Gesamtheft 153

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Gesamtheft 153 Monatliche Publikation, . herausgegeben von der 153/154 Juli/August 2003 Rosa-Luxemburg-Stiftung VorSatz 581 Essay ULRICH BUSCH Agenda 2010 – das deutsche Programm für einen Gesellschaftsumbau 583 PDS – Wege aus der Krise THOMAS FALKNER Politik als Chance 592 MICHAEL CHRAPA Parteireform als Aufbruch? 603 STEFFEN KACHEL Zum Spannungsfeld von PDS und Parlamentarismus 609 JÖRN SCHÜTRUMPF Krisenhafte Kommunikation. Thesen 614 HEIKO HILKER Politische Kommunikation und PDS 617 ERHARD CROME PDS. Ansichten einer Krise 628 Nachhaltigkeit & Soziale Gerechtigkeit REINART BELLMANN, HUBERT LAITKO, KLAUS MEIER Generationengerechtigkeit: Die Verknüpfung ökologischer und sozialer Zielstellungen im Nachhaltigkeitskonzept 635 JOACHIM H. SPANGENBERG Soziale Nachhaltigkeit. Eine integrierte Perspektive für Deutschland 649 GÜNTHER BACHMANN Warum Nachhaltigkeit ? 662 KLAUS WARDENBACH Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert. Der World Summit in Johannesburg 666 CHRISTA WICHTERICH Nachhaltigkeit und neoliberale Globalisierung aus feministischer Sicht 670 RONALD HÖHNER Der Stempel von Rio 675 GERHARD BANSE Integrative nachhaltige Entwicklung und Technikfolgenabschätzung 680 EDGAR GÖLL Nachhaltigkeitspolitik –Beispiele aus Europa 692 ELISABETH VOSS Wie nachhaltig ist die aktuelle Arbeitsmarktpolitik? 696 Ernst Bloch: Hoffnung muß gelernt werden VOLKER CAYSA Bloch – (k)ein toter Hund 698 ROGER BEHRENS Aktualisierung des Ungleichzeitigen. Anmerkungen zur Prozeßlogik einer mehrschichtigen Dialektik 707 MICHAEL BRIE Zwischen Wärmestrom und Kälteschock 720 Politik & Zeitgeschichte JÜRGEN JAHN Geraubte Jahre. Der Lebensweg des Bernhard Steinberger 741 WOLFRAM ADOLPHI Verweigertes Gedenken 751 Festplatte WOLFGANG SABATH Die Wochen im Rückstau 758 Bücher & Zeitschriften Siegfried Freick: Die Währungsreform 1948 in Westdeutschland. Weichenstellung für ein halbes Jahrhundert (WOLFGANG TRIEBEL) 760 Wolfgang Schivelbusch: Die Kultur der Niederlage. Der amerikanische Süden 1865 – Frankreich 1871 – Deutschland 1918 (STEFAN BOLLINGER) 761 Jörg Huffschmid: Politische Ökonomie der Finanzmärkte. Aktualisierte & erweiterte Neuauflage Bernard Cassen, Susan George, Horst Eberhard Richter, Jean Ziegler u. a.: Eine andere Welt ist möglich! (ULRICH BUSCH) 763 Rainer Rupp, Burchard Brentjes, Siegwart-Horst Günther: Vor dem dritten Golfkrieg (ANJA LAABS) 765 Gerhard Roth: Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert (ALJOSCHA JEGODKA) 767 Hans-Dieter Heumann: Deutsche Außenpolitik jenseits von Idealismus und Realismus. Mit einem Vorwort von Hans-Dietrich Genscher (STEFAN BOLLINGER) 768 Arne Heise (Hrsg.): Neues Geld – alte Politik? Die EZB im makroökonomischen Interaktionsraum (ULRICH BUSCH) 770 Erhard Meueler Lob des Scheiterns. Methoden- und Geschichtenbuch zur Erwachsenenbildung an der Universität (EVELIN WITTICH) 772 Hartmut Häußermann, Andreas Kapphan: Berlin: von der geteilten zur gespalteten Stadt? Sozialräumlicher Wandel seit 1990. (TERESA ZAVALA) 773 Vida Obid, Mirko Messner, Andrej Leben: Haiders Exerzierfeld. Kärntens SlowenInnen in der deutschen Volksgemeinschaft (MARTIN SCHIRDEWAN) 774 Joachim Bischoff, Sebastian Herkommer, Hasko Hüning: Unsere Klassengesellschaft. Verdeckte und offene Strukturen sozialer Ungleichheit, (FRIEDHELM WOLSKI-PRENGER) 775 Christian Höffling: Korruption als soziale Beziehung, Forschung Soziologie. (ARNDT HOPFMANN) 777 Ulrich Klemm: Lernen ohne Schule. Argumente gegen Verschulung und Verstaatlichung von Bildung. (ANDREAS MERKENS) 778 Summaries 780 An unsere Autorinnen und Autoren Impressum 784 VorSatz Zu den längst alltäglich gewordenen Unwörtern des Kapitals gehört – neben Dynamisierung, Flexibilisierung und natürlich Wettbe- werbsfähigkeit – auch der Begriff der Effizienz, dessen Bedeutung mit Bezug auf die gesellschaftliche Reproduktion salopp gedeutet werden kann als: ›aus weniger mehr machen‹. Spätestens seit etwa in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die hoffnungsfrohe Annahme Verbreitung fand, daß auch die gravierenden globalen Umweltprobleme letzten Endes marktförmig gelöst werden können, hat sich die Rede von der »Effizienzrevolution« – mitunter etwas verschämt – auch in den Zirkeln der Nachhaltigkeitsaktivisten und -forscher festgesetzt. Und die Zukunftsberichterstatter der Rosa-Luxemburg-Stiftung haben sich diesem offenbar unaufhaltsamen Trend kürzlich ausdrücklich angeschlossen – wie man im von Dieter Klein herausgegebenen Zukunftsbericht »Leben statt gelebt zu werden« (S. 230 ff.) nach- lesen kann. Dies ist zweifellos einigermaßen erstaunlich, insbesondere dann, wenn die wirkliche Geschichte der kapitalistischen Produktions- weise in Betracht gezogen wird, die unbestreitbar erst jene, die Exi- stenz der Menschheit bedrohenden Globalprobleme hervorgebracht hat. Die wirkliche Geschichte der Produktivkraftentfaltung unter ka- pitalistischen Verhältnissen stellt sich nämlich dar als stete Abfolge von »Effizienzrevolutionen«. Aus weniger Inputs – an Arbeitskraft und Material – mehr Output machen, war von Anfang an das Credo des Kapitals, zu dem es durch den Druck der Konkurrenz, bei Strafe des Untergangs, gezwungen wurde und wird. Allerdings hatten diese Umwälzungen des Produktionssystems und der Betriebsweise nie einen bleibend positiven Effekt auf den Verbrauch von Material und vor allem der Einsatz von (meist aus fossilen Quellen stammender) Energie. Die aus der Produktivitätssteigerung erwachsenden Ein- spareffekte wurden stets durch die Mengeneffekte einer beständig wachsenden Zahl an Gütern überkompensiert. Die bunte Welt der Waren verschlingt immer mehr Rohstoffe und Energie, während gleichzeitig die Halden der »Abfälle«, »Abwässer« und »Ablüfte« in den Himmel wachsen beziehungsweise zum Himmel stinken. Was trägt ein Auto zum Umweltschutz bei, das nur noch die Hälfte des Benzins herkömmlicher Vehikel pro 100 Kilometer verbraucht, wenn sich zur gleichen Zeit die Gesamtzahl der Gefährte verdreifacht? Nun, die besagten Zukunftsberichterstatter schreiben allerdings von einer »neuartigen« Effizienzrevolution, die mit einem »Nega- tivwachstum des Ressourcenverbrauchs« und einer »Reduzierung des stofflichen Konsums« einhergehen soll. Abgesehen davon, wie der Ressourcenverbrauch »negativ wachsen« (!) kann und soll – wahrscheinlich ohne sich zu verringern –, steht zu befürchten, daß das Konzept, aufgrund der fragwürdigen Begriffswahl für ein durchaus erstrebenswertes Entwicklungsszenario, von vorn herein mißverstanden wird. Der Leser gewinnt den Eindruck, daß hier ver- sucht wird, den Bedeutungsgehalt eines längst eingeführten und im Bewußtsein verinnerlichten Begriffes, quasi unter der Hand, umzu- deuten. Die Begriffswahl mag zweckdienlich erscheinen, wenn mit der »neuartigen« Deutung des Begriffsinhalts der Anschluß an gängige Diskurse gesucht wird, ohne gleich Zurückweisung und Diffamierung erfahren zu müssen. Ob allerdings auf diese Weise das Neuartige wirklich ins gemeinhin träge öffentliche Bewußtsein gerückt werden kann, ist zu bezweifeln. Warum wird mit Bezug auf den notwendigen Wandel in Produk- tions- und Konsumtionsmustern eigentlich so wenig von »Suffizienz« gesprochen? Suffizienz meint – im Gegensatz zu Effizienz, die auf ›mehr aus weniger‹ setzt – die grundsätzlich andersartige und dau- erhafte Lösung eines (Konsum)Problems, ohne Weiterbestehen des Zwangs zur (wenn auch zeitverzögerten) Ersetzung materieller Gü- ter durch neue. Suffizienzlösungen sind oft jedoch keineswegs so neu und revolutionär wie Effizienz basierte Schöpfungen. Wer erinnert sich zum Beispiel noch an die gute alte Speisekammer, die einen Kühlschrank überflüssig gemacht hat? In einer Region wie Mittel- europa, in der 200 Tage im Jahr speisekammer-günstige Tempera- turen herrschen, könnten wir – wie unsere Großeltern – auf Kühlschränke nahezu gänzlich verzichten, wenn allerdings die bau- lichen Voraussetzungen (wieder) geschaffen würden. Auch wäre die »flächenüberdeckende Automobilisierung« völlig unnötig, wenn Wohnen, Einkaufen und Arbeiten wieder in einen Raum zusammen- gebracht werden könnten, der Spaziergänge zwischen den einzelnen Tätigkeitsorten möglich und angenehm – und gesundheitsdienlich – macht. Wozu bräuchten wir immer effizientere Transportverfahren, wenn die übergroße Mehrzahl unserer Konsumgüter in der Region erzeugt würde, in der wir ohnehin leben? Vielleicht ist Suffizienz auch deshalb nicht so recht geheuer, weil dann auch der herkömmliche Begriff des Wachstums – ob nun »negativ« oder »positiv« – aufgegeben werden müßte?! ARNDT HOPFMANN UTOPIE kreativ, H. 153/154 (Juli/August 2003), S. 583-591 583 ULRICH BUSCH Agenda 2010 – das deutsche Programm für einen Gesellschaftsumbau Problemlage und Lösungsansatz Lange war der Himmel über der deutschen Wirtschaft nicht so ver- hangen wie zu Anfang dieses Jahrzehnts, die Lage so desolat und die Aussicht derart düster. Deutschland steckt in einer Krise, das ist un- übersehbar. Nicht nur konjunkturell, sondern auch strukturell – und es gibt wenig Hoffnung, daß sich die Situation kurzfristig und ohne massive Eingriffe in das Wirtschafts- und Sozialgefüge bessern wird. Eher ist von einer weiteren Zuspitzung der Lage auszugehen, einem anhaltenden Abwärtstrend in der wirtschaftlichen Entwick- lung und einer dauerhaften Stagnation – ein Szenario, das in fataler Weise an 1929/32 erinnert bzw. an Verhältnisse, wie sie in Japan be- reits seit 1990 anzutreffen sind. 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