Sportstätten im Trendsport-Zeitalter

Thomas Schnitzler

gebnis“ (OPASCHOWSKI 1997). Federball Sportverhalten im Wandel Der Goldene Plan ³ Anzahl der Fitnessstudios und Durch die zunehmende Freizeit seit den spielende Familien auf dem Abstands- Mitgliederentwicklung 1990-1997 grün von Wohnanlagen, jugendliche Empfehlungen für Richtwerte pro Ein- Studios in Tsd. Mitglieder in Mio. 1970er Jahren hat sich das Sportverhal- wohner bzgl. durchschnittlicher Nut- 6 ten der Bevölkerung deutlich verändert. BMX-Fahrer auf den Brachflächen am Studios zungsflächen: Mitglieder Zu beobachten sind u.a.: Ortsrand, Inline- und Rollerskater in • 5 m² Sportplatz (für Fußballplatz, Spie- 5 • die Zunahme von freizeit- gegenüber den Fußgängerzonen und auf Radwe- le und Leichtathletik) 4 4 wettkampforientierten Sportaktivitäten, gen, Jogger und Boccia-Spieler in Park- • 0,1 m² Turnhalle • die Zunahme der informellen, d.h. anlagen oder Eishockey spielende Kin- • 0,025-0,1 m² Wasserfläche im Hallen- 3 3 der außerhalb von organisierten Ver- der und Schlittschuhläufer auf zugefro- bad einen und Verbänden stattfindenden renen Seen gehören inzwischen überall • 0,05-0,15 m² Wasserfläche im Freibad. 2 2 (Deutsche Olympische Gesellschaft zum Stadtbild. Freizeitforscher progno- Sportbetätigungen, 1960) 1 1 • die verstärkte Nutzung kommerzieller stizieren zudem den immer zahlreiche- Freizeitsportangebote, ren und ausgefalleneren Abenteuer- Sportstättenbestand in den alten 0 0 und Natursportaktivitäten einen an- Ländern 1989 (32.000 ha = 100%) 19901991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 • eine Verschiebung vom gruppenorien- tierten Gemeinschaftserlebnis zur indi- haltenden Boom, als dessen wichtigste © Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Jahr • 25.000 Sporthallen = 7688 ha (24%) vidualistischen Selbstverwirklichung, Trendsportarten genannt werden: Mou- • 40.000 Sportplätze = 3600 ha (11,3%) • der wachsende Zuspruch erlebnisbe- tainbiking/Radfahren, Free Climbing/ • 8300 Tennisanlagen = 3600 ha tonter Fun-Sporte wie Bungee-Jum- Bergsteigen, Trekking/Wandern, Bow- (11,3%) • 4000 Hallenbäder = 90 ha · Gesamtumsatz der Fitnessstudios 1990-1997 ping oder Paragliding wie auch des ling/Kegeln, Fitness-Training/Wellness, Fitness- und Wellness-Sports sowie In-Line-Skating, Schießsport, Snow- • 2800 Freibäder mit Wasserflächen von Mrd. DM je ca. 3500 m². • die fortschreitende Vermarktung des Zu- board, Tauchen, Wildwasserfahren, 4,0 (nach SCHEMEL/ERBGUTH 1992) schauer-Sports zum globalen Tele-Sport. Fallschirmspringen und (Beach-)Vol- 3,5 Der in regionalen Vergleichsstudien leyball. Zugleich wird eine deutliche 3,0 seit Anfang der 1990er Jahre festge- Zunahme der passiven Sportbegeiste- die von Carl Diem (1882-1962) seit 2,5 stellte Rückgang der Wettkampf- und rung erwartet, eine Folge der kommer- 1911 für ein Reichsspielplatzgesetz ent- 2,0 Leistungssportaktivitäten tritt im städ- ziellen Entwicklung des Zuschauers- wickelte Konzeption, 1960 im Ī Golde- 1,5 tischen Siedlungsraum weitaus stärker ports – besonders Tennis und Fußball – nen Plan veröffentlicht. Die 1989 für 1,0 als in ländlichen Regionen auf. In den zum Medienspektakel. die insgesamt 150.000 Sportanlagen in 0,5 Städten existieren deutlich mehr infor- den alten Ländern errechnete nutzbare melle als organisierte Sportler, die z.B. Die Sportstätten des „Goldenen Sportfläche von 32.000 ha umfasste fast 0 19901991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1991 in Neuss nur noch 10% aller ak- Planes“ 3% der gesamten Siedlungsfläche bzw. Jahr © Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 tiven Sportler ausmachten. Dabei gilt: Noch bis in die achtziger Jahre befolgte 0,35% der Gesamtfläche der Bundesre- „das Erlebnis ist wichtiger als das Er- die westdeutsche Sportstättenbaupolitik publik (HAHN 1989). Der in den neuen

» Kernsportstättendichte nach Ländern Sportplätze Sporthallen Hallenbäder Freibäder

Schleswig- Schleswig- Schleswig- Schleswig- Holstein Holstein Holstein Holstein Mecklenburg- Mecklenburg- Mecklenburg- Mecklenburg- Hamburg Vorpommern Hamburg Vorpommern Hamburg Vorpommern Hamburg Vorpommern

Bremen Bremen Bremen Bremen Niedersachsen Niedersachsen Berlin Niedersachsen Berlin Niedersachsen Berlin

Brandenburg Brandenburg Brandenburg Brandenburg Sachsen- Sachsen- Sachsen- Sachsen- Anhalt Anhalt Nordrhein- Nordrhein- Anhalt Nordrhein- Nordrhein- Anhalt Westfalen Westfalen Westfalen Westfalen Sachsen Sachsen Sachsen Sachsen Thüringen Thüringen Thüringen Thüringen Hessen Hessen Hessen Hessen

Rheinland- Rheinland- Rheinland- Rheinland- Pfalz Pfalz Pfalz Pfalz

Saarland Saarland Saarland Saarland Bayern Bayern Bayern Bayern Baden- Baden- Baden- Baden- Württemberg Württemberg Württemberg Württemberg

Fläche je Einwohner Fläche je Einwohner Fläche je Einwohner Fläche je Einwohner in m² in m² in m² in m² 6,2 0,25 - 0,27 0,015 - 0,017 0,10 - 0,12 4,0 - 5,0 0,20 - 0,25 0,010 - 0,015 0,05 - 0,10 3,0 - 4,0 0,15 - 0,20 0,005 - 0,010 0,01 - 0,05 2,0 - 3,0 0,12 - 0,15 0,004 - 0,005 1,3 0 100 200 km

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Autor: T.Schnitzler Maßstab 1: 11000000

84 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Freizeit und Tourismus Ländern als Langzeitfolge der sozialisti- schen Körperkultur 1992 ermittelte ᕤ Sportstadien und Sporthallen 1997 Fehlbedarf betraf hauptsächlich Hallen- bäder (69% unter dem Empfehlungswert des Goldenen Plans), Sporthallen (58%) und Sportplätze (23%), wobei der Mangel an Spezialanlagen für den vernachlässigten Individualsport wie Tennis, Kegeln oder Golf besonders auf- Kiel fällt (DEUTSCHER SPORTBUND 1992). Im Hinblick auf den prognostizierten Zuwachs des Zuschauersports fehlen in den neuen Ländern große Stadien für Volkspark- Sport- und Kongresshalle stadion mehr als 10.000 Zuschauer und Sport- Schwerin hallen für mehr als 3000 Zuschauer ¿. Hamburg

In den alten Ländern gibt es allein 14 Weser-Ems- Halle El Stadien mit 40.000 bis 70.000 Plätzen, be Stadthalle bei denen auch Rockkonzerte schon Bremen Weserstadion lange zum Veranstaltungsprogramm ge- We se hören. Die neue Köln-Arena (18.000 r Oder Sitzplätze) und die in Gelsenkirchen für 62.000 Zuschauer geplante „Arena Auf Berlin Hannover Schalke“ (Eröffnung 2001) folgen in ih- 1 Wedaustadion 2 Rheinstadion Potsdam rer kommerziellen Multifunktionalität 3 Westfalenstadion Niedersachsen- dem Vorbild der amerikanischen Super- 4 Eisstadion stadion 5 Grugahalle Magdeburg Ernst-Grube- domes. 6 Phillipshalle Stadion

L a u r s Sportgelegenheiten und Pla- i e tz Parkstadion e s r

Stadion Westfalia e S nung für die Zukunft a Arena- Stadion W a l N e eiß Seit den achtziger Jahren wurden neue Oberhausen e Groten- 5 3 Westfalenhalle 1 Zentralstadion burg- 1 Ruhrstadion Leitaspekte für die Sportstättenplanung stadion Stadion Bökel- 2 4 am entwickelt. Auf der Suche nach einer berg- 6 Zoo Elbe bedarfsgerechten Raumsicherung für den stadion Düsseldorf Fulda Dresden Müngersdorfer Erfurt Rudolf- Stadion Sport, die sich auch langfristig den un- Kölner Harbig-Stadion Köln-Arena W terschiedlichen sozioökonomischen und erra le kommunalen Situationen anpassen Saa R h kann, diskutiert die Forschung seit eini- e i gen Jahren den Begriff der „Sportgele- n genheiten“. Dabei handelt es sich um Festhalle Sportstadien el Flächen oder Räume, deren primäre Mos an der Messe Zuschauerplätze in Tsd. Zweckzuweisung keine Sportnutzung vor- Wiesbaden Main >70 sieht, jedoch eine Sekundärnutzung in Mainz Waldstadion

Form von informellem Sport zulässt, wie Main 50 - 70 zum Beispiel öffentliche Grünflächen, Freiplätze, Schulhöfe, Parkanlagen oder 30 - 50 leer stehende ehemalige Geschäftsräume Südwest- 20 - 30 stadion Eisstadion am Friedrichspark Frankenstadion Saarbrücken Fritz-Walter 15 - 20 und Fabrikgebäude. Für eine dauerhafte Ludwigspark- -Stadion 10 - 15 Nutzungsregelung bedürfen solche Sport- stadion gelegenheiten zu ihrer räumlichen Er- Wildparkstadion Hans-Martin- schließung besonderer vertragsrechtli- Schleyer-Halle cher Vereinbarungen, wenn keine still- Stuttgart Gottlieb-Daimler- Do Stadion n schweigende Zulassung ihrer sekundären au Benutzung für den Sport besteht (BACH Sporthallen 1991). Die von süddeutschen Gemein- u ona Inn Zuschauerplätze in Tsd. D Olympia- den vorliegenden ersten Erfahrungswerte in e stadion h München wurden bereits bei einigen Pilotprojek- R >12 ten wie dem Sportstättenleitplan Wei- Städtisches Stadion 8 -12 mar (1995) umgesetzt. 5 - 8 Bodensee-Stadion 3 - 5 Der vom Bundesinstitut für Sportwis- Bodensee senschaft publizierte „Leitfaden für die Autor: T.Schnitzler Olympia-Skistadion keine flächenproportionale künftige Sportstättenentwicklungskon- Darstellung zeption“ beinhaltet das Ergebnis der Stadien mit mehr als 30000 und Hallen mit mehr als 8000 1986 aufgenommenen Auftragsstudie sind beschriftet.

„Sportstättenentwicklungsplanung“ (BfS 05025 75 100 km 2000). Er berücksichtigt stärker als bis- © Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Maßstab 1: 3750000 her den Sportanlagenbedarf der Kommu- nen bis in die einzelnen Stadtteile. Der zunehmende Nutzungsbedarf an Natur- nung anstelle kostspieliger Neubauten maligen Schlachthofgelände in Bremen stigen Sanierung des Stadtzentrums, aus räumen, u.a. für die große Gruppe der eine größere Auslastung ihrer vorhande- eröffnete Skateanlage an der Bürgerwei- dem die Stadt Bremen den Schlachthof- Trekking-, Wasser- und Wintersportler, nen Sportanlagen anstreben und mit der de dar. Auf 250 m² bietet diese Mehr- betrieb ausgelagert hat und das Gebäu- wird unter Einhaltung der gesetzlichen innovativen Erschließung von sekundä- zweckanlage für Jugendliche ideale de unter Wahrung denkmalpflegerischer Umweltschutzvorschriften ein vorrangi- ren Nutzungsmöglichkeiten für den Möglichkeiten zum Skateboarding, Inli- Interessen zum „Kulturzentrum ges Problem der zukünftigen Sportstät- Sport beginnen. ne-Skating, BMX-, Roller- und Dreirad- Schlachthof“ umgebaut hat.ͷ tenplanung darstellen. Wegen ihrer be- Ein Beispiel für eine auf dem sekun- fahren und sogar Sprühflächen für Graf- schränkten Mittel für den Sport sollten dären Planungswege entstandene Sport- fitikünstler. Das 180.000 DM teure Pro- die Kommunen in ihrer Sportstättenpla- freianlage stellt die 1989 auf einem ehe- jekt steht im Einklang mit der langfri-

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