RHÖN IM FLUSS – Ein Projekt Zur Revitalisierung Von Fließge- Wässern
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Zu Bilanz und Perspektive nach 12 Jahren Biosphärenreservat Rhön RHÖN IM FLUSS – ein Projekt zur der Rhön. Daher wurden durch ALTMOOS Revitalisierung von Fließge- (1997) als Zielarten auch eine Reihe von Arten der Fließgewässer definiert – und zwar wässern als Repräsentanten für Eckhard Jedicke • Quellen und Quellfluren: Rhön-Quell- schnecke (Bythinella compressa) und Ge- streifte Quelljungfer (Cordulegaster bi- dentatus); 1. Artenschutz im Biosphärenreservat Rhön • Fließgewässer: Bachforelle (Salmo trutta f. fario), Groppe (Cottus gobio), Bachhaft Unter dem Titel RHÖN IM FLUSS startete die (Osmylus fulvicephalus), Fluss-Schlamm- Zoologische Gesellschaft Frankfurt e.V. (ZGF) fliege (Sialis fuliginosa) und Zweigestreif- am 1. Juni 2003 gemeinsam mit den drei Ver- te Quelljungfer (Cordulegaster boltoni); waltungsstellen des Biosphärenreservats in Bayern, Hessen und Thüringen sowie der län- • Bach-Ufer-Komplexe: Wasseramsel (Cinc- derübergreifenden informellen Arbeitsgemein- lus cinclus), Eisvogel (Alcedo atthis), Feu- schaft Artenschutz im Biosphärenreservat Rhön ersalamander (Salamandra salamandra), ein Projekt zur Revitalisierung von Fließge- Blauflügelige und Gebänderte Prachtlibelle wässern. Die Initiative für das Vorhaben ent- (Calopteryx virgo, C. splendens); stand aus dem Projekt „Artenschutz im Bio- • komplexe Landschaftsausschnitte mit na- sphärenreservat Rhön“, welches die ZGF seit turnahen Quellbach-Abschnitten, Stillge- 1996 fördert. Die Hessische Gesellschaft für wässern, alten Waldbeständen und störungs- Ornithologie und Naturschutz e.V. (HGON) als armen Auen: Schwarzstorch (Ciconia nigra). damalige Trägerin dieses Vorhabens erarbeitete ein zoologisches Zielartenkonzept (ALTMOOS Zur Umsetzung entsprechender Maßnahmen 1997, 1998): Identifiziert wurden 72 Zielarten, zum Schutz und zur Verbesserung der Lebens- anhand derer Anforderungen und Maßnahmen bedingungen dieser Arten als Indikatoren für des Arten- und Biotopschutzes definiert, be- den Zustand der Fließgewässer- und Auen- gründet und Umsetzungserfolge kontrolliert lebensräume insgesamt wurde das Projekt werden können. Dabei handelt es sich um indi- RHÖN IM FLUSS geschaffen (Logo s. Abb. 1). katorisch wichtige und leicht nachweisbare Ar- ten, die komplexe Ansprüche an ihren Lebens- raum stellen (und damit eine größere Zahl wei- terer Arten repräsentieren), eine gewisse Att- raktivität aufweisen und eine realistische Über- lebenschance in der Rhön besitzen. Im Rah- men dieses Projekts wurde die Arbeitsgemein- schaft Artenschutz im Biosphärenreservat Rhön gebildet – eine länderübergreifende Info- rmationsplattform für Behörden, Verbände und interessierte Einzelpersonen in enger Ab- stimmung mit den drei Verwaltungsstellen des Biosphärenreservats. Abb. 1:Wasserblaues Projekt-Logo mit Wasserwellen als Verursacher von Auendynamik und einer Prachtlibelle Fließgewässer von den Quellen über schmale als Symbol biologischer Vielfalt der Fließgewässer Quellbäche bis hin zu kleinen Flüssen sind zu- sammen mit den Auen typische Lebensräume 62 Beiträge RN 1/2004 Eckhard Jedicke, RHÖN IM FLUSS – ein Projekt zur Revitalisierung von Fließgewässern Die Keimzelle hierzu lag an der Ulster: Aus dem vorbeugenden Hochwasserschutz zu demon- Artenschutzprojekt heraus wurde ein Runder strieren. Besondere Aktualität und Dringlichkeit Tisch gebildet (s. Abschnitt 5) und ein grober erlangt es auch durch regelmäßige Hochwasser- Maßnahmenkatalog als Handlungsleitlinie ver- ereignisse auch im Bearbeitungsgebiet, insb. an abschiedet. Zur wirksamen Umsetzung bedurfte den Unterläufen von Brend und Ulster. es jedoch der Einwerbung weiterer Förder- Das Vorhaben bezweckt die Revitalisierung der mittel, die insbesondere für die erforderlichen drei Gewässersysteme von Ulster, Streu und Personalkapazitäten nun für voraussichtlich drei Brend im Biosphärenreservat Rhön, um das Jahre Laufzeit durch die Deutsche Bundesstift- national überaus bedeutsame Naturerbe mit der ung Umwelt (DBU) bereitgestellt werden. hohen Zahl dort vorkommender Tier- und 2. Ziele des Projekts Pflanzenarten der Fließgewässer und Auen zu erhalten und weiter zu entwickeln. Dazu sind die Mit bis zu 950 m üb. NN Höhe weist die Rhön Umweltbedingungen zu erhalten bzw. wie- einen Jahresniederschlag von bis über 1100 mm derherzustellen, welche überlebensfähige Po- auf. Ein fein verästeltes Netz von Fließgewäs- pulationen in ausreichendem Verbund von Teil- sern durchzieht die Landschaft, gespeist von populationen untereinander ermöglichen – ungezählten Quellen. Viele Fließgewässer – vor primär durch (a) die naturnähere Entwicklung allem die kleinen – befinden sich noch in einem von Gewässer- und Uferstrukturen unter größt- recht naturnahen Zustand. Aber auch deutli- möglicher Ausnutzung preiswerter Eigendy- che Spuren menschlichen Handelns sind vie- namik der Fließgewässer und (b) durch Wie- lerorts erkennbar: Begradigungen und Uferver- derherstellung der Längsdurchgängigkeit. bau, für Fische nicht passierbare Wehre, Fichten an den Quellbächen, Ackernutzung in den Auen. Auf diese Weise soll ein Biotopverbundsystem Somit begründet sich das Vorhaben durch be- geschaffen werden, welches Modellcharakter stehende Konflikte mit gebietsweise intensiver für die integrative Umsetzung der verschiede- Auennutzung, fehlender Dynamik mit dem nen geltenden rechtlichen Normen von EU, Mangel an Laufveränderungen, mangelnder Bund und Ländern im Bereich der Auen besitzt. Durchgängigkeit des Gewässersystems und Die erforderlichen Maßnahmen werden anhand Hochwassergefährdung. von ausgewählten Zielarten beschrieben und hinsichtlich ihres Erfolgs kontrolliert. Zugleich Die natürlicherweise reiche Biodiversität der soll damit ein Baustein zur Reduktion von Rhöner Auensysteme (wobei zahlreiche Arten Hochwassergefährdungen geschaffen sowie mit hoher Bedeutung für das nationale Natur- die Landnutzung in den Auen insgesamt so natur- erbe hier heute noch vorkommen) ist erhalt- und schutzverträglich wie möglich gestaltet werden. wiederherstellbar mit guten Erfolgsaussichten, wenn umgehend gehandelt wird. Entsprechende Folgende Schritte zur Zielerreichung stehen im Maßnahmen werden positive Auswirkungen Vordergrund (Abb. 2): innerhalb größerer Flusseinzugsgebiete zeigen 1. Förderung natürlicher Fließgewässerdyna- (Verbesserung des Wiederbesiedlungspotenzi- mik und der Retentionsleistung der Aue durch als durch Populationen typischer, seltener Ar- Herausnahme einzelner Verbauungen und lokal ten). Vor diesem Hintergrund soll das Vorhaben Einsatz von Totholz nach (wo erforderlich und modellhaft die Erfüllung von bislang in der realisierbar) Schaffung ungenutzter Uferrand- Naturschutzpraxis mehr oder minder vernach- streifen; lässigten spezifischen Anforderungen insbe- sondere aus der europäischen Wasserrahmen- 2. Schaffung einer Längsdurchgängigkeit der richtlinie, der FFH-Richtlinie, zum Biotopver- Fließgewässer durch Rückbau von Querver- bund nach § 3 des neuen Bundesnaturschutz- bauungen oder Bau von Fischwanderhil- gesetzes und nach Wasserhaushaltsgesetz zum fen/Umleitungen; Beiträge RN 1/2004 63 Zu Bilanz und Perspektive nach 12 Jahren Biosphärenreservat Rhön 3. Entnahme von Fichten im Uferrandbereich insbesondere begangen durch das repräsenta- insbesondere in den Quellbachregionen so- tive Zielarten-System, die Verknüpfung vor- wie von Pappeln auf Feuchtwaldstandorten; handener staatlicher Mittel zu einer höchst- möglichen Förder- effektivität, die An- wendung preis- werter Revitalisie- rungsmethoden als „Hilfe zur Selbst- hilfe“ durch Ent- nahme einzelner Uferbefestigungen an geeigneten Punkten und ge- zieltes Einbringen von Totholz so- wie die Einbin- dung ökomorpho- logischer Gewäs- Abb: 2: Definition von 7 Teilzielen des Projekts Rhön im Fluss serdaten in die Erfolgskontrolle 4. Revitalisierung von Quellen durch Vermeid- L(Strukturgütekart.). ung von Nähr- und Schadstoff-Einträgen, von Entwässerung und nachteiligen Vegetationsver- 3. Naturschutzfachlicher Rahmen änderungen vor allem im land- und forstwirt- Die Rhön wird von zahlreichen Fließgewässern schaftlichen Einflussbereich; entwässert, wobei die Hohe Rhön eine wichtige 5. Verringerung der Ackernutzung in der Aue, Wasserscheide darstellt: Nach Norden in das insbesondere im gewässernahen Bereich, sowie System von Werra und Weser entwässern Uls- – soweit notwendig und möglich – Veränderung ter, Fulda, Haune, Felda und Herpf, nach von Nutzungszeitpunkten und -intensitäten im Süden in das Rhein-Main-System Streu, Brend Grünland (Ergänzungen zu Agrarumweltpro- und Sinn. Die meisten Gewässer haben ihren grammen als Modellvorhaben); Ursprung in Quellmulden der Hohen Rhön. Die Quellbäche und Bachoberläufe liegen meist 6. Information der am Projekt beteiligten Ziel- im Wald und besitzen überwiegend naturnahen gruppen und der breiten Öffentlichkeit über Charakter und eine hohe Gewässergüte. Auch Ziele und Wege der Gewässer-Revitalisier- im Mittellauf sind die meisten Bäche naturnah ung (Erlebnispfad, Eröffnungs- und Abschluss- ausgebildet – sie zeigen Mäander, tragen Ge- Kongress, webbasierte interne und externe hölzsäume, und ihre Auen werden überwie- Kommunikation, Printmedien, Vortrags- und gend als Grünland genutzt; nur kurze Ab- Diskussionsveranstaltungen etc.); schnitte sind verbaut. Die Quellgebiete und Bach- oberläufe der Rhön haben als Beispiele für na- 7. Schaffung und Demonstration von Muster- turnahe Fließgewässer außerordentlich hohe Be- lösungen und Umsetzungserfahrungen in Fließ- deutung für den Wasserhaushalt und den Arten- gewässer-Landschaften der Mittelgebirge unter und Biotopschutz (GREBE