SWR2 MANUSKRIPT

ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE

SWR2 LITERATUR

DAS TAL DER STIMMEN

40 JAHRE RAURISER LITERATURTAGE

VON WIDMAR PUHL

SENDUNG /// 23.03.2010 /// 22.05 UHR

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Literatur sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden erhältlich.

Bestellungen über Telefon: 07221/929-6030

Musik 01 Gesang Galsan Tschinag (kurz hoch & unterlegen)

Atmos: Wischblenden ( 01 Hunde, 02 Hühner, 03 Kuh im Stall)

- O-Ton 01 Galsan Tschinag 01 kurz – 0´23

Ich habe hier Menschen kennen gelernt, bevor ich sie sehen konnte. Die Frau Brita

Steinwendtner hat mich angemailt und gebeten, das ich kommen soll. Also diese Reise nach ist ja ein sentimentaler Ausbruch für mich.

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Erzähler:

Galsan Tschinag ist Häuptling und Schamane der Tuwa, eines kleinen Volkes aus der

Mongolei – und er ist Schriftsteller, der auf Deutsch schreibt. In Leipzig hat er

Germanistik studiert. Noch zu DDR-Zeiten. Jetzt ist er zu Gast in Österreich.

O-Ton 25: Tschinag 03 Berge – 0´33

Wir sind ja in den Bergen jetzt, und wenn ich in den Bergen bin, dann fühle ich mich immer wohl, denn ich bin ja ein Kind der Berge. Ich bin zur Welt gekommen auf einer

Höhe von 3500 Metern. Und Berge sind einfach meine Verwandte. Zum Berg sage ich

Großvater. Also ich bin hier sehr wohl beschützt unter lauter Großvätern. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. O-Ton 02 Bauer Hans Schlick im Kuhstall 01 – 0´34

Wie klingt Mongolisch? Wie singt man in der Mongolei? Wie ruft man sich zu? Welche

Freudensausdrücke, wie bei uns z.B. das Jodeln, oder das Rufen nach den Kühen usw.

Also hat er uns das auf Mongolisch vorgetragen, und das hat uns recht gut gefallen.

Also wir haben uns da so gegenseitig ausgetauscht. Und wir rufen eben „Kuadai,

Kuadai!“ Und er ruft „Kühkä, Kühkä!“. *Also wir haben echt uns amüsiert, wie ähnlich das doch wieder ist.

Atmos: Wischblenden (04 Fluss und Autos, 05 Kirchenglocken)

Erzähler:

Rauris ist ein Bergdorf im Salzburger Land. Wie viele andere Dörfer in Österreich lebt es von Landwirtschaft und Tourismus. Aber einmal im Jahr ist Rauris die Hauptstadt der deutschsprachigen Literatur. Seit 40 Jahren.

O-Ton 03 Brita Steinwendtner 01 kurz – 0´10 SWR2 MANUSKRIPT

Die Leute hören 3, 4 Stunden den Autoren zu, ohne nur irgendwie unruhig zu werden.

Es ist schon was Schönes.

O-Ton 04 Rasser 01 – 0´16

Diese Literaturtage haben es geschafft, in diesem Tal ein Bewusstsein für etwas zu schaffen, von dem man meinte, es sei nicht notwendig. Eine Autorin in Rauris ist nichts Besonderes. Und das macht das Schreiben hier einfacher.

- Atmo 06 Kindergartenlesung Stavaric 01 (frei bis „Hunde“) darüber:

Erzähler: Bitte beachten Sie: DasLesungen Manuskript im istKindergarten. ausschließlich Lesungenzum persönlichen, in der privaten Skihütte. Gebrauch Lesungen bestimmt. in der Jede Schule, weitere in der Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Gemeindebibliothek, in Gasthäusern und Bauernhöfen. Einmal im Jahr, fünf Tage lang.

Musik 02 : Singer Tanzmusi 01, darüber die Ansage

Ansage:

Das Tal der Stimmen: 40 Jahre Rauriser Literaturtage. Ein Feature von Widmar Puhl.

Kreuzblende Musik 02 – Atmo 04: Fluss und Autos

Erzähler:

Fährt man die Salzach von aus hinauf, geht es bei zwischen St.

Johann und steil hinauf ins Rauriser Tal. 3150 Menschen leben da. Uralte

Saumwege gibt es, Zeitgenossen von Ötzi sind hier durchgezogen, mit Salz aus Hallein auf dem Weg nach Süden. Im Talmuseum liegt ein Bronzeschwert aus der Zeit um

1300 vor Christus und ein vergoldeter Armreif um 400 vor Christus. Die Römer haben SWR2 MANUSKRIPT aus dem Schwemmsand der Rauriser Ache Gold gewaschen. Später ist das Tal

Goldgrube der Deutschen Kaiser und der Fürst-Erzbischöfe von Salzburg.

Erzähler (Atmo weiter):

Schneeschmelze. Ende März, Anfang April führt die Rauriser Ache Hochwasser. Die

Matten sind gelb-grün mit weißen Tupfen, die Fichten-Bannwälder schwarzgrün, die

Dreitausender im Nationalpark Hohe Tauern strahlend weiß, wenn die Sonne durch die

Wolken kommt.

O-Ton 05 Hohler 01 Grüße [Namens-Musik!] – 0´39 Bitte beachten Sie: DasIch Manuskriptgrüße Rauris, ist ausschließlich ich grüße St.zum Johann persönlichen, im Pongau, privaten GebrauchMaria Elend, bestimmt. ih grüße Jede weitereaber auch: Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Imst, Wörgl, Zürs, Flirsch, Floing, Fischamend, Kniegl, Uderns, Gurk, Hotzneusiedl,

Apfelwang, Mürzzuschlag, Heiligenblut, Vorderstoder, Judenburg, Völkermarkt,

Deutschheistritz. Wundschuh, Zwettl, Mittertrixen, Niederwölz, Obergurgl, Scheibs. St.

Thomas am Blasenstein, Bramberg am Wildkogel, Bruggern im Enstal, Villach-

Warmbad, Maria Pfarr.

Atmos: 07 Vögel, 08 Schmelzbach, 09 Brunnen

Erzähler:

Die Marktgemeinde Rauris liegt 950 Meter über dem Meer, ist aktenkundig seit 1120, hat 1800 Einwohner und dreimal so viele Fremdenbetten. Rauris war ein früher

Luftkurort, auch für die Landverschickung von Kindern mit Keuchhusten. Man war stolz auf das erste Schwimmbad im Land. Kindergarten, Hauptschule, zwei Skilifte, eine

Gondelbahn, eine Trachtenkapelle, eine Tankstelle. Das Gemeindeamt stammt aus dem Jahr 1350. Bürgermeister Robert Reiter gehört zur konservativen Volkspartei ÖVP. SWR2 MANUSKRIPT

O-Ton 06 Robert Reiter 01 : Prägende Erfahrungen – 0´17

Mein erster Autor, und das war auch sehr prägend, das war H.C. Artmann , der mehrfach in Rauris gewesen ist, weil der bei uns zu Hause zu Gast war, also der hat sogar bei uns gewohnt. … Dann hab ich mich auch für das Werk von Artmann zu interessieren begonnen und hab meine ersten prägenden Erfahrungen gemacht.

Atmo 05: Rauriser Kirchenglocken

Erzähler:

Vor der Kirche ein Gedenkstein: Uli Maier, Schiweltmeisterin 1989 und 1991, die bei Bitte beachten Sie: Daseinem Manuskript Sturz ums ist ausschließlich Leben kam. zum Weitere persönlichen, lokale privaten Prominenz Gebrauch: Der bestimmt. Unternehmer Jede weitere Ignaz Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Rojacher, der im 19. Jahrhundert den Goldbergbau für kurze Zeit wiederbelebte und

Rauris elektrische Straßenlampen bescherte, noch vor Wien. Roswitha Huber, die auf ihrem Hof in 1200 Meter Höhe Kindern das Brotbacken zeigt und Schreibwerkstätten organisiert. Und eine einheimische Schriftstellerin: Susanne Rasser.

O-Ton 07: Rasser 02 inspirierend, motivierend – 0´12

Ich würd genauso schreiben, wenn es die Literaturtage nicht gäbe. Das war inspirierend hin und wieder, aber mein Gedanke bei Lesungen, als ich noch sehr jung war, war immer: Hoffentlich muss ich da nie lesen!

Atmo 10: Publikum 01 vor Lesung

Erzähler:

Der erste Abend, Gasthof Grimming: Verleihung des Rauriser Literaturpreises für die beste deutschsprachige Prosa-Erstveröffentlichung. Preisgeld: 7.300 Euro. Früher waren es 100.000 Schilling. Das klang besser. Neben Geld und Ehre bringt der Preis SWR2 MANUSKRIPT eine Unterkunft in der Suite des einzigen Vier-Sterne-Hotels im Ort und ein beachtliches

Presse-Echo: Die „Salzburger Woche“ druckt eine Sonderbeilage, die „Salzburger

Nachrichten“ und der ORF berichten. -

Im Festsaal drängen sich 500 Menschen. Der Bürgermeister begrüßt die

Kulturministerin aus Wien und regionale Prominenz. Unübersehbar: das Fernsehen, auch ein großes Rudel von Schriftstellern ist da. Die Vertreter der Sponsoren tragen

Krawatten, ebenso die Politiker und die Professoren aus Innsbruck, Klagenfurt und

Salzburg, die ihre Studenten an reservierte Tische bugsieren. Zwischen den

Kulturbetriebsangehörigen zahlreiche Einheimische. Zum Beispiel die Zimmerwirtin

Marika Krackl. Sie ist jedes Jahr dabei: Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. O-Ton 08: Marika Krackl 01 – 0´31 (weiter über Atmo Publikum)

Das waren eben wirklich Menschen, mit denen wir am Anfang nicht viel anzufangen wussten. Eine andere Welt für uns. Man hat die Leute angeschaut, man hat gedacht – und wenn ich jetzt von meiner Warte ausgehe: man hätte vielleicht auch einen anderen

Beruf wählen können, wenn man gewusst hätte, dass es so etwas überhaupt – dass man das lernen kann. Und damit auch Geld verdienen. Seitdem geh ich hin, und es sind sehr interessante Menschen, eben andere Welten, die man da kennen lernt.

Erzähler (weiter über Atmo Publikum) :

Ebenfalls dabei: Isabella Gehwolf, die das Schaufenster ihres Frisiersalons mit Büchern dekoriert.

O-Ton 09 Friseuse Isabella Gehwolf (weiter Atmo Publikum) – 0´34

Die Leute können sich, wenn sie möchten, die Bücher auch gerne mitnehmen, mit dem Argument, dass sie einfach am Abend bei den Literatur-Vorlesungen vielleicht SWR2 MANUSKRIPT zu lange brauchen, bis sie ein Buch kaufen können und oder dass sie evtl. vorher auch schon das Buch lesen können, bevor sie zu einer Lesung gehen. Aber ganz wichtig ist es für mich, ganz einfach während der Einwirkzeit einer Haarfarbe oder während Wartezeiten oder sonstigem, dass der Kunde einfach lesen kann, außerdem können auch Leute reinkommen, sich hinsetzen, eine Tasse Kaffee genießen und einfach ein bisschen schmökern in den Büchern.

Atmo 11: Zapfhahn und Laudatio

Erzähler (bis * über Lesung als Atmo) :

Vor dem Preis kommt die Laudatio. An der Biertheke im Grimming wird weiter gezapft,

Bittebestellt beachten und serviert. Sie: Man trinkt, ißt, redet über Formalitäten der Preisverleihung hinweg Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung- bis die eigentliche und Verbreitung Lesung bedarf beginnt. der ausdrücSimonaklichen Ryser Genehmigung aus Zürich des ist UrhebersPreisträgerin. bzw. des SWR.

O-Ton 10: Lesung Simona Ryser (Ende: Husten) – 1´20 brutto

Da war ein Nachtregen gewesen. Die Wasserlachen klatschten unter Maries Schuhen.

Jetzt regnete es nicht mehr. Marie ließ sich von einem vorbeifahrenden Personenwagen nass spritzen und achtete auf die unanständigen Geräusche, die ihre Schuhe erzeugten. Noch 50 Schritte, dann hatte sie die Wahl: * crescendierende

Verkehrswellen im linken Ohr, zunehmende Stimmfragmente und Wortfetzen aus den allmählich öffnenden Läden im rechten Ohr. Oder ein plötzlich gestauchtes, leise grollendes Verkehrsrauschen im Hintergrund und klackende Schritte auf Pflasterstein im Vordergrund, dazu wenige, vermutlich mehrheitlich weibliche Stimmen, die aus

Boutiquen drangen, die für frühe Kundschaft schon öffneten. Marie entschied sich für das Klackgeräusch, das heute wegen des nassen Bodens allerdings eher gedämpfte

Viertel hergab. Sie blies den Atem auf vier Schritte aus. Rolläden wurden hochgefahren, eine Person benieste den frühen Frühling, ein Laden wurde beliefert, Klack, klack, SWR2 MANUSKRIPT klack. (Hustet) … Wie Sie unschwer erkennen können, bin ich erkältet. Kurzen Moment, ich trink nur noch mal ´nen Saft.

Musik 03: Klavier

Atmo 12: Reden Brenner

Erzähler

Den Preis verleiht David Brenner, stellvertretender Salzburger Landeshauptmann.

Bitte beachten Sie: DasO-Ton Manuskript 11: Brenner ist ausschließlich – 0´21 zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Als Politiker ist man ja permanent gefordert, möglichst viel möglichst schnell zu lesen, möglichst viele Informationen aufzunehmen. Und ich schlaf, und wenn ich um halb drei heimkomme, keinen Tag ein, ohne dass ich zumindest 1-2 Seiten in einem Buch gelesen hab. Das Problem ist, es gibt Bücher, so 700-800 Seiten, das ist teilweise relativ komplex, und wenn man das dann in der Nacht liest, liest man manchmal die gleiche Seite zwei Wochen. Aber ich hab mir mittlerweile einen Plan B zurecht gelegt, und der Plan B lautet: „Streichholzgeschichten“ von Umberto Eco . Maximal eine Seite, wenn man´s in Reintext auf einer A 4-Seite sehen würde. Kurze, geistreiche, lustige Geschichten, teilweise auch schräge Geschichten, und die sind dann auch fertig.

O-Ton 12: Ryser 02 zu Rauris – 0´20

Das war ein sehr, sehr herzlicher Empfang. Und auch die Landschaft ist sehr schön. Also ich bin da auch sehr angetan von der Landschaft. Ich habe jetzt schon viele Spaziergänge gemacht. Also auch bei jedem Wetter, das war im Anfang ganz verschneit und neblig hier, und jetzt unterdessen scheint die Sonne.

Atmo 13: Kaffeemaschine

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Erzähler:

Am nächsten Morgen im Frühstücksraum des Hotels. Der hustenden Preisträgerin geht es schon wieder besser. Sie hatte heilsame Begegnungen.

O-Ton 13: Ryser 02 Begegnungen – 0´32 z.B. mit dem Arzt, weil ich wirklich fast gar nicht sprechen konnte, als ich angekommen bin, und dann den ortsansässigen Arzt besuchen musste, und das war schon eine spezielle Begegnung, weil eine Arztpraxis und eine Apotheke in Rauris ist so was ganz

Anderes als in der Stadt, in Zürich, wo ich lebe. Also, das ist schon sehr anregend. Und also auch Leute in den Wirtschaften, oder auch im Hotel natürlich. Da trifft man doch Bitte beachten Sie: Dassehr, Manuskript sehr aufgeschlossene ist ausschließlich zumMenschen. persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Atmo 14: Arztpraxis & Apotheke Rauris

Erzähler:

Die Praxis von Dr. Josef Mühltaler ist zugleich die Apotheke fürs ganze Tal. Seit 1974 ist er in Rauris, und jedes Jahr kauft er sich das Buch des Preisträgers – mindestens.

O-Ton 14: Arzt Mühltaler 01 Lesemotivation – 0´38

1963, da hab ich mir überlegt: Wen würd ich auf die Weltreise mitnehmen, welche Literatur? So hab ich damals gesagt, das wär Adalbert Stifter, in allen seinen Bereichen. Also „Die bunten Steine“, „Nachsommer“: Das hat mich derartig fasziniert. Also für mich war immer die Mensch-Natur-Einbindung, das hat mich am meisten fasziniert: Wie geht es dir? Wie geht´s deiner Umwelt, wie steht dein soziales Netz, wie bist du also mit Freunden unterwegs? Was macht Sinn? Das such ich mir da raus.

O-Ton 15: Arzt Mühltaler 02 Exportartikel Selbstfindung - 0´45 SWR2 MANUSKRIPT

Ich hab heute das einem Patienten gesagt: Wenn Sie den ganzen Tag am Computer sitzen, Handy, Berufsstress, alles haben, wie glauben Sie dann, dass Sie gesund bleiben können? Das geht nicht. Sie werden mehr oder weniger – das ist so ein moderner Ausdruck – diesem Burnout entgegensteuern. Heut redet jeder davon, aber niemand will dagegen was unternehmen. Und hier treffen sich Welten: Von einem

Bergbauern, es ist schon ein Fremdenverkehr da, aber Leute, die hier urwüchsig

Jahrhunderte da gelebt haben, die treffen sich jetzt also mit solchen, die von der großen

Welt hereinkommen. Also das wär eigentlich der richtige Weg, sich zu finden, für sich selber, und das, glaub ich, ist a große Chance.

Bitte beachten Sie: DasMusik Manuskript 04 : Singer ist ausschließlich Tanzmusi, zum Squardance persönlichen, (alsprivaten Trenner) Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Atmo 15: Schellenkutsche (Kreuzblende & unterlegen)

Erzähler:

Pferdekutschen für Touristenausflüge. Wenn Schnee liegt, sind es Pferdeschlitten.

Auch Dichter fahren mit: vom Rauriser Hof ganz unten im Dorf bis zum Salzburger Hof ganz oben, zu einem öffentlichen Seminar mit Studenten aus Salzburg. Und mit der einzigen in Rauris geborenen Schriftstellerin: Susanne Rasser.

O-Ton 16: Rasser 03 Lebenswelt (weiter Glöckchen) – 0´27 Ich würde jetzt mal sagen, in der ersten Lebensphase meines Schreibens, in den ersten 20 Jahren, war das Dorf diese Lebenswelt, die ich kannte. Und was ist besser, als über das zu schreiben, was man kennt? Aber es wird nicht mein Dauerthema sein. Mich interessiert nicht das Dorf, sondern die Dorfgemeinschaft interessiert mich, die Menschen. Und ob die Berge 100 Meter hoch sind oder 3000, das ist mir wurscht.

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Erzähler (leise Musik 04 Squaredance darunter) :

Ein Tag der Rauriser Literaturtage ist einem Themenschwerpunkt gewidmet, „Literatur und Musik“ zum Beispiel oder „Spurensuche“ oder „Liebe“. Mittags lesen fünf, sechs

Autoren öffentlich in Rauriser Gasthöfen. Nachmittags beginnen die sogenannten

Störlesungen.

Atmo 16: Störlesung Örghof – davor (blenden & unterlegen)

Erzähler:

Störlesungen gibt es nur in Rauris, aber sie stehen nicht im Programm. Sie sind privat, Bitte beachten Sie: Dasohne Manuskript Einladung ist ausschließlicherfährt man zumweder persönlichen, Ort noch privaten Zeit. Die Gebrauch Lesungen bestimmt. heißen Jede nicht weitere so, weil Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. die Poeten stören. Das Wort kommt von Störzer, Landstörzer: dem Streuner, wandernden Krämer und Handwerker. In Rauris sind es streunende Dichter. Zum

Beispiel auf dem Örghof am Ortsrand.

Erzähler (weiter über Atmo Störlesung Örghof davor) :

Kuhstall, Scheune, Misthaufen. Über der Haustür steht das Erbauungsjahr des Hofs:

1553. In der Zufahrt parken mehrere Geländewagen, ein BMW mit Münchner

Kennzeichen und ein Mercedes aus Stuttgart. Drinnen, in der guten Stube mit

Herrgottswinkel und Kachelofen, begrüßt Örgbauer Frieder Krackl seine zwei Dutzend

Gäste.

O-Ton 17: Örgbauer Krackl 01, Begrüßung – 1´26 netto

Es war zwar net so wie der Jandl geschrieben hat in der Zürcher Zeitung, dass wenn i

über die Globalisierung kritisier, die Hirschgeweih an der Wand zittern, I ho des einfach deshalb do, weil i immer der Meinung war: Da sitzt eine ganze Reihe gscheiter Leute SWR2 MANUSKRIPT da, und da derf ma ruhig etwas ansprechen. Heuer, muss i sagen, brauch ma eigentlich

über die Globalisierung nimmer schimpfen, heuer redn ma a bissel über das Resultat. In der Zwischenzeit hammers ja do, die Finanzkrise, und neulich im Fernsehen is ma das so richtig aufgefallen, und unsere Politiker, der Bundeskanzler und der Vize, von einer

Null-Lohnrunde für Politiker gesprochen. Da hat´s bei mir natürlich g´schnackelt, ich mir das sofort ausgerechnet. … Drei Millionen Euro, nur eine Gehaltserhöhung nicht für unsere 900 Politiker, des san pro Bundesland eh nur 100, macht pro Mann 3000 Euro.

Wär für mich, als größten Milchlieferanten im Rauriser Tal, ein sattes monatliches

Milchgeld.

* Dann hab ich das weitergesponnen, hab ich das Geld natürlich sofort verteilt und Bitte beachten Sie: Dasverwendet. Manuskript Hab ist ausschließlich i denkt: 3000 zum Euro! persönlichen, Wenn die privaten 12 Johr Gebrauch keine bestimmt.Gehaltserhöhung Jede weitere hätten, Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. wären des für mi 12 Monatsmilchgelder, mal die Tausend, wären 1000 Bauern, die brauchten keine Milch mehr liefern, brauchten ihre Küh net füttern, könnt ma des Futter in eine Biogasanlage geben, hätt man die Methan-ausstoßenden Viecher weg und der

ökologische Fußabdruck wär wunderbar!

O-Ton 18: Lesung Achleitner 01 „Stammgast“ – 1´11 brutto

Der richtige Stammgast kommt solo, sein Auftreten ist gönnerhaft. Man kann nicht behaupten, dass er geliebt wird. Die angekündigte Ankunft des Stammgastes löst

Unruhe aus, sogar bei den anderen Stammgästen: „Das war doch dieser Ekeltyp, der im Vorjahr… War das nicht dieser Choleriker, der jedes Mal im Speisesaal die Fenster aufriss, wenn sich ein Gast eine Zigarette anzündete?“ Der wirkliche Stammgast trägt das Wort „Stamm“ in seinem Wappen als Gast. Er fordert Privilegien ein, die ihm nicht zustehen. * Der Stammgast beansprucht immer das gleiche Zimmer, obwohl er sich das erste Mal darüber heftig aufgeregt hat. Der Stammgast vermerkt, dass die

Zwiebelsuppe im Vorjahr besser war, obwohl er verlangte, den Koch zu entlassen. Er SWR2 MANUSKRIPT droht bei jeder Gelegenheit mit der Abreise oder dem Ausbleiben, ohne zu ahnen, dass alle auf seine Abreise und sein Ausbleiben hoffen. Die Küche wird für ihn von Jahr zu

Jahr schlechter, das Personal und das Wetter sowieso.

Erzähler:

Der literarische Streuner an diesem Nachmittag ist Friedrich Achleitner, Altmeister der legendären Wiener Gruppe: Schriftsteller, Architekt, Architekturkritiker und

Alltagskolumnist: Architektenalltag.

O-Ton 19: Achleitner 02 „Federieren“ – ca. 1´00 (mit Applaus) Bitte beachten Sie: Das„Der Manuskript Tisch wackelt ist ausschließlich nicht, Herr zum Architekt, persönlichen, er federi privatenert.“ Gebrauch Damit warbestimmt. nicht Jede nur weitereklargestellt, Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. wer der Meister und Fachmann war, sondern dass sich in einem einfachen Tisch zwei

Weltzustände manifestieren können. Der einfache mechanische Defekt, den ein

Tischler nie zulassen würde, und ein höheres Prinzip der Baukunst, das elastische

Schwingen. Das Prinzip des Nachgebens und des zarten Widerstands, das im

Schwingen des Schilfs oder der Weide, ja in jedem Baum, unübertroffen zum Ausdruck kommt: eben das Federieren. … „Aber Meister“, sagte ich ein wenig überheblich, „das

Wackeln ist doch an sich nichts Schlechtes. Schließlich gibt es den berühmten

Wackelstein! Und deswegen fahren sogar die Wiener in den Wienerwald.“ – „Ja, ja“, antwortete er prompt, „aber keine Tischler“.

Atmo 17: nach Störlesung Achleitner (bei 0´23 „Lüften“)

Erzähler:

Nach der Lesung gibt´s Kaffee und Kuchen - und Zeit zum Reden. Über Literatur, das

Lesen und das Leben. SWR2 MANUSKRIPT

O-Ton 20: Publikum im Gespräch nach Störlesung – 2´19

Wenn man ein Elternhaus hat, wo man nicht diese Chance wahrnehmen kann, es gibt keine Bücher, man wird nicht mehr oder weniger drauf vorbereitet, und trotzdem kommen solche Persönlichkeiten heraus, das da auch eine genetische Determination stattfinden muss und da sein muss, dass das genetisch angelegt ist. Und dass man dann vielleicht viel schneller später, wenn man die Chance nützen kann, das wahrscheinlich umsetzen kann: So könnt ich mir das vorstellen. – Mir ist gerade hier in

Rauris bewusst geworden, bei den Gesprächen über die Kindheit, dass viele Literaten also in Elternhäusern aufgewachsen sind, wo sie nicht die geringsten geistigen Anstöße Bitte beachten Sie: Daserhalten Manuskript haben. ist ausschließlichAuch die Schulbildung zum persönlichen, war minimal.privaten Gebrauch Und trotzdem bestimmt. haben Jede weiteresie sich Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. nachher entwickelt , also großartig! ich komm aus Zell am

See, wo ich schon seit 20 Jahren lebe, seit meiner Pensionierung, aber ich bin gebürtiger Hamburger. Und diese Literaturtage in Rauris sind für mich einmalig. Also es gibt in dieser Art auch in Deutschland nichts Vergleichbares. Und für uns ist das wirklich mit ein Höhepunkt des Jahres. Auch diese Störlesung. Das ist einmalig.

Einmalig! – Ich glaub oft, so Alpentäler: Diese Potenzial , was eigentlich da ist, das wird eigentlich zu wenig erkannt. Ob´s jetzt die Natur ist, die Landschaft, die Menschen, das

Drum und Dran: Das da gewaltige Ressourcen da sind. Und da ist die Überlegung, wie

Sie sagen: Wenn einer aus seiner Kindheit nicht die Voraussetzungen hat, wie kann das passieren, dass er das geschafft hat? Da gibt´s genügend Beispiele in der

Geschichte, ich denk, auch in vielen anderen Berufsbereichen, dass man nur staunt. SWR2 MANUSKRIPT

Das Potenzial wartet, es muss nur irgendwo geweckt werden. Und das dürfte Ihnen so ergangen sein.

Atmo 18: Nach Störlesung Örghof (unterlegen)

Erzähler:

Unter den Gästen der Störlesung ist auch Professor Henning Wiesner, Veterinär und

Direktor des Münchner Tierparks Hellabrunn. Er kam schon als Kind nach Rauris.

O-Ton 21: Wiesner 01 Anfänge in Rauris – 0´46 Bitte beachten Sie: DasJa, Manuskriptjetzt bin ich ist 65,ausschließlich da war ich zum 11 persönlichen, Jahre, also privaten vor 44 Gebrauch Jahren. bestimmt.Das ist a Jede Zeitl weitere her! Der Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Grimming als Gasthof, sonst gab´s hier überhaupt noch keine Touristenmöglichkeiten.

Und der Doktor Rosner, der hier der Sprengel-Arzt war, den hatte meine Mutter, die war

Ärztin, Gott hab sie selig, auf einem Kongress kennen gelernt, da ging´s um historische

Medizin, das war das Hobby von ihm. Und da hat er gemeint: Kommt uns doch mal besuchen in Rauris, das ist so schön, da ist noch alles ganz ruhig. Und der war

Hausarzt von den Loitfellners. Und da ist er zur Mama, zur alten Loitfellner, und hat gesagt: Du, da hab ich Leut für dich, ihr habt oben im Stock noch was frei. Räumt mal auf, und dann könnt ihr da Urlaub machen.

Erzähler (weiter über Atmo) :

Eine alte Rauriserin erkennt Wiesner wieder. Vor Jahren als junger Tierarzt hatte er ihr

Stiersalbe als Gesichtscreme empfohlen.

O-Ton 22: Wiesner 02 & Jugendflirt beim Örgbauer – 0´28 SWR2 MANUSKRIPT

Herr Professor! – Ja Grüß Gott, das hat dir gut getan, die Stiersalbn, gell! – Ja was glaubst denn! Aber ich weiß nix mehr, ich hab Alzheimer. – Da passt´s eh. Die

Stiersalbn, weißt nimmer? Die gelbe? – Na ja, des weiß i scho, aber dass ihr mir einschmierts, ihr hätt´s euch doch nie traut, mir was zu tun! – Du bist mir ja nachgelaufen…!

Musik 01: Gesang Galsan Tschinag (blenden, unterlegen)

Erzähler:

Auch Galsan Tschinag, der Schamane und Germanist, ist zu einer Störlesung Bitte beachten Sie: Daseingeladen: Manuskript auf ist ausschließlichdem Bergbauernhof zum persönlichen, von Hans privaten Schlick Gebrauch liest er bestimmt. – auf Deutsch. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

O-Ton 23: Tschinag 01 Deutsche Sprache – 0´31

Ich hab irgendwie intuitiv erfühlen können, dass die deutsche Sprache mir in den schweren Stunden eine Rückenstütze, ein Gefühlsaufheller, Seelen-Aufwärmer und ein guter Grundboden sein könnte. Die deutsche Sprache war meine Mutter, meine

Geliebte, mein Kind und mein Trost.

Erzähler (über Gesang oder Atmo Rauriser Hof) :

Galsan Tschinag hat die Mythen und Erzählungen seines Volkes auf Deutsch niedergeschrieben, denn die Tuwa haben keine Schriftkultur. Zusammen mit seiner

Autobiographie und mehreren Romanen hat er bisher 26 Bücher verfaßt.

O-Ton 24: Tschinag 02 Volkes Stimme – 0´21

Ich möchte ja die Stimme meines Volkes sein. Wenn man keine Schrift besitzt und wenn man nur eine Minderheit ist in einem kleinen Land drin, dann hat man keine SWR2 MANUSKRIPT

Stimme. Dann wird man nicht gehört, dann wird man nicht gesehen, und mit einem rechnet die Welt nicht.

Atmo 19: Motorsäge Schlick-Hof

Erzähler:

Störlesungs-Gastgeber Hans Schlick baut gerade mit Hilfe des Sohnes sein Altenteil aus.

O-Ton 26: Bauer Schlick 01 – 0´44

Ja, unser Betrieb liegt auf 1140 Meter heroben. Wir bewirtschaften 8 Hektar Wiese, Bitte beachten Sie: Dasund Manuskript 20 Hektar ist Wald ausschließlich und Alm zum und persönlichen, Weide. Von privaten die 8 Gebrauch Hektar werden bestimmt. 6 JedeHektar weitere zweimal Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. gemäht, und 2 Hektar wird nur einmal gemäht. Die werden auch nicht gedüngt und die müssen vorwiegend mit den Sense abgemäht werden, weil das ist so steil, dass man mit keiner Maschine gar net fahren kann. Die Milch wird dann verarbeitet am Hof. Die Frau und die Schwiegertochter, die machen jeden Tag an Kas, und zweimal die Woche tun sie Butter machen. Und die Leut kommen zu uns und kaufen uns das am Hof auch ab.

Atmo 20: Kuhstall

Erzähler:

Im Winter arbeitet Hans Schlick zusätzlich als Aushilfe beim Skilift. Und im Sommer als Ranger im Nationalpark Hohe Tauern.

O-Ton 27: Bauer Schlick 02 – 0´43 unsere Themen sind vielfältig. Das geht von Naturschutz über Biologie, Gletscherkunde, Vogelkunde, Wald, Wasser, aber auch das Historische. Da bin ich auch zum Lesen gekommen. Und grad bei den Führungen im Nationalpark hat man´s immer wieder mit den verschiedensten Leuten zu tun, die auch wieder erzählen, wie es in der Welt zugeht. Und das interessiert einen SWR2 MANUSKRIPT schon. Ja, und am besten geht´s, wenn man liest. Da kann man sich am meisten merken.

Atmo 20: Kuhstall (noch mal)

Erzähler:

Warum er den Mongolen Galsan Tschinag zur Lesung eingeladen hat ?

O-Ton 28: Bauer Schlick 03 Der Mongole – 1´18

Wir waren 12 Leute, so rund um den Bauerntisch, und jeder hat sich halt zuerst einmal

Bitteinteressiert, beachten er Sie: möge erzählen über sich selber, über sein Leben, über seine Arbeit und Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigungvor allem auch und über Verbreitung sein Land bedarf und der seine ausdrüc Leute,klichen wie Genehmigung sie dort leben. des Urhebers Die haben bzw. desja doch SWR. eine ganz eine andere Sichtweise wie wir. Es sind Nomaden . Obwohl: Im ältesten Sinn sind wir auch Nomaden. Wir ziehen im Sommer auf die Alm mit unseren Tieren und sich auch nicht am Hof. Aber grad die Wintermonate sind wird dann doch wieder am

Hof. Und da kamen interessante Fragen. Also: Wie klingt Mongolisch ? Wie singt man in der Mongolei? Wie ruft man sich zu? Welche Freudensausdrücke, wie bei uns z.B. das Jodeln, oder das Rufen nach den Kühen usw. Also hat er uns das auf Mongolisch vorgetragen, und das hat uns recht gut gefallen. Wir haben uns da so gegenseitig ausgetauscht . Und wir rufen eben „Kuadai, Kuadai!“ Und er ruft „Kühkä, Kühkä!“. Also wir haben echt uns amüsiert, wie ähnlich das doch wieder ist.

Musik 05 : Singer Tanzmusi Schuhplattler (als Trenner)

Erzähler (darüber) : SWR2 MANUSKRIPT

40 Jahre Rauriser Literaturtage. Die Schriftsteller kamen zugleich mit dem Fernsehen.

Erst seit 1970 gibt es im Tal Empfang. Und seit es Empfang gibt, hat das Tal auch etwas zu senden: Literaturbotschaften. Erfunden haben die Literaturtage der Journalist

Erwin Gimmelsberger und die damalige Leiterin des Rauriser Literaturvereins Dorothea

Grannegger. „Wie das Experiment enden wird, weiß niemand“, stand damals in den

Salzburger Nachrichten. Es waren unruhige Jahre. 1968 bebte nach. Schriftsteller galten als besonders radikale Geister. Was würden sie tun in Rauris? Günter Eich jedenfalls erschreckte einen Reporter.

O-Ton 29: Günter Eich 1972 , Anarchistische Neigungen – 0´26 Bitte beachten Sie: DasIch Manuskripthabe gewisse ist ausschließlich anarchistische zum persönlichen, Neigungen. privaten Das ist Gebrauch halt so. bestimmt. Also das Jede gab weitere ich zu. Und Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. warum auch nicht? Also ich bin mit der Welt nicht sehr zufrieden, das kann ich nicht sagen. Ich bin aber auch nicht nur mit der Welt nicht zufrieden, sondern schon mit der vorhandenen Schöpfung nicht zufrieden. Die missfällt mir schon außerordentlich.

Erzähler

Seit 1990 leitet die Salzburger Autorin Brita Steinwendtner die Rauriser Literaturtage.

Sie war schon 1972 als Studentin dabei, dann als Förderpreis-Trägerin und als

Journalistin.

O-Ton 30: Steinwendtner 02 Anfänge – 0´26

Bei den ersten Rauriser Literaturtagen hat z.B. Thomas Bernhard gelesen, aus dem

„Kalkwerk“. Peter Handke...

O-Ton 31: Handke-Lesung (Herkunft: hoch ab *) – 0´39 brutto SWR2 MANUSKRIPT

Die allgemeine Mittellosigkeit war so groß, dass Kleinbesitz an Grundstücken noch ganz selten war. Praktisch herrschten noch die Zustände vor 1848, gerade dass die formelle Leibeigenschaft aufgehoben war. * Mein Großvater , er lebt noch und ist heute

86 Jahre alt, war Zimmermann und bearbeitete daneben mit Hilfe seiner Frau ein paar

Äcker und Wiesen, für die er einen jährlichen Pachtzins ablieferte. Er ist slowenischer

Abstammung und unehelich geboren, wie damals die meisten Kinder der kleinbäuerlichen Bewohner, die, längst geschlechtsreif, zum Heiraten keine Mittel und zur Eheführung keine Räumlichkeiten hatten.

O-Ton 30: Steinwendtner 02 Anfänge – 0´26 ff. Bitte beachten Sie: DasAdolf Manuskript Muschg, ist Uwe ausschließlich Johnson zum waren persönlichen, Gäste der privaten ersten Gebrauch Stunde. bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

O-Ton 32: Uwe Johnson Lesung (Gesine Crespahl) – 0´55 brutto

Es wurde behandelt als ein vollständig gewöhnliches und anständiges Thema, und wenn eine Hausfrau abstritt, dass in ihrer Wohnung Schaben mitlebten, gab sie das bald auf, unter mitleidigen oder spöttischen Blicken, die sie der Heuchelei bezichtigten.

*Von der Schabe wurde mit Respekt gesprochen, mit Hass, komischer Verzweiflung, systematischer Sachkenntnis, und durchaus wie von jemand Unbesiegbarem. Denn sie fressen alles: vom trockenen Möbelleim bis zur Zündmasse am Zündholz. Und mag ihnen ein Gift eine Zeitlang zu schaffen gemacht haben, nach wenig Jahren haben sie ihre Abwehrstoffe entwickelt und nehmen als Dessert zu sich, was ihr Verderben hat sein sollen. **Wenn eine der älteren Matronen von dem glücklichen Jahr 1940 erzählte, als CHLORDAN noch gegen die Schaben verschlug, so wurde das angehört nicht als

Folklore, sondern als ein Stück amerikanischer Nationalgeschichte.

O-Ton 30: Steinwendtner 02 Anfänge – 0´26 ff. SWR2 MANUSKRIPT

Das hat sich die ersten zehn Jahre wunderbar entwickelt.

Erzähler:

1974: Karin Struck bekommt den Rauriser Literaturpreis für ihren Roman

„Klassenliebe“.

O-Ton 33: Karin Struck aus „Klassenliebe“ – 0´46 brutto

Aus dem warmen Bett aufstehen und sich nackt vor die Schreibmaschine setzen , weil es so heiß ist im Zimmer, nicht auf die Post warten. Morgens schlafen können, bis man von selber erwacht: Vom 7. bis zum 20. Lebensjahr musste ich aufstehen, wenn Bitte beachten Sie: Dasich nochManuskript gar nichtist ausschließlich ausgeschlafen zum persönlichen, hatte. Wer privaten muss DaGebrauchs nicht? bestimmt. Meistens Jede nach weitere nur Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Stunden Schlaf. (0´29)

* Und wie ich mir die Haare aus dem Gesicht geschüttelt hab, und erst mein Vater und mein Bruder und meine Mutter. Der Weg zur Schule ist immer weit. Mit dem Fahrrad 14 km täglich nach Erlinghausen zum Gymnasiumsgefängnis. Sechs Jahre lang.

O-Ton 34: Steinwendtner 03 Sex (über Struck ab*) –0´24 Wie Karin Struck für „Klassenliebe“ den Preis bekommen hat, war das natürlich Mitte der 70er Jahre noch nicht so einfach, über Erotik und Sex vor Schülern und vor einer bäuerlichen Bevölkerung zu lesen. Das war damals ein kleiner Skandal. Das wäre heute undenkbar.

Erzähler (bis * über O-Ton ORF als Atmo) :

1977. Originalton ORF-Studio Salzburg:

O-Ton 35: ORF 1977 Leseverhalte n – 0´32 (brutto) SWR2 MANUSKRIPT

Eine vom ORF in Auftrag gegebene Studie über das Lesen auf dem Lande hatte in

Rauris ebenfalls Premiere. * Universitätsprofessor Karl-Heinz Rossbacher und Dr.

Walter Hömberg sind der Frage in einer empirischen Untersuchung nachgegangen, die zu bedenkenswerten Ergebnissen gekommen ist. So viel steht fest: 47 Prozent, nahe die Hälfte der Salzburger Landbevölkerung, liest überhaupt kein Buch. [Wenn gelesen wird, so hauptsächlich aus einem Bedürfnis nach Unterhaltung.]

Musik 06: Hohler, Cello-Tonleiter (unterlegen und blenden)

Erzähler (darüber) : Bitte beachten Sie: Das1977: Manuskript Gertrud ist Fussenegger ausschließlich zumpräsentiert persönlichen, literarische privaten GebrauchFamilienfotos. bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

O-Ton 36: Fussenegger, Lesung 1977 – 1´10 (brutto)

Alle Fehler, die wir begangen haben, mein lieber Fips, zu unserer Zeit, in unserer Welt, sie kommen Euch Jungen so ganz abscheulich vor. Und wenn wir damals stolz und starr wie ausgestopfte Puppen in die Linse gestarrt haben beim Fotografieren, so nennt

Ihr das jetzt Popanzerei und Lächerlichkeit. Ihr macht jetzt Schnappschüsse, 100 an einem Ferientag, in Hunderstel Sekunden, und denkt nicht, dass es eines Tages

Eueren Nachkommen überlassen sein wird, Euere Bilder auszugraben und zu beurteilen. * Und wie werden diese Urteile dann ausfallen? Aber mach Dir nichts draus, mein lieber Fips, es wird wohl immer eine gewisse rachsüchtige Bosheit geben zwischen den Generationen. Und als Bosheit hab ich´s auch genommen, dass Du mir dieses Bild geschickt hast zu meinem 87sten. Denn Du warst schon immer ein Ekel, und ziemlich infam.]

Erzähler (Über Fussenegger ab *): SWR2 MANUSKRIPT

1985: Herta Müller erhält den Rauriser Literaturpreis für ihre Erzählung „Niederungen“.

Da lebt sie noch in Temeswar. Erst zwei Jahre später wird sie ausreisen.

O-Ton 37: Herta Müller Lesung 1985 – 0´23

Wenn die Nacht von jedem den Suff nimmt, müsste sie gegen Morgen voll sein bis zu den Sternen. Es trinken so viele in dieser Stadt. Der Schnaps wächst zwischen den

Karpaten und der dürren Ebene, im Hügelland. Da stehen Pflaumenbäume, dass man die winzig kleinen Dörfer dazwischen kaum sieht. Ganze Wälder, im Spätsommer blau angeregnet. Die Äste tragen sich krumm.

Bitte beachten Sie: DasO-Ton Manuskript 30: Steinwendtner ist ausschließlich 02 zum Anfänge persönlichen, – 0´26 privaten ff. Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Das hat sich die ersten zehn Jahre wunderbar entwickelt. Die zweiten zehn Jahre ist es bergab gegangen. Ich hab´s dann übernehmen dürfen, und ich glaub, es geht sehr gut.

Musik 06: Hohler, Cello-Tonleiter

Erzähler:

1993 kommt der Schriftsteller Dzevad Karahasan aus dem belagerten Sarajevo.

O-Ton 38: Dzevad Karahasan – 0´46 brutto

Die Leute, die als Lehrer, als Industriearbeiter, als Bahnarbeiter usw. nach Bosnien kamen, wurden bei uns in Bosnien „Kuferashi“ genannt, Leute mit den Koffern. Dieses

Nomadische funktioniert sehr schwierig, wenn man sich mit der Sprache beschäftigt. Ich bin kein inspirierter Künstler, ich bin ein alter Professor, Handwerker, der, um schreiben zu können, seine Bibliothek braucht. [Und Bibliothek – ist bekannterweise ein sehr schwieriges Ding.] SWR2 MANUSKRIPT

O-Ton 39/Atmo Dragana Tomasewicz, Serbisch (blenden) - 0´09

Sprecherin (Overvoice) :

Seine Frau ist Serbin, die Belagerer von Sarajewo sind serbische M ilizionäre.

Bürgermeister Reiter hat den beiden die Hand gedrückt:

O-Ton 40: Bürgermeister Robert Reiter 02 – 0´28

Sagen wir mal so: Da interessiert einen dann der Mensch in der Lage, wenn er aus einem Kriegsgebiet direkt kommt, da gibt´s viele Fragen, und das ist dann schon so, dass das einen bewegt, weil man ja weiß, hier finden in Rauris Literaturtage statt, und unmittelbar, 300, 400 km daneben, das war ja bitte so: 300-400 km, das Bitte beachten Sie: Dasist eine Manuskript Strecke ist ausschließlichvon Rauris nach zum persönlichen, Wien, findet privaten Krieg Gebrauchstatt! bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Das kann man nicht mit „Spannung“ bezeichnen, sondern das ist eigentlich ein erschütterndes Erlebnis gewesen für mich.

Musik 07: Laederach Impro (unterlegen)

Erzähler:

1997 heißt das Motto „Literatur und Musik“. Der Schweizer Jürg Laederach improvisiert auf der Klarinette. Sein Landsmann und Kollege Franz Hohler – nebenbei Cellist – erzählt.

O-Ton 41: Hohler 1997 „Die Schöpfung“ – 0´36

Am Anfang war – nichts. Außer Gott. Eines Tages bekam er eine Gemüsekiste voller

Erbsen. Er fragte sich, woher sie kommen konnte, denn er kannte niemanden außer sich. Er traute der Sache nicht ganz und ließ die Kiste einfach stehen. Oder eher: schweben. Nach sieben Tagen zerplatzten die Hülsen und die Erbsenkugeln schossen mit großer Gewalt ins Nichts hinaus. SWR2 MANUSKRIPT

O-Ton 43: Jandl/Meixner 02 Duett „So bitter“ – 1´07 (einblenden)

Erzähler (Über Musik Jandl/Meixner) :

1998 liest Ernst Jandl, begleitet von Erich Meixner am Akkordeon.

[Hot ana erscht damit a´gfangt, kann a nimmer damit aufhern.

O, die Wölt is so bitter, und da Himml so fern!

O, die Wölt is so bitter, und da Himmi so fern!]

Wos die bittn duan und bedeln, glaubst, i dadat des hörn? Bitte beachten Sie: DasO, die Manuskript Wölt is ist so ausschließlich bitter, und dazum Himml persönlichen, so fern! privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Und wann´s alle mitanand dahungern, friss i doppelt so gern:

O, die Wölt is so bitter, und da Himml so fern!

Dos i alle kaputtmach, glaubst, des dadat mi störn?

* O, die Wölt is so bitter, und da Himml so fern!

O, die Wölt is so bitter, und da Himml so fern!

Erzähler (über Refrain ab *) :

Natürlich ebenfalls zu Gast: die Lyrikerin Friederike Mayröcker.

O-Ton 44: Mayröcker “Tonarten des Weiß“ – 0´33

Tonarten des Weiß. Für meine Mutter. // Mit diesem Schnee in den Augen /

Augenschnee, ewigem Schnee / mit diesen Schneeaugen, Abdruck der Hände im

Schnee / Abdruck der Füße im Schnee / Deine Spur im Himmel: / Dunkle Wintervögel im Weißen, / Dein schneeiger Schlaf. / Deine Augen voll Schnee, / Ich bin nicht mehr /

Ich bin schon nicht mehr da / Ganz leise / gleitet sie hinweg. SWR2 MANUSKRIPT

Erzähler (von * bis ** über Schrott als Atmo) :

1996 erhält Raoul Schrott den Rauriser Literaturpreis. Er liest zweisprachig.

O-Ton 45: Raoul Schrott Latein/Deutsch – 0´53 (1´19 brutto)

Lugete, o veneris cupidinisque *cuantum dominum venustorum: passer mortuus est, vae puella, et passer delicia… (bis 0´26) **

Weint, Venus und ihre Amoren, und all das, was in einem Mann nach der Lust verlangt:

Meinem Mädchen ist der Spatz gestorben. Spatz, meines Mädchens Spätzchen, den sie mehr liebte als ihre zwei Augen: Warst süßer als Honig, kanntest sie besser als ein Bitte beachten Sie: DasKind Manuskript die Mutterbrust, ist ausschließlich wolltest zum dich persönlichen, von ihrem privaten Schoß Gebrauch nie trennen, bestimmt. hüpftest Jede weiterebald hier, bald Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. dort hinein, rund um sie herum, und pfiffst ihr dabei ins Ohr. Jetzt aber flatterst du jene dunkle Gasse hinab, die keiner zurückkommt, wie´s heißt. [Seid verflucht! Ihr verfluchten Schatten des Orkus, der alles Schöne verschlingt! Es war so schön, bis er mir den Spatz stahl.]

Erzähler:

Manchmal gab es auch Theater. 1999 die Uraufführung von „Nacht“, dem ersten Stück von Susanne Rasser. Im Jahr 2000 „Mohr im Hemd“ von Bodo Hell, eine Satire auf die

Literaturtage:

O-Ton 61: Theaterszene 2000 „Mohr im Hemd“ – 0´44

Traumwerkstatt für Kinder! Traumwerkstatt für Erwachsene! – Künstler erheben die scheinbar unscheinbaren Orte zur höheren Weihe. Prominente verleihen der

Umgebung die nötige Aura. Touristen folgen ihnen interessiert nach. – Vorsicht,

Killerphrasen! Hinter freundlichen Formulierungen steckt oft eine negative Botschaft! – SWR2 MANUSKRIPT

Reisen als Mythenkonsum! Abenteuerurlaub unter kontrollierten Bedingungen! –

Tagsüber programmierte Märchenwelten, Abends pünktliches Essen! – Ohne Struktur wird auch das Unmögliche sich nicht ermöglichen lassen. – Belanglos!

Erzähler: Skandale gab es selten in Rauris. Nur hin und wieder lautstarke Feiern, Alkoholexzesse, Raufereien im Vollrausch unter Freunden – und unter Gegnern mal ein heftigerer Verbalaustausch. 1979 bekommt Werner Herzog den Rauriser Literaturpreis – und Riesenkrach mit Jürg Laederach. Nach der Lesung, als die Mikrophone abgeschaltet sind, liefern sich die beiden ein Schrei-Duell.

O-Ton 62: Steinwendtner 04 Herzog – Laederach – 0´22 BitteWerner beachten Herzog Sie: hat ja, so viel ich weiß, nie mehr ein literarisches Buch geschrieben, Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigunges ist der berühmte und Verbreitung Regisseur, bedarf und der daausdrüc ging´sklichen um GenehmigungFaschismus. des Und Urhebers Laederach bzw. des hat SWR.

Werner Herzog eine latente Neigung dazu, oder hat sich auf eine Äußerung berufen, und da sind wirklich die Fetzen geflogen. Ja.

Erzähler (weiter über Atmo Restaurant) :

Nachhaltiger als Auseinandersetzungen blieben literarische Entdeckungen.

O-Ton 63: Steinwendtner 05 Mix Autoren, Publikum – 0´26

Z.B. Herta Müller, Thomas Hürlimann, Franz Innerhofer, Thomas Lehr usw. sind doch Entdeckungen von Rauris gewesen. Und dieses Gemisch aus arrivierten und neuen Autoren, und einem Publikum, das sich aus Universitätsprofessoren, Studenten von weit und breit, Feriengästen, die da drinnen Skifahren gehen: Diese Mischung macht glaub ich den Reiz und die Stimmung aus.

Erzähler (weiter über Atmo Restaurant) : Vor allem wenn die Veranstalterin und Organisatorin gleichgestimmt ist.

O-Ton 64: Steinwendtner 06 Diplomatie – 0´17 SWR2 MANUSKRIPT

Ich bin eher ein bewundernder Mensch. Ich neige eher zum Wertschätzen, zum Achten, ich bin sehr neugierig, und das erleichtert mir möglicherweise, mit Menschen umzugehen.

Erzähler Nur einmal ist Brita Steinwendtner zornig heworden. 1997 hat sie den umstrittenen

Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch zu einem Orgelkonzert eingeladen. Seine

Malaktionen, bei denen auch Schweineblut fließt, vor allem sein so genanntes Orgien-

Mysterientheater mit Lärmorchester und Schrei-Chören provozieren Kirchen, Bürger und Behörden. Rauris diskutiert noch, wer die nagelneue Orgel überhaupt spielen darf,

Bitteals ein beachten anonymer Sie: Brief aus Wien mit Nitsch-Zitaten die Literaturtage zur Zielscheibe von Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere VervielfältigungFanatikern macht. und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

O-Ton 65: Steinwendtner 07 zu Nitsch 1997 – 0´35 bis Applaus

Das Programm der Rauriser Literaturtage war über Monate hin bekannt. Ein Problem, das entsteht, ausgelöst durch einen anonymen Brief, der ganz bewusst Zerstörung anstrebt, hat für mich persönlich dieselbe Quelle wie jene anonymen Briefe, die

Bomben einschließen, um Menschen zu verletzen oder sogar zu töten. Und ich glaube nicht, dass man sich Machenschaften dieser Art beugen sollte, und es würde mich freuen, wenn Sie meiner Meinung sind. (Applaus)

Erzähler:

Früher gab es auch literarische Veranstaltungen in der Kirche von Rauris, aber jetzt nicht mehr. Der Pfarrer ist ein anderer als damals. Und vom Buch der Bücher abgesehen hat er wenig Interesse an Literatur.

SWR2 MANUSKRIPT

Musik 08: Singer Tanzmusi Jodler (blenden, als Trenner)

Atmo 21: Kreuzblende auf Kindergarten – kurz frei stehen lassen

Erzähler:

Zurück in die Gegenwart. Autorenbesuch im Kindergarten.

Erzähler

Und: Literatur in der Hauptschule.

Bitte beachten Sie: DasAtmo Manuskript 22 a: Schulhof ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Erzähler

Deutschlehrerin Angelika Schartner leitet ein Literaturprojekt.

O-Ton 46: Lehrerin zum Schulprojekt – 0´27

Wir machen das jedes Jahr zu den Literaturtagen, und das Thema dieses Mal ist

„Zwischen den Worten und zwischen den Welten“. Und wir haben versucht, mit der

Sprache zu arbeiten: Mundart, Dialekte, die wir in der Schule haben, oder eben auch

Fremdsprachen, wenn wir fremdsprachige Schüler haben, und haben uns dazu

Gedanken gemacht: Wie ist das in der Fremde, wie ist das, wenn man Heimat hat, und welche Schwierigkeiten entstehen da, oder Missverständnisse, die lustig sein können?

Atmo 22 b oder c: Probe Schulprojekt

Erzähler:

Angelika Schartner hat auch Schüler, die aus der Türkei, Albanien, Bosnien oder

Deutschland kommen. Wochenlang wird geschrieben und geprobt. Dann lesen Autoren SWR2 MANUSKRIPT in der Schule, und am letzten Tag des Festivals stehen ihre Schüler auf der Bühne.

Manchmal stellen Schulklassen aus Rauris und Umgebung auch die eingeladenen

Autoren vor.

O-Ton 47: Kinder-Präsentation 1997: Hohler, das Lied am Ende, ab 2´24 = – 2´00

Atmo 23: Skistation (Kreuzblende vom Applaus & unterlegen)

Erzähler:

An der Rauriser Seilbahn ist noch Skibetrieb. Auch Geschäftsführer Erich Hutter mußte Bitte beachten Sie: Dassich Manuskript erst daran ist gewöhnen,ausschließlich dass zum persönlichen,Rauris einmal privaten im Jah Gebrauchr ein Literaturtouristenziel bestimmt. Jede weitere ist. Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

O-Ton 48: Liftbetreiber Hutter – 0´34

Die Anfänge waren schwierig. Und man ist ab und zu nach Hause gegangen, weil man den einfach nicht verstanden hat. Aber in der Zwischenzeit hat man da sehr viele verschiedene Leute kennen gelernt, ihre Probleme kennen gelernt. Und grad gestern war ich bei einer Störlesung, und da hab ich auch wieder einen Menschen kennen gelernt, der in einer ganz anderen Welt, in einer schwierigen Situation aufgewachsen ist, dann in diese unsere Welt gekommen ist und trotzdem die Verbindung hält. Und das, glaub ich, bringt uns so nahe. Wir sind auch ein bisschen abseits, und drum, mein ich, verstehen wir auch viele Dinge ein bisserl anders.

Musik 08: Singer Tanzmusi 02 Jodler (unterlegen & blenden)

Erzähler: SWR2 MANUSKRIPT

Autoren und Publikum, immerhin 250 Menschen, bringt die Seilbahn kostenlos zur tief verschneiten Bergstation „Heimalm“, 1475 Meter über dem Meer, ein Höhepunkt des

Programms.

O-Ton 49: Rasser 04 Schnee – ab 0´07 Zum Thema „Schnee“ kann ich eigentlich nur sagen: Jeder überstandene Winter ist ein Sieg.

Atmo 24: Gehen im Schnee (unterlegen)

Der kurze Marsch zur Skihütte führt über die Piste. Am Eingang steht ein Plastik- Eisbär. In der rechten Pranke hält er eine Cola-Flasche, in der linken eine BitteMenütafel, beachten auf Sie: der steht: „Heute 17 Uhr Literatur“. Drinnen drangvolle Enge. Die ist Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigungman gewohnt. und Nicht Verbreitung nur drinnen. bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Musik 09: Jazz / Heimalm Publikum, Applaus (blenden)

O-Ton 50: Rasser 05 – 0´14 (über Musik Heimalm, leise) Es wirkt, glaub ich, manchmal nicht nur für den Fremden beengend . Es ist ein enges

Tal. Und es ist durchaus dazu angetan, das Schreiben zu fördern, weil man darüber hinaus möchte. Schreibend.

Erzähler (über Anfang O-Ton 51 zwischen * und **) :

Auch dabei auf der Skihütte Heimalm: Dozenten und ein paar Dutzend Studenten. Und die Schriftstellerin Sabine Scholl. Seminararbeit am lebendig anwesenden

Forschungsobjekt.

O-Ton 51: Einleitung Student vor Lesung – 0´49 (Anfang blenden) SWR2 MANUSKRIPT

Wo fängt man an? *„Wo fängt man an?“ Diese Frage steht am Beginn von Sabine

Scholls Prosatext „Das Kind kann“, und die selbe Frage haben auch wir uns gestellt,** also die Studierenden der Universität Klagenfurt, in Vorbereitung auf diese Einleitung.

Wo fängt man an, will man Sabine Scholl angemessen vorstellen? Vielleicht sollte man sie vorstellen als eine im Österreich der 70er Jahre gewordene. Als eine, die in

Grieskirchen in Oberösterreich das Licht der Welt erblickt hat – zum ersten Mal erblickt hat, denn sie hat in der Folge niemals aufgehört, das Licht der Welt zu erblicken: als

Reisende, als Bleibende, als Weiterziehende, und als Schreibende.

Atmo 25: Heimalm Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Erzähler:

1992 hat Sabine Scholl den Rauriser Literaturpreis bekommen. Danach lebte und arbeitete sie in Chicago, New York, Nagoya in Japan und Berlin. Nun ist sie wieder in

Rauris.

O-Ton 52: Lesung Scholl z.T. als Atmo (kurz hoch) – 0´12 frei

Ernstlich verloren schweigen die Stimmen die keine sind. / Nur Stöhnen, ohne Körper, und Kräne / lassen ihre Last knallen über die Stadt / die schwimmt. / * Zurückgekehrt und voll Überschwang / schaue ich / die / Sonne wo Männer mit verschränkten / Armen hinunter gehen zum Hafen, / wo alles unwichtig ist und / nichts bedeutet / auch ich nicht

/ am Fenster.]

Erzähler (ab * über Scholl als Atmo) :

Nach der Lesung Gespräche. Die Leser loben die Autorin. Die Autorin lobt die Leser.

SWR2 MANUSKRIPT

O-Ton 53: Scholl mit Studenten – 0´36 (Anfang blenden)

Was mach ich jetzt, was mach ich jetzt. Und dann bist du gekommen, ja: Ganz souverän, da irgendwie die Show gemacht. Da dachte ich: Jetzt kann ich auch gut beginnen. Also du hast mir richtig guten Boden gelegt. – Danke! – Ja, das ist ja selten so! – – Es war wunderbar: wunderbar vorgetragen, ganz lebendig, und g´scheit, und witzig, ja. Also besser kann man´s eh kaum machen. (Applaus)

Bitte beachten Sie: DasMusik Manuskript 09: Jazz ist ausschließlich/ Heimalm (Kreuzblendezum persönlichen, auf privaten Atmo) Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Atmo 26: Heimweg von der Skihütte im Schnee

Erzähler:

Zurück im Rauriser Hof. Abends im Autoren-Hauptquartier sind sie alle wieder versammelt.

Atmo 27: Rauriser Hof

Erzähler:

Zum Beispiel der Tscheche Michael Stavaric.

O-Ton 54: Stavaric – 0´37

Die Enge der Täler und dann doch irgendwie die Nähe der Gipfel, die ja, wenn man dann mal oben steht, scheinbar grenzenlos und scheinbar zum Himmel weisen, und wo man dann wirklich auch dem Himmel ein Stück näher ist, und der Welt vielleicht ein Stück ferner dann. Ich glaube, diese Art von Grenzen, Barrieren und Kontexten, die sich dadurch erschließen: Dass das schon ein ganz besonderes Klima schafft. Also ich SWR2 MANUSKRIPT finde, dass Orte ganz wesentlich nicht nur Menschen, sondern auch das Geschriebene an dem Ort und natürlich auch das Gelesene an dem Ort, beeinflussen.

Erzähler (weiter über Atmo Rauriser Hof) :

Oder: der russich-jüdischstämmige Vladimir Vertlib.

O-Ton 55: Vertlib – 0´46 Ich bin ja von Wien nach Salzburg gekommen und hab eine Tirolerin geheiratet, die in einem engen Tal aufgewachsen ist, im Stubaital, die jetzt in Salzburg lebt. Und eigentlich komm ich aus Russland, und bin jüdisch, und hab in Israel und in den USA gelebt. Das heißt, ich hab diese Region mit einer gewissen Unvoreingenommenheit erleben dürfen. All das, worüber die Kollegen klagen, hat sicher seine wahren Seiten, ist Bitte beachten Sie: Daskeine Manuskript Frage. Esist ausschließlich ist Provinz und zum espersönlichen, hat provinzielle privaten Züge.Gebrauch Aber bestimmt. für mich Jede ist weitere manchmal Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Bischofshofen oder Zell am See oder genauso fremd und genauso faszinierend wie für manche andere Menschen Havanna oder Timbuktu.

Erzähler (weiter über Atmo Rauriser Hof) :

Und über und zwischen allen: der Platzwirt Andreas Egger:

O-Ton 56 40: Bilanz Andreas Egger, Platzwirt – 0´13

Die Osterferien sind zu Ende, die Urlauber sind alle nach Hause gefahren. Und für uns sind die Veranstaltungen sehr interessant. Dadurch am Wochenende unter Tags, der

Saal ist voll, wie Sie sehen, und auch für uns ein sehr gutes Geschäft.

O-Ton 57: Bilanz Zimmerwirtin Krackl – 0´16

Jo, vielleicht hat´s im weitesten Sinne mit der Literatur zu tun, weil sich das ein bisserl vermischt hat. Wir sind ja durch die hohen Berge haben ab und zu schon einen

Tunnelblick. Und durch die Literatur, dass die Welt zu uns gekommen ist, hat sich das schon ein bisserl geändert, dass es da auch was anderes noch gibt. SWR2 MANUSKRIPT

O-Ton 58: Rasser 25 – 0´10 (ab 0´26) Ich persönlich bin für den Tourismus sehr dankbar. Das ist eine Bereicherung auch für die Erweiterung unseres geistigen Horizontes.

Musik 10: Klarinettenklang Kronthaler als Trenner , blenden auf

Atmo 28: Gesang Özdamar Wiegenlied (ab * kurz hoch)

Erzähler:

Dann Podiumsgespräch im Wirtshaus. Podiumsvorführungen eingeschlossen. Thema

Kindheit. Die aus der Türkei stammende Schriftstellerin und Regisseurin Emine Sevgi Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere VervielfältigungÖzdamar singt und ein Verbreitung anatolisches bedarf Wiegenlied, der ausdrücklichen der Mong Genehmigungole Galsan des UrhebersTschinag bzw. erzählt des SWR. vom kalten Winter in seiner Heimat, die in der Slovakei geborene Ilma Rakusa und der in

Bulgarien geborene Ilja Trojanow berichten vom Auffanglager in Triest, das sie beide als Flüchtlingskinder erlebt haben. Und Arnold Stadler erzählt von seiner Kindheit im oberschwäbischen Meßkirch.

O-Ton 60: Arnold Stadler über „Hörkino“ – 0´29

Wir hatten ein Hausmädchen, erinnere ich mich, die kam aus Villingen. Schwarzwald.

Und die hatte damals, das war was ganz Exotisches in Karlsruhe, da waren indische

Studenten da, und die hatte so einen indischen Freund, der Architektur studierte. Und die gingen jeden Abend ins Kino – natürlich in Filme, die wir nicht sehen durften. Und wenn die morgens dann kam, wurde der ganze Film, den sie gesehen hatte, wiedererzählt. Und die konnte erzählen.

Atmo 29: Wartendes Publikum

SWR2 MANUSKRIPT

Erzähler

Ein Lese-Marathon noch am Samstag Abend und der Abschluß des Schulprojekts.

Dann werden die Rauriser Literaturtage zu Ende sein. Und die Schriftsteller wieder abreisen. Bis auf Susanne Rasser. Die aus Rauris kommt, in Rauris lebt und in Rauris bleibt. Im Ortsteil Wörth. Hoch über der Kirche, in den Bergen.

Atmo 07: Frühlingsmorgen , Krähen u.a. Vögel

O-Ton 66: Rasser 07 Schreib- und Lebenswelt – 0´37 Hinderlich für das Schreiben ist Rauris, ist meine Lebenswelt hier keinesfalls. Es ist

Bitteeigentlich beachten der Sie: einzige Ort , an dem ich konsequent schreib. Unabgelenkt. Ich war Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigungz.B. ein Jahr undlang Verbreitung Linzer Stadtschreiberin, bedarf der ausdrüc undklichen in Genehmigungdieser Zeit entstand des Urhebers so gut bzw. wie des gar SWR. nichts. Aber hier hab ich meine Struktur, meine Ruhe, meinen geordneten Tag, hier ist der Arbeitsalltag eingebettet in ein sehr ruhiges Umfeld.

Erzähler (weiter über Atmo 07 Frühlingsmorgen) : In das einmal im Jahr produktive Unruhe kommt.

O-Ton 67: Rasser 08 – 0´16 Diese Literaturtage haben es geschafft, in diesem Tal ein Bewusstsein für etwas zu schaffen, von dem man meinte, es sei nicht notwendig. Eine Autorin in Rauris ist nichts Besonderes. Und das macht das Schreiben hier einfacher.

(weiter Atmo 07 Frühlingsmorgen) :

O-Ton 68: Rasser 09 Geschichten sammeln – 0´29 Das Spannende für mich ist immer wieder mit Menschen zu konfrontieren, mich gerne damit auseinanderzusetzen, die ganz anders ticken, die eine ganz andere Meinung haben, die politisch ganz woanders stehen, die Musik hören, wo ich mir denke: Könnte ich nie! Diesen Menschen zuzuhören , bei denen Geschichten zu sammeln . Das war jetzt die Wahrheit (lacht).

SWR2 MANUSKRIPT

O-Ton 69: Schmatz 01 Lyrik – 0´56 brutto, 0´22 netto

, … also nicht Rauriser Bauern sozusagen mit Lyrik zu ködern oder zu verlocken, sondern Menschen, die ganz knapp daran sind, und vielleicht auch eine gewisse Distanz zu dieser Form haben. Noch dazu zu einer Form, wie ich sie sozusagen dann auch schreibe, die dann auch oft mit „schwierig“, „hermetisch“ usw. vorgedeutet wird. Ich glaub das natürlich nicht. (0´34) Da ein bissel was zu sagen, war mir wichtig, und das auch mit Beispielen zu zeigen. Und dann kam die entscheidende Frage: Was muss man tun? Und ich hab gesagt: Laut lesen! Wenn Sie selber es laut lesen, wird das sofort ein anderer Rhythmus. Sie werden sozusagen vom eigenen Körper mit begleitet, und Sie inhalieren das. Und so wurde das dann auch irgendwie, glaub ich, ein bissel besser Bitte beachten Sie: Dasverstanden]. Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Erzähler Noch eine Lesung. Der Wiener Lyriker Ferdinand Schmatz liest vor und für Bibliothekarinnen. Das Gedicht "Der Tiger".

O-Ton 70: Schmatz 02 Gedichtlesung „Tiger“ – 0´28

Spürt, pocht, zuckt, / wähnt, innen Lust / sträubt gelb / beutelt die Sinne / vom Teil zum

Ganzen / wild durch / ruckt ins Viertel vor / zielt Volles. / Da prallt im Ganzsprung /

Schräge, gebrochen durch Strich / dumpf auf Beute, / schlägt, reißt, fasst es / gewendet

Schmerz / brennt Impulsierendes / im Nachmoment / sanft und sonder Allerherz.

O-Ton 71: Bibliothekarin Hermine 01 Grundsätze – 0´20 Als Bibliothekarin einer kleinen Bibliothek gibt man immer viele Bücher auch mit einem sehr persönlichen Hintergrund weiter. *Sonst könnte ich die Bücher gar nicht vermitteln, wenn ich da nicht hinter steh. Andere würd ich dann vielleicht gar nicht so empfehlen. Die stell ich vielleicht auch ein. Aber wenn ich was empfehl, dann ist das immer mit einer persönlichen Verbindung auch.

SWR2 MANUSKRIPT

O-Ton 72: Schmatz 03 – 0´13 Hier hab ich doch die Hoffnung, dass das dann eine intimere Form der Vermittlung auch sein kann, und eine persönlichere. Und das sozusagen von Angesicht zu Angesicht, das war vielleicht der Sinn der Sache.

O-Ton 73: Bibliothekarin Hermine 02 Lyrik – 0´27 Wo Lyrik sowieso manchmal schwer ist, auch eben die vom Schmatz. Er hat uns da einfach mitgenommen. Er hat uns vorher vorbereitet, und dann in seiner rhythmischen Lesung mitgenommen, und das ist sehr schön! Er hat auch ein bissel erklärt, wie die entstehen, und vor allem in welchem Rhythmus er in die Arbeit dann kommt, und vor allem, Er hat gesagt: Bitte Gedichte vorlesen lassen, und sich selbst die Gedichte immer laut vorlesen!

BitteO-Ton beachten 74: Schmatz Sie: 04 – 0´40 Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere VervielfältigungWenn man länger und Verbreitung liest, kriegt bedarf man der eine ausdrüc Schwingungs-Erfahrungklichen Genehmigung des Urhebers: Man spürt, bzw. des ohne SWR. dass sich irgend etwas tut, da kann auch geräuspert werden oder ein paar können weggehen, das ist dann nicht entscheidend. Es gibt eine Art Konzentrationsschwingung im Publikum, die man spürt. Wenn die da ist, ist man schon einmal sehr weit. Das beflügelt auch den Lesenden. Die Stimmung war vorhanden. Ich kann das nur von einem faktischen Erlebnis her beschreiben, weil dann zwei Bibliothekarinnen gekommen sind, die haben gesagt: Jetzt, wo wir Sie lesen gehört haben, verstehen wir es besser. Also das heißt, da muss irgend etwas passiert sein.

Atmo 30: Lesung Kaminer Montmatre komplett (unterlegen)

Erzähler:

Und schließlich: der Lese-Marathon am Samstag Abend. 400 Menschen im Gasthof Grimming, 300 vor einer Videoleinwand beim Platzwirt schräg gegenüber. Ganz am Schluss Auftritt Wladimir Kaminer.

O-Ton 75: Kaminer Lesung „Mein Freund in Paris“ – 0´49 SWR2 MANUSKRIPT

Ich habe einen Freund in Paris, einen Freund aus alten Moskauer Tagen. einen

Lebensunterhalt verdient mein Freund in Montmartre. Dort sitzt er auf einem kleinen

Stühlchen und zeichnet die Touristen. Jeder Künstler hat dort ein paar Musterporträts neben sich stehen, damit alle sehen, wie gut er malen kann. Es sind in der Regel schöne Frauen auf diesen Porträts zu sehen, und jeder zweite Tourist, der davor stehen bleibt, fragt, ob er die Telefonnummer von der Frau haben kann. Dabei lachen sie sich tot über ihren originellen Humor, Jeder zweite, und das seit 16 Jahren! (LACHER; bis hier: 0´37)

Trotzdem mag mein Freund seine Arbeit, den Hügel Montmartre und den

Touristenrummel. Am liebsten aber mag er, mir unglaubwürdige Geschichten über Bitte beachten Sie: Dasseine Manuskript beruflichen ist ausschließlich Erfolge zu zumerzählen: persönlichen, Märchen privaten von Gebrauch Montmartre. bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Erzähler

Märchen vom Hügel. – Und ein Märchen im Gebirge. Das wahre Märchen von der Liebe zwischen Literatur und Leser. In einem Bergdorf im Salzburger Land.

O-Ton 76: Özdamar übers Publikum – 0´33

Die Bochumer Zuschauer gingen mit. Die sagten: Das ist unser Theater. Das ist UNSER THEATER! Und das war für uns phant astisch. [Und das Gleiche erlebe ich jetzt in diesen Bergen, ja, mit den Zuhörern hier. Die haben auch diese Traum.] Man sagt ja z.B. am Theater die Realität nicht allein auf der Bühne stattfindet, sondern zwischen Bühne und Zuschauerraum. Und diese Beispiel sehe ich hier. Die Leute haben das zu ihrer Sache gemacht, und das hat mir sehr gut gefallen!

O-Ton 77: Maler, Genussmensch – 0´25 (brutto)

Es gibt hier sehr gutes Bier, sehr gutes Essen. Leider ist das ja nur Rundfunk, sonst würden Sie auch meinen dicken Bauchs sehen. Also ich bin ein totaler Genussmensch, und wenn neben dem Essen und Trinken auch noch das literarische Niveau sehr hoch SWR2 MANUSKRIPT ist, ja was will man denn mehr? Und man sitzt hier wirklich mitten in den Alpen, mit den

Einheimischen, und es ist alles, alles sehr, sehr stimmig.

O-Ton 78: Geologe 01 Anregungen – 0´17

Ich selber bin Naturwissenschaftler, Geologe, beschäftige mich aber mit Kunst, mit

Kunst, mit Sprache, aber auch zeichnerisch. Malerisch, so dass ich hier auch eine

Menge von Bildern bekomme, die mich selber auch anregen.

O-Ton 79: Geologe 02 Natur & Sprache – 0´11

Denn es gibt nichts Schöneres, als die Natur einerseits und ich finde, auch die Sprache, Bitte beachten Sie: Dasandererseits, Manuskript istdie ausschließlich so vieles von zum der persönlichen, Natur lebendig privaten werden Gebrauch lässt. bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

O-Ton 80: Lektorin aus Japan über Begegnungen – 0´15

Ein wichtiger Punkt ist eigentlich, dass man unglaublich viele Leute kennen lernt. Ich hab schon so viele verschiedene Leute hier kennen gelernt, und immer wieder getroffen in diesen paar Tagen. Das ist einfach angenehm. Man hat einen gemeinsamen Nenner: das Interesse an der Literatur.

O-Ton 81: Bibliothekarin 03 Virus Rauris – 0´34 (Ende blenden) Heuer bin ich das 8. Mal herinnen. Es ist: Ich würd immer wieder fahren. Es ist – na, wenn man mal diesen Virus hat: Ja, es ist schön! * Für mich ist das das Wichtigste: Wenn ich die Dichter persönlich kennen lerne, oder von ihnen auch was Persönliches erfahre oder ein Hintergrund über das Buch, das gibt mir persönlich sehr viel. Dass schließt mir die Bücher auf. Ja, ich bin immer zwei Tage herinnen, und dann ist der Kopf schon voll. Aber ich les dann am Abend schon wieder, das geht schon (lacht).

O-Ton 83: Bilanz Studenten – 0´37 SWR2 MANUSKRIPT

Ja, mal definitiv ganz viel Lust am Lesen hab ich gekriegt. Also mich mit neuen Autoren und neuen Büchern ich zu beschäftigen. Hm, ja auch mal über die deutsche Literatur hinaus grenzübergreifend, wie auch das Thema war, auch zu lesen wieder mehr.

Jetzt lesen wir auch mal Autoren, die auf Deutsch schreiben, aber nicht wirklich deutsche Autoren sind. Ich mach im Moment mein Austauschjahr in Slowenien, und daher ist es für mich auch sehr interessant gewesen, Drago Jancar zu hören. Ja: eine sehr positive Bilanz.

Sprachen-Collage: Serbisch, Mongol., Jandl, Türkisch, Latein (Schrott), Deutsch

(Ryser) Bitte beachten Sie: DasErzähler Manuskript (darüber. ist ausschließlich Ab * Atmo zum Russendisko/Lektorin persönlichen, privaten Gebrauch): bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Und am Ende erobern sie alle die Bühne. Wenn Vladimir Kaminer zur Russendisko auflegt: die Studentinnen und Studenten, ihre Professoren, die Bibliothekarinnen und die Friseurin, die Bauern und der Arzt und die Autorinnen und Autoren und ihre

Verlegerinnen und Verleger

O-Ton 84: Bilanz Lektorin Liliane Stute – 0´20 (Atmo ab *)

Ich nehme ganz viele verschiedene Stimmen mit, verschiedene Stimmungen auch,

Atmosphäre. Und was mich vor allem überzeugt ist, dass es ganz eine lebendige

Literaturlandschaft gibt.

Musik 11: Russendisko (knapp 1:00, darüber Abspann)

Absage:

“Das Tal der Stimmen. 40 Jahre Rauriser Literaturtage”. Ein Feature von Widmar Puhl.

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