Stichwort Die Bundesversammlung Die Wahl Des Bundespräsidenten

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Stichwort Die Bundesversammlung Die Wahl Des Bundespräsidenten Stichwort Die Bundesversammlung Die Wahl des Bundespräsidenten Sie hat über 1.000 Mitglieder, mehr als jede andere parlamentarische Versammlung in Deutschland. Sie tagt in der Regel nur einmal in fünf Jahren; meist ergreifen nur zwei Redner das Wort, eine Debatte findet nicht statt. Dieses ungewöhnliche Treffen ist die Bundesversammlung, die doppelt so viele Mit­ glieder wie der Bundestag zählt. Sie kommen zu­ sammen, um nur eine einzige Aufgabe zu erfüllen: die Wahl des Bundespräsidenten, des Staatsober­ haupts der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Verfahren haben die Mütter und Väter des Grund­ gesetzes im Jahr 1949 festgelegt, als Konsequenz aus dem Scheitern der Weimarer Republik und der Machtübernahme der Nationalsozialisten, wobei der vom Volk gewählte Präsident eine unglückliche Rolle spielte. 1 4 Die Grundlagen: warum keine Volkswahl? 6 Lehren der Geschichte 10 Bundespräsident oder Bundespräsidium? 12 Mitwirkung der Länder bei der Wahl 14 Die Rolle des Bundespräsidenten Inhalt 16 Die Bundesversammlung: Ort und Datum sind Tradition 18 „Geborene“ und „gekorene“ Mitglieder 22 Die Wahl: absolute oder einfache Mehrheit? 26 Rückblick: Weichenstellung für neue Koalitionen 59 Anhang 28 Präsidenten und Kandidaten 60 Gesetzliche Grundlagen 65 Statistik 33 Die Bundesversammlung und 82 Informationen im Internet die Bundespräsidenten seit 1949 84 Literatur (Auswahl) im Überblick 86 Register Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Warum aber wird die­ ser oberste Repräsentant des Staates nicht vom Volk gewählt? Die Frauen und Männer, die 1948/1949 das Grundgesetz ausarbeiteten, lehnten eine solche Volkswahl aus guten Gründen ab. Denn zum Unter­ gang der ersten deutschen Demokratie hatte ein vom Volk gewählter Präsident mit beigetragen. Die Grundlagen: warum keine Volkswahl? 4 In Monarchien wird die Aufgabe des Staatsoberhaupts vererbt, in Republiken wird eine Präsidentin oder ein Präsident gewählt. In vielen Staaten entscheidet das Volk über die Besetzung des höchs­ Deutschland hat Erfahrungen mit einem ten Staatsamts, so zum Beispiel in vom Volk gewählten Präsidenten ge­ Frankreich: Dessen Präsident ist der macht. Das war in der Weimarer Repu­ mächtigste Politiker unseres Nachbar­ blik, die 1918 gegründet wurde und 1933 lands. Er ernennt den Premierminister zerbrach. Als der Parlamentarische Rat und kann das Parlament auflösen. Aber 1948 in Bonn zusammenkam, um im unabhängig von diesen Bestimmungen Auftrag der Westmächte eine Verfassung der Verfassung verleiht ihm die Wahl für die künftige Bundesrepublik auszu– durch das Volk von vornherein eine be­ arbeiten, waren Krieg und Nazidiktatur sondere Macht. Denn wer eine Mehrheit erst gut drei Jahre vorüber. Die 65 Mit­ der Bevölkerung hinter sich hat, dessen glieder des Parlamentarischen Rates Wort hat möglicherweise mehr Gewicht wussten aus eigener Erfahrung, wie die als das eines Regierungschefs mit einer erste deutsche Demokratie 1933 zerstört knappen Mehrheit im Parlament. worden war. 5 Lehren der Geschichte Der erste Reichspräsident, Friedrich Ebert, wurde 1919 noch von der Wei ma­ rer Nationalversammlung gewählt. Sein Nachfolger wurde Paul von Hindenburg. blik. Der Reichspräsident gewann an Im Ersten Weltkrieg Generalfeldmarschall Einfluss, die Regierung und das Parla­ und Generalsstabschef des Heeres, blieb ment – der Reichstag – wurden schwä­ Hindenburg auch in der > Weimarer Re­ cher. Diese Entwicklung beschleunigte publik Anhänger der Monarchie. Da er sich seit 1930. Dem politisch zwischen wegen seiner angeblichen Kriegserfolge rechts und links zerrissenen Reichstag sehr populär war, stellten ihn die Partei­ ging die politische Macht immer mehr en der Rechten nach dem Tod Eberts bei verloren. Hindenburg ernannte ohne der ersten Volkswahl des Reichspräsi­ Mitwirkung der Volksvertretung mehrere denten 1925 als ihren Kan didaten auf. Reichskanzler. Sie regierten mithilfe Hindenburgs Wahl zum Reichspräsiden­ seiner Notverordnungen, die in der ten schuf die Voraussetzungen für eine Weimarer Verfassung für Ausnahme ­ Verschiebung der politischen Gewichte si tuationen vorgesehen waren. Das Par­ in der noch jungen und unstabilen R e­­pu­ lament war praktisch ausgeschaltet. Weimarer Republik. Nach dem Ersten Weltkrieg und der erzwungenen Abdankung Kaiser Wilhelms II. entstand 1918 die Weimarer Republik mit der ersten parlamentarisch­demokratischen Verfassung Deutschlands. An der Spitze der Republik stand ein für sieben Jahre direkt vom Volk gewählter Reichspräsident, der Teil der Exekutive war und über ein Not­ verordnungsrecht verfügte. Die Reichsregierung wurde vom Reichskanzler geführt, der aber vom Reichspräsidenten und der Reichstagsmehrheit ab­ hängig war. Die Weimarer Republik endete 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, als der Reichstag dem Ermächtigungsgesetz Adolf Hitlers zustimmte und damit auf seine Rechte verzichtete. 6 neller Politiker, vor allem von Kommu­ nisten und Sozialdemokraten. Im März setzte Hitler im Reichstag das Ermächti­ gungsgesetz durch, das unter anderem Entgegen den Befürchtungen der Anhän­ die Rechte des Parlaments außer Kraft ger der Republik hielt sich Hindenburg setzte. Auch dieses Gesetz trug die Un­ an die Verfassung. So kamen die SPD terschrift des Reichspräsidenten. Die und die Parteien der Mitte bei der nächs­ Demokratie war auf scheinbar legalem ten Präsidentenwahl im Jahr 1932 auf Weg beseitigt, an ihre Stelle trat die die Idee, ihn als ihren Kandidaten gegen Alleinherrschaft der Nationalsozialisten. den Nationalsozialisten Adolf Hitler aufzustellen. Hindenburg siegte zwar, Selbstmord aus Angst vor dem Tod doch der Marsch in die Diktatur schien Nach den Erfahrungen der Weimarer unaufhaltsam: Am 30. Januar 1933 berief Republik und des NS­Unrechtstaats Hindenburg Hitler zum Reichskanzler, spielten die Befugnisse des künftigen und nur einen Monat später, einen Tag Staatsoberhaupts und seine Wahl in den nach dem Reichstagsbrand, unterzeich­ Diskussionen des > Parlamentarischen nete er die von den Nationalsozialisten Rates eine wichtige Rolle. Weitgehend gewünschte „Verordnung des Reichs­ einig waren sich die Mitglieder des Gre­ präsidenten zum Schutz von Volk und miums, dass eine Volkswahl des Staats­ Staat“. Mit ihr wurden die Grundrechte oberhaupts nicht infrage kam. Die Stel­ praktisch außer Kraft gesetzt. Es folgte lung von Parlament und Regierung sollte eine Welle von Verhaftungen oppositio­ im Vergleich zur Weimarer Verfassung Der Parlamentarische Rat. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Parlamentarische Rat auf Anweisung der drei westlichen Alliierten USA, Großbritannien und Frankreich eingesetzt. Die Landtage der elf westdeut­ schen Länder wählten insgesamt 65 Mitglieder in dieses Gremium, darunter Konrad Adenauer als Präsident des Rates. Berlin wurde durch die fünf nicht stimmberechtigten Mitglieder Jakob Kaiser, Paul Löbe, Ernst Reuter, Hans Reif und Otto Suhr vertreten. Der Parlamentarische Rat beriet eine vor­ läufige Verfassung für die spätere Bundesrepublik Deutschland: das Grund­ gesetz, das unter anderem die Grundrechte stärkt, die Rolle des Bundes­ kanzlers aufwertet und die Stellung des Bundespräsidenten neu gestaltet. Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 unterzeichnet und verkündet. 7 gestärkt, die des Staatsoberhaupts dage­ gen geschwächt werden. Adolf Süster­ Das Ergebnis war eindeutig: In ihrem henn, CDU­Abgeordneter und Mitglied Schlussbericht vom Dezember 1976 be­ des Parlamentarischen Rates, fasste die tonte die Kommission, eine Einführung Bedenken gegen eine Volkswahl zusam­ der unmittelbaren Volkswahl des Bun­ men: „Die Präsidentenwahlen von 1925 despräsidenten wäre zugleich die Ent­ und 1932 haben bewiesen, dass diese scheidung für ein aktiv­politisches Prä­ Form der Wahl für das deutsche Volk sidentenamt und müsste entsprechende jedenfalls nicht die geeignete Form ist. Änderungen in den Aufgaben und Be­ Im Jahr 1925 wurde der Kandidat der fugnissen des Bundespräsidenten nach Reaktion gewählt, und im Jahre 1932 sich ziehen. „Die Kommission hat je­ haben auch die demokratischen Kräfte doch keinen Anlass gesehen, die vom durch ihren damaligen Wahlakt gerade­ Parlamentarischen Rat bewusst getroffe­ zu aus Angst vor dem Tode Selbstmord nen Entscheidungen über die Ausge­ begangen.“ staltung des Präsidentenamts und die Mehr als 30 Jahre nach dem Ende des Organisation der Regierungsgewalt infrage Zweiten Weltkriegs prüfte die Enquete­ zu stellen oder gar zu revidieren. Sie kommission „Verfassungsreform“ des spricht sich daher gegen die Einführung Bundestages erneut, ob eine Volkswahl der unmittelbaren Volkswahl des Bun­ des Staatsoberhaupts angebracht sei. despräsidenten aus.“ 8 Auf dem Weg zu einer demo kratischen Verfassung: Der Parlamentarische Rat berät 1948/1949 das Grundgesetz für die spätere Bundesrepublik Deutschland. 9 Bundespräsident oder Bundespräsidium? Zurück zum Parlamentarischen Rat. Bevor der sich über ein Wahlverfahren einigte, musste erst einmal die Frage Der Abgeordnete Theodor Heuss (FDP) geklärt werden, ob der zu gründende machte sich dafür besonders stark. Er Teilstaat im Westen Deutschlands über­ betonte, „die Person, die Amtsfunktion haupt einen Präsidenten haben sollte. des Bundespräsidenten“ solle „nicht in Die sozialdemokratischen Mitglieder des die ungewisse Geschichte abgeschoben Parlamentarischen Rates sympathisier­ werden“. Man müsse den „Mut haben, ten zunächst mit der Idee, an die Spitze in das Strukturelle das Feste einzubau­ ein „Bundespräsidium“ zu setzen, das en“. Das sah dann auch die Mehrheit aus den Präsidenten des Bundestages
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