<<

Vulkanismus Hören Sie dazu auch unseren Podcast Spektrum Talk unter www.spektrum.de/talk Apokalypse im Rheintal c e

Beim Ausbruch des Laacher-See-Vulkans sind mehrfach pyroklastische Ströme ent- standen – ähnlich wie hier bei der Eruption des Vulkans Unzen (Japan) im Jahr 1991. Diese Glutlawinen enthalten eine Mischung aus heißen Bimspartikeln, Gesteinsbruch- stücken und Asche, die durch vulkanische Gase und eingesaugte Luft in der Schwebe gehalten werden. Sie rasen mit hoher Geschwindigkeit hangabwärts – bevorzugt in

hoto S ervi P hoto / N agasaki d Japan Lt Co Deitz Flusstälern – und zerstören alles auf ihrem Weg.

78 SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · Februar 2009 ERDE & UMWELT

Vor 12 900 Jahren ereignete sich in der bei eine gewaltige Vulkaneruption. Glut­ lawinen stauten den Rhein zu einem riesigen See auf, der vermutlich bis nach Mannheim reichte. Als der Damm brach, schoss eine über zehn Meter hohe Flutwelle durch das Rheintal. Ähnliches könnte sich eines Tages wiederholen.

SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · Februar 2009 79 Vulkanismus

Cornelia Park

Der idyllische, wassergefüllte Krater des Laacher-See-Vulkans – hier ein Luftbild (links) – war Schauplatz der gewaltigs­ten explosiven Eruption in ganz Mittel- und Westeuropa während der letzten 100 000 Jahre. Am Südwestufer liegt das weltberühmte Kloster Maria Laach. Heute schläft der Vulkan lediglich. In Blasen aufsteigendes Kohlendioxid (oben) zeugt von fortdauernder Ent­gasung in der Fotoflug.de Tiefe.

Von Cornelia Park Die senkrecht nach oben steigende Erupti- und Hans-Ulrich Schmincke onswolke erreichte mehrfach Höhen von mehr In Kürze als 20 Kilometern. Ascheregen ging über wei- riedlich ruht der Laacher See in der ten Bereichen Mittel-, Nord- und Südeuropas r Die Eruption des sanft gewellten Hochfläche der Eifel. nieder. Sogar noch in Südschweden und in ­Laacher-See-Vulkans vor 40 Kilometer südlich von und Norditalien lässt sich Laacher-See-Asche in 12 900 Jahren begrub weite acht Kilometer westlich des Rheins Mooren und Seeablagerungen nachweisen. Bereiche Europas unter F gelegen, ist er ein idyllischer, wassergefüllter Ganz abgesehen von der weitflächigen Ver- einer mehrere Zentimeter Krater. Von den zwei Millionen Touristen, die wüstung der Landschaft durch Bims- und dicken Ascheschicht. jährlich das weltberühmte Kloster Maria Aschenfall, ging überraschenderweise auch r Pyroklastische Ströme Laach an seinem Ufer besuchen, ahnt wohl vom Rhein ein enormes Zerstörungspotenzial aus heißen Gasen mit darin kaum jemand, dass hier vor 12900 Jahren – aus. Es betraf selbst scheinbar sichere Gebiete suspendierten Bimspartikeln am Ende der Altsteinzeit und kurz nach der weit außerhalb der Hauptfalloutzone, mehre- und Gesteinsfragmenten letzten großen Vereisung – der gewaltigste re hundert Kilometer vom Krater entfernt. stauten den Rhein bei Brohl Vulkanausbruch in Mittel- und Westeuropa Voluminöse pyroklastische Ströme (Glutlawi- 27 Meter hoch auf. innerhalb der letzten 100000 Jahre stattfand. nen), die über Seitentäler in den Rhein rasten, Während der Hauptphase der Eruption, stauten den Fluss zu einem riesigen See, der r Kurzzeitig entstand so die vermutlich nur drei Tage dauerte, wurden sogar noch weite Regionen südlich des heu- ein riesiger See, der bis 20 Kubikkilometer an Asche und erbsen- bis tigen Mainz bis nach Mannheim über- Mannheim reichte. Beim nussgroßen »Lapilli« – zu Bims erstarrte Fet- schwemmte. Wenige Wochen später brach der Bruch des Damms raste eine zen aufgeschäumten sowie Schiefer- entstandene natürliche Damm. Als Folge da- bis zu 15 Meter hohe Flut­ und Sandsteinfragmente vom alten Unter- von schoss eine mehr als zehn Meter hohe welle rheinabwärts mindes­ grund – aus dem Krater geschleudert. Das Flutwelle rheinabwärts und riss alles mit sich. tens bis Köln. Auswurfmaterial könnte 200 Milliarden Bier- Damals hielten sich nur sporadisch einzel- r Die Geschichte des fässer von 100 Liter Fassungsvermögen fül- ne Menschengruppen in dem von der Erup­ Vulkanismus in der Osteifel len. Die Landschaft östlich des Kraters, wo tion betroffenen Gebiet auf. Sie folgten den zeigt ein periodisches die Hauptmasse des Fallouts niederging, ver- wandernden Tierherden und hatten keine Aktivitätsmuster mit regel- änderte ihr Aussehen radikal. Eine Fläche von festen Behausungen. Offenbar forderte der mäßigen Unterbrechungen, 1400 Quadratkilometern, was etwa 200000 Ausbruch seinerzeit kein Menschenleben; das nahelegt, dass der Fußballfeldern entspricht, wurde unter einer denn trotz des weitflächigen Bimsabbaus im Laacher-See-Vulkan eines viele Meter dicken Bimsschicht begraben. In Umkreis des Laacher Sees wurde nie ein di- Tages wieder ausbrechen Kraternähe türmten sich die vulkanischen rektes Opfer der Eruption gefunden. könnte. Auswurfprodukte (Tephra) teils mehr als 50 Im heutigen dicht besiedelten und hoch­ Meter hoch. industrialisierten Deutschland wären die Fol-

80 SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · Februar 2009 ERDE & UMWELT gen weit dramatischer. Städte wie wird ihrerseits von den Auswurfprodukten der und Neuwied würden meterhoch unter Was- finalen Eruptionsintervalle überlagert. Dem- ser stehen und nur die höchsten Gebäude so- nach musste der See noch während des Aus- wie Kirchtürme noch aus den Fluten ragen. bruchs entstanden, aber auch wieder ver- Dächer wären zuvor schon unter der Auflast schwunden sein. Zunächst blieb rätselhaft, meterdicker Auswurfmassen oder bei Erdbe- was die Ursache dieser gigantischen Aufstau- ben kollabiert. Selbst wenn die Menschen ung war. Ein unmittelbarer kausaler Zusam- rechtzeitig evakuiert werden könnten, würden menhang mit der Eruption stand jedoch au- Umweltgefahren durch die Überflutung dro- ßer Frage. Wie könnte der Ausbruch den hen – man denke nur an auslaufendes Heizöl Rhein direkt beeinflusst haben? und freigesetzte Industriechemikalien. Eine Wiederholung der damaligen Ereig- Eruptionssäule bis in die Stratosphäre nisse lässt sich prinzipiell nicht ausschließen. Hochexplosive Ausbrüche wie die des Laacher Nach unseren Erkenntnissen ist der Eifelvul- See-Vulkans nennt man plinianisch – nach der kanismus keineswegs erloschen, sondern hat verheerenden Eruption des Vesuv im Jahr 79 nur eine längere Ruhephase eingelegt, die je- n. Chr., die Plinius der Jüngere beschrieben derzeit zu Ende gehen kann. Es empfiehlt sich hat. Weitere berühmte Beispiele sind die Aus- also, die Auswirkungen der Eruption vor brüche von Thera (Santorin), Tambora, Kraka- 12900 Jahren gut zu untersuchen – und in tau, Mount St. Helens und Pinatubo. Zukunft auf der Hut zu sein. Bei einer plinianischen Eruption kann das Auswurfmaterial auf zwei Arten vom Krater Die entscheidende Entdeckung wegtransportiert und abgelagert werden. Meist Schon 1970 hatten wir damit begonnen, den steigt die Hauptmasse des Gemisches aus Ablauf der einstigen Laacher-See-Eruption Bimslapilli, Gesteinsfragmenten, heißen Ga- und ihre Auswirkungen auf die Umwelt syste- sen und eingesaugter Luft in einer senkrechten matisch zu erforschen. Dabei kam uns zustat- Säule auf und gelangt bis in die Stratosphäre, ten, dass durch den Bimsabbau, der seit Be- die in Mitteleuropa in zwölf Kilometer Höhe ginn des letzten Jahrhunderts in großem beginnt. Von den dort herrschenden Winden Das Brohltal, ein Seitental des Maßstab betrieben wird, die Ablagerungen wird das Material verdriftet und regnet, sobald Rheins, wurde während der der Eruption weitflächig angeschnitten wor- der Auftrieb nachlässt, sortiert nach Teilchen- Laacher-See-Eruption bis zu 60 den waren. In den Abbauwänden können wir größe und -gewicht ab. Wenn das Partikelge- Meter hoch von pyroklastischen lesen wie in einem Buch. misch aber zu schwer ist oder zu viel auf ein- Strömen aufgefüllt. Reste der Vor etwa 20 Jahren stießen wir bereits bei mal austritt, kann die Eruptionssäule nicht dabei abgelagerten Ignimbrit- unseren Untersuchungen in Rheinnähe auf konvektiv aufsteigen, sondern fließt als Bo- schicht liegen hier frei. Am eine­ rätselhafte Lage innerhalb der gesamten denwolke aus Gas und darin suspendierten Talausgang entstand eine 27 Tephra­abfolge. Sie bestand aus reinem Bims Teilchen der Hangneigung folgend vom Schlot Meter hohe Barriere, die den (Bild S. 83). Normalerweise enthalten Fallout­ weg. Solche pyroklastischen Ströme rasen da- Rhein flussaufwärts zu einem schichten auch zahlreiche Gesteinsfragmente, her bevorzugt durch die angrenzenden Täler. See aufstaute. die beim Ausbruch vom Untergrund mitgeris- sen wurden. Die neu entdeckte Schicht konnte somit nicht direkt durch die Eruption entstan- den sein. Bimse sind jedoch so leicht, dass sie auf Wasser schwimmen. Offenbar waren sie, so unsere Vermutung, als Floß auf einem See aufgetrieben und dadurch von den schwereren Gesteinsfragmenten getrennt worden. In einer späteren Forschungskampagne gin- gen wir dem Zufallsfund genauer nach. Dabei entdeckten wir die ungewöhnliche Lage an vielen Stellen im tieferen Neuwieder Becken nördlich von Koblenz – sogar bis zu 25 Meter über dem Rhein. Auch ein gigantisches Hoch- wasser hätte sie nicht dorthin verfrachten können. Die Höhenlage und die weite Ver- breitung der Bimsfloßschicht ließen nur einen Schluss zu: Der Rhein musste zu einem rie- sigen See aufgestaut worden sein, an dessen Oberfläche die Bimspartikel schwammen. c h Sc hmin ke Die markante Schicht überdeckt Fallout­ ablagerungen der Haupteruptionsphase und H ans- Ul ri

SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · Februar 2009 81 N

200 km 0,5

N R h m 1 e 1 i n W i e d Berlin 5

10 Vulkanismus N 4 Kilometer Brohldamm 200 km Laacher-See- 0,5 Vulkan N R h m 1 e 1 i n W München i e d Berlin 5

Neuwied 10 4 Kilometer Brohldamm Laacher-See- Brohlbach Turin Bild S. 83 Vulkan München Andernach Neuwied

Brohlbach Turin tieferes Neuwieder Bild S. 83 ? Becken Andernach 8 m Glutlawinen- c d esign tieferes Neuwieder Laacher See ? Becken ? Vulkan ablagerungen Laacher See 8 m Glutlawinen- t / s c ienti f i ? ablagerungen ? Täler und Niederungen Vulkan ? Bild S.85 Täler und Niederungen <100 m ü. NN Bild S.85 <100 m ü. NN 1 6 1 6 m m m 4 m 4 Stausee Stausee Koblenz Koblenz Seespiegel bei 85 m ü. NN Seespiegel bei 85 m ü. NN 1 m 1 m Tephraablagerungen (m)

m 1 m 1 Tephraablagerungen (m) 1 Ascheablagerungen (cm) d en Bogaar d un A rmin Freun l van au N e t Aufstauung 1 t Ascheablagerungen (cm) e L a der Nette l h n s e Mo N e c h Sc hmin ke, P t Aufstauung t N e L a der Nette l h n 2 m s e Mo 200 km 0,5 ark, H ans- Ul ri

N R h 1 m 1 l ia P Corne e 2 i n m W i e d Berlin 5 Während der Laacher-See-Eruption wech- mehr durch »normales« Aufschäumen ausge- 10 4 Kilometer Brohldamm selten konvektive Eruptionssäulen und Boden­ worfen werden, weil der Kristallbrei zu schwer

c h Sc hmin ke Laacher-See- wolken mehrfach miteinander ab. Anhand und zu zähflüssig war. Deshalb legte der Vul- Vulkan der Ablagerungen lässt sich der Ausbruch in kan eine längere Pause ein. Wir vermuten,

München vier große Phasen unterteilen. Die erste hin- dass erst Grundwasserzutritt in die teilweise Neuwied terließ als mächtige Falloutschicht die Lower entleerte und kollabierte Magmakammer zum Laacher-See-Tephra (LLST). Die Phase 2 war Wiederaufleben der Eruptionstätigkeit führte. Brohlbach Turin Bild S. 83 ein Zwischenstadium, in dem ein auffälliges In besonders heftigen Explosionen wurden van d en Bogaar d un H ans- Ul ri l van au

Andernach P Bündel von feinkörnigen Tufflagen entstand, nun schwere Partikel in hochenergetischen tieferes Neuwieder das den unteren Abschnitt der Middle Laacher- Druckwellen ausgeworfen, so genannten Blasts. ? Becken Asche der Lacher-See-Eruption See-Tephra (MLST) darstellt. Diese Schicht Insgesamt war der Eruptionsablauf dieser gelangte bis nach Südschweden Laacher See 8 m Glutlawinen- (MLST-A) bildet eine markante Grenze zwi- vierten Hauptphase, in der die Schicht der und Norditalien (kleine Karte). Vulkan ? ablagerungen schen den Falloutlagen der LLST darunter Upper Laacher-See-Tephra (ULST) entstand, Die grünen Linien zeigen die und denen der MLST-B/C darüber. sehr kompliziert, was sich in äußerst variablen ? DickeT äderler Aublagerungennd Niederung inen Zen- Während der Phase 2 produzierten gewal- Ablagerungen widerspiegelt. Bild S.85 <100 m ü. NN 1 6 timetern. Bedingt durch West- tige Aschefontänen voluminöse pyroklastische Der Laacher-See-Ausbruch ereignete sich m m 4 windeSt inau sderee Stratosphäre, ging Ströme. Von allen Eruptionsereignissen haben im späten Frühjahr, als die Laubbäume voll- Koblenz die HauptmasseSeespiegel bdesei 8 Fallouts5 m ü. N Nim sie die Landschaft am stärksten verändert, da ständig ausgetrieben hatten. Die Bimsablage- Bereich des Neuwieder Beckens sie dort, wo sie entlangrasten, innerhalb kür- rungen begruben blühende Maiglöckchen, m 1 m Tephraablagerungen (m) 1 nieder (große Karte). Pyroklas­ zester Zeit mächtige Ablagerungen hinterlie- deren Reste unter ihnen erhalten sind. tische Ströme (dunkelrot) 1 Ascheablagerungen (cm) ßen. Das Brohltal, ein kleines Nebental des Zu Beginn unserer Untersuchungen ver- erreichten vermutlich an zwei Rheins nordöstlich des Kraters, wurde inner- muteten wir, dass die gesamte Eruption nur N e Stellen den Rhein. Am Ausgang halb weniger Stunden bis zu 60 Meter hoch wenige Tage dauerte – analog zu anderen pli- t Aufstauung t e L a des engen Brohl­tals schufen sie der Nette l h n verschüttet. nianischen Ausbrüchen, deren Ablauf bekannt s e Mo einen etwa 30 Meter hohen In der folgenden Phase 3 erreichte die ist: Beim Vesuv war die Eruption nach zwei Damm, der den Fluss vollstän- Eruption ihren Höhepunkt. Dabei trat die (24. – 25. August 79 n. Chr.) und beim Pina- dig blockierte und aufstaute. Hauptmasse des Laacher-See-Magmas aus tubo nach drei Tagen (15. – 17. Juni 1991) 2 m Der Stausee hatte im Bereich (MLST-B/C). Die Eruptionssäulen ereichten vorüber. Inzwischen liegen uns überzeugende des Kartenausschnitts eine die größten Höhen, vermutlich mehr als 30 Indizien dafür vor, dass Phase 1, 2 und 3 tat- Fläche von etwa 120 Quadrat­ Kilometer. Die resultierenden Falloutablage- sächlich insgesamt nur wenige Tage dauerten. kilometern und eine maximale rungen sind dicker und die Bimspartikel deut- Das ist umso erstaunlicher, als während des Tiefe von rund 25 Metern. lich größer als bei Phase 1. größten Teils dieser Zeitspanne Ruhepausen Andernach, Neuwied und Das relativ gasarme Restmagma, das nach herrschten – insbesondere vor und während Koblenz wären damals weit Ende dieser Eruption im unteren Abschnitt Phase 2, als die Instabilität der Eruptionssäule gehend im Wasser versunken. der Magmakammer zurückblieb, konnte nicht zu längeren Unterbrechungen führte. Folglich

82 SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · Februar 2009 N ERDE & UMWELT

200 km 0,5

N R h m 1 e 1 entstanden die mächtigen Falloutablagerun­gen den Partikelregen als im Engtal flussauf- oder i n W i e d Berlin von Phase5 1 und 3 sehr wahrscheinlich jeweils -abwärts. 10 4 Kilometer Brohldamm in nur wenigen Stunden. Die sehr heterogene, Viel Fallout landete auch in der Mosel. Da Laacher-See- von vielenVulk aPausenn unterbrochene Schlusspha- sie bei Koblenz am Eingang zum Neuwieder

se (PhaseMün c4)hen dauerte dagegen sehr viel länger: Becken in den Rhein mündet, schwemmte sie Neuwied Sie erstreckte sich möglicherweise bis in das dort zusätzlich beträchtliche Bimsmengen an.

Brohlbach Turin Bild S. 83 Folgejahr, mindestens jedoch über mehrere Auch der Rhein selbst transportierte von Andernach Monate. stromaufwärts gelegenen Abschnitten wei- Ein reines Bimsfloß, das ur- tieferes Neuwieder sprünglich auf der Oberfläche ? Becken teren Ballast in Richtung Neuwieder Becken. Laacher See 8 m Glutlawinen-Kampf des Rheins So erwies sich der scheinbare Vorteil, dass die des aufgestauten Sees trieb, ist Vulkan ? ablmitagerun gdenen Tephramassen­ meisten Bimse schwimmfähig waren, als ent- rund 18 Meter über dem dama- ? Täler und Niederungen ligen Rheinspiegel auf primären Bild S.85 <10Das0 m ü .romantischeNN Engtal des Rheins öffnet sich scheidender Nachteil, denn dadurch konnten 1 6 m m bei Koblenz in das Neuwieder Becken, ein große Tephramassen leicht verlagert und zu Falloutablagerungen der Laa- 4 Stausee Koblenz Seetektonischesspiegel bei 85 m ü. NEinbruchsbeckenN im Rheinischen einem Damm angehäuft werden. Schon der cher-See-Eruption gestrandet,

1 m 1 m TephraSchiefergebirge.ablagerungen (m) Bei Andernach verlässt es der Partikelregen hatte also eine extreme Über- die aus einer Mischung aus Bims und Gesteinsbruchstücken 1 AscheRheinablager uwieder.ngen (cm) Hier ist er nur knapp zehn, bei frachtung des Rheins zur Folge und reichte Koblenz etwa 23 Kilometer vom westlich ge- aus, ihn während der Eruption im Bereich bestehen. Der See muss wäh- N e t Aufstauung t e L a legenen Laacher-See-Vulkan entfernt. von Koblenz mehrmals temporär aufzustauen. rend der Pause zwischen zwei der Nette l h n s e Mo Ein Fluss verlagert mit der Zeit immer wie- Die voluminösen pyroklastischen Ströme, späten Eruptionsintervallen – der sein Bett. Eine Grundvoraussetzung für die über das Brohltal sechs Kilometer strom- ULST-A und ULST-B genannt – 2 m unsere detaillierten Untersuchungen war es, abwärts des Neuwieder Beckens den Rhein er- bis zu dieser Stelle angestiegen den Verlauf der Flussrinnen und deren Ein­ reichten, besiegelten während der zweiten sein und sich auch wieder tiefung in die Aue zur Zeit der Laacher-See- Eruptionsphase schließlich das Schicksal des entleert haben, da der Fallout Eruption zu rekonstruieren. Nur so konnten Flusses. Jeder einzelne konnte innerhalb von beider Eruptionsphasen auf wir zuverlässige Aussagen darüber machen, Sekunden mehrere Meter hohe Ablagerungen trockenen Boden fiel. Die Farbe wo Fallouttephra während eines bestimmten hinterlassen. Dadurch wurde das Rheintal an der Bimse wird nach oben hin Eruptionsintervalls noch auf trockenen Boden dieser Stelle offenbar komplett abgeriegelt. immer dunkler. Auch in dieser oder schon ins Wasser gefallen war. Tatsächlich bedurfte es eines 27 Meter hohen, Hinsicht passt das helle Floß Beiderseits des Hauptbetts, dessen Position sehr breiten und stabilen Walls, damit sich im nicht in die primäre Abfolge. sich nicht mehr genau rekonstruieren lässt, verlief ein mäandrierender Altarm. Dort fan- den wir die meisten Indizien für eine Aufstau- T-C

ung des Rheins. Der südliche Altarm war 18 Meter über dem Rhein T-B wahrscheinlich noch ganzjährig von etwas ULS ULS Wasser durchflossen, der nördliche lag dage- Dammbruch; Flutwelle rheinabwärts gen trocken. Das ist wichtig zu wissen; denn während der Laacher-See-Eruption wurde die SEE vorher trockene Flussaue samt den anschlie- Bimsfloß ßenden Hangbereichen bis zu einer Höhe von 25 Metern überflutet. Mehrere Faktoren machten das Neuwieder -C

Becken zum neuralgischen Bereich. So verlief A

damals wie heute die Windrichtung in der T-

Stratosphäre von Westsüdwest nach Nord- ULS nordost. Da die Eruptionssäule während der T-B

beiden plinianischen Hauptphasen mehrfach MLS

bis in die Stratosphäre aufstieg, wurde das vul- Seephase kanische Material genau über das östlich gele- A

gene Neuwieder Becken getrieben. T- In nur wenigen Stunden fiel so über eine Flusslänge von mehr als 25 Kilometern hin- MLS weg Tephra ein bis sechs Meter hoch auf die Rheinaue. Zum Vergleich: Der Fluss ist heute

in der Strommitte im Schnitt rund drei Meter T tief. Weil der Rhein im Senkungsbereich des LLS Neuwieder Beckens per se ein geringeres Ge- fälle hatte und sich in mehrere Rinnen auf- erreichen Rhein; teilte, während der weitflächige Auenbereich B ildung rohl-Damm

zugleich eine Überflutung begünstigte, rea- pyroklastische Ströme gierte er hier schneller und empfindlicher auf Cornelia Park und Hans-Ulrich Schmincke

SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · Februar 2009 83 Vulkanismus

Die Entwicklung des Stausees im Rheintal

Die Aufstauung des Rheins vollzog sich in mehreren Etappen: unteres oberes Mittelrheintal Neuwieder Becken Mittelrheintal A. Der Rhein war durch die auf ihn niederpras- selnden Tephramassen sehr schnell überfrach- Brohl Andernach Koblenz tet. Schon während der frühen Ausbruchspha- aktive Aufstauphase se (LLST) staute er sich mehrfach bei Koblenz. Koblenz- Koblenz- see damm Dammbrüche verursachten massive Flutwel- o b l e n z e r D a m ms F l u t w e l l e n b e i B r u c h d e s K len im Neuwieder Becken. B. Während der zweiten Ausbruchsphase LLST A (MLST-A) erreichten pyroklastische Ströme den Rhein bei Brohl und schufen dort einen riesigen, über längere Zeit stabilen Damm. Mit Brohl- aktive Aufstauphase Koblenz- dam m see Brohlsee jeder Flutwelle infolge von Dammbrüchen bei o b l e n z e r D a m ms F l u t w e l l e n b e i B r u c h d e s K Kob­lenz wuchs der Brohlsee.

Pyroklastische Ströme MLST C. Als zu Beginn der vierten Ausbruchsphase B erreichen Rhein (ab Ende ULST-A) eine zusammenhängende Wasserfläche von Brohl bis nach Koblenz passive Aufstauphase reichte, war das Neuwieder Becken komplett Brohl- dam m Hauptsee überflutet: Das passive Seestadium trat ein. Der Wasserspiegel stieg nun immer weiter an, Pause zwischen und der Rückstau dehnte sich rheinaufwärts ULST-A und ULST-B C möglicherweise bis in den Oberrheingraben hinein aus. c h s hmin ke Dammbruch und Flutwelle D. Noch vor dem Ende der vierten Ausbruchs- Flutwelle Da m m- phase (Beginn von ULST-B) brach – vielleicht rheinabwärts bruch infolge starker Erdbeben – der Brohldamm, ark un d H ans- Ul ri

Beginn ULST-B was eine verheerende Flutwelle rheinabwärts D l ia P Corne auslöste.

Bereich des Neuwieder Beckens ein tiefer, Altarmen ausgeräumt und sogar noch von de- weitflächiger See aufstauen konnte, der Wo- ren Uferbereichen weggerissen. Komplette chen bis Monate bestand. primäre Falloutpakete von mehreren Kubik- Während der Laacher-See-Eruption müs- metern Größe brachen durch Unterspülung sen sich im tieferen Neuwieder Becken dra- ab und schwammen als Flöße mit der Flut matische Szenen abgespielt haben. Der Rhein stromabwärts. An anderen Stellen wurden sie lieferte sich einen erbitterten Kampf mit den angetrieben und zum Teil kopfüber überei- Tephra­massen. In den Altarmen fanden wir nander gestapelt. Das bedeutet, dass die Te- Sedimente, die sich bei sehr hohen Fließge- phraablagerungen zum Zeitpunkt ihrer Mobi- schwindigkeiten von ein bis zwei Meter pro lisierung noch trocken waren. Denn nur so Sekunde gebildet haben müssen. Sie bestehen konnten die lediglich im trockenen Zustand ausschließlich aus Laacher-See-Tephra und schwimmfähigen Bimse das Gewicht der Ge- wurden zweifelsfrei noch während der Laa- steinsbruchstücke kompensieren. Demnach cher-See-Eruption dort deponiert; denn sie fiel zwischen den Überflutungsphasen mit ho- sind – genau wie die Bimsflöße – von pri- hen Strömungsgeschwindigkeiten immer wie- mären Ablagerungen der vierten Eruptions- der Tephra auf trockenen Grund – selbst tief phase überdeckt. Mit mehreren Metern in den Altarmen, die zuvor bereits meterhoch Mächtigkeit überziehen sie selbst Altarm- und unter Wasser gestanden hatten. Auenbereiche, die schon längere Zeit vor der Die hohen Fließgeschwindigkeiten, die Eruption trockengefallen und bewachsen wa- großen Wasservolumina und die mehrfache ren. Das beweisen an den Bimswänden ange- Ausräumung riesiger Tephramassen aus den schnittene Hohlformen oder Abdrücke von Altarmen noch vor Entstehung des Hauptsees Bäumen und Sträuchern (Bild rechts). Die zeigen, dass wir es hier nicht mit einer ein- Höhenlagen, in denen wir noch solche Hoch- fachen Hochwassersituation zu tun haben. Der geschwindigkeitsablagerungen fanden, weisen schon durch den Fallout komplett überfrachte- auf gigantische Wasservolumina hin. te Rhein hätte niemals eine solch hohe Trans- Enorme Tephramassen wurden bei den portkraft und Fließgeschwindigkeit entwickeln Überflutungen mehrfach vollständig aus den können. Unter normalen Abflussbedingungen

84 SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · Februar 2009 ERDE & UMWELT befördert er heute lediglich Komponenten in che bis Koblenz reichte. Danach stieg der Was- Sandkorngröße und kleiner. Nur bei den weni- serspiegel stetig an, während der See immer gen Hochwasserereignissen im Jahr kann er größer wurde und der Rückstau immer weiter auch größere Steinchen verfrachten. Aber wäh- stromaufwärts reichte. Das konnten wir an- rend der Laacher-See-Eruption wurde ja nicht hand der Ablagerungen des Eruptionsinter- mehr Wasser aus dem Oberlauf angeliefert. valls ULST-A dokumentieren, die zu Beginn Außerdem fällt auf, dass die Überflutungspha- der vierten und letzten Ausbruchsphase depo- sen im nördlichen und im südlichen Altarm niert wurden. Demnach übertraf der Anstieg sowie in deren Nebenarmen zeitgleich stattfan- des Wasserspiegels zunächst die Sedimentati- den. Sie betrafen all diese Rinnen auf ihrer onsrate von ULST-A, blieb mit der Zeit aber kompletten Länge in vergleichbarer Weise. dahinter zurück. Das ist plausibel; denn wegen Insgesamt lassen diese Indizien nur einen der wachsenden Seeoberfläche erforderte es Schluss zu: Riesige Wassermengen waren immer mehr Wasser, den Wasserspiegel um mehrfach an kurzlebigen, instabilen Dämmen den gleichen Betrag anzuheben. Die 1,66 Ku- aus losem Falloutmaterial irgendwo im Be- bikkilometer für die letzten zehn Meter Was- reich von Koblenz aufgestaut und rauschten sersäule sammelten sich während der Erupti- nach dem Dammbruch mit hoher Geschwin- onspause zwischen ULST-A und ULST-B an, Baumabdrücke in den Ablage- digkeit durch das Neuwieder Becken flussab- was ausgehend von der heutigen mittleren rungen der frühen Ausbruchs- wärts. Beim gegenwärtigen Stand unserer For- Wasserführung des Rheins wohl neun bis zehn phase (LLST) beweisen, dass schungen können wir mit Sicherheit fünf, Tage in Anspruch genommen hat. hier vor der Laacher-See-Erup­ möglicherweise sogar sechs große Überflu- Wir fanden noch auf 83 Meter Meereshö- tion trockenes Land war. Auch tungsphasen rekonstruieren. he ein dünnes Bimsfloß. Die sehr feinkör- der gesamte Fallout der zweiten nigen ULST-A-Ablagerungen darunter sind (MLST-A) und dritten Eruptions- Bildung eines nicht durch Wellenbewegung gestört. Dem- phase (MLST-B/C) fiel noch ins riesigen natürlichen Stausees nach befand sich diese Stelle ein gutes Stück Trockene. Monströse Flutwel- Der eigentliche See begann sich am stabilen vom Seeufer entfernt in einer Wassertiefe, bis len, die durch den Bruch eines Hauptdamm im Bereich der Brohltalmün- zu der die Wellen nicht vordrangen. Der ma- Damms bei Koblenz entstanden, dung aufzustauen. Es gab also zeitgleich an ximale Seespiegel erreichte vermutlich 85 Me- räumten danach die MLST-B/C- zwei verschiedenen Stellen Blockaden, wobei ter Meereshöhe, das heißt 27 Meter über dem Schicht komplett ab und ließen diejenigen bei Koblenz instabil waren und damaligen Rheinbett. Gesteinsbruchstücke (grau) mehrfach brachen. Jeder Bruch führte zu Rein rechnerisch müsste sich der Rückstau sowie bereits wassergesättigte Flutwellen im Neuwieder Becken und einer bis 140 Kilometer stromaufwärts vom Damm und daher nicht mehr schwimm- sprunghaften Vergrößerung des bei Brohl auf- erstreckt haben, also bis zum heutigen Mann- fähige Bimse (weiß) zurück. Die gestauten Sees. heim im nördlichen Oberrheingraben. Dort Sedimentstrukturen deuten auf Bei der Auswertung unserer hoch aufgelös­ könnte ein See ähnlicher Ausdehnung wie im sehr hohe Fließgeschwindigkei­ ten Korrelationen zeigte sich, dass sich die Neuwieder Becken entstanden sein, wenn- ten von ein bis zwei Meter pro Dynamik des Tephrafalls in den Rhein – und gleich er wohl wesentlich flacher und von vie- Sekunde. Die Flutwellen reich-­ damit der Eruptionsverlauf – unmittelbar in len Inseln und Halbinseln zergliedert war. Das ten an dieser Stelle mindestens den Überflutungen widerspiegelt. Anschei- bleibt freilich reine Spekulation, da wir die zehn Meter über den Rhein. nend hielt sich die Aufdämmung bei Koblenz nur so lange, wie neues Material angeliefert ark wurde, also während des aktiven Fallouts. 10 Meter über dem Rhein Folglich kam es in der Pause nach dem Ende l ia P Corne eines großen Tephraregens fast stets zum Bruch der Koblenzer Dämme. Durch die Verzahnung der Ausbruchspha- sen mit den Überflutungsereignissen im Neu- wieder Becken konnten wir die Dauer einiger

Eruptionsintervalle und Pausen über Berech- Wasser fließendes schnell

nungen des Wasservolumens ziemlich genau MLST-A bestimmen. So kamen wir auf die erstaunlich kurzen Zeiträume von wenigen Stunden. Dies ist ein sehr seltener Glücksfall. Normalerweise lässt sich bei prähistorischen Ausbrüchen die Baumabdrücke Dauer einzelner Eruptionsereignisse nur sehr schwer abschätzen. Der Kampf des Rheins mit den Tephramas- LLST sen im Neuwieder Becken endete erst, als der L and trockenes bei Brohl aufgestaute See so weit angewachsen war, dass eine zusammenhängende Wasserflä-

SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · Februar 2009 85 Vulkanismus

Verhältnisse im Oberrheingraben bisher noch renden Abfolge von feinkörnigen und grö- nicht näher überprüfen konnten. Der Rück- beren Aschenlagen besteht. Deren Anzahl stau reichte sicherlich auch weit in die Neben- nimmt systematisch mit der Höhe ab, in der flüsse hinein – bei der Mosel eventuell sogar man sie heute findet. Im obersten Bereich des mehr als 60 Kilometer stromaufwärts. Der See ehemaligen Sees bis etwa 15 Meter unterhalb umfasste insgesamt 2,55 Kubikkilometer und seines Spiegels ist die komplette ULST-B-Ab- sollte sich, wieder die heutige Wasserführung folge auf die gestrandeten Bimsflöße gefallen. des Rheins vorausgesetzt, innerhalb von gut Von da ab fehlen jedoch, je tiefer die Schicht zwei Wochen gebildet haben. sich befindet, immer mehr der unteren Lagen. Diese müssen demnach in einen noch verblie- Dammbruch und verheerende benen Wasserkörper gefallen sein. Das aber Flutwelle rheinabwärts heißt, dass sich der Seespiegel beim Damm- Schließlich brach auch der Hauptdamm an der bruch zunächst schlagartig um etwa 15 Meter Mündung des Brohlbachs. Das muss gegen erniedrigt hat. Fast denselben Wert liefert Ende der Pause zwischen den Eruptionsinter- auch die Modellierung des Wasservolumens, vallen ULST-A und -B geschehen sein; denn das nötig war, um die rekonstruierten Über- im höheren Abschnitt des Sees ist die Bims- schwemmungen im Bereich der Ahrmündung floßschicht, die auf der Wasseroberfläche trieb, sechs Kilometer stromabwärts des Brohl- unmittelbar auf primären Ablagerungen des damms hervorzurufen. Eruptionsintervalls ULST-A gestrandet. Mög- Man kann sich vorstellen, welch gewaltige licherweise haben die heftigen Explosionen Flutwelle nach dem Dammbruch mit hoher während der Eröffnungsphase von ULST-B Geschwindigkeit rheinabwärts raste. Leider starke Erdbeben ausgelöst, die den Kollaps des finden sich im zentralen Talbereich heute kei- oberen Dammabschnitts bewirkten. ne Spuren mehr davon. Sedimente dort hat Bei der Klärung der Frage, wie schnell der der Rhein später wieder komplett abgetragen See nach dem Dammbruch auslief, hilft der und umgelagert. Allerdings existieren noch Umstand, dass ULST-B aus einer alternie- Ablagerungen vom Rand der Flutwelle in den

Köln Diese großräumige Karte illus- Niederrheinische Bucht triert das mögliche Ausmaß des Flutwelle N Rhein-Rückstaus. Er müsste sich, wenn man eine Wasserspiegel- höhe von 85 Metern über dem Bonn Meer und die heutige Topografie 20 km ld zu Grunde legt, rund 140 a w Unteres Mittel- r te Kilometer stromaufwärts bis in s rheintal e den nördlichen Oberrheingraben W Brohl- erstreckt haben. Dort bildete N5030' damm sich demnach ein zweiter See Stausee von ähnlicher Ausdehnung wie Laacher-See- Vulkan der im Neuwieder Becken, der Neuwieder Becken Koblenz s u allerdings wesentlich flacher n u Lahn a und von vielen Inseln zerglie- T dert war. Handfeste Belege für Eifel seine Existenz fehlen bis jetzt Oberes Mittelrheintal aber noch. Der Rückstau betraf Frankfurt auch die Nebenflüsse und reichte etwa bei der Mosel vermutlich 60 Kilometer weit N500' k stromaufwärts (Pfeil). Alles in c rü allem bedeckte der durch die s n u Ober- Laacher-See-Eruption aufge- H rhein- staute See eine Fläche von 300 Mosel graben Quadratkilometern und beinhal- c h Sc hmin ke tete 2,5 Kubikkilometer Wasser. Wie Ablagerungen beweisen, erstreckte sich die Flutwelle ark un d H ans- Ul ri nach dem Bruch des Dammes bei Mannheim Brohl mindestens bis Köln. l ia P Corne E70' E730' E80' E830'

86 SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · Februar 2009 ERDE & UMWELT

Altarmrinnen auf der höher gelegenen ehema- nen Jahre in mehreren Phasen gehoben wurde ligen Flussaue. Am differenziertesten und aus- und sich in einigen Bereichen auch heute sagekräftigsten sind sie sechs Kilometer fluss­ noch hebt. Vermutlich steigt hier kristallines, abwärts des Damms, einem »Goldene Meile« aber zähplastisches Gestein des Erdmantels genannten Flussabschnitt südlich der Ahr- langsam aus der Tiefe auf und schmilzt wegen mündung. Dort liegen rein aus Laacher-See- der Druckentlastung stellenweise. Tephra bestehende fluviatile Sedimente, die Bis in die 1980er Jahre überwog die Auf- sehr schnell fließendes Wasser anzeigen, auf fassung, dass die vulkanische Aktivität in der ehemals trockenem Terrain. Eifel endgültig erloschen sei. Doch diese An- Die Flutwelle war im Bereich der Goldenen sicht basierte weder auf überzeugenden empi- Meile etwa zehn bis zwölf Meter hoch. Zwar rischen Daten noch auf wissenschaftlicher Lo- erreichte ein außergewöhnliches Hochwasser gik. Inzwischen gibt es Indizien dafür, dass die dort 1926 ebenfalls die Elf-Meter-Marke. Vor Magmaproduktion in der Tiefe weitergeht. dem Dammbruch war der Rheinkanal flussab- Die allermeisten Vulkane der Eifel sind wärts von der Barriere jedoch praktisch kom- Schlackenkegel und Maare, deren Eruptionen Cornelia Park beschäftigt sich seit plett leer, so dass plötzlich eine zwölf Meter nur lokal begrenzte Auswirkungen hatten. In- vielen Jahren mit der Laacher-See- hohe Wasserwand flussabwärts raste. Da das sofern bildet der Laacher-See-Vulkan eine Eruption, finanziell unterstützt von Rheintal unmittelbar hinter dem Damm deut- Ausnahme. Doch es ist nicht die einzige: Zwei der Deutschen Forschungsgemein- lich enger ist, dürfte diese Wand dort noch we- ihm benachbarte noch ältere Vulkane in der schaft und der Sparkasse Koblenz. sentlich höher gewesen sein. Osteifel hatten jeweils eine Aktivitätsphase, in Derzeit erforscht sie am Leibniz-­ Institut für Meeresforschung (IFM- Bis 52 Kilometer stromabwärts des Damms, der sie bei mehreren hochexplosiven Ausbrü- GEOMAR) in Kiel die kraternahen südlich von Köln, konnten wir Spuren der chen ebenfalls sehr weite Gebiete verwüsteten. Auswirkungen der von dem Aus- Flutwelle nachweisen. Ihre Auswirkungen In beiden Fällen zog sich der Eruptionszyklus bruch verursachten Klimaänderung. reichten sicher noch weiter – vermutlich bis über einen Zeitraum von einigen 10 000 Jah- Hans-Ulrich Schmincke gilt als führender Experte für den Eifelvulka- nach Holland. Doch entsprechende Sedi- ren hin. Zwischen den Aktivitätsphasen der nismus. Von 1990 bis zu seiner Eme- mente lassen sich hier nur noch äußerst zwei Vulkane lagen über 100 000 Jahre der ritierung 2003 leitete er die von ihm schwer finden, weil das Gefälle des Rheins Ruhe. Danach folgte eine ebenso lange Zeit aufgebaute Abteilung Vulkano­logie sehr gering ist, so dass er ältere Ablagerungen der Inaktivität, bis vor 12 900 Jahren schließ- und Petrologie am IFM GEOMAR der in viel höherem Maße erodiert hat als weiter lich die Laacher-See-Eruption stattfand. Universität Kiel. Von 1983 bis 1991 war er Generalsekretär der inter­ flussaufwärts. Dieses Muster ist auffallend regelmäßig. nationalen vulkanologischen Nördlich von Bonn erfasste die Flutwelle Per Analogieschluss legt es nahe, dass der Laa- Gesellschaft (IAVCEI). Zu seinen unseren Untersuchungen zufolge einen fünf cher-See-Vulkan mit seinem Ausbruch einen vielen Ehrungen zählt die Verleihung Kilometer breiten Streifen, wobei sich die neuen, dritten Zyklus eingeleitet haben des Leibnizpreises der Deutschen Überschwemmung jedoch auf tiefer gelegene könnte. Wenn dieser sich wie im Fall der bei- Forschungsgemeinschaft (1991). Auenbereiche und Rinnen beschränkte. Würde den Vorgänger über mehrere 10 000 Jahre er- Ähnliches heute passieren, wären die Auswir- streckt, wären weitere hochexplosive Eruptio­ Park, C., Schmincke, H.-U.: Lake kungen auf die ufernahen Gebiete verheerend. nen zu erwarten. Formation and Catastrophic Dam Der nach dem Hauptdammbruch verblie- Obwohl es im Moment keinerlei konkrete Burst During the Late Pleistocene bene Restsee war stellenweise noch 14 Meter Anzeichen für ein Wiedererwachen gibt, ist es Laacher See Eruption (). tief. Er wurde wesentlich langsamer abgelas- sinnvoll, bestimmte Parameter wie die Mikro- In: Naturwissenschaften 84, S. 521 – 525, 1997. sen als der obere Teil – vermutlich indem ab- seismik oder Menge und Zusammensetzung strömendes Wasser den Restdamm und die der aus dem Krater austretenden Gase länger- Schmincke, H.-U.: Eifelvulkane. Aufbau, Entstehung und heutige Dammbruchmassen schrittweise erodierte. fristig systematisch zu überwachen, um eine Bedeutung. Görres, Koblenz. S. Dafür spricht die systematische Abnahme der natürliche Fluktuation von einer progressiven 1 – 185, 2008. ULST-B-Lagen in diesem unteren Seebereich. Entwicklung unterscheiden zu können. Schmincke, H.-U.: Volcanism. Sollte der Laacher-See-Vulkan tatsächlich Springer, Heidelberg, Ist der Eifelvulkanismus erloschen? wieder ausbrechen, werden sich mit hoher S. 1 – 324, 2004. Die für die heutigen Bewohner des Rhein- Wahrscheinlichkeit erneut pyroklastische Schmincke, H.-U.: Vulkanismus. lands interessante Frage lautet natürlich, wie Strö­me bilden, die über dieselben Seitentäler Wissenschaftliche Buchgesellschaft, wahrscheinlich es ist, dass sich das Geschehen wie vor 12 900 Jahren den Rhein erreichen. Darmstadt. S. 1 – 264, 2000. von vor 12 900 Jahren wiederholt. Die rund Auch heute herrschen noch Westwinde in der Schmincke, H.-U. et al.: Evolution 340 Vulkane der Eifel verteilen sich auf zwei Stratosphäre, so dass die Hauptmasse des Fall- and Environmental Impacts of the Vulkanfelder und sind mit Abstand die outs wie seinerzeit im Bereich des Neuwieder Eruption of Laacher See jüngsten in ganz Deutschland. Die anderen Beckens niedergehen dürfte. Eine erneute (Germany) 12 900 a BP. In: Quater- deutschen Vulkangebiete wie Rhön, Hegau Aufstauung des Rheins wäre dann sehr wahr- nary International 61, S. 61 – 72, oder Kaiserstuhl haben ein Alter von vielen scheinlich. Wir möchten hier nicht in Alar- 1999. Millionen Jahren. mismus verfallen, aber eine potenzielle Bedro- Die Eifelvulkane entwickelten sich auf dem hung besteht und muss bei längerfristigen Weblinks zu diesem Thema finden Rheinischen Schild, einem großen Lithosphä- Projekten und solchen mit hohem Gefähr- Sie unter www.spektrum.de/ renblock, der während der letzten 40 Millio- dungspotenzial berücksichtigt werden. artikel/977241.

SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · Februar 2009 87