Das Blaue Band

Inhaltsverzeichnis

Grußworte ...... 04

...... Landrat Anton Speer ...... 04

...... Landrätin Andrea Jochner-Weiß ...... 05

...... LBV-Vorsitzender Dr. Norbert Schäffer ...... 06

Das Projekt „Das Blaue Band – Die Ammergemeinden bandeln an“ Matthias Luy ...... 08

Das Blaue Band: Ein Bürgerkunstwerk entsteht Andrea Kreipe ...... 10

Natur erleben an der Ammer Julia Prummer ...... 12

Die unterschiedlichen Charaktere der Ammer René Heinrich ...... 16

Die Vegetation des Ammergebietes und der Umgang mit ihr Alfred Ringler ...... 22

Die Ammer als Lebensraum für Fische Dr. Sebastian Hanfland ...... 28

Die Vogelwelt an der Ammer Michael Schödl ...... 34

Vielfalt auf sechs Beinen – Schlaglichter auf die Insektenwelt des Ammergebietes Markus Bräu ...... 38

Der Mensch im Ammergebiet Klaus Gast ...... 42

Die Ammer zwischen Zähmung und Befreiung Bernhard Müller ...... 45

Wehre und Wasserkraftwerke an der Ammer Armin Rempe ...... 52

Der Wald in der Ammerschlucht Hans Peter Schöler ...... 58

Wie geht es der Landwirtschaft an der Ammer? Thomas Müller ...... 61

Tourismus und Freizeitnutzung an der Ammer – Bedeutung und aktuelle Herausforderungen Susanne Lengger . . . 63

Die Vision für die Ammer Matthias Luy ...... 66

Herausforderungen und Entwicklungsziele im Oberlauf der Ammer Martin Kleiner ...... 68

Die Zukunft der Ammer – die Verantwortung unserer Generation Wolfgang Hug ...... 72

Vernetzung der Unteren Ammer Markus Layritz ...... 74

Flussbeziehungen - Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bandeln an ...... 78

Porträt der Ammer-Allianz Matthias Luy ...... 81

Impressum ...... 82

Karte ...... 83

2 3 Sehr geehrte Damen und Herren, Sehr geehrte Damen und Herren, die Ammer ist einer der letzten Wildflüsse Deutschlands. Als Flüsse überwinden Grenzen, haben Kulturlandschaften geprägt, an „Blaues Band“ fließt sie durch unsere wunderschöne Region. Die- ihren Ufern entstanden die ersten Siedlungen. Um Flüsse ranken se Lebensader gilt es zu erhalten. Die Veranstaltung „Das Blaue sich Mythen und Legenden. Nirgendwo sonst ist der Artenreich- Band – Die Ammergemeinden bandeln an“, die der Landesbund für tum so groß wie am und im Wasser. Das gilt auch für die Ammer. Vogelschutz (LBV) im Sommer 2017 durchgeführt hat, hat dazu Sie hat ihren Ursprung im bayerischen Ammergebirge und ist ein einen bedeutenden Beitrag geleistet. So wurde mit dem Anfertigen Fluss von bundesweit herausragender Stellung. Als einziger größe- des Kunstwerks „Das Blaue Band“ als Symbol für die Ammer bei rer Alpenfluss ist ihr Wildflusscharakter weitgehend erhalten, wes- allen Beteiligten das Bewusstsein für den Schutz dieser besonde- halb die dazugehörige Artenzusammensetzung als einzigartig und ren naturbelassenen Flusslandschaft gestärkt. Allen engagierten äußerst schützenswert eingestuft werden kann. Die Ammer ist so Bürgerinnen und Bürgern, die sich an diesem Projekt beteiligt ha- artenreich wie kaum eine andere Wildflusslandschaft im Nordal- ben, sei dafür an dieser Stelle herzlich gedankt. Ebenso erwähnen penraum. möchte ich die gute Zusammenarbeit zwischen den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen und Weilheim-Schongau sowie der An- Zur Ammer habe ich eine ganz langjährige und persönliche Bezie- rainergemeinden. Diese gemeinsame Arbeit muss nun weiter hung, da sie durch das Gemeindegebiet meiner Heimatgemeinde fortgesetzt werden. Wichtig ist hierbei vor allem, sowohl die Men- Wielenbach fließt, sie gehört praktisch zu meinem Leben. Ich bin schen, die ihre Freizeit am Fluss verbringen, darauf aufmerksam stolz darauf, dass die Ammer durch unseren Landkreis frei fließen zu machen, verantwortungsvoll mit ihrer Umwelt umzugehen, als kann. Es freut mich deshalb umso mehr, dass das Projekt „Das auch notwendige Eingriffe in die Natur durch moderne technische Blaue Band – die Ammergemeinden bandeln an“ ins Leben gerufen Möglichkeiten so gering wie möglich zu halten. Nur so können wir wurde. Ziel des Blauen Bandes ist es, einen Biotopverbund aufzu- die Ammer als Wildfluss erhalten. bauen, der unsere Flusslandschaften als Ganzes betrachtet. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse, wie die Bewohner der Anrainer- gemeinden der Ammer sich mit „ihrem“ Fluss befasst haben. Anton Speer Landrat des Landkreises Garmisch-Partenkirchen Ich wünsche mir für unsere Heimat und für die Ammer, dass „Das Blaue Band“ in diesem Sinne wachsen möge.

Andrea Jochner-Weiß Landrätin des Landkreises Weilheim-Schongau

Foto: M. Kühn

4 5 Liebe Naturfreundinnen, liebe Naturfreunde, viele von uns wünschen sich Gebiete mit möglichst unberührter Natur, wie uralte Wälder, einsame Berge oder wilde Flüsse. Doch solche Lebensräume sind selten geworden. Der größte Teil der hei- mischen Flüsse wird seit Jahrhunderten vom Menschen verändert. Die ehemals sich ständig verändernden Flussläufe wurden begra- digt, festgelegt und zwischen Deiche eingezwängt. Das überbor- dende Leben in den Flüssen und ihren Auen ist dadurch stark ver- armten Artengemeinschaften und eher monotonen, kanalartigen Landschaften gewichen. Die wenigen verbleibenden Wildfluss- strecken wie an der Ammer und der wecken hingegen unsere höchste Begeisterung. Es ist an der Zeit, dass unsere Gesellschaft nicht nur diese Reste erhält, sondern natürliche Flusslandschaften wieder in größeren Zusammenhängen entstehen lässt. An der Am- mer bietet sich die einzigartige Chance, dem Fluss in Teilabschnit- ten wieder mehr Raum zu geben, ohne den Hochwasserschutz von Siedlungen zu gefährden.

Es freut mich, dass so viele Bürgerinnen und Bürger im Rahmen un- seres Projektes „Das Blaue Band – Die Ammergemeinden bandeln an“ tatsächlich mit der Ammer angebandelt haben und sich von der Flussnatur haben berühren lassen. Das entstandene Kunstwerk zeugt von der Inspiration, die die Ammer und ihre Lebewesen auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgeübt haben. Ebenso freut mich, dass auch die meisten Bürgermeisterinnen und Bürgermeis- ter ihre Wertschätzung für die Ammer ausgedrückt haben und gu- ten Willens sind, für „ihren“ Fluss etwas zu tun. Die harmonische Zusammenarbeit des Wasserwirtschaftsamtes Weilheim, der Bay- erischen Staatsforsten und der Ammer-Allianz und der konstrukti- ve Dialog mit dem Tourismus und der Landwirtschaft lassen hoffen, dass wir die Ammerlandschaft zu einem fantastischen Naturerbe entwickeln können. Allen Unterstützern gilt unser herzlicher Dank.

Dr. Norbert Schäffer Vorsitzender des Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV)

Foto: H. Henderkes/LBV-Bildarchiv

6 Foto: S. Heufelder 7 Das Projekt „Das Blaue Band – Die Ammergemeinden bandeln an“

Die Ammer braucht Freunde Dimension ergänzen, weisen wir auf einen der Einflüsse von oben - also Ausblick vom Menschen - hin, die die Ammer gefährden.“, erklärte Claudia Es ist mir ein Herzensanliegen, die einzigartige Landschaft der Am- Fenster-Waterloo. Auch die Böbinger Landfrauen sehen ihren Fluss Die Naturerlebnisse mit unseren Umweltpädagogen und die be- mer zu bewahren und die stark veränderten Flussabschnitte wieder jetzt mit anderen Augen: „Uns war nicht bewusst, wie ursprünglich eindruckende Gestaltung des Blauen Bandes mit der Künstlerin in eine naturnahe Flusslandschaft zu entwickeln. Dazu braucht es unsere Ammer und der angrenzende Auwald noch sind. Das ist ein Andrea Kreipe haben bei vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern natürlich viele Menschen, die diese Absicht unterstützen, angefan- richtiger „Urwald“, den wir unbedingt schützen müssen!“ Auge und Herz geöffnet für die Schätze am Fluss. Sie haben die gen bei den Bürgerinnen und Bürgern des Ammergebietes über die Vielseitigkeit der Ammer eindrucksvoll zum Vorschein gebracht. Grundeigentümer und Kommunalpolitiker bis hin zur Staatsregie- „Uns war nicht bewusst, wie ursprünglich unsere Nun wollen wir die neuen Ammerfreunde auch an der zukünftigen rung, die für entsprechende Renaturierungsmaßnahmen die finan- Ammer und der angrenzende Auwald noch sind.“ Entwicklung der Ammer teilhaben lassen. ziellen Mittel bereitstellen muss. # Auf einer Fachtagung am 23.11.2017 in der Tiefstollenhalle Peißen- Wir danken den vielen motivierten Gruppen berg stellen Naturschützer, Fachbehörden und Grundbesitzer die Um neue Freunde für die Ammer zu gewinnen, habe ich „Das Blaue für ihre Mitwirkung: Besonderheiten der Ammer vor, beleuchten verschiedene Nutzun- Band – Die Ammergemeinden bandeln an“ ersonnen. Dieses Pro- gen und zeigen Möglichkeiten zur Entwicklung einer noch naturnä- jekt des Landesbund für Vogelschutz in Kooperation mit der Am- Graswang: Kloster Ettal heren Ammerlandschaft auf. mer-Allianz führt Bürger, Fachleute und Politiker zusammen und Ettal: Gymnasium Ettal besteht aus mehreren Bausteinen: der Bürgerkunstaktion, die Natur Oberammergau: Grundschule Oberammergau Bis 2020 werden wir jedes Jahr zu einem Runden Tisch zur Am- erleben mit künstlerischer Gestaltung verbindet, einer Fachtagung Unterammergau: Katholischer Frauenbund merentwicklung einladen. Hier werden konkrete Vorschläge für über das Flusssystem der Ammer, und jährlichen Runden Tischen. Saulgrub: Kindergarten Altenau eine nachhaltige Entwicklung des Ammerraums vorgestellt und mit Das Projekt ist Teil des Hotspot-Projekts „Alpenflusslandschaften Bad Bayersoien: Kunst- und Kulturverein KUKUBABA, Kinder- und Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Bereiche diskutiert. Für – Vielfalt leben von Ammersee bis Zugspitze“, das im Rahmen des Jugendförderverein Herausforderungen möchten wir im Konsens Lösungen erarbeiten. Bundesprogramms Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Wildsteig: Gutshof Schildschwaig Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Bau Rottenbuch: Anglergemeinschaft Lech-Ammer Matthias Luy und Reaktorsicherheit und des Bayerischen Naturschutzfonds ge- Böbing: Böbinger Landfrauen fördert wird. Peiting: Umweltinitiative Pfaffenwinkel Matthias Luy, Leiter der Bezirksgeschäftsstelle Oberbayern des LBV, Hohenpeißenberg: Aufwind konzipierte und leitet das Projekt „Das Blaue Band – Die Ammergemeinden Natur und Kunst verbinden Peißenberg: Montessori-Schule Peißenberg bandeln an“. Seit 1999 ist er Koordinator der Ammer-Allianz und Impulsge- Oberhausen: Naturkindergarten ber für Naturschutzprojekte an der Ammer. v.l.: Landrat Anton Speer und Landrätin Andrea Jochner-Weiß knüpfen das Band über die Landkreisgrenzen hinweg, unterstützt vom Leiter des Wasserwirtschaftsamtes, Wir haben in allen Anrainergemeinden der Ammer Bürgerinnen Polling: Obst- und Gartenbauverein Oderding-Polling [email protected] Roland Kriegsch, und LBV-Vorsitzenden Dr. Norbert Schäffer. Foto: W. Hug und Bürger eingeladen, die Ammer und ihre wichtigsten Zuflüs- Weilheim: Wasserwacht Weilheim se zunächst in einer Exkursion mit unseren Umweltpädagogen zu Wielenbach: Ortsverschönerungs- und Gartenbauverein Wielenbach erleben. Anschließend kamen die teilnehmenden Gruppen meist Raisting: Kinderhort Bunte Kleckse zweimal mit der Künstlerin Andrea Kreipe zusammen und verar- Pähl: Mittagsbetreuung Pähl beiteten ihre Erlebnisse kreativ. In Gruppenarbeit gestalteten sie je- weils eine blaue Stoffbahn, die symbolisch für ihren Flussabschnitt Die Ammergemeinden bandeln an steht und den Lauf der Ammer darstellt, so wie sie von den An- wohnern erlebt und wahrgenommen wird. Die einzelnen Bahnen Im Rahmen eines Festaktes kam am 1. Juli 2017 an der Stadthalle sind sechs bis acht Meter lang und zwei bis drei Meter breit. Mit je- in Weilheim die bisher einmalige Bürgerkunstaktion zur Vollen- der Einmündung eines Zuflusses verbreitert sich das „Blaue Band“. dung. Bei dem Festakt kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Bürgermeisterinnen, Bürgermeister und Landräte von Gar- Anwohnerinnen und Anwohner gestalten misch-Partenkirchen und Weilheim-Schongau am Ammerufer zu- das Blaue Band sammen, um die gemeindeübergreifende Zusammenarbeit für eine naturnahe Ammerlandschaft zu demonstrieren: Sie verknüpften Genau 250 Menschen haben an der Gestaltung der verschie- die einzelnen Abschnitte des Blauen Bandes zu einem Großkunst- denen Flussabschnitte von Linder und Ammer sowie den Zu- werk von hundert Meter Länge. flüssen Halbammer, Eyach und Ach mitgewirkt. Sie kamen aus den verschiedensten Gruppen. Schon bei den ersten Flussexkursionen sprang der Funke für dieses Großprojekt über: „Die LBV-Führung machte allen Teilnehmern so viel Spaß, dass aus den geplanten zwei Stunden fast fünf Stunden wurden“, berichtete Uwe Reineke vom Kunst- und Kulturverein Bad Bayersoien. Die Umweltinitiati- ve Pfaffenwinkel verband die Exkursion mit einer Müllsammelaktion entlang der Ammer. „Indem wir das Blaue Band um die dritte

Das Blaue Band mit den Nebenflüssen Halbammer, Eyach und Ach ist vollendet! Bandeln an: Der Peitinger Bürgermeister Michael Asam und der Hohenpeißenberger Der Wielenbacher Ortsverschönerungsverein zeigte die Wirkung eines Wehrs als Foto: M. Kühn Bürgermeister Thomas Dorsch (rechts). Foto: M. Kühn Wanderbarriere für Fische und Sammelbecken für Müll. Foto: M. Kühn

8 9 Das Blaue Band - Ein Bürgerkunstwerk entsteht

Hunderte Menschen haben sich versammelt, erwartungsfroh und bei konnte frei gemalt und mit von mir angefertigten Schablonen Andrea Kreipe ist 1957 in Hannover geboren. Nach einer abge- mit einer gewissen Neugier wollen sie teilhaben an dem Moment, und Kartoffeldruck gearbeitet werden. Malen mit Schablonen ist schlossenen Berufsausbildung begann sie ein Studium der Bild- an dem „ihr“ Kunstwerk zur Vollendung kommt. Zur Hand ein fein- sehr einfach, so dass auch Kinder und Ungeübte ohne Schwierig- hauerei an der Kunstakademie München, wurde Meisterschülerin geschliffenes Webschiff vereinen die Gemeinden ihr ganz eigenes keiten in den Prozess einsteigen konnten, wenn sie sich nicht so bei Professor Ladner und machte nach einem Aufenthalt in den Kunstwerk mit dem der Nachbargemeinde. Und es ist genau dieser recht an das Bild herantrauten. Mit der Methode des Kartoffel- USA 1990 ihr Diplom. Seit 1984 Einzel- und Gruppenausstellun- Moment, auf den wir alle seit Monaten hingearbeitet haben: Die drucks wurden mit viel Freude ganze Kiesbänke angefertigt. gen in Süddeutschland und Österreich. Neben der Arbeit als freie vielen Einzelkunstwerke fließen ineinander. Eine Einheit entsteht – Während der Gestaltung gab es zumeist eine Phase des Auspro- Bildhauerin erhielt sie etliche Aufträge im Öffentlichen Raum so- sowohl im Blauen Band wie auch in den Köpfen der Künstler: „Ihre“ bierens, bei der die Teilnehmer meine Unterstützung benötigten, wie für Sakralbauten. Bei allen Auftragsarbeiten sind die Vorgaben Ammer – fortan ist das wohl nicht mehr nur der Flussabschnitt vor der dann aber fast immer lange Zeitabschnitte der vertieften Arbeit. durch die Architektur, die Natur, und den umgebenden Raum die eigenen Haustür, sondern die Ammer von der Quelle bis zur Mündung. Je sicherer die Methoden beherrscht wurden und je mehr das Bild wichtigsten Kriterien für die Wahl des Themas und des Materials. wuchs, desto weniger suchten die Teilnehmer meinen Rat. Sie ist Gründungsmitglied des Kunstforums Weilheim e.V. und 1. Ein Windstoß streicht über den Damm – die Ammer Vorsitzende des „Künstlernetzwerk Föhn e.V“. 2017 übernahm sie – unser Blaues Band bäumt sich auf. Es war eine große Freude, zu sehen, wie der die Messeleitung der 2. Kunstmesse Weilheim. Andrea Kreipe lebt Bandabschnitt zu einem Bild wurde, das genau und arbeitet als freie Bildhauerin auf einem abgelegenen Bauernhof Die Idee, mit Laiengruppen ein Gesamtkunstwerk zu schaffen, das zu dieser Gruppe passt. in Böbing im Pfaffenwinkel, den sie gemeinsam mit ihrer Familie in den Menschen etwas bewegt und eine Botschaft aussendet, war bewirtschaftet. Chance und Herausforderung zugleich: Ich sah in dem Projekt die Das ganze Projekt war ein Experiment: 250 Menschen unter- Möglichkeit für die Teilnehmer, „ihren“ Fluss neu zu erleben, sie an schiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft haben sich Ausstellungen (Auswahl) ihr künstlerisches Potential heranzuführen, Erlebtes in die Sprache darauf eingelassen, über einen langen Zeitraum hinweg für eine der Bilder zu bannen und so Botschafter einer wichtigen Sache Idee zu arbeiten, deren Endprodukt nur kurz zu sehen sein wird. 2013 „Kunststationen“ im Fischerbau Polling zu werden. Es stand nicht nur das Endprodukt im Fokus, sondern Sie haben ihre Zeit, ihre Kreativität, ihr Wissen eingebracht. Trotz 2013 „Das kleine Format“ im Blauen Haus in Dießen gleichwertig damit der Prozess der Entstehung. Die Herausfor- gleicher Methoden und teilweise identischer Schablonen ist jede 2014 „1200 Jahre Wessobrunner Gebet“ in Wessobrunn Andrea Kreipe derung bestand darin, ein überzeugendes Gesamtkunstwerk zu Darstellung sehr individuell geworden. Es war sehr schön mitzuer- 2014 „Poesie der Schilder“ schaffen, ohne die Individualität der Gruppen zu beschränken. leben, wie langsam gegen Ende Zufriedenheit mit dem Dargestell- 2015 „Verdichtung und Auflösung“ Grundstein des künstlerischen Schaffensprozesses war für jede ten einkehrte. Sehr wichtig war allen Gruppen, einmal das gesamte Einzelausstellung im Künstlerhaus München Gruppe, mit dem Fluss in Verbindung zu treten. Wir unternahmen Blaue Band zu sehen, von dem sie sich nun als ein Teil fühlten. Ich 2015 „Große Kunstausstellung“ im Sommerkeller Bernried eine fachlich begleitete Exkursion an den betreffenden Flussab- selbst denke sehr gerne an die Zeit mit der Ammer zurück, in der 2015 Einzelausstellung Galerie im Klosterhof in Steingaden schnitt um ihn mit allen Sinnen zu erleben, Neues zu erfahren und ich diesen besonders schönen Fluss noch besser kennenlernen 2016 Ausstellung im „AUKIO“ kleine Fundstücke zu sammeln, die dann Ausgangsmaterial für die konnte und Vieles erfahren habe: über seine Bewohner und über 2017 „Föhn im Tannheimer Tal“ Bilder waren. Diese Ausflüge waren für alle Teilnehmer ein sehr uns Menschen. schönes Erlebnis und für manche ein Blick in eine unbekannte Welt. In den folgenden Treffen vereinbarten wir, wie das Bild aussehen Andrea Kreipe soll und welche Eindrücke die Teilnehmer darstellen möchten. Da- [email protected] ; www.andrea-kreipe.de

„Geschichtsband“ Bronze 2001 „Imp I“ Bronze 2014 „Lampedusa“ Sandstein, Holz, Blei 2012 „Inlay“ Sandstein, Blattgold 2009

10 11 Natur erleben an der Ammer

Auf einer Kiesbank in Peißenberg holen Grundschüler große, run- besonderen Schutz gegen die Kälte braucht. Kein Wunder, dass es ser Herz berührt und sich in die Seele einprägt, dann entsteht ein von Ammersee bis Zugspitze“. de Kieselsteine aus dem flachen Wasser. Sie drehen die Steine um eine beliebte Jagdtrophäe darstellte. Neugierig spaziert die Grup- „Kümmern und Schützen“ irgendwann von allein. Das positive und betrachten konzentriert die Unterseiten. Becherlupen und Pin- pe weiter. Ob es wohl gelingt, flussabwärts weitere Biberspuren zu Erlebnis der Naturverbindung führt zur Erkenntnis, dass Natur le- Das Abenteuer Ammer erleben sel liegen an der Uferlinie verstreut. Beinahe jeder dritte Stein ist finden? Die Rede ist von Biberburgen, Wasserrutschen und Stau- bensnotwendig, ja die Grundlage unserer Existenz ist. Beschäftigt ein Treffer! Aufgeregt hantieren die Kinder mit Lupe und Pinsel und dämmen. Ein richtiger Baumeister, dieser Biber! man sich mit der Bedeutung von Natur für die kindliche Entwick- Mit „Abenteuer Ammer“ bietet der LBV Oberbayern öffentliche eilen zu einem Kreis aus Sitzkissen, in dessen Mitte Bücher und lung, wird man die zahlreichen Studien nicht übersehen können, Exkursionen an die Ammer und ihre Zuflüsse an. Die kostenlosen Bildkarten liegen. Eine Gruppe von Jugendlichen sitzt auf einer Kiesbank an der Am- die zeigen, dass Natur bei unseren Kindern den Grundstein für eine Ausflüge finden winters wie sommers entlang des gesamten Fluss- mer im Kreis, sie haben die Augen geschlossen und lassen vor ih- gesunde Entwicklung in allen Bereichen legt. Der angestammte laufs statt. Dabei stehen kinderfreundliche Veranstaltungen für Der kundige Beobachter weiß: Die Schüler sind auf der Suche nach rem inneren Auge die letzten Stunden vorbeiziehen. Mit vereinten Entwicklungsraum unserer Kinder befindet sich auf der Wiese, am Familien ebenso im Programm wie fachkundige Führungen für Na- den Kleinstlebewesen im Ammerwasser. Wer aufmerksam hin- Kräften haben sie ein Seil über die Ammer gespannt. Durch das Bach und im Wald. Seit Jahrtausenden finden sie dort kindgerech- turfreunde. Der Programmflyer wird zu Jahresbeginn auf unserer sieht, kann die Larven zahlreicher Insekten auf der Unterseite der kalte Wasser sind sie gegangen, über die rutschigen, runden Kie- te Reizmuster in unvergleichlicher Vielfalt. Unter freiem Himmel Homepage veröffentlicht und liegt an vielen Orten aus. Kieselsteine entdecken. Häufig finden die Schüler einen harmlosen selsteine, manchmal mit nur einer Hand am Seil. Die Strömung können sie die Erfahrungen machen, die sie zur Herausbildung le- Geschlossene Gruppen haben die Möglichkeit umweltpädagogi- Egel oder fangen winzige Flohkrebse, die auf der Seite liegend mit haben sie gespürt, die mächtige Kraft des Flusses. Während die bensnotwendiger Kompetenzen brauchen. Naturverbindung ist für sche Exkursionen zu buchen. Die Themenschwerpunkte werden ihren 16 Beinen durch das Wasser rudern. Mit Hilfe des Pinsels Räucherschale nach altem Ritual im Kreis wandert, sprechen sie Kinder so essenziell wie sozialer Kontakt und eine gute Ernährung. individuell abgestimmt. Dazu gehören zum Beispiel die Tierspuren- werden die empfindlichen Tierchen in die Becherlupe befördert. gemeinsam einen Dank an den Fluss. suche im winterlichen Auwald, die sommerliche Gewässerunter- Die einfache Vergrößerung der Lupe reicht aus, um die Kinder Au- Ich lade Sie ein, die einzigartige Schönheit der suchung mit Lupe und Binokular sowie die Zubereitung essbarer gen, Flügelanlagen und die zahlreichen, ständig bewegten Kiemen- Umweltbildung des LBV Natur unserer Heimat (wieder) zu entdecken Herbstfrüchte auf der Kiesbank. Rund sechzig Gruppen haben die- blättchen der Eintagsfliegenlarven erkennen zu lassen. Kaum einer ses Angebot in den vergangenen drei Jahren bereits wahrgenommen. weiß, dass diese Larven mehrere Jahre im Wasser verbringen, be- Die Ammer bietet uns zahllose Möglichkeiten, kleine und größere Aber nicht nur Kinder brauchen eine intakte Natur, auch als Er- vor sie, auf nahezu magische Weise, dem Wasser entsteigen, sich Abenteuer zu erleben. Umweltbildung macht sich dieses Erlebni- wachsene benötigen wir Pflanzen, Tiere und die Elemente Wind, Mitmachflora Ammersee in geflügelte Luftbewohner verwandeln und innerhalb weniger Tage spotenzial zu Nutze. Ziel der LBV-Umweltbildungsveranstaltungen Wasser, Erde und Luft für unsere psychische und physische Ge- wieder vergehen. Wer kann schon behaupten, einem solchen Zau- ist es, die emotionale Bindung des Menschen zur Natur zu (re-) sundheit. Die Unmittelbarkeit unseres Erlebens unter freiem Him- Rund um den Ammersee können botanisch interessierte Personen berwesen in die Augen geblickt zu haben? aktivieren und zu stärken. mel bietet uns einen Anker in der modernen Welt, die zunehmend an geführten Exkursionen teilnehmen. Im Rahmen dieser Führun- von virtuellen Erfahrungen geprägt ist. gen werden floristische Daten gesammelt, um den Kenntnisstand Szenenwechsel. Eine Gruppe von Kindern und Erwachsenen steht Natur lustvoll entdecken Ich möchte Sie deshalb einladen, die einzigartige Schönheit der zum Vorkommen der Pflanzen in der Region zu verbessern. In vor einem umgefallenen Baum. Deutlich sind die Spuren von kräf- Natur unserer Heimat (wieder) zu entdecken und die Kraft der diesem Projekt kann jeder, unabhängig vom persönlichen Wis- tigen Nagezähnen am Stamm zu erkennen. Was für eine Leistung, Der angestammte Entwicklungsraum unserer Ammer, der Lebensader unserer Region, am eigenen Leib zu erfah- senstand, zum Forscher werden! Mithilfe einer internetbasierten diesen Baum mit immerhin 30 cm Stammdurchmesser zu fällen! Kinder befindet sich auf der Wiese, am Bach und ren. Gehen Sie dazu nach draußen, gehen Sie spazieren und lassen Datenbank und übersichtlicher Pflanzen-Steckbriefe ist die Ergän- Zweifellos: hier war ein Biber am Werk. Kaum zu glauben, dass das im Wald. Seit Jahrtausenden finden sie dort Sie sich von Ihrer natürlichen Neugier leiten. Sie werden überrascht zung der Datensammlung ein Kinderspiel. Blumen-Freunde und behäbige Nagetier vor einem halben Jahrhundert beinahe ausge- kindgerechte Reizmuster in unvergleichlicher sein, was die Ammer zu bieten hat. Weitere Möglichkeiten, die Pflanzen-Entdecker finden die Termine der öffentlichen Ex- storben war; sind seine Spuren doch heutzutage an der Ammer Vielfalt Ammer zu erleben, bestehen im Rahmen der LBV-Projektbeiträge kursionen, alle Steckbriefe und natürlich die Datenbank unter allgegenwärtig. Ehrfürchtig betastet die Gruppe ein mitgebrachtes „Abenteuer Ammer“ und „Mitmachaktion Internetflora Ammmer- www.ammerseeflora.lbv.de. Biberfell. Wie dicht es ist, besonders am Bauch, dort wo der Biber Wenn Natur lustvoll entdeckt wird, wenn das Naturerlebnis un- see“ im Projektverbund „Alpenflusslandschaften – Vielfalt leben

Kaum einer kann sich der Faszination der kleinen Wasserlebewesen entziehen. Mar- Wie fühlt sich wohl ein Biberschwanz an? Foto: L. Tschernek Frische Nagespuren des Bibers in der Ammeraue. Foto: L. Tschernek In der Becherlupe können die Tiere von allen Seiten betrachtet werden. Foto: M. Mitterer tina Mitterer Foto: M. Mitterer

12 13 Für Schulen besteht zusätzlich die Möglichkeit im Rahmen der Was war für Dich die größte Herausforde- „Mitmachaktion Internetflora Ammersee“ kostenlose Projekttage, rung im Projekt „Das Blaue Band“? Exkursionen oder Lehrerfortbildungen zu buchen. Die Bandbreite der Aktionen reicht von der Kartierung einzelner Pflanzenarten, der Mit 15 Gruppen die Ammer zu besuchen, war schon eine Heraus- Sammlung und Zubereitung von Wildkräutern und der Herstellung forderung. Von der Anglerjugend bis zu den Landfrauen war alles von Farbe und Fasern aus heimischen Gewächsen bis zur langfris- dabei. Die Gruppen brachten ganz unterschiedliche Vorkenntnisse tigen Übernahme von Biotop-Patenschaften. mit. Während mir die Kinder eines Waldkindergartens voller Stolz „ihren“ Flussbereich zeigten und dabei auch Fuchskadaver und Bi- Alle Projekte laufen noch bis 2020 dank der Förderung durch das berspuren nicht aussparten, betraten andere Gruppen bei unseren Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums Exkursionen Neuland. Hinterher staunten sie darüber, dass sie die für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie mit wundervollen Orte am Fluss, oft ganz in ihrer Nähe, nicht kannten. Mitteln des Bayerischen Naturschutzfonds. Seien Sie dabei und Über ihre Vorsätze, diese Orte in Zukunft häufiger aufzusuchen, entdecken Sie die Ammer als Ihren Heimatfluss und ihre Bewohner freute ich mich besonders. als Mitgeschöpfe in einer großartigen Natur, die es für die kom- menden Generationen zu erhalten gilt! Was ist Dir bei Deiner Arbeit wichtig?

Als Umweltpädagogin des LBV ist es mein Anliegen, Menschen Julia Prummer zu der sie umgebenden Natur hinzuführen. Ich möchte ihre Augen öffnen für die geheimnisvolle Schönheit „da draußen“ und Begeis- Julia Prummer leitet die Abteilung Umweltbildung in der terung wecken für die unzähligen Wunder vor unseren Haustüren. Bezirksgeschäftsstelle Oberbayern des Landesbund für Vogelschutz. Ich möchte sie zum Nachdenken über Zusammenhänge in unserer [email protected] Welt anregen. Dabei steht für mich das neugierige Forschen und Auf zahlreichen LBV-Exkursionen kann man die Pflanzen am Wegesrand kennenler- der lustvolle Aufenthalt in der Natur im Vordergrund. Die korrekte Julia Prummer. Foto: F. Herzog nen. Foto: N. Boll wissenschaftliche Bezeichnung der Tiere und Pflanzen, das Wis- sen über die Gefährdung einzelner Arten und die Empfindsamkeit ihrer Lebensräume lasse ich nebenbei einfließen. Gespräche über Hochwasserschutz, Klimawandel und die Legitimation menschli- cher Eingriffe in unsere Umwelt entstanden auf diese Weise oft von allein.

Hast Du eine persönliche Beziehung zum Fluss?

Meine Familie väterlicherseits stammt aus Peißenberg-Wörth. Ich bin mit den Abenteuergeschichten meines Vaters aufgewachsen, der seine ganze Jugend an der Ammer verbracht hat. Meine Groß- mutter war Rettungsschwimmerin und hat in jüngeren Jahren eini- ge Menschen vor dem Ertrinken in der Ammer gerettet. Trotzdem war ich als Kind und Jugendliche selbst oft am und im Fluss. Das Baden in der Ammer war für uns ganz normal.

Was hast Du persönlich aus dem Projekt mitgenommen?

Es hat mich besonders gefreut, mit so vielen unterschiedlichen Menschen an der Ammer unterwegs zu sein. Jeder Ausflug war ein kleines Abenteuer mit eigenem Höhepunkt. Viele davon werden mir noch lange in Erinnerung bleiben. Gemeinsam haben wir den Fluss Stück für Stück entdeckt, bis ich ihn in Gedanken von der Quelle bis zur Mündung zu einer Gesamtstrecke zusammenfügen konnte, ver- gleichbar mit den einzelnen Bandabschnitten, die in ihrer Gesamt- heit das eindrucksvolle Kunstwerk „Das Blaue Band“ ergaben.

Im Herbst lässt sich die Ammer bei einer Wildfrucht-Exkursion kulinarisch erleben. Julia Prummer bei der Arbeit. Foto: L. Tschernek Foto: U. Dopheide

14 15 Die unterschiedlichen Charaktere der Ammer

Die Ammer ist ein Gewässer der nördlichen Kalkalpen und des hat den Talboden mit Sedimenten aufgefüllt, sodass ausgedehnte III „Altenauer Umlagerungsstrecke mit Der untere Teilabschnitt, nach der Mündung der Halbammer, weist Alpenvorlandes. Sie liegt ca. 50 km südsüdwestlich von München Schotterflächen (sog. Grieße) entstehen konnten. In diesen Schot- Halbammermündung“ bereits ein erhöhtes Gefälle auf und wird durch seine Talverengung (Weilheim i. OB), zwischen den beiden großen Strömen Isar und terflächen findet der hauptsächliche Abfluss des Linder-Wassers bereits zur „Schluchtstrecke“ der Ammer gerechnet. Aufgrund der Lech. Mit einem Einzugsgebiet von 715 km² durchläuft sie den Na- statt. Sobald genügend Wasser im Schotterkörper vorhanden ist, Am Ende der Eiszeit frästen sich die großen Wassermassen des ab- Ammerausleitung bis zum Kraftwerk „Kammerl“ wird er jedoch turraum des Ammergebirges (27% Flächenanteil), die Lech-Vor- wird die Linder oberirdisch sichtbar. schmelzenden Ammergletschers am nördlichen Ende des nacheis- noch dem Abschnitt III zugeordnet. berge (1%) und das Ammer-Loisach-Hügelland (72%). zeitlichen Sees bei Altenau, der morphologischen Grenze der Alpen, nach einer relativ kurzen Durchbruchstrecke von ca. 4 Flusskilome- Auf ihrer kurzen Fließstrecke von rund 84 km (mit der Linder) tern durch die örtliche Moräne quartärer Sedimente und bildeten IV „Ammerdurchbruch – Schluchtstrecke“ durchfließt die Ammer die längste Schlucht Bayerns (ca. 30km). den heutigen nach Norden verlaufenden Ammerlauf. Zwischen den Nach ökologischen und morphologischen Gesichtspunkten lässt alten Bergsturzmassen „Im Kochel“ südlich von Altenau und dem Dieser Abschnitt erstreckt sich auf einer Länge von rund 17 km sich der Verlauf der Ammer in zehn charakteristische Abschnitte Kraftwerk „Kammerl“ findet man an der Ammer wechselseitig wan- von Süden nach Norden. Beginnend am Kraftwerk „Kammerl“ bzw. unterteilen1. dernde Kiesbänke sowie vertiefte Rinnen und Löcher (Kolke). Das mit der Mündung der Halbammer, über die „Scheibum“, einer ein- unverändert bis mäßig veränderte Hauptgerinne weist dabei lokal drucksvollen geologischen Auffaltung der verschiedenen Molasse- eindrucksvolle aufgerichtete Schichten der Alpenauffaltung der un- formationen, bis hin zum „Ammerknie“ mit seiner Fußgängerbrü- teren Süßwassermolasse auf. Aufgrund der Ausleitung am „Alte- cke, dem „Kalkofensteg“ bei Ramsau bei Peiting. nauer Wehr“ bis zum Kraftwerk „Kammerl“ und dem fast vollständi- gen Trockenfallen der Ammer kann diese geologische Besonderheit in den trockenen Wintermonaten gut besichtigt werden.

Lindergries am fkm 196. Alle Fotos: R. Heinrich

II „Talmoor-Mäanderstrecke Ammertal“

Die Ammerquellen im Weidmoos stehen für den namentlichen und offiziellen Beginn des Flusses Ammer. Aufgrund der Talverengung zwi- schen Ettal und Oberammergau, tonigen Stauschichten sowie einer un- terirdisch verlaufenden, aber oberflächennahen Felsrippe zwischen dem Brunnberg, dem Felsen Kofel und dem Laber auf der anderen Flussseite, tritt das Wasser des Graswangtals bzw. der Linder an die Oberfläche. Das Plateau des Pfaffenwinkels und der tiefe Einschnitt der Ammerschlucht im Bereich Zusammen mit den großen natürlicherweise weitgehend waldfreien der Echelsbacher Brücke Moorflächen des Ammergaus (Pulvermoos und Kochelfilz), stellt die- ser Abschnitt der Ammer den verlandeten Rest eines während der Eis- Ammerdurchbruch bei Altenau zeit entstandenen und durch Sedimente aufgefüllten nacheiszeitlichen Sees dar. Die im Ammergau nach Norden abfließende Ammer und ihre Zuflüsse sind seit den Baumaßnahmen der 1920er und 1930er Jahre Mit der Mündung der Halbammer, einem naturnahen und von stark begradigt und großteils Hochwassersicher ausgebaut. Trotz dieser breiten Kiesbänken mit Schwemmholz geprägten Wildbach, wird massiven Veränderungen des Gewässerverlaufes bleiben die größten eine große Menge an zusätzlichem Geschiebe und Treibzeug in die Mengen der mittransportierten Sedimente aus dem Ammergebirge im Ammer eingebracht. flachen Talmoor des Pulvermooses liegen.

I „Linder“

Als Wildbach entspringt die Ammer, hier noch Linder genannt, in Ammerschlucht: Auffaltungen der Süßwassermolasse bei Rottenbuch, Schweinberg den Bergen des Ammergebirges auf etwa 1200 m ü.NN., an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland. Auf ihrem Weg durch das Graswang-Tal, einem durch den Ammer-Gletscher der Die noch während des Abschmelzens des Ammergletschers über den letzten Eiszeit entstandenen Trogtal, fließt die Linder am Schloss Höhenrücken von Peiting und Herzogsägmühl in den Lech fließende Linderhof vorbei, durch den Ort Graswang in Richtung Ettal und Ammer erfuhr mit Ende der Eiszeit durch das Auswaschen von Sedi- Oberammergau. menten (sog. rückschreitende Erosion) kleinerer Bäche eine natürliche Umlenkung der Fließrichtung um 90°, von Nord auf Ost. Dies war Der starke Abtrag von Gesteinen aus den umliegenden Bergen die Geburtsstunde der heutigen, teilweise felsigen und klammartigen Halbammer 500 m vor der Mündung in die Ammer 1) Die Einteilung ist auf der Grundlage der Makrozoobenthoskartierung der Ammer (1999/2000) Pulvermoos zwischen Ober- und Unterammergau, Blickrichtung Unterammergau bzw. dem Erläuterungsbericht des Gewässerentwicklungsplans Ammer (2006) entstanden.

16 17 Ammerschlucht. In dieser teilweise über 100 m tiefen und nur 150 m entlang der linken Talflanke, ist der Talraum erweitert und lässt Platz VI „Mäander-Furkationsstrecke PeiSSen- breiten Schluchtstrecke der Ammer sind eindrucksvoll die durch die für eine enge, aber ausgeprägte Umlagerungsstrecke von bis zu 100 berg-Gugenberg-Schwelle“ Alpenfaltung aufgestellten Schichten der unteren und oberen Süßwas- m Breite mit Kiesbänken, Schotterauen und großen Mengen an sermolasse (Faltenmollasse), bestehend aus Nagelfluh, Sandsteinen Wildholzablagerungen. Das stark bewaldete südliche Ufer ist meist Das Ende der Ammerschlucht, im Bereich der Böbinger-Peißen- und Mergeln, zu erkennen. Als längste Schluchtstrecke Deutschlands sehr steil und geprägt von Hangrutschungen und Offenlegungen der berger Brücke bis zum Abschnittsende im Bereich der „Gug- ist dies einer der natürlichsten sowie strukturell und morphologisch Unteren und Oberen Meeresmolasse. Das rechte Ufer wird domi- genberg-Schwelle“, einem Durchbruchtal aus eiszeitlichem vielfältigsten Gewässerabschnitte im deutschen Alpenraum. niert von stark bewaldeten Anbrüchen an Prallhängen (Außenkurve) Moränenschotter und Molasse (Obere Meeresmolasse, Obere und flachen, häufig überfluteten Gleitufern (Innenkurven). Süßwassermolasse) zwischen den Siedlungen Berghof und Wes- terleiten (Oberhausener Becken) markiert den klimatisch-vege- tativen Übergang vom alpin geprägten Mittelgebirge, hin zu den Tieflagen des Hügellandes. Spätestens mit dem Zufluss der beiden großen Nebengewässer Eyach (sommerkalter Bach) und Staffel- see-Ach (Seeausfluss aus dem Staffelsee mit hohe Sommertem- peraturen) wird die Abflussdynamik zunehmend vom Alpenvor- Die Ammer zwischen Peißenberg und Guggenberg-Schwelle: Blick von der Staffel- see-Ach-Mündung in die Ammer Flussabwärts landklima bestimmt. Der alpine Einfluss tritt zurück.

Vor dem Gewässerausbau war der Abschnitt ebenfalls durch ge- wässermorphologische Übergänge gekennzeichnet. Auf einer Fließstrecke von nur rund 10 km wandelte die Ammer ihren leicht gewundenen, alpinen Fließcharakter mit breiten Kiesflächen um, über einen stark gewundenen Fluss mit Seitenarmen und großen Kleine Aufweitungen und steile Uferanbrüche prägen das Bild der Ammerschlucht Kies- und Sandbänken, hin zu einem mäandrierenden Gewässer in Der Kalkofensteg am „Ammerknie“, der Umlenkung der Ammer von Norden nach Osten nur einem Abflussbett mit ufernahen, sich wiederholend, aneinan- derreihenden (alternierenden) Kiesbänken.

Einerseits liegt die gewässermorphologische Umgestaltung am Rückgang des Fließgefälles und am verbreiterten Talraum. Der weitaus entscheidendere Faktor ist aber die geringe Abriebfestig- keit der Ammersedimente. Anders als bei den benachbarten gro- Guggenberger Molasseriegel ßen Flüssen, wie der Isar und dem Lech, wird der überwiegende Teil der Sedimente (Geschiebe) der Ammer schon innerhalb weniger Fließkilometer zu feinen Sanden und Schluffen zerrieben. Diese la- gern sich in der weiten Aue ab bzw. werden bis in den Ammersee transportiert. Vereinfacht lässt sich sagen, „Je feiner das Sediment im Fließgewässer, desto höher ist der Windungsgrad im Längs- verlauf.“ Das hauptsächlich wahrgenommene Ammersediment Steiler Uferanbruch der sichtbaren Kiesbänke, bestehen zum überwiegenden Teil aus abriebfesteren, eiszeitlichen Moränenschottern, die die Gewässer- Oberhalb der Rottenbucher Brücke ist einer der wenigen natürli- sohle stabilisieren und im Hochwasserfall, gegenüber der gesam- chen Bereiche, in denen der Talraum innerhalb der Schluchtstrecke ten Feststofftransportmenge aber kaum bewegt werden. Gewäs- aufgeweitet ist, so dass Kiesbänke mit und ohne Gehölze entste- sermorphologisch betrachtet, windet sich der Ammerverlauf auf hen können. einer festen Sohle, gehalten von weichen, instabilen und nachgie- bigen Ufern. Heute ist die Ammer im Abschnitt VI über die ge- samte Strecke begradigt und auf eine Sohlbreite von 28 m verengt, V „Engtal mit Umlagerungsstrecke durch Prallhangbefestigungen und Buhnen fixiert und teilweise Schnalz-PeiSSenberg“ eingedeicht. Die morphologische Struktur ist durch die wasserbau- lichen Maßnahmen des letzten Jahrhunderts in diesem Abschnitt Dieser naturnahe Abschnitt reicht vom „Ammerknie“ und Kalkofen- so stark verändert, dass sie zumeist nur noch an Hand von Relikten steg bis zur Straßenbrücke Böbing-Peißenberg. Die Ammer fließt aus Altwassern (alten Flussschlingen), in historischen Karten und auf einer Länge von 8,5 km leicht gewunden in einem Kerbsohlental Luftbildern sowie durch charakteristische Vegetationsstrukturen von Westen nach Osten. In diesem stark bewaldeten Gewässerab- und Bodenfärbungen nachvollzogen werden kann. schnitt, der „Schnalz“, benannt nach der dominierenden Erhebung

18 19 VII „Guggenberg-Schwelle bis Stadtgebiet VIII „Weilheim bis Abzweig Alte Ammer“ Weilheim“ Dieser ca. 8 km lange Abschnitt reicht vom Stadtgebiet Weilheim Mit dem Durchqueren der Durchbruchstrecke „Guggenberg-Schwel- bis zur Abzweigung der „Alten Ammer“, etwa 2,4 km oberhalb der le“, einem Molasseriegel mit Moränenschotterauflage, tritt die Am- heutigen Mündung in den Ammersee. Heute ist hier die gesam- mer in das Tal des Ammersees ein. Fluvioglaziale Deltaschotter (Vor- te Flussstrecke begradigt, über weite Strecken befestigt und ein- stoßschotter) und Moränen bilden die Sohle der Ammer. Gleichzeitig gedeicht. Der Lauf wurde mit den Ausbaumaßnahmen zwischen ist der Talboden dieses Teilabschnittes (ca. 9,2 km) von einer mächti- 1920 und 1938 um etwa die Hälfte verkürzt (betrachtet ab Weil- gen Schicht aus Feinsedimentablagerungen überdeckt, die schon seit heim). Vor dieser Zeit handelte es sich um eine gefällearme Mäan- Jahrhunderten ackerbauliche Nutzungen ermöglichen. Die Ammer ist derstrecke mit weiträumigen Ausuferungsgebieten der ehemaligen hier relativ schnell fließend, mit alternierenden Bänken und wenigen, Verlandungszone des Gletscherrinnenbeckensees „Ammersee“. aber großen Windungen. Früher waren auch leicht verzweigte Gerin- Die geomorphologische Entwicklung der Ammer mit alluvialen ne möglich. Erste dauerhafte und großräumige Gewässerausbauten Ablagerungen (durch ein Gewässer eingetragene Ablagerungen in fanden in diesem Teilabschnitt zur Sicherung der Eisenbahnbrücke der Aue), Moorbildungen und darin entstehendem stark gewunde- Ammermündung in den Ammersee Leitdamm und Mündung der Ammer (Strecke Weilheim-Peißenberg – Eröffnung 1. Mai 1866) statt. Auch nem Flussschlauch ist ähnlich dem des Ammergaus. zeigen historische Karten, dass die Ammer im Bereich der sogenann- ten Weilheimer Aue begradigt sowie die „Weilheimer Aue“ durch die Errichtung des Ammermühlewehrs (errichtet vor 1810) bzw. eines vorgelagerten Streichwehrs fast vollständig verlandet war (Altarm).

Schrägluftaufnahmen der „Alten Ammer“ mit Mündung in den Ammersee Gewässerbett der „Alten Ammer“ mit 1,5m³/s Abfluss Die Ammer im Unterlauf, Schwellenbauwerk am Abzweig zur Alten Ammer

Niedermoore und Streuwiesen prägen die ca. 3,5 km breite südli- Mit dem Durchstich der Neuen Ammer im Jahr 1922 wurde aus Vor den Ausbaumaßnahmen 1920 waren hier beträchtliche Mäan- che Verlandungszone des Ammersees. Der Flussschlauch der Am- der „Alten Ammer“ ein ca. 6,8 km langer Altarm, der erst nach 4 der mit starker Gewässerbettdynamik vorherrschend. Ehemalige, mer ist dabei von dichten, jedoch nicht breiten Gehölzen auf den km mit der Rott einen nennenswerten Zufluss erhielt. Im Laufe der Ammer zwischen der Guggenberg-Schwelle und Weilheim noch erkennbare Flussschlingen und ausgeprägte Altwasserbil- Deichen gesäumt. Bis zur Brücke Vorderfischen (St2056) kommt Jahrzehnte verlandete die „Alte Ammer“ zusehends. Seit dem Jahr dungen zeugen noch heute von den großen benötigten Land- es zum Rückstau aus dem Ammersee. 2001 erhält sie durch ein Abschlagsbauwerk wieder eine geringe Seit dem Ausbau 1934 bis 1936 fließt die Ammer in einem vertieften schaftsräumen der Ammer. Wasserzufuhr. Es werden 1 bis 2 m³/s (max. 6 m³/s) aus der Am- und kanalisierten Gewässerbett. In dieser Zeit wurden die beiden größten mer in die Alte Ammer eingeleitet. Schleifen bei Polling und Oderding abgetrennt. Zusätzlich wurde die Fließ- X „Alte Ammer mit Rott bis Ammersee- dynamik durch das „Oderdinger Wehr“ (vorher „Triftwehr“ an ähnlichem IX „Neue Ammer bis Ammerseemündung“ mündung“ René Heinrich Standort) sowie „Au-Wehr“ (vorher Ammermühlwehr an ähnlichem Standort) deutlich reduziert. Mit der Verlegung der Ammer in den Jahren 1920 bis 1924 und der Eine Besonderheit dieses Abschnitts ist, dass die Aue tiefer liegt als René Heinrich ist Inhaber des Planungsbüros W.U.K.-Ingenieurbüro. daraus erfolgten Abkopplung des alten Ammerlaufs „Alte Ammer“ die Ufer der „Alten Ammer“ (Dammflusssystem - Aufhöhung der [email protected] ist der Flusslauf stark verkürzt worden. Die Mündung ist seitdem Ufer und Anhebung der Sohle durch Ablagerungen aus Geschie- von der Dießener Bucht in den Fischener Winkel an das Ostufer betrieb und hoher Schwebstofffracht). Grundwasseraustritte und des Ammersees verlegt. Die Alte Ammer erhielt dadurch den Rückstau aus dem Ammersee formten und formen noch heute die Charakter eines Altwassers. Durch Maßnahmen der Regulierung Landschaft des Ammersee-Südendes. Während das rechtsseitige und Vorschiebung der Mündung in den Ammersee (1959-1960) Ufer von der Staatsstraße St2056 bis zum Ammersee (Verlan- befindet sich die Ammermündung aktuell in einem befestigten Ge- dungszone) vorwiegend durch Feuchtwiesen, Niedermoore und wässerbett aus Steinsatz, Buhnen und Deichsicherung. Geschiebe, einen breiten Schilfgürtel (am Ammersee) geprägt ist, wird das Schweb- und Schwimmstoffe werden so direkt in den Ammersee linke Ufer sowie der schmale Streifen zwischen „Alter Ammer“ und verfrachtet. Seit wenigen Jahren entwickelt sich ein kleines Delta. Staatsstraße durch ertragreiche Ackerflächen dominiert.

Ammer mit Oderdinger Brücke und rezenter Oderdinger Schleife

20 21 Die Vegetation des Ammergebietes und der Umgang mit ihr

Obwohl das Ammer-Gebiet nur 717 km² groß ist, kann die Vielfalt und modernem Naturschutz, der gerade vor dem Hintergrund der seiner fließgewässerbegleitenden Pflanzenwelt nur auszugsweise Klimaveränderungen immer mehr natürliche Prozesse ermöglichen skizziert werden. Sie ist nämlich enorm und bundesweit einmalig. muss. Befürchtungen, ohne Geschiebesperren und Kiesbaggerung Die Darstellung gliedert sich in einzelne Fluss- und Einzugsgebiets- an den Oberläufen wären die Ammertal-Orte dem Untergang abschnitte. durch Überschotterung geweiht, wurden zwar durch Analysen des damaligen Landesamtes für Wasserwirtschaft widerlegt, belasten Alpine Quellbäche aber bis heute die Akzeptanz des NSG Ammergebirge in Teilen der einheimischen Bevölkerung. Auch wenn die Quelltöpfe oberhalb Ettal „Ammerquellen“ heissen, entsteht die Ammer nicht hier, sondern in zahllosen Schutthalden, In Wahrheit produzieren die Uferanbrüche nicht nur Geschiebe, Runsen und Wildbächen der Hauptdolomitmassive Scheinberg, das die schädliche Eintiefung der Flusssohle weiter unten verhin- Kreuzspitz und Notkarspitz sowie in einigen Karstquellen des dert, sondern sind auch Heimstätte für europaweit geschützte Re- Klammspitz-Laber-Zuges. In den zahllosen Wildbachrunsen spü- likt-Spirkenwälder, für Wundklee-Mergellöwenzahn-, Buntreitgras- Karlszepter (Pedicularis sceptrum-carolinum). Foto: E. Pfeuffer /LBV-Bildarchiv len Starkregen, Schmelzwasserabflüsse und Lawinenabgänge pro und Davallseggenfluren. Hektar und Jahr etwa 1 m3 Schutt ins Tal, dazu Samen und Pflan- filz gehört, sind eine hinreißende Abfolge von Latschen-, Fadenseg- zenteile, die dann als „Schwemmlinge“ auf den Kiesbänken bis über GrieSSe gen- und Kalkflachmooren („Wollgraswiesen“, Enzian-Pfeifengras- Peißenberg hinaus wieder auftauchen, z.B. Alpengänsekresse (Ara- wiesen), insgesamt zusammen mit dem Oberauer und Pfrühlmoos bis alpina) und Gemskresse (Hutchinsia alpina). An den Kiesufern Nach dem Eintritt in die Haupttäler verschwinden die Wildbä- der wertvollste noch intakte Talmoorkomplex des Alpenraumes. Gestreifter Seidelbast (Daphne striata). Foto: E. Pfeuffer /LBV-Bildarchiv der alpinen Ammer-Quellbäche blüht der Fetthennensteinbrech che zumindest in Trockenzeiten von der Oberfläche und fließen Die Moorkette wurde zwar in den letzten 100 Jahren durch Flus- (Saxifraga aizoides), an den felsigen, oft überrieselten Einhängen überwiegend unterirdisch im angesammelten Schutt. In diesen sausbau zwischen Ettal und Scherenau von der Ammer abgekop- wächst das Schluchtweidengebüsch (Salicetum appendiculatae) Grießen (Linder-, Neualm-, Elmaugrieß) werden bis zu 5000 pelt, versetzt aber immer noch jedes Botanikerherz in Wallung. und die Gesellschaft der Kurzährigen Segge (Carex brachystachys). m3 Geschiebe pro Jahr zwischendeponiert. Hier vereinigen sich Nirgendwo in Mitteleuropa haben größere Bestände des subark- Kopfbinsen-Kalkquellmoore mit Mehlprimel (Primula farinosa) und dealpine Schwemmlingsfluren, europäisch geschützte Lavendel- tischen Karlszepters (Pedicularis sceptrum-carolinum) überlebt, Blaugrünem Steinbrech (Saxifraga caesia) erreichen im Kuchel- weidengebüsche, Silberwurz-Spaliere, Erika-Spirkenwälder mit der wenngleich in den 1960er Jahren ein Großteil der Ammergauer bachtal ihren höchsten Punkt in Bayern (ca. 1200 m). westalpinen Hakenkiefer (Pinus uncinata), die ihren Schwerpunkt in Talstreuwiesen der Flurbereinigung zum Opfer fiel und noch in den Deutschland im südlichen Ammer-Quellgebiet hat, zu einem bota- 1970er und 1980er Jahren zahlreiche Müll- und Abraumdeponien nischen Dorado mit Gestreiftem Kellerhals (Daphne striata), Schlau- ins Pulvermoos vorgeschüttet wurden. chenzian (Gentiana utriculosa), Raugras (Achnatherum calamagros- tis), der südalpinen Monte Baldo-Segge (Carex baldensis; nur eine Stelle im Ammergebiet), Fliegenragwurz (Ophrys insectifera), dem Altenauer Wildflusslandschaft fast ausgestorbenen Alpen-Knorpellattich (Chondrilla chondrilloi- des), Blaugrünem Steinbrech (Saxifraga caesia) und Baumwachol- Die eiszeitliche Bergsturzlandschaft „Im Kochel“ („Kochel“ = steiler der, der sogar gewaltige Schuttstöße lebend übersteht. Zwischen Buckel) trennt die Ammertalmoore von der Altenauer Wildfluss- Dickelschwaige und Weidmoos könnte man das früher künstlich landschaft, die ein gutes Stück in die hier einmündende Halbam- angelegte Linder- und Kühalpenbach-Bett in einen Schwemmke- mer hineinreicht. Immer noch findet sich die Deutsche Tamariske gel mit starker Geschiebe-Akkumulation zurückverwandeln, dabei (Myricaria germanica), die in Bayern sonst nur noch an Isar und die angrenzenden Agrarflächen und die Bundesstraße unangetas- Halblech überlebt hat, in den Lavendelweiden-Auen. Steigt man tet lassen, einen tollen Speziallebensraum für hochbedrohte Pflanzen aus dem wilden Fussbett die Terrassenböschung hinauf, steht und hier kurz vor dem Aussterben stehende Kiesbank-Heuschrecken Foto 3: Schlauchenzian (Gentiana utriculosa). Foto: E. Pfeuffer /LBV-Bildarchiv man unvermittelt in einem nahezu unberührten Spirkenhoch- bilden. Geschiebe, das zur Hochwassersicherung von Oberammergau moor (z.B. Breitenfilz). Nirgendwo sonst in Bayern kommen sich dort bisher entfernt werden muss und bei Extremhochwässern in die gegensätzliche Lebensräume wie Hochmoor und Wildfluss so Weidmoos-Streuwiesen ausbricht, würde so weiter oben auf natür- Talmoore nahe wie hier. Selbst auf dem Mündungssporn zwischen Ammer lichem Wege zurückgehalten. Aber leider wird diese Chance bisher und Halbammer sitzt noch ein „Filz“. Rechts der Ammer, um das weder genutzt noch diskutiert. Unterhalb Graswang verschwindet die obere Ammer (Linder) bei geheimnisvolle Moorauge des Tiefsees herum, repräsentiert die Fetthennensteinbrech (Saxifraga aizoides). Foto: E. Pfeuffer/LBV-Bildarchiv Niedrig- und Mittelwasser vollends im Talschutt, muss sich also ausgedehnte Moorlandschaft des Altenauer Moores und Eckfilzes weiter unten „neu erfinden“. Sie tut das in Form von mehr als 30 einen in Schottland und Irland verbreiteten, in Deutschland aber In den Reissen, Lateralerosions- und Mergelrutschhängen der Ba- Quelltöpfen, in denen FFH-geschützte Armleuchteralgen-(Chara- sehr seltenen Moortyp: Ein „Deckenmoor“ (blanket bog), das sich cheinschnitte und Wildbachböschungen (z.B. oberes Elmaugries, ceen)-Unterwasserrasen sich im aufquellenden Druckwasser wie in wechselnder Mächtigkeit über Senken und kleine Hügel hinweg obere Linder, Spitzgräben am Wachsbichel bei Unterammergau, im Wind hin und herwiegen. So taucht die Linder aus dem mäch- ausbreitet. Das ist nur bei sehr hohen Niederschlägen und seltenen Bayerbach, Jagerstich) steht falsch verstandene „landeskulturel- tigen Talschuttkörper wieder auf, wird offiziell zur „Ammer“ und bzw. kurzen Trockenperioden möglich. le Sicherung“ (Geschiebeentnahme, Geschiebesperren, "Wund- sorgt nebenbei noch für die Entstehung des Ettaler Weidmooses. hangverbauung") im Konflikt mit naturnaher Flussentwicklung Die Ammertalmoore, zu denen auch das Pulvermoos und Kochel-

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Aber auch einen Dauerkonflikt gibt es hier zu vermelden: Die Ge- tektonisch zerrütteten kalkalpinen Rand- und Flyschzone immer voralpiner Tannen-Kalkbuchenwald (Cardamino trifoliae-Fagetum), Umlagerungsstrecke Ammerknie - Peißen- wässerschutzziele der Wasserrahmenrichtlinie und des Natur- mehr zur Sisyphusarbeit. Lieber sollte man bei Erschließung und Eiben-Steilhangwald mit der seltenen Stechpalme (z.B. Schnalz, berg schutzes unterscheiden sich von den Bestrebungen der Anlieger, Nutzung etwas vorsichtiger sein. Zu viele unersetzliche Hangbrü- Böbinger Leite, Scheibum), lichter Weißseggen-Buchenwald mit die nachbrechende Ufer und Überschotterung durch Uferverbau che und –moore sind seit den 1970er Jahren durch unbedachte Waldvögelein und Frauenschuh, Grauerlen-Quellwald , kleinflächig In dieser heute nach der Oberen Isar bayernweit besterhaltenen und Kiesbaggerung beheben wollen. Aktionen, z.T. auch im Zeichen „landeskultureller Sanierung“ stark sogar Erika-Almrausch-Reliktspirkenwälder und Buntreitgras-Kie- voralpine Furkationsstrecke versucht man, tiefgreifende Eingriffe geschädigt oder sogar zerstört worden. fernwälder. Zugleich verbindet die längste und naturnächste vo- der Vergangenheit zu regenerieren. Deshalb gibt es immer noch ralpine Durchbruchsstrecke Bayerns die Waldökosysteme der oder wieder schutzwürdige Pflanzenbestände wie Lavendelwei- Ammergauer Alpen, des Peißenberges, Lechrains und der Ammer- den-Tamariskenfluren, Lorbeerweiden-Galeriewälder mit der selte- see-Umrahmung. Die Schleierfälle mit ihren Kalktuff-Vorhängen nen Salix pentandra, auf der höheren Terrassenleiste einen Winter- und –höhlen sind zwar der größte und bekannteste Vorzeigebiotop schachtelhalm-Buchenwald. Allerdings sind die vom Peißenberg für die EU-weit prioritär geschützten Starknervmoos-Quellfluren herabziehenden Hang- und Schluchtwälder geprägt durch die ehe- (Cratoneurion), letztlich aber nur einer von vielen an der mittleren mals riesige Peitinger Bergwerkshalde und ihre Sanierungsmaß- Ammer und ihren Seitentobeln. nahmen. Ab 1922 wurden jährlich 120.000 m³ den Ammerhang hinabgeschüttet. Ab 1940 wurde die Berghalde zum Feststoffherd und bis 1962 wurden jährlich ca. 100.000 t Schutt durch die Am- merhochwässer abtransportiert. Starke anthropogene Erdrutsche mit Flussaufstau und Wegezerstörung, eine künstliche Flussverle- gung, Mülldeponien und deren Sanierung kamen hinzu.

Deutsche Tamariske (Myricaria germanica). Foto: H.-J. Fünfstück /LBV-Bildarchiv

Hochlagenmoore und quellige Nasswäl- der in den Vorbergen

Viele Quellbäche der Halbammer kommen aus Hochlagenmooren mit so schönen Namen wie Kronwinkel-, Roth-, Bläßling-, Raben- Aurikel (Primula auricula). Foto: E. Pfeuffer /LBV-Bildarchiv und Angstmoos. Auch sie beherbergen seltene Eiszeitreliktpflan- zen wie z.B. Patagonische Segge (Carex paupercula: in Südbayern nur hier), Zartes Wollgras (Eriophorum gracile höchstes Vorkom- men in Deutschland) und Schlenkensegge (Carex heleonastes). Am Trollblume (Trollius europaeus). Foto: A. Hartl /LBV-Bildarchiv obersten Bayerbach hat 1961 ein riesiger Bergrutsch ein Moor zu einem meterhohen Torfwall aufgestaucht. An kleinen Quellästen der Flyschzone haben minerotrophe Spirken- und Fichten-Grau- Ammer-Durchbruch erlen-Brüche ihren deutschlandweiten Schwerpunkt. Sie sind Ur- heimat von Arten nasser Streu- und Wirtschaftswiesen wie Wie- Im berühmten Ammer-Canyon zwischen Kammerl-Kraftwerk senknöterich, Trollblume und Davallsegge. In den als „Fichtenwüste“ und Ammerknie wachsen auf Molassesandsteinwänden und auf- verrufenen Vorhöhen sind die teils offenen, teils grauerlen- und gestellten Nagelfluhbänken die pflanzlichen Sendboten der Alpen edellaubholzbestockten Rutschhänge an den Wildbach-Einhängen (Almrausch, Aurikel, Traubensteinbrech, Alpenmaßliebchen u.a.). Höhepunkte natürlicher Entwicklung. Am Katzenberg verwandeln Die anhaltende Standortdynamik an den immer wieder abbrechen- abgehende Muren immer wieder die Halbammer samt Straße in den und unterspülten Steilhängen ermöglicht „alpine“ Gesellschaf- einen natürlichen Stausee (z.B. 1999). ten wie Buntreitgrashalden, Rostseggenbestände, Blaugrashalden, Stengelfingerkraut-Felsfluren und Blasenfarn-Felsgesellschaften. Sehr teure staatliche Verbauungsaktionen, deren Kosten-Nut- Die große Vielfalt naturnah überkommener Waldtypen macht den zen-Verhältnis bisher nie bestimmt wurde, werden in der „gottge- Ammerdurchbruch zum regionalen Zentrum der Wald-Biodiver- gebenen“, aber klimawandelverstärkten natürlichen Dynamik der sität: Heckenkirschen-Buchenwald (Lonicero alpigenae-Fagetum), Winterschachtelhalm (Equisetum hyemale). Foto: H.P. Schöler

24 25 Untere Ammer den Staffelsee vor. Und schließlich präsentiert sich die Achmün- Ausblick dung in die Ammer bei Maxlried als ein kleines Auwaldreservat. Die untere, ab Peißenberg das Weilheimer Becken durchlaufen- Auch die sommerkühlen Hügellandbäche aus der Grundmoränen- Die Renaturierung und ökologische Wiederanbindung der ka- de Ammer ist oberhalb Oderding nur mäßig reguliert und noch landschaft, insbesondere aus dem Eberfinger Drumlinfeld, sind nalartig ausgebauten Flussabschnitte unterhalb Weilheim und bei nicht komplett vom Talraum abgekoppelt. Im Alpenvorland selte- weithin unverbaut (z.B. Kinsch-, Grün-, Hardtbach). Als Erlebnis- Oberammergau wird zwar bis auf lokale Verbesserungen ange- ne Silberweidenauen, Lavendelweidengebüsche, Grauerlen- und höhepunkt überraschen sie sogar mit fast wildflussartigen Furkati- sichts der Talbesiedlung Utopie bleiben. Aber eine Wiederherstel- Hartholzauen, ein Brennenstandort mit Kiefern, floristisch reiche onsstrecken (Obernach, mittlere Rott bei Stillern) und häufig ent- lung des Fluss – Moor – Kontaktes im NSG Ammersee-Süd wäre Flutstreuwiesen mit Filzsegge (Carex tomentosa) und am Hunger- springen sie in meist intakten Mooren. auch in einer für das seit langem eingespielte Gebietsmanagement bach sogar seltene Orchideen (Orchis morio, O. coriophora) zeichnen durchaus verträglichen Form denkbar. diesen Flussabschnitt aus. Am Talrand gibt es Hangquellmoore mit Ökologisch sehr exklusiv präsentieren sich die Kalk-Quellbäche der seltenen Sommerdrehwurz (Spiranthes aestivalis) z.B. im Grand- aus den Schotterterrassen. Rekordverdächtig große Bestände des Aber das notwendige Handeln am Hauptfluss darf nicht den Blick lmoos. Leider wurde der einzigartige Kontakt Wildfluss - Hochmoor EU-geschützten Kriechenden Selleries (Helosciadium repens) und verstellen vor den oft viel preiswerteren Aufgaben an den Quell- im Scheithaufer Filz im Zuge der Pfingsthochwasserbewältigung die letzten intakten Schwarzkopfried-Quellmoore Oberbayerns und Moränenbächen. Viele von ihnen kommen aus großen Moor- 1999/2000 und der Peißenberger Umgehungsstraße völlig zerstört. breiten sich dort aus, ein Indiz für relativ geringe Abflussschwan- gebieten, deren retentionssteigernde Renaturierung eine der nahe- Dieser Verlust könnte durch eine Aktivierung des Ammer-Ufers im kungen und Nährstoffarmut (Beispiele: Ettinger Bach und Hun- liegendsten Antworten auf die Hochwasser-Millionenschäden in benachbarten Thalhauser Filz teilweise kompensiert werden. Leider gerbach). Auch die Kalksinterterrassen im größten Eiben-Kalk- Polling, Huglfing und Peißenberg im Juni 2016 wäre. Schade wäre wurde diesbezüglich immer noch nichts unternommen. tuff-Quellwald Deutschlands, dem Paterzeller Eibenwald, gehören es, wenn punktuelle großtechnische Rückhaltebecken wie ober- zum Ammergebiet. halb Wilzhofen die zahlreichen naturnahen und dezentralen Hand- Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica). Foto: A. Hartl /LBV-Bildarchiv Im kanalartig abgedämmten Unterlauf ab Weilheim ist der ökolo- lungsoptionen an den vielfach zu schnell und gerade fließenden gische Kontakt zu den ausgedehnten Beckenmooren völlig unter- Überregional bedeutsam sind auch die bisweilen fast alpin anmu- Bachläufen kaschieren würden. brochen und Auwaldreste beschränken sich auf abgeschnittene Einsatz gepflegt wird. Einmalig große Flutstreuwiesen mit Sibi- tenden Molasse-Schluchtbäche, die den West- und Nordostrand Altwasserrelikte. Der Mündungsabschnitt durchläuft das groß- rischer Schwertlilie (Iris sibirica) und den Stromtalarten Kanten- des Weilheimer Beckens oder den Nordflügel der Murnauer Mo- Alfred Ringler flächigste See-Überflutungsmoor Bayerns, das von der Schutzge- lauch (Allium angulosum), Schnittlauch (Allium schoenoprasum) und lassemulde durchsägen (Eyach). Kalkquellgalerien, Nagelfluh- und meinschaft Ammersee-Süd seit vielen Jahrzehnten mit größtem Sumpfplatterbse (Lathyrus palustris) verzahnen sich mit voralpinen Mergelwände, sogar einzelne Wasserfälle machen die Szenerie Alfred Ringler ist Landschaftsökologe, Bearbeiter des vielbändigen Werks Kalk-Pfeifengraswiesen und verschiedenen Röhrichtgesellschaften. überaus einprägsam. Leider hat erst die turbulente Geschichte Landschaftspflegekonzept Bayern und Autor zahlreicher wissenschaftlicher Ein Jammer ist es jedoch, dass die heutzutage durchaus vorhande- forstlicher Übernutzung in der Pähler Schlucht ins öffentliche Ge- Arbeiten aus den Bereichen Botanik, Naturschutz und Landschaftsentwicklung. nen Möglichkeiten, einen Teil der ursprünglichen Mündungsdyna- dächtnis gerufen, wie nutzungssensibel diese naturnah bestockten, [email protected] mik wiederherzustellen und ein auch international aufsehenerre- meist quelligen Bachursprungsgebiete eigentlich sind. gendes Binnendelta-Regenerationsprojekt zu starten, bisher noch nicht ernsthaft geprüft wurden.

Moränenbäche und Voralpenmoore

Im Ammersee hat der wilde Gebirgsfluss sein Ziel erreicht. Seine „Flusspersönlichkeit“ wandelt sich zum gebändigten Tieflandsfluss. Blicken wir lieber noch einmal zurück: Was wäre das Ammersystem ohne seine naturnahen außeralpinen Seitenbäche! Das außeral- pine Ammergebiet gehört zu den bayerischen Naturräumen mit dem höchsten Anteil unregulierter und gleichzeitig relativ sauberer Bäche 3. Ordnung. Beginnen wir mit den sommerwarmen pota- malen Seeausflussbächen Uffinger Ach (Ausfluss des Staffelsees, durchläuft ganz unterschiedliche Landschaften, einziges mitteleu- ropäisches Vorkommen des Laichkrauts Potamogeton acuminatus) und Gotzenbach (Ausfluß des Bayersoiener Sees zur Eyach). Sie sind gesäumt von teils naturnahen Bachauen, Schluchtwäldern, Streuwiesen und Mooren und speisen sich letztlich aus Hang- und Moorbächen, die aus der Murnauer Molassemulde ins Staffelsee- becken herabfließen. Mehrere ganz unterschiedliche Binnendeltas können sich völlig natürlich entwickeln: der Zusammenfluss von Kühbach und Holzgraben entwickelt sich immer mehr zu einem breitflächig durchflossenen Großseggensumpf. Die Achmündung schiebt ihre torfigen Sandbänke, Röhrichte und Weidenbrüche in

Sommerdrehwurz (Spiranthes aestivalis). Foto: E. Pfeuffer /LBV-Bildarchiv Kriechender Sellerie (Helosciadium repens). Foto: Gebietsbetreuung Ammersee/C. Niederbichler

26 27 Die Ammer als Lebensraum für Fische

Wer die Ammer seit Jahren oder Jahrzehnten aufsucht, neigt zum der Forellenregion zugeordnet wird, sind vorwiegend Koppe und Glauben, diesen Fluss gut zu kennen und kann ihn sich kaum an- Bachforelle dominierend und kaum andere Arten vertreten, wäh- tur einen augenscheinlich idealen Lebensraum. Um es vorweg zu Vögel bewegen, die Bestände dramatisch zurückgehen können. In ders als in seinem heutigen Charakter vorstellen. Aus dem Loi- rend sich in der Äschen- und der Barbenregion zahlreiche weite- nehmen: Es gibt mehrere Ursachen, die entweder einzeln oder in der Ammer ist davon speziell die Leitfischart Äsche stark betroffen. sach-Ammergletscher entsprungen, mündete sie zunächst in die re Flossenträger ihren Lebensraum mit der jeweiligen Leitfischart Kombination zum Verschwinden verschiedener Arten geführt ha- Ein weiteres Problem ist heute das seit den 90er Jahren alljährlich Loisach, änderte aber später ihren Lauf zum Lech hin und fließt seit teilen. Die direkte Vernetzung der Ammer mit dem tiefen großen ben. So ist die wiederholte Unterbrechung des Gewässerkontinu- an der Ammer und anderen Äschenregionen des südbayerischen etwa 17.000 Jahren wie heute über den Ammersee und die Am- Voralpensee Ammersee und über die Uffinger Ach, mit dem ver- ums durch Menschenhand ein gravierendes Problem, welches an Donauraums auftretende sogenannte Bachforellensterben, dem per in die Isar bei Moosburg. Vom heutigen Ursprung bei Oberam- gleichsweise flachen und deutlich wärmeren Staffelsee stellt eine der Ammer schon seit vielen Jahrzehnten besteht. Eine Untersu- mitunter komplette Bestände zum Opfer fallen können. Es gibt mergau bis zur Mündung in den Ammersee ändert die Ammer Besonderheit dar, die maßgeblichen Einfluss auf ihr Fischartenin- chung dokumentiert, dass es im Einzugsgebiet der Ammer mehr zwar deutliche Belege, dass es sich um eine Krankheit handelt, ihr Erscheinungsbild ganz erheblich. Das in den Oberammergauer ventar bzw. -potenzial hat. Im gesamten Einzugsgebiet kommen als 700 künstliche Querbauwerke gibt, von denen ein Großteil doch trotz umfangreicher Forschungsprojekte konnte das verur- Bergen noch starke Gefälle nimmt zum Ammersee ab, ihr alpiner von der kleinen Mühlkoppe bis hin zum großwüchsigen Waller weit von Fischen nicht überwunden werden kann. Im Hauptfluss selbst sachende Prinzip bislang nicht identifiziert werden. Aufgrund die- Charakter mit kalter, starker Strömung und steinigem Untergrund über 30 Fischarten vor. existieren zwischen Ammersee und der Schnalz sechs Wehre, von ses Phänomens hat die Bachforelle, eine ehemalige Hauptfischart weicht steigender Wassertemperatur und einem ruhigeren Strö- denen derzeit drei für stromaufwärts wandernde Fische noch nicht der Ammer, heute von der Schnalz abwärts keine Chance mehr, mungsbild. überwindbar sind. Fische, die durch Hochwasser stromab ver- und auch entsprechende Besatzmaßnahmen der Fischereivereine driftet werden, haben dadurch keine Chance mehr, im Zuge einer fruchteten nicht. Die Charakteristik der Ammer wurde aber nicht allein von eiszeit- sogenannten Kompensationswanderung in ihren ursprünglichen lichen Entwicklungen und der daraus entstandenen Topographie Lebensraum zurückzukehren. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Es bleibt die Zukunftsvision, dass sich in der Ammer wieder ein bestimmt, sondern auch wesentlich vom Menschen. Wie alle Flüs- Fischarten, die darauf spezialisiert sind, im Laufe ihres Lebens in- guter Bachforellen- und Nasenbestand etabliert und dass auch se Lebensadern der Zivilisation sind, so wurde auch die Ammer nerhalb eines Gewässersystems sehr unterschiedliche Teillebens- wieder Seeforellen aus dem Ammersee bei ihrer Laichwanderung von Siedlungen beeinflusst und genutzt. Zu Beginn des letzten räume zu nutzen. Die bevorzugten Gewässerstrukturen liegen dann die Schnalz durchwandern. Jahrhunderts wurde ihr Lauf unterhalb von Weilheim für Hochwas- mitunter viele Flusskilometer voneinander entfernt und müssen zu serschutz, zur Holztrift und zur Entwässerung landwirtschaftlicher gegebener Zeit erreichbar sein, damit die Arten im Gewässer lang- Flächen begradigt. Dabei büßte dieser Flussabschnitt nicht nur die fristig konkurrenzfähig bleiben können. Typisch für solche Arten ist Hälfte seiner Lauflänge, sondern auch eine Vielzahl fischökologisch vielfach, dass die Eiablage mehr oder weniger deutlich stromauf relevanter Strukturen ein. Bereiche mit Umlagerungsstrukturen erfolgen muss, nämlich genau dort, wo sich die jeweils günstigsten gingen verloren und an den Hauptfluss angebundene Altwasser Laichsubstrate und Jungfischlebensräume befinden. Ist eine Laich- sind absolute Mangelware. Dass dadurch die Charakteristik des wanderung dorthin infolge künstlich errichteter Barrieren nicht Flusses und der daran gebundenen Lebensgemeinschaften nach- mehr möglich, hat die Art allenfalls noch Zugriff auf suboptimale haltig verändert wurde, liegt auf der Hand. Reproduktionsräume. Je nach Art kann dies zu Bestandsverlusten bis hin zum gänzlichen Verschwinden führen. Von diesem Problem Auf ihrem 85 km langen Weg bis zum Ammersee ändert sich mit besonders betroffen sind die Fischarten Seeforelle und Nase, die den Strukturmerkmalen der Ammer auch ihr Fischbestand. Wie im Mittellauf der Ammer derzeit keine Chance haben. Früher war Äschenregion von Peiting bis Fischen. Bild: M. v. Lonski bei jedem anderen Fluss nimmt die Anzahl der Fischarten von der die Wasserqualität der Ammer wesentlich schlechter als heute, Quelle bis zur Mündung zu. Im Oberlauf bei Oberammergau, der so dass es immer wieder zu Fischsterben durch Verunreinigungen Im Bereich zwischen Böbing und Weilheim gehört der Fluss der kam. Als Beispiel sind die Abwasser aus dem Bergwerk in Peiting Äschenregion an. Sie bietet diesem Leitfisch mit kiesigem Unter- zu nennen, die die Wasserqualität bis in die 1970er Jahre dauer- grund, sauerstoffreichem und kühlem Wasser und tiefen Gumpen haft gravierend beeinträchtigten, dafür waren mehr Nährstoffe ver- einen idealen Lebensraum. Neben der Äsche sollte der Fischbe- fügbar und die Produktivität für Fische wesentlich höher. Auch die stand dort etwa 25 weitere Arten aufweisen. Historisch belegt ist Holztrift, bei der zeitweise regelmäßig große Mengen von geschla- z.B., dass im Mittelauf der Ammer in der Schnalz bei Peiting früher genem Holz flussabwärts getriftet wurden, setzte dem Fischbe- neben den regionstypischen Fischarten wie Mühlkoppe, Bachforel- stand arg zu. In den 70er Jahren wurde der Äschenbestand durch le, Äsche, Aitel, Barbe und Nase zumindest zeitweise auch Seefo- eine bayerweit grassierende Krankheit mit dem Namen Ulcerative rellen sowie verschiedene Weißfischarten wie z.B. Schied und Ner- Dermalnekrose (UND) fast gänzlich in Mitleidenschaft gezogen. fling vorkamen. Aber nicht nur die drei letztgenannten Arten fehlen Der Bestand erholte sich aber binnen weniger Jahre wieder auf sein heute in der Schnalz. Insgesamt konnten dort schon seit einigen ursprüngliches Niveau. Jahrzehnten nur noch 13 Fischarten nachgewiesen werden. Alljährlich tritt ein Bachforellensterben auf Im Einzugsgebiet der Ammer gibt es mehr als 700 Querbauwerke In den letzten 30 Jahren hat sich mit den zunehmenden Popula- tionsdichten von Gänsesägern und Kormoranen ein weiterer, teils Doch woran liegt es, dass die Schnalz-Ammer heute ein unna- gravierender Einflussfaktor ergeben. Inzwischen weiß man, dass türlich geringes Fischartenspektrum aufweist? Schließlich bietet speziell bei Fischarten, die sich größenmäßig die meiste Zeit ih- doch dieser Flussabschnitt mit seiner besonders naturnahen Struk- res Lebens innerhalb des Beutespektrums dieser fischfressenden

Forellenregion im Oberlauf der Ammer bzw. ihren Zuflüssen bei Oberammergau. Bild: Altwasser in der Schnalz nach Teilentlandung und Wiederanbindung an die Ammer. M. v. Lonski Foto: S. Hanfland

28 29 Äsche (Thymallus thymallus) Huchen (Hucho hucho)

Als Leitfischart der Ammer zwischen Böbing und Weilheim kam aus der Nachzucht des gewässereigenen Stamms, Förderung der Der Huchen erreicht in der Ammer Größen von bis zu 120 cm. In haben sich die Lebensbedingungen (Einstände, Laichplätze und die Äsche dort einst sehr häufig vor. Heute ist ihr Bestand stark Strukturvielfalt im Gewässer sowie freiwilliger Entnahmeverzicht, der Schnalz bildet der Huchen einen selbsterhaltenden Bestand Jungfischhabitate) speziell für den Huchen deutlich verbessert. gefährdet. Alle ergriffenen Maßnahmen, wie z.B. Jungfischbesatz konnten die Bestandssituation kaum verbessern. aus, was in Oberbayern nur noch für die Isar südlich von München Der Engpass für den Huchen stellt heute die zu geringe Dichte an nachgewiesen ist. Gestützt durch geringfügige Besatzmaßnahmen Futterfischen dar. Die Fischerei ist stark reglementiert, das Schon- konnte sein Bestand seit den 50er Jahren auf hohem Niveau stabil maß beträgt 90 cm und es darf auch nur ein Huchen pro Jahr und gehalten werden. Durch das Belassen von Totholz in der Ammer Fischer entnommen werden.

Bachforelle (Salmo trutta fario) Nase (Chondrostoma nasus)

Im Oberlauf der Ammer und den Nebenbächen stellt die Bachfo- heute ist ihr Bestand infolge des sogenannten Bachforellensterbens Die Laichwanderung der Nase führte in der Ammer ursprünglich bayern soll die Nase im Ammermittellauf wieder angesiedelt wer- relle nach wie vor die Hauptfischart dar. Auch von Böbing flussab- dort nur noch als marginal bis nicht mehr vorhanden zu bezeichnen. hinauf bis in die Schnalz und noch darüber hinaus. Vom Men- den. Dies kann nur erfolgreich sein, wenn die Durchgängigkeit vom wärts zählte sie einst zu den nicht allzu seltenen Begleitarten. Doch schen gebaute Wanderhindernisse haben bewirkt, dass es schon Ammersee bis Rottenbuch wiederhergestellt wird. seit mehr als 30 Jahren in der Schnalz keine Nasen mehr gibt. Im Rahmen der Artenhilfsprogramme des Fischereiverbandes Ober-

30 31 Aitel (Leuciscus cephalus) Seeforelle (Salmo trutta lacustris)

Von der Schnalz abwärts gehörten Aitel früher zu den häufigen Fi- Anbindung der Aue samt Entlandung haben die Trendwende ein- Querbauwerke in der Ammer und ihren Nebengewässern haben wieder eine natürlich reproduzierende Population an Elternfischen schen. Ein Mangel an versteckreichen Gewässerstrukturen sowie geläutet. Seit wenigen Jahren gibt es wieder Nachwuchs in ermu- den Laichaufstieg der Seeforelle über Jahrzehnte hinweg unter- zu etablieren. Denn ähnlich wie beim Lachs kehrt die Seeforelle nur die nachlassende Längs- und Quervernetzung haben den Bestand tigenden Stückzahlen. bunden. Voraussetzung für eine Wiederansiedlung und einen na- durch Prägung in der frühen Entwicklungsphase wieder in ihr ange- in der Schnalz seit den 1980er Jahren bis auf überalterte Einzelex- türlichen Fortbestand dieser Fischart ist das Erreichen geeigneter stammtes Heimatgewässer für eine Eiablage zurück. emplare schrumpfen lassen. Mehr Totholz in der Ammer und die Laichplätze in den Oberläufen von Ammer und ihren Seitenzuflüs- sen. Absteigende Jungfische benötigen später wieder den Ammer- Sebastian Hanfland see als Lebensraum. Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit vom Ammersee bis nach Oberammergau ist für die bis zu 1 m Dr. Sebastian Hanfland ist Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes großen Laichfische und deren Nachkommen essentiell. Seit einigen Bayern (LFV) und Koordinator der Ammer-Allianz. Jahren werden vom LFV Bayern im Rahmen des „Alpenflussland- [email protected] schaften-Projektes“ befruchtete Eier und junge Seeforellen in den erreichbaren Seitenzuflüssen der Ammer erbrütet um langfristig Alle Zeichnungen: M. v. Lonski

Rutte (Lota lota)

Die Rutte war in der Ammer jahrzehntelang ausgestorben. Früher len konnten bereits mehrere Jahrgänge aus eigener Reproduktion war sie als Laichräuber unerwünscht. Heute gilt sie bayernweit als nachgewiesen werden. Heute ist ihr Bestand nicht mehr auf Besatz gefährdet. Im Rahmen von Artenhilfsprogrammen aus Mitteln der angewiesen. Fischereiabgabe konnte sie in der Ammer nach nur dreimaligem Besatz erfolgreich wieder angesiedelt werden. Bei Erfolgskontrol-

Eine Äsche wird in die Ammer zurückgesetzt, da sie geschont ist. Foto: D. Göz In der Schnalz kann die Ammer frei fließen. Foto: F. Moellers

32 33 Die Vogelwelt an der Ammer

Die Ammer verbindet den nördlichen Alpenrand mit dem Voral- Deshalb ist der vom Aussterben bedrohte Flussuferläufer Cha- man auf Tafeln an den Einstiegsstellen am Kammerl bei Saulgrub penland. Sie durchfließt von den Quellen bei Oberammergau bis rakterart für die naturnahen Ammerabschnitte. Im Übergang von und in Rottenbuch. zur Mündung in den Ammersee eine Reihe von unterschiedlichen Kiesfläche zur Vegetation legt er faustgroße Nester im Schwemm- Lebensräumen: Moore, einen Wildflusscanyon mit Schluchtwäl- sand an. Darin brütet er – wie alle Watvögel – vier Eier aus, wobei Von den Schutzbereichen profitieren auch andere Arten. An Fels- dern, Auwälder und das Mündungsdelta. Diese Lebensräume sind sich Männchen und Weibchen bei der Brut abwechseln. Flussuf- blöcke oder Wurzelstöcke am Ufer können Wasseramseln ihre Wohnort, Rast- und Nahrungsplatz sowie Kinderstube für eine erläufer sind Zugvögel, die in Afrika überwintern und während ih- Nester bauen. Sie beginnen die Brut schon früh im März und zie- Vielzahl seltener Vogelarten. Auf etwa der Hälfte der Fließstre- res Lebens von durchschnittlich vier Jahren immer wieder an den hen dadurch in guten Jahren häufig zwei Mal erfolgreich Junge auf. cke von 60 Kilometern ist die Ammer vom Umland – außer bei Brutplatz kommen. Hier versuchen sie die wichtigste Aufgabe zu Als einzige Singvögel können Wasseramseln unter Wasser tau- extremen Hochwasserereignissen – durch kanalartige Verbauung erfüllen: die Aufzucht von Jungen. Wird die Brut durch ein Hoch- chen und Nahrung suchen. Bei dem schnellfließenden Wasser in entkoppelt. Trotzdem funktioniert der Fluss als Leitlinie und Biotop- wasser zerstört, können sie meist ein Nachgelege anlegen. Wenn der Ammerschlucht wundert man sich, wie sie es schaffen unter brücke und das nicht nur für die besonders mobilen Vögel. aus den Eiern Junge schlüpfen, werden diese gut drei Wochen auf und zwischen Steinen Insektenlarven abzusammeln. In den struk- den Kiesbänken geführt und gewärmt. Anschließend verlassen die turarmen ausgebauten Flussabschnitten befestigen Wasseramseln Vogelarten sind an Strukturen gebunden. Kiesbrüter wie Flussufer- Familien das Brutgebiet. ihre kugelförmigen Moosnester oft an Brücken oder an Querbau- läufer, Flussregenpfeifer und Flussseeschwalbe benötigen umgela- werken. In geschützten Nischen finden dort auch Gebirgsstelzen gertes Geschiebe, das im Lauf der Zeit immer wieder neue Kiesflä- Die jungen Flussuferläufer sind Nestflüchter, versorgen sich also ab geeignete Plätze für ihr Nest. Ähnlich der Bachstelze fliegt sie wel- chen bildet. Dadurch entstehen mehr oder weniger offene Flächen, dem Schlüpfen selbständig mit Nahrung – Insekten, Spinnen und lenförmig durch die Luft. Im Unterschied zur Bachstelze hat sie ei- auf denen die Nester angelegt werden. Die in Kolonien brütenden Würmer, die sie am Ufer und im flachen Wasser aufpicken. nen gelben Bauch. Flussseeschwalben können derzeit allerdings nur auf künstlichen Gänsesäger-Weibchen mit Küken. Foto: C. Moning /LBV-Bildarchiv Brutflößen fortbestehen. Solche Nisthilfen bieten Bedingungen, wie Der Bruterfolg ist abhängig von der Witterung, Prädation, Störun- Gänsesäger sind als Fischfresser konfliktbeladen. Sie sind ganzjäh- sie die Flussseeschwalben vor noch zwei Jahrhunderten an Inseln gen und dem Erfahrungsgrad der Brutvögel. Um die Störungen rig an der Ammer. Die Weibchen bebrüten das Gelege in Höhlen. sechs groß. Wie viele davon den Winter überlebten, wissen wir nicht. am Lech und vor einigen Jahrzehnten der Isar vorfanden. Auch das zu minimieren, haben in den 1990er Jahren Angelverbände zum Nistkästen, wie sie früher zur Bestandsförderung eingesetzt wur- Floß im Binnensee des Ammersees trägt mit 60 bis 80 Brutpaaren Schutz der Fische und der Landesbund für Vogelschutz zum Schutz den, sind heute nicht mehr in Gebrauch. Die Männchen verlassen Auch Eisvögel legen relativ viele Eier – pro Brut im Schnitt sechs der Vögel auf ein Gesamtschutzkonzept hingewirkt, das 1997 fertig- bis sieben – und das bis zu drei Mal im Jahr. Nur der Schutz einer gestellt wurde. Dazu wurden Bereiche ausgewiesen, die zwischen Höhle lässt solch eine hohe Fortpflanzungsrate zu. Dem steht eine dem 15.4. und 15.7. eines jeden Jahres nicht betreten werden sollen. hohe Sterblichkeit im Winter gegenüber, da sich die Eisvögel im Von 29 Flusskilometern in der Ammerschlucht zwischen Altenau Winterhalbjahr entlang der Flüsse und Bäche weit verbreiten, um und Peißenberg sind 12,3 Kilometer in dieser Zeit nicht zugäng- Nahrung zu finden. Im Oberlauf der Flüsse finden sie schwierige lich. In Schutzbereichen mit 42% Anteil an diesem Flussabschnitt Brutbedingungen. Hohe Abflüsse bei Schneeschmelze, Gewittern brüten damit aktuell 75% des Brutbestandes der Flussuferläufer an und den allgemein hohen Niederschlagsmengen lassen nur einen der Ammer. Zudem wurden Ein-, Rast- und Ausstiegsstellen für kleinen Brutbestand zu. Dazu kommt, dass die Ufer der Ammer- Bootfahrer festgelegt und die Befahrungszeiten (1.5. bis 1.12., von schlucht zu felsig und die Prallhänge zu kiesig sind, um eine Nist- 9 bis 17:30 Uhr) bei ausreichendem Wasserstand für bestimmte höhle hinein zu bauen. Lehmige Uferabbrüche finden die Eisvögel Bootstypen und Gruppengrößen geregelt. Die Informationen findet in einigen Seitenbächen und an renaturierten Abschnitten in der

Gebirgsstelze. Foto: A. Hartl/LBV-Bildarchiv Flussuferläufer. Foto: Z. Tunka/LBV-Bildarchiv das Brutgebiet beim Schlupf der Jungen für mehrere Monate, um dazu bei, dass der Flussseeschwalbenbestand in den letzten Jahren in ihr Gefieder zu wechseln. Während der Abwesenheit der Männ- Bayern angestiegen ist. Flussregenpfeifer benötigen für die Brut große chen ziehen die Weibchen alleine die Jungen auf. In den Schutz- blanke Kiesbänke, um Fressfeinde oder Gelegeräuber auf weite Entfer- bereichen finden sie Ruhe und oft beaufsichtigt ein Weibchen die nung zu sehen. Diese Bedingungen finden sich in der Ammerschlucht Jungen anderer mit, während diese auf Nahrungssuche gehen. kaum. Hier sind Teile der Kiesflächen mit Weidenvegetation und krauti- gen Pflanzen bewachsen. Die Strategie der Gänsesäger ist – anders als beim Flussuferläufer mit max. vier Nachkommen pro Jahr – möglichst viele Jungen ins Rennen zu Der vom Aussterben bedrohte Flussuferläufer ist schicken. In einem Jahr gelang es, die Entwicklung der Jungvögel genau- Charakterart für die naturnahen Ammerabschnitte er zu beobachten: Von 44 einwöchigen Jungvögeln wurden letztlich nur Wasseramsel. Foto: D. Hopf/LBV-Bildarchiv Eisvogel. Foto: H. Henderkes /LBV-Bildarchiv

34 35 Der Mündungsbereich der Ammer ist Teil eines der 34 bundesdeut- schen Ramsar-Gebiete. Das sind Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung, die als Lebensraum für Wasser- und Watvögel durch die 1971 geschlossene Ramsar-Konvention besonders geschützt sind. Die großen Feuchtwiesen sind nicht nur Nahrungsgebiet für oft mehr als 50 Weißstörche, die z.T. in Raisting in einer Storchen- kolonie (2017 mit 15 Nestern) brüten, sondern auch Brutplatz für eine Vielzahl von hochgradig bedrohten Wiesenbrütern. Diese sind aufgrund ihrer Tarnung – um bei der Brut am Boden nicht gefunden zu werden – nicht so auffällig wie der weiße Storch. Durch das Mo- saik von gemähten Streuwiesen, Brachflächen und Schilfbereichen, in Kombination mit speziellen Schutz- und Pflegemaßnahmen, fin- den Arten wie der Große Brachvogel Lebensraum, der vielerorts in Deutschland in den letzten Jahrzehnten einfach verschwunden ist. Zudem sind manche Wiesenbrüter wie Wachtelkönig, Wasserral- le und das Tüpfelsumpfhuhn sehr unauffällig, man hört sie meist nur nachts rufen. Zusammen mit dem Ampermoos nördlich des Ammersees erreichen die Bekassine und das Braunkehlchen hier Weißrückenspecht. Foto: H.-J. Fünfstück /LBV-Bildarchiv Uhu. Foto: R. Rössner/LBV-Bildarchiv Bekassine. Foto: H. Tuschl/LBV-Bildarchiv höchste Brutbestände Bayerns. ausgebauten befestigten Fließstrecke im Unterlauf. eigentlich nur in Bergmischwäldern mit hohem Laubholzanteil vor. Er gilt als alpine Spechtart, die zudem Indikator für einen geringen Kein Wunder, dass sich die Naturschutzverbände Spechte sorgen in den Au- und Schluchtwäldern Zerschneidungsgrad und einen natürlichen Bestandsaufbau ist. einen Radweg mitten durch das Gebiet nicht vor- für den sozialen Wohnungsbau # Wie eingangs beschrieben, funktioniert die Ammerschlucht als stellen können Biotopbrücke zwischen den Bergen und voralpinen Waldbereichen Während die Eisvögel ihre Höhlen selbst graben, nutzen viele Tier- mit ähnlichen Strukturen wie im Bergwald. In solch einem langge- Die Störungen, die mit einem solchen neuen Wander- und Radweg arten Spechthöhlen. Grau-, Grün-, Bunt- und Schwarzspecht sorgen streckten Lebensraum, in dem Spechte einfach den Fluss queren in die Brut- und Rastlebensräume getragen würden, sind durch die in den Au- und Schluchtwäldern für den sozialen Wohnungsbau. oder um die nächste Biegung fliegen können, sind Nachweise des vorhandene Alternativtrasse über Raisting für ein Naturschutzge- Spechte haben einen sehr großen Aktionsradius. Dabei überlap- Weißrückenspechts selten. In den letzten Jahren wurde aber deut- biet und NATURA2000-Gebiet nicht vertretbar. pen Männchenreviere oft die Reviere mehrerer Weibchen. Der lich, dass sich außeralpin kleine Vorkommen gebildet haben oder Aktionsradius ist während der Jungenaufzucht am geringsten, weil bisher einfach unentdeckt geblieben waren. In Verbindung mit dem Ammersee und seinen großen Wasservo- die Altvögel dann effizient Nahrung heranschaffen müssen. Eine gelbeständen sind auch von den bestehenden Wegen viele span- Besonderheit an der Ammer ist der Weißrückenspecht. Aufgrund Eine Besonderheit an der Ammer ist der Weißrü- nende Beobachtungen von ziehenden oder rastenden Vögeln ga- seiner Vorliebe für wenig beeinflusste Altholzbestände kommt er ckenspecht # rantiert.

Eulen und Käuze nutzen ebenfalls als Nachmieter Spechthöhlen. Michael Schödl Dagegen brüten Uhus frei in Felsnischen oder unter Wurzeltellern. Als größte Eule der Welt haben sie bzw. ihre Jungen zwar auch Michael Schödl leitet die Regionalgeschäftsstelle Garmisch-Partenkirchen/ Fressfeinde. Durch ihre Größe sind sie aber in der Lage, sich wir- Weilheim-Schongau des Landesbund für Vogelschutz (LBV). Braunkehlchen. Foto: Z. Tunka/LBV-Bildarchiv kungsvoll zu verteidigen. Schon die Jungvögel plustern sich extrem [email protected] auf, um Angreifer zu beeindrucken. Der Nachweis in der Ammer- schlucht ist durch die Lautstärke des Flusses und das schwierige Gelände nicht ganz einfach. Nachdem der Uhu in Deutschland Mitte des letzten Jahrhunderts nahezu ausgestorben war, nahm seitdem durch eine höhere Aufmerksamkeit für diese Art und di- verse Schutzmaßnahmen (Horstbewachung, Wiedereinbürge- rung, Schutzgebiete, Kletterkonzepte) der Bestand wieder zu. Wie an anderen Flüssen beobachtet man in den letzten Jahren verstärkt die Bildung von Revieren.

Die großen Feuchtwiesen sind Brutplatz für vie- le hochgradig bedrohte Wiesenbrüter #

Weißstorch. Foto: D. Hopf/LBV-Bildarchiv

36 37 Vielfalt auf sechs Beinen – Schlaglichter auf die Insektenwelt des Ammergebietes

Insekten sind mit Abstand die artenreichste Organismengrup- Für die Gefährdung der Gefleckten Schnarr- den schmale und saubere, sauerstoffreiche Bäche bevorzugt, meist Libelle ein zweijähriges Leben als Larve im Wasser durchlebt hat, pe der Welt – und natürlich auch des Ammergebietes. Aufgrund schrecke ist vor allem fehlende Flussdynamik mit sandigen oder feinkiesigen Gründen. Solche sind allerdings oft währt die Lebenserwartung des fertigen Insektes gerade einmal 40 seiner vielfältigen Ausstattung an naturnahen Lebensräumen auf verantwortlich recht arm an Beutetieren für ihre im Wasser lebenden Larven, wes- bis 50 Tage. Standorten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, sticht es aber halb diese oft vier bis fünf Jahren Entwicklungszeit bis zum Schlupf im Vergleich zu vielen anderen Landschaften Bayerns besonders Vom Fluss weggerissene alte Kiesbänke werden so nicht mehr in der Libelle brauchen. An einem Torfstich im Weilheimer Moos fliegt eine rote Libelle. hervor. ausreichendem Umfang rechtzeitig ersetzt, weil die Umlagerungen Das Tier streicht flach über den Boden und erzeugt mit den Flügeln von Geschiebe (Kies und Sand) nicht ausreichen. So hat sie seit Be- An einem von Rohrglanzgras und Mädesüß gesäumten Graben im eine Art Flimmern, das den gesamten Körper aufzulösen scheint. Diese Vielfalt soll anhand einiger interessanter und attraktiver Ver- ginn der Flussregulierungen immense Flächen ihres Lebensraums Weilheimer Becken herrscht reges Treiben metallisch glänzender Grund ist das dunkle Band, das sich durch alle vier Flügel zieht. treter vor Augen geführt werden, die leider allesamt in den Roten eingebüßt. Libellen. Da die Flügel mancher Tiere, es handelt sich um die Männ- Das Weibchen mit seinem blass gelb bis ockergelben Körper ist Listen bedrohter Tiere Bayerns verzeichnet sind. chen, wie die Körper vollständig blau gefärbt sind, handelt es sich ruhend in der Vegetation erst recht schwer ausfindig zu machen. Dies gilt auch für den Kiesbank-Grashüpfer (Chorthippus pullus). um Blauflügel-Prachtlibellen (Calopteryx virgo). Sie sind anspruchs- Es handelt sich um die Gebänderte Heidelibelle (Sympetrum pe- Ein warmer Hochsommertag an der Linder: Unmittelbar vor den Er tritt oft zusammen mit der Gefleckten Schnarrschrecke auf und voller als die häufigere Gebänderte Prachtlibelle (C. splendens). Bei demontanum), eine stark gefährdete Libellenart. Sie besiedelt vor Füßen fliegt mit einem charakteristischen Schnarrton ein großes hat recht ähnliche Lebensansprüche. Er bewohnt vor allem die dieser ziert die Männchen-Flügel nur ein blaues Querband. Der allem wärmebegünstigte Flusstäler mit eher seichten, mäßig ver- Insekt auf. Ein Glück, es ist ein Weibchen, das wenige Meter weiter kiesig-sandigen Rohböden bzw. lückig bewachsene, teilweise mit Körper der Weibchen schimmert metallisch grün, die Flügel sind landeten, besonnten und windgeschützten Gewässern, etwa Ent- zu Boden geht, während die Fluchtsprünge der Männchen mehrere Gebüschen und Bäumen durchsetzte Kiesbänke und Geröllhalden. bräunlich. Je nach Lichteinfall zeigt sich ein gewisses Farbspiel. Das wässerungsgräben oder aufgelassenen Torfstichen. Nach einer Hundert Meter weit reichen können. Dennoch fällt es schwer, das Der Kiesbank-Grashüpfer ist noch etwas weiter verbreitet (auch in ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Blau nicht durch Pig- Überwinterung der Eier, die auch Austrocknungsphasen überste- Tier sofort wieder auszumachen, so perfekt ist es trotz seiner für den Allgäuer und Berchtesgadener Alpen), vermutlich auch weil mentfarben erzeugt wird, sondern durch Strukturfarben: Feinstruk- hen, schlüpfen die Larven im folgenden Frühjahr bis Frühsommer. eine Heuschrecke beachtlichen Größe von über drei Zentimetern Populationen nicht so große Flächen mit geeigneten Bedingungen turen, an denen sich das Licht überlagert. Ihre weitere Entwicklung bis zur fertigen Libelle vollzieht sich in nur zwischen den Kieseln getarnt. benötigen wie die Gefleckte Schnarrschrecke. circa fünf bis acht Wochen. Eine Besonderheit der Prachtlibellen ist, dass Männchen und Es handelt sich um die Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tu- Ruhelos patrouilliert eine mit rund acht Zentimeter Länge beein- Weibchen miteinander kommunizieren. Männchen besetzen ein Spezielle Duftstoffe geben den Raupen des Hel- berculata), deren Schnarrton weicher ist und länger anhält als bei druckend stattliche, schwarz-gelb gefärbte Libelle einen Quellbach Revier am Ufer, das gegen andere Männchen verteidigt wird. Aus len Wiesenknopf-Ameisenbläulings eine hohe der ähnliche Lebensräume besiedelnden Rotflügeligen Schnarr- auf und ab. Die Geduld zahlt sich aus, sie setzt sich kurz ab. So lässt diesem vertreibt es Rivalen nicht im direkten Zweikampf, sondern soziale Stellung im Ameisennest # schrecke. Die landesweit vom Aussterben bedrohte Art kommt in sich erkennen, dass es sich um die Zweigestreifte Quelljungfer mit Drohgebärden der Flügel. Hier findet auch das für Prachtlibellen Bayern nur im Alpenbereich und seinem unmittelbaren Vorland vor. (Cordulegaster boltoni) und nicht um die ähnliche Gestreifte Quell- typische Balzen um die Weibchen statt. Der Blick schweift über blumenbunte Streuwiesen am Südende des Hier konzentrieren sich die Vorkommen auf die Obere Isar und ihre jungfer (C. bidentata) handelt. Denn sie hat im Gegensatz zu dieser Ammersees bis zur sich in der Ferne abzeichnenden Alpenkette. Zuflüsse. Daneben gibt es kleinere Vorkommen im Einzugsgebiet der noch schmale gelbe Streifen zwischen den breiten Gelbzeichnun- Die Blauflügel-Prachtlibelle besiedelt sehr saubere, oft durch Da zieht ein Falter die Aufmerksamkeit auf sich, der ein Blüten- Loisach (Friedergries, Schwarzenbach, Neidernach) und an wenigen gen. Durch ihre imposante Erscheinung, die Färbung sowie das Quellwasser gespeiste Fließgewässer, bei denen beschattete und köpfchen des Großen Wiesenknopfs umspielt. Kaum hat er sich Zuflüssen der Ammer (Linder, Elmau). Grund für diese Seltenheit ist, Flügelknistern bei Wendemanövern flößen Quelljungfern durchaus besonnte Abschnitte abwechseln. Dies ist insofern notwendig, da niedergelassen, krümmt das Tier den Hinterleib und versenkt ein Ei dass sie zwar ältere und höher gelegene, aber doch sehr lückig be- Respekt ein. Daher nannte man sie, wie Libellen im Allgemeinen, sich ihre dunklen Körper und Flügel in dauerhaft besonnten Zonen zwischen die Einzelblüten des Blütenstandes. Es ist ein Weibchen wachsene Kiesbänke als Lebensraum benötigt. Sie tritt vor allem in im Volksmund früher oft „Teufelsnadeln“. Dies geschah freilich in während heißer Sommertage sehr aufheizen können. Willkom- des Hellen Wiesenknopf-Ameisenbläulings (Phengaris teleius), der Bereichen auf, für die ein inselartiges Mosaik aus Silberwurz-Polstern Unkenntnis darüber, dass sie weder über einen Stachel noch ande- mene Ruheplätze in der Mittagshitze können schattenspendende seine Eier nur an diese legt. Die Raupen entwickeln sich zunächst charakteristisch und der Boden höchstens zu 50 % bewachsen ist. re wirksame Verteidigungswaffen verfügen. Als Lebensraum wer- Gehölze, aber auch Röhricht oder Hochstauden sein. Nachdem die darin, indem sie die nahrhaften Blütenteile fressen. Freilich ist diese

Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tuberculata). Alle Fotos: M. Bräu Kiesbank-Grashüpfer (Chorthippus pullus) Zweigestreifte Quelljungfer (Cordulegaster boltoni) Paarungsrad der Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo)

38 39 eiweißreiche Nahrung bald erschöpft und die Blütenstände beginnen Bayern beschränkt sich das aktuelle Verbreitungsareal der stark ge- einzutrocknen, zu „verstrohen“. Um die Entwicklung abschließen zu fährdeten Art auf das Voralpine Hügel- und Moorland. Die häufigsten können, brauchen sie weitere Nahrung. Sie lassen sich von Arbeite- Lebensräume sind ehemals bäuerlich genutzte, inzwischen verbusch- rinnen bestimmter Knotenameisen-Arten (Myrmica scabrinodis, M. te Handtorfstiche in Moorgebieten. Daneben gibt es Vorkommen rubra oder M. ruginodis) in die Nester eintragen. Nur diese Ameisen in gehölzbestockten Randzonen von Hoch- und Übergangsmooren betrachten sie nicht als Beute. Spezielle Duftstoffe geben den Raupen sowie Streu- und Feuchtwiesenbrachen auf Waldlichtungen oder an sogar eine hohe soziale Stellung im Ameisennest. Die Ameisen lassen Waldrändern. Die Raupen leben an Wiesenknöterich. # es daher sogar zu, dass die Raupen ihre Brut fressen. Etwa 350 Ar- beiterinnen sind nötig, um eine Raupe zu ernähren. Wenigstens ent- Da Mahd Eier oder Raupen schädigen kann, darf schädigen die Raupen ihre Wirte ein wenig dadurch, dass sie ein von diese nur abschnittsweise und erst im Spätsommer/ den Ameisen begehrtes zuckerhaltiges Drüsensekret absondern, das Herbst erfolgen diese auflecken. Sie überwintern im Ameisennest und schlüpfen im Folgejahr aus den oberen Nestkammern. Dann müssen sie sich beei- Auffallend große dunkle Falter fliegen auf den in der Hochsommer- len, denn durch die Verwandlung zum Falter verlieren die Untermieter sonne liegenden Streuwiesen des Ammergebietes. Es handelt sich ihre „Immunität“ und können attackiert werden. Der Helle Wiesen- um das Blaukernauge (Minois dryas). Der deutsche Name erschließt knopf-Ameisenbläuling braucht für ein dauerhaftes Überleben groß- sich leicht, da sowohl auf der Oberseite als auch auf der Unterseite der flächige magere Feucht- und Streuwiesen. Diese dürfen erst gemäht Vorderflügel große, blau gefüllte Augenflecken erkennbar sind. Daran werden, wenn die Raupen die Wirtspflanzen verlassen haben. Deshalb lässt sich die Art leicht erkennen. Da die braune Farbe die Wärme ab- ist die Art nicht nur in Bayern stark bedroht, sondern als eine Art des sorbiert, vermeiden die Falter das Öffnen der Flügel und exponieren Anhangs II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie auch aus europäischer nur eine möglichst geringe Fläche der intensiven Sonne. In der heißen Sicht schutzbedürftig. Mittagszeit zeigen sie wenig Aktivität. Oft sitzen sie sogar am Boden, teilweise von den Gräsern und Kräutern der Streuwiese beschattet, Gleiches gilt für den Goldenen Scheckenfalter (Euphydryas aurinia), oder halten sich am Rande angrenzender Gehölze auf. Das Blaukern- der in den Streuwiesen des Ammergebietes noch erfreulich zahlreich auge bevorzugt Flächen mit von Gräsern dominierter, höherwüchsiger vorkommt. Die Art legt ihre Eier in flachen Gelegen ab, im Gebiet vor Vegetationsstruktur. Pfeifengrasstreuwiesen mit später Mahd oder Blaukernauge (Minois dryas) allem an Teufels-Abbiß. Vor der Überwinterung leben die Raupen ge- deren Brachestadien sind dabei die wichtigsten Lebensräume. Die sellig in einem Gemeinschaftsgespinst, während sie sich danach ver- Raupen entwickeln sich an verschiedenen Gräsern und Seggen. einzeln und auch an einigen anderen Pflanzen fressen. Markus Bräu Mit dem attraktiven Blauschillernden Feuerfalter (Lycaena helle) kommt eine weitere FFH-Art im Gebiet vor (um Peiting, Abtsried). Er Markus Bräu ist Landschaftsökologe und Entomologe und Autor zahlreicher meidet aber die wärmeren Beckenlagen und bevorzugt feucht-küh- faunistischer Publikationen und Gutachten. le Lebensräume, die trotzdem ausreichend besonnt sein müssen. In [email protected]

Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Phengaris teleius) Goldener Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) Blauschillernder Feuerfalter (Lycaena helle)

40 41 Der Mensch im Ammergebiet

Die reizvolle Landschaft, die die Ammer von ihrem Ursprung im Land in Besitz nehmen. Frühe bajuwarische Friedhöfe wie in Sin- der Pfaffenwinkel erstaunlich schnell wieder, die Höfe blühten bald Landwirtschaft wurde nun, insbesondere zur Versorgung der stän- Graswangtal bei Ettal bis zur Mündung in den Ammersee durch- delsdorf (ca. 550-750 n. Chr.) beweisen eine weiterhin erhebliche wieder auf und eine Blüte erlebten auch die vielen im modernen Stil dig steigenden Bevölkerung, intensiviert und so entstand Bedarf an fließt, wurde überwiegend bei der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Besiedelung sowie verbleibenden römischen kulturellen Einfluss des Barock erneuerten Klöster und Kirchen. immer weiteren bzw. besser nutzbaren Flächen. Jahren geprägt, als Gletscherzungen das Gelände modellierten und und weitere Handelsfernverbindungen der Bevölkerung. Das frühe damit die Grundlage für die abwechslungsreiche Landschaft mit Mittelalter in unserem Gebiet war durch systematische Kloster- Aus Bauern und Handwerkern werden Die Landwirtschaft wurde zur Versorgung der Hügeln und Tälern, Seen, Mooren, Weideland und Waldgebieten gründungen im achten Jahrhundert geprägt (z. B. Polling, Wes- Künstler steigenden Bevölkerung intensiviert, es ent- nördlich der Alpenkette entstand. Vor rund sechstausend Jahren sobrunn, Benediktbeuern). Dies waren Kleinzentren, die neben stand Bedarf an immer weiteren bzw. besser fassten erste Menschen Fuß, erste Siedlungen lassen sich in der religiöser auch strategische Bedeutung hatten und sowohl für die Die Glanzzeit der Weilheimer Bildhauer und Maler sowie der Wes- nutzbaren Flächen # Jungsteinzeit nachweisen (z. B. bei Polling). Diese Siedlungen ent- christlich/kulturelle als auch die wirtschaftliche Entwicklung des sobrunner Stuckateure und Künstler aus den kleineren Gemeinden standen an Lichtungen in der Nähe der Flüsse und Seen, während Landes eine wichtige Rolle spielten. Zu den frühen Klöstern kamen der Region prägt nicht nur bis heute das Gesicht des barocken Der Mensch verändert die Landschaft die dichten Waldgebiete weniger Menschen zur Ansiedelung ein- später weitere, wie das 1073 gegründete Stift Rottenbuch oder das Pfaffenwinkels, sondern strahlte in die ganze mitteleuropäische luden. Bis heute ist die Ausrichtung der Menschen im Voralpenland erst 1330 von Kaiser Ludwig dem Bayern gegründete Ettal, hinzu. Nachbarschaft aus. Die Klöster wirkten nicht nur in Seelsorge und Durch die massive Begradigung des Ammerlaufs und die Trocken- entlang dieser Flüsse eher nord-südlich als ost-westlich geprägt, Dadurch wurden die Grundlagen für die Kulturlandschaft „Pfaf- Sozialem, sondern auch vorbildlich in der Wirtschaft (Klosterzie- legung vieler Flächen entlang des Flusses, wurden im 19. Jahrhun- und noch heute stellen die Flüsse gewisse sprachlich und kulturelle fenwinkel“ gelegt, das Christentum wurde endgültig die prägende geleien, Brauereien etc.) und der Wissenschaft, man denke nur an dert viele vorher kaum bewirtschaftete Flächen in landwirtschaft- Grenzen in der Bevölkerung dar. Deutlich dichter wurde die Besie- Religion in unserer Heimat. Wegen des deutlichen Bevölkerungs- das meteorologische Observatorium auf dem Hohen Peißenberg, liche Nutzflächen umgewandelt. Trotzdem wirkte sich auch in den delung ab der mittleren Bronzezeit, also ab 1.800 v. Chr. Zahlreiche wachstums ab ca. 1200 n. Chr. mussten neue Siedlungsgebiete das die Augustinerchorherren von Rottenbuch 1781 begründeten. landwirtschaftlich geprägten Dörfern 1914/18 die kriegsbedingte Gräberfelder aus diesen Jahrhunderten beweisen, dass hier schon erschlossen werden, was in mehreren Phasen gezielter Rodungs- Ansonsten blieb das Gebiet eher landwirtschaftlich geprägt, aber Lebensmittelknappheit drastisch aus. Neben den vielen Gefallenen viele kultivierte Menschen lebten. Ein Netz von Handelsrouten für politik und Siedlungsgründungen in den bislang unbewohnten auch die Forstwirtschaft war von Bedeutung. Die vielen Wälder des ersten Weltkrieges waren auch wirtschaftliche Not, Arbeits- Metalle, Salz etc. durchzog das Gebiet bereits, wobei die Ammer Waldgebieten umgesetzt wurde. Davon zeugen noch heute die waren hier Grundlage für den „Holzreichtum“, die Ammer konnte losigkeit und staatliche Zerrüttung zu beklagen. Um die landwirt- und die anderen aus den Alpen kommenden Flüsse nur an wenigen vielen Ortsnamen mit dem Namensbestandteil „-ried“. Nach und für die Trift des Holzes gut genutzt werden und war somit - trotz schaftliche Produktion weiter zu steigern und um Arbeit für die Er- Furten überquert werden konnten. nach konnten sich die Wittelsbacher Herzöge als Landesherren fehlender Schiffbarkeit - bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts werbslosen zu schaffen, wurden entlang der Ammer ab 1920 z. B. in unserer Gegend etablieren, nachdem sie sich gegen die adligen Verkehrsweg. In Weilheim selbst wurde nachweislich 1611 ein so zwischen Weilheim und der Mündung in den Ammersee mehr als Das Alpenvorland wird römisch # Der keltische Konkurrenten durchgesetzt hatten. Ab der Mitte des dreizehnten genannter Trifthof errichtet, wo das aus dem Oberlauf der Ammer zehntausend Tagwerk Moosflächen in Wiesen und Äcker umge- Name Ambra wurde von den Römern übernommen Jahrhunderts wurde nun die Herrschafts- und Verwaltungsstruktur stammende Holz gesammelt und dann weiter auf dem Wasserweg wandelt, der Flusslauf in diesem Abschnitt von 25 auf 13 Kilometer # für das ganze Gebiet systematisch aufgebaut und eine einheitliche nach Norden transportiert wurde. verkürzt und über 100 km Entwässerungsgräben gezogen. Auch im Landgerichtsordnung eingerichtet. Im Ammer-Gebiet entwickelte Gebiet von Ober- und Unterammergau wurde der bis dahin mäan- Als ab 15 v. Chr. römische Truppen das Land nördlich der Alpen sich die Stadt Weilheim zum wirtschaftlichen und verwaltungsmä- Die Ammer war für die Holztrift wichtiger Ver- dernde Fluss begradigt und Moose trocken gelegt, dadurch hat sich eroberten, trafen sie auf eine mehrere Jahrhunderte alte Kultur der ßigen Zentrum, die sonstigen Orte des Gebietes blieben vorwie- kehrsweg bis ins 20. Jahrhundert # die Flusslandschaft in diesen Bereichen stark verändert. Kelten. Sie wurde nun von römischer Besatzung stark überlagert. gend landwirtschaftlich geprägt. Der ungerecht empfundene Ausgang des Kriegs, Inflation und Allerdings blieben die keltischen Namen von Bergen und Flüssen Mit den napoleonischen Kriegen und der Säkularisation kam es Wirtschaftskrise begünstigten den Aufstieg und Erfolg der erhalten, dazu gehört auch der Name „Ambra“ für die Ammer/ Klöster prägen und entwickeln die Region zum völligen Umbruch. Der Wegfall klösterlicher Aufraggeber und NS-Ideologen. Das Dritte Reich und der 2. Weltkrieg beeinfluss- Amper. Die römischen Militärs und in ihrem Umfeld lebende Sied- ein sich Abwenden von der Stilrichtung des Barock/Rokoko be- te auch das ländliche Ammergebiet und kostete unzählige Opfer. ler richteten sich nun für gut 400 Jahre in unserer Gegend ein. Die vielen Klöster des Pfaffenwinkels waren in erster Linie natür- endeten den künstlerischen Hochstand. Mit den Klöstern wurden Ende April 1945 endete hier der Krieg durch die militärische Beset- Sie bauten ab dem ersten nachchristlichen Jahrhundert Straßen lich geistliche Stätten, aber eben auch Zentren für Bildung, Kunst auch Seminare, Lehrstätten und Krankenfürsorge auf dem Land zung, insbesondere durch US-amerikanische Truppen. Richtung Norden, wie die Via Claudia Augusta von Füssen nach und Kultur. Die vielen nahe der Ammer gelegenen Mühlen wurden aufgelöst. Die Stadt Weilheim entwickelte sich zum Behörden- und oder die Via Raetia von Mittenwald über Weilheim nach oft von den Klöstern gebaut und betrieben, waren aber nicht an Schulstandort und zum Zentrum von bürgerlichem Handwerk und Neuanfang nach zwei Weltkriegen Augsburg, und legten Gutshöfe an, wie sie in Resten noch teilwei- der Ammer selbst angesiedelt, sondern an den kleineren Zuflüs- Handel. Die landwirtschaftliche Prägung der vielen kleineren und se nachzuweisen sind. In der Nähe von Raisting, wo sich die Stra- sen. Als Ausbildungsstätten dienten die Klöster der Forschung und größeren Dörfer blieb noch lange Zeit vorherrschend. Nur die Berg- Der Wiederaufbau von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft, die ßen Brenner-Augsburg und Salzburg-Kempten kreuzten, gab es Lehre, als Auftraggeber an die vielen heimischen Künstler halfen werksorte wie Peißenberg nahmen eine andere Entwicklung und Eingliederung von tausenden Heimatvertriebenen und Evakuier- eine wichtige Furt, an der die Ammer überquert werden konnte. sie deren herausragende Entwicklung zu fördern. Gerade die ab ca. wuchsen stärker, dort bildete sich auch eine spezifische Arbeiter- ten erforderte einen gigantischen Einsatz aller Bürger und führte Brücken über die Ammer entstanden erst in der Neuzeit. Als das 1550 entstehende „Weilheimer Schule“ der Bildhauer, Altarbauer schicht heraus, im Gegensatz zum Bürgertum der alten Städte und zwangsläufig dazu, dass die Siedlungen näher an den Ammerlauf römische Weltreich verfiel, zogen sich ab dem letzten Drittel des und Maler wurde weit über die Grenzen des Oberlandes hinaus be- der bäuerlichen Gesellschaft in den Dörfern. Der Kohlebergbau war rückten und weitere Flächen entwässert und kultiviert wurden. fünften Jahrhunderts die römischen Soldaten und Siedler auch aus kannt. Während die Reformationskriege des 16. Jahrhunderts das schon seit dem 16. Jahrhundert betrieben worden, aber erst ab der Daraus folgte aber auch, dass die Ammer und die anderen Fließ- dem Voralpengebiet zurück, weil sie den nach Süden drängenden Gebiet östlich des Lechs kaum berührten, und die bairischen Bau- Mitte des 19. Jahrhunderts wurde er bedeutend und bestand nach gewässer noch anfälliger für Hochwasser wurden und so mussten germanischen Völkern nicht mehr genug militärischen Widerstand ern im Bauernkrieg sogar auf Seiten des bairischen Fürstenhauses seinem Höhepunkt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch in den Jahrzehnten seit Kriegsende stetig Hochwasserschutzmaß- bieten konnten. auf dem Hohenpeißenberg 1525 gegen die revoltierenden schwäbi- bis Ende der 1970er Jahre. Andere Bodenschätze gab es im Am- nahmen ergriffen werden, um Menschen und Siedlungsgebiete zu schen Eindringlinge Widerstand leisteten, wirkte der Dreißigjährige mergebiet kaum in abbaubarer Menge und Qualität, allenfalls Mar- schützen. Auch dies führte zu weiteren Veränderungen am Zustand Baiuvaren und Alemannen besiedeln das Gebiet Krieg (1618-48) in seiner zweiten Hälfte auch hier verheerend. Die mor, Sandstein und Tuff wurden über längere Zeit abgebaut und des Flusses, der nun noch Züge eines Wildflusses im Quellgebiet Klöster legten die Grundlagen für die Kultur- Zerstörungen und Plünderungen sorgten für eine Verarmung und verarbeitet. Die verkehrliche Erschließung durch den Eisenbahnbau und in der Ammerschlucht bis Peißenberg aufzeigt, dann aber sehr landschaft „Pfaffenwinkel“ # Auszehrung der Bevölkerung, das von Pest und Hunger ausgelöste ab den Jahren ab 1865 war von großer wirtschaftlicher Bedeutung stark künstlich geformt und „domestiziert“ bis zur Mündung in den Massensterben führte dazu, dass ganze Dörfer ausstarben. Trotz für die Region. Fremdenverkehr und Tourismus begannen ab der Ammersee auftritt. Nun konnte sich die germanische Bevölkerung ausbreiten und das dieses gewaltigen Einbruchs in der Landesentwicklung erholte sich 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in einigen Orten Fuß zu fassen. Die

42 43 Die Ammer zwischen Zähmung und Befreiung

Der Strukturwandel hat seit Ende des 20. Jahrhunderts die einst Die Echelsbacher Brücke Historischer Abriss Mühlen und Triebwerke bäuerliche Prägung der Dörfer stark verändert, die Technisierung und Digitalisierung der Gesellschaft ist in Stadt und Land gleicher- Die tiefe Ammerschlucht zwischen Bad Bayersoien und Rotten- Die unvorsichtige Bautätigkeit in den letzten Ein anderer Grund, den Fluss zu bedrängen, zu teilen und mit ihm maßen fortgeschritten. Die Schönheit der voralpinen Landschaft, buch stellte Jahrtausende lang eine massive Beeinträchtigung des 50 Jahren hat das Schadenspotenzial ungemein zu kämpfen, waren die Triebwerke und Mühlen. Die Maßnahmen die gute wirtschaftliche Situation, der kulturelle Reichtum und die Verkehrs dar und war ein schwer zu überwindendes Hindernis. angehoben beschränkten sich aber auf den unmittelbaren Bereich. An der Am- weitgehend intakte Sozialstruktur in der Region sind Gründe dafür, Schon in römischer Zeit führte aber hier eine wichtige Straße vor- mer in Rottenbuch besteht die Mühle schon mindestens seit etwa dass die Landschaft entlang der Ammer heute ein beneidenswerter bei, die die reißende Ammer überwinden musste. Lange war diese Hochwässer sind keineswegs eine neuzeitliche Erscheinung, die 1500 und in Weilheim wurde 1695 das Wehr der Ammermühle Lebensraum ist, in dem es sich gut leben und arbeiten lässt. beschwerliche Überquerung ein riskantes Manöver für Fuhrleu- der Mensch durch die Versiegelung der Landschaft oder den Aus- erwähnt. Auf dem Situationsplan aus dem Jahre 1806 kann man die te und Reisende. 1536 einigten sich die Klöster Ettal und Rotten- bau von Gewässern hervorgerufen hat. Sicher haben die Einflüsse Ableitung erkennen und in den Chroniken wird immer wieder die Re- Klaus Gast buch darauf, die Straße durch die Ammerschlucht zu verlegen und des Menschen die Hochwassersituation verschärft, vor allem hat paratur des Wehres nach Hochwasser und Eisgang erwähnt. die Passage zu erleichtern. Allerdings war die Durchquerung der aber seine unvorsichtige Bautätigkeit in den letzten 50 Jahren das Klaus Gast ist Kreisheimatpfleger des Landkreises Weilheim-Schongau. Schlucht auf der steilen und mit engen Kehren gestalteten Straße Schadenspotential ungemein angehoben. An der Schwelle des 19. [email protected] weiterhin gefährlich und der Weg bei schlechtem Wetter oft nicht Jahrhunderts waren die technischen Möglichkeiten soweit ge- passierbar. Ab 1890 plante man eine Brücke, es kam aber immer diehen, dass man sich Gedanken machte, wie man die häufigen wieder zu Verzögerungen. Vor 1914 überlegte man, hier eine 62 Überschwemmungen der Ammer, die immer wieder die Ernte auf Meter hohe Staumauer zu bauen, ein Wasserkraftwerk zur Strom- den fruchtbaren Schwemmlandböden vernichteten, in den Griff be- gewinnung zu installieren und eine Straße auf der Staumauer zu kommen konnte. Damals sah man das Hochwasserereignis vom 13. situieren. Der 1. Weltkrieg ließ diese Träume platzen. Erst 1928/29 September 1899 als bis dahin größten bekannten Abfluss mit 180 wurde tatsächlich die 183 m lange, 76 m hohe Echelsbacher Brücke m³/s an. von der Firma Hochtief AG gebaut. Das damals äußerst moderne technische Bauwerk war eine Meisterleistung der Ingenieurskunst Das Königlich Hydrotechnische Bureau setzte dann schließlich in und kostete rd. 900.000 RM. Die Brücke erleichterte den Verkehr seinem Gutachten aus dem Jahre 1908 den Katastrophenhoch- auf der B 23 erheblich, und derzeit wird das Bauwerk, das übrigens wasserabfluss auf 240 m³/s an - einen Wert, der den Verfassern seit ca. 1950 auch Heimat für eine große Fledermauskolonie ist, schon unwahrscheinlich hoch erschienen ist. Nur ein Jahr später mit großem Aufwand vollständig restauriert. wurden sie eines Besseren belehrt und alle Planungen mussten völ- Situationsplan der Ammer 1806 in Weilheim mit Ausleitung zur Ammermühle lig neu überdacht werden. Das Hochwasser 1910 stellte alle bishe- rigen Überlieferungen in den Schatten. Holztrift

Ein wichtiger Grund für Wasserbaumaßnahmen an der Ammer war die Holztrift. Die Ammer ist für die Floßfahrt nicht geeignet, weil sie keinen ausreichenden Abfluss und zudem starke Kurven und Felshindernisse aufweist. Man konnte deshalb das im Gebirge geschlagene Holz nur Triften. Dabei wurde das Holz insbesondere in Unternogg der Ammer übergeben und 15 bis 20 Mann hatten dann die sehr schwere und gefahrvolle Aufgabe, das Holz zum Zielpunkt zu geleiten.

Hochwasser Weilheim 1910 (Stadtarchiv)

Verklausung (Fuchs) am Kammerl. Foto: Neidhart Echelsbacher Brücke. Foto: L. Tschernek

44 45 Besonders beim Langholz kam es immer wieder zu Verklausungen läufe das Überschwemmungsgebiet von Bauten freizuhalten. Das Im Zuge der Korrektion wurde der Lauf der Ammer nossenschaften in einer Zeit durchführten, in der die Ernährung der Be- (Verstopfungen), dem sogenannten Fuchs. Die eingesetzte Truppe 19. Jahrhundert war allgemein die Blütezeit der Flusskorrektionen. unterhalb von Weilheim von 25 auf 13 km verkürzt völkerung absolute Priorität vor den Belangen des Naturschutzes hatte. musste dann diesen oft haushohen Fuchs unter großen Gefahren Erste Ansätze für Flussbauten finden sich an der Ammer ab etwa lösen und das Holz wieder flott machen. Einfacher hingegen, auch 1850. Damals ging es hauptsächlich darum, die Ufer zu sichern und Wie häufig in der Geschichte des Wasser- und Kulturbaues gaben Neben dem eigentlichen Ausbau der Ammer mussten Stra- bei geringerer Wasserführung, war das Scheitholz zu triften. Ziel in bescheidenem Maße den Lauf des Flusses zu lenken. Insbeson- Not-Zeiten, in unserem Fall die nach dem 1. Weltkrieg, den letzten ßen, Brücken und zahlreiche Seitengewässer angepasst und die der Holztrift war insbesondere Weilheim. Das Holz wurde aber dere musste der Fluss von der Bebauung ferngehalten und in die Anstoß für die Ausführung der Planungen. Im Zuge der Korrekti- Flur neu geordnet werden. Außerdem wurde die Eintiefung des auch regelmäßig weiter die Amper abwärts bis nach Dachau be- Brückenöffnungen geleitet werden. Daneben durften keine Nach- on wurde von 1922 bis 1924 der Lauf der Ammer unterhalb von Flussschlauches nur bis unterhalb Weilheim geführt. Im Orts- fördert. Dazu wurden an der Einmündung der Ammer in den Am- teile für die Holztrift entstehen. Weilheim gestreckt und dabei von 25 km auf rund 13 km verkürzt. bereich blieb es bis zum Weiheimer Ammermühlwehr in etwa mersee riesige Flöße mit Besegelung zusammengebunden. Zu diesem Zweck wurde auch die Mündung der Ammer von der noch bei der natürlichen Höhenlage der Flusssohle. Die Bedei- Ammerkorrektion 1920/24 zwischen Weil- Dießener in die Fischener Bucht verlegt. Das durch die Laufver- chung und die damit verbundene Einengung des Hochwasser- heim und dem Ammersee kürzung gewonnene Gefälle wurde in eine vom See her nach Sü- profiles bewirkte jedoch, dass die Hochwasserstände erheblich den zunehmende Eintiefung des Flussschlauches umgesetzt. Das angehoben wurden. Von den zwei Wehren im südlichen Teil von Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war die Situation im Bereich des Gefälle wurde durch drei Grundwehre gebrochen, von denen das Weilheim, die die Ammer in einer unnatürlichen Höhe fixierten, verlandeten, früher bis Oberhausen reichenden Ammerseebe- unterste noch in der alten Form am längsten erhalten war. Die diente das eine Wehr der Energiegewinnung, das andere war ckens gekennzeichnet durch eine gegenüber den anliegenden Tal- Überschwemmungen sollten durch beidseitige Deiche gänzlich Teil der Trifthofanlagen in Weilheim, wo das auf der Ammer alluvionen vergleichsweise hoch verlaufende Ammer, die dement- verhindert werden. Um dies zu erreichen, wurde der Korrektions- getriftete Holz dem Gewässer entnommen und verwendet oder sprechend häufig ausuferte und große Überschwemmungsflächen planung das Hochwasser von 1910 mit einem Spitzenabfluss von später auf die Eisenbahn umgeschlagen wurde. bildete. Eine geordnete, ertragssichere Land-wirtschaft war nicht 350 m³/s zugrunde gelegt. möglich. Dieser Zustand und zuletzt das Hochwasser von 1899 waren der Anlass für Planungen, die eine Korrektion der Ammer Ausbau der Ammer oberhalb Weilheims im zwischen Weilheim und dem Ammersee und eine Melioration der Jahre 1934 "Sumpf- und Ödländer" im Ammertal auf einer Fläche von rund 3.400 ha zum Ziele hatten. Das Hochwasser 1910 überstieg dann Beim Ausbau der Ammer zwischen Oderding und den bis dahin erwarteten Höchstabfluss beträchtlich und machte Guggenbergschwelle handelte es sich um eine Umplanungen erforderlich. Dann führte wieder der 1. Weltkrieg zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, weniger um einem Aufschub. Hochwasserschutz

Im Rahmen des „Reinhardt-Programmes“ begann man 1934 mit der Ausführung der schon 1924 geplanten Ausbaumaßnahme zwischen Schäre anno 1815. Förderverein Schifffahrtsmuseum Starnberg e.V. Oderding und Guggenbergschwelle.

Diese Schären mit bis zu 200 m Länge und bis zu 3.000 Klaftern, Es handelte sich um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, weni- entsprechend ca. 9.300 Ster Holz Inhalt, wurden bei guten Ver- ger um Hochwasserschutz. Die Prüfbemerkungen zum Entwurf hältnissen über den See gesegelt und notfalls gerudert. Bei Sturm der „Ammerkorrektion“ enthalten schwerste Bedenken gegen konnte eine Schäre durchaus verlorengehen! Die letzte Trift auf das Vorhaben - insbesondere gegen die „großzügig schlanke und der Ammer fand in den 1960er Jahren statt. Seitdem übernehmen übermäßig gestreckte Linienführung“, die man damals wegen der Lastwagen weniger riskant den Transport. Holztrift gewählt hatte. Genauso wurde sehr deutlich Kritik an der Laufkürzung geübt und im Gegensatz zur Strecke Weilheim-Am- Hochwasser 1910 in der Kormannstraße. Foto: T. Wirth mersee wurden hier keine „so gravierenden Hochwasserprobleme“ Laufkorrekturen gesehen, die derart massive Eingriffe erfordert hätten. Die Lösungsansätze für die Korrektion waren von Anfang an nicht ohne Das kurfürstliche Mandat von 1790 sah vor, Probleme und Fehler. Zum Beispiel wurden die aus heutiger Sicht sehr Ausbau der Ammer 1980 / 1989 durch Ausstecken von Leitlinien beidseits der knapp bemessenen Deiche direkt am Ufer, ohne jedes Vorland ange- Flussläufe das Überschwemmungsgebiet von ordnet, um die Landinanspruchnahme gering zu halten. Ein Uferanbruch In der Vorplanungsphase wurden auch die wenigen denkbaren Bauten freizuhalten. musste zwangsläufig direkt zu einem Deichbruch führen. Alternativen zum später ge-wählten Ausbau der Ammer durch Weilheim abgewogen. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht hätte eine An der Ammer hat bis zum 20. Jahrhundert der Wasserbau zum Die zur Entwässerung erwünschte Tieferlegung bedingt natürlich auch, Flutmuldenlösung durchaus Vorteile versprochen. Sie scheiterte Hochwasserschutz noch keine große Rolle gespielt. Der Hochwas- dass man abgeschnittene Flussschleifen nicht ohne einen Aufstau wie- allerdings am höheren Grundbedarf, der vor allem landwirtschaft- serschutz bestand damals in der Hauptsache daraus, gefährdete der an die Ammer anschließen kann. liche Flächen tangiert hätte. Dem konkreten Anlass der Hochwas- Gebiete in der Talaue zu meiden. Das kurfürstliche Mandat "über serfreilegung gemäß stand die Vergrößerung des Abflussvermö- das allgemeine systematische Wasserbauwesen" aus dem Jahre Die Tieferlegung war aber die Voraussetzung für die Entwässerung und gens und die Sanierung der brüchigen, unsicheren Schutzdeiche im 1790 sah vor, durch Ausstecken von Leitlinien beidseits der Fluss- Kultivierung des Weilheimer Mooses, die die sechs Ammermoosge- Vordergrund. Weitere Anliegen bestanden darin, wenigstens einen Teil Ausbauplanung der Ammer 1904 mit Überschwemmungsgrenzen der Hochwässer 1906 (blau) und 1910 (grün)

46 47 der Nachteile der früheren „Korrektion“ für den Naturhaushalt wieder Leider müssen Uferanbrüche im eingedeichten Ammer ist im Oberlauf weitgehend sehr natürlich. Bestes Beispiel Gewässers. Sie muss daher zur Erreichung des guten Zustands auszugleichen und Möglichkeiten für die Naherholung zu verbessern. Stadtbereich unbedingt verhindert werden # eines richtigen Wildflusses ist die Ammerschlucht. Die Neuen Wege wieder hergestellt und langfristig gesichert werden. Im Süden wurde der vom Ammerkraftwerk hoch aufgestaute Fluss wie- an der Ammer wollen in den ausgebauten und begradigten Bereichen der um 2 Meter abgesenkt, und verbreitert, wo es die Platzverhältnisse Leider müssen bei einem Wildfluss, wie ihn die Ammer trotz aller bei Peißenberg, Weilheim und bis zur Mündung in den Ammersee Daher wurden Fischwanderhilfen bereits in den 1980er Jahren an zugelassen haben. Voraussetzung für die geplante Wiederabsenkung Zähmungsversuche immer noch darstellt, Uferanbrüche im einge- die Ammer Stück für Stück wieder in einen naturnäheren Zustand den staatlichen Wehren vorgesehen. Damals war aber noch nicht war die Beseitigung des Ammerkraftwerkes in Weilheim, das sich zu- deichten Stadtbereich unbedingt verhindert werden. Eine massive versetzen. Das damals verfolgte Ziel, Siedlungen vor Hochwasser erforscht, welche Bedingungen an diesen Wanderhilfen vorliegen sammen mit der Eisenbahnbrücke immer wieder als besonders kriti- Böschungssicherung mit Wasserbausteinen war deshalb zwingend zu schützen sowie Flächen zur damals dringend notwendigen Nah- müssen, damit die Fische diese auch annehmen. Leider haben sche Eng- und Schwachstelle im Hochwasserschutz erwiesen hatte. notwendig. Die unregelmäßigen Bruchsteine bilden zahlreiche rungsmittelproduktion zu schaffen, gilt heute nur noch zum Teil. sich alle damals gebauten Wanderhilfen als nicht oder nur bedingt Nachdem der Erwerb des Kraftwerkes noch unter dem Eindruck des Höhlen über und unter Wasser, so dass sowohl Fischunterstände funktionsfähig erwiesen. eben abgelaufenen Hochwassers glückte, konnte 1980 in einem ersten als auch Lebensräume für Reptilien in großem Umfange entstan- Unsere Überflussgesellschaft sollte es sich leisten können, land- Schritt das Bauwerk abgebrochen werden. Durch ein neues Wehr (Au- den sind. Zusammen mit den Querbauwerken, den vielen Buhnen, wirtschaftliche Flächen in Teilbereichen dem Fluss zurück zu geben. Auch für die am Gewässerboden lebenden Wirbellosen wie z.B. wehr) mit fester Krone wurde der vorhandene Sohlsprung um 2 Me- Spornen und Vorlegesteinen am Böschungsfuß trägt diese unre- Weiter Vorrang hat jedoch die Beibehaltung bzw. Verbesserung des Insektenlarven oder Kleinkrebse („Fischnährtiere“) sind Wehre ter auf 2,50 Meter verringert. Nach oben hin fand der Ausbau seinen gelmäßige Ufersicherung sehr zum abwechslungsreichen Gewäs- Hochwasserschutzes für Siedlungsbereiche. Die Wiederherstellung unüberwindbare Hindernisse. Nach neuesten Richtlinien erbaute Abschluss durch ein weiteres Wehr - etwas oberhalb der Stelle, an der serbild bei. des ursprünglichen Laufes ist und bleibt allerdings Utopie. Der Raum Fischwanderhilfen verbessern die Durchgängigkeit auch für diese schon früher ein Ausleitungsbauwerk für die Holztrift gestanden hatte ist durch konkurrierende Nutzung nicht größer geworden. So bleibt Organismen. (Oderdinger Wehr). Im unteren Abschnitt schließlich wurde das Grund- Begleitet wurden die erwähnten technischen Maßnahmen durch oft nur, im bestehenden Raum Verbesserungen herbeizuführen. Die- wehr l neu gebaut. umfangreiche Pflanzungen und die Ansaat besonderer Grasmi- ses Potential wollen die „Neuen Wege an der Ammer“ aktiv nutzen. schungen. Ein wesentlicher Unterschied zur ersten "Korrektion" Dabei suchen wir den Dialog mit Wasserkraftbetreibern, Fischerei- und manch anderem, früheren Gewässerausbau besteht darin, berechtigten, Naturschutzverbänden und Grundeigentümern. dass der Bewuchs bereits in der Planung eine mitentscheidende Rolle gespielt hat und nicht erst nachträglich als grüne Kosmetik auf die fertigen Ufer aufgetragen wurde. So bemühte man sich, vor- handene Bäume zu erhalten, wo sich eine Möglichkeit bot; die dazu teilweise notwendigen Schlenker in der Linienführung nahm man bewusst und gerne in Kauf. Die Deiche wurden erdstatisch über- dimensioniert, damit durch den Gehölzstand kein Sicherheitsrisiko entsteht, und schließlich wurde auch in der hydraulischen Berech- nung berücksichtigt, dass auf den bestockten Flächen nahezu kein Abfluss erfolgt.

Allerdings zeigte das Pfingsthochwasser 1999 überdeutlich auf, dass man die Bestockung keinesfalls sich selbst überlassen darf, sondern in den kritischen Bereichen darauf achten muss, dass hier nur Sträucher wachsen, die sich bei Hochwasser noch in der Strömung umlegen. Recht positiv verlief die Entwicklung des Deichrasens, der mittlerweile viele Pflanzen beherbergt, die aus unserer intensiv genutzten Landschaft heute leider weitgehend Abbruch des Schachenmayerwehrs. Foto: WWA Weilheim verschwunden sind.

Wehr Ammermühle Rottenbuch. Foto: WWA Weilheim Sehr günstig wirkte sich die Tieferlegung der Ammer auch auf den Neubau der Eisenbahnbrücke aus. Die pfeilerlose, elegante Stahl- Ökologische Maßnahmen seit dem bogenbrücke mit 70 Metern Spannweite bannt die Gefahr der Ver- Jahr 2000 Das Wasserwirtschaftsamt Weilheim ist seit Jahren bestrebt, die klausung durch Treibholz wohl auf alle Zeit. Beim Gewässerausbau Durchgängigkeit an der Ammer und an der Ach, und damit die bemühte man sich, die Regelmäßigkeit in der Böschungsneigung, Die „Neuen Wege an der Ammer“ wollen in den wohl einmalige Situation, die Verbindung zweier großer voralpiner beim Uferschutz und in der Linienführung möglichst zu vermeiden. ausgebauten und begradigten Bereichen die Am- Seen durch natürliche Fließgewässer, wiederherzustellen. Ebenso Einzig das hinsichtlich der Stabilität der Sohle aus langjährigen Be- mer Stück für Stück wieder in einen naturnähe- wie die Wiederanbindung der Ammerschlucht an das Flusssystem obachtungen als zweckmäßig erachtete Längsgefälle von 1,75 %o ren Zustand versetzen # Ammer-Ach. wurde durch die Wehre und Schwellen relativ streng vorgegeben. Die Ammer sorgt aber durchaus für örtliche Eintiefungen und Auf- Nachdem der Hochwasserschutz vor allem für die Orte Peißenberg In der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie werden Schutz und landungen; eine allzu große Regelmäßigkeit war also nicht zu be- und Weilheim sicher gestellt worden war, war es auch an der Zeit, Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme als fürchten. ökologische Verbesserungen an der Unteren Ammer herbeizufüh- wichtiges Ziel genannt. Von entscheidender Bedeutung für die Be- ren. Dazu wurden die „Neue Wege an der Ammer“ entwickelt. Die standssituation und ihre Entwicklung ist die Durchgängigkeit eines

48 49 RenaturierungsmaSSnahmen und Wieder- Die Fischaufstiegsanlage in Form eines Beckenpasses am Schnalz- Potenzial sorgt. So bilden sich immer wieder neue Kiesinseln, die zu herstellung der Durchgängigkeit seit 2000 wehr war die erste Anlage nach den neuen Erkenntnissen. Strömungsvielfalt führen, Laichplätze für die typischen Fischarten darstellen und Brutflächen für Vögel wie den Flussuferläufer schaf- Fischaufstiegshilfe Schnalzwehr 2001 fen. Diese Kiesinseln können aber im ausgebauten Abschnitt un- terhalb der Ammerschlucht bei Peißenberg und Weilheim zu einer Restwasser Alte Ammer 2002 Verringerung des Fließquerschnittes führen. Damit steigt die Gefahr, dass bei Hochwasser Deiche überflutet werden. Diesen Wider- Grundwehr II als Sohlrampe 2003 spruch zur Ökologie und natürlichen Dynamik des Flusses versucht das Wasserwirtschaftsamt damit zu lösen, dass nur stellenweise Anbindung Burgleitenbach 2005 und in möglichst geringem Umfang Geschiebe entnommen wird. Ein Geschiebemanagementplan regelt hierbei das Vorgehen. Anbindung Eichhofgraben 2005 Ebenso gehört Totholz zu einem funktionierenden Flusslebensraum. Grunderwerb + Förderung der Auenökologie Daher werden immer wieder Raubäume eingebracht. Diese erhö- in Weilheim 2006 hen die Strömungsvielfalt und schaffen Habitate, auf die die Fische in ihren verschiedenen Lebenszyklen angewiesen sind. Diese Maß- Auenerweiterung/Deichverlegung Fkm 125,1 - 125,5 2008 nahmen fördern die natürliche Reproduktion. Das Auwehr sowie das Grundwehr I wurden mit einer Teilrampe versehen, da dies die jüngs- Grundwehr III nach Umbau. Foto: WWA Weilheim Rückbau von Verbauungen, Fkm 125,7 + 127 2009 ten Wehre und damit noch lange Zeit standsicher sind. Der Wehr- 2 körper wurde auf /3 der Breite nicht verändert. Grunderwerb zur Umsetzung des Auch die Anbindung von Seitengewässern ist für einen funktio- Gewässerentwicklungskonzepts 2009 nierenden Wasserlebensraum von entscheidender Bedeutung. Beckenpass am Schnalzwehr kurz nach der Fertigstellung. Foto: WWA Weilheim Sie dienen als Laichplatz oder als Rückzugsraum bei Hochwasser. Auenaktivierung Obere Au 2010 Daher werden konsequent auch alle Seitengewässer durchgängig Aber auch die Wiederanbindung der Alten Ammer im Jahre 2002 angebunden. Fischaufstieg/Teilrampe Auwehr 2010 ermöglicht allen Wasserlebewesen wieder mehr Lebensraum zu besiedeln. Für die Überleitung musste die Ammer geringfügig auf- Auenerweiterung in Berghof durch Wegeverlegung 2010 gestaut werden. Dies geschieht mittels zweier Buhnen. Diese Kon- Bernhard Müller struktion wurde vor allem deshalb gewählt, weil sie von Wasserle- Fischaufstieg/Teilrampe Grundwehr I 2013 bewesen problemlos passiert werden kann. Um eine ausreichende Bernhard Müller ist Abteilungsleiter für den Landkreis Weilheim-Schongau Frischwasserzufuhr zu gewährleisten, erhält die Alte Ammer rund im Wasserwirtschaftsamt Weilheim. Anbindung Wörtersbach 2014 1 bis 2 m³/s aus der Ammer. Ziel der Maßnahme war die Wie- [email protected] derherstellung eines Fließgewässers, vor allem die Verbesserung Anbindung Brunnenbach 2016 der Durchfluss-, Nährstoff- und Sauerstoffverhältnisse, sowie die Vernetzung mit der Ammer. Es hat sich gezeigt, dass sich die Nähr- Anbindung Burgleitenbach 2016 stoff- und Sauerstoffverhältnisse seit Beginn der Überleitung - wie erwartet - den Bedingungen in der Ammer angleichen. Bei den Fi- Sohlgleite Grundwehr III 2017 schen konnte sehr schnell eine deutliche Zunahme der Artenzahl festgestellt werden. Die strömungsliebenden Arten wie Bachforel- Rott - Renaturierung im Unterlauf 2004 le, Regenbogenforelle, Äsche und Barbe sind selbständig zugewan- Auwehr nach Umbau. Foto: WWA Weilheim dert, sogar der seltene Weißflossengründling konnte erstmals im Rott – Zwei Raue Rampen statt Abstürze 2006 Ammergebiet nachgewiesen werden. Eine ganz neue Bauweise wurde beim Umbau des Grundwehrs Ach - Verbesserung der Durchgängigkeit 2009 Kiesinseln und Totholz gehören zu einem funkti- III verwendet. Hier entstand eine Sohlgleite auf ganzer Gewäs- onierenden Flusslebensraum # serbreite in Form einer Steinschüttrampe. Die Standsicherheit Ach - Grunderwerb zur Umsetzung des des fast 100 Jahre alten Wehrkörpers war nicht mehr gegeben. Gewässerentwicklungskonzepts 2012 Neben der Durchgängigkeit ist eine natürliche Sohle ein wichtiger Im Bereich der linken Seite auf Höhe des Auwaldes wurde der Aspekt bei der Renaturierung von Flüssen. Die Ammer ist geprägt vorhandene Steinverbau entfernt. Dadurch entsteht zudem eine von einem voralpinen Einzugsgebiet. Oberhalb von Peißenberg gibt Verzahnung von Gewässer und Aue, der Auwald wird wieder es in der unverbauten, freien Fließstrecke zahlreiche Anbrüche, die regelmäßig geflutet. Der Altwasserausfluss, und damit der Och- bei Hochwasser große Mengen an Geschiebe mobilisieren. Dies ist senbach, wurde durch einen naturnahen Fischpass an die Ammer ein natürlicher Vorgang, der für Dynamik und hohes ökologisches angebunden.

50 51 Wehre und Wasserkraftwerke an der Ammer

Bis 2000 verhindern an der Ammer 6. von 2015 bis 2017 das Grundwehr III durch Umgestaltung in 2. Das Kraftwerk Kammerl bei Saulgrub 10 Wehre die Durchgängigkeit eine Sohlgleite. Das Wasserkraftwerk Kammerl liegt im Naturschutzgebiet „Am- Im Jahr 2001 begann mit der Errichtung einer Fischwanderhilfe Das Kraftwerk Kammerl wurde durch den Eigentümer, die DB Ener- merschlucht“, nur ein paar hundert Meter oberhalb der Scheibum, am Peitinger Wehr durch das Wasserwirtschaftsamt Weilheim gie GmbH, in Eigenregie durchgängig gestaltet, an den übrigen fünf einer der allerschönsten Stellen der Ammer. Das Kraftwerk und (WWA) die Renaturierung der Ammer. Bis dahin wurden an die- Anlagen wurde die Durchgängigkeit durch das WWA Weilheim die Bahnlinie von Murnau nach Oberammergau wurden von 1897 sem wunderbaren Fluss insgesamt 10 Durchgängigkeits-Hinder- hergestellt. bis 1899 von der Elektrizitätswerke AG Dresden errichtet. Drei nisse in Form von Wehren errichtet. Von der Mündung der Ammer Francis-Turbinen mit einer Leistung von je 280 kW erzeugten den in den Ammersee beginnend: Heute noch nicht durchgängig sind somit nur noch folgende vier Strom. 1904 wurde die Bahnlinie Murnau – Oberammergau zur Wehre: ersten mit Einphasen-Wechselstrom betriebenen Eisenbahn der 1) Das Grundwehr III, errichtet von 1922 bis 1924, Welt. Von da an wurde die gesamte Gegend um Murnau mit Strom 1. das Oderdinger Wehr, versorgt und es hieß, dass „der Strom das Licht in die Ortschaf- 2) das Grundwehr II, errichtet von 1922 bis 1924, 2. das Peißenberger Wehr, ten gebracht“ habe. 1926 übernahmen die Isar-Amper-Werke die Die Ammermühle um 1900 noch als reiner Sägewerksbetrieb. Foto: Gemeindearchiv 3. das Ammermühlwehr bei Rottenbuch und Rottenbuch Stromversorgung der Ortschaften. Der Umbau auf das derzeitige 3) das Grundwehr I, errichtet von 1922 bis 1924, 4. die Ettaler Mühle. Bahnnetz erfolgte von 1951 bis 1953. Seit 1997 ist die DB Energie Das Rottenbucher Ammerwehr ist ein Ausleitungswehr, aus des- GmbH Eigentümerin. Ende der 1970er Jahre erhielt hat das Kam- 4) das Auwehr in Weilheim, errichtet von 1980 bis 1989, Für die Umgestaltung des Oderdinger und des Peißenberger Wehrs sen Staubereich das Wasser über eine ca. 200 m lange Rohrlei- merl den Status „Technisches Denkmal“. liegen beim WWA bereits Planungen vor, mit der Realisierung tung mit 5,90 m Gefälle dem Wasserkraftwerk zugeführt wird. Die 5) das Oderdinger Wehr, errichtet von 1980 bis 1989, dürfte innerhalb der nächsten paar Jahre gerechnet werden. Wiedereinleitung in die Ammer erfolgt etwa bei Fluss-km 158,35. Um das beträchtliche Nutzgefälle von 24 m zu erreichen (18 m Die Rohrleitung schneidet einen ca. 600 m langen Bogen des Mut- vom Einlaufbauwerk bis zur Turbine + 6 m von der Turbine bis zum 6) das Peißenberger Wehr (auch PKG-Wehr genannt), terbetts der Ammer ab. Unerklärlicherweise gibt es für den Kraft- Auslaufkanal), musste 1,75 km flussaufwärts des Kraftwerks ein errichtet im Jahr 1933, Die drei bestehenden Wasserkraftwerke werksbetreiber bis heute keine Verpflichtung zu einer Restwasse- Ausleitungsbauwerk errichtet werden, das die Ammer absperrt an der Ammer rabgabe. Er gibt jedoch auf freiwilliger Basis ca. 300 l/s ab, womit und aufstaut. Aus diesem Stau darf der Betreiber maximal 6 m3/s 7) das Rottenbucher Wehr, errichtet ca. 1500, die im Wehr befindliche Kanurutsche ausreichend mit Wasser entnehmen, was in etwa der normalen Wasserführung der Ammer 1. Ammermühle Rottenbuch versorgt wird. Den Fischen in der Restwasserstrecke im Mutter- entspricht. Die längste Zeit des Jahres wird die Ammer so gut wie 8) das Peitinger Wehr (im Volksmund stets als Schnalzwehr bett unterhalb des Wehrs nützen diese 300 l/s nichts, da keine Fi- komplett dem Kraftwerk zugeführt. Der Ableitungskanal läuft zu- bezeichnet), errichtet im Jahr 1963, nachdem durch Das Augustiner-Chorherrenstift Rottenbuch erbaute die Ammer- schwanderhilfe existiert. Somit ist die Funktionsfähigkeit der Aus- nächst in einem offenen, betonierten Gerinne, dann über eine län- die Rutschung einer Abraumhalde im Jahr 1962 die Ammer mühle am tiefsten Punkt der Ammerschlucht, an der Verbindungs- leitungsstrecke als Lebensraum für Fische deutlich reduziert. Der gere Strecke durch einen Stollen. Anschließend überquert er auf verschüttet und in ein neues Bett gezwungen wurde, straße zwischen Rottenbuch und Böbing unmittelbar östlich der Höhenunterschied beträgt bei durchschnittlicher Wasserführung einer 81 m langen Stahlbrücke die Halbammer und erreicht sodann Ammerbrücke. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Am- ca. 2,60 m. das Einlaufbauwerk des Kraftwerks. Die Halbammer mündet etwa 9) das Kraftwerk Kammerl bei Saulgrub, errichtet von 1897 mermühle um 1500 entstanden ist. Angetrieben wurden Mühle 50 m flussabwärts des Aquädukts in die Restwasserstrecke der bis 1900 und und Säge durch Wasserräder. Ein Jahr nach der Säkularisation im Das Rottenbucher Ammerwehr ist für die Fische der Ammer ganz Ammer. Jahr 1803 verkaufte der bayerische Staat die verbliebenen Kloster- besonders nachteilig, da es die Äschenregion unterhalb des Wehrs 10)die Ettaler Mühle, errichtet ca. 1700. gebäude einschließlich der Ammermühle. 1966 kaufte das „Evan- von der oberhalb des Wehrs beginnenden Forellenregion trennt. gelische Stift Collegium Augustinum“, München, das Anwesen Damit wird der fischökologisch besonders wichtige Populations- An dreien dieser 10 Wehre wird durch Wasserkraftwerke elektri- Ammermühle. austausch zwischen diesen beiden Abschnitten vollständig ver- sche Energie erzeugt: Am Rottenbucher Wehr durch die sog. Am- hindert. Deshalb kommt dem Rottenbucher Wehr bei der Wieder- mermühle, am Kammerl und an der Ettaler Mühle. Die Sägmühle wurde abgebrochen, das letzte Wasserrad war zu herstellung der Durchgängigkeit der Ammer eine Schlüsselstellung dieser Zeit bereits nicht mehr vorhanden. 1967 begann das Col- zu. Dies aber auch noch aus einem anderen Grund: Innerhalb der Von den übrigen sieben Anlagen wurden seit der Jahrtausend- legium Augustinum (ohne wasserrechtliche Genehmigung!) mit nächsten paar Jahre werden die beiden derzeit (2017) noch nicht wende folgende Wehre bereits durchgängig gestaltet: dem Umbau des Einlaufbauwerks, verlegte die unterirdische Trieb- durchgängigen Ammerwehre in Oderding und Peißenberg mit gro- wasserrohrleitung, errichtete an deren Ende das Turbinenhaus mit ßer Wahrscheinlichkeit umgebaut und durchgängig gestaltet, wo- 1. von 2000 bis 2001 das Peitinger Wehr durch eine Fischwanderhilfe, stromerzeugender Turbine. Das Wasserwirtschaftsamt Weilheim mit – falls in diesem Zeitraum auch der Umbau des Rottenbucher schrieb ausdrücklich die Beibehaltung der bisherigen Stauhöhe vor. Wehrs erfolgen sollte – die Ammer vom Ammersee flussaufwärts 2. in den Jahren 2002 bis 2003 das Grundwehr II durch 1970 wurde durch das Landratsamt Schongau der nachträgliche bis nach Oberammergau durchgängig wäre. Umgestaltung in eine Sohlrampe, Bescheid zu diesen Baumaßnahmen erlassen. Seit 1993 besitzt die Emmer GbR mit Sitz in Garmisch-Partenkirchen das Kraftwerk. Der Schaden, den das Rottenbucher Ammerwehr seit mittlerweile 3. von 2009 bis 2010 das Auwehr durch eine Teilrampe, mehr als 500 Jahren an den Fischbeständen der Ammer verur- sacht hat, kann nicht beziffert werden, aber er ist allein aus ökolo- 4. von 2011 bis 2013 das Grundwehr I durch eine Teilrampe, gischer Sicht auf jeden Fall unermesslich!

5. 2012 - 2016 das Kraftwerk Kammerl durch eine Fischwanderhilfe Das Rottenbucher Ammerwehr bei normaler Wasserführung: Ein Rinnsal über die Kanurut- sche ist alles, was der Kraftwerksbetreiber dem Flussbett der Ammer zubilligt. Foto: Strobl

52 53 Von da an lief dann kein Liter Wasser mehr in die Restwasserstrecke Triebwerksanlage aufgestaut wird. Das Unterwasser wird ebenfalls unterhalb des Ausleitungsbauwerks bzw. des Wehrs, wodurch sie in einem künstlich geschaffenen Kanal von ca. 1,5 km abgeleitet zwangsläufig ökologisch völlig entwertet wurde und biologisch verarm- und mündet als „Mühlbach“ bei Oberammergau in die Ammer. Bis te. Nachdem diese Situation in der Folgezeit zu mehreren Fischsterben 1906 wurde die Stau- und Triebwerksanlage nur von einem Was- geführt hatte, hat sich die Deutsche Bundesbahn im Jahr 1961 vertrag- serrad angetrieben. Im Zuge einer Umbaumaßnahme in diesem lich verpflichtet, daß zwischen der Schützenunterkante und der Schüt- Jahr wurde das alte Wasserrad ausgebaut und durch ein neues mit zenschwelle .... ständig ein kleiner Spalt offen bleibt, durch den .... 25 l/s 6,50 m Durchmesser und 1,60 m Breite ersetzt, zusätzlich wurde durchfließen können. Da aber diese Verpflichtung offenbar von allen Be- eine Francis-Turbine eingebaut. Die Differenz zwischen Ober- und teiligten vergessen wurde, wird die Restwasserstrecke schon seit vielen Unterwasser betrug damals 2,50 m. Jahren nur mit der aus Undichtheiten der Staumauer und insbesondere der Wehrklappe resultierenden Wassermenge von wenigen Litern pro 1958 wurden die Anlagen grundlegend erneuert. Die Dämme der Sekunde dotiert. Stauanlage im Oberwasser wurden erhöht, damit vergrößerte sich der Stauraum auf 1,6 ha Fläche und 4.000 m3 Fassungsvermögen. Lediglich die ca. 500 m unterhalb des Ausleitungsbauwerks einmün- Gleichzeitig wurde das Unterwasser tiefer gelegt und die Nutz- dende Halbammer erhöht die Wasserführung der Restwasserstrecke fallhöhe damit auf 3,80 m erhöht. Die Nutzwassermenge wurde geringfügig. Das Ausleitungsbauwerk stellt somit eine Barriere in der dadurch bei Volllast auf 3 m3/s gesteigert. Eine Kaplan-Turbine Ammer dar, die sogar im Fall einer ausreichenden Wasserversorgung mit einem maximalen Wasserverbrauch von 2,53 m3/s und einer der Restwasserstrecke keinen Fischaufstieg in das Oberwasser ermögli- maximalen Leistung von 89 PS bzw. 81 kW ersetzte das Was- Unten Brücke über die Ammer und Kraftwerksgebäude, links die Restwasserstrecke der Am- Ausleitungswehr des Kammerl-Kraftwerks. mer, rechts der Triebwerkskanal, oben rechts das Aquädukt über die Halbammer, links unmit- chen würde, denn dazu wäre eine das Ausleitungsbauwerk umgehende serrad und die Francis-Turbine. Die Anlage produzierte bis in die telbar daneben die Einmündung der Halbammer in die Restwasserstrecke. Archiv K. H. Stoll Fischaufstiegshilfe erforderlich. Die die Turbinen des Kammerl-Kraft- 1990er Jahre die elektrische Energie nur für den Eigenbedarf der werks antreibende Wassermenge fließt anschließend über einen Aus- Abtei und für das Sägewerk Ettaler Mühle, später auch noch für laufkanal ab und vereinigt sich 120 m unterhalb des Kraftwerks bzw. unmittelbar vor der Scheibum wieder mit der Restwasserstrecke und macht damit die Ammer wieder komplett. Wasser, das für die Turbine nicht benötigt wird, läuft dagegen vom Einlaufbauwerk direkt über den als „Betonkanal“ bezeichneten offenen Leerschuss ab.

Die Herstellung der Durchgängigkeit am Kraftwerk Kammerl von September 2012 bis Mai 2016

Da die modernen Triebwagen einen ständig größer werdenden Strombedarf haben, reichte die im Kammerl erzeugte elektrische Leistung schon lange nicht mehr aus, weshalb die DB Energie GmbH, ein neues Turbinenhaus errichtete. Die einzige Turbine lie- fert eine Leistung von 1,2 MW. Der Strom wird in das Netz der Bay- ernwerk AG eingespeist. Parallel dazu wurde eine Fischwanderhilfe gebaut, die die Restwasserstrecke mit der Ammer verbindet. Einmündung der Fischwanderhilfe in die Restwasserstrecke unterhalb des Wehrs Das Aquädukt des Triebwerkskanals über die Halbammer. Archiv K. H. Stoll (Foto: A. Rempe).

Postkarte „Ettaler Mühle“ um 1930 (Gemeindearchiv Oberammergau) Auf Grund einer entsprechenden Auflage hatte der Betreiber des Kraft- 3. Die Ettaler Mühle werks, die damalige Deutsche Bundesbahn (DBB) im Ausleitungsbau- die Laber-Bergbahn in Oberammergau. Aufgrund des am 1.4.2000 werk eine „Fischleiter anzubringen“, was er auch tat und damit gleich- Die Ettaler Mühle liegt am Ettaler Mühlbach zwischen Oberam- in Kraft getretenen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wurde zeitig eine halbwegs ausreichende Restwassermenge in das durch den mergau und Ettal. Nach der Chronik von Pater Laurentius Koch ist auf die Einspeisung ins Netz umgestellt. Die Ettaler Mühle erzeugt Kanal umgangene eigentliche Flussbett, die sogenannte Restwasser- die Mühle in den Jahren 1700 – 1701 von Grund auf neu erbaut heute ca. 350 MWh im Jahr, was in etwa dem Strombedarf von 92 strecke, ableitete. Allerdings ließ er die Fischtreppe nach und nach ver- worden. Sie wurde ausschließlich als Mahlmühle betrieben, Mit- Haushalten entspricht. fallen und als 1958 die Stauanlage zum ersten Mal umgebaut werden te der 1890er Jahre kam ihr Betrieb zum Erliegen. Angetrieben sollte, haben die DBB und der Freistaat Bayern, dieser als Inhaber des wird die Ettaler Mühle seit ihrer Errichtung durch die Kleine und Vor der Errichtung der Ettaler Mühle waren die Nebenbäche der Fischereirechts, im Jahr 1957 das „Übereinkommen“ getroffen, den z. Zt. die Große Ammer. Diese beiden Bäche führen dem Triebwerk Ammer, die dann den Ettaler Mühlbach bildeten, ein wichtiges verfallenen Fischpaß aufzulassen und durch einen massiven Wehrkör- die erforderliche Wassermenge über einen hierzu geschaffenen Laichgebiet für die Bachforelle. Das Landratsamt Garmisch-Par- per zu ersetzen. Gleichzeitig hat sich die DBB bereit erklärt, ersatzweise Oberwasserkanal von ca. 1,4 km Länge zu, der am Einlauf in die tenkirchen verlangte bereits im Genehmigungsbescheid für die jährlich 500 Bachforellensetzlinge in das Oberwasser einzusetzen. 1958er Baumaßnahmen vom Kloster als dem Betreiber, dass dem

Unterwasser des Ausleitungsbauwerks. Mangels Restwasser stehendes, fauliges Wasser mit stinkendem Algenteppich

54 55 Fischereirechtsinhaber alljährlich eine gewisse Menge von Bachfo- wurde dabei auf das Naturschutzgebiet Ammergebirge und auf korrekt. Dennoch: Die Ammer-Loisach-Energie – zu 90 % mit öf- rellen-Setzlingen zu liefern sei. Diese Verpflichtung besteht auch das FFH-Gebiet Ammer vom Alpenrand bis zum Ammersee ver- fentlichen Geldern finanziert – will wie ein Unternehmen behandelt heute noch unverändert! Dieser Fischbesatz ist der Ersatz für das wiesen; die Halbammer liegt innerhalb der beiden Schutzgebiete. werden. Dann sollte sie auch wie ein solches handeln. Seriös. Und verlorengegangene Laichgebiet im Oberwasser, für das ebenfalls nicht in einem Gemeinderat die Werbetrommel rühren. verloren gegangene dortige Nahrungsangebot, für die daraus re- Offenbar hat sich der Antragsteller dann zurückgezogen. Dafür sultierende Minderung des Zuwachses der Fische und schließlich trat aber im März 2014 ein neuer Interessent auf den Plan: Die Obwohl dem Bewerber in den Jahren seit dem ersten Antrag schon auch für die Beeinträchtigung des Laichgeschäfts. Ammer-Loisach-Energie, kurz „ALOIS“ mit ihrem Geschäftsfüh- von mehreren Fachbehörden empfohlen worden ist, die Bemühun- rer, dem Oberammergauer Bürgermeister Arno Nunn. Auch hier gen wegen Chancenlosigkeit zu beenden, stellt er immer wieder Die Ettaler Mühle hat als Barriere für die Fischwanderung bei wei- wurde wieder mit hehren Zielen geworben, unter anderem damit, neue Anträge. Der letzte ist erst vor wenigen Wochen bekannt ge- tem nicht das Schadenpotential des Wasserkraftwerks Ammer- dass eine Wertschöpfung für die Region erzielt werden soll. Hinter worden. Die Planungen sind gegenüber den vorherigen stark ge- mühle bei Rottenbuch, da es für die aus dem Ammersee flussauf- ALOIS steckt ein Verbund der Gemeinden Oberammergau, Ettal, ändert worden, insbesondere soll die Halbammer in den Genuss wärts wandernden Fischarten keine allzu große Bedeutung mehr Unterammergau, Bad Kohlgrub, Saulgrub, Bad Bayersoien, Oberau, mehrerer „Wohltaten“ kommen: Das Triebwasserrohr soll nicht hat und praktisch nur noch für die Bachforelle relevant ist. Bis zur Eschenlohe, Grainau und das Unternehmen Energie Südbayern mehr unterirdisch, sondern offen verlegt werden und im Fall der Errichtung der Ettaler Mühle waren die Quellbäche der Ammer ein (ESB). Jeder dieser 10 Gesellschafter hält einen Anteil von 10 % Genehmigung will der Betreiber an zwei höheren und deshalb für ausgezeichnetes Laichgebiet für diese Fischart. und hat zur Anschubfinanzierung jeweils 25.000 Euro einbezahlt. Fische problematischen Kaskaden je eine Fischwanderhilfe errich- Im Zeitungsbericht wird der 1.000ste Kunde vorgestellt und man ten. Man kann nur hoffen, dass das Projekt sowohl von den Fach- will jetzt fleißig weiter werben. leuten als auch von der Genehmigungsbehörde, dem Landratsamt Penetrante Bemühungen um die Errichtung Garmisch-Partenkirchen, weiterhin abgelehnt wird. Die Halbammer: Man stelle sich an diesem Bächlein ein Kraftwerk vor! Foto: R. Heinrich eines Wasserkraftwerks an der Halbammer Schon am 30. Juli 2014 erschien der nächste Zeitungsbericht über ALOIS. Wieder wurde vom umweltfreundlichem Ökostrom aus Armin Rempe Seit 2011 bemüht sich ein Konsortium wiederholt um die Errich- Wasserkraft geschrieben, von dem man aber nicht die ausreichen- tung eines Kleinwasserkraftwerks an der Halbammer. Wie bei de Menge hat. Deshalb können zwar die Privatkunden zu 100 % Armin Rempe war 34 Jahre lang Vorsitzender der Anglergemeinschaft solchen Projekten üblich wird von der Erzeugung „Grüner Energie“ Ökostrom beziehen, die Geschäfts- und Firmenkunden jedoch nur Lech-Ammer e.V. und ist seitdem ihr Ehrenvorsitzender. Er ist aktives Mit- gesprochen und damit geworben. 700 Haushalte könne man mit zu 20 %. Der große Rest bezieht einen Mix aus Öko- und (güns- glied der Ammer-Allianz. Strom versorgen, heißt es. Auf 1.150 m Länge mit einem Höhen- tigerem) Graustrom (Kernkraft, Kohle). Auch fast die Hälfte der [email protected] unterschied von 35 m sollen Rohre mit 1 m Durchmesser unter- Gemeinden bezieht diesen Energie-Mix. Und am Ende des Artikels irdisch verlegt werden. Und „im Idealfall“ sollen aus der Halbam- wird noch berichtet, man hätte bereits konkretere Planungen für mer für das Kraftwerk 1,7 m3/s ausgeleitet werden, trotzdem soll eventuelle Standorte von eigenen Wasserkraftwerken, insbesonde- aber auch noch ausreichend Wasser in der Halbammer bleiben, re an der Halbammer, aber auch im Raum Eschenlohe und Grainau. denn wir wollen ja nicht, dass ein trockenes Bachbett bleibt, so der Nur eineinhalb Monate später, am 15. September 2014, erschien Saulgruber Bürgermeister Speer, der das Vorhaben unterstützte wieder ein Zeitungsartikel. Die Ammer-Loisach-Energie ALOIS in- und auch 2017 noch unterstützt. Offenbar war es dem Investor, formierte mit diesem den Bad Kohlgruber Gemeinderat. Allerdings der Firma Joko Wasserkraft GmbH u. Co. KG nicht bekannt, dass schrieb der Zeitungsredakteur, die Informationen waren eher dünn, die Halbammer jedes Jahr Niedrigwasserzeiten hat, in denen das einen Einblick in die Zahlen gab es nicht. Dafür wurde das Forum Wasser fast steht und nicht ein Liter entnommen werden könnte ganz offen für Werbezwecke genutzt. Immerhin gab man bekannt, und schon gar nicht 1.700 Liter in der Sekunde. Die amtlichen Zah- dass man mittlerweile 1.222 Kunden im Landkreis hätte, davon 903 len zum Abfluss der Halbammer in Unternogg zeigen, dass dort im private und 293 geschäftliche Abnehmer sowie 26 Firmen. Dann Durchschnitt der Jahre von 1975 bis 2012 ein Abfluss (MQ) von wurde unverhohlen Werbung betrieben und allein drei Mal wurde 1,64 m3/s besteht. Man beachte: Das ist weniger, als die Firma Joko bekannt gegeben, dass man Stromverträge dabei habe. Als aber ganzjährig jeden Tag entnehmen will! Und außerdem muss von den einer der Gemeinderäte nach dem Geschäftsbericht fragte, war es 1,64 m3/s ein gewisses Mindest-Restwasser ständig im Fluss blei- vorbei mit den Informationen. Den habe man nicht dabei, hieß es. ben. Wie viel das tatsächlich ist, muss nach dem aktuellen amtli- Auch gäbe es noch keine Zahlen und die Bilanz für 2013 sei nicht chen „Restwasserleitfaden“ berechnet werden. Bereits eineinhalb veröffentlicht worden, dazu sei man laut GmbH-Recht nicht ver- Jahre vor der Werbung in der Presse gab es einen behördlichen pflichtet. Aber gesagt worden ist immerhin, dass die Anfangsver- Ortstermin, dessen Ergebnis in einem Protokoll vom 14. Juni 2010 luste 2013 wesentlich geringer ausgefallen seien als geplant und niedergelegt worden ist. Darin heißt es seitens der Fischereifach- bis zum Jahresende könne sogar eine schwarze Null in der Bilanz beratung des Bezirks Oberbayern: Das Vorhaben ist aus fischer- stehen. Außerdem hieß es schließlich noch: Wenn Kommunen zu eifachlicher Sicht strikt abzulehnen! Das Vorhaben ist aber nicht Gesellschaftern einer GmbH werden, sind sie nicht mehr zu Aus- nur von der Fischerei, sondern von allen Fachbehörden einhellig künften verpflichtet. Darauf der Kommentar des Redakteurs: Die abgelehnt worden! Auch der Landesfischereiverband Bayern e.V. Bürger bezahlen zwar alle Aktivitäten mit ihren Steuergeldern, er- hat als Verwalter staatlicher Fischereirechte das Vorhaben strikt fahren aber nur noch das, was die Gesellschafter wollen. Transpa- abgelehnt und die Ablehnung präzise begründet. Unter anderem renz sieht anders aus. Dies kann man kritisieren, ist rechtlich aber

56 57 Der Wald in der Ammerschlucht

Es mag seltsam anmuten, einen Artikel über die Ammer mit dem Im Flachlandteil des Forstbetriebs Oberammergau (Peiting, Böbing) chen, in denen Lebensräume seltener Arten erhalten bleiben und Bezug zu einem Kloster zu beginnen, aber für den Wald an der sind dies etwa 318 ha und damit gut 8 % Prozent der Revierfläche. sich weiter entwickeln können. Hierunter fallen Häufungen von Ammer ist dies doch naheliegend. Ich spreche vom Kloster Rot- Im Hochgebirgsteil wird eine Fläche von etwa 2000 ha Klasse-I Schwarzspechthöhlen in Buchenwäldern, auch Quellen im Wald, tenbuch. Betrachtet man sich den Namen etwas näher, fällt auf, nicht mehr bewirtschaftet. Viele Wälder in der Ammerschlucht Schneeheide-Kiefernwälder, Moorwälder und ähnliches mehr. Durch dass er klar auf die im Ammertal ehemals meist vertretene Bau- fallen unter diesen Schutz. Zu nennen sind hier die Schluchtwäl- die Ausweisung solcher „Trittsteine“ wird gewissermaßen ein Netz mart und ihre Waldgesellschaften hinweist: Rottenbuch kann auch der an der Scheibum, der Bergmischwald an den Schleierfällen und über unseren Wirtschaftswald gelegt, um so dem Waldnaturschutz als Rote Buche, als Rotbuche verstanden werden. Somit waren die ganz besonders die Buchenwälder oberhalb der Schnalz. In diesen im Sinne eines integralen forstlichen Ansatzes Rechnung zu tragen. ursprünglichen Wälder in der Ammerschlucht Buchenwälder. Und Wäldern werden höchstens noch die vom Borkenkäfer befallenen es gibt sie noch! Fichten entrindet, jedoch ungenutzt liegen gelassen. Dadurch wird Zurzeit sind wir im Hotspot-Projekt „Alpenflusslandschaften“ mit der Anteil an Totholz weiter erhöht. dem LBV, dem WWF, dem BN, dem Landesfischereiverband, dem Trotz der von Natur aus nennenswerten Anteile Wasserwirtschaftsamt u.a.m. dabei, die Ammer im Bereich der von Tanne und Fichte, spielt die Buche die wich- Der Fluss greift die Ufer an und reißt auch Bäume Schnalz wieder in ihr altes Bett zu lassen. Anfang der sechziger Jahre tigste Rolle in den Waldgesellschaften der mit sich fort verengte dort ein Rutsch aus Abraummaterial des Bergbaus in Pei- Ammerschlucht # ting die Ammer. Damit der Fluss sich nicht weiter eintiefen kann, Die Bayerischen Staatsforsten sehen es als freiwillige Leistung für wurde das Schnalzwehr gebaut. Der Fluss schnitt nach der Eiszeit ein Kerbtal in die Sedimente der den Naturschutz an, diese Flächen dem Fluss zu überlassen. Auf Alpenauffaltung. Diese Schlucht stellt die Verbindung her zwischen diese Weise haben wir bereits über siebzig Hektar an den Fluss Nun soll der Ammer aber wieder Raum gegeben den Lebensräumen des Gebirges und des Vorlandes. Finden wir auch „verloren“. Dadurch ist auch der Fluss reich an Totholz und Struktur, werden, so dass sie in ihr altes, weit gespann- Das Kleeblättrige Schaumkraut Nadelhölzer in der Ammerschlucht, so handelt es sich dabei auf über- was den Lebensraum Fließgewässer vielgestaltiger werden lässt. tes Bett zurück kann. Ein naturnaher Fluss lebt wiegender Fläche um Buchenwälder auf nährstoffreichen, kalkhalti- Das danken unter anderem auch die Fischarten, die hier leben. Die von der Dynamik und Kraft des Wassers.# gen und frischen Böden. Damit bewegen wir uns im Carbonat-Berg- die Waldhänge meist unmittelbar bis zum Fluss hinabsteigen. Trotzdem Ammer ist in der Schlucht so gut wie unverbaut. mischwald (Aposerido foetidae-Fagetum), wie er in unterschiedlichen findet sich am Hangfuß reichlich die Esche, als wäre dort die Harthol- Damit entstehen neue Kiesflächen, Altwasser und Weidenge- Ausprägungen im Ammergebirge bis zu den Ammerquellen vor- zaue mit dem Buchenwald verwoben. Erst wenn das Tal sich weitet, Im Naturwaldreservat entwickelt sich der Wald büsche auf einer Fläche von rund 22 Hektar, die den Lebensraum kommt. Das im Frühjahr regelmäßig in der Ammerschlucht bei Böbing also ab dem Kalkofensteg oder auch bei Altenau, finden sich auf den Schritt für Schritt zu Urwald # Ammerschlucht weiter aufwerten. zu findende, weiß blühende Kleeblättrige Schaumkraut verweist auf Kiesbänken Grauerlenwälder und die übliche Zonierung der Weichhol- die gleichnamige Gruppe im System der Buchenwälder. Südseitig tref- zaue vom Weiden- und Grauerlengebüsch (Alno-Padion, Alnion incanae, Entlang des Wanderweges von Rottenbuch nach Peiting wurde Darüber hinaus arbeiten wir gemeinsam an der Wiederansiedlung fen wir mitunter auch auf Mitteleuropäische Orchideen-Kalk-Buchen- Salicion albae) direkt am Wasser bis zur flussferneren Hartholzaue mit 2017 nach unseren Vorschlägen ein etwa achtzig Hektar großes der Deutschen Tamariske auf den Kiesbänken der Ammer. Diese wälder (Cephalanthero-Fagion). In besonders steilen Lagen, auf denen Esche und Bergahorn. Naturwaldreservat ausgewiesen, in dem es keine Nutzungen mehr seltene Strauchart, die in großer Nähe zum Flussufer vorkommt es zu starker Erosion kommt, finden wir in den lichteren und doch luft- gibt. Hier entwickelt sich von nun an der Wald ohne Einfluss des und häufig von Hochwasser überspült wird, ist im Verschwinden feuchten Wäldern neben der Buche zunehmend Bergulme, Bergahorn, Die Bayerischen Staatsforsten haben sich ent- Menschen und wird somit Schritt für Schritt zu Urwald. Die Flä- begriffen. Wir beteiligen uns an der Stärkung der Population. Fichte und Tanne, aber auch die Mehlbeere und die Eibe. Diese Wäl- schlossen, alte und seltene Waldbestände chen dienen zudem der Erforschung der natürlichen Walddynamik. der werden als Schluchtwälder (Tilio-Acerion) bezeichnet. Am Fluss (sog. Klasse I-Wälder) gänzlich aus der Nut- Darüber hinaus haben wir ein „Trittsteinkonzept“ initiiert. Dabei Mit Seilbahnen bringen wir das Holz zu Tal, selbst treten im Bereich der Schlucht nicht zwingend Auwälder auf, da zung zu nehmen handelt es sich um naturschutzfachlich besonders wertvolle Flä- ohne die Hänge zu befahren #

Buchenwald dominiert im Revier Böbing. Alle Fotos: H.P. Schöler Waldbild in der Ammerschlucht Weichholzaue in der Schnalz Der urige Wald an der Schönbergleite

58 59 Wie geht es der Landwirtschaft an der Ammer?

Früher wurde Holz flussnah eingeschlagen und nach Weilheim getrif- Flussuferläufer, Uhu, Biber, alle Spechtarten (ausgenommen der Drei- Seit Generationen wirtschaften die Land- und Forstwirte an der Ammer Kulturlandschaft mit ihren vielfältigen und artenreichen Gesellschaften tet, der Fluss trug also das Holz auf seinem Weg nach Weilheim zehenspecht), Eisvogel, Wasseramsel, Huchen, Frauenschuh, Gelb- und haben so diesen Kultur-, Lebens- und Landschaftsraum mit ge- und Strukturen. Streuwiesennutzung verhindert eine voranschreitende mit, von wo aus es häufig zum Ammersee geflößt wurde. Hierfür bauchunke, Deutsche Tamariske, der hin und wieder über dem Tal schaffen und gestaltet. Umso erstaunlicher mag die Frage erscheinen Sukzession und erhält offene Landschaften, die ohne diese Nutzung in eignete sich nur die leichte Fichte, weswegen wir in der Schlucht kreisende Steinadler und viele andere Arten weisen auf die Vielfalt und „Wie geht es der Landwirtschaft an der Ammer?“ Wie ist dies zu sehen? kürzester Zeit verbuschen und weiter zuwachsen würden. Hier erweist ufernah immer wieder Fichtenbestände antreffen. Auch der Trift- Natürlichkeit dieser vom Wald eingefassten, schönen Landschaft hin. sich die Landwirtschaft als moderner und zuverlässiger Partner von kanal am Kalkofensteg erinnert an diese Zeit. Von dem Ursprung der Ammer im Ammergebirge im Landkreis Gar- Umwelt- und Naturschutz. 2013 wurde für die bayerische Landwirt- Hans Peter Schöler misch-Partenkirchen bis zur Mündung der Ammer in den Ammersee schaft und speziell auch für die Landkreise Weilheim-Schongau, Gar- Die Waldbewirtschaftung ist heutzutage stark mechanisiert, aber im Landkreis Weilheim-Schongau durchzieht der Fluss zwei Landkreise misch-Partenkirchen und Starnberg ein Kurzfilm mit dem Titel „Land- es hat sich vieles zum Guten verändert: Mit Seilbahnen bringen wir Hans Peter Schöler leitet das Revier Böbing des Forstbetriebs Oberammergau mit einer unterschiedlich ausgeprägten Landwirtschaftsstruktur. Mit wirt-schaf(f)t Heimat“ gedreht, um die heutige Landwirtschaft mit ihren das Holz zu Tal, ohne die Hänge zu befahren, die Maschinen sind der Bayerischen Staatsforsten, AöR. beengten Tallagen und den alpinen Bereichen mit der Almwirtschaft vielgestaltigen Ausformungen zu zeigen. Dabei sind der Naturschutz leichter geworden, wir schlagen keine Wälder kahl und, wer hier [email protected] im Süden treffen wir im Norden sehr ertragsreiche landwirtschaftli- und die Naturpflege durch die Landwirtschaft ein Bestandteil. Doch spazieren geht, kann sehen, dass zukünftig etwa siebzig Prozent che Standorte, die auch den Ackerbau gut ermöglichen. Die Betriebs- gerade an dieser Stelle treten auch immer wieder Probleme auf, die es des Waldes Laubwälder sein werden. Zudem wird seit vielen Jah- strukturen sind dabei stets bäuerlich geprägt und die Familienbetriebe der Landwirtschaft an der Ammer schwer machen. Hier seien ein paar ren mehr Fichte als Laubholz entnommen. Mit der Pflanzung von werden meist über Generationen hinweg bewirtschaftet. Neben der Beispiele genannt. Tanne leisten wir einen weiteren Beitrag, um diese Vielfalt zu einem wichtigen und hauptsächlichen Aufgabe hochwertige Nahrungsmittel klimastabilen Wald werden zu lassen. Die Schäden durch Stürme und Rohstoffe zu erzeugen, sind im Laufe der Zeit weitere „Bereiche“ Wie einleitend ausgeführt, sind gerade die landwirtschaftlichen Nutz- und den Borkenkäfer machen es für uns noch wichtiger, rasch mit hinzugekommen, wie die Beherbergung von Feriengästen, z.B. in Form flächen im nördlichen Ammerbereich, also zwischen Polling/Weilheim dem Waldumbau voran zu kommen. Dabei hilft uns auch eine in- von „Urlaub auf dem Bauernhof“, bis hin zur energetischen Nutzung von bis hin zum Ammersee sehr ertragfähige, beste landwirtschaftliche tensive Jagd auf Schalenwild. Biomasse in Form von Biogaserzeugung zur Stromgewinnung oder der Standorte. Durch Straßenbau, Siedlungserweiterungen und sonstige Pflege der Kulturlandschaft. Dabei kommt der Rinderhaltung mit der Infrastrukturmaßnahmen werden diesem Naturraum ständig Flächen Wir versuchen Waldnutzung und Naturschutz eng im Sinne einer Milcherzeugung eine zentrale und sehr wichtige Bedeutung zu, denn entzogen. Damit verringert sich der Boden, der die Wirtschaftsgrundla- integrativen, naturnahen Forstwirtschaft zusammen zu führen. Das sie ist oft die einzige wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit, das Grünland ge für die Landwirtschaft darstellt. Dass Eingriffe in den Naturhaushalt gelingt gerade mit Kooperationen wie der Ammer-Allianz, einer lo- zu nutzen. Schaf- und Ziegenhaltung bzw. die Pferdehaltung ergänzen durch entsprechende ökologische Maßnahmen ausgeglichen werden ckeren Verbindung von Naturschützern und Nutzern, und führt z.B. diese Möglichkeiten. müssen, kommt an dieser Stelle erschwerend hinzu. Der technische im Hotspotprojekt dazu, die Lebensräume aufzuwerten und der Be- und züchterische Fortschritt trägt auch innerhalb der Landwirtschaft zu völkerung bekannt zu machen. Dieser Steilhangwald wird nicht mehr genutzt Die Holzgewinnung darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. einem steten Strukturwandel bei. Landwirtschaftliche Flächen werden damit zu einem wichtigen, aber leider sehr knappen Gut, um das zuneh- Extensive landwirtschaftliche Nutzung ist mend gerungen wird. wesentlich für den Erhalt der einzigartigen Kulturlandschaft # Wenn für „Renaturierungsmaßnahmen“, wie die Anlage von naturnahen Auenbereichen, vom Naturschutz weitere landwirtschaftliche Flächen An ertragsschwachen oder an Grenzstandorten ist eine extensive land- in Anspruch genommen werden, entsteht ein erhebliches Konfliktpo- wirtschaftliche Nutzung wesentlich für den Erhalt dieser einzigartigen tential zur Landwirtschaft. Aus naturschützerischer Sicht wird das Ziel formuliert, einen möglichst naturnahen, damit auch einen mäandrie- renden Flussverlauf wiederherzustellen. Befinden sich hier wertvolle landwirtschaftliche Nutzflächen, geht dies massiv zu Lasten der Land- wirtschaft, die ja vom Ertrag der Flächen leben muss. Leidvoll musste dies ein Landwirt im Bereich Thalhausen erfahren, bei dem durch einen weitreichenden und zunehmend voranschreitenden Uferabbruch an der Ammer seine hinterliegenden, nach ökologischen Grundsätzen an- gelegten Haselnussfelder bedroht wurden. Langem und hartnäckigem Ringen vom Landwirt und letztlich der Kompromissbereitschaft beider Seiten ist es zu verdanken, dass sich an dieser Stelle eine nachhaltige Lösung abzeichnet – die Landwirtschaft war bereit, wertvolle Flächen in begrenztem Umfang „herzugeben“ und im Gegenzug werden ufer- sichernde Maßnahmen durchgeführt, um ein Fortschreiten der Erosion zu verhindern.

Im Ammertal zwischen Pischlach und Rottenbuch können 7 ha Wiesen und Weiden nicht mehr angefahren und damit nicht mehr bewirtschaf- tet werden, nachdem ein riesiger Hangbereich ins Rutschen kam und die einzige Zufahrtsmöglichkeit zerstört hatte. Gespräche mit dem Na-

Das Naturwaldreservat Straußbergleite In der Schnalz soll die Ammer sich wieder frei bewegen können Ammer bei Thalhausen - Gefährdung hochwertiger landwirtschaftlicher Nutzflächen durch Ufererosion und sinnvolle ufersichernde Maßnahmen. Foto: T. Müller

60 61 Tourismus und Freizeitnutzung an der Ammer – Bedeutung und aktuelle Herausforderungen

turschutz, hier eine längerfristig sinnvoll und tragfähige Lösung zu erzie- Bereits seit Jahren ist sich „in der Natur aufhalten“ neben „spekta- Schutz der Natur von wesentlicher Bedeutung sind. Eine Lenkung len, verliefen aus Sicht der Landwirtschaft bislang erfolglos. Nicht nur im kuläre Landschaften erleben“ eines der wichtigsten Reisemotive der von Besuchern ist daher für die nachhaltige Entwicklung des Tou- Bereich der Ammer, vielmehr im gesamten Landkreis, ist der Biber mas- deutschen Bevölkerung. Laut der aktuellen Studie „Naturtourismus in rismus genauso wichtig wie die Schaffung attraktiver Naturerleb- siv in Erscheinung getreten, hat sich angesiedelt und verursacht dabei Deutschland 2016“ der BTE Tourismus- und Regionalberatung „haben nisangebote. Laut der BTE-Studie ist die Qualität von Natur und mitunter massive Schäden. Dies wurde im Rahmen einer umfassenden 40 Millionen Personen (deutschsprachige Bevölkerung, Anmerkung Landschaft bei der Wahl des Urlaubs- oder Ausflugsziels zentrales Erhebung festgestellt und dokumentiert. Auch hier besteht aus Sicht der der Verfasserin) ein „großes“ oder „sehr großes“ Interesse, sich im Ur- Entscheidungskriterium und Grundlage für die Mehrheit von Natu- Land- und Forstwirtschaft dringender Handlungsbedarf, um ein verträg- laub „in der Natur aufzuhalten“. Das Interesse nimmt mit steigendem rerlebnis- und Natursportangeboten. liches Miteinander zu gewährleisten. Ein weiterer Widerspruch in unse- Bildungsgrad, steigendem Haushaltsnettoeinkommen und mit steigen- rer komplexen Kulturlandschaft soll nicht unerwähnt bleiben: Zum einen dem Alter zu.“ Die Ammer als einziger noch weitgehend intakter Wildfluss im sucht die Renaturierung der Ammer nach mehr Biotopen, in denen die bayerischen Alpenvorland ist in weiten Bereichen ihres Flusslaufs Natur weitestgehend sich selbst überlassen werden kann. Gleichzeitig Die voralpine Natur- und Kulturlandschaft ge- touristisch von großer Bedeutung. Insbesondere als Naherholungs- lockt die große Öffentlichkeitsarbeit und der Ausbau der Wege an der hört zum Markenkern des Pfaffenwinkels # raum, aber auch bei Fernwanderern und Radfahrern ist der Natur- Ammer mehr Menschen an, die wiederum die Biotope stören werden, raum beliebt. Neben sehenswerten Orten wie Oberammergau und bzw. auch das Arbeiten in diesem Naturraum mitunter erschweren. Auch im Pfaffenwinkel ist die intakte voralpine Natur- und Kulturland- Weilheim ist vor allem der Ammersee ein beliebtes Ausflugsziel. schaft mit den alpinen Flüssen und den zahlreichen Seen wesentlicher Entlang der Ammer sind die bis zu 80 Meter tief in die Moränen- Beim Erörterungstermin zur Aufstellung des Managementplanes „Gras- touristischer Angebotsfaktor und bildet zusammen mit den kultu- landschaft eingeschnittene canyonartige Ammerschlucht zwi- leitner Moorlandschaft“ am 31.5.2017 war es beeindruckend zu sehen, rellen Attraktionen den Markenkern des Pfaffenwinkels. Vielfältige schen Peiting und Rottenbuch, die Schleierfälle bei Wildsteig mit wie die Landwirte diese sensiblen Flächen mit moderner Technik bewirt- Freizeitaktivitäten erschließen den Naturraum für Gäste und Einhei- den bedeutenden Kalktuffablagerungen und die Echelsbacher Brü- Massiver Hangrutsch an der Ammer bei Rottenbuch zerstört bzw. gefährdet die Zu- schaften und damit offen halten und so einen unverzichtbaren Beitrag wegung zu landwirtschaftlichen Nutzflächen. Foto: T. Bonusch mische, dabei kommt den sanften Aktivitäten wie Wandern und Rad- cke die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten. Die Schleierfälle sind zum Erhalt dieser Flächen leisten. Es ist völlig unabsehbar, wie diese fahren die größte Bedeutung zu. Gäste und Einheimische schätzen jedoch seit vielen Jahren aus Sicherheitsgründen und zum Schutz Leistungen erbracht werden sollten, wenn es die Landwirtschaft hier dabei gleichermaßen, dass sie im Pfaffenwinkel an vielen Stellen Ruhe des sensiblen Ökosystems gesperrt und können offiziell nicht -er nicht gäbe. Es ist an der Zeit, im Dialog mit der Land- und Forstwirt- und Erholung abseits von Menschenmassen genießen können. Natur- reicht werden. Diese Situation ist völlig unbefriedigend, sowohl schaft deren Belange zu hören und zu beachten, damit es auch weiterhin touristen haben Interesse sowohl an Naturerlebnissen mit Lerneffekt, für Gäste und Einheimische, die das Naturdenkmal selbst erleben ein gutes und verträgliches Miteinander geben kann. wie z.B. bei Naturführungen oder Lehrpfaden, als auch an Naturspor- möchten, als auch für den Naturschutz, da die Betretungsverbote terlebnissen, wie Wandern, Radfahren, Kajakfahren etc. und an ästhe- mangels öffentlicher Akzeptanz immer wieder umgangen werden, tischen Erlebnissen, wie z.B. dem Genuss einer schönen Landschaft als auch für die anliegenden Gemeinden und Tourismusorganisati- Thomas Müller von einem Aussichtspunkt oder der Besuch eines Naturdenkmals onen, da dieses so wichtige Naturdenkmal seit vielen Jahren nicht (BTE-Studie). als touristische Attraktion nutzbar ist. Beliebte Ausflugsziele sind Thomas Müller ist Geschäftsführer der Geschäftsstelle Weilheim-Schongau des zudem der Ammerdurchbruch bei Scheibum und der Kalkofensteg. Bayerischen Bauernverbandes (BBV). Naturtourismus ist für die Region Pfaffenwinkel [email protected] natürlich ein erheblicher Wirtschaftsfaktor, Durch die Ammerschlucht, die immer wieder auch als „Grand Ca- nyon Oberbayerns“ bezeichnet wird, führt einer der attraktivsten wobei der Erhalt der Grundlagen des Naturtourismus und der naturnahen Wanderwege der gesamten Region, der auch we-

Eine der wenigen Brücken über die Ammer: Der Kalkofensteg zwischen Peiting und Langsam rinnt das Wasser über die Sinterterrassen am Kalkofensteg in der Ammer- Rottenbuch. Alle Fotos: Tourismusverband Pfaffenwinkel/Wolfgang Ehn schlucht

62 63 sentlicher Bestandteil überörtlicher Fernwanderwege wie des Kö- laufs machen die Ammer als Naturjuwel so wert- der Lage, sich bewusst rücksichtsvoll zu verhalten. Dieses Natur- mit allen dazugehörenden Möglichkeiten und Einschränkungen ge- nig-Ludwig-Weges, des Pilger-Wander-Weges Heilige Landschaft voll und schützenswert denkmal bietet durch seine hohe Attraktivität – wenn es zugäng- stärkt werden. Pfaffenwinkel oder der Jakobswege durch die Region ist. Die Pflege lich gemacht wird – alles, was nötig ist, um Begeisterung für den und Sicherung dieses Wanderweges stellt die Gemeinden vor er- Die Ammer wird aber touristisch in ihrer Bedeutung als Wildfluss Naturschutz zu wecken. Susanne Lengger hebliche Herausforderungen. Über weite Strecken wird der Fluss noch kaum wahrgenommen. Die aktuelle, weitgehend ungelenkte zudem von Radwanderwegen gesäumt, die Touren von den Alpen Nutzung führt zudem teilweise zu unnötigen Spannungen zwi- Eine Zukunftschance für Tourismus und Naturschutz stellt sicher- Susanne Lengger ist Geschäftsführerin des Tourismusverband Pfaffenwinkel. bis zur Ampermündung bei ermöglichen, schen Naturschutz und Freizeitnutzung. Insbesondere die auch lich auch die geplante Renaturierung der Schnalzaue dar. Bei der [email protected] wobei ein Zugang zu den attraktivsten Flussabschnitten mit dem für die Freizeitnutzung attraktiveren Bereiche bieten jedoch einen Konzeptplanung wurde von Anfang an neben Naturschutzbelan- Fahrrad nicht möglich ist. Lebensraum für viele seltene Amphibien, Reptilien und Vogelarten, gen auch die Freizeitnutzung mit einbezogen. Ein Ausgleich zwi- die sensibel auf Störungen reagieren, die oftmals unbewusst durch schen Schutz und berechtigten Nutzungsansprüchen ist erforder- Das Befahren der Ammer vor allem mit Kajaks ist über fast die ge- Besucher verursacht werden. lich und sinnvoll. samte Strecke möglich, allerdings durch die Kajakverordnung zum Schutz der Natur stark reglementiert. Für Wildwasser-Experten ge- Eine wesentliche Aufgabe für die nachhaltige Vor dem Hintergrund der aktuellen Nutzungskonflikte aber auch hört der Oberlauf der Ammer zu den Highlights in den bayerischen Entwicklung des Naturtourismus an der Ammer der bestehenden Chancen haben sich Gemeinden, Touristiker und Alpen. An vielen Stellen finden sich Möglichkeiten zum Baden und ist daher die Besucherlenkung und Information Vertreter des Naturschutzes in der Region darauf verständigt, ge- Picknicken, die jedoch bislang kaum ausgewiesen sind. der Gäste und der Schutz sensibler Gebiete meinsam ein naturtouristisches Konzept für die Ammer zu erar- beiten. Projektpartner sind der Tourismusverband Pfaffenwinkel, Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der natürliche Verlauf der Da Gäste genau wie Einheimische den wertvollen Naturraum aber die Ammergauer Alpen GmbH und der WWF Deutschland. Dabei Ammer durch Begradigungen und Eindeichungen zum Hochwas- entdecken und erleben wollen, ist es erforderlich, nicht nur Verbote sollen die verschiedenen und teils auch konträren Belange in einem serschutz stark verändert – mit weitreichenden Folgen für die ein- und Schutzräume für die Natur zu schaffen, sondern auch der Frei- integrierten Ansatz untersucht und Maßnahmenempfehlungen heimische Tier- und Pflanzenwelt, aber auch mit Folgen für die tou- zeit- und Erholungsnutzung Räume zu öffnen. Bestes Beispiel dafür abgeleitet werden. ristische Attraktivität des Flusslaufes. Die Auwälder wurden durch ist die Situation an den Schleierfällen. die Deiche vom natürlichen Wasserzufluss abgeschirmt, so dass In diesem integrierten Konzept sollen Ziele des Naturschutzes der Auwald nur noch in kleinen Resten vorhanden ist. Die relativ Trotz Wegesperrungen und Betretungsverboten stellen sie eine und die touristischen Belange gleichermaßen untersucht und be- geraden, tiefliegenden, eingedeichten Flussläufe sind zwar für Rad- große Attraktion dar und werden besucht, obwohl sie von den rücksichtigt werden. Damit soll eine echte Win-win-Situation für fahrer attraktiv, für Wanderer aber weit weniger und zu weiteren örtlichen Tourismusorganisationen nicht beworben werden – teils Naturschutz und Tourismus entstehen. Sensibilisierung und Be- Freizeitnutzungen laden sie im aktuellen Zustand nur bedingt ein. unter erheblicher Gefahr, da die Wege wegen der Sperrung nicht wusstseinsbildung für die Belange von Arten- und Naturschutz Trotz der Veränderungen ist die Ammer einer der letzten Wildflüs- gepflegt werden. Hier sind intelligente Konzepte erforderlich, um sollen einhergehen mit einer schonenden Zugänglichmachung, se in Deutschland, deren Lauf nicht durch große Staudämme oder einerseits die Betretung und Beschädigung des Naturdenkmals zu (umwelt-)bewusstem Naturerlebnis und Besucherlenkung in den lange Wasserableitungen verändert wurde. verhindern, andererseits aber einen möglichst naturverträglichen geeigneten Bereichen sowie der Entwicklung von neuen, nach- Zugang zu schaffen. Wichtig ist dabei auch die Vermittlung von haltigen touristischen Angeboten. Zudem soll die Identifikation Die hohe Flussdynamik und der zumindest noch in Wissen über die Besonderheit und die Empfindlichkeit des gesam- der lokalen Bevölkerung mit der Ammer gestärkt werden und die einzelnen Abschnitten stete Wandel des Fluss- ten Umfelds der Schleierfälle, denn nur dadurch sind Besucher in Ammer als „Wildfluss“ in der Wahrnehmung von Freizeitnutzern,

Beschaulich schlängelt sich die Ammer durch den „Oberbayerischen Grand Canyon“ Zahlreiche Kiesbänke, wie hier am Kalkofensteg, laden zum Verweilen und Baden ein. Atemberaubende Bilcke erwarten den Wanderer auf dem Weg nach Rottenbuch hin- Große, alte Buchen und mit Moos bedeckte Felsen direkt am Flussufer in der Nähe zwischen Rottenbuch und Peiting Aber Vorsicht: Das Wasser kann schon recht kühl sein! ter jeder neuen Flussbiegung der Ammerleite bieten idyllische Rastplätze 64 65 Die Vision für die Ammer

Die Ammer fasziniert schon heute. Dort wo sie frei und wild fließen Unsere Vision Aus der Entscheidung, die Ammer als Referenzfluss zu entwi- ten Flächen zurückzugeben. 1920 bis 1924 wurden durch die sog. kann - in der Ammerschlucht, in der Schnalz - bietet sie ein fantas- ckeln, ergibt sich ein klarer Handlungsauftrag für alle betroffenen Ammerkorrektion im Unterlauf 3.940 Hektar Fläche ausgedeicht. In tisches Naturschauspiel von gurgelndem, quirlendem Wasser, das 1) Die Ammer wird ein Referenzfluss für den Typ der alpinen Flüsse. Behörden. Renaturierungsprojekte können dann mit den nötigen einem Verfahren der Flurneuordnung könnte ein Flächentausch orga- sich immer neue Wege sucht. Hier versprüht sie Lebendigkeit und Ziel ist, die Gewässerdynamik auf größtmöglicher Strecke zuzulas- personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet werden, um nisiert werden, der die Interessen der Grundbesitzer und Flächenbe- bietet ein weites Feld für sinnliche Naturwahrnehmung, Erholung sen und die natürliche Gewässerentwicklung zu ermöglichen. kontinuierlich an der Umsetzung arbeiten zu können. Dem Wass- wirtschafter wahrt und gleichzeitig zusammenhängende Flächen für und naturwissenschaftliche Beobachtung. Auf weiten Strecken erwirtschaftsamt wäre es dann auch möglich, Grundstücke außer- abschnittsweise Renaturierungen bereitstellen kann. hingegen ist die Ammer gezähmt und in ein künstliches Korsett 2) Alle Lebensraumtypen, die charakteristisch für die Ammer und halb des Flusskorridors zu erwerben, um diese im Rahmen eines aus Flussbausteinen eingezwängt. ihre Aue sind, können sich mit ihren Artengemeinschaften aus- späteren Flächentauschs einzusetzen. Was dafür spricht bilden und bilden einen funktionierenden Verbund. Es gibt keine Die Ammer ist ein Fluss von bundesweit herausragender Stellung. Der Mensch greift auf nahezu 100% der Fläche mit Nutzungen Wanderbarrieren für Gewässerlebewesen mehr. Dem Ziel zuwiderlaufende Projekte (wie z.B. neue Wasserkraft- Sie besitzt als einziger größerer deutscher Alpenfluss ein weitge- in die Natur ein. Über die Atmosphäre wird sogar jeder Fleck der werke) können dann in der Regel nicht genehmigt werden, es sei hend natürliches Abfluss- und Geschieberegime, es sind weder Erde vom Menschen beeinflusst. Rückzugsräume für Tiere und den 3) Menschen erfreuen sich an der Naturlandschaft und erholen denn, sie könnten bei der Abwägung ein außergewöhnliches öf- Kopfspeicher noch längere Ausleitungsstrecken vorhanden. In einer Menschen werden immer weniger, da unsere Gesellschaft einen sich in ihr, ohne empfindliche Bereiche zu beeinträchtigen. fentliches Interesse in die Waagschale werfen. WWF-Studie über 15 nordalpine Wildflüsse Deutschlands, Öster- bisher nicht stillbaren Flächenhunger hat. So werden zurzeit in Bay- Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Tourismus entwickeln reichs und der Schweiz, wurde die naturschutzfachliche Bedeutung ern 13 ha Fläche pro Tag neu versiegelt. Umso wichtiger ist es, dass naturverträgliche Nutzungen im Nahbereich der Ammer und Wesentliche Grundlage für Renaturierungsprojekte an der Ammer der Ammer auf 14% ihrer Fließstrecke als „sehr hoch“ bewertet. wir auch Räume bewahren, in denen die natürlichen Prozesse weit- ihrer Zuflüsse. ist die Akzeptanz in der Gesellschaft. Ich bin der Überzeugung, Weitere 52% der Fließstrecke errangen das Prädikat „hoch“. Damit gehend ungestört und eben natürlich ablaufen können. dass durch intensiven Dialog mit allen betroffenen Interessengrup- nimmt die Ammer den 3. Platz in Bezug auf den ökologischen Wert Wege zum Ziel pen ein Einvernehmen hergestellt werden kann. Als die Ammer von der untersuchten Alpenflüsse ein. Auch die Erhaltungsziele der eu- Dies ist in Bayern nur in den Kernzonen der beiden Nationalparke Das Wasserwirtschaftsamt Weilheim fördert unter seinen Leitern Kraftwerksplanungen bedroht wurde, haben sich 7.657 Menschen ropäischen Natura 2000-Gebiete „Ammergebirge“ und „Ammer der Fall und auf kleinen Flächen in den Naturwaldreservaten. Bei Peter Frei (2003-2007), Christian Wanger (2007-2012) und Ro- mit ihrer Unterschrift für eine naturnahe Ammerlandschaft ohne vom Alpenrand bis zum NSG Vogelfreistätte Ammersee-Südufer“ den Flüssen gibt es noch keine Bereiche, die der natürlichen Ent- land Kriegsch (seit 2012) seit vielen Jahren vorbildlich eine natur- Wasserkraftwerke eingesetzt. unterstützen unsere Vision. Helfen Sie mit, dass die Naturland- wicklung vorbehalten sind. Sie gehören zu den am stärksten ver- nahe Entwicklung der Ammer. Für die Ernennung der Ammer zum schaft Ammer Wirklichkeit werden kann! änderten Lebensräumen. Es ist eine vordringliche Aufgabe, für alle Referenzfluss bedarf es zusätzlich der Initiative des bayerischen In der Lokalpolitik gibt es bereits Unterstützung durch die beiden Gewässertypen Referenzgewässer einzurichten, in denen sich die Umweltministeriums. Wenn der Freistaat diesen Schritt vornimmt, Landräte Andrea Jochner-Weiß und Anton Speer und viele Bür- Matthias Luy natürlichen Prozesse und Lebensgemeinschaften ungestört entwi- können sich Wasserwirtschaft, ländliche Entwicklung und auch zu- germeister der Ammergemeinden. Die Gemeinden können die na- ckeln können. Dies dient nicht nur der Natur, sondern auch uns. künftige Infrastrukturprojekte daran orientieren und ihre Planungen turnahe Entwicklung der Ammer vorantreiben, indem sie für ihre Matthias Luy leitet die Bezirksgeschäftsstelle Oberbayern des Landesbund für danach ausrichten. Ökokonten Flächen an der Ammer und ihren Zuflüssen erwerben Vogelschutz und ist seit 1999 Koordinator der Ammer-Allianz. Nahezu unberührte Natur ist für den Menschen eine Quelle der und diese für Renaturierungsprojekte verwenden. [email protected] Kraft. Wer sich von quirlendem, sprudelndem Wasser bezaubern Für die Ernennung der Ammer zum Referenzfluss lässt, kann entspannen und auch festgefahrene Vorstellungen aus bedarf es zusätzlich der Initiative des bayeri- Flussrenaturierung braucht Raum. Im Ammergebiet bedeutet dies, dem Alltag loslassen. schen Umweltministeriums # der Ammer langfristig einen kleinen Teil der aus ihrer Aue ausgedeich-

Ursprüngliche Flussnatur an der Ammer. Foto: R. Heinrich In den kanalartigen Abschnitten braucht die Ammer mehr Platz. Foto: M. Luy Das Peißenberger Wehr ist eine noch unüberwindbare Barriere für Fische und Klein- Die Vision: Lebendiges Wasser überall. Foto: R. Heinrich lebewesen. Foto: M. Luy 66 67 Herausforderungen und Entwick- lungsziele im Oberlauf der Ammer

Linder trollierte aktive und passive Reaktivierung auedynamischer Prozes- Ammer und Moore im oberen Ammertal se an ausgewählten Stellen im Bereich des Linder-/Ammerkanals Drei wesentliche Merkmale charakterisieren das Lindersystem in (z.B. Rückbau von Ufersicherungen bzw. Zulassen von Uferabtrag Die Quellbäche der Ammerquellen vereinen sich südlich von Oberam- seinem Verlauf vom Ammersattel an der Landesgrenze nach Tirol und Überschotterungen) dem Bedarf an Hochwasserretentions- mergau zur Ammer und formen damit natürlicherweise einen Fließge- bis zur Ettaler Mühle: raum und Aktivierung von Lebensräumen der speziell angepassten wässerhauptstrang mit stabiler Wasserführung, aber ohne Geschie- Pflanzen und Tiere bis auf weiteres gerecht werden. betransport. Die größeren Verlandungs- und Überflutungsmoore 1. Nennenswerte Zufuhr von Geschiebe (Gesteinsmaterial ver- zwischen Ettal und Altenau markieren einen ca. zehn Kilometer lan- schiedener Korngrößen) aus Oberlauf und Nebengewässern, gen spät-/nacheiszeitlichen Seenkomplex. Das daraus hervorgegan- insbesondere aus dem Fels und Hangschutt der südlichen Haupt- gene Geländeniveau mit sehr geringem Gefälle führt im Fließgewäs- dolomitzüge des Ammergebirges (bis 2185 m ü. NN an der Kreuz- sersystem natürlicherweise zu ausgeprägter Mäanderbildung. Die spitze) sowie aus der Erosion spät- und nacheiszeitlicher Morä- Gerinne der von den Berghängen zuführenden Hauptnebengewässer, nen- und Flussschotterlager (z.B. Neualmgrieß, Schattenwald) die natürlicherweise allesamt ausgeprägte Schuttkegel bilden, wurden festgelegt und Geschiebe zurückgehalten. Das oberflächenniveauna- 2. Topographie- und Gefällewechsel mit einer daraus resultieren- he Mäandersystem im Tal wurde im 20. Jahrhundert durch wasser- den Bildung mal mehr, mal weniger ausgedehnter Geschiebeumla- bauliche Maßnahmen zum Zwecke der Sicherung und Entwicklung gerungsstrecken mit verzweigten Rinnensystemen und mehreren von Landwirtschaft und Siedlungsraum konsequent durch Begradi- Binnendeltas (z.B. Brandwiese, Dickelschwaig, Große Ammerquel- gung gestreckt, die Sohle eingetieft und das Abflussbett befestigt und len) stellenweise eingedeicht. Im gesamten Verlauf der Ammertalmoore Linder bei Graswang, Blick auf Klammspitze; u.a. Standort von Gefleckter Schnarr- schrecke, Kiesbankgrashüpfer und Türks Dornschrecke. Alle Fotos: M. Kleiner existiert damit heute kein naturraumcharakteristischer Gewässerab- 3. eine Wasserführung, bei der das natürliche Trockenfallen schnitt mehr; die Abflussdynamik führt zu weiterer Eintiefung der Soh- der Hälfte des Fließgewässernetzes (Mittel- und Unterläufe des le und Destabilisierung der künstlichen Uferlinien. Haupttals und der südlichen Zuflüsse, wie Elmau- und Kuhalm- Ammerquellen bach) während des Großteils des Jahres die Regel ist. Wie auch im Bereich der Ammerquellen hat der kontrollierte Hoch- Der Abschnitt der Großen und Kleinen Ammerquellen zwischen wasserabfluss zu landwirtschaftlich problemlos bewirtschaftbaren, Wasserbauliche Maßnahmen aus mehreren Jahrhunderten, wie dem Weiler Rahm und der Ettaler Mühle zeigt einen wesentlichen darunter vielfach naturschutzfachlich bedeutsamen Lebensraumty- Quellaufstoß im Ettaler Weidmoos, Blick nach Westen; u.a. Rasen von Armleuch- Leitdämme, Deiche, Geschiebesperren und Abstürze, Laufbegra- Bruch im Gewässerverlauf. Einerseits verliert der unterirdisch abflie- teralgen. pen (Streuwiesen) geführt. Demgegenüber stehen durch Laufverkür- digungen und -verlagerungen sowie Geschiebeentnahmen, dien- ßende Wasserkörper einen wesentlichen Anteil durch Abdrift ins zung, Erhöhung der Fließgeschwindigkeit und Verlust von Prall- und ten der Sicherung und Entwicklung land- und forstwirtschaftlicher Loisachtal. Andererseits endet der Geschiebetransport weitestge- Gleithangsituationen eine starke Abwertung des naturraumtypischen Kulturen, von Siedlungsraum und Verkehrsinfrastruktur. Sie setzten hend mit dem Erreichen des heute verlandeten spät- bzw. nacheis- Wasserkörpers und, abgesehen von Galeriewaldbildungen, praktisch der eigendynamischen Entwicklung der Oberläufe und Aueräume zeitlichen Ammertaler Stausees aufgrund des damit verbundenen ein Komplettverlust an Auetypen. Kontrollierte aktive und passive Grenzen (z.B. um Linderhof und um Graswang) und führten zielge- Gefälleverlusts. Teile des unterirdisch abfließenden Wasserkörpers Reaktivierung echter auedynamischer Prozesse ist im Gegensatz zu mäß zur Befestigung der Böden im Einflussbereich der Fließgewäs- erreichen in einer Vielzahl von Sicker- und Aufstoßquellen, über den vorher besprochenen Bereichen mit Lindereinfluss nur sehr einge- ser. Damit verbunden war aber ein erheblicher Verlust von charak- den gesamten Talraum verteilt, die Oberfläche. Sie bilden ein in sei- schränkt vorstellbar; Voraussetzung wäre eine aus Gründen des Sied- teristischen Lebensraumtypen der speziell angepassten Pflanzen ner Abflusshöhe ganzjährig hoch stabiles Bachsystem. lungshochwasserschutzes problematische, relevante Sohlerhöhung. und Tiere und von Rückhalteräumen für Hochwasser und dabei transportiertes Geschiebe. Durch diese Stabilität war es nicht notwendig, landwirtschaft- liche Flächen zu sichern und so ist das Bachsystem in größeren Es ist das Jahr 1999, das eine nachhaltige Marke setzt. Vermehrte Bereichen ursprünglicher Art. Allerdings wurden zwei wesentliche Frostwechseltage und eine Mehrung von Anzahl und Intensität von Eingriffe getätigt: die in schon sehr früher Zeit veranlasste gezielte Starkniederschlägen führen seither merklich zu einer Erhöhung von Wasserführung hin zum historischen Mühlbetrieb (Mühlbach, Et- Geschiebeeintrag und Geschiebetransport sowie der Gestaltungs- taler Mühle) und die Kontrolle des Hochwasserabflusses der Lin- kraft des Abflusses. Das kann in den wasserbaulich veränderten der über einen Deich-Kanal-Strang aus dem 20. Jahrhundert durch Strecken gleichzeitig sowohl zu einer Gefährdung von Infrastruk- das Gebiet. Mit letzterem einhergehend war der weitestgehende tur- bzw. Hochwasserschutz, als auch der Lebensräume der spe- Verlust von Feinsedimentneueintrag und Binnendeltaneubildung ziell angepassten Pflanzen und Tiere führen. Kontrollierte aktive bzw. der dynamischen Scheitelzonen der Linder. Deich-Kanal-Strang im NSG Ettaler Weidmoos, Blick nach Nordosten; Standort kon- und passive Reaktivierung früherer Auestandorte an ausgewählten trollierter periodischer Ausuferungen und Überschotterungen. Abschnitten in den Mittel- und Unterläufen des Gewässersystems Die natürliche Stabilität des Quellbachsystems mit kontrolliertem (z.B. Rückbau von Ufer- und Sohlsicherungen bzw. Zulassen von Hochwasserabfluss der Linder hat im Zuge der historischen Streu- Uferabtrag und Überschotterungen) könnten Hochwasserschutz wiesennutzung zu landwirtschaftlich problemlos bewirtschaftba- und Naturschutz gleichermaßen bis auf weiteres gerecht werden, ren, naturschutzfachlich bedeutsamen Lebensraumtypen geführt. wenn man das Gesamtgewässersystem betrachtet. Der hochkomplexe natürliche Auebildungsprozess in diesem Land- schaftsabschnitt blieb dabei aber auf der Strecke. Hier könnte kon-

Ammer im Pulvermoos, Blick auf Laberjoch; u.a. Brutrevier der Wasseramsel und Kerngebiet des Bibers.

68 69 Durchbruchstal Halbammerwiesen und Halbammer (Saulgrub, Wildsteig, Ammerschlucht (Saulgrub, Bad Bayer- Kammerl Halblech) soien, Wildsteig)

Mit dem geogaphischen Nordende des eiszeitlichen Sees im Ko- Die Halbammer ist von wesentlicher Bedeutung für den ihrer Mün- Die Ammerschlucht ist einer der bedeutendsten mitteleuropäi- chel bei Altenau erhöht sich das natürliche Gefälle, die Ammer dung folgenden Lauf der Ammer, weil sie neben der Abflussspende schen Flusscanyons. Durch die Anordnung der Faltenmolassefor- nimmt deutlich an Fahrt auf. Sie gewinnt Geschiebe- und Sedi- deren wesentlichen Geschiebelieferanten darstellt. Sie bedient sich mationen und ihrem Wechsel von harten und weichen Sediment- mentfracht aus Fels und Mergel der Flysch- und Faltenmolassezü- aus dem Hangschutt des nördlichen Kalkalpin und aus den Flysch- lagern ergibt sich ein strukturell sehr komplexer Gewässerverlauf ge des Ammergebirgsnordrandes sowie aus der Erosion spät- und formationen des Ammergebirges sowie aus der Erosion spät- und mit hoher Nischenvielfalt zwischen Hartfelswänden, Mergellagern nacheiszeitlicher Moränen- und Flussschotterlager und – von gro- nacheiszeitlicher Moränen- und Flussschotterlager. Die Halbam- und Geschiebeumlagerungsbereichen. Die Ammerschlucht stellt ßer Bedeutung – aus ihrem wichtigsten Nebenfluss, der Halbam- mer und ihre Quellbäche zeigen topographiebedingt stärkeres einen bedeutenden überregionalen Lebensraumverbundkorridor mer. Es entsteht ein sehr vielgestaltiger Komplex aus rudimentären Gefälle und einen Wechsel aus Geschiebeumlagerungsstrecken zwischen Alpen und Vorland dar. Topographisch bedingt ist der Talvermoorungen, Geschiebeumlagerungsstrecken und beginnen- auch nennenswerter Größenordnung und schmalen Durchbruchs- infrastrukturelle Erschließungsgrad im südlichen Abschnitt gering den Charakteristika der folgenden Ammerschlucht. Insgesamt ha- bereichen. und die Naturnähe außerordentlich hoch. ben wir es hier mit einem überaus naturnahen Abschnitt zu tun. Aus naturschutzfachlicher Sicht gibt es allerdings einen dicken Wer- Das direkte Nebeneinander von Erschließungsinfrastruktur und Entwicklungsziel wäre die Sicherung dieser strukturellen Qualität, mutstropfen: Stau und Ausleitung des Kammerl-Wasserkraftwerks. Wildbach führte, verstärkt durch die grundsätzlich erhöhte Hangla- nicht zuletzt durch die Sicherung ausreichender Geschiebezufuhr bilität der Flyschformation, zu konsequenter Längs- und Querver- aus der Halbammer, bei angepasster Besucherlenkung. Wasserkraftwerke der üblichen Ausprägung bedingen in der Regel bauung im Gewässersystem der Halbammer. vergleichsweise starke Belastungen des natürlichen Fließgewäs- Martin Kleiner sersystems. Ihre Stauwerke reduzieren bis unterbinden den cha- Auch im Halbammersystem ist die klimatisch bedingte Erhöhung rakteristischen Geschiebe- und Sedimenttransport in den weiteren von Geschiebeeintrag und Geschiebetransport wahrnehmbar. Martin Kleiner leitet die Geschäftsstelle Garmisch-Partenkirchen des Bund Gewässerverlauf. Sie ändern die physikalischen und chemischen Primär wünschenswert wäre aus naturschutzfachlicher Sicht die Naturschutz und ist Koordinator der Ammer-Allianz. Charakteriska eines Fließgewässers und damit die Lebensbedin- Möglichkeiten auszuloten, ausgewählte Absturzbauwerke in raue [email protected] gungen der Gewässerorganismen durch die Staubildung biswei- Rampen oder Sohlgleiten umzubauen. Die geplante Zementierung len drastisch. Sie reduzieren bis unterbinden die Durchgängigkeit von Absturzbauwerken und der Einbau eines neuen Wehrs sowie für Gewässerorganismen in beide Richtungen – trotz sogenannter die Ausleitung von Wasser für ein neues Wasserkraftwerk laufen Fischaufstiegshilfen. Und sie senken die Wertigkeit der Restwas- einer naturnahen Entwicklung völlig zuwider. serstrecke; so auch das Kammerl-Kraftwerk. Unter Vorbehalt der Kraftwerksproblematik ist für diesen Gewässerabschnitt im We- sentlichen als Entwicklungsziel zu postulieren: weitestgehendes Fortführen der bisherigen Praxis der Sicherung der natürlichen Dy- namik bei sehr lokalem, angepasstem Einsatz naturnaher Ufersi- cherungsmaßnahmen.

Ammer bei Altenau, Blick auf Hochschergen; u.a. Brutrevier des Flussuferläufers und Halbammer bei Unternogg, Blick auf Hörnle; u.a. Standort des Kiesbankgrashüpfers. Ammer an der Scheibum, Blick nach Norden; u.a. Standort der Äsche. Kerngebiet des Bibers. 70 71 Die Zukunft der Ammer – die Verantwortung unserer Generation

Seit vielen Generationen prägt die Ammer das Leben der Men- Die Ammer soll ein in seiner Gesamtheit betrachteter Alpen- verknüpft werden. Es stimmt uns positiv, dass von unterschied- schen in der Region und wird als wichtiger Bestandteil der Kul- fluss werden, welcher in Zukunft deutlich mehr Raum für Struk- lichsten Akteuren wiederholt die Bereitschaft geäußert wird, turlandschaft wahrgenommen. Manch Anwohner hat seinen tur und Dynamik erhält. Lebensräume sollen ökologisch verbes- etwas zum guten Gelingen der Zusammenarbeit beitragen zu ganz persönlichen Bezug zu dem Fluss, der in den Ammergauer sert und die flusstypische Biodiversität gesichert werden. Aber wollen und damit neue Wege zu gehen. Alpen entspringt und sich durch Gesteinsriegel hindurch seinen auch der Mensch soll wertvolle Erholungsräume zurückgewin- Die Identifikation der Menschen mit „ihrem Fluss“ und seinen Weg durch den Pfaffenwinkel bis in den Ammersee bahnt. Rund nen. Aus dem Juwel Ammer soll eine Kultur- und Naturland- Naturschätzen sowie der Stolz der Einwohner auf das Schaffen 30 Kilometer fließt er zwischen Altenau und Peißenberg durch schaft mit Vorbildcharakter entstehen: der natürlichste Alpen- ihrer Vorfahren stellt dabei ein wichtiges Gut dar, welches auch die canyonartige Ammerschlucht. Aufgrund der steilen Ufer ist fluss Bayerns. zukünftigen Generationen erhalten bleiben soll. Nehmen wir un- die Schlucht bis heute ein unzugänglicher und wilder Ort ge- sere Verantwortung wahr! blieben. Die Ammer kann sich hier frei bewegen und dynamisch Um diese Ziele erreichen zu können, wurden folgende Projekt- entwickeln. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten: Die Kraft der vorschläge entwickelt, die weiter verfolgt werden sollen: Wolfgang Hug, Mathias Fischer, Sigrun Lange Ammer stellte auch stets eine Gefahr für die Menschen dar, die an ihrem Ufer siedelten. Die Angst vor Hochwasser, die Gewin- • Dialog und Renaturierung am Ammerdelta: durch innovative Büro Wildflüsse und Alpen, Weilheim, WWF Deutschland. nung von landwirtschaftlichen Produktionsflächen und Sied- Dialog- und Partizipationsveranstaltungen sollen Möglichkeiten [email protected] lungsraum führten dazu, dass der Fluss in den letzten Jahrhun- für die Renaturierung des Ammerdeltas besprochen werden. derten immer stärker gezähmt wurde. Deiche und Wehre haben Hierbei sollen gezielt mehrere Themenfelder diskutiert werden, zur heutigen Gestalt der Lebensräume entlang des Gewässers wie etwa: eine Aktualisierung des Pflege- und Entwicklungs- maßgebend beigetragen. Heute fließt die Ammer in langen Ab- konzeptes Ammersee Süd, die Entwicklung der Alten Ammer schnitten stark begradigt, eingetieft, und von ihren ursprüngli- sowie das Erstellen eines Besucherlenkungs- und Informations- chen, ausladenden Schleifen und Auen abgetrennt. Diese Situa- konzeptes „Ammersee Süd“. tion hat dazu geführt, dass wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen zerstört wurden und andere ihre Regenerationsfähig- • Neue Altarme: mit spezifischen wissenschaftlichen Untersu- keit verloren haben. chungen sollen Möglichkeiten erarbeitet werden, abgetrennte Altarme und Auen wieder an den Fluss anzubinden und durch Glücklicherweise scheint ein Umdenken stattzufinden: die Ge- Überschwemmungsflächen neue Lebensräume zu schaffen. fahren und Probleme, welche durch die strukturelle Verarmung des Flusses entstanden sind, treten immer stärker ins Bewusst- • Hochwasser-Dialoge: Dialoge mit Akteuren sollen zu einem sein der Menschen. Die Gesellschaft wird sich ihrer Verantwor- besseren Verständnis der Prozesse am Fluss beitragen und tung für die zukünftige Entwicklung des Flusses zunehmend Renaturierungsmaßnahmen als Beitrag zum Hochwasser- bewusst. Stellvertretend für die heimische Bevölkerung brachte schutz besprechen. es Ulrike Scharf in ihrer Funktion als Bayerische Umweltministe- rin bei der Einweihung des Grundwehrs III bei Weilheim im Juni • Durchlässigkeit der Zubringer: in Zusammenarbeit mit den 2017 auf den Punkt: „Die Ammer ist ein ökologisches Juwel mit Gemeinden sollen Maßnahmen zur lateralen Vernetzung der einem herausragenden Artenreichtum. Der Flusslauf der Am- Ammer besprochen werden. mer ist ein besonders sensibles Gebiet. Mit dem Umbau des Grundwehrs III sind wir unserem Ziel einer frei fließenden Am- Diese Ziele und Umsetzungsvorschläge wurden durch die Be- mer wieder einen großen Schritt näher gekommen.“ teiligung aller Akteure definiert, die sich bisher in die Dialoge des Hotspotprojektes „Alpenflusslandschaften“ eingebracht Im Rahmen des Hotspotprojektes „Alpenflusslandschaften – haben. Alle Resultate der durchgeführten Dialoge sind auf der Vielfalt leben von Ammersee bis Zugspitze“ setzen sich Natur- Internetseite des Projektes öffentlich zugänglich (www.alpen- schutzverbände, Behörden, Tourismus, soziale Einrichtungen flusslandschaften.de). Der Dialog muss nun weiter gehen. Da und privatwirtschaftliche Unternehmen seit 2015 gezielt dafür am Fluss unterschiedlichste Interessen aufeinanderprallen, ist ein, dass neben Isar, Loisach und Lech auch der Ammer ein Stück es dringend notwendig Kompromisse für realistische Maßnah- Natürlichkeit zurückgegeben werden kann. Diese Entwicklungen men zu finden. dauern lange, viel länger als ein Verbundprojekt. Daher hat der WWF im Rahmen des Hotspotprojektes verschiedene Akteure Aus den in den letzten Monaten geführten Dialogen wurde dazu eingeladen, gemeinsam Visionen für die Zukunft der jewei- aber auch klar ersichtlich, dass alle Akteure danach streben, ligen Flüsse zu entwerfen. In Interviews, Flussgesprächen und ihre Interessen vorzubringen und ihren Teil zu einer Verbesse- Dialogen wurden seit 2016 Ideen für zukünftige Maßnahmen rung des ökologischen Zustandes der Ammer beizutragen. Die Broschüre über die im Dialog entwickelten Leitbilder und Projekte gesammelt, welche zu einer ökologischen Verbes- vielen konstruktiven Ideen aus Land-, Forst- und Wasserwirt- serung der Flüsse unter Berücksichtigung aller Interessen bei- schaft, aus der Bevölkerung, aus Naturschutz, aus Wirtschaft tragen können. und Tourismus sollen zusammengetragen und projektbezogen

72 73 Vernetzung der Unteren Ammer

Das Ammerseebecken stellt mit seinen großflächigen Streuwie- • Altwässer, nur bei Hochwasserereignissen mit dem Fluss in Die Verarmung der Gewässerlandschaft der Seit 2015 werden die Maßnahmen zur Vernetzung der unteren senkomplexen, seinen weiten offenen Grünlandbereichen und Verbindung stehend Flussaue hat sich dramatisch auf die Tierwelt Ammeraue im Rahmen des Hotspot-Projektes „Alpenflussland- Moorgebieten ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung dar. ausgewirkt # schaften“ durchgeführt. Bisher wurden folgenden Maßnahmen Besonders hervorzuheben sind das Vorkommen des Weißstorchs • Totarme, auch weit vom Hauptgerinne entfernt liegende umgesetzt: mit inzwischen bis zu 19 Brutpaaren und der hohe Bestand an wie- Altwässer mit Kleingewässercharakter Diese Verarmung der Gewässerlandschaft der Flussaue hat sich dra- senbrütenden Vogelarten wie Brachvogel, Bekassine, Braunkehl- matisch auf die Tierwelt ausgewirkt. Sämtliche Tiergruppen, die auf die • Anlage von Saigen und Grabenaufweitungen in den Unteren chen, Schwarzkehlchen, Blaukehlchen und Wiesenpieper. Zugvö- • Flutrinnen; ehemalige Flussläufe, im Gelände als durchgehende oben angeführten Teile des Gewässerspektrums angewiesen sind, ha- Filzen gel nutzen das Gebiet vor und nach der Überquerung der Alpen im Mulde erkennbar, periodisch wasserführend (z.B. Rossgraben ben einen Großteil ihres Lebensraumes eingebüßt. Davon sind neben Herbst und im Frühjahr als Rastgebiet. Auffällige große Vogelarten im NSG Ammersee-Süd) aquatischen und semiaquatischen Arten auch terrestrische Arten be- • Anlage von drei Flachwassertümpeln südlich der Alten Ammer wie Rohrweihe oder Silberreiher überwintern auch im Gebiet. troffen. Mit einer umfassenden Renaturierung der Ammer im Bereich • Saigen unterschiedlichster Größe, d.h. periodisch nach Hoch- des Ammerseebeckens, die diese Defizite beheben könnte, ist auf- • Anlage von Kleingewässern und Freistellung von Flächen in den Das Ammerseebecken ist ein international be- wasserereignissen, starken Niederschlägen oder nach der grund der ungünstigen Flächenverfügbarkeit in näherer Zukunft nicht Unteren Filzen deutendes Feuchtgebiet # Schneeschmelze unter Wasser stehende Geländemulden zu rechnen. Die Studie „Auswirkungen der Anbindung von Altwässern auf deren naturschutzfachliches Potential am Beispiel der Ammer • Sanierung einer Weiherkette an der Alten Ammer Die Ammer stellte sich in ihrem Unterlauf im Ammerseebecken, • hoch dynamische Wiesenbäche, die teilweise stark mäandrieren zwischen Pähl und Ammersee“ des Landesbundes für Vogelschutz trotz der alpennahen Lage, ursprünglich als mäandrierender Tief- in Bayern, im Auftrag des Wasserwirtschaftsamtes Weilheim, zeigt • Anlage von Kleingewässern an der Neuen Ammer landfluss mit einer großflächigen Deltaschüttung in den Ammer- • Talrandmoore im historischen Überflutungsbereich der Ammer Möglichkeiten und Maßnahmen auf, wie diese Defizite zumindest see dar. Die Morphologie des Flussbettes wies in Teilen allerdings mit zahlreichen Torfstichen und Moorgewässern teilweise kompensiert werden könnten. Vorgeschlagen wird hier u. a. noch Anklänge an die oberhalb liegenden Umlagerungsstrecken die ökologische Aufwertung bestehender Gewässer durch Erhöhung (Kiesbänke) auf. Die Abflussdynamik ist nach wie vor die eines Die Ammer wurde gegen Anfang des letzten Jahrhunderts in ihrem der Strukturdiversität, durch partielle Entlandungen, die Neuschaffung alpinen Flusses und wird nicht durch Kopfspeicher oder Ausleitun- Unterlauf zwischen Weilheim und dem Ammersee begradigt (Redu- von Saigen, die Aufweitung von Gewässern und Gräben sowie Gra- gen gestört. zierung der Fließgewässerlänge um 60%) und verbaut. Großflächige benrückstaue. Überflutungen kommen nur bei Extremhochwässern vor (z.B. 1999, Das Gewässerspektrum der Ammeraue im südlichen Ammer- 2005). Durch die Korrektur der Ammer wurde die bisher stattfin- seebecken würde natürlicherweise aus vielgestaltigen Elemen- dende Morphodynamik unterbunden. Altwässer existieren vor allem Maßnahme Funktion Zielarten ten bestehen: noch in Form von abgeschnittenen ehemaligen Flussarmen. Diese Ge- wässer sind in ihrer Existenz durch rasche Verlandung bedroht, denn • stark mäandrierender Tieflandfluss, mit hohem Anteil von Sedimente werden bereits bei mittleren Hochwässern eingetragen. Anlage von Saigen, Aufweitung von Optimierung von Wiesenbrüterlebens- Bekassine, Brachvogel, Kiebitz Sand- und Kiesbänken Ehemalige Flutrinnen sind komplett trocken gefallen bzw. verlandet. Gräben räumen Gleiches gilt für flussferne Kleingewässer. Noch bestehende Saigen • zahlreiche Altarme, dauernd mit dem Fluss in Verbindung werden kaum noch überflutet. Braunkehlchen, Schwarzkehlchen, stehende ehemalige Flussstrecken Grabenaufweitungen, Abflachung von Optimierung von Wiesenbrüterlebens- Blaukehlchen, Weißstorch, Graureiher, Grabenböschungen räumen Silberreiher, Storchschnabelbläuling

Kleingewässeranlagen, Altarmanlagen, Ersatz von Alt- und Totarmen in ehemaligen Laubfrosch, Kleiner Teichfrosch, Libellen ökologische Aufwertung von verlandeten Flutrinnen (Brachytron pratense) Gewässern

Schaffung von nährstoffarmen, Libellen (Leucorrhinia dubia, Torfstichentlandungen huminsäurereichen Kleingewässern in Somatochlora flavomaculata), verwachsenen, verbuschten Torfstichen Grasfroscharten, Waldwasserläufer

Optimierung von Wiesenbrüterlebensräu- Bekassine, Brachvogel, Kiebitz, hydrophile Grabenanstau men und Streuwiesen durch hydrologisches Pflanzenarten der Streuwiesen (Carex Management von Entwässerungsgräben appropinquata, Lathyrus palustris)

Aufgeweiteter Graben und neu angelegte Saige in den Unteren Filzen. Alle Fotos: M. Layritz Neu angelegte Flachwassertümpel an der Alten Ammer bei Raisting.

74 75 Zielarten haben die neu angelegten Gewässer- obachtet. Eine Besonderheit stellt die 2016 in den Saigenanlagen strukturen überraschend schnell angenommen in den Unteren Filzen nachgewiesene Sumpfheidelibelle (RL 2) und besiedelt # dar. Wir hoffen auf einen weiterhin erfolgreichen Projektverlauf und danken allen, die uns bei den Arbeiten unterstützt haben, Obwohl die Arbeiten teilweise erst seit einem Jahr abgeschlossen sind, insbesondere den Naturschutzbehörden der Landkreise Weil- können bereits jetzt Aussagen über Erfolg und Wirksamkeit getroffen heim-Schongau und Landsberg/Lech, der Regierung von Oberbay- werden. Die Zielarten haben die neu angelegten Gewässerstrukturen ern sowie dem Wasserwirtschaftsamt Weilheim. überraschend schnell angenommen und besiedelt. Dies zeigt zum einen das Anfangs beschriebene Defizit der Gewässerlandschaft im Projekt- Markus Layritz gebiet. Zum andern wird dies durch das immer noch beachtliche Arten- potenzial im Gebiet ermöglicht. Besonders hervorzuheben ist die rasche Markus Layritz ist Mitarbeiter der Schutzgemeinschaft Ammersee e.V. und leitet Besiedelung der angelegten Saigen und aufgeweiteten Gräben in den das Projekt „Vernetzung der Unteren Ammer“ Unteren Filzen durch den Laubfrosch (ca. 200 Individuen im Sommer [email protected] 2016).

Die drei Flachwassertümpel südlich der Alten Ammer besiedelte der Laubfrosch ebenfalls im ersten Jahr. Teichfrosch und Grasfrosch waren vor allem in den Unteren Filzen bereits im ersten Jahr nach der Fertig- stellung zahlreich vorhanden. Die sanierten Weiher an der Alten Am- mer haben sich 2017 trotz der niedrigen Wasserstände als attraktiver Lebensraum für Amphibien und Libellen erwiesen. Aufgrund der starken Beschattung und des Schilfbewuchses waren die Gewässer seit einigen Jahren praktisch amphibienfrei. Libellen wurden zuvor nur sehr verein- zelt beobachtet.

Aufgeweitete Gräben wurden sofort von Graureiher, Silberreiher und Weißstorch genutzt. In den Saigen und Flachweihern konnten wieder- holt Watvögel wie Bekassine, Grünschenkel, Zwergschnepfe und Wald- wasserläufer beobachtet werden.

Dabei werden überraschenderweise auch gehölznahe Wasserflächen genutzt. An Libellen wurden an den frisch angelegten Gewässern die im Grabensystem des Ammerseebeckens häufigen Arten be- Sanierte Weiherkette an der Alten Ammer bei Dießen. Die Gewässer wurden freige- stellt, entlandet und die Böschung abgeschrägt.

Kleingewässer in den Unteren Filzen nach der Fertigstellung. Neu angelegtes Kleingewässer in den Unteren Filzen, sechs Monate nach Fertigstel- Flachwassersaige in den Unteren Filzen, Lebensraum für Amphibien und moortypi- Durch Grabenaufweitung neu angelegtes Kleingewässer im NSG Ammersee Süd. lung. sche Libellen.

76 77 Flussbeziehungen - Bürgermeisterinnen Gisela Kieweg, 1. Bürgermeisterin der Gemeinde Bad Bayersoien: Markus Bader, 1. Bürgermeister der Gemeinde Rottenbuch: Thomas Dorsch, 1. Bürgermeister der Gemeinde Hohenpeissenberg: und Bürgermeister bandeln an Bereits als Kind faszinierte mich die Ammer durch ihre Schönheit. Die Ammer ist eine wilde Kraft und für mich persönlich auch eine Der Hohe Peißenberg wird auch gerne die Perle am Ammerstrand Josef Pössinger, 1. Bürgermeister der Gemeinde Ettal: Die tiefe Schlucht, ihre Wildheit und der unberührte Lauf des Was- Kraftquelle. Nach anstrengenden Bürostunden gehe ich oft hinter bezeichnet. Der Ort liegt zwischen Fluss und Berg und wird von bei- sers lassen mich bis heute diese einzigartige Landschaft genießen. dem Rathaus einen Feldweg entlang und bin in fünf Minuten am den geprägt. Gerne erinnere ich mich als Kind an die schönen Bade- Als Bürgermeister von Ettal mit den zugehörigen Ortsteilen Gras- Die Ammerschlucht in ihrer Einzigartigkeit mit ihrer seltenen Tier- Fluss. Dort kann nicht nur die Seele baumeln, sondern dort ordnen ausflüge an die Ammer beim Ammerstüberl. Diesen Fluss in seiner wang und Linderhof hat man natürlich direkten Bezug zur Linder und Pflanzenwelt zu erhalten, muss das Ziel für die Zukunft sein. sich die Dinge oft ganz anders ein wie am Schreibtisch. Besonderheit und Ursprünglichkeit zu erhalten und zu pflegen und und Ammer. Denn die Entstehungsquellen der Linder sind der gleichzeitig auch dem Menschen erlebbar zu machen, sollte uns allen Fischbach und der Neualmbach sowie im weiteren Verlauf die sie- Josef Taffertshofer, 1. Bürgermeister der Gemeinde Wildsteig: Mindestens einmal im Jahr wandere ich außerdem an der Ammer ein Anliegen sein. ben Quellen, die alle im Ettaler Forst liegen. Nachdem die Linder entlang von Rottenbuch nach Peiting und bin jedes Mal wieder im weiteren Verlauf versickert und unterirdisch weiterfließt, sind Von Kindesbeinen an faszinierte mich die Ammer in ihrer Wild- erstaunt, welcher Schatz und welche Naturschönheit vor unserer Manuela Vanni, 1. Bürgermeisterin von Markt Peißenberg: daraus im Ettaler Weidmoos vereinigt mit den Ammerquellen die heit und Natürlichkeit, insbesondere bei Hochwasserereignissen. Haustüre liegt. So ist es nur konsequent und begrüßenswert, dass Ursprünge der Ammer zu finden. Ich sehe kein Potential für mehr Natur an der Ammer in unserem vor kurzem das 160. Naturwaldreservat in der Ammerleite ein- An die Ammer habe ich nur schöne Kindheitserinnerungen: Gerne Gemeindebereich. Ich denke die Ammer ist beispielgebend für den geweiht wurde. Auf 76 Hektar wird der Natur – wissenschaftlich denke ich an die Spaziergänge mit meinen Eltern, Lagerfeuer in meiner Im Normalfall sind von der Linder nur Kies- und Schotterflächen, schonenden Umgang mit Wildflusslandschaften. Die Gemeinde begleitet - freier Lauf gelassen. Die Gemeinde und ein freiwilliger Jugend und auch das ein oder andere Bad in der Ammer zurück. Auch das sogenannte Lindergriess zu sehen, die mit einer ständigen Um- Wildsteig bemüht sich seit Jahren eine geordnete Besucherlenkung Wegetrupp engagieren sich darüber hinaus, dass der König-Lud- heute genieße ich dort mit meinem Mann die Natur, wobei ich mich lagerung einen wilden Charakter ausstrahlen und eine besondere und touristische Erschließung der Ammer voranzutreiben, insbe- wig-Weg in Schuss gehalten wird und so Menschen aus Nah und an der Stelle, an der die Ach in die Ammer fließt, besonders gerne auf- Flora und Fauna beheimaten, die über die Naturschutzgebiete ge- sondere im Bereich der Schleierfälle ist das sensible Ökosystem Fern unser Juwel genießen können. halte: Denn die ist Idylle pur! schützt werden. Nur bei größeren Regenereignissen zeigt sich der durch die Besucher erheblich beeinträchtigt, zudem begeben sich Fluss auch an der Oberfläche, kann dann bei heftigen oder länger die Menschen in akute Lebensgefahr. Deshalb hat die Gemeinde Michael Asam, 1. Bürgermeister von Markt Peiting, Bezirkstags- Ich bin der Ansicht, dass die Ammer so erhalten bleiben sollte, wie sie anhaltenden Regen aber auch schnell zu einer Bedrohung z.B. für Wildsteig schon im Jahre 2008 die Zugänge zu den Schleierfäl- vizepräsident: ist: Gerade die Mischung zwischen Abschnitten, die der reinen Natur die Bewohner von Graswang werden. Nicht zuletzt dadurch sind len gesperrt. Um den Besucherstrom aus der Ammerschlucht zu vorbehalten sind, und Abschnitten, die auch eine gewisse Geselligkeit auch immer wieder kostenintensive Hochwasserschutzmaßnah- bekommen, setzten wir uns seit Jahren für die Schaffung einer Die Ammer ist für mich persönlich eines unserer Sahnestücke in ermöglichen, finde ich charmant. An unzugänglichen Ufergebieten men von der Gemeinde auszuführen. Wichtig sind dabei auch Kie- Aussichtsplattform zur Besichtigung der Schleierfälle auf der Bad unserem Naherholungsbereich. Potential für mehr Natur an der sollte den Vögeln und der Fauna weiterhin Vorrang eingeräumt wer- sentnahmen in festgelegten Bereichen, die dabei helfen den Hoch- Bayersoier Seite ein. Mit Hilfe der Aussichtsplattform könnte der Ammer gibt es sicherlich. Nur muss es in vernünftiger Art und den, vor allem sollte die Ammer auch künftig „ein wildes Gewässer“ wasserschutz zu erleichtern und ebenfalls erhaltenswerte kiesfreie größte Teil der Besucher aus der Ammerschlucht gebracht werden, Weise, d.h. auch unter Betrachtung der Sinnhaftigkeit geschehen. bleiben. Allerdings muss die Bevölkerung einen Fluss, an und mit dem Naturflächen mit ihrer einzigartigen Vegetation zu schützen. da der Hauptverkehr durch die Schleierfälle verursacht wird. Leider Die Gemeinde Peiting kümmert sich zusammen mit den Nachbar- sie lebt, auch erleben können. Unseren Campingplatz, die Kiesstrände Nur in einem vernünftigen Einklang von Mensch und Natur ist das blockieren die Naturschutzbehörden unser Ansinnen. gemeinden um den Kalkofensteg und die Wanderwege. Außerdem und den Zeltplatz des Kreisjugendrings möchte ich nicht missen. Gebiet der Linder- und Ammerquellen auch in Zukunft zu erhalten! wird darauf geachtet, dass dieses Naherholungsgebiet nicht verun- staltet wird bzw. bleibt. Peißenberg und „seine Ammer“, das gehört seit Jahrhunderten zu- sammen. Hohe Priorität hat natürlich der Hochwasserschutz, aber auch auf die Zuflüsse in die Ammer legt der Markt Peißenberg ein be- sonderes Augenmerk, da hier die seltene Bachmuschel angesiedelt ist.

Schüler des Gymnasiums Ettal beim Bemalen des Blauen Bandes. Foto: A. Kreipe Detail aus dem Bandabschnitt Bad Bayersoien. Foto: A. Kreipe Die Fischerjugend auf Erkundung der Ammer. Foto: L. Tschernek Detail aus dem von Aufwind e.V. gestalteten Abschnitt für Hohenpeißenberg. Foto: M. Kühn

78 79 Porträt der Ammer-Allianz

Das Blaue Band beinhaltet eine gute Symbolik. Alle Kommunen, die Martin Höck, 1. Bürgermeister der Gemeinde Raisting: Die Ammer-Allianz gründete sich 1999, nach dem berühmten Mitglieder der Ammer-Allianz an der Ammer liegen, haben Verantwortung für dieses Gewässer Pfingsthochwasser. In ihr arbeiten Naturschutzverbände, Nutzer- und dies wir durch das Knüpfen des Bandes verdeutlicht. Wenn wir mit offenen Augen durch das Gemeindegebiet von Rais- verbände und Bürgerinitiativen Hand in Hand. Als Besonderheit • Bund Naturschutz ting gehen oder fahren, ist der Einfluss, den die Ammer, bzw. der gehören ihr auch das Wasserwirtschaftsamt Weilheim und die • Landesbund für Vogelschutz Horst Martin, 2. Bürgermeister der Stadt Weilheim: See auf unsere Landschaft genommen hat, überall sichtbar. Insofern Bayerischen Staatsforsten an. So kann ein direkter und intensiver • Fischereiverband Oberbayern hat sie unsere Heimat bisher geprägt und wird dies auch in Zukunft Dialog mit den staatlichen Stellen, die für den Unterhalt des Flusses • Landesjagdverband Meine persönliche Beziehung zur Ammer beginnt im Jahr 1984 mit tun. Besonders schön ist es für mich auf dem Ammerdamm zu ra- von Gesetzes wegen bzw. als Grundbesitzer verantwortlich sind, • Bayerischer Kanuverband meinem Umzug von Penzberg nach Weilheim und der gleichzeiti- deln, so kann ich die Kraft und die Ruhe, die die Ammer ausstrahlt, geführt werden. • Die Ammerfischer gen Gründung einer Familie mit 2 Kindern. Meine Frau und ich ha- besonders intensiv genießen. Durch die Ammerregulierung in den • Schutzgemeinschaft Ammersee ben mit unseren Kindern bis in ihr Erwachsenenalter viele schöne 1920er Jahren im Bereich von Raisting und Pähl sind mit den teil- In ihrer Präambel hat die Allianz festgelegt: • Heimatverein Dießen Spaziergänge, Wanderungen und Radltouren an der Ammer von weise vorhandenen Ammeraltarmen wunderbare Rückzugsgebiete „Leitbild für die Ammer-Allianz ist – bei ver- • Lokale Agenda 21 Herrsching der Mündung bis zum Kalkofensteg in Peißenberg und weiter fluß- für Flora und Fauna entstanden. Auch durch diese Maßnahme ist bessertem Hochwasserschutz – ein möglichst • SG Weilheimer Moos aufwärts sogar einige abenteuerliche Touren z.B. zu den Schleier- das Ammermoos im Süden des Ammersees mit seinem heutigen naturnahes Ammersystem zum Nutzen von Natur • Die Naturfreunde Weilheim fällen oder in die Scheibum erleben dürfen. Gesicht entstanden. Gerade in diesem Bereich gibt es heute wieder und Mensch.“ # • Wasserwirtschaftsamt Weilheim eine große Vielfalt an inzwischen selten gewordenen Pflanzen und • WWF Deutschland Potential für mehr Natur an der Ammer sehe ich durch die ja be- Tieren. Um diese Entwicklung auch in der Zukunft zu sichern, wird In den ersten Jahren realisierte die Ammer-Allianz eine Reihe von • Bayerische Staatsforsten reits geplanten Rückbauten der noch vorhandenen Wehre. Eine in Raisting unter anderem ein zusammen mit der Schutzgemein- kleineren Naturschutzprojekten, z.B. stellte sie die Verbindung des • Umweltinitiative Pfaffenwinkel persönliche Vision wäre die Renaturierung bis zum ursprünglichen, schaft Ammersee e.V. entwickeltes Konzept zur Pflege der Kultur- Ochsenbaches mit der Ammer wieder her, schaffte Hochwasser- mäandernden Verlauf der Ammer von Weilheim bis zur Mündung gräben umgesetzt. Auch unsere bäuerliche Landwirtschaft trägt refugialbiotope in den Fischener Wiesen und initiierte die Wieder- in den Ammersee. durch eine nachhaltige und verantwortungsvolle Bewirtschaftung anbindung eines Altwassers in der Schnalz. Seit 2008 engagiert einen wesentlichen Anteil zum Erhalt des uns anvertrauten Natur- sich die Ammer-Allianz erfolgreich gegen den Bau neuer Wasser- Der wichtigste Beitrag, den die Stadt Weilheim über ihr Kommu- raumes Ammer bei. kraftwerke an der Ammer. Zu dieser Zeit lagen 11 Anträge für neue nalunternehmen Stadtwerke für die Ammer leistet, ist aus meiner Wasserkraftwerke an der Ammer vor. Die Allianz sammelte 7657 Sicht der Betrieb einer modernen und leistungsfähigen Kläranlage. Unterschriften für eine naturnahe Ammer ohne neue Wasserkraft- Hemmnisse für mehr Natur an der Ammer sind vor allem der zwin- werke und übergab sie im Juli 2009 Landrat Dr. Friedrich Zeller. In gend notwendige Hochwasserschutz und natürlich die Interessen einer weiteren Aktion gelang es, den damaligen Umweltminister der Landwirtschaft, die unter Umständen durch weitere Renaturie- Markus Söder zu einem Ortstermin an die Ammer einzuladen und rungsmaßnahmen wertvolle landwirtschaftliche Fläche verlieren ihm im Januar 2010 ebenfalls die Unterschriften zu übergeben. Er könnte. unterstützte das Anliegen und bekräftigte: „Ein Fluss muss sich frei bewegen können, das geht mit Wasserkraft aber nicht.“ Das Weil- heimer Tagblatt titelte am 16.1.2010: „Renaturierung ist oberstes Ziel. Kraftwerksgegner und -befürworter legen Umweltminister Söder ihre Argumente vor.“ Dank guter fachlicher Argumente, dem europäischen Schutzstatus als Natura 2000-Gebiet und der kon- sequenten Renaturierungsplanungen des Wasserwirtschaftsamtes für die Wehre, konnten Wasserkraftwerke an der unteren Ammer abgewendet werden.

Seit 2014 gibt es eine enge Beziehung zum Hotspot-Projekt „Alpen- Die Ammer-Allianz beim Pressetermin an der Ammer am 12.3.2009. Foto: U. Dopheide flusslandschaften“. Gemeinsam mit diesem Trägerverbund rückt die Vision für die naturnahe Ammerlandschaft in greifbare Nähe. Wir sind zuversichtlich, dass dank der Unterstützung des Bundes- amtes für Naturschutz und des Bayerischen Naturschutzfonds die zukünftigen Herausforderungen bewältigt werden können.

Matthias Luy

Matthias Luy koordiniert zusammen mit Bernhard Küstner, Dr. Sebastian Hanfland und Martin Kleiner die Ammer-Allianz. [email protected]

Kinder verknüpfen die Abschnitte Weilheim und Wielenbach. Foto: M. Kühn Es ist vollbracht, Bürgermeister Horst Martin. Foto: M. Kühn Matthias Luy übergibt Umweltminister Markus Söder im Beisein von MdL Renate Dodell 7.657 Unterschriften (15.1.2010). Foto: H. Hermann

80 81 Die Partner im Hotspot-Projekt "Alpenflusslandschaften - Vielfalt leben von Ammersee bis Zugspitze"

Königsdorf

Herausgeber:

Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) Bezirksgeschäftsstelle Oberbayern Kuglmüllerstr. 6 80638 München Tel. 089/219 64 30 50, Fax 089/219 64 30 60 Email: [email protected] www.oberbayern.lbv.de

In Zusammenarbeit mit der Ammer-Allianz

Projektleitung: Matthias Luy Projektassistenz: Ursula Anlauf, Laura Tschernek Umweltbildung: Julia Prummer, Martin Kleiner, Nicola Boll Künstlerische Leitung: Andrea Kreipe Konzept und Redaktion: Matthias Luy, Laura Tschernek, Birgit Trinks Bildarchiv: René Heinrich Gestaltung: kopfbrand.com #immereinsmehr Druck: KASTNER AG - das medienhaus Bildautoren Titel, v.l.: Rosi Rössner, Eberhard Pfeuffer, Markus Bräu, René Heinrich Bildautoren S. 2, v.l.: S. Heufelder, R. Heinrich, M. Bräu, S. Heufelder Stand: November 2017 1. Auflage:750 Stück

Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und durch den Bayerischen Naturschutzfonds.

Gedruckt auf Recyclingpapier aus 100% Altpapier.

82 83 www.lbv.de