7. Wahlperiode Gemeinden Ohne Flächennutzungsplan Und
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Thüringer Landtag Drucksache 7/3851 7. Wahlperiode 26.07.2021 Kleine Anfrage der Abgeordneten Kalich und Bilay (DIE LINKE) und Antwort des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft Gemeinden ohne Flächennutzungsplan und Möglichkeiten des Landes zur Neuaus- richtung der Förderpolitik in Thüringen Die Gemeinden haben gemäß den Bestimmungen des Baugesetzbuches einen Flächennutzungsplan auf- zustellen, der die künftige städtebauliche Entwicklung der Gemeinde in den wesentlichen Schwerpunkten aufzeigen soll. Die aus den genehmigten Flächennutzungsplänen entwickelten Bebauungspläne unterlie- gen nicht der Genehmigungspflicht, sondern sind nur noch anzeigepflichtig. Die Flächennutzungspläne haben sich in die Vorgaben der Raumordnung und Landesplanung des Landes beziehungsweise den regionalen Raumordnungsplänen einzufügen. In der interessierten Fachwelt wird eine Debatte über die Auswirkungen von Fördermittelvorhaben von EU, Bund und Ländern diskutiert. Ein Teil der Debatte wird dahin gehend geführt, dass Kommunen unter Um- ständen ein Fördermittelprogramm nicht unbedingt hinsichtlich der strategischen städtebaulichen Entwick- lung in Anspruch nehmen, sondern eher die Höhe von Eigenmitteln ausschlaggebend sind. Im Zweifelsfall können mit Fördermitteln realisierte Maßnahmen sogar den langfristig verfolgten Zielen eines Flächennut- zungsplanes widersprechen. Besonders fraglich ist die Fördermittelnutzung in den Fällen, in denen keine langfristigen Entwicklungsplanungen vorliegen. Die Genehmigung von Flächennutzungsplänen und Fördermittelanträgen durch die Landesregierung un- terliegt in Ausführung bestehender Gesetze der Kontrolle des Landtages. Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage 7/2215 vom 10. Juni 2021 namens der Landesregierung mit Schreiben vom 23. Juli 2021 beantwortet: 1. Welche Gemeinden verfügen gegenwärtig über einen genehmigten Flächennutzungsplan (bitte Einzel- aufstellung der Gemeinden)? Antwort: Zur Beantwortung wird auf die Anlagen 1 (Gemeinden mit Flächennutzungsplan), 2 (gemeinsame Flä- chennutzungspläne) und 3 (Karte der Gemeinden mit Flächennutzungsplänen) verwiesen. Aus der Anla- ge 1 geht hervor, dass einige Flächennutzungspläne zwar genehmigt, aber noch nicht bekannt gemacht wurden und damit noch nicht wirksam geworden sind. Druck: Thüringer Landtag, 4. August 2021 Drucksache 7/3851 Thüringer Landtag - 7. Wahlperiode 2. Welche Gemeinden befinden sich mit den beschlossenen Flächennutzungsplänen gegenwärtig in der Genehmigungsphase (bitte Einzelaufstellung der Gemeinden)? Antwort: Aktuell liegt dem Thüringer Landesverwaltungsamt nur der Genehmigungsantrag zum Flächennutzungs- plan der Gemeinde Marth, Landkreis Eichsfeld vor. 3. Wie bewertet die Landesregierung in Auswertung der Antworten zu den Fragen 1 und 2 den Umstand, dass möglicherweise ein erheblicher Teil der Gemeinden gegenwärtig den bundesrechtlichen Anforde- rungen an das Vorhandensein eines genehmigten Flächennutzungsplanes nicht entspricht und wie be- gründet die Landesregierung ihre Auffassung? Antwort: Die Fragestellung geht insofern von einer unzutreffenden Annahme aus, als das Baugesetzbuch zwar von einer Zweistufigkeit der Bauleitplanung (bestehend aus Flächennutzungsplan als vorbereitendem und Bebauungsplan als verbindlichem Bauleitplan) ausgeht, ein Flächennutzungsplan für die Aufstel- lung von Bebauungsplänen aber nicht zwingend erforderlich ist. Vielmehr regelt § 8 BauGB verschiede- ne Möglichkeiten der Aufstellung von Bebauungsplänen ohne Flächennutzungsplan. Grundsätzlich ist es aus städtebaulicher Sicht problematisch, wenn ein Bebauungsplanung Fixpunkte für die gesamtgemeindliche Entwicklung setzt, ohne dass die Bedarfs- und Standortgerechtigkeit der bau- lichen Entwicklung aus gesamtgemeindlicher Sicht gewährleistet ist. Auch hat das Instrument der Flä- chennutzungsplanung für die Gewährleistung einer geordneten, raumordnerisch und interkommunal ab- gestimmten städtebaulichen Entwicklung regelmäßig eine hohe Bedeutung. Soweit wegen des Fehlens eines Flächennutzungsplans vorzeitige Bebauungspläne im Sinne des § 8 Abs. 4 BauGB aufgestellt werden, unterliegt das je nach Lage des Plangebietes und Planinhalt einem mehr oder weniger hohen Rechtfertigungsdruck hinsichtlich der Erfüllung der Anforderungen des § 8 Abs. 4 BauGB. Vor diesem Hintergrund ist es zwar als kritisch zu bewerten, wenn Gemeinden keinen Flächennutzungs- plan haben. Die Tätigkeit der Genehmigungsbehörden für Bebauungspläne führt aber dazu, dass die Er- gebnisse hinnehmbar sind, auch wenn das im Einzelfall einen erheblichen Aufwand sowohl für die Ge- meinden als auch die Genehmigungsbehörden bedeuten kann. 4. Inwieweit hält die Landesregierung Maßnahmen für geboten, die Anzahl der Gemeinden mit Flächen- nutzungsplan zu erhöhen? Inwieweit könnte das Land die Gemeinden bei der Erstellung von Flächen- nutzungsplänen finanziell unterstützen und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung? Antwort: Aus den Ausführungen zu Frage 3 ist zu erkennen, dass es auch im Interesse der Gemeinden selbst wünschenswert ist, den Umfang der Flächennutzungsplanung zu erhöhen. Problematisch wäre vor al- lem, wenn Gemeinden im Umkreis größerer Städte städtebauliche Entwicklungen ermöglichen, die auch zu Lasten der zentralen Orte gehen und damit landes- und regionalplanerischen Entwicklungszielen ent- gegenlaufen. Diesem Risiko kann durch hinreichend konkrete landesplanerische Festlegungen begeg- net werden. Eine finanzielle Unterstützung von Flächennutzungsplanung wäre bei Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel zwar möglich. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die Bauleitplanung zu den Pflicht- aufgaben der Gemeinden gehört und die Gemeinden im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs Zuweisungen erhalten, um ihre Pflichtaufgaben erfüllen zu können. 5. Unter welchen Voraussetzungen können Fördermittelprogramme der EU, des Bundes oder des Landes an die Bedingung eines genehmigten Flächennutzungsplanes geknüpft werden und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung? 2 Thüringer Landtag - 7. Wahlperiode Drucksache 7/3851 Antwort: Für Fördermittelprogramme der EU, die in Verantwortung des Landes umgesetzt werden, und für För- dermittelprogramme des Bundes werden die Voraussetzungen durch die EU und den Bund festgelegt. Zusätzliche Kriterien des Landes dürfen diesen Rahmenbedingungen und Zielen nicht entgegenstehen oder den Zugang zur Förderung nicht in ungerechtfertigter Weise erschweren. Landesprogramme könnten theoretisch an das Vorhandensein eines Flächennutzungsplans geknüpft werden. Allerdings können unterschiedliche Gründe gegen eine Verknüpfung sprechen: - Es muss ein thematischer Zusammenhang beziehungsweise ein sachlicher Bezug des jeweiligen Förderprogramms mit städtebaulichen Zielen gegeben sein. - Sollen überörtlich wirksame Maßnahmen gefördert werden, wäre eine Bindung an einen auf den ört- lichen Bereich zu begrenzenden Flächennutzungsplan sachfremd. - Bei Förderprogrammen, die besonders aktuellen Problemen Rechnung tragen, könnte eine Kopplung an einen Flächennutzungsplan kontraproduktiv sein, da Flächennutzungspläne nach allgemeiner Auf- fassung einen Planungshorizont von circa 15 Jahren haben und damit aktuellen Anforderungen zum Beispiel des Klimaschutzes entgegenwirken. Damit müsste ein aktueller Flächennutzungsplan ver- langt werden mit der Schwierigkeit der Beurteilung, was darunter zu verstehen ist. Aus diesen Gründen werden auch im Rahmen der Städtebauförderung nicht – möglicherweise veral- tete – Flächennutzungspläne zur Grundlage der Förderung gemacht, sondern ein aktuelles ISEK als zwingende Voraussetzung für die Gewährung von Zuwendungen beziehungsweise Vergabe von Städ- tebaufördermitteln verlangt. 6. Inwieweit gab es vor 2021 Fördermittelprogramme der EU, des Bundes oder des Landes, bei denen ein genehmigter Flächennutzungsplan eine zwingende Voraussetzung zur Bewilligung des Zuwendungs- antrages gewesen ist? Aus welchen Gründen wurde dabei ein genehmigter Flächennutzungsplan zur Grundlage der Förderung gemacht (bitte Einzelaufstellung)? Antwort: Entsprechende Fördermittelprogramme sind nicht bekannt. Verschiedene Förderungen stellen aber darauf ab, dass zum Beispiel die Ziele der Raumordnung beach- tet und die Grundsätze der Raumordnung berücksichtigt werden oder sich Gemeinden auf der Grundla- ge strategischer Planungsinstrumente (insbesondere integrierter Stadtentwicklungskonzepte) entwickeln. 7. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu der These, dass die Inanspruchnahme eines Förder- mittelprogrammes nicht immer in Einklang mit langfristigen Entwicklungsstrategien zu bringen ist, sondern unter Umständen aus kurzfristigen Erwägungen heraus beantragt wurde, und somit einer langfristigen Entwicklungsstrategie der Gemeinde entgegenwirken könnte und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung? Antwort: Die Aussage kann nicht bestätigt werden. In den investiven Förderprogrammen werden überwiegend langfristig wirksame Investitionen gefördert, bei denen bereits aufgrund einer häufig vorgesehenen Zweckbindungsfrist davon auszugehen ist, dass kurzfristige Erwägungen allenfalls eine untergeordnete Rolle einnehmen. Soweit Förderentscheidungen an landes- oder regionalplanerischen Anforderungen, städtebaulichen Entwicklungskonzepten oder vergleichbaren Instrumenten ausgerichtet werden, ist ebenfalls regelmä- ßig davon auszugehen, dass keine Maßnahmen gefördert werden, die einer langfristigen Entwicklungs- strategie der Gemeinde zuwiderlaufen. 3 Drucksache 7/3851 Thüringer Landtag