevolles Erinnern.“ von 17 Jahren zur Luftwaffe einberufen. sion mit jungen Menschen. Er zeichnete Dietrich Bonhoeffer Im März 1944 heiratete er auf Gut sich durch großen Fleiß und Hilfsbereit- Hoisbüttel bei Hamburg seine geliebte schaft aus, handelte stets gerecht, sozial Friedrich-Karl von Oppel, Nachfahre des Frau Elsbeth. Sohn Wolf wurde im Okto- und menschlich. Mitbegründers unserer Universität Fried- ber 1945 geboren. Nach der Rückkehr aus rich Wilhelm von Oppel, verstarb im ver- der Kriegsgefangenschaft Ende 1945 war gangenen Jahr. Er war Ehrenmitglied ihm die Bewirtschaftung des väterlichen Verstorbene 2007 unseres Vereins und ein großzügiger För- Rittergutes in Wellerwalde bei Oschatz ver- Folgende unserer Mitglieder derer der TU Bergakademie, die er mehr- wehrt. Er leitete das Gut seines Schwieger- verstarben im Jahr 2007: fach besucht hat. So wird seit dem Jahr vaters bis zu dessen Verkauf 1954 und zog Dipl.-Ing. Helmut Heisig 2000 der Friedrich-Wilhelm-von-Oppel- dann mit seiner Familie nach Hamburg. Zwickau Preis an Studierende mit herausragendem Hier trat er 1954 in die Firma Yankee Polish * 10. Juli 1919, † 10. Oktober 2007 Engagement für die Freiberger Alma Mater ein und lernte zunächst die Herstellung Dr.-Ing. Gunnar Johnsson vergeben. von Schuhcreme und Bohnerwachs von Ahnatal Friedrich-Karl von Oppel war ein be- der Pieke auf. * 11. Dez. 1922, † 26. Oktober 2007 sonderer Mensch. Er wird vielen fehlen. Friedrich-Karl von Oppel baute gemein- Dipl.-Ing. Bernd Koch Wir erinnern uns in Dankbarkeit an sein sam mit seinen Partnern die Firma erfolg- Klettwitz vorbildliches Schaffen und Wirken: reich auf und aus. Mit dem Neubau der * 12. Mai 1942, † 31. Mai 2007 Als erstes Kind von vier Geschwistern Firma in Reinbek 1972 zog er nach Wen- Dr.-Ing. e. h. Heinrich Taubert wurde Friedrich-Karl von Oppel am 22. Ja- torf bei Hamburg, wo er mit seiner Frau, Sondershausen nuar 1917 in Torgau geboren. Vom zehnten die im März 2000 verstarb, bis zu seinem * 31. Mai 1929, † 18. Mai 2007 Lebensjahr an erhielt er, wie bereits sein Tode lebte. Neben der Firma, die sein Le- Wir werden ihnen ein ehrendes Vater und Großvater, seine weitere Schul- ben nach dem Wohnsitzwechsel in den Angedenken bewahren. bildung im Internat Ihlfeld. Nach deren Ab- Norden Deutschlands in hohem Maße ge-

14. Jahrgang 2007 133 In eigener Sache Jahresmitgliederversammlung 2006

Die Jahresmitgliederversammlung 2006 ter des Freundeskreises Bergbaugeschich- staltung durchgeführt. Der gewünschte war satzungsgemäß für den 24. Novem- te zu verleihen. Die Übergabe konnte we- Effekt wurde nicht erzielt, da trotz ver- ber 2006 nach Freiberg in den Großen gen Krankheit nicht erfolgen. bindlicher Zusagen die Teilnehmerzahl Saal der Alten Mensa einberufen und die Der Bernhard-von-Cotta-Preis für das sehr klein war. Beratungsgegenstand war Tagesordnung fristgerecht bekannt gege- Jahr 2006 konnte nur in der Kategorie Di- auch die „Universitäre Weiterbildung und ben worden. Erfreulicherweise konnte der plomarbeit vergeben werden, da für die Forschung gGmbH“ (UWF). Gesellschafter Vorsitzende, Prof. Dr. Klaus-Ewald Holst, Kategorie Dissertation keine Arbeit einge- dieser gemeinnützigen GmbH sind mit 202 Mitglieder begrüßen. reicht worden war. Die Urkunde und das 48 % der Verein und mit 52 % die Stiftung Der Tätigkeitsbericht des Vorstands Preisgeld von 1.000 € erhielt Herr Torsten TU Bergakademie Freiberg. wurde vom Schatzmeister, Prof. Dr. Brezin- Eden für seine Arbeit „Vergleichende Un- Wichtigster Tagesordnungspunkt der ski, vorgetragen. Schwerpunkte der Förder- tersuchung von Methoden zur vertikalen „Frühjahrssitzung“ war die Vorbereitung tätigkeit waren Exkursionen von Studen- Lagerstättenzonierung“. Er trug anschlie- der Mitgliederversammlung zur Wahl ei- ten ins Ausland, studentische Arbeiten ßend den Inhalt in gekürzter Fassung vor. nes neuen Vorstands am 24. November und Tagungsbesuche im Ausland. Durch Den Friedrich-Wilhelm-von-Oppel-Preis 2007. Die meisten Vorstandsmitglieder ha- Einzahlungen in den „Matching Fond“ des 2006 (Preisgeld 500 €) erhielt Lutz Geißler ben sich bereit erklärt, für eine weitere DAAD (letzterer verdoppelt den eingezahl- (Geologie, 7. Semester) für sein beispiel- Wahlperiode nochmals zu kandidieren. ten Betrag) konnten zahlreiche Stipendien haftes Engagement für die Belange der Christian Oelsner an ausländische Studenten gezahlt wer- Studenten an der TU Bergakademie Frei- den. Weiterhin wurden verschiedene Pu- berg. blikationen gefördert. Vom Verein wurde Unsere Mitglieder Prof. Dr. Wedekind eine Broschüre über „Bergakademische und Dr. Hampel übergaben aus ihrem Pri- Professorengräber auf Freiberger Friedhö- vatbesitz Frau Kießling, Mitarbeiterin im fen“ herausgegeben. Die Mitgliederzahl ist wissenschaftlichen Altbestand der Biblio- im Berichtsjahr auf 1077 angestiegen. thek, einige Bücher, darunter zwei Hand- Die neuen Mitglieder sind zum Teil in schriften (Wedekind). drei neuen Fachgruppen organisiert: Im Informationsbericht des Rektors • Fachgruppe Chemie und Angewand- wies Magnifizenz Unland die äußerst po- te Naturwissenschaft (Leitung Prof. Dr. sitive Entwicklung der TU Bergakademie Bohmhammel) anhand der Entwicklung der Studenten- • Fachgruppe Aufbereitungstechnik (Lei- zahlen, des Drittmittelaufkommens und tung Prof. Dr. Schubert) von Ranking-Berichten nach. Wegen sehr • Freundes- und Förderkreis des Institutes hoher Immatrikulationszahlen musste für für Aufbereitungsmaschinen (Leitung einige Studienrichtungen ein „Numerus Prof. Dr. Unland) clausus“ eingeführt werden. Der Vorstand berichtete auch über die Ent- Für den abschließenden Festvortrag wicklung der Gesellschaft für Universitäre war Prof. Dr. Dr. h. c. Udo E. Simonis ge- Weiterbildung und Forschung gGmbH wonnen worden, der zum Thema „Globaler (UWF). Die Bilanz 2005 der UWF ist ver- Wandel und die Renaissance des Nach- lustfrei. haltigkeits-Prinzips“ vortrug. Der Vortrag Im Finanzteil des Berichtes wurde auf wurde mit großem Interesse verfolgt. die einzelnen geförderten Projekte einge- gangen. Per 15. November 2006 lagen die Ausgaben 7.814,70 € unter den Einnah- Aus der Arbeit des Vorstandes men. Ursache waren teilweise nicht verge- bene Preisgelder (s. u.) und ausstehende Satzungsgemäße Beratungen des Vor- Rechnungen. standes fanden am 24. November 2006 Anschließend gab der Rechnungsprü- („Herbstberatung“) und am 4. Mai 2007 fer, Herr Knull (Kreissparkasse Freiberg), („Frühjahrssitzung“) statt. seinen Bericht. Da weder Rechnungsle- Wesentliche Beratungsthemen waren gungen und Rechnungsführung Anlass jeweils der Stand von Einnahmen und zu Beanstandungen gaben, beantragte er Ausgaben und die Mitgliederentwicklung. die Entlastung des Vorstandes. Dem An- Beschlossen wurde die Durchführung ei- trag wurde stattgegeben, Diskussionen ner Informationsveranstaltung über den wurden nicht gewünscht. Verein. Dazu waren Vertreter größerer und Der Vorstand hatte beschlossen, die Eh- mittlerer sächsischer Firmen zwecks Ge- renmedaille des Vereins an Herrn Dr.-Ing. winnung als juristische Mitglieder ein- Herbert Pforr für seine Verdienste als Lei- zuladen. Es wurde eine derartige Veran-

134 Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg Autorenverzeichnis

Albrecht Helmuth Prof. Dr. phil. TU Bergakademie Freiberg Schlömann Michael Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Bertl Steven Freiberg Schneider Herbert A. Prof. Dr. i. R. TU Bergakademie Freiberg Breitkreuz Christoph Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Schneider Jörg Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Buhrig Eberhard Prof. i. R. Dr. TU Bergakademie Freiberg Schönfelder Bruno Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Dierkes Eva Freiberg Seidel Birgit Dipl.-Slaw. TU Bergakademie Freiberg Donner Volker Dr.-Ing. TU Bergakademie Freiberg Simonis Udo E. Prof. Dr. Dr. h. c. Wissenschaftszentrum Berlin Eden Torsten Dipl.-Ing. Kassel Strobel Michael Dr. Landesamt für Archäologie Dresden Eigenfeld Klaus Prof. Dr.-Ing. TU Bergakademie Freiberg Szeszkat Corina TU Bergakademie Freiberg Eulenberger Karl-Heinz Dr.-Ing. Freiberg Tichomirowa Marion Dr. rer. nat. TU Bergakademie Freiberg Fischer Christine Internationales Universitätszentrum Töpfer Klaus Prof. Dr. mult. Höxter Forkmann Bernhard Prof. i. R. Dr. TU Bergakademie Freiberg Unland Georg Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Gerhard Heide Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Volkmer Roland Dipl.-Archivar TU Bergakademie Freiberg Görner Anna Jena Volkova Olena Dr.-Ing. TU Bergakademie Freiberg Grabow Gerd Prof. i. R. Dr. TU Bergakademie Freiberg Walter Gerd Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Grahmann Mirjam TU Bergakademie Freiberg Wesolowski Saskia Dr.-Ing. TU Bergakademie Freiberg Gruner Sandra TU Bergakademie Freiberg Wobbe Florian TU Bergakademie Freiberg Hänel Andreas TU Bergakademie Freiberg Heiber Gesine TU Bergakademie Freiberg Heide Gerhard Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Heilmeier Hermann Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Helbig Maria TU Bergakademie Freiberg Hofmann Jens Freiberg Jolie Egbert Freiberg Jordan Hanspeter Prof. Dr. Freiberg Kaden Herbert Dipl.-Jur. TU Bergakademie Freiberg Käppler Rolf Dr. rer. nat. TU Bergakademie Freiberg Kausch Peter Prof. Dr. Brühl Kautz Martin Dr.-Ing. TU Bergakademie Freiberg Kawalla Rudolf Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Kempkes Volker TU Bergakademie Freiberg Klan Steffen Dr.-Ing. Schaffhausen Klinger Mathias TU Bergakademie Freiberg Kovács Balázs Dr.-Ing. Heidelberg Kristinsdóttir Bjarnheidur TU Bergakademie Freiberg Kutzer Hans-Joachim W. Dipl.-Ing. Regierungsdir. i. R. Windach Lippold Judith TU Bergakademie Freiberg Matschullat Jörg Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Menzel Ernst Dipl.-Phil. Freiberg Metan Volker Dipl.-Ing. TU Bergakademie Freiberg Mikolajick Thomas Prof. Dr.-Ing. TU Bergakademie Freiberg Möls Christian TU Bergakademie Freiberg Näther Wolfgang Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Nikolai Elke TU Bergakademie Freiberg Nitzsche Katja TU Bergakademie Freiberg Noll Sascha TU Bergakademie Freiberg Oelsner Christian Prof. i. R. Dr. TU Bergakademie Freiberg Oettel Heinrich Prof. Dr. i. R. TU Bergakademie Freiberg Pforr Herbert Dr.-Ing. Freiberg Piatkowiak Norbert Prof. i. R. Dr. TU Bergakademie Freiberg Pohl Norman Dr. rer. nat. TU Bergakademie Freiberg Polanski Katja Internationales Universitätszentrum Pranke Katja Dipl.-Ing. TU Bergakademie Freiberg Richter Robin Dr. belChem Freiberg Roewer Gerhard Prof. i. R. Dr. TU Bergakademie Freiberg Rudloff Matthias Dipl.-Ing. CHOREN Industries GmbH Schaeben Helmut Prof. Dr. TU Bergakademie Freiberg Scheibe Doris TU Bergakademie Freiberg

14. Jahrgang 2007 135 Impressum

Herausgeber: Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg e. V. Geschäftsstelle: Nonnengasse 22, 09599 Freiberg 1921 als Gesellschaft der Freunde der Bergakademie Telefon: (0 37 31) 39-25 59, 39-26 61 gegründet, 1990 Neugründung Fax: (0 37 31) 39-25 54 Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Klaus-Ewald Holst E-Mail: [email protected] Stellv. Vorsitzender, Internet: http://www.tu-freiberg.dde/~vff/ Geschäftsführer: Prof. i. R. Dr. Christian Oelsner Redaktionsleitung: Prof. Dr. rer. nat. habil. Gerhard Roewer Die Zeitschrift wird an Mitglieder des Vereins kostenlos abgegeben. Redaktionskollegium: Prof. Dr. Helmuth Albrecht, Dr. Manfred Bayer, Jahresmitgliedsbeitrag: 20 EUR für Einzelmitglieder; 150 EUR für juristische Mitglieder. Frau Dipl.-Journ. Christel-Maria Höppner, Dr.-Ing. Klaus Irmer, Für Nichtmitglieder: 5,00 EUR pro Heft. Prof. i. R. Dr. Otfried Wagenbreth Gestaltung/Satz: Brita Schlegel Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von He- rausgeber und Redaktion wieder. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Manu- Postanschrift: Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg e. V. skripte. Die Autoren stellen die Beiträge honorarfrei zur Verfügung. Auszugsweiser 09596 Freiberg, Akademiestraße 6 Nachdruck von Beiträgen bei Angabe von Verfasser und Quelle gestattet.

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