Deutschland Und Die Olympische Bewegung in Der Zeit Des
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Deutschland und die Olympische Bewegung in der Zeit des Nationalsozialismus von Hajo Bernett Vorbemerkung Herren erkannten bald die Chance densliebe umstellte. Die Sportfüh- der außenpolitischen Aufwertung rung nutzte den politischen Auf- Mit dem erfolgreichen „Comeback" und machten sich zum Motor einer wind und postulierte die Identität 1928 in Amsterdam hatte die Olym- Bewegung, die mit der nationalso- der Olympischen und der national- pische Bewegung in Deutschland zialistischen Weltanschauung ei- sozialistischen Bewegung. Insofern einen verheißungsvollen Auf- gentlich nichts gemein hatte Mit war es berechtigt, wenn kritische schwung erfahren, und die Vergabe dem Aufbau der politischen Vor- der Spiele der XI. Olympiade nach machtstellung verbanden sie das Summen im Ausland vor der „Na- Berlin bestätigte diesen Trend. Der Ziel, sich zur ersten Sportnation der zi-Olympiade" und „Spielen unter sportlichen Enttäuschung in Los Welt zu erheben. Diese Tendenz dem Hakenkreuz" warnten. Angeles folgte jedoch eine spürbare stimmte mit den Absichten der Als die Berliner Spiele über die Büh- Abschwächung, bedingt durch die Sportführung allerdings voll über- ne gingen und in aller Welt Schlag- ökonomische Krise und die Versu- ein. Die Bedenken der Deutschen zeilen machten, vermerkte Reichs- che der sprunghaft wachsenden po- Turnerschaft wurden hinwegge- propagandaminister Joseph Goeb- litischen Rechten, die Bewegung in schwemmt, und die oppositionellen 1 bels schon am dritten Tag: „Diese eine falsche Richtung zu drängen. Arbeitersportler wurden mundtot Hemmend wirkten die andauernde Olympiade ist ein ganz großer gemacht oder zur Emigration ge- 2 Zurückhaltung der Deutschen Tur- zwungen. Durchbruch." Das IOC sparte an- nerschaft und der Umstand, daß der gesichts der neuen Größenordnung deutsche Arbeitersport internatio- So entfaltete sich zur Überraschung der ersten Olympischen Spiele in nal eigene Wege ging. der Verantwortlichen für die Spiele Deutschland nicht mit Anerken- des Jahres 1936 bald eine allgemeine nung.3 Sein Präsident beglück- Als die Nationalsozialisten die olympische Begeisterung, und der wünschte die deutschen Mitglieder, Macht eroberten, konnte man für Olympische Gedanke wurde popu- die Olympische Bewegung in lär wie nie zuvor. Dafür sorgte auch daß es ihnen gelungen sei, das Deutschland keine neuen Impulse die zentral gesteuerte staatliche Pro- olympische Ideal „in alle Schichten erhoffen. Man mußte sogar um ihr paganda, die sich problemlos auf der deutschen Bevölkerung hinein- 4 Überleben bangen. Doch die neuen Volkerverständigung und Frie- zutragen." 1 Dazu im einzelnen: H. BERNETT, „The Olympic Games of Los Angeles 1932 as seen by the nationalistic and racial Ideology", in: N. MÜLLER / J. K. RÜHL (Hrs.), Olympic Scientific Congress 1984. Official Report. Sport History, Njedernhau- sen 1985, S. 468-477. 2 J- GOEBBELS, Tagebücher, sämtliche Fragmente, Teil II: Aufzeichnungen 1924-1941, hrsg. v. E. FRÖHLICH, München 1987. Eintragung 3. 8.1936, S. 654. 3 Zu den konkreten Gesten der Anerkennung vgl. A. KRÜGER, „Deutschland und die olympische Bewegung (1918-1945)", in: H. UEBERHORST (Hrsg.), Geschichte der Leibesübungen, Bd. 3.2, Berlin 1982, S. 1043. 4 Protokoll der IOC-Sitzung am 15.8.1936 in Berlin. IOC-Archiv Lausanne, Übersetzung. \DOI\NS-1.WS, Autorenkorr. ok, G. Sp. 31.1.1994 2 Mit den sportlichen Triumphen und Völkerbundsidee' (VB vom 14. 9. Hitler zu erkundigen, wie sich eine dem Medaillensegen erreichte die 1928). Nach den Olympischen Spielen von der NSDAP geführte Regie- Olympische Bewegung 1936 den in Los Angeles 1932 forderte das rung zu den Berliner Spielen 1936 Zenit ihrer Popularität. Doch man gleiche Blatt den Ausschluß der Far- stellen würde. Hitler ließ mitteilen, hatte sie politisch instrumentalisiert bigen von den Olympischen Spielen „daß er die Frage der Durchführung und mit fragwürdigen ideologi- in Berlin. Eine prinzipielle Ableh- mit großem Interesse betrachte".7 schen Inhalten angereichert. So nung der Teilnahme aus turnerisch- Nachdem Hitler am 16. März 1933 wurde der scheinbare Höhenflug nationalen Motiven, wie sie z. B. der auch offiziell seine Zustimmung zu zu einer realen Gefährdung. Zum Führer der Deutschen Turnerjugend den Olympischen Spielen in Berlin Verständnis dieses Prozesses ist es und kurzfristige DT-Vorsitzende gegeben hatte, beteuerte der nun erforderlich, zunächst das wechsel- Edmund Neuendorff propagierte, zum offiziösen Regierungsorgan hafte Urteil der NSDAP und ihres kam für die stärkste Partei des aufgestiegene Völkische Beobachter Führers über den Olympismus zu Reichstages 1932 allerdings nicht am 22. April 1933 eilfertig, man wer- mehr in Betracht5 Den „Erfolg" des erfragen. de alle Sportler bei den Olympischen faschistischen Italiens vor Augen, Spielen 1936 als Gäste behandeln, das in Los Angeles mit je 12 Gold-, Die Einstellung der NSDAP und 'welcher Rasse sie auch angehören' Silber und Bronzemedaillen den 2. Adolf Hitlers zur Olympischen Be- mögen. Angesichts der völkisch in- Platz der fiktiven Nationenwertung spirierten anti-olympischen Kam- wegung errungen hatte, proklamierte der pagne der Vertreter der Akademi- VB am 20. 8.1932: Nach den antijüdischen Boykott- schen Kreis- und Hochschulämter für maßnahmen am 1. April 1933 und „Deutschland kann sich mit jeder Leibesübungen, der antisemitischen den ersten Ausschlüssen jüdischer Nation messen, wenn wir das Diskriminierung deutscher Sportler Sportler aus deutschen Turn- und kämpferische Moment mehr beto- nen. Das Volk der 'Nur Dichter und im Frühjahr 1933 und der olympi- Sportorganisationen im Frühjahr Denker' gehört der Vergangenheit schen Machtansprüche des neuen 1933 erinnerte die internationale an, Kampf ist die Devise des 20. Reichssportkommissars8, bestand das Sportpresse an die antiolympische Jahrhunderts, besonders auch im IOC auf einer offiziellen Zusage, Sport". Polemik der NS-Presse vor der daß die olympischen Regeln 'Machtergreifung'. Schon während der Winterspiele respektiert und „grundsätzlich kei- Die rassistische Kritik der NSDAP 1932 in Lake Placid interpretierte ne Juden ausgeschlossen werden". an den Olympischen Spielen war zum der VB am 26.2.1932 die trotz Wirt- Der „Halbjude" Theodor Lewald, ersten Mal zehn Jahre zuvor öffent- schaftskrise ermöglichte deutsche selbst kurzfristig Zielscheibe natio- lich geäußert worden: Schon 1923 Teilnahme als Beleg dafür, „daß nalsozialistischer Attacken, legte in hatte der Völkische Beobachter (VB) Deutschland nicht unterzukriegen" Abstimmung mit dem Reichsinnen- die international offenen Olympi- ist. Da in NS-Publikationen die An- minister auf der Wiener IOC-Ses- schen Spiele durch eine „Olympiade griffe gegen den internationalen sion im Juni 1933 eine Garantieer- der nordischen Völker" ersetzen Sportverkehr nicht verstummten6, klärung vor, die im Völkischen Beob- wollen (VB 1. 10. 1923). 1928 diffa- hielt es IOC-Präsident de Baillet-La- achter vom 9. 6. 1933 veröffentlicht, mierte Alfred Rosenberg die Olym- tour bereits im Oktober 1932 für an- aber 1936 mit der Nichtnominie- pischen Spiele der Neuzeit daher als gebracht, sich über das deutsche rung von Gretel Bergmann9 gebro- 'rasseloses Verbrechen gleich der IOC-Mitglied Ritter von Halt bei chen wurde. 5 Die „olympische Kehrtwendung der NSDAP" wird genauer beschrieben bei: H. J. TEICHLER, „1936 - ein olympisches Trauma. Als die Spiele ihre Unschuld verloren", in: M. BLÖDORN (Hrsg.): Sport und Olympische Spiele, Reinbek 1984, S. 47-76, hier S.48f. 6 Vgl. B. MAUTZ, Die Leibesübungen in der nationalsozialistischen Idee, München 1933, S. 21ff. 7 Siehe A. KRÜGER, Die Olympischen Spiele 1936 und die Weltmeinung. Ihre außenpolitische Bedeutung unter besonderer Berücksichtigung der USA, Berlin, München, Frankfurt/M 1972, S. 41. 8 Vgl. H. J. TEICHLER, Internationale Sportpolitik im Dritten Reich, Schorndorf 1991 [Wissenschaftliche Schriftenreihe des Deutschen Sportbundes 23], S. 82ff. Teil OS 1936-40: ohne Fußnoten 23 volle Seiten 3 Die sprunghafte Revision der ur- Olympischen Spielen nach Etablierung haus offiziell zur Feier der Olympi- sprünglich antiolympischen Ein- der deutschen Weltherrschaft schen Spiele 1936 nach Berlin einlud, stellung der NSDAP erklärt sich vor konnte man mit dem Wohlwollen allem aus der politisch-propagandi- Die Umwandlung des Deutschen des IOC rechnen. Olympischen Ausschusses stischen Zielsetzung des Regimes Ein Jahr später entschieden sich sei- im Jahr 1933: In der Phase der unter- Der Deutsche Olympische Ausschuß ne Mitglieder in schriftlicher Ab- legenen Eigenrüstung unterstützte (DOA) - so hieß das damalige Na- stimmung für die Reichshaupt- Hitler alle Versuche, nach außen hin tionale Olympische Komitee - ver- stadt. Der DOA trat am 30. Mai 1931 Friedensliebe und Verständigungs- stand es, die ersten Olympischen zusammen, um seiner Genugtuung bereitschaft zu signalisieren sowie Spiele in Deutschland vorausschau- Ausdruck zu geben; aber angesichts durch positive Aktionen die welt- end zu planen. Er hatte sich 1926 als der wirtschaftlichen Talfahrt mußte politische Isolierung zu durchbre- ein Gremium des Deutschen Reichs- er seine Erwartungen zurückstek- chen. Zusätzliches Motiv der natio- ausschusses für Leibesübungen (DRA) ken und die Finanzierung durch ei- nalsozialistischen Unterstützung konstituiert, um die zukünftige Teil- nen „Olympia-Groschen" ins Auge der Berliner Spiele war die Hoff- nahme an Olympischen Spielen vor- fassen.11 nung, durch ein kraftvolles sportli- zubereiten. Die Zusammenarbeit ches Auftreten zur Weltgeltung des der Vorsitzenden der Fachverbände Im Jahr darauf