Winter 2016 Hilfen Für Messie
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Ausgabe Diakonie im LANDKREIS BÖBLINGEN Das Magazin Winter 2016 Innerlich zur Ruhe kommen Seite 2 Landesseite Seite 3 Service Seite 4 kurz notiert Hospizdienst feiert Jubiläum Der Kinder- und Jugendhospizdienst im Landkreis Böblingen feiert dieses Jahr sein 10-jähriges Jubiläum. Dieser ambulante Dienst begleitet Familien, in denen ein Kind lebens- verkürzt erkrankt ist, aber auch Kinder und Jugendliche, deren El- tern schwerstkrank oder sterbend waren oder den Verlust einer nahe- stehenden Bezugsperson zu ver- kraften hatten. Die Begleitung wird geleistet von 30 qualifizierten Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern. Jedes Das Herz an Dinge hängen Jahr werden rund 30 Familien be- gleitet. Wir freuen uns sehr, dass Das Messie-Team in Leonberg hilft Menschen beim Aufräumen ihrer Wohnung – und auch ihrer Seele dieser Hospizdienst so gut ange- nommen wird und von vielen Spen- enn Reinhold Pahlke junge Frau hat sich wie ihr Kollege chen. Vieles habe sich damals zu Als Geste der Dankbarkeit möchte dern finanzielle Unterstützung er- (Name von der Redaktion Axel Hoch freiwillig für die Arbeit einer schweren Lebenskrise sum- Reinhold Pahlke gerne mit seinem fährt. Ab Januar 2017 bietet der Wgeändert) erzählt, bewe- mit Messies gemeldet – aus Neu- miert, die dazu führte, dass Pahlkes Betreuer, der sich allerdings nicht Hospizdienst wieder einen Qualifi- gen sich seine Hände, als wollten gier und ohne Scheu vor Schmutz Wohnung immer mehr verwahrlo- einladen lassen darf, ins Konzert zierungskurs für neue ehrenamtliche sie die Schwingungen nachempfin- und Schimmel, Enge und Gerü- ste. Jo Schönstein war der Erste, ge hen: Weihnachtsoratorium von Begleiter an. Bei Interesse rufen den, die seine tiefe Stimme erzeugt. chen, die die Sozialpädagogen in der die Wohnung nach Jahren be- Bach, in voller Länge. Bis Weih- Sie an unter 0 70 31/41 95 19. Immer wieder wan- den Wohnungen treten durfte. Einmal in der Woche nachten könnte es auch soweit sein, dert sein Blick zu » Ich dachte immer, ihrer Klienten erwar- wählen die beiden seitdem aus dass Schönstein nicht mehr jede Neuer DiakonieKontakt- Jo Schönstein, dem ich wäre der ten. „Das ist manch- Bergen von Papier aus, wovon er Woche kommen muss. Ob Pahlke Laden in Malmsheim Leiter des Messie- Einzige, der so mal schon extrem“, sich trennen könnte und was blei- es dann aus eigener Kraft schafft, Auf Initiative des Arbeitskreises Asyl Teams, der Pahlke gibt Axel Hoch zu. ben muss. Man merkt deutlich, den Zustand der Wohnung zu hal- entsteht zurzeit in Trägerschaft des seit einem Jahr dabei eine verwahrloste „Man darf keine dass Pahlke ein tiefes Vertrauen ten, weiß er noch nicht. Klar ist aber, Evangelischen Diakonieverbandes hilft, das Chaos aus Wohnung hat « Berührungsängste in den Sozialpädagogen hat: „Herr dass er nie mehr dahin zurück will, ein neuer, gemeinnütziger Second- Haushaltsmüll, alten haben.“ Doch die Schönstein würde nie etwas über wo die beiden angefangen haben. Hand-Laden in Malmsheim. Der Zeitungen und Konzertprogram- Mitarbeiter von Fortis finden ihre meinen Kopf hinweg wegschmei- „Ich hoffe, dass endlich Ruhe in Laden soll offen sein für alle Men- men, die sich in seiner Wohnung bis Arbeit nach wie vor toll – auch weil ßen.“ mein Leben einkehrt.“ schen, die mit wenig Geld über zur Decke stapeln, zu beseitigen. sie sehen, wie groß der Bedarf ist. die Runden kommen müssen. „Allein hätte ich das nicht ge- „Ich dachte immer, ich wäre der Editorial Gemeinsam wollen wir dazu beitra- schafft“, sagt Pahlke, der sich nicht Einzige, der so eine verwahrloste gen, dass Menschen in Würde ein- als Messie sieht. „Ich sammle nicht Wohnung hat“, sagt Reinhold Menschen mit Messie-Problematik leben oft isoliert, kämp- kaufen können und Flüchtlinge und um des Hortens willen“, sagt er Pahlke und kämpft mit den Tränen. fen mit Unordnung, Desorganisation und der Anhäufung von Menschen aus der Region die glei- entschieden. „Aber ich kann mich „Das sind Sie ganz bestimmt scheinbar nutzlosem Krempel. Ihr Ziel ist es, mit Würde und che Möglichkeiten haben, an gün- schwer von etwas Gedrucktem nicht“, erwidert Schönstein. 25 Selbstachtung zu leben. Sie räumen Sachen, die sie benut- stige gebrauchte Sachen zu kom- trennen.“ Etwas schuldbewusst Klienten wurden seit 2012 im Rah- zen, nicht wieder weg, bewahren zu viele Dinge auf. Sie sind men und Dinge, die noch brauch - schaut er zu Schönstein, der nach- men des Projekts betreut, das seit sehr kreativ und haben höchste moralische Wertvorstel- bar sind, nicht einfach auf den Müll sichtig lächelt. „Bei einer Zeitung Juni vergangenen Jahres ein festes lungen. Messies vermüllen aus ihrer Sicht nicht. Die Dinge wandern. haben wir uns ja zum Beispiel Angebot im Landkreis ist und vom sind im Chaos, doch keinesfalls Müll. Im Gegenteil, sie be- Ihre Spenden sind unsere Waren! schon darauf geeinigt, dass wir nur Landratsamt Böblingen finanziert sitzen hohen funktionalen und emotionalen Wert. Die Proble- Bitte spenden Sie nur gut erhaltene, die Ausgaben vom vergangenen wird. Das Amt fungiert gleichzeitig matik ist oft Folge eines Traumas, also einer seelischen Verwundung oder saubere und gebrauchsfähige Wa- Jahr behalten.“ als Schaltstelle, die Betroffene oft eines Schicksalsschlages, der die Betroffenen aus der Bahn warf. Für ren, Kleidung, Hausrat, Baby- und Dieses Feingefühl, das Verständnis von anderen Stellen des Sozialen Außenstehende ist das Problem der Menschen meistens nicht erkennbar. Kinderausstattung. dafür, dass die Klienten bestimm- Dienstes wie Psychologische Be- Fortis e.V. bietet in enger Zusammenarbeit mit dem Landkreis Böblingen Möbel und Elektrogeräte können wir ten Dingen einen anderen Wert ratungsstellen an die Räumungs- wichtige sozialpädagogische Unterstützung. Zunächst steht nicht die leider nicht annehmen. beimessen, sind das A und O für helfer vermittelt. Räumung der Wohnung im Vordergrund. Vielmehr soll die individuelle Wenn Sie sich darüber hinaus ehren- die Arbeit des Messie-Teams. Früher sei er eigentlich ordnungs- Problematik erkannt und gemeinsam mit den betroffenen Menschen be- amtlich engagieren möchten, mel- „Man muss kapieren, dass das liebend gewesen, erzählt Pahlke, arbeitet werden. Längerfristig soll die Wiederherstellung einer menschen- den Sie sich unter 0 71 52/3 32 94 00. wirklich Beziehungen sind, die zu der ein leidenschaftlicher Konzert- würdigen Wohnsituation erreicht werden. Besonders wichtig ist dabei, die Wir freuen uns auf Sie! Gegenständen aufgebaut werden. gänger ist. Aber als vor gut zehn jeweilige Wohnung als besonderen und geschützten Raum zu begreifen. Der Eröffnungstermin stand bei der Das kann man nicht einfach weg- Jahren seine langjährige Lebensge- Drucklegung noch nicht fest. nehmen“, sagt Evita Loser. Die fährtin starb, sei etwas weggebro- Werner Thumm, Vorstand Fortis e.V. Diakonie-Magazin_02-2016_BOEBLINGEN.indd 1 17.10.2016 15:29:08 2 Das Magazin Winter 2016 Der Messie in jedem von uns Impuls Die wahren Schätze Warum sammeln menschlich ist Der Mensch ist ein Jäger und Samm- utorin Hanna Sophie Mast fragt ler, schon immer. In der Höhle hat es nach dem Messie in sich und angefangen. Jeder Mensch sammelt Ahat auch andere dazu befragt, und jagt bis heute gern, hängt sein wovon sie sich nicht trennen können. Herz an Dinge, an kleine und große Schätze für Hobby, Haushalt, Sport, Gedankenverloren lasse ich den Blick Kleidung. Sammelt Wissen, Erinne- über meinen Schreibtisch wandern. Da rungen, Lebenserfahrung, Geld. stapeln sich Zeitungsausschnitte, Notiz- zettel und Modemagazine von letztem Jesus von Nazareth sagte in der Sommer, zwischen Postkartenhaltern Bergpredigt: Wo dein Schatz ist, da und Bücherstapeln fliegen abgebro- ist auch dein Herz. Und Martin Lu- chene Bleistifte, Pinsel und Kugelschrei- ther ergänzte: Woran dein Herz ber herum und eine leere Taschentuch- hängt, da ist dein Gott. Irdische Box, die ich aufgeboben habe, weil … ja, Schätze können zu Göttern werden warum eigentlich? Hat das nicht jeder und abhängig machen. von uns? Eine Chaos-Schublade, eine Wahre Schätze sind liebevolle Zu- Kiste mit Krimskrams, ein strukturloses wendung, Geborgenheit, Seelen- Eck, wo all das liegt, das eigentlich weg frieden, stabile Beziehungen, könnte? Doch manche Dinge kann man Glücksmomente. All die Dinge, die eben nicht einfach wegschmeißen. nicht mit Geld zu bezahlen sind und trotzdem verloren gehen können. Elisabeth aus Ehningen zeigt mir, wovon sie sich nicht trennen kann: ein rotes In unserer Konsumgesellschaft sind Stiefelchen mit einem winzigen Briefchen die wahren Schätze in Gefahr und zum Nikolaustag 1986, Muscheln, mit- die Zahl der Menschen wächst, die gebracht aus dem Sommerurlaub 2002, So wohl sortiert sieht es nicht in jeder Wohnung aus sich im Jagen und Sammeln ver- eine Tonfigur, die schon etwas rampo- lieren. Irgendwann ist ihnen das Maß niert aussieht, aber trotzdem einen festen plötzlich hab’ ich da einen ganzen Pack. Raum Ordnung und Schönheit zu ver- Schrank platzt wirklich aus allen Nähten. abhanden gekommen. Platz hat im Mitbringsel-Miniatur-Muse- Eigentlich sollte man’s wegschmeißen.“, leihen und bestimmt keinen Hang zum Aussortieren kommt nicht in Frage, denn um. „Das kommt natürlich irgendwann sagt der 86-Jährige Horten – oder? vielleicht kommt das alles ja irgendwann Verursacht durch Traumata, Unfälle, Verlust von Beziehungen, Trauer weg. Aber solange ich da bin, bleibt das schuldbewusst. Hat das nicht jeder? „Doch, na klar!“, wieder in Mode... hier!“, verkündet Elisabeth und streicht Seine Frau lächelt » widerspricht sie Auch ich schiebe das Aufräumen meines oder Schicksalsschläge hängen