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No. 26/2016

Die Weltmeister streben nach Europas Thron Müller und der Königsweg 2 CDN-MAGAZIN 26/2016

AUF DEM WEG ZUR EURO 2016 Unberechenbar und total authentisch ist Thomas In Frankreich wollen die Müller das Trumpf-Ass der deutschen Weltmeister von deutschen EM-Offensive // 2014 mit dem EM-Gewinn Leader auf dem das Double schaffen // Königsweg 18 Da Capo! ZU-GA-BE! 12 Unverzichtbare EM-Helden der Arbeit: Von Katsche, Hacki, Briegel und Eilts zu Hummels und Boateng // Die Bodyguards der Zauberfüße 22

EDITORIAL

Uwe Seeler über den CdN vor dem Jahr seines 10. Bestehens // Unser Club – mehr als die AHNENGALERIE des deutschen Fußballs 04

AKTUELL IM BLICKPUNKT

9. CdN-Jahrestreffen mit Endrunde der 15. Fußball- Von Rohr über Völler bis Trapp – deutsch-italienischem Flair Europameisterschaft vom wie der deutsche Fußball in der schwarz-rot-gold 10. Juni bis 10. Juli 2016 in Frankreich zu Respekt und erleuchteten Allianz-Arena // in Frankreich // Anerkennung fand // G R A Z I E für diesen Spielplan der Türöffner und tollen Abend 06 UEFA EURO 2016 16 Wegbereiter 26 3

AKTUELL IM RÜCKBLICK DIAGONALPÄSSE

Matthias Sammer und Neues Glück bei kleinen sein „Riesenanteil“ 1996 Teams für große Stars? 44 am Triumph in England // Die FREIHEIT, die er Gündogan und Co. meint und nutzt 30 werben für junge Sporthilfe-Athleten 44

Bundesliga weltweit weiterhin an der Spitze 44

Harvard-Studie zum WM-Triumph 2014 45

SERIE

DER „VERBORGENE“ NATIONALSPIELER

Oskar Becks Hommage an einen Unvergleichlichen // Der Müller MACHT’S 38

AKTUELL IM BLICKPUNKT

Dörner, Streich, Kirsten Stimmungsvolles Hohe Auszeichnung und René Müller über die Regionaltreffen beim Club für 45 zwei bittersten EM-Anläufe der Nationalspieler im der DDR-Auswahl // // jagt So nah dran – Patzke, Bobic und Buffon und Casillas 45 und nicht dabei 34 die Magie Berlins 42 vom Spielfeld in den Hörsaal 46

Nationalteam bei Facebook und Twitter auf Rekordkurs 46

IN MEMORIAM 47

JUBILÄEN/ RUNDE GEBURTSTAGE 48

IMPRESSUM 51 4 CDN-MAGAZIN 26/2016

Uwe Seeler über den CdN vor dem Jahr seines 10. Bestehens

Unser Club – mehr als die AHNENGALERIE des deutschen Fußballs

Liebe Freunde,

wieder einmal waren die Kollegen Länderspiel gegen die Schweiz in chen des deutschen Fußballs. Diese aus ganz Deutschland angereist ­Basel – auf Initiative von Wolfgang Vereinigung ist mit ihren alljährlichen zum diesjährigen Mitgliedertreffen Niersbach gegründet wurde. großen Mitgliederversammlungen unseres Clubs der Nationalspieler. und den vielen regionalen Zusam- 230 Altinternationale, an der Spitze Ins 10. Jahr seines Bestehens wird menkünften in Verbindung mit stets die „Platzhirsche“ des FC Bayern und der CdN also 2017 gehen – mit dem attraktiven Länderspielen zu einem von 1860 München, waren in der dann schon 10. Jahrestreffen unserer beliebten Forum der Kommunikation ­Allianz-Arena zusammengekommen. Mitglieder. Dem DFB sei es ein ehr­ und des Wiedersehens geworden, Trotz des Termins mitten in den liches Anliegen, so sagte Niersbach wie mir in vielen Gesprächen immer ­Osterferien, wo so mancher, darunter damals bei der Club-Gründung in wieder versichert wird. auch ich, familiäre Verpflichtungen , zu jenem Personenkreis zu erfüllen hatte. 230 Mitglieder am regelmäßig Kontakt zu bekommen und In diesem exklusiven Kreis, dem ja, Dienstag nach Ostern! zu halten, der mit seinen sport­lichen wie ich mit großer Freude betone, Leistungen den deutschen Fußball auch die Nationalspieler der ehe­ Ein deutlicher Beweis, wie ­intensiv und das weltweit hohe An­sehen des maligen DDR und des Saarlands unser Club lebt! Und ein unüber­ DFB ganz entscheidend geprägt hat. aus dessen Zeit als selbstständiges sehbarer Hinweis auf die Erfolgs­ Aus dieser tollen Geste der Dankbar- FIFA-Mitglied angehören, wurde und geschichte, die diese ganz besondere keit, Wertschätzung und Anerken- wird das Gefühl vermittelt, dass Institution geschrieben hat, seit sie nung ist seit 2008 weitaus mehr ge- ­keiner von uns vergessen ist. Fünf am 5. April 2008 – genau 100 Jahre worden als die gut organisierte Spielergenerationen, so wurde mir nach dem allerersten deutschen Ahnengalerie der Stars und Stern- mitgeteilt, waren zuletzt in München 5

vertreten. Vom 87 Jahre alten Man- Bestehen weiterentwickeln wird zu Nie aber hatte ich das Vergnügen, als fred Kaiser aus bis hin zum einem noch eindrucksvolleren und Spieler eine EM mitzuerleben. Die 33-jährigen Thomas Hitzlsperger. Ein inhaltsreicheren Netzwerk einstiger Zeiten waren damals noch nicht so. wunderbares Gesamtbildnis im Nationalspieler und großer Persön- Umso mehr wünschen wir vom Club ­Rahmen des Klassikers Deutschland lichkeiten. Verbunden mit der sicher- der Nationalspieler (und ich per­ gegen Italien. lich nicht unrealistischen Erwartung, sönlich) Jogi Löw und seinen Jungs dass das Jubiläum unseres 10. Jah- für die bevorstehende EURO in Dennoch wünsche ich mir, dass etliche restreffens einhergehen wird mit der ­Frankreich alles Gute, viel Glück und unserer „alten Schlachtrösser“, die tollen Erfahrung, dass zuvor unsere großen Erfolg. noch im Abseits stehen, und auch so Nationalmannschaft als amtierender mancher aus der jüngeren Generation, Weltmeister auch aktueller Europa- Herzliche Grüße der seine Karriere im Nationalteam meister geworden ist. Dass dem Euer inzwischen beendet hat, Zugang zu ­vierten Stern von Rio nunmehr der unserem Club finden und zu unseren vierte Stern von Paris folgen wird. Veranstaltungen kommen werden. Mir selbst war es zwar vergönnt, an Das 10. Jubiläum mit vier WM-Endrunden teilzunehmen, dem 4. EM-Stern feiern wobei sich ja das WM-Turnier 1966 in England mit dem legendären und So hoffe ich, dass sich der CdN auf höchst umstrittenen Wembley-Tor in Uwe Seeler dem Weg zu seinem zehnjährigen diesem Sommer zum 50. Mal jährt. CdN-Vorsitzender AKTUELL IM BLICKPUNKT 6 CDN-JAHRESTREFFEN IN MÜNCHEN

9. CdN-Jahrestreffen mit deutsch-italienischem Flair in der schwarz-rot-gold erleuchteten Allianz-Arena G R A Z I E für diesen tollen Abend

Zum neunten Mal traf sich der Club der Nationalspieler seit seiner Gründung 2008 zur all­ jährlichen Mitgliederversammlung. Diesmal in der Münchner Allianz-Arena im Rahmen des Länderspiels Deutschland gegen Italien. Dr. Reinhard Rauball konnte in seiner Begrüßungs- ansprache 230 ehemalige Internationale zu einem ganz besonderen Meeting in einzigartiger Atmosphäre willkommen heißen. Geschmückt mit dem 4:1-Sieg über den Angstgegner.

20.11 Uhr war es, als Dr. Reinhard Jugend“, betonte Rauball, ehe er in und Dolci das Wasser im Munde zu- Rauball das Podium im riesigen VIP- Dr. Friedrich Curtius dem CdN den sammen. Cucina Italiana vom Feinsten. Bereich der Allianz-Arena betrat, um neuen Generalsekretär des Deut- die CdN-Mitglieder beim diesmaligen schen Fußball-Bundes auf der Bühne Und auf dem Spielfeld? „Una festa Jahrestreffen in München zu begrü- vorstellte. sui prati“ – hat Adriano Celentano ßen. Kaum ein Platz war frei an den einst gesungen. Ein Festtag auf dem zahlreichen Tischen, Nationalspieler Zum neunten Mal seit der Club-Grün- Rasen – dargeboten diesmal von der soweit das Auge reichte. Mehr als dung im April 2008 fand das Jahres- deutschen Nationalmannschaft mit 230 waren gekommen, eine ein- treffen nunmehr schon statt. „Dies ihrem 4:1-Sieg über den langjährigen drucksvolle Anzahl mitten in den zeigt, dass der Club der National­ Angstgegner. Ein entscheidender ­Osterferien. „Von A wie Abramczik spieler mittlerweile eine Institution Beitrag zum Gelingen dieser einzig­ bis Z wie Zaczyk und Zewe heiße ich mit Tradition ist. Und wenn ich mich artigen deutsch-italienischen Party. alle herzlich willkommen. Viele sind umschaue, wer und wie viele auch dabei, mit denen ich freundschaftlich diesmal gekommen, ist dies ein Auf der Tribüne schnalzten Vor- und verbunden bin. Dies ist ein beson­ ­Hinweis auf den hohen Stellenwert Vorvorgänger mit der Zunge. Das derer Club, dessen Mitglieder alle dieser Vereinigung“, sagte Dr. Curtius (fast) komplette Who-is-Who des Besonderes geleistet haben für den nach seinem Willkommensgruß. deutschen Fußballs war unter den Ruf und das Renommee unseres Fuß- Stars und Sternchen beim diesjäh­ balls und unseres Verbandes“, sagte Schwarz-Rot-Gold und Grün-Weiß- rigen Zusammentreffen vertreten. der 1. Vizepräsident des DFB und Rot – in den deutschen und italieni- Mit Miro Klose, der mit Gattin und den Chef des Liga-Verbandes. schen Landesfarben war die Veran- Zwillingskindern aus Rom angereist staltungsstätte perfekt ausgestattet kam, war sogar ein höchst promi­ „Sehr dankbar sind wir, dass sich so und illuminiert. Auf den zahlreichen nenter aktueller Weltmeister dabei. viele aus diesem Kreis mit ihrer Vor- Bildschirmen wurde deutsch-italie­ bildwirkung weiterhin zur Verfügung nische Fußballhistorie nonstop aus- Aber auch die WM-Erfolgsteams von stellen bei der Verwirklichung der gestrahlt. Und an den langen Büffets 1990 mit , Pierre zahlreichen Aufgaben und Projekte lief einem schon beim Anblick der Littbarski, , des DFB und vor allem auch für die angebotenen Antipasti, Hauptspeisen oder Hansi Pflügler und von 1974 mit 7

BLICK IN DIE VOLL BESETZTE VIP-LOUNGE DER ALLIANZ-ARENA: 230 EHEMALIGE NATIONALSPIELER WAREN DER EINLADUNG ZUM 9. CDN-JAHRESTREFFEN NACH MÜNCHEN GEFOLGT.

BEGRÜSSUNG DER ZAHLREICHEN GÄSTE: WELTMEISTER UNTER SICH: DR. REINHARD RAUBALL MIT DR. FRIEDRICH CURTIUS. UND .

Uli Hoeneß, Katsche Schwarzenbeck für eine unverwechselbare und ganz Thomas Hitzlsperger, Alexander oder waren namhaft spezielle Atmosphäre. Am Tisch der Zickler oder Marko ­Rehmer, so ein vertreten. Dazu Europameister wie „alten Löwen“ zum Beispiel mit den kleiner Auszug aus der Gästeliste. Kalle Rummenigge, , Legenden von 1860 München wie die Förster-Brüder, Hans-Peter Brie- Hans Rebele, Fredi Heiß und Peter „Oh, wie ist das schön“, sangen die gel, Hansi Müller, Andreas Köpke, Grosser, zu denen sich später am 63.000 auf den Tribünen angesichts , oder Abend der jung gebliebene Franz der guten Vorstellung des Welt­ ,­ um nur ein paar wenige „Bulle“ Roth aus dem großen Team meisters. „Oh, wie war das schön“, dieser Erfolgsgaranten zu erwähnen. des FC Bayern der 70er-Jahre ge- sagte vor dem Nachhauseweg Karl- sellte. Bei DDR-Ikonen wie Achim heinz Förster, zwar nicht offiziell Stark vertreten mit dem elegant- Streich, Rekordspieler (102 Länder- ­beauftragt, dennoch aber im Namen charmanten Torwart Jürgen Croy an spiele) und Rekordschütze (55 Tore), aller Teilnehmer am CdN-Jahres- der Spitze war das Olympia-Sieger- wie bei dem legendären 1:0-Tor- treffen 2016. team der DDR von 1976. 40 Jahre schützen 1974 in Jürgen ist es her, als der Mannschaft um Sparwasser, wie bei , „Ich denke, dies war die bisher Kapitän Dixie Dörner am 31. Juli in Manfred Walter oder Otto Fräßdorf, schönste und stimmungsvollste Zu- Montreal mit dem 3:1-Gold-Sieg über dem Bronze-Trio von Tokio 1964. sammenkunft“, meinte Achim Streich, Polen der größte Erfolg des DDR- der als unverwüstlicher Wieder­ Fußballs gelang. Ein Jubiläum, an Oder bei , der seine holungstäter diesmal zum neunten das sich damals Beteiligte wie Krebserkrankung von 2012 über­ Mal dabei war. Hans-Peter Briegel, ­, wunden hat und seit Anfang April der als Sensationsmeister mit ­Verona oder Gerd Kische diesmal in München bei Darmstadt 98 in den Bereichen 1985 und Pokalsieger 1988 mit ganz besonders gerne erinnerten. Scouting und Kaderplanung arbeitet, ­Sampdoria Genua eine Erfolgsstory wie er zu berichten wusste. Aber in Italien mitgeschrieben hat, urteilte Ohnehin sorgte das Wiederaufleben auch bei den Vertretern der jünge- am Ende dieses deutsch-italieni- alter Geschichten und amüsanter ren Spieler-Generation wie Jens schen Treffens: „Grazie für diesen Episoden, wie schon bei den voraus- ­Nowotny, , Christian tollen Abend.“ gegangenen acht Jahresmeetings, Wörns, Perry Bräutigam, René Adler, Wolfgang Tobien AKTUELL IM BLICKPUNKT 8 CDN-JAHRESTREFFEN IN MÜNCHEN

OLYMPIASIEGER 1976: REINHARD HÄFNER, GERT HEIDLER, JÜRGEN CROY, WOLFRAM LÖWE, , , , WILFRIED GRÖBNER (VON LINKS).

ANDY BREHME, GUIDO BUCHWALD

ANDY KÖPKE MIT EHEFRAU BIRGIT

„MÜNCHNER PLATZHIRSCHE“: , WERNER OLK, FRANZ ROTH, . 9

JOACHIM STREICH, OTTO FRÄSSDORF, JÜRGEN SPARWASSER

ULI HOENESS, HANSI FLICK

NEUER DFB-GENERALSEKRETÄR: DR. FRIEDRICH CURTIUS.

HENNING FRENZEL, WOLFRAM LÖWE

OLIVER BIERHOFF MIT EHEFRAU KLARA, HERBERT HAINER AKTUELL IM BLICKPUNKT 10 CDN-JAHRESTREFFEN IN MÜNCHEN

THOMAS SCHNEIDER, HANSI FLICK

MANFRED WALTER, RAINER NACHTIGALL

BERND NICKEL, RONALD BORCHERS, PETER REICHEL

HANSI MÜLLER, BERND FÖRSTER, HANS-PETER BRIEGEL 11

DFB-MEDIENDIREKTOR RALF KÖTTKER,

STEFAN KUNTZ GIBT AUTOGRAMME

TONI SCHUMACHER, KARLHEINZ FÖRSTER

JÜRGEN CROY, GERD WEBER

UWE BEIN, HANSI PFLÜGLER AUF DEM WEG ZUR EURO 2016 12 DOUBLE IM VISIER

In Frankreich wollen die deutschen Weltmeister von 2014 mit dem EM-Gewinn das Double schaffen Da Capo! ZU-GA-BE!

Zweimal war die deutsche Nationalmannschaft als amtierender Weltmeister bei der folgenden EM-Endrunde im Endspiel an Außenseitern gescheitert. Bernd Hölzenbein und , Weltmeister von 1974, sowie Guido Buchwald und , Weltmeister von 1990, ­erklären das finale Aus bei den EM-Turnieren 1976 und 1992. Und sie begründen ihre ­Zuversicht, warum sie dem aktuellen Nationalteam mit dem WM-Titel 2014 im Gepäck jetzt bei der EURO in Frankreich die Zugabe zum Double zutrauen.

Das waren noch Zeiten. Am 12. Juni zweiter Platz hat in Deutschland verlor. Der Mönchengladbacher Rainer endete die -Saison 1975/76, ­keinen interessiert“, sagt der Frank- Bonhof, der 1974 gemeinsam mit am 13. Juni trafen sich die deutschen furter Bernd Hölzenbein, der damals Hoe­ neß­ beim Münchner­ 2:1-Endspiel- Nationalspieler in der bayerischen in Belgrad dabei war. sieg über die Niederlande Weltmeister Sportschule Grünwald, am 15. Juni wurde, sagt heute über den Fehl- flogen sie nach Jugoslawien, wo am Zwei schwarz-weiße Fernsehbilder schuss seines früheren Mitstreiters 16. Juni die Fußball-Europameister- von diesem „Turnierchen“ für vier vom FC Bayern von vor vierzig Jahren: schaft begann, am 17. Juni begann Teams haben sich dabei im kollekti- „Der Ball ist immer noch im Orbit.“ für den Titelverteidiger das Turnier in ven deutschen Fußballgedächtnis Belgrad mit dem in der Verlängerung eingenistet: Wie Uli Hoeneß seinen Die Gesetzmäßigkeiten irdischer erkämpften 4:2-Erfolg über das Gast­ Strafstoß in den Himmel über Bel- Schwerkraft aber konnte selbst geberland, und am 20. Juni war auch grad schoss und damit das Schlitzohr Hoeneß’ fehlgesteuerter Versuch schon alles vorbei, als die Mann- Antonin Panenka („bei uns Tschechen nicht aufheben, und so war zum Ab- schaft von Bundestrainer Helmut ist jeder ein kleiner Schwejk“) dazu schluss dieser EM im nicht einmal Schön das Finale gegen den Außen- einlud, mit dem letzten, in die Mitte halb gefüllten Roter-Stern-Stadion seiter Tschechoslowakei nach einem des Tors gechippten Treffer dieses von Belgrad so viel festzuhalten: 2:2 über 90 und 120 Minuten im Elf- Turniers, zu verladen und Die erste Auswahl des Deutschen meterschießen 3:5 verlor. den Überraschungseuropameister Fußball-Bundes (DFB) hatte ihre his- zu krönen. torische Chance, als erste National- Ein Saisonausklang wie im Zeitraffer. mannschaft nach der Weltmeister­ Regenerationstage, Trainingslager Es war die erste Entscheidung per schaft auch die Europameisterschaft und Testspiele wie heute vor großen Elfmeterschießen in einem großen zu gewinnen, vergeben. Hätte sie den Turnieren waren vor vierzig Jahren internationalen Turnier und es blieb Kraftakt von Belgrad erfolgreich ge- noch nicht an der Tagesordnung. Wie bis heute das einzige Elfmeterschie- schultert, wäre das die Gelegenheit auch das mediale Nachbeben nach ßen, das eine deutsche National- gewesen, sogar ein Sieger-„Triple“ einem zweiten Turnierplatz. „Unser mannschaft bei einem großen Turnier zu feiern: glanzvoller Europameister 13 JUBEL ÜBER DEN 4. WM-TITEL: JETZT WOLLEN DIE WELTMEISTER IN FRANKREICH DAS DOUBLE SCHAFFEN. AUF DEM WEG ZUR EURO 2016 14 DOUBLE IM VISIER

EM nach Schweden. Mit an Bord: elf Weltmeister von Rom, die zwei Jahre zuvor Argentinien im Endspiel durch Andreas Brehmes Elfmeter 1:0 be- zwungen hatten. Dazu kamen drei rasch integrierte Spitzenkräfte, die in der ehemaligen DDR sozialisiert worden waren: , und .

Trainer des gesamtdeutschen En- sembles war , der bei der EM 1972 zum Kader der Ramba-­ Zamba-Europameister um Becken- bauer, Günter Netzer und Gerd Müller gehört hatte, 1974 den WM-Triumph beim 2:1-Finalsieg über die Holländer als nimmermüder Weltklassever­ teidiger abstützte und 1976 die Ent- täuschung des zweiten EM-Platzes als Spieler miterlebte. Vogts, 1990 einer der Assistenten von Teamchef Beckenbauer, übernahm im selben ZWEIKAMPF IM ÜBERRASCHEND VERLORENEN EM-FINALE 1992: Jahr den Job des „Kaisers“ als DER DÄNE FLEMMING POVLSEN UND JÜRGEN KOHLER. Bundestrainer.­

Beckenbauers Diktum Minuten nach 1972, gefeierter Weltmeister 1974 im Bonhof hatte damit keine Probleme dem Endspielsieg über Argentinien, eigenen Land, glücklicher Europa- und war neben und „es tut mir leid für den Rest der Welt, meister 1976. Eine Dreierwette, die ­Hannes Bongartz einer der punkt­ aber wir werden für die nächsten bisher allein Spanien mit den EM-­ genauen deutschen Torschützen in Jahre nicht zu besiegen sein“, mag Titeln 2008 und 2012 und Platz eins einem Turnier, in dem ein neuer Vogts‘ Auftrag erschwert haben, bei der WM 2010 gewann. ­Müller, Dieter Müller, in seinem doch am Ende stand den Deutschen ­ersten Länderspiel drei Ausrufe­ wie schon 1976 ein unbeschwerter So aber triumphierten die Tschechen zeichen setzte und, eingewechselt in Außenseiter im Weg: Dänemark, und Slowaken, die die Deutschen, so der 79. Minute, aus dem 1:2-Rück- durch die Hintertür für das Turnier Bonhof, „nicht so gut einschätzen stand gegen Jugoslawien mit einem der acht besten europäischen Mann- konnten wie die im Halbfinale am 3er-Pack den 4:2-Sieg möglich mach- schaften zugelassen, weil das eigent- späteren Europameister gescheiter- te. Der damals für den 1. FC Köln lich qualifizierte Jugoslawien am ten Holländer. Letzten Endes aber stürmende Hesse traf im Endspiel, in Zerfallen war und wegen des zu hat es an uns gelegen, dass wir unse- dem die Deutschen wie schon gegen ­dieser Zeit tobenden Balkankrieges ren Titel nicht verteidigen konnten.“ Jugoslawien einen 0:2-Rückstand von der Europäischen Fußball-Union Und vielleicht auch daran, dass die aufholten, noch einmal und wurde (UEFA) zehn Tage vor Turnierbeginn deutschen Spieler erst in der Kabine zum Turnierschützenkönig. Eine Aus- ausgeschlossen wurde. vor dem Anstoß zum Endspiel erfuh- zeichnung, die vor dem Hintergrund ren, dass es bei einem Unentschieden der Finalniederlage ähnlich ver­ „In einer Außenseiterrolle lebt es nach Verlängerung nicht wie gedacht blasste wie Franz Beckenbauers sich oft leichter denn als Favorit“, zwei Tage später ein Wiederholungs- ­hundertstes Länderspiel für die sagt Guido Buchwald, einer der spiel, sondern ein entscheidendes ­Bundesrepublik Deutschland. ­deutschen Weltmeister von 1990, der Elfmeterschießen geben werde. zwei Jahre später im EM-Finale dabei Was 1976 noch nicht war, hätte 1992 war, als das nächste Karriere-High- Der Frankfurter Bernd Hölzenbein, in nachgeholt werden können. Das light knapp verfehlt wurde. 2:0 der letzten Minute der regulären ­wiedervereinigte Deutschland, 1990 ­gewannen seinerzeit die Dänen, die Spielzeit der Torschütze zum 2:2, bei der WM in Italien mit den besten zuvor schon die höher eingeschätz- sagt dazu: „Die Funktionäre haben Spielern aus der alten Bundes­ ten Franzosen und, im Halbfinale, die uns nicht informiert. Wir waren auf republik zum dritten Mal stolzer Holländer aus dem Turnier katapul- ein Elfmeterschießen gar nicht vorbe­ ­Besitzer des Weltmeisterpokals, tiert hatten. „Die spielten mit einem reitet.“ Er selbst schon überhaupt nicht, reiste zwei Jahre später neben Titel- sehr guten Teamgeist ein grandioses „weil ich dafür keine Nerven hatte“. verteidiger Holland als Favorit zur Turnier“, lobt Stefan Reuter, auch 15

­einer der Weltmeister 1990 und EM- auf die drei nach dem Titelgewinn von ­ihrer noch immer großen Qualität Endspielverlierer zwei Jahre später, Rio gegen Argentinien zurückgetrete- Europameister werden können, sie den Gegner von damals. nen Routiniers , Miroslav­ spielen ja nebenan in Frankreich und Klose und Per Mertesacker. nicht in einer anderen Zeit- oder „We are red, we are white, we are ­Klimazone.“ Allein Rainer Bonhof Danish dynamite“, lautete damals Reuter: „Kapitän Lahm war unglaub- ­wäre auch mit etwas weniger zufrie- der Schlachtruf der zu Tausenden lich wichtig und wertvoll für die den: „Wir haben eine gute Truppe angereisten dänischen Fans. Ein Mannschaft, Klose war immer gut bei beisammen“, sagt er, „wenn der Zu- ­Motto, das sich die Mannschaft um den großen Turnieren und Mertes- sammenhalt vom ersten Spiel an da den überragenden Torwart Peter acker bestach als eine stabile Größe. ist, können wir relativ weit kommen. Schmeichel zu eigen machte. „Die Ich kann mir vorstellen, dass sie das Das heißt für Deutschland, min­ hatten im Finale einfach den grö­ schaffen, was Frankreich (1998 Welt- destens Halbfinale. Die Mannschaft ßeren Willen als wir“, verweist Buch- meister, 2000 Europameister) und wird wie immer gut vorbereitet nach wald auf den vielleicht entschei­ noch eindrucksvoller Spanien schon Frankreich kommen und kann, wenn denden Unterschied im Finale. gelungen ist.“ Auch Reuters ehema­ sie gut startet, danach auf einer liger Nationalmannschaftskollege ­kleinen Welle schwimmen.“ Zum zweiten Mal war damit die Guido Buchwald sieht optimistisch ­Chance dahin, aus einem ­WM-Triumph auf das bevorstehende Turnier. „Wenn Käme der dreimalige europäische bei der nachfolgenden EM maximales man es schafft, eine verschworene Champion (1972, 1980 und 1996) ins Kapital zu schlagen. Das hing auch Truppe aufzubauen, stehen die Aus- Endspiel und begegnete dort einem damit zusammen, dass nach beiden sichten auf den Titelgewinn sehr Mitfavoriten, müsste man sich ver- Weltmeisterschaften Stützen der gut. In der Breite des Kaders hat mutlich weniger Sorgen machen. Mannschaften wie die zurückgetrete- Deutschland die beste Truppe aller Was aber, wenn abermals ein Außen- nen Gerd Müller, EM-Teilnehmer.“ seiter den deutschen Ambitionen in oder Jürgen Grabowski 1976 nicht die Quere käme? Da gilt nicht, was mehr dabei waren. Oder 1992 wegen Ähnlich zuversichtlich äußert sich einmal war, sondern der alte Grund- Verletzungen passen mussten wie Bernd Hölzenbein. „Es spricht nichts satz: neues Spiel, neues Glück. Lothar Matthäus, der wegen eines dagegen, dass die Deutschen mit Roland Zorn Kreuzbandrisses fehlte, und Rudi Völler, der sich vor 24 Jahren im ­ersten EM-Gruppenspiel gegen die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten DIETER MÜLLER WIRD MIT VIER TREFFERN EM-TORSCHÜTZENKÖNIG 1976: DEN TITEL ABER GEWANN DIE CSSR. (1:1), dem Zusammenschluss ehe­ maliger Teilrepubliken der unterge- gangenen Sowjetunion, den Arm brach.

Ohne Matthäus und Völler und ohne den letzten Punch zündete letztlich „Danish Dynamite“ im Endspiel und nicht die spielerisch größere Klasse des Weltmeisters. „Meines Erach- tens“, sagt Guido Buchwald, „hätten wir seinerzeit von zehn Spielen neun gegen Dänemark gewonnen. Doch mit ihrer unglaublichen Dynamik wurden die Dänen verdientermaßen Europameister.“

Die zweite Chance auf das Double war damit auch vertan. Ob nun der dritte Anlauf mit einem aktuellen WM-Titel im Gepäck bei der Europa- meisterschaft in Frankreich klappt, wo die deutschen Weltmeister von 2014 eine Art „Da Capo“, die Zugabe im Nachbarland anstreben? Stefan Reuter sagt, „die Chancen stehen gut, auch wenn wichtige Stützen des Weltmeisters fehlen“ und verweist AUF DEM WEG ZUR EURO 2016 16 SPIELPLAN

Endrunde der 15. Fußball-Europameisterschaft vom 10. Juni bis 10. Juli 2016 in Frankreich

Spielplan der UEFA EURO 2016

GRUPPENSPIELE

GRUPPE A GRUPPE C

Freitag, 10. Juni Paris (Saint-Denis) Sonntag, 12. Juni Nizza 21:00 Uhr Frankreich – Rumänien 18:00 Uhr Polen – Nordirland

Samstag, 11. Juni Lens Sonntag, 12. Juni Lille 15:00 Uhr Albanien – Schweiz 21:00 Uhr DEUTSCHLAND – Ukraine

Mittwoch, 15. Juni Paris (Parc des Princes) Donnerstag, 16. Juni Lyon 18:00 Uhr Rumänien – Schweiz 18:00 Uhr Ukraine – Nordirland

Mittwoch, 15. Juni Marseille Donnerstag, 16. Juni Paris (Saint-Denis) 21:00 Uhr Frankreich – Albanien 21:00 Uhr DEUTSCHLAND – Polen

Sonntag, 19. Juni Lyon Dienstag, 21. Juni Marseille 21:00 Uhr Rumänien – Albanien 18:00 Uhr Ukraine – Polen

Sonntag, 19. Juni Lille Dienstag, 21. Juni Paris (Parc des Princes) 21:00 Uhr Schweiz – Frankreich 18:00 Uhr Nordirland – DEUTSCHLAND

GRUPPE B GRUPPE D

Samstag, 11. Juni Bordeaux Sonntag, 12. Juni Paris (Parc des Princes) 18:00 Uhr Wales – Slowakei 15:00 Uhr Türkei – Kroatien

Samstag, 11. Juni Marseille Montag, 13. Juni Toulouse 21:00 Uhr England – Russland 15:00 Uhr Spanien – Tschechien

Mittwoch, 15. Juni Lille Freitag, 17. Juni Saint-Étienne 15:00 Uhr Russland – Slowakei 18:00 Uhr Tschechien – Kroatien

Donnerstag, 16. Juni Lens Freitag, 17. Juni Nizza 15:00 Uhr England – Wales 21:00 Uhr Spanien – Türkei

Montag, 20. Juni Toulouse Dienstag, 21. Juni Lens 21:00 Uhr Russland – Wales 21:00 Uhr Tschechien – Türkei

Montag, 20. Juni Saint-Étienne Dienstag, 21. Juni Bordeaux 21:00 Uhr Slowakei – England 21:00 Uhr Kroatien – Spanien 17

LILLE: STADE PIERRE MAUROY PARIS: PARC DES PRINCES

ACHTELFINALE Samstag, 25. Juni Saint-Étienne 15:00 Uhr A 2 – C 2 (Spiel 37)

Samstag, 25. Juni Paris (Parc des Princes) 18:00 Uhr B 1 – A/C/D 3 (Spiel 38)

Samstag, 25. Juni Lens 21:00 Uhr D 1 – B/E/F 3 (Spiel 39)

PARIS, SAINT-DENIS: STADE DE FRANCE Sonntag, 26. Juni Lyon 15:00 Uhr A 1 – C/D/E 3 (Spiel 40)

GRUPPE E Sonntag, 26. Juni Lille 18:00 Uhr C 1 – A/B/F 3 (Spiel 41) Montag, 13. Juni Paris (Saint-Denis) 18:00 Uhr Republik Irland – Schweden Sonntag, 26. Juni Toulouse 21:00 Uhr F 1 – E 2 (Spiel 42) Montag, 13. Juni Lyon 21:00 Uhr Belgien – Italien Montag, 27. Juni Paris (Saint-Denis) 18:00 Uhr E 1 – D 2 (Spiel 43) Freitag, 17. Juni Toulouse 15:00 Uhr Italien – Schweden Montag, 27. Juni Nizza 21:00 Uhr B 2 – F 2 (Spiel 44) Samstag, 18. Juni Bordeaux 15:00 Uhr Belgien – Republik Irland VIERTELFINALE Mittwoch, 22. Juni Lille 21:00 Uhr Italien – Republik Irland Donnerstag, 30. Juni Marseille 21:00 Uhr Sieger 37 – Sieger 39 (VF 1) Mittwoch, 22. Juni Nizza 21:00 Uhr Schweden – Belgien Freitag, 1. Juli Lille 21:00 Uhr Sieger 38 – Sieger 42 (VF 2)

Samstag, 2. Juli Bordeaux GRUPPE F 21:00 Uhr Sieger 41 – Sieger 43 (VF 3)

Dienstag, 14. Juni Bordeaux Sonntag, 3. Juli Paris (Saint-Denis) 18:00 Uhr Österreich – Ungarn 21:00 Uhr Sieger 40 – Sieger 44 (VF 4) Dienstag, 14. Juni Saint-Étienne 21:00 Uhr Portugal – Island HALBFINALE Samstag, 18. Juni Marseille Mittwoch, 6. Juli Lyon 18:00 Uhr Island – Ungarn 21:00 Uhr Sieger VF 1 – Sieger VF 2 (HF 1)

Samstag, 18. Juni Paris (Parc des Princes) Donnerstag, 7. Juli Marseille 21:00 Uhr Portugal – Österreich 21:00 Uhr Sieger VF 3 – Sieger VF 4 (HF 2) Mittwoch, 22. Juni Paris (Saint-Denis) 18:00 Uhr Island – Österreich FINALE Mittwoch, 22. Juni Lyon Sonntag, 10. Juli Paris (Saint-Denis) 18:00 Uhr Ungarn – Portugal 21:00 Uhr Sieger HF 1 – Sieger HF 2 AUF DEM WEG ZUR EURO 2016 18 THOMAS MÜLLERS VIERTES TURNIER

Unberechenbar und total authentisch ist Thomas Müller das Trumpf-Ass der deutschen EM-Offensive

Leader auf dem Königsweg

Nach zwei WM-Endrunden und einer EM-Teilnahme steht Thomas Müller bei der EURO 2016 vor seinem vierten großen Turnier. Mit gerade erst 26 Jahren ist der WM-Torschützenkönig von 2010 auf dem besten Weg, Miro Kloses Nachfolger zu werden. Als Dauerbrenner und Torgarant. Aber auch in Sachen Teamwork und Teamspirit ist der „klasse Typ“, so Klose, auf dem Königsweg des Weltmeisters zum angestrebten Double unverzichtbar. Kicker-Chef­ reporter Karlheinz Wild beschreibt den Angriffsallrounder und Sympathieträger aus München.

Am Nebentisch wird es plötzlich laut spieler außerhalb des Platzes. Als Beweglichkeit und Laufstärke, Anti­ und lustig. Ein schallendes Lachen Mentalitätsmonster, Torgarant und zipationsfähigkeit, Fleiß und Willen, durchreißt die brasilianische Mittags- Führungsspieler auf dem Platz. insgesamt an dessen physischen und luft hier im Campo Bahia, wo die ­„Thomas ist absolut ein Leader in mentalen Fähigkeiten. „Thomas be- deutsche Nationalmannschaft wäh- der Nationalmannschaft“, bestätigt wegt sich nicht nur im Strafraum“, rend der Weltmeisterschaftswochen und betont Klose. sagt der Triple-Trainer 2013 über den 2014 untergebracht ist. Miroslav Triple-Offensivallrounder 2013, „er ­Klose sitzt in nächster Nähe am Die Topleistungen in den vergange- macht weite Wege, ist drahtig und ­Rande eines Swimmingpools, schaut nen Jahren hätten den Profi des FC schnell.“ Diese Qualitäten machten rüber zum feixenden Müller und sagt: Bayern München dazu befördert. ihn zur „optimalen zweiten Spitze, „Ja, ja, der Thomas, wo der ist, da ist „Thomas ist einfach unberechenbar“, Thomas ist nicht der reine Torjäger“. immer was los.“ Klose mag es eher sagt Klose, darin sieht er dessen Und ist es doch, wenn er im Straf- leiser. Dennoch gefällt ihm Müllers ­große offensive Stärke und ergänzt: oder Fünfmeterraum aktiv wird. offene Art. „Thomas ist ein klasse „Der Gegner, aber auch er selbst, „So cool, so kaltschnäuzig, so kon- Typ“, sagte Klose damals. glaube ich, wissen manchmal nicht, zentriert sind nur ganz wenige vor was Thomas im nächsten Moment dem Tor“, lobt Heynckes. Heute, da er sich nach 137 Länder- tun wird.“ Müller bekräftigt Kloses spielen und 71 Toren längst aus der analysierende Vermutung und be- Als einstiger Torjäger und mit 220 Nationalmannschaft verabschiedet schreibt es so: „Wer mich kennt, der Treffern Drittbester der ewigen hat, sagt er es wieder: „Ich mag ihn weiß, dass ich mehr meinem Instinkt ­Bundesliga-Torschützenliste weiß er, total.“ Das beidseitige Verhältnis folge als Anweisungen von Trainern.“ wovon er spricht. Vor allem aber nennt Klose „noch immer super“ und ­imponiert ihm Müllers Einstellung den mittlerweile 70-maligen Natio- Jupp Heynckes kennt Müller aus der zu seinem Beruf und Sport, der nalspieler Müller „unheimlich wichtig einst täglichen Zusammenarbeit im ihm Spiel und Spaß geblieben ist. für die Mannschaft“. Als Entertainer, Klub bestens. Der verrentete Fuß- „Thomas hat sich die Freude am Fuß- Gute-Laune-Garant und Führungs- balllehrer begeistert sich an Müllers ballspielen erhalten“, sagt Heynckes, 19 „MENTALITÄTSMONSTER, TORGARANT UND FÜHRUNGSSPIELER“: THOMAS MÜLLER STEHT VOR SEINEM VIERTEN GROSSEN TURNIER. AUF DEM WEG ZUR EURO 2016 20 THOMAS MÜLLERS VIERTES TURNIER

war genauso, bei ihm wusste man auch nicht genau, wie er so manches meinte.“

Im Sommer 2015 erklärte Rumme- nigge in seiner Funktion als Klubchef den Angestellten Müller für unver- käuflich. Manchester United und ­dessen Teammanager Louis van Gaal, der Müller in seiner Münchner Zeit, 2009 bis 2011, entdeckt und schätzen gelernt hatte, warben sei- nerzeit heftig um diesen Torjäger, mit einem über 100 Millionen Euro schweren Fünfjahresvertrag und ständigen SMS. Müller überlegte, weil er sich im Verein, aus dem er hervorging, und von dessen Trainer Pep Guardiola nicht immer ent­ sprechend gewürdigt fühlte. Mitte Dezember 2015, kurz vor Weihnach- ten, durfte der FC Bayern die frohe SEIN ERSTES VON BISHER ZEHN WM-TOREN: MÜLLER TRIFFT 2010 Botschaft verkünden: Der Profi mit IN SÜDAFRIKA IM VORRUNDENSPIEL GEGEN AUSTRALIEN. der Trikot-Nummer 25 verlängerte seinen Vertrag beim deutschen ­Rekordmeister bis 2021.

„besonders zeichnet ihn aus: Er ist ein weltmeisterliche deutsche National- Müller weiß, was er am FC Bayern Mannschaftsspieler und nicht so mannschaft nicht ohne Müller bei der hat; der FC Bayern weiß mittlerweile, egoistisch wie andere.“ EURO 2016 erleben müssen. „Ohne was er an Müller hat. Er ist der urtüm- ihn würde es schwer“, meint Kohler, liche Vorzeige-Bayer, der Publikums- Gleichwohl treibt Müller, der sich „Müller ist nicht zu ersetzen.“ liebling und nach Bastian Schwein- ­gerne lässig gibt und in seiner cha- steigers Abschied die Münchner rakterlichen Grundstruktur locker Nur gut, dass Müller bisher so gut wie Identifikationsfigur schlechthin. ist, ein ungeheurer Ehrgeiz. Wenn er nie verletzt ausfällt. Als ihm einmal, Substanz und Spaß sind bei Auf­ in München – was inzwischen selten im ersten Jahr unter Pep Guardiola tritten dieses Sympathieträgers ga- geworden ist – der Rotation zum 2013/14, eine Muskelzerrung einge- rantiert. ­Opfer fällt, zwingt er sich zu einem redet wurde, erklärte er sich zwei freundlichen Lächeln und zu harmo- Tage später schon wieder dienst­ Seine Hauptrolle als Führungsfigur nisierenden Floskeln wie: „Es können bereit. Ihn trägt eben eine gesunde, beim FCB wie beim DFB nimmt er nur elf spielen.“ Der Nachsatz gibt zähe Physis, über seine Beine mit den sehr bewusst und ambitioniert wahr. aber seine wahre Gefühlslage, wenn dünnen Muskeln witzelt er selbst zu- Er reflektiert genau, was er wie und auch sehr abgemildert, wieder: „Aber weilen. „Wo keine Muskeln sind, wann in der Öffentlichkeit formuliert. natürlich habe ich den Anspruch, von kannst du dir nicht wehtun“, scherzte Müller weiß, dass der Fußball zu Beginn an zu spielen.“ Und das mit er einmal, „meine Waden sind so dünn, ­einem großen Teil Showgeschäft ist allem Recht der Fußballwelt. da kann kein Gegner die Knochen und bedient diesen Bereich. Ihm ist treffen, weil man sie so schlecht sieht.“ aber genauso bewusst, dass der „Thomas Müller muss immer spie- ­Fußball ein unberechenbares Spiel len“, sagt mit dem Müller macht eben Spaß: konkret im bleibt, wenn sich in der Spitze eben- Abstand des emeritierten Erfolgs- täglichen Umgang als Typ mit seiner bürtige Widersacher gegenüberstehen. trainers und der Nähe des immer- natürlichen, spontanen, ungekünstel- Also äußert er sich extrem karg zu währenden Fachmanns, „er ist so ten Art; und im übertragenen Sinne den EURO-Perspektiven der deut- wichtig wie Lionel Messi für Barce­ als Fußballspieler mit seiner eben- schen Auswahl in Frankreich. Die lona oder für Real falls natürlichen, unmittelbaren, ziel- „riesige Grundqualität“ des Kaders Madrid.“ Müllers Willenskraft sowie gerichteten Spielweise. Müller ist berechtige zwar zu Hoffnungen, Torinstinkt findet Hitzfeld außerge- authentisch. Auch „hintersinnig“, wie „98 Prozent der Gegner sind wir auf wöhnlich. Jürgen Kohler, im DFB-Tri- Karl-Heinz Rummenigge, der Vor- dem Papier überlegen“, sagt Müller, kot 105 Mal Abwehrspieler, dabei standsvorsitzende der FC Bayern aber drei, vier Nationen hält er für Welt- und Europameister, möchte die München AG, anmerkt: „Gerd Müller gleich stark besetzt. 21

In diesen entscheidenden Auseinan- ohne Garantie für eine Fortsetzung. wird, als sie jetzt schon ist“. Auf dem dersetzungen komme es auf den „Es geht mir auch gar nicht um per- Platz liefert er die Beweise, gesti­ ­generellen Teamgeist und das Team- sönliche Rekorde“, stellt Müller klar, kuliert und dirigiert, etwa beim Pres- work auf dem Feld an. „Du kannst „ich bin nicht dieser Rekordtyp.“ Er sing. „Ich bin sehr lautstark unter- nicht einen Mannschaftsabend und lebt – und genießt – im Hier und Jetzt. wegs“, sagt Müller. Die nach dem zwei, drei Sitzungen machen, und Ausstieg der 2014er-Weltmeister dann funktioniert alles auf dem Aber, so schlussfolgert Klose im Lahm, Per Mertesacker und Klose Platz“, sagt Müller mit der ihm eige- ­fernen Rom, „nur wenn Thomas viele entstandenen Lücken „mussten aus- nen deutlichen Bildsprache, „das ist Tore schießt, sehe ich die Chance, gefüllt werden“, erklärt er. Quatsch.“ In einem Turnier, erklärt er dass wir bei der nächsten WM wieder mit der Erfahrung von zwei Welt- vorne landen“. Ist er also auch hierbei und damit meisterschaften und einer EM, müs- doch irgendwie Kloses Nachfolger? se sich „ein positiver Fluss ent­ In Russland, bei der WM 2018, ist „Ich weiß nicht, auf welchem Platz wickeln“. Wird diese Voraussetzung Müller erst 28 Jahre alt, er könnte ich jetzt sitze“, antwortet Müller erfüllt, „haben wir sicher gute Mög- anschließend theoretisch noch bei ­flapsig, „es war kein Namensschild lichkeiten, das Finale zu erreichen“. zwei weiteren Weltturnieren aktiv drauf im Mannschaftsrat – ob da Miro mitwirken, also insgesamt fünf Welt- saß oder ein anderer.“ Ganz klar, er will Europameister meisterschaften spielen – er wäre ­werden, präzisiert und differenziert dann 36 wie Klose beim Titelgewinn Eine Art Vorbild ist ihm Klose gleich- freilich: „Es geht nie darum, die Auto- 2014. „Ich sehe aktuell nicht, dass wohl, „mit Sicherheit“, mit seiner po- grammkarte mit Titeln voll zu kriegen ich mit 36 noch spielen werde“, merkt sitiven Einflussnahme auf die jungen oder einen Titel, den man noch nicht dazu Müller heute an, „soweit denke Spieler wie auf das gesamte Team. geholt hat, zu gewinnen.“ Müller ich nicht voraus.“ „Und sportlich hat Miro Maßstäbe treibt nicht die Befriedigung des eige- gesetzt, davor muss man schon den nen Egos, es ist ihm „zu lapidar“ zu Genauso wenig beschäftigt er sich Hut ziehen“, sagt Müller anerken- sagen, „dass ich persönlich diesen mit den für ihn durchaus in ferner nend. In seinem witzigen-gewitzten EM-Titel noch brauche, dieses große Zukunft aktuellen Themen DFB-­ Müller-Sprech fügt er hinzu: „Es ist Ziel gibt es nicht“. Ihm geht es viel- Kapitän oder Rekordnationalspieler, nicht so, dass du zu einer WM wie zu mehr grundsätzlich darum, „in dem „völlig wurscht“ ist ihm beides.­ einem Geburtstag eingeladen wirst.“ Spiel, in dem man auf dem Platz Müller kann sich nicht vorstellen, steht, erfolgreich Fußball zu spielen“ – „dass meine Rolle viel tragender Karlheinz Wild und „dass du das Ding gewinnen willst, wenn du anreist“.

Die Umsetzung dieses Anspruchs JUBEL ÜBER DEN FÜHRUNGSTREFFER IM WM-HALBFINALE 2014 GEGEN BRASILIEN: MIROSLAV KLOSE UND THOMAS MÜLLER. hängt wesentlich auch von Thomas Müller ab, der bei Turnieren die ­Nummer 13 trägt wie dereinst Gerd Müller.

Obwohl er den größten Torjäger aller Zeiten – 68 Treffer in 62 DFB-Einsät- zen – in punkto Trefferanzahl über- troffen hat, möchte sich Klose nie mit Gerd Müller gleichstellen. Auch Thomas Müller verneigt sich vor dem Namensvetter und rühmt ihn als ­„einmalig“. Dennoch gehört Thomas Müller, dem bislang 31 Länderspiel- treffer gelangen, schon in diese Reihe der Toptorschützen, gerade bei Welt- meisterschaften.

Klose führt die ewige WM-Besten­ liste mit 16 Treffern an, für Gerd Müller sind 14 notiert, 11 für Jürgen Klinsmann, 10 für Helmut Rahn und eben Thomas Müller, der diese Quote als gute Vorlage seinerseits wertet, AUF DEM WEG ZUR EURO 2016 22 VON ATHLETEN UND ÄSTHETEN

Unverzichtbare EM-Helden der Arbeit: Von Katsche, Hacki, Briegel und Eilts zu Hummels und Boateng

Die Bodyguards der Zauberfüße

Deutschland war dreimal Europameister: 1972, 1980 und 1996. Eine Frage hat sich dabei aber immer gestellt: Was wären die schillernden Stars und zaubernden Ästheten ohne die ­Rückendeckung und den Flankenschutz der rustikalen Rackerer, laufstarken Wasserträger und kantigen Athleten? Und: Wie sich deren Profil im Team der Weltmeister 2014 mit Blick auf die EURO 2016 verändert hat.

Um das folgende Thema gleich auf schen Genuss des Publikums nicht zu So ein Solo – der Fußballgott ist den Punkt zu bringen, fangen wir am ­stören, hat er die Mittellinie äußerst ­gerecht! Denn die Kantigen und besten mit dem sympathischsten ungern überschritten, das überließ er ­Katsches kommen oft zu kurz. Mit Beispiel an: Katsche Schwarzenbeck. lieber Beckenbauer. Der war der ge­ der Zunge beschnalzt werden die Wir kennen ihn alle als den „Putzer niale Held – während Katsche nur Künstler, die Eleganten, die Ball- vom Kaiser“, er war der Athlet, der kurz einmal Kinoheld sein durfte, in streichler, die Zauberfüße – dabei andere der Ästhet – aber irgendwann der Komödie „Wehe, wenn Schwarzen­ könnten sie einpacken ohne die ist der stille Schaffer aus dem Schat- beck kommt“. schwitzenden Rackerer an ihrer ten der strahlenden Lichtgestalt kurz ­Seite, die rustikalen Zerstörer und herausgetreten und hat zum Franz Aber wenn er kam, dann richtig. Und nimmermüden Kilometerfresser, die gesagt: „Nur mit dei’m Balljonglieren manchmal kam er halt auch beim die Ärmel hochkrempeln und bis zur wären wir ned Weltmeister g’worden.“ Fußball, von hinten, wie aus dem Selbstverleugnung ihren Beitrag Oder Europameister. Hierfür hat es Nichts. Die Sowjets haben es gar zum Sieg leisten als Balleroberer, auch den Katsche gebraucht. nicht geschnallt, damals in Brüssel, Wachhunde und Wasserträger. im Endspiel um die Europameister- Katsche Schwarzenbeck, der vorne schaft 1972. Mit langen Schritten Katsche war immer da, wenn der Kaiser eigentlich Hans-Georg heißt, war als stiefelte der Bayer aus der Tiefe des Beistand benötigte. Einmal, 1974, Manndecker der alten Schule das, Raums nach vorne, und die Russen auch in Brüssel, lag der FC Bayern im was man eine Kante nennt. Die tolls- riefen sich lachend zu: „Lasst ihn Europacupfinale der Landesmeister ten Torjäger der Welt schüttelte er ­laufen!“. Im Strafraum überließ der gegen Atletico Madrid 0:1 hinten, und durch wie ein Presslufthammer, und Schlaks den Rest dann dem Bomber. weil der Strafraum der Spanier in der um Schaden abzuwenden, hätte er Gerd Müller vollstreckte zum 3:0. Schlussminute der Verlängerung auch einen blutigen Flugkopfball Wir waren Europameister – und falls rappelvoll war, schob der ratlose ­gegen die Bordsteinkante nicht ge- wahr ist, was man sich erzählt, lachte ­Beckenbauer den Ball halt hinüber scheut. Um den Spielfluss der eige- der Gerd hinterher den Katsche an: zum Katsche. Dem fiel überhaupt nen Mannschaft und den ästheti- „Danke, Pelé!“ nichts mehr ein, also hat er die drei- 23

„TURM IN DER SCHLACHT“: HANS-GEORG „KATSCHE“ SCHWARZENBECK IM KOPFBALLDUELL MIT DEM NIEDERLÄNDER JOHAN NEESKENS IM WM-ENDSPIEL 1974 IN MÜNCHEN.

ßig Meter zum Tor spontan mit einem die Pariser „L’Equipe“ damals den Weichkeks. Er verteidigte für den Fernschuss überbrückt und sich „Traumfußball des Jahres 2000“ ­verletzten Berti Vogts und erledigte ­hinterher erinnert: „Der Ball is zwi- nannte. Netzer war der Stratege seinen Auftrag so gründlich wie Berti schen alle Füß durch, einfach so, und ­dieser unfassbaren Mannschaft, er zwei Jahre später im WM-Finale dann war er im Tor.“ Das Wieder­ startete mit flatternden Haaren ­gegen , als er vom holungsspiel gewannen die Münchner ­hemmungslos seine Soli aus der ­Gladbacher Fohlen zum Deck-Hengst danach 4:0. ­Tiefe des Raumes – denn dort hielt mutierte. Die Historiker streiten noch ihm sein Adjutant den Rücken frei. heute, ob Berti in jenem Spiel über- Nicht nur die Bayern, sondern der haupt mal am Ball war – aber er deutsche Fußball als solcher kann Zum Dank durfte Wimmer im Brüs­ ­meldete Cruyff ab, und so wurden froh sein, dass er neben seinen seler Finale dann sogar selbst ein Tor wir Weltmeister. Und mit Eisenfuß ­Ästheten stets auch seine Athleten schießen, zum 2:0 (kurz vor Katsches Höttges Europameister. hatte, denn dreimal Europameister – Ausflug zum 3:0), und angeblich hat 1972, 1980 und 1996 – wären wir Netzer ihm später zum Dank eine Wenn von der EM 1980 die Rede ist, ohne sie nicht geworden. Erinnern wir neue Hüfte bezahlt. Aufgrund diver- erinnern sich die Veteranen unter uns uns zum Beispiel an Hacki Wimmer, ser Operationen und Abnutzungs­ vor allem an , den der zum Wohle seines Herrn und erscheinungen witzelt Hacki inzwi- „Blonden Engel“. Auch Hansi Müller ­Gebieters Günter Netzer beim EM- schen in Interviews: „Ich habe mir und oder die Angriffs- Triumph 1972 als Tausendfüßler fast für meinen Freund Günter die Hacken pfeile Kalle Rummenigge und Klaus 14 Kilometer bewältigte. wohl etwas zu viel abgelaufen.“ Allofs waren durchaus nennens­- werte Streichler des Balles – aber wie Herbert „Hacki“ Wimmer lief sich Die Rückbesinnung auf 1972 wäre wäre die Sache ausgegangen ohne für den „King vom Bökelberg“ wund, nicht komplett ohne Horst „Eisenfuß“ Kampfbolzen wie Ennatz Dietz, Bernd schirmte ihn ab, schleppte ihm die Höttges. Auch der Bremer war ein Cullmann oder Hans-Peter Briegel, Bälle heran – und ermöglichte un­ Monster in puncto Pflichterfüllung der sich als „Walz aus der Pfalz“ die seren Europameistern von 1972, was und vor allem kein Wattepuster und Lunge aus dem Leib rannte? AUF DEM WEG ZUR EURO 2016 24 VON ATHLETEN UND ÄSTHETEN

Hinten räumten Ulli Stielike und Karl- löste. Erst schoss er das 1:0, und Kleinkünstler Icke Häßler und heinz Förster auf. In die Schnitt­ nachdem die Belgier im Stadio Olym- ­ ließen den Ball zwar stellen zwischen dem Libero und pico in Rom ausgeglichen hatten, tat sporadisch fein zirkulieren, aber ihre dem Stopper hat keine Bildzeitung er in der vorletzten Minute das drin- Versiertheit wäre als brotlose Kunst gepasst, perfekt haben die zwei sich gend Erforderliche: Rummenigge verpufft ohne die Anwesenheit von ergänzt. Stielike war technisch ver- schlug den letzten Eckball vors Tor, Matthias Sammer. Bis dahin kannte siert, aber auch reinhauen konnte er und Sturmtank Hrubesch brachte man nur das geflügelte Wort von fast so wirkungsvoll wie sein Neben- seine 195 Zentimeter und 98 Kilo zur ZDF-Altmeister Harry Valérien, wenn mann. Der im Grunde herzensgute Entfaltung und wuchtete das Runde er im Studio verzweifelt nach der Förster war als Manndecker das, was ins Eckige. richtigen Kamera suchte („Wo sammer? ihm den Kosenamen „Der Klopper Da sammer!“). Bei dieser EM aber er- mit dem Engelsgesicht“ einbrachte. Noch ungeheuerlicher war, dass gab sich die weitergehende Variante: Schon nach zehn Minuten hatte er sich die Geschichte sechzehn Jahre Überall Sammer. den gegnerischen Torjägern in aller danach wiederholte: Im EM-Finale Regel den Tarif erklärt. Der an­ge­ 1996 in London war Hrubesch als Sammer, der Feuerkopf, loderte wie schnittene Zuckerpass war nicht seine Brechstange wieder zur Stelle, nur ein Streichholz. Der Dortmunder Spezialität, und seinen Bewegungs- hieß er inzwischen Oliver Bierhoff. war als Leitwolf der Mannschaft ein radius beschränkte er auf die eigene Derselbe Hüne. Und wieder einer, der knallharter Abwehrchef und gleich- Hälfte – was vollauf genügte, denn in der Luft eine Kante war. 0:1 stand zeitig ein kreativer Kommandant, vorne hatten wir ja . es im Endspiel in Wembley gegen die ­hinten machte er dicht und nach Tschechen, als Bierhoff kam. Der ­vorne hin Wind. Wehe, es wurde eng Kopfballungeheuer war gar kein Aus- Rest ist bekannt: Kopf Bierhoff – 1:1; wie im Viertelfinale gegen die Kroa- druck für das nackte Entsetzen, das Schuss Bierhoff – 2:1. ten, dann war ein Blick in seine Augen der für seine Flankenduette mit wie ein Blick in die Mündung einer ­Verteidiger Kaltz berüchtigte HSV- Bei jener EM 1996 war die kämpfe­ doppelläufigen Flinte. Den Kopf hat Hüne („Manni Banane, ich Kopf – Tor“) rische Komponente im deutschen er geschwind unter den Arm genom- im Finale unter den Belgiern aus­ Team besonders ausgeprägt. Die men, ist nach vorne gerannt und hat,

KAMPF UM JEDEN ZENTIMETER: BERTI VOGTS IM WM-FINALE 1974 GEGEN SUPERSTAR JOHAN CRUYFF.

DAUERRENNER: BEI DER EUROPAMEISTER- SCHAFT 1972 UNERMÜDLICH AM BALL. 25

RUSTIKAL UND FILIGRAN: VERTEIDIGER WIE JÉRÔME BOATENG BEHERRSCHEN AUCH DEN UMGANG MIT DEM SPIELGERÄT.

„SONDERBOTSCHAFTER DER DEUTSCHEN TUGENDEN“: BEI DER EURO 1996 GEGEN ITALIEN.

ohne die anderen zu fragen, das 2:1 und endete sogar im All Star Team aber auch die anderen, sogar die von geschossen. Sammer war Stopper, jener EM. Pausenlos nämlich hat hinten, die aus härterem Holz ge- Staubsauger, Schaltstation und Eilts Räume eng gemacht, Löcher schnitzt sind. Wie Hummels oder Strip­penzieher – aber vor allem gestopft, Bälle erobert, sie über drei Boateng, oder die Sechser-Strategen ­Bandenchef. oder vier Meter punktgenau weiter- Schweinsteiger und Khedira, die gespielt und nicht nur entnervte ­malochen und dirigieren und gleich- „Blutsbande“ ist vielleicht sogar der ­Gegner hinterlassen, sondern vor zeitig nie vergessen, dem Ball zu beste Ausdruck für das, was damals ­allem die Schlagzeile: „Es gab kein ­beweisen, dass sie ihn lieben. Europameister wurde. Helmer, Babbel, Spiel, bei dem er nicht schwer ge- Reuter, Strunz, Ziege, Freund: Alle zeichnet vom Platz humpelte.“ Eilts Und liebt ihn nicht sogar der größte verdienten sich die Nahkampfspange wollte keinen Schönheitspreis gewin- Athlet dieser Mannschaft? Manuel mit Eichenlaub, kein Ball wurde ohne nen – es genügte ihm vollkommen, Neuer ist komplett, fünf bis sechs Blutvergießen verloren gegeben. Europameister zu werden. ­Kilometer läuft er pro Spiel, ein Fahr- Aber die Krönung als kompromisslo- tenbuch muss er bald führen, wenn ser Aufräumer und allgegenwärtiger Wie es dieses Jahr ausgeht bei der er so weitermacht – aber darüber Aufbauer war seinerzeit Dieter Eilts. EM in Frankreich? Sind aller guten ­hinaus ist er am Ball so virtuos, dass Dinge vier? Jedenfalls sind unsere ihn Jogi Löw sogar ins „Tiki-Taka“ Der rustikale Bremer war sozusagen Weltmeister von 2014 für die EURO einbinden kann, falls es benötigt wird. der Sonderbotschafter der deut- 2016 gut gewappnet, denn die einst Neuer hat Einwürfe drauf und Flug- schen Tugenden, er war unermüdlich so ausgeprägte Zweiklassengesell- kopfbälle, er beherrscht den Hacken- auf der Jagd nach dem Ball, ohne den schaft von Ästheten und Athleten trick und kann Ronaldo jederzeit gegnerischen Spielmacher auch nur gibt es in dieser Mannschaft nicht ­tunneln. Angesichts dieses unumstöß- für eine Sekunde aus dem Auge zu mehr. Mesut Özil, Mario Götze oder lichen Schranks im Kasten, der gleich- verlieren. Als „Ostfriesen-Alemão“ mögen mit dem Ball ein zeitig ein ästhetischer Dribbelkünst- wurde er aufgrund seiner deutsch- bisschen ausgiebiger flirten als ein ler ist, können wir den Sekt eigentlich­ brasilianischen Fertigkeiten berühmt paar andere. Filigran kicken können schon kaltstellen. Oskar Beck AUF DEM WEG ZUR EURO 2016 26 DEUTSCHE SPIELER IN FRANKREICH

Von Rohr über Völler bis Trapp – wie der deutsche Fußball in Frankreich zu Respekt und Anerkennung fand

Türöffner und Wegbereiter

Die Mannschaft. In Frankreich hieß sie schon immer so. Und die deutsche Nationalmann- schaft ist dort immer „Die Mannschaft“ geblieben. Von ihr wurde meist mit Hochachtung ­gesprochen. Zumal deutsche Spieler ja auch einiges getan haben, um den Ruf des deutschen Fußballs im Nachbarland zu festigen, manchmal sogar zu glorifizieren. Auf alle Fälle aber ihm Respekt zu verschaffen, aus dem Freundschaften entstanden, Verständnis füreinander, Neugier aufeinander. Ganz besonders jetzt vor und bei der EURO 2016 in Frankreich.

Was Konrad Adenauer und Charles den war, wollte sein Talent versil- Girondins Bordeaux. Frankreichs Liga de Gaulle 1963 mit der Gründung bern. Und da in Frankreich bereits der spielte damals „Champagner-Fuß- des deutsch-französischen Freund- Profifußball existierte – in Deutsch- ball“, hatte keine rigorosen Verteidi- schaftsvertrags beschlossen und land wurde er erst 1963 eingeführt – ger und Girondins dank seinem Prä­ ­begonnen haben: der deutsche Profi- zog es Rohr 1934 zu Racing Straß- sidenten Claude Bez genügend Geld. fußball hat es perfekt fort- und auf burg. „Handgeld“: ein Citroën Cabrio. Rohr (62) spielte von 1977 bis 1989 für anderer Ebene umgesetzt. 1933 hatte er beim 3:3 in Berlin beim die Girondins – so lange wie kein ande- ersten Heim-Länderspiel gegen rer deutscher Legionär in Frankreich. Vom aktuellen Stab der National- Frankreich zwei Tore geschossen, mannschaft können Manager Oliver was die „Späher“ erst richtig auf- 1982 nahm der gebürtige Mannhei- Bierhoff und Torwart-Trainer Andreas merksam auf ihn gemacht hatte. mer zudem die französische Staats- Köpke Frankreich-Erfahrung vorwei- bürgerschaft an und wurde 1984, sen. Bierhoff war 2001 vom AC Mai- Ein Jahrzehnt später folgten ihm mit 1985 und 1987 französischer Meister land zum AS Monaco gewechselt, wo Ewald Follmann und Kurt Clemens sowie 1986 und 1987 Pokalsieger. er in 18 Einsätzen fünf Tore erzielte. zwei saarländische Nationalspieler Danach tat er auch als Trainer viel für Auf seine Verpflichtung hatte der nach Frankreich, ins benachbarte das Ansehen des deutschen Fußballs heutige Nationaltrainer Didier De- Metz und Nancy. im Nachbarland, ehe er in dieser schamps gedrängt. Köpke, der 1996 ­Rolle zum Weltenbummler – vor als Europameister gekommen war, Abgesehen von Episoden wie Reinhard ­allem in Afrika – wurde. Höhepunkt in versuchte, meist erfolgreich, in 97 „Stan“ Libuda oder Herbert Laumen­ dieser zweiten Karriere war der Spielen seine Bude bei Olympique (siehe Kasten) begann die „Deutsche UEFA-Cup 1996 mit den Endspielen Marseille dicht zu halten. Welle“ ausgerechnet mit dem Groß- gegen Bayern München (0:2, 1:3). neffen von Ossi Rohr, Gernot.­ Der er- Am Anfang der Deutschen in Frank- kannte, dass er als Rechtsverteidiger Von deutscher Unterstützung derart reich stand Oskar „Ossi“ Rohr. Der bei Bayern München damals im Team überzeugt, versuchte es Bordeaux Stürmer, der 1932 mit dem FC ­Bayern um Karl-Heinz Rummenigge nicht darüber hinaus mit namhaften Offen- München Deutscher Meister gewor- bestehen konnte und wechselte zu sivspielern aus der Bundesliga. 27

GEWINN DES DOUBLES 1989 MIT OLYMPIQUE MARSEILLE: UND KARLHEINZ FÖRSTER.

VON 1992 BIS 1994 BEI AS MONACO UND 1992 DEUTSCHLANDS „FUSSBALLER DES JAHRES“: JÜRGEN KLINSMANN.

­Caspar Memering, und Klaus Allofs war dann 1987 der Erste.­ ­eine französische Vereinsmannschaft vor allem Dieter Müller wechselten Er erinnert sich: „Jean-Pierre Papin gewonnen hat. an die Garonne. Müller, bis heute ein war der Mittelstürmer. Er sagte mir Idol der Girondins-Fans, dankte es später, er habe nie einen Partner im Zur Geschichte der Deutschen in mit 43 Toren in 93 Liga-Spielen. Angriff gehabt, der ihm die Bälle zum Frankreich gehört auch die Episode, ­Unvergesslich vor allem aber der Torschuss so gekonnt vorgelegt die geschrieben September-Abend 1982, als Müller, ­habe.“ Allofs wurde zwei Jahre spä- hat. Nicht als Spieler, sondern als gerade aus Deutschland angekom- ter nach 53 Spielen und 20 Toren vom Weltmeister-Trainer 1990. Er war der men, im damaligen Parc Lescure ge- Erzrivalen Bordeaux abgeworben, wo Überredungskunst des Charmeurs gen Carl Zeiss nach einem 1:3 ihm nach seinem einjährigen Engage- Bernard Tapie erlegen, führte Olym- im Hinspiel drei Tore zum 5:0 bei­ ment der Klub nach dem Ende der pique 1991 mit als steuerte. Ein baskischer Männerchor, Ära Bez noch viel Geld schuldete. Co-Trainer ins (gegen Belgrad in Bari Freunde des Präsidenten, brachte im Elfmeterschießen verlorene) Fina- ihm daraufhin in den Katakomben Bernard Tapie aber benötigte für le des Europapokals der Landes- des Stadions ein donnernd-tönendes Olympique, nachdem Allofs ihm von meister, musste aber an vielen Bei- Ständchen. der Fahne gegangen war, einen hoch- spielen feststellen und verstehen karätigen Nachfolger. Nach drei Jah- lernen, was in Frankreich der Unter- Herausforderer Bernard Tapie, der ren vergeblicher Experimente war es schied zwischen einem Patron und Olympique Marseille übernommen 1992 Rudi Völler. Der heutige Sport- einem Präsidenten ist. Unter ande- hatte, nahm sich Girondins als Bei- direktor von Bayer Leverkusen beein- rem redete Tapie immer massiv bei spiel, holte 1986 nach der WM in druckte wie Allofs während seiner der Mannschaftsaufstellung mit. Der ­Mexiko mit dem Vize-Weltmeister zwei Jahre in Marseille mit einer ein- „Kaiser“ hat dann auch schnell die Karlheinz Förster für vier Jahre zu- drucksvollen Trefferquote (24 Tore in Flucht zurück nach Bayern ergriffen. nächst einen beinharten Verteidiger, 58 Punktspielen) und gewann 1993 der die „Baracke“ mit großem Erfolg in München gegen den AC Mailand Viel zu erzählen gäbe es zudem über dicht macht, und gleich danach dann die Champions League – bis heute von seinem halbjähri- deutsche Stürmer. der einzige europäische Titel, den gen Gastspiel in Bordeaux. Oder über AUF DEM WEG ZUR EURO 2016 28 DEUTSCHE SPIELER IN FRANKREICH

BISHER EINZIGER EUROPÄISCHER TITEL EINER FRANZÖSISCHEN VER- EINSMANNSCHAFT: RUDI VÖLLER ­GEWANN MIT OLYMPIQUE MARSEILLE 1993 DIE CHAMPIONS LEAGUE.

tian Wörns ein Jahr lang am Ball ge- wesen war, herausfordern wollte. Dort aber nutzten auch alle Waffen- Milliarden von Besitzer Lagardère nichts. Für Littbarski, so die Sage, blieb 1986/87 vor und nach seinen 34 Punktspieleinsätzen immer die Porte de la Chapelle, die Ausfahrt zur Autobahn nach Köln, der Bezugs- punkt – nie der Eiffelturm. Nach zwei Spieltagen der Saison 1987/88 wechselte „Litti“ vorzeitig an den Rhein zurück.

Diese Geschichte kann aber nicht ­enden ohne folgende Anekdoten: ­Erwin Kostedde (3 Länderspiele) kam jeden Freitag aus seiner norddeut- schen Heimat mit dem Zug ins ­französische Hinterland angefahren, um für den damaligen Nobody der höchsten Spielklasse, Stade Laval, an der Grenze zur Normandie und Bre­tagne gelegen, seinen Wochen- Jürgen Klinsmann, der 1992 nach d’Azur zu Tottenham nach London zu enddienst zu absolvieren. Und dabei Monaco wechselte, dort im ersten wechseln. für Furore zu sorgen. Jahr als Vizemeister bejubelt und im zweiten Jahr im Trikot der Monegas- Oder Pierre Littbarski. Er versuchte Mit 21 Toren in 34 Spielen wurde der sen zu „Deutschlands Fußballer des sein Glück beim Retortenverein treffsichere und elegante Mittel­ Jahres“ gekrönt wurde. Um im ­Racing Paris, der mit ihm und ande- stürmer während seines einjährigen ­gleichen Sommer vor Ende seines ren Verstärkungen den Platzhirsch Engagements nicht nur französischer Drei-Jahres-Vertrags von der Côte Paris St. Germain, wo später Chris­ Torschützenkönig. Er schoss seinen 29

Trainer Roger Millenaire in jenem in Frankreich und verbrachte danach drängt und hat schon in seinem ­Erfolgsjahr des krassen Außen­ den größten Teil seiner Karriere bis ­ersten Jahr in Frankreich mit Paris seiters zum Titel „Trainer des Jahres“ 1989 in Frankreich, unter anderem St. Germain den ­Titel des Landes- in Frankreich und war, an der Treffer- bei AS Monaco. meisters errungen. quote gemessen, zudem der erfolg- reichste aller deutschen Stürmer in Aktuell versuchen der frühere De­ Und ist dabei, wie so viele seiner Vor- französischen Diensten. fensivspieler des FC Bayern, Diego gänger, das Renommee deutscher Contento, bei Girondins Bordeaux Frankreich-Legionäre zu mehren und Millenaire wiederum war von deut- und Torhüter Kevin Trapp (Paris St. als Wegbereiter speziell vor der EM- scher Vollstreckerkunst so begeis- Germain) die deutschen Fahnen in Endrunde 2016 in deren Gastgeber- tert, dass er danach Uwe Krause von Frankreich hoch zu halten. Zumin- land für hohe Anerkennung des deut- verpflich­ dest der ehemalige Schlussmann der schen Fußballs und entsprechende tete. Der war zwar nie National­ Frankfurter Eintracht ist auf einem Neugier auf den amtierenden Welt- spieler, wurde aber 1981 mit 23 Tref- sehr guten Weg. Er hat Italiens meister zu sorgen. fern für Laval Vize-Torschützenkönig ­Nummer 2, Salvatore Sirigu, ver- Rainer Kalb

National- und Bundesligaspieler als deutsche Legionäre in Frankreich

Oskar Rohr Racing Straßburg, FC Sète 1934 – 1942 Ewald Follmann FC Metz 1949 – 1950 Kurt Clemens FC Nancy 1951 – 1953 Harald Klose FC Valenciennes 1970 – 1971 Erich Maas FC Nantes 1970 – 1975 Peter Kracke FC Angoulême 1971 – 1972 Reinhard Libuda Racing Straßburg 1972 – 1973 Ferdi Heidkamp SC Bastia, OSC Lille 1973 – 1977 Herbert Laumen FC Metz 1974 – 1975 Bernd Lehmann Racing Straßburg 1975 – 1976 Gernot Rohr Girondins Bordeaux 1977 – 1989 Franz Michelberger Stade de Reims 1978 – 1979 Heinz Stickel AS Nancy 1978 – 1979 Erwin Kostedde Stade Laval 1979 – 1980 Uwe Krause Stade Laval, AS Monaco, FC Sochaux 1980 – 1986 Caspar Memering Girondins Bordeaux 1982 – 1984 Dieter Müller Girondins Bordeaux 1982 – 1985 Udo Horsmann Stade Rennes 1983 – 1984 Klaus Jank Stade Laval 1983 – 1984 Walter Kelsch Racing Straßburg 1984 – 1986 Uwe Reinders Girondins Bordeaux, Stade Rennes 1985 – 1987 Karlheinz Förster Olympique Marseille 1986 – 1990 Pierre Littbarski Racing Club Paris 1986 – 1987 Klaus Allofs Olympique Marseille, Girondins Bordeaux 1987 – 1991 Peter Reichert Racing Straßburg, FC Toulouse 1988 – 1990 Manfred Kaltz Girondins Bordeaux, FC Mulhouse 1989 – 1990 Norbert Nachtweih AS Cannes 1989 – 1991 Thomas Seeliger AS Nancy 1991 – 1992 Alfred Schön AS Nancy 1991 – 1992 Jürgen Klinsmann AS Monaco 1992 – 1994 Rudi Völler Olympique Marseille 1992 – 1994 AS Saint-Étienne 1993 – 1995 Andreas Köpke Olympique Marseille 1996 – 1999 Bernd Hobsch Stade Rennes 1997 – 1998 Patrick Weiser Stade Rennes 1997 – 1999 Christian Wörns FC Paris Saint-Germain 1998 – 1999 Oliver Bierhoff AS Monaco 2001 – 2002 AKTUELL IM RÜCKBLICK 30 20. JUBILÄUM DES 3. EM-TITELGEWINNS

Matthias Sammer und sein „Riesenanteil“ 1996 am Triumph in England

Die FREIHEIT, die er meint und nutzt

Thomas Häßler und halsten und herzten Oliver Bierhoff, den Jürgen Klinsmann­ und Stefan Kuntz Sekunden später zu Boden rissen in ihrer Begeisterung. Matthias Sammer hingegen verfolgte in diesen euphorischen Momenten noch immer argwöhnisch den Vorgang an der Seitenlinie. Dort unterrichte der Linienrichter den Schiedsrichter – Sammer kennt noch heute dessen Namen: „Pairetto hieß er, ein Italiener“ – über seine Beobachtung, es ging um eine vermeintliche Abseitsstellung von Kuntz bei Bierhoffs Torschuss. Doch nach kurzer ­Diskussion erkannte der Unparteiische den Treffer an, 2:1 für Deutschland im EM-Finale 1996 im Wembley-Stadion.

Bierhoff, erst in der 69. Minute für „Eine Modeerscheinung damals“, scheidung“ gewesen, diese Botschaft Mehmet Scholl eingewechselt, hatte sagt Sammer heute über diese Rege- auszusenden, so Sammer, der diesen Patrik Bergers Foulelfmeter-1:0 – lung. Er findet es „gut, dass sie ­wieder Ansatz Anfang der Nuller-Jahre und Sammer hatte Karel Poborsky an der abgeschafft wurde“. An jenem 30. Juni in seiner Funktion als DFB-Sport­ Strafraumecke, allerdings außer- 1996 sicherte das Golden Goal der direktor von 2006 an kritisierte, weil halb, weggegrätscht – erst ausge­ deutschen Mannschaft den kontinen- sie die Entwicklung der jugendlichen glichen (73.) und dann in der fünften talen Titel, erstmals wieder nach Individualität blockiere und zu sehr Minute der Verlängerung das Siegtor 1980 und 1972, also zum dritten Mal. die Einheitlichkeit der Talente betone. erzielt. „Ui, da sieht der Torwart aber „Turnierfavorit waren wir nicht“, sagt „Doch für dieses Turnier und eine nicht gut aus“, schoss es Sammer zu­ Sammer, der mit Rückenbeschwer- ausgereifte Mannschaft war dieser allererst durch den Kopf, als Tsche- den in die damaligen englischen Satz zutreffend, weil es nur über den chiens Schlussmann Petr Kouba den ­Wochen ging. „Aber: Wir waren ein Zusammenhalt ging“, sagt Sammer. Ball über die Hände gleiten ließ. Team.“ Der damalige Bundestrainer „Wir wussten, dass wir ein Team Berti Vogts prägte und predigte sei- sein mussten, wenn wir eine Chance Dieser Fehlgriff wirkte sich fatal aus, nerzeit seine Losung: „Der Star ist die haben wollten.“ weil er erstmals bei einem großen Mannschaft.“ In jener Situation und Turnier das Golden Goal ermöglichte für die damalige Mannschaft sei es Diesen gruppendynamischen Pro- und den sofortigen Abpfiff bedeutete. „die hundertprozentig richtige Ent- zess förderten die Ergebnisse in der „ABWEHRCHEF UND KREATIVER KOMMANDANT“: MATTHIAS SAMMER ALS SCHLÜSSELSPIELER BEIM EM-GEWINN 1996. AKTUELL IM RÜCKBLICK 32 20. JUBILÄUM DES 3. EM-TITELGEWINNS

DYNAMIK UND ÜBERSICHT: MIT GROSSER KAMPFKRAFT BEIM EM-GEWINN 1996.

ENTSCHEIDENDER ELFMETER-SCHÜTZE IM HALBFINALE, IM FINALE GESPERRT: ANDREAS MÖLLER.

starken Gruppe C. Beim 2:0 zum er, „ich habe gezweifelt, und dann Reuter wegen der zweiten Gelben Start gegen Tschechien schied darfst du es nicht tun.“ Karte im Finale gesperrt war und ­Kapitän Jürgen Kohler schon nach ­damit die Personalnot noch vergrö- 14 Minuten mit einem Innenbandriss Sonst aber ging Sammer entschlos- ßerte, verweist auf Sammers Per- im Knie aus dem Turnier. Beim fol- sen voran. Gerade das wackelige 0:0 sönlichkeit und Ausstrahlung und genden 3:0 gegen Russland gelang gegen Italien im letzten Gruppen- schreibt dem Kollegen „einen Riesen- Sammer sein erster Turniertreffer, spiel trieb ihn an, beim Pressing des anteil an unserem EM-Sieg“ zu. Beide „mit ein bisschen Glück“ per Abstau- italienischen Trainers Arrigo Sacchi waren in jenem Jahr gemeinsam ber. Gegen Kroatien im Viertelfinale fühlte er sich hilflos, die 90 Minuten mit Borussia Deutscher zwang er einen Pressschlag zum ließen ihn extrem unzufrieden zu- Meister geworden, beide lieferten 2:1 ins Netz. Als eine Runde später rück. „Nach diesem Spiel entwickelte sich bei der EM manches Wortge- nach 120 Minuten und einem 1:1 sich ein Spirit“, berichtet Sammer, fecht auf dem Platz. ­gegen England der Showdown per „jetzt erst recht!“ Elfmeter­schießen anstand, zählte „Wir haben uns angeschrien“, erzählt Matthias Sammer nicht zu den Andreas Möller, der im Halbfinale Möller, „aber es ging immer um die Schützen. „Ich habe nie entschei- den entscheidenden Elfmeter ver- Sache.“ Alles halb so schlimm. Der dende Elfmeter geschossen“, sagt wandelt hatte, dann aber wie Stefan offensive Möller spricht von einer 33

perfekten Kooperation auf dem Feld, „wir haben uns sehr gut ergänzt“, die Die Helden vom Wembley – damalige Spielweise sei „modern“ gewesen. das machen sie heute

Sammer interpretierte den Libero EM-Finale am 30. Juni 1996 im Londoner Wembley-Stadion: mit allen Freiheiten. „Ich konnte Deutschland gegen Tschechien 2:1 n.V. (Golden Goal) ­machen, was ich wollte“, sagt er. ­Zuverlässige Helfer wie Thomas Deutschland: Köpke – Sammer – Strunz, Babbel, Helmer, Ziege – Eilts ­Helmer oder im Ab- (46. Bode), Scholl (69. Bierhoff), Häßler – Klinsmann, Kuntz. Kapitän: Klins- wehrzentrum, davor ein Dieter Eilts mann. Tore: 0:1 Berger (59., Foulelfmeter), 1:1 Bierhoff (73.), 2:1 Bierhoff sowie Reuter und Christian Ziege auf (96., Golden Goal) den Außenseiten hielten den Laden dicht. In sechs Spielen gab es ledig- Andreas Köpke (54 Jahre/59 Länderspiele): Wurde im Oktober 2004 Sepp lich drei Gegentreffer. „Ich hatte hin- ten fantastische Mitspieler“, sagt der Maiers Nachfolger als Bundes-Torwart-Trainer. damals freischaffende Antreiber mit der Nummer 6, „dadurch konnte ich Matthias Sammer (48/51): Kam nach Bundesliga-Trainerstationen in Dort- mein Spiel ausleben und die Lücken mund und 2006 als Sportdirektor zum DFB. Seit Juli 2012 beim nach vorne suchen.“ Es ist ihm ein- FC Bayern und heute dort Sportvorstand mit Vertrag bis 2018. drucksvoll gelungen. (47/41): Arbeitet als TV-Experte für Sport 1 und als Spieler- Sammer wurde zum besten Spieler berater. dieser Europameisterschaft gekürt; wie schon 1995, also zum zweiten Markus Babbel (43/43): Ist nach Bundesliga-Trainerstationen in Stuttgart, Mal hintereinander zu Deutschlands Berlin und Hoffenheim heute Trainer des Schweizer Erstligisten FC Luzern. „Fußballer des Jahres“ gewählt ­sowie erstmals zu Europas „Fußballer des Thomas Helmer (50/68): Arbeitet für Sport 1 als Moderator. Jahres“. 1996 war sein Jahr. Sammer seufzt ein langgezogenes „Ja“, lacht und sagt: „Das war schon okay.“ Christian Ziege (44/72): Trainiert seit November 2015 den spanischen ­Drittligisten Atlético Baleares. Die ekstatische Eruption extremer Freude entspricht nicht seinem Natu- Dieter Eilts (51/31): Leitet die Fußballschule des SV Werder . rell. „Das Momentum, wenn etwas erreicht ist“, stellt für ihn „das Aller- Mehmet Scholl (45/36): Kommentiert als TV-Experte Fußball bei der ARD. größte“ dar. „Aber ich muss da nicht ausflippen.“ Thomas Häßler (49/101): Unterschrieb im Februar 2016 einen Zweijahres- Vertrag beim Berliner Bezirksligisten Club Italia 80 (8. Liga) ab der Saison Der EM-Triumph war Sammers größ- 2016/17 als Trainer. ter Titel mit der Nationalmannschaft bei seinem dritten und letzten Tur- Jürgen Klinsmann (51/108): War vom 26. Juli 2004 bis 11. Juli 2006 nier. Ein Jahr später, am 7. Juni 1997, ­Bundestrainer des DFB, ist seit dem 29. Juli 2011 Nationaltrainer der USA bestritt er mit knapp 30 Jahren sein mit Vertrag bis 2018. letztes von 51 Länderspielen, eine Knieinfektion stoppte seine Karriere, als deren wichtigsten Meilenstein er Stefan Kuntz (53/25): Fungierte seit 2008 als Vorstandsvorsitzender des den Gewinn der U 18-Europameister- 1. FC Kaiserslautern, wo sein Job Anfang April 2016 endete. schaft mit der DDR 1986 erachtet. Damals empfand er zum ersten Mal (46/40): Leitet als Vorsitzender den Aufsichtsrat bei Werder das prägende Gefühl, „wie unglaub- Bremen. lich es ist, so große Titel zu gewin- nen“. Daraus leitete Sammer seine Oliver Bierhoff (47/70): Übernahm am 29. Juli 2004 den neu geschaffenen persönliche Maxime ab, die da lautet: Posten des Managers der Nationalmannschaft. Seit Oktober 2007 gehört er „Wenn du etwas tust, dann so, dass dem DFB-Präsidium an. dabei etwas herauskommt.“ 1996 kam einmal mehr etwas heraus: der Trainer Berti Vogts (69): Von 1990 – 1998 bei 102 Länderspielen Bundes- EM-Titel. trainer des DFB. Zuletzt 2008 – 2014 Nationaltrainer von Aserbaidschan. Karlheinz Wild AKTUELL IM RÜCKBLICK 34 DIE DDR-AUSWAHL UND DIE EM

Dörner, Streich, Kirsten und René Müller über die zwei bittersten EM-Anläufe der DDR-Auswahl

So nah dran – und nicht dabei

Die Teilnahme an einer Europameisterschaft blieb erstklassigen DDR-Nationalspielern wie Hans-Jürgen Dörner und oder René Müller und versagt. Dabei stand das Tor zu einer EM-Endrunde, 1980 in Italien und 1988 in Deutschland, zweimal sperrangelweit offen: 1979 mit einem sprichwörtlichen Endspiel gegen die Niederlande und 1987 beim Duell mit der Sowjetunion um den Gruppensieg. In beiden Fällen ging die DDR in Führung – zweimal konnten sie diese nicht behaupten. Aus ganz unterschiedlichen Gründen, wie sich damals Beteiligte erinnern.

Leipzig, im November 1979. Unge- DDR-Trikot spielte, der in der Zwi- innert sich heute noch gut: „Bis zu wohnte Aussichten locken die An- schenzeit in den Westen geflohen diesem Zeitpunkt war es eines unse- hänger ins ausverkaufte Zentral­ war. Nach 33 Minuten kocht die rer besten Länderspiele überhaupt.“ stadion: Für die DDR-Auswahl gibt es ­Stimmung in der mit 92.000 Zu- gegen die Niederlande ein unerwar- schauern voll besetzten Riesen- Und Holland? In Not. Nur noch tetes Endspiel um die EM-Tickets! schüssel. Strafstoß für eine wie ­wenige Minuten sind in der ersten Der Vize-Weltmeister von 1974 und ­­entfesselt aufspielende DDR-Elf, die Halbzeit auf der Uhr. Plötzlich Pfiffe. 1978 hat gepatzt. „Oranje“ hatte ge- durch einen Treffer von Rüdiger Im Strafraum der DDR bleibt ein gen Polen in zwei Spielen nur einen Schnuphase früh in Führung gegan- ­Akteur liegen. Als der Schiedsrichter einzigen Punkt geholt, die DDR aber gen war! Die Gäste bestürmen endlich unterbricht, eilt sein Linien- deren drei, und so winkt der Busch- Schiedsrichter Da Silva Garrido. Doch richter zu ihm. Der Portugiese hört ner-Elf plötzlich die Endrunde im das Foul von Krol am durchgebro­ den Landsmann kurz an und zückt Sommer 1980 in Bella Italia! Die chenen Häfner war eindeutig. entschlossen Rot. Einmal für Gäste- ­Voraussetzung: ein Sieg gegen den Stürmer La Ling, der direkt neben hohen Favoriten! Der zudem große Ein Fall für Joachim Streich – mit 55 ihm steht, und dann noch einmal. Sorgen hat, weil gleich sechs Stamm- Länderspieltoren bis heute in der Für den Spieler, der immer noch im kräfte fehlen. Sogar „König Johan“ deutschen Länderspiel-Historie nur Strafraum liegt. (Cruyff hatte 1977 zuletzt in der von Miroslav Klose und Gerd Müller ­Elftal gespielt) bietet Bondscoach übertroffen. Und auf Streich ist Ver- Es ist Konrad Weise, von einer Platz- Jan Zwartkruis seine Mitwirkung an. lass: Kurzer Anlauf, Torhüter ver­ wunde gezeichnet und Blut über- laden, Elfmeter versenkt – Italien, strömt. Über das vorzeitige Ende Vergessen ist das 0:3 beim Hinspiel in wir kommen! Eine Welle der Euphorie ­seines 80. Länderspiels schüttelt Rotterdam. So gut wie vergessen rauscht über die wogenden Ränge. der Thüringer noch heute den Kopf: auch, dass da noch Lutz Eigendorf im Der damalige Schütze zum 2:0 er­ „La Ling verpasst mir im Vorbeigehen 35

ALS ALLES NOCH NACH PLAN LIEF: JOACHIM STREICH VERLÄDT DEN NIEDERLÄNDISCHEN SCHLUSSMANN PIET SCHRIJVERS UND ERZIELT PER ELFMETER DIE 2:0-FÜHRUNG.

einen Hieb mit dem Ellenbogen. Dann für Abwehrspieler Hovenkamp. Trai- Am späten Abend feiern die Nieder- fehlt mir ein Stück Film. Als ich wie- ner registriert den länder im Hotel „Astoria“ den Einzug der zu mir komme, wickelt mir der Wechsel, reagiert aber nicht. „Natür- in die EM-Endrunde mit dicken Doktor gerade einen Turban um den lich war das ein Fehler, wir hätten ­Zigarren und lautem Gesang. Noch Kopf und erzählt etwas von einem ­einen zusätzlichen Verteidiger brin- einmal „Dixie“ Dörner: „Wir zuckel- Platzverweis.“ Joachim Streich im gen müssen, einen Stürmer dafür ten da schon in einem Barkas (DDR- Rückblick: „Konrad Weise war für uns raus und auf Konter spielen“, ist Kleintransporter/d.A.) mit Tempo 90 einfach nicht zu ersetzen. Der war ’ne sich „Dixie“ Dörner heute sicher. in Richtung , weil wir am richtige Ekelbeere im Zweikampf.“ Die durch die Platzverweise entstan- nächsten Vormittag bei Dynamo denen Räume und die Umstellung zum Training zu erscheinen hatten. Es ist der Knackpunkt im Spiel. Die sind jetzt optimal für das Spiel der So war das bei uns immer!“ Für DDR-Spieler sind verunsichert, das Niederländer. Kist trifft fünf Minuten ­Jo­achim Streich hatte der Schieds- gerade noch vorhandene Selbstver- nach Wiederbeginn. Der Ausgleich: richter wesentlich in dieses Spiel trauen wie weggeblasen. Einmal durch 2:2. Die DDR-Spieler wie gelähmt. eingegriffen: „Er hat uns betrogen, die Konzessionsentscheidung des In ihrem verzweifelten Bemühen dieser Platzverweis für „Konni“ Schiedsrichters, dann durch das schnel- tappen sie in die Konterfalle und ­Weise war ein Witz! Aber wer weiß, le Anschlusstor. Mit dem ­Pausen­pfiff ­unterliegen einem ausgebufften vielleicht waren wir ja auch bei der steht es nämlich nur noch 2:1. ­Gegner letztlich mit 2:3. Wieder ein- Endrunde nicht so gern gesehen wie mal stehen sie mit leeren Händen da. der am­tierende Vize-Weltmeister? Die Gäste, denen ein Punktgewinn für Das bittere Aus für eine starke Mann- Keine Ahnung.“ das EM-Ticket genügt, ziehen ihren schaft: Grapenthin – Brauer, Weise, letzten Joker. Kees Kist, gerade mit Kische – Häfner, Schnuphase, Schade, Berlin, Oktober 1987. Honeckers dem Goldenen Schuh für Europas Weber (73. Pommerenke) – Kotte, Staatsbesuch in Bonn ist erst ein besten Goalgetter dekoriert, kommt Streich, Hoffmann. paar Tage her. Jetzt wollen auch die AKTUELL IM RÜCKBLICK 36 DIE DDR-AUSWAHL UND DIE EM

DEN BALL FEST IM BLICK: ANDREAS THOM IM ZWEIKAMPF MIT OLEG KUZNETSOW BEIM „BRUDERDUELL“ 1987 IN SEINER HEIMATSTADT BERLIN.

DDR-Fußballer ihren großen Auftritt Doll ist in der Offensive auf dem Weg beim besten Willen nicht mehr daran in der Bundesrepublik: Die Europa- zur internationalen Klasse. Nicht erinnern!“ Was er aber noch weiß: meisterschaft 1988 winkt. Doch es ­zufällig gelingt dem 21-jährigen Ulf „Die Russen waren stark, wurden gibt bessere Voraussetzungen, in der Kirsten die 1:0-Führung. Mit Willen, 1988 nicht ohne Grund Vize-Europa- EM-Qualifikation gegen die Sowjet- Entschlossenheit, Durchsetzungs- meister!“ Und: „Das Klima um unsere union, den Gruppenfavoriten, anzu- vermögen – Qualitäten, die den Auswahl war seit dem Herbst 1985 treten als diese: Drei von vier DDR- Dresdner später zu einer Bundesliga- in Ordnung.“ Der Stimmungswandel Mannschaften haben sich gerade in Ikone werden lassen. kam mit dem 2:0-Sensationserfolg der ersten Runde aus dem Europa­ über den amtierenden Europameister pokal verabschiedet. Anruf bei Ulf Kirsten. Wie war das Frankreich in der WM-Qualifikation: damals? Schallendes Gelächter: „Noch zu Beginn des Spiels hatten Aber auch Gäste-Coach Walerij Lo- „Mann, das ist fast 30 Jahre her!“ uns die Fans ausgepfiffen. Am Ende banowski ist nicht frei von Sorgen. Recht hat er, der einstige Strafraum- standen sie auf den Bänken und Seine „Sbornaja“ hat in der EM-Quali- schreck. Dann fällt ihm zuerst sein ­haben uns gefeiert.“ fikation gegen Frankreich enttäuscht Stammhalter ein, Benny Kirsten kam und mit viel Glück ein mageres 1:1 1987 auf die Welt. Also Anfüttern mit Treff mit einem weiteren Protagonis- geschafft. „Jetzt sind sie fällig“, ein paar Eckdaten. Schließlich hat ten von damals. René Müller, heute macht DDR-Kapitän René Müller der „Schwatte“ zwei Länderspiele Scout in Diensten von Borussia ­seine Kameraden noch einmal heiß, gegen die Sowjets wieder auf dem ­Mönchengladbach, redet nicht lange als sie in Berlin den frisch sanierten Schirm: „Einen 2:1-Sieg in Karl-Marx- drum herum: „Bei den Genossen hieß Jahn-Sportpark betreten. Mehr als Stadt, das müsste dann allerdings das früher Kritik und Selbstkritik. zehn Jahre liegt der letzte Sieg über später gewesen sein?“ Genau, und ­Also, das war mein Ding. Steht ja so in den „großen Bruder“ zurück. Mit eben besagte Partie in Berlin. allen Büchern!“ Was er meint: Zehn Sturm und Drang als Stilmittel und Minuten vor dem Ende der Partie robuster Zweikampfhärte sucht die Ulf grübelt: „Irgendwer hat mir kürz- führt die DDR noch immer mit 1:0. Elf von Trainer den lich ein Foto geschickt. Ich glaube, Es gibt Freistoß für die Gäste. Und ­Erfolg. Das Trio Kirsten, Thom und das war das Tor. Aber ich kann mich Müller, ausgerechnet dem so zuver- 37

lässigen Kapitän im Tor, unterläuft für Olympia ’84 qualifiziert, durften Amsterdam in Athen. Müller ist der der verhängnisvolle Fehlgriff. Den aber nicht nach Los Angeles fahren. Held des Abends. Hält beim Elf­ Schuss von Litowtschenko kann er „Der Boykott war damals schon ziem­ meter-Krimi gegen Bordeaux vor nicht festhalten, Alejnikow staubt lich bitter“, beschreibt er und legt 100.000 Zuschauern im Zentral­ ab – 1:1. „Dieser eine Fehler kostet sich fest: „Diese Turnier­erfahrung stadion zwei Schüsse und versenkt uns am Ende die EM. Dabei hatte ich hätte uns vermutlich zur 86er-WM den letzten selbst. die Mannschaft erst dorthin ge- oder zur EM ’88 gebracht.“ Noch ein- bracht“, lacht der tragische Held von mal Müller: „Durch den Boykott­ des „Doch am nächsten Tag mussten wir Berlin mit dem Abstand von fast drei Ostblocks durfte die DFB-Auswahl Punkt zwölf Uhr bei der National- Jahrzehnten. Hauchdünn gescheitert nach Los Angeles. Für Spieler wie mannschaft in Kienbaum sein. Um war auch diese Mannschaft mit Brehme oder Buchwald ganz wichti- den ganzen Tag zu hören, wie wichtig René Müller – Zötsche – Schößler, ge Erfahrungen!“ Sechs Jahre später das Qualifikationsspiel am darauf­ Kreer, Döschner – Pilz (76. Stübner), waren die Genannten Weltmeister. folgenden Mittwoch in Kiew sei. Vom Raab (84. Minge), Liebers – Kirsten, Bordeaux-Spiel hat niemand gespro- Doll, Thom. Zurück zur EM-Qualifikation der chen.“ Das habe ihm persönlich die DDR-Auswahl. Ein Fakt beschäftigt ganze Vorfreude genommen. René René Müller weiß, dass die Ursachen den ehemaligen Keeper der Extra- Müller fragt nicht zu Unrecht: „Viel- hierfür viel tiefer liegen als der­ klasse noch immer: „Schon beim leicht haben wir ja den einen Punkt, banale Vergleich mit dem bei der WM ­Hinspiel gegen die Russen lief vieles der am Ende gefehlt hat, damals 2002 alle überragenden schief.“ Lok schafft im Früh- schon beim 0:2 in Kiew verloren?“ und seinem finalen Endspiel-Patzer jahr ’87 den Sprung ins Europacup- in Japan. Müller und Co. hatten sich Finale der Pokalsieger gegen Ajax Uwe Karte

MIT 21 JAHREN FÜR (TRÜGERISCHE) HOFFNUNG GESORGT: DER DRESDNER ULF KIRSTEN ERZIELT DIE 1:0-FÜHRUNG, BEJUBELT VOM BERLINER THOMAS DOLL. SERIE 38 DER „VERBORGENE“ NATIONALSPIELER

Einst waren sie populär, beliebt und bewundert. Doch inzwischen sind sie aus dem Rampenlicht­ verschwunden. Aus unterschiedlichen Gründen, wie unsere Serie zeigt. Teil 7: Gerd Müller (70). Der Mann, der uns 1972 zum EM-Triumph und 1974 zum WM-Titel schoss, war der größte Torjäger­­ des deutschen Fußballs. Jetzt lebt er, an Alzheimer erkrankt, verborgen und geborgen in einem Pflegeheim, unterstützt von seiner Familie. Und wir erinnern uns vor der EURO­ 2016 umso intensiver­ an das, was er für den deutschen Fußball vollbracht hat. Zum Beispiel mit der ­womöglich besten Nationalmannschaft, die wir je hatten: den Europameistern von 1972.

Oskar Becks Hommage an einen Unvergleichlichen Der Müller MACHT’S

In jedem Leben gibt es ein paar Mo- Mischung aus Ex- und Vize-Welt­ der Nation stammelte im Rahmen mente, die man sich im Gedächtnis meistern von über des Ritterschlags: „Schwob, du bischd einrahmt. Unauslöschlich! Wie jener , Bernd Hölzenbein und a Verrückter.“ 16. Oktober 1985. Jürgen Grabowski bis Gerd Müller. Wiederholt musste Torwart B. Der verrückteste Schwabe in den An dem Tag spielte Deutschland in mit mirakulösen Robinsonaden und Strafräumen dieser Welt war aller- der WM-Qualifikation im Stuttgarter unfassbaren Reflexen die Schnitzer dings Gerd Müller. Dafür gebührt Neckarstadion gegen Portugal – vor ­seiner Vorderleute um Wolfgang jetzt mit größter Hochachtung im allem aber trafen wir Journalisten im Niersbach, den späteren DFB-Präsi- Gegenzug diese Hommage – in der Vorspiel auf eine kreuzgefährliche denten, auswetzen, ehe am Ende der traurigen Ahnung, dass er sie nicht als „Pfeife aus dem Auswärtigen mehr mitbekommt. Als er letztes Amt“ berühmte Bonner FIFA- Jahr 70 wurde, gesellten sich schon Schiedsrichter Walter Eschweiler ein da zu den besten Wünschen des Elfmeterschießen anordnete. Für je- deutschen Fußballs gemischte Ge- des Tor spendete damals nämlich ein fühle. Weiß er, dass er Geburtstag hat? Sponsor 1.000 Mark für die Erdbeben- Wie erlebt er ihn? Schaut er sich am hilfe in Mexiko. Es wurde geschossen, Abend im Fernsehen die Champions bis 27.000 Mark zusammen waren, League an? Wie reagiert er, wenn einer und wir Journalisten verloren 12:15. freistehend eine Chance verballert?

Warum es nicht 12:16 ausging? Vor ein paar Jahren ist der alte Bom- ­Lassen Sie es mich ohne falsche ber in solchen Momenten noch vom ­Bescheidenheit so sagen: Hexer B. Sofa aufgesprungen, hat seine Nach- fischte den Unhaltbaren von Müller barn zusammengetrommelt und mit einer halsbrecherischen Verren- ­ihnen auf dem Sportplatz nebenan kung aus der Ecke, und der Bomber geschwind vorgemacht, wie er sowas 39

REKORD FÜR DIE EWIGKEIT: GERD MÜLLER ERZIELTE 365 TORE IN 427 BUNDESLIGA- SPIELEN FÜR DEN FC BAYERN MÜNCHEN.

VORENTSCHEIDEND: DER „BOMBER DER NATION“ TRIFFT MIT EINEM SEINER 68 LÄNDERSPIEL­ TORE ZUM 1:0 IM EM-FINALE 1972.

noch nachts um halbelf als 65-jäh­ pfosten schnitzte. Müller müllerte, Mit allem, was ihm an Gliedmaßen riger Rentner erledigt – in Haus­ wie er wollte, für die Bayern und und Weichteilen zur Verfügung stand, schuhen und mit verbundenen Augen fürs ganze Land, und als Kanonier hat er vor dem Tor für seine einzig­ hat er das Ding reingemacht, notfalls sorgte er anlässlich der Europa­ artigen Trefferquoten gesorgt. In mit seinem berühmten Hintern. meisterschaft 1972 für die Krönung 62 Länderspielen schoss er 68 Tore, der vielleicht besten Nationalmann- und Bundesliga-Schützenkönig (sieben „Vor dem Tor“, sagte er immer, „derf- schaft, die wir je hatten. Fragen Sie Mal war es insgesamt, darunter 1972 scht net das Studieren anfangen.“ die Al­ba­ner, Türken, Polen und Eng- mit bis heute unerreichten 40 Toren) Jetzt ist Gerd Müller seit Februar länder – sechs Stück hat er denen wurde Müller sogar in einer Saison, 2015 in einem Heim, pflegebedürftig, damals bis zum Viertelfinale besorgt, als er sich vorübergehend dem und irgendwann wird er nicht mehr und im Halbfinale und Endspiel den ­Kartoffelsalat hingab, 80 Kilo mit in wissen, wer er war. Alzheimer. Er Belgiern und Sowjets dann noch den Strafraum schleppte und ihm die verliert sein Gedächtnis. Umso wich- ­jeweils zwei. Helmut Schöns Mann- Hose spannte. Als ein Jahrtausend tiger ist es, dass die Welt sich an ihn schaft spielte Fußball wie von einem später Lionel Messi dann endlich erinnert – und nicht nur über Pep anderen Stern. ­einen seiner Torrekorde brach, ­Guardiolas englische Zukunft oder schenkte der kleine Gaucho dem Sepp Blatters triste Gegenwart „Ramba-Zamba!“ jubelte „Bild“. ­alten Deutschen ein Trikot mit Wid- ­diskutiert, sondern vor allem über ­Ramba war Beckenbauer und Zamba mung: „Für Gerd Müller. Mein Res- die wunderbare Vergangenheit mit war Netzer, dieser Fußball war so pekt und meine Bewunderung. Eine Gerd Müller. unbeschreiblich, dass man ihn nur Umarmung.“ noch besingen konnte – und das hat Wehmütig träumen sich die Nostal­ dann dankenswerter Weise der Bom- Nein, ein Messi war Müller nicht. Er giker unter uns in die glorreichen ber getan. Sein autobiographischer konnte mit dem Ball nicht zaubern, ­Zeiten zurück, als wir einen Voll­ Schlager ging so: „Dann macht es und zum Laufen war er zu faul. Also strecker hatten, der anno ’72 binnen bumm, ja und dann kracht’s, und hat er sich im Strafraum auf seinen Jahresfrist 85 Kerben in die Tor­ ­alles schreit: Der Müller macht’s!“ vier Buchstaben ausgeruht und nicht

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vom Fleck gerührt, aus Angst, dass ihm sonst ein Querschläger entgehen könnte. Sein Bewegungsradius war geringer als der Durchmesser seiner Oberschenkel, und er ruhte als Denk- mal in sich. Wissenschaftler der Sporthochschule Köln haben über Müller ermittelt: „Der erfolgreichste Mittelstürmer aller Zeiten hat es in manchem Spiel auf 3,5 Kilometer gebracht, während heute schon die durchschnittliche Laufstrecke eines Torwarts zwischen vier und fünf ­Kilometern liegt.“

Müller hat sich auch niemals auf die Flügel verirrt. „Wo bin ich?“ hätte er da draußen an der Eckfahne den ­Linienrichter fragen müssen, furcht- SELTENER MOMENT DES SCHEITERNS: DER „BOMBER“ KANN DEN „HEXER“ bares Heimweh nach dem Strafraum ­OSKAR BECK 1985 IN EINEM PROMISPIEL NICHT ÜBERWINDEN. bekommen und womöglich nicht mehr zurückgefunden. Der Strafraum war Müllers Revier, und zwar so, dass Es ginge an der Wahrheit vorbei, das Folgende: „Da stand, seine Un­ ihn Harry Valérien, der Altmeister der wenn man mutmaßen würde, das behaglichkeit zu steigern, eine Menge Moderation, beim 40. Jubiläum der Auswandern sei des Müllers Lust Leute um ihn herum, die sichtlich Bundesliga zu deren bestem Spieler gewesen. Ich habe ihn damals in nicht alle aus Bayern oder gar aus aller Zeiten kürte – minutenlang ­Florida besucht, er sprach drei Wör- München gekommen waren.“ So oder ­applaudierten die Menschen stehend, ter Englisch, „yes“, „no“ und „coffee“, ähnlich kam sich auch Müller in Flo­ und Müller musste schlucken und und beim Training stöhnte er: „A Brut­ rida vor. Kein Franziskanerkeller, kein sagte: „Ich könnte heulen.“ hitz, jeden Tag – pass auf, sonscht Andechser, kein Radi, kein Knödel. kriegscht an Sonnenbrand.“ Wie jetzt ganz Deutschland, seit Er fiel in ein Loch. Wenig später be- ­seine Krankheit bekannt ist. Denn er George Best war dort sein Neben- gann er zu trinken. Aber er hat der war auch in der Bodenhaftung unser spieler, doch statt bei neunzig Grad Sucht die Stirn geboten. Anfang der unübertroffener Fußballheld aller Luftfeuchtigkeit zu trainieren, kreuz- 90er saßen wir beim Mittagessen, Zeiten. Dieser stille und stinknormale te der verrückte Nordire an jenem und Müller hatte vor sich einen tro- Schwabe („I mag keine Party-Dep- Nachmittag nur kurz händchenhal- ckenen Salat. Er holte einen Flach- pen“) hat einst in Nördlingen noch tend mit zwei dürftig bekleideten mann aus der Tasche, ließ ein paar seine Lehre am Webstuhl erledigt, Schönheiten auf. Nach fünfminü­ Tropfen in die Schüssel fallen und ehe er zur Weltsensation wurde, und tigem, schweißtreibendem Blinzeln schaufelte alles gut um. Erschrocken er war stets auf der Flucht vor seiner in die Sonne zog der kickende Play- starrte ich ihn an – aber er lachte und Popularität, sie war ihm nicht geheu- boy wieder ab, um mit den Mädels beruhigte mich: „I hab nur meinen er, und ein Redner war er auch nie – Besseres zu erledigen. Georgie war eigenen Essig dabei.“ Denn schon ein vor lauter Maulfaulheit hat er sogar der erste Popstar des Fußballs, und paar Tropfen Weinessig im Salat in einem Europacupspiel gegen Ajax ehe er viel zu früh starb, wurde er mit ­hätten ihn wieder in den Rückfall ge- zu sagen vergessen, dass er sich das dem Satz berühmt: „Die Hälfte mei- trieben. „Bringen S’ mir bitte einen Wadenbein angebrochen hatte, und nes Geldes ist für Whisky, Weiber und Kaffee?“, sagte der Bomber zum Wirt. lieber auf die Zähne gebissen. schnelle Autos draufgegangen – und den Rest habe ich einfach verprasst.“ Mit Hilfe von Uli Hoeneß und seiner WM-Held? Lebende Legende? Fußball­ alten Bayern ist Müller wieder auf die gott? Weltstar? Als ihn der FC Bayern Auch Müller wäre wegen des Alko- Beine gekommen. Eisern hat er seine anno ’78 an die Fort Lauderdale hols fast vor die Hunde gegangen. Sucht bekämpft und war dabei noch- Strikers verkaufte, war sogar das schon Haben zu der Zeit, weit weg von da- mal wie früher vor dem Tor: Weltklasse. zu viel weite Welt. heim, die Probleme begonnen? Es war wie die Fortsetzung eines Stücks Heute lebt Gerd Müller in seinem von Ludwig Thoma. Als der bayrische ­Nebel des Vergessens. Wir vergessen

ENTSCHEIDEND: MÜLLER MIT Dichter seinen Postsekretär Anger- ihn nicht. Wir danken ihm für alles, was DEM SIEGTOR IM WM-FINALE 1974, mayer in den Himmel kommen ließ, er uns gegeben hat. SEINEM WICHTIGSTEN TREFFER. geschah im Vorraum des Paradieses Oskar Beck AKTUELL IM BLICKPUNKT 42 REGIONALER CDN-STAMMTISCH IN BERLIN

Stimmungsvolles Regionaltreffen beim Club der Nationalspieler im Olympiastadion

Patzke, Bobic und die Magie Berlins

Sie waren wie , Otto Fräßdorf, Andreas Thom und Günter Hoge für Hertha BSC, für Vorwärts, BFC Dynamo und Union Berlin am Ball. Zahlreiche Länderspiele haben sie für den DFB und den DFV der früheren DDR absolviert. Jetzt trafen sie sich – zusammen mit ­einstigen Kollegen aus der näheren und weiteren Umgebung Berlins – zum stimmungsvollen Wiedersehen in der Hauptstadt. Beim Regionalen CdN-Stammtisch im Rahmen des Klassikers Deutschland gegen England im Olympiastadion.

In München ist er seit langer Zeit zu er „der erste Münchner ,Löwe‘ war, Erfolg vorbei gelaufen“, sagte Rehmer, Hause. Doch seine Heimat ist Berlin. der 1966 zu einem WM-Turnier fuhr, der Vizeweltmeister von 2002, zu Auch nach so vielen Jahren zieht es und vier Jahre später dann der erste Patzke, dem Vizeweltmeister von 1966. ihn immer wieder dorthin. So ist Berliner gewesen ist, der Hertha BSC Bernd Patzke wie automatisch stets bei einer WM-Endrunde, 1970 in Es sind Begegnungen wie diese zwi- zur Stelle, wenn der Club der Natio- ­Mexiko, vertrat“. schen Protagonisten, die zwei, drei nalspieler (CdN) zu seinen Zusam- und manchmal noch mehr Spieler- menkünften vor allem nach Berlin Es versteht sich von selbst, dass Generationen trennen, welche den einlädt. Klar, dass der inzwischen Bernd Patzke an diesem Abend im besonders verbindenden Charme 73-jährige einstige Verteidiger von Olympiastadion immer wieder auf ­dieser Zusammenkünfte im CdN internationaler Klasse auch diesmal das 50. Jubiläum des denkwürdigen ­ausmachen. Oder wie diesmal am dabei war. WM-Endspiels 1966 gegen England Ostersamstag der spezielle Flair mit dem ominösen Wembley-Tor an- Berlins. „Berlin lässt mich einfach „In Berlin bin ich geboren und habe gesprochen wurde. Zum Beispiel von nicht los“, sagte Patzke. dort vor sechs Jahrzehnten meine dem 30 Jahre jüngeren Marko Reh- Fußball-Laufbahn bei Minerva 93 mer, einem Ur-Berliner und ebenfalls Ähnlich geht es Fredi Bobic, der ­begonnen, ehe ich über Standard einem Verteidiger von großer Klasse, gleich nach seiner Geburt in Slo­ ­Lüttich und 1860 München mit 26 der bei Hertha BSC seine beste Zeit wenien nach Stuttgart kam und Jahren schließlich bei Hertha BSC erlebt hatte. „Wir beiden Berliner sind ­vielen eigentlich als „Überzeugungs­ ankam“, sagt Patzke und betont, dass ganz knapp an einem ganz großen schwabe“ gilt. Jetzt aber verriet der 43

ZWEI VIZE-WELTMEISTER: „AZUBI“ UND LEHRMEISTER: MARKO REHMER, BERND PATZKE HEIKO BONAN, FRANK ENGEL

UWE RÖSLER, MARTIN HOFFMANN, TORJÄGER DER EXTRAKLASSE: , JÜRGEN POMMERENKE ULF KIRSTEN, FREDI BOBIC

37-malige Nationalspieler am Rande ­Konrad Dorner und andere einstige bevor er 1989 seine Premiere in der des CdN-Treffens, dass auch er sich DDR-Fußballgrößen fühlt sich keiner A-Auswahl feiern konnte“, sagte der Ausstrahlung der Weltmetropole, als Außenseiter. ­Engel, als er seinen einstigen „Azubi“ wo er vor einem Jahrzehnt ein Kurz- herzlich umarmte. gastspiel bei Hertha BSC gegeben Kein Wunder also, dass es bei solch hatte, nicht zu entziehen vermag und einem Treffen der Nationalspieler- Als nach Mitternacht der Regionale daher in diesem Sommer nach Berlin Generationen zu Begegnungen der CdN-Stammtisch in Berlin zu Ende übersiedeln wird. „Diese Stadt zieht ganz besonderen Art kommt. Wie ging, sprach Martin Hoffmann, der mich wie magisch an. Hier fühle ich mich zum Beispiel zwischen dem 65-jähri- herausragende Linksaußen des mit meiner Frau einfach total­ wohl.“ gen Frank Engel, einem Lehrmeister Olympiasiegerteams von 1976 und Egal, ob sie nun aus München oder des DDR-Nachwuchsfußballs, der des einzigen DDR-Europacup-­ Stuttgart oder wie Wolfgang Seguin im vergangenen Jahrzehnt im DFB- Siegers, 1. FC , allen aus aus Magdeburg, Jürgen Pommerenke Trainerstab arbeitete, und dem 15 dem Herzen: „Es ist einfach ganz toll, aus Stendal und wie Ulf Kirsten aus Jahre jüngeren Heiko Bonan, der dass uns der DFB nun schon seit Bergisch-Gladbach oder ManCity- nach der Wende unter anderem für ­etlichen Jahren zu solch schönen Legende Uwe Rösler aus England Bochum und Karlsruhe in der Bun- Wiedersehensfeiern zusammen- angereist kamen – in dieser Berliner desliga aktiv war. „Heiko hat bei mir bringt. Davon könnte sich so mancher Gesellschaft um Sympathieträger mindestens 50 bis 60 Länderspiele in Verein eine Scheibe abschneiden.“ wie Andreas Thom, Marko Rehmer, sämtlichen Jugend- und Junioren- „Wibbel“ Wirth, „Jimmy“ Hoge, Nationalteams der DDR bestritten, Wolfgang Tobien 44 CDN-MAGAZIN 26/2016

Gündogan und Co. werben für junge Sporthilfe-Athleten

Im Olympia-Jahr 2016 drücken zahlreiche aktuelle und ehemalige Nationalspieler und CdN-Mitglie- der vielversprechenden jungen Athleten der Deutschen Sporthilfe die Daumen. So werben René Adler, Ilkay Gündogan, Patrick Herr- mann, Stefan Kießling, Jens Leh- mann, und Ron-Robert Zieler auf breiter medi- aler Ebene für Unterstützung soge- nannter Nachwuchselite-Sportler der Sporthilfe. Unter anderem mit TV-Spots bei Sky, ARD und Sport1 machen sie auf kreative Art und in einprägsamen Szenen jeweils auf WIRBT FÜR DIE SPORTHILFE: NATIONALSPIELER ILKAY GÜNDOGAN. den Namen eines Nachwuchsath­ leten aufmerksam, mit dem sie zu- dem eine Partnerschaft im Rahmen Neues Glück bei kleinen wieder als Trainer aktiv: Klaus dieser Aktion verbindet. Gündogan Teams für große Stars? ­Augenthaler (27 Länderspiele, u. a. zum Beispiel mit Martyna Trajdos, Vize-Weltmeister 1986, 7 Mal Deut- Judo-Europameisterin 2015. Als Nationalspieler haben sie nach scher Meister mit Bayern München) den Sternen gegriffen, waren WM- beim SV Donaustauf­ in der 7. Liga und EM-Teilnehmer und bei ihren und ­Thomas Häßler (101 Länder- Bundesliga weltweit Vereinen umjubelte Erfolgsbringer. spiele, u. a. Europameister 1996, weiterhin an der Spitze In diesem Jahr unternehmen sie Vize-Europameister 1992, Deutsch­ einen neuen Anlauf – im unter­ lands Fußballer des Jahres 1989 Die Bundesliga reitet in Sachen klassigen Fußball. Seit Februar und 1992) noch eine Etage tiefer ­Popularität und Resonanz weiter- versucht (23 Länderspiele, in der 8. Liga beim Club Italia in hin ganz oben auf der Erfolgswoge. WM-Teilnehmer 2010, Deutscher seiner Heimatstadt Berlin. Neues Mit durchschnittlich 42.344 Zu- Meister mit Stuttgart 2007) das Spiel! Neues Glück? schauern pro Spiel bleibt sie die Drittliga-Team des VfB II vor dem drohenden Abstieg zu retten – als Spieler mit 35 Jahren. In der ­Regionalliga Bayern ist seit Anfang des Jahres Heiko Herrlich (fünf Länderspiele, u.a. Champions League- und Weltpokal-Sieger mit ) als Trainer bei Jahn Regensburg im Amt, mit ­guten Chancen für den Aufstieg zur 3. Liga. Am unteren Ende der ­Regionalliga Bayern soll Christian Wörns (66 Länderspiele, u. a. Vize- Europameister 1992, Deutscher Meister mit Dortmund 2002) als Trainer den Abstieg der U 23 des FC Augsburg verhindern. Und zu Beginn der nächsten Saison wer- den zwei Weltmeister von 1990 KICKT FÜR VFB II IN DER 3. LIGA: DER 23-MALIGE NATIONALSPIELER CACAU. DIAGONALPÄSSE 45

meistbesuchte Fußball-Liga der Welt. Das gab die Deutsche Fußball Liga (DFL) kürzlich in ihrer Hin­ runden-Bilanz bekannt. Insgesamt kamen 6.478.680 Zuschauer zu den 153 Spielen der ersten Saison- hälfte 2015/16. Damit wurde der Durchschnittswert des Vorjahres (42.155) abermals leicht übertrof- fen. Zum Vergleich: Die Partien der englischen sehen im Schnitt nur etwas mehr als 36.000 Zuschauer pro Begegnung. In Spaniens Primera División sind es nur rund 27.000. Unter anderem ist dies auch auf das größere Fas- sungsvermögen und den höheren Komfort der deutschen Bundesliga-­ Stadien zurückzuführen.

Harvard-Studie zum WELTWEIT SPITZE: ZUSCHAUERRESONANZ IN DER FUSSBALL-BUNDESLIGA. WM-Triumph 2014

Deutschlands Triumph bei der WM so Nationalmannschafts-Manager Hohe Auszeichnung 2014 ist Gegenstand einer inter­ Oliver Bierhoff. „Es ist spannend, für Jupp Heynckes nationalen wissenschaftlichen wenn Leute aus anderen Berei- ­Studie. Die renommierte Havard chen, die nicht vom Fußball ‚vorbe- Jupp Heynckes wurde am 13. März Business School untersucht unter lastet‘ sind, einmal einen Business- als 33. Bürger mit dem Ehrenring dem Titel: „Die Mannschaft: How blick darauf werfen. Und wenn es aus Gold seiner Heimatstadt Won the 2014 FIFA eine solch renommierte Universität Mönchengladbach­ ausgezeichnet. World Cup“ wie Schweinsteiger, ist, freut es mich noch mehr.“ Es Es ist nach der Ehrenbürgerschaft Neuer, Kroos, Müller und Co. den habe, so Bierhoff, rund um die WM die höchste Auszeichnung, welche vierten Stern für den Deutschen 2014 zwar „durchaus ein Konzept die Stadt zu vergeben hat. In Fußball-Bund gewannen. „Ich war und eine Struktur gegeben, aber einer emotionalen Laudatio auf überrascht, aber auch erfreut“, vieles ist auch intuitiv geschehen“. Heynckes würdigte dessen lang- jähriger Fußball-Weggefährte und Freund Uli Hoeneß den ehemaligen Welt- und Europameister: „Es gibt keinen besseren Protagonisten, keinen besseren Menschen auf der Welt, der seine Heimatstadt so gut verkörpert. Ich möchte mich vor Deinem Lebenswerk verneigen.“ Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners bezeichnete Heynckes, der mit der Borussia viermal Deutscher Meister sowie UEFA-Cup- und DFB- Pokalsieger geworden war, als „Botschafter und Vorbild weit über die Stadtgrenzen hinaus“ und ver- lieh dem Erfolgstrainer den Ring in einer Feierstunde vor etwa 300 Ehrengästen, darunter der ehe­ malige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und einstige Gladbacher Nationalspieler wie Günter Netzer, Berti Vogts, Rainer Bonhof oder „BOTSCHAFTER UND VORBILD“: TRAINER-LEGENDE JUPP HEYNCKES. Herbert „Hacki“ Wimmer. Nach 46 DIAGONALPÄSSE

Trainer-Legende Hennes Weis­ weiler ist Jupp Heynckes erst der zweite Sportler, dem diese hohe Auszeichnung verliehen wurde.

Manuel Neuer jagt Buffon und Casillas

Zum dritten Mal in Folge ist Welt- meister Manuel Neuer vom FC Bayern­ München zum „Welttorhüter des Jahres“ gewählt worden. Der 29-Jährige erhielt bei der Abstim- mung der International Federation ZUM DRITTEN MAL IN FOLGE WELTTORHÜTER: MANUEL NEUER. of Football History & Statistics (IFFHS) 188 Punkte und siegte mit großem Vorsprung vor dem Ita­ Gerald Asamoah vom „Sportrecht“, „Finanzierung und liener Gianluigi Buffon (Juventus Spielfeld in den Hörsaal Controlling von Sportunter­ Turin, 78 Punkte) und dem Chilenen nehmen“, „Sportmarketing“ oder Claudio Bravo (FC Barcelona, 45 Zumindest für eine Zeitlang hat „Führung und Sozialkompetenz“. Punkte). Redakteure und Experten ­Gerald Asamoah das Spielfeld „Für mich beginnt jetzt die zweite aus 50 Ländern nahmen an der mit dem Hörsaal getauscht. Seit Karriere nach meiner Zeit als ­Abstimmung teil, die zum 29. Mal dem 21. März ist der 43-malige ­Profi“, sagt der WM-Teilnehmer durchgeführt wurde. Damit hat Nationalspieler­ prominentester von 2002 und 2006. Zu den 27 ­Manuel Neuer aufgeschlossen zu Teilnehmer am zweiten Sport­ ­Absolventen des Gründungsjahr- Oliver Kahn, dem Italiener Walter management-Studiengang der gangs 2015 zählten Schalkes Ex- Zenga und dem Paraguayer José S04-Sportakademie. Die knapp Trainer Jens Keller und Malik Luis Chilavert, die ebenfalls drei 15.000 Euro teure Ausbildung, die ­Fathi, der frühere ­Nationalspieler Mal zum Welttorhüter gewählt wur- der FC Schalke 04 in ­Kooperation von Hertha BSC. den. Nur Gianluigi Buffon (viermal) mit der Universität St. Gallen und Spaniens Iker Casillas (fünf- ­anbietet, dauert vier Monate­ und mal) haben diese Wahl noch häu­ ­umfasst Module wie „Manage- Nationalteam bei Facebook figer gewonnen. ment in Sportorganisationen“, und Twitter auf Rekordkurs

Kurz vor Beginn der EM-Endrunde in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) hat die Begeisterung für die deut- sche Nationalmannschaft einen weiteren Höhepunkt erreicht. Dies zeigt die stetig wachsende Anzahl der Follower auf den Social-­Media- Kanälen des Weltmeisters. So hat der Twitter-Account des Teams von Bundestrainer Jogi Löw nun eine neue Bestmarke erzielt: Seit dem Gewinn der WM 2014 hat sich die Anzahl der Fol­lower verdoppelt, mittlerweile ­folgen zwei Millionen Nutzer der Mannschaft. Auf Face- book hat die DFB-Auswahl inzwi- schen sogar mehr als 5,3 Millionen Fans. Selbst in Asien ist das Inte­ resse an dem DFB-Team groß, wo ihm über den Kanal Sina Weibo fast zwei Millionen User folgen. Auf ­Instagram werden mittlerweile knapp eine Million Fans mit Fotos AN DER S04-SPORTAKADEMIE: GERALD ASAMOAH, VIZE-WELTMEISTER 2002. rund um „Die Mannschaft“ versorgt. CDN-MAGAZIN 26/2016 47

Wir trauern um Hannes Löhr (73) und Günter Schröter (88), die am 29. Februar in Köln und am 10. Februar in Berlin verstorben sind.

Nas“, wie der gebürtige Eitorfer nierende Dribblings bewies sich wegen seines großen Riechorgans der Halbstürmer mit seiner Treff­ liebevoll genannt wurde, großer sicherheit auch bei seinen Klubs in Beliebtheit. Als Co-Trainer, Mana- Dresden und später bei Dynamo ger und als Cheftrainer stellte er Berlin als kompletter Offensiv­ sich seinem Verein bis 1986 zur spieler – und zwar so eindrucks- Verfügung, ehe er zum DFB wech- voll, dass er 1989 in die „Super-Elf“ selte, dort die Olympiamannschaft aus 40 Jahren DDR-Oberliga ge- 1988 in Seoul zum Gewinn der wählt wurde. Mit den Dresdnern Bronzemedaille führte und von wurde er 1952 erstmals Pokalsie- 1990 bis 2002 die U 21 als Chef- ger und ein Jahr später Meister. coach betreute. Privat hatte er eini- 1958 war er beim 5:6 gegen Nor­ ge Tiefschläge zu überwinden. Eine wegen in Oslo der erste DDR-Natio- Tuberkulose, eine Lebererkran- nalspieler, dem drei Tore in einem kung, eine schwere Blutvergiftung Länderspiel gelangen. Eine Leis- und ein Schlaganfall im ver­ tung, die er 1961 beim 4:1-Sieg gangenen Jahr machten ihm zu ­gegen Dänemark wiederholte. Als schaffen sowie vor allem der Tod der Torjäger und Spielmacher 1963 HANNES LÖHR seiner Frau Annemarie 2010. Nach seine Spielerkarriere beendete, gesundheitlichen Fortschritten war er auf 140 Tore in 321 Erstliga- 21 Jahre war er alt, als er 1964 zu hoffte das Kölner Fußball-Idol, das spielen gekommen. Vom Ball dem Verein kam, der ihn sein Leben bis vor kurzem kaum ein Heimspiel ­konnte der spätere Co-Trainer beim lang nicht mehr losließ. Deutscher seines FC verpasst hatte, wieder SC Dynamo aber bis ins hohe Alter Meister war der 1. FC Köln damals den Golfschläger schwingen zu nicht lassen. Erst mit 70 setzte am Ende der ersten Bundesliga- können. Daher völlig überraschend er sich bei den Alten Herren der Saison geworden. Doch Hannes ist Hannes Löhr jetzt am 29. Fe­ VSG Altglienicke zur Ruhe. Als Löhr hatte keine Probleme, direk- bruar in seiner Wohnung im Stadt- „Moppel“ Schröter jetzt mit 88 Jah- ten Zugang in das Team der Stars teil Junkersdorf gestorben. „Mich ren in Berlin verstarb, waren seine und Platzhirsche um Overath, macht die Nachricht von seinem tollen Tricks und Tore noch immer ­Thielen, Weber, Wilden, Sturm und plötzlichen Tod sehr traurig. Nicht in bester Erinnerung. wt Hans Schäfer, den „Helden von nur in Köln war er eine Fußball-­ Bern“, zu bekommen und hohe An- Institution, auch beim DFB hat er erkennung zu finden. Der schnelle Spuren hinterlassen“, sagte Bun- Stürmer mit dem unwidersteh­ destrainer Joachim Löw. wt lichen Tordrang avancierte in den folgenden Jahren zu den größten *** Namen der Kölner Fußballhistorie. Mit 166 Toren in 381 Spielen, womit Auf dem Spielfeld war er mit seinen er bis heute Bundesliga-Rekordtor- 1,68 m Körpergröße zumeist der jäger des FC ist, mit dem Gewinn Kleinste, am Ball aber war Günter des Doubles 1978 und zwei wei­ Schröter, den alle nur „Moppel“ teren DFB-Pokaltriumphen 1968 nannten, einer der Größten in der und 1977, als Torschützenkönig der Geschichte des DDR-Fußballs. 39 Bundesliga 1968 mit 27 Treffern Länderspiele bestritt er zwischen und mit 20 Länderspielen sowie 1952 und 1962. Dass er dabei dem 3. Platz bei seiner WM-Teil- ­zudem 13 Treffer erzielte, war er- nahme 1970 in Mexiko. Vor allem staunlich, weil Schröter mit seiner aber auch mit seinem sympathi- perfekten Ballbehandlung und sei- schen Wesen und seinem unkom- nen traumhaften Pässen eigentlich plizierten Auftreten frei von jeg­ der Mann zwischen Mittelfeld und lichen Allüren erfreute sich „de Angriff war. Berühmt durch impo- GÜNTER SCHRÖTER 48 CDN-MAGAZIN 26/2016

RUNDE GEBURTSTAGE JUBILÄEN (In Klammern Anzahl (Spieler mit fünf und der Länderspiele) mehr Länderspielen)­

90 Jahre 80 Jahre Debütantenball vor 60 Jahren (1956) SIEGFRIED WOLF (17) am 5. Januar. DIETER FISCHER (4) am 1. Ja­ nuar; ERNST ZÄGEL (1) am GÜNTER SAWITZKI (insge- 11. Februar; LEO WILDEN (15) samt 10 Länderspiele, Alter und 85 Jahre am 3. Juli; UWE SEELER (72) am Verein beim 1. Länderspiel: 5. November; HEINZ HERGERT 24 Jahre, SV Sodingen) am 13. Juni BRINGFRIED MÜLLER (18) am (1) am 6. Dezember; PETER gegen Norwegen (3:1); ROLF 28. Januar; WILLY HOLZMÜLLER ­KALINKE (7) am 21. Dezember; GEIGER­ (8, 22 Jahre, Stuttgarter (1) am 3. März; HANS NEU­ KURT LIEBRECHT­ (16) am Kickers) am 23. Dezember gegen SCHÄFER (1) am 23. November. 24. Dezember. Belgien (4:1).

BRINGFRIED MÜLLER UWE SEELER GÜNTER SAWITZKI

LEO WILDEN PETER ­KALINKE ROLF ­GEIGER JUBILÄEN/RUNDE GEBURTSTAGE 49

Abschiedsspiel Abschiedsspiel vor 60 Jahren (1956) vor 50 Jahren (1966)

HERBERT MARTIN (insgesamt ALFRED HEISS (8, 26 Jahre, TSV 17 Länderspiele, Alter und Verein München 1860) am 7. Mai gegen beim letzten Länderspiel: 31 Jahre, Nordirland (2:0); JOSEF PION- 1. FC Saarbrücken) am 6. Juni TEK (6, 26 Jahre, SV Werder ­gegen die Niederlande (2:3); ­Bremen) am 7. Mai gegen Nord­ ­HERBERT BINKERT (12, 33 Jah- irland (2:0); HEINZ HORNIG (7, re, 1. FC Saarbrücken) am 6. Juni 29 Jahre, 1. FC Köln) am 1. Juni gegen die Niederlande (2:3); KURT gegen Ru­ mänien­ (1:0); FRIEDEL CLEMENS (10, 31 Jahre, Saar 05 LUTZ (12, 27 Jahre, Eintracht Saarbrücken) am 6. Juni gegen die Frankfurt) am 25. Juli gegen die Niederlande (2:3). UdSSR (2:1).

SIGFRIED HELD

Debütantenball vor 50 Jahren (1966)

SIGFRIED HELD (41, 24 Jahre, Bo­russia Dortmund) am 23. Febru- ar gegen England (0:1); JÜRGEN GRABOWSKI (44, 22 Jahre, Ein- tracht Frankfurt) am 4. Mai gegen SEPP MAIER KURT CLEMENS Irland (4:0); SEPP MAIER (95, 22 Jahre, FC Bayern München) am 4. Mai gegen Irland (4:0); (41, 20 Jahre, Motor Zwickau) am 4. September gegen Ägypten (6:0); GERD MÜLLER (62, 21 Jahre, FC Bayern München) am 12. Oktober gegen die Türkei (2:0); BERND DÖRFEL (15, 22 Jahre, Hamburger SV) am 19. November gegen Norwegen (3:0). ALFRED HEISS JOSEF PIONTEK

JÜRGEN GRABOWSKI ­HERBERT BINKERT Stade de France in Paris: Wunschziel des Weltmeisters Trauer um eine Legende des Weltfußballs Johan Cruyff war Fußball

Am 24. März hat Johan Cruyff im Kreis seiner Familie mit 68 Jahren in Barcelona seinen Kampf gegen den Krebs verloren. Der Tod eines der Größten des Fußballs hat weltweite Anteilnahme hervor­ gerufen. Der deutsche Fußball und mit ihm der Club der National- spieler trauern um eine beeindruckende Persönlichkeit und ­Legende des Weltfußballs. Ein faszinierender Spieler, der unter anderem mit Ajax Amsterdam dreimal den Europapokal der Landesmeister gewann sowie dreimal als Europas „Fußballer des Jahres“ und 1999 als Europas „Fußballer des Jahrhunderts“ ausgezeichnet wurde. Zudem ein genialer und visionärer Stratege als Trainer, der mit dem FC Barcelona drei Europapokalsiege und vier spanische Meisterschaften holte. „Für immer eine Legende“ Johan Cruyff war Fußball. Wie nur wenige verkörperte der Offensivkünstler mit der Nr. 14 die Effizienz und die Ästhetik unseres Spiels. „Johan Cruyff war und bleibt für immer eine Legende. Er hat mit seinem außer- gewöhnlichen Talent den Fußball entscheidend mitgeprägt und mit seiner spielerischen Genialität die Fans weit über die Grenzen der Niederlande hinaus begeistert. Der Weltfußball hat eine seiner größten Persönlichkeiten verloren“, sagt Dr. Rainer Koch, der 1. Vizepräsident des DFB. wt

HERAUSGEBER: VERANTWORTLICH GASTAUTOREN: Deutscher Fußball-Bund FÜR DEN INHALT: Oskar Beck, Rainer Kalb, Otto-Fleck-Schneise 6 Ralf Köttker Uwe Karte, Karlheinz Wild, 60528 Frankfurt/Main (DFB-Direktor Kommunikation Roland Zorn Telefon: (0 69) 67 88-0 und Öffentlichkeitsarbeit) Telefax: (0 69) 67 88-2 04 BILDQUELLEN: E-Mail: [email protected] CHEFREDAKTION/ Getty Images, Imago Sportfoto www.dfb.de KONZEPTION: Wolfgang Tobien (c/o DFB) GESAMTHERSTELLUNG: PROJEKTLEITER CLUB DER Braun & Sohn NATIONALSPIELER: REDAKTIONELLE MITARBEIT: Druckerei GmbH & Co. KG Michael Kirchner (c/o DFB) Thomas Dohren, Gereon Tönnihsen Am Kreuzstein 85, 63477 Maintal

Die Ausgabe Nr. 26/2016 des CdN-Magazins ist, ebenso wie alle bisherigen Ausgaben, online unter „www.nationalspieler.dfb.de“ abzurufen.