Ausg. Nr. 44 • 19. Jänner 2007 Unparteiisches, unabhängiges und kostenloses Magazin speziell für Österreicherinnen und Österreicher in aller Welt in vier verschiedenen pdf- Formaten • http://www.oe-journal.at Wir haben eine neue Bundesregierung Am 11. Jänner 2007 hat Bundespräsident Heinz Fischer – 99 Tage nach der Wahl – die neue Österreichische Bundesregierung angelobt. Die Zeremonie verlief in entspannter Atmosphäre. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer sieht sich indes mit massiver Kritik, ja sogar mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.
Von Michael Mössmer. Bernhard J. Holzner / HOPI-MEDIA
Am 11. Jänner 2007 wurde die neue Bundesregierung von Bundespräsident Heinz Fischer in in der Wiener Hofburg angelobt. Im Bild Bundespräsident Heinz Fischer (l.) mit Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer
s ist eigentlich „verrückt“, was sich da in spielte in den Monaten vor der Wahl eine abzulösen. Doch so richtige Freude konnte Eden letzten Wochen abgespielt hat. Da Rolle, etwa der „BAWAG“-Skandal, nur um beim Wahlgewinner nicht aufkommen. Der gab es eine Wahl am 1. Oktober 2006, die – ein Beispiel zu nennen, das der Sozialdemo- von Bundespräsident Heinz Fischer mit der trotz aller Umfragen und Vermutungen – so kratie schwer zu schaffen machte. Das Er- Regierungsbildung beauftragte SPÖ-Vorsit- ganz anders ausging, als erwartet wurde. Die gebnis kam mehr als überraschend: die SPÖ zende Alfred Gusenbauer stand von Anfang ÖVP lag im Hoch, in der SPÖ dominierte erreichte (dank wesentlich geringerer Stimm- an unter massivem Druck – und das nicht der Wunsch, nach sieben Jahren Opposition verluste, als die ÖVP hinnehmen mußte) ihr nur von außen, sondern auch bis zum heuti- wieder an die Regierung zu kommen. Vieles Ziel, die so ungeliebte Vorgänger-Regierung gen Tag. Lesen Sie weiter auf der Seite 3 ÖSTERREICH JOURNAL NR. 44 / 19. 01. 2007 2 Die Seite 2
Aus dem Inhalt
Wir haben eine neue Bundesregierung 3 Regierungserklärung von Bundes- kanzler Alfred Gusenbauer 6 Die Regierungsmitglieder 10 Neues Auslandsösterreicher- Fonds-Gesetz in Kraft 12 Die Regierungserklärung S 6 Erstmals sechs Photonen verschränkt S 42 Wählen mit 16 13 EU muß näher an Bürger rücken Gusenbauer sagt deutschem EU-Vorsitz Unterstützung zu 14 Willkommen in der EU-Familie! Außenministerin war bei Feierlich- keiten in Rumänien und Bulgarien 15 Steirerball in den USA 16 Optimismus für 2007 Mehrheit der Österreicher glaubt an eine Wirtschaftsverbesserung 17 Optimismus für 2007 S 17 Wirtschaftsentwicklung Das Schloß Eggenberg S 48 kann sich von USA abkoppeln 19 Fünf Jahre Euro-Bargeld 21 Best of Handels-Check 2006 die erfolgreichsten Handels- unternehmen Österreichs 24 168 Mio. Euro für die Republik 10 Jahre Österreichische Bundes- forste als ausgegliederte AG 25 Online-Marktplatz für Außenwirtschaft Österreich 26 SOS Kinderdorf-Bilanz S 28 SOS Kinderdorf-Bilanz Mumien aus dem Moor S 57 2 Jahre nach dem Tsunami 28 »Süß oder scharf?« 34 Liese Prokop ist tot 35 Zum Tod des Botschafters Fritz Hoess 39 Erstmals sechs Photonen miteinander verschränkt 42 Nanotech an der Uni Linz 43 Chaos in der Zelle 44 Viennovation-Awards vergeben 46 Innenministerin Liese Prokop ist tot S 35 Österreichischer Film: »Die Fälscher« S 62 Das Schloß Eggenberg 48 »Wiederbelebung der Kelten« 53 Weib von ungeheurem Talent Angelika Kauffmann-Ausstellung 55 Mumien aus dem Moor 57 Die »Fackel« ist online 59 »Im Wirtshaus«-Ausstellung 61 Österr. Film: »Die Fälscher« 62 Anatevka in Kittsee 66 Ein Haus der Musik, der Sinne und des Dialoges 67 Zum Tod von Botschafter Fritz Hoess S 39 Niederösterreichs Wirtshauskultur S 73 Ball ohne Krawall in der »Beschallungsfreien Zone« 68 Impressum: Eigentümer und Verleger: Österreich 102. (!!!) Geburtstag von Journal Verlag; Postadresse: A-1130 Wien, Dr. Scho- Richard Pöttschacher 70 ber-Str. 8/1. Für den Inhalt verantwortlicher Her- ausgeber und Chefredakteur: Michael Mössmer; Lek- Jahreswechsel mit Andi Borg 72 torat: Maria Krapfenbauer. jede Art der Veröffentli- Niederösterreichische chung bei Quellenangabe ausdrücklich erlaubt. Fotos Wirtshauskultur 73 S. 1 und 2: HOPI-Media; SOS-Kinderdorf; NLK / Skitouren für Einsteiger 75 E.Reinberger; ÖVP Steiermark; Uni Innsbruck; Mu- seum Joanneum Graz; Naturhistorisches Museum Land der Vielfalt, urlaubsreich Wien; Johannes Jungwirth; OÖ Werbung/Himsl Urlaubstips in Oberösterreich 77 Oberösterreich – Land der Vielfalt S 77 ÖSTERREICH JOURNAL NR. 44 / 19. 01. 2007 3 Innenpolitik Ingrid Sontacchi © HOPI-MEDIA
(v.L.n.R. sitzend) Heidrun Silhavy (StS BKA), Doris Bures (BM ohne Portefeuille), Maria Berger (BM Justiz), Claudia Schmied (BM Bildung, Wissenschaft, Kultur), Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer, Ursula Plassnik (BM Äusseres), Andrea Kdolsky (BM Gesundheit, Frauen), Christine Marek (StS Wirtschaft, Arbeit), Christa Kranzl (StS BM VIT). (v.L.n.R. stehend) Hans Winkler (StS Äusseres), Günther Platter (BM Inneres), Johannes Hahn (BM ohne Portefeuille), Werner Faymann (BM VIT), Norbert Darabos (BM Verteidigung), Josef Pröll (BM LFUW), Erwin Buchinger (BM Soziales), Martin Bartenstein (BM Wirtschaft, Arbeit), Reinhold Lopatka (StS BKA), Christoph Matznetter (StS Finanzen).
Auch an dieser Stelle, vor allem in unse- tung ÖVP gemeint hatte: wenn es am Doch vorerst mußte, wie angesprochen, ren wöchentlichen Nachrichten-Zusammen- 8. Jänner keine Einigung gebe, würde es dem Verhandlungsergebnis von Gusenbauer fassungen, haben wir massive Zweifel ge- eine SP-Minderheitsregierung geben. und Schüssel erst von den beiden Parteigre- hegt, ob es jemals zu einer Einigung zwi- mien zugestimmt werden. Dies ging für Al- schen den Parteichefs der beiden großen Par- Die Einigung fred Gusenbauer nicht eben erfreulich aus, teien SPÖ und ÖVP kommen könnte. Zu denn immerhin ein Viertel der im Partei- sehr waren Alfred Gusenbauer als Vorsit- Alfred Gusenbauer sprach in der vom präsidium vertretenen Spitzenfunktionäre zender der Oppositionspartei und Bundes- ORF nachmittags Live übertragenen Presse- versagten dem Bundesvorsitzenden die kanzler Wolfgang Schüssel über viele Jahre konferenz von einem umfangreichen Arbeits- Gefolgschaft insoferne, als sie der Meinung durch harte Auseinandersetzungen weit von- programm mit besonderen Schwerpunkten waren, Gusenbauer hätte der ÖVP zu viele einander entfernt, zu viele Stimmen wurden auf soziale Solidarität, mehr Chancen für die Zugeständnisse gemacht, er hätte zuviel im aus den beiden Parteien laut, es würde un- Menschen und wirtschaftliche Leistungsfä- Wahlkampf – teils auch zwischen allen möglich sein, mit den anderen zusammenar- higkeit. Österreich solle in den kommenden Parteien hochstilisierte – Zielsetzungen aus beiten zu können. vier Jahren, noch moderner, noch sozialer den Augen verloren. Es waren vor allem drei Und am Montag, dem 8. Jänner, war es – und noch leistungsfähiger werden. Das Ver- Punkte, die als strittig galten und mit Sicher- trotz aller gegenteiligen Vermutungen, aber handlungsergebnis werde am 9. Jänner, also heit noch einige Zeit für Differenzen sorgen dennoch plangemäß – so weit: um 13:30 tra- am nächsten Tag, von den Gremien beider werden: erstens die Verteilung der Regie- ten Gusenbauer und Schüssel in einer ge- Parteien diskutiert und beschlossen werden. rungsämter, zweitens die nicht umgesetzte meinsamen Pressekonferenz vor die Medien- Wolfgang Schüssel, Bundesparteiobmann Aufhebung der vehement umstrittenen Stu- vertreter und gaben, scheinbar zufrieden, der ÖVP, erklärte, das Regierungsprogramm diengebühren und, drittens, der „Dauerbren- bekannt, daß man sich auf ein Regierungs- entspräche der Kunst des Zusammenführens ner Eurofighter“. Gusenbauer hatte vor der programm und auf eine Große Koalition von Verändern und Bewahren, sowohl ÖVP Wahl unzählige Male erklärt, sollte die SPÖ geeinigt habe. Termingemäß deshalb, weil als auch SPÖ würden ihre Handschrift im die Wahl gewinnen, sollte er Bundeskanzler erst wenige Tage zuvor Bundespräsident Regierungsübereinkommen finden. In Sum- werden, würden die Studiengebühren abge- Heinz Fischer in einem Sechs-Augen-Ge- me sei ein Programm beschlossen worden, schafft und die teuren Eurofighter abbestellt spräch auf eine Lösung gedrängt hatte und das man mit gutem Gewissen empfehlen werden (was, wie er auch später bestätigte, Salzburgs Landeshauptfrau und SP-Koali- könne. Schüssel hofft, daß es auch von der wegen gültiger Verträge nicht möglich sei). tionsverhandlerin Gabi Burgstaller in Rich- Bevölkerung angenommen werde. Und nach der Wahl, als die ersten Verhand- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 44 / 19. 01. 2007 4 Innenpolitik lungen mit der ÖVP aufgenommen wurden, Kritik durch die Koalition scheine unter dem Motto abzulau- standen diese (und viele andere Forderungen Oppositionsparteien fen: „Rot spielt Regierung, Schwarz hat die aus dem SP-Wahlprogramm) unverändert Macht“. All jene, die gehofft hätten, daß die auf der Prioritätenliste. Als sich, ziemlich Der Grüne Bundessprecher Alexander ÖVP endlich von ihrem hohen Roß her- rasch und ebenso deutlich, herausstellte, daß Van der Bellen hat angesichts der ersten be- untergeholt werde, seien bitter enttäuscht die ÖVP die einzige Möglichkeit für die SPÖ kannt gewordenen Maßnahmen einer neuen worden. Wo Gusenbauer draufstehe, sei wäre, als gemeinsamer Partner eine mehr- rot-schwarzen Koalition „Anlaß zu größter ÖVP drin, sagte Strache. heitsfähige Regierung zu bilden, ließ sich Skepsis“ geäußert. SPÖ und ÖVP würden BZÖ-Chef Peter Westenthaler zitierte die Volkspartei nicht mehr drängen, brach die zentralen Zukunftsfragen wie Klima- Gusenbauer, der zwei Tage vor der Wahl ge- die Verhandlungen vorübergehend ab. Es schutz, Bildung und Gleichstellung der sagt hatte, Österreich brauche eine Regie- folgten kaum enden wollende Spekulationen Frauen nicht erkennen. Außerdem habe die rung, für die am Tag vor der Wahl auch das über alle (un-)möglichen Regierungsvarian- SPÖ „vor den Wahlen den Mund so voll ge- gelte, was am Tag nach der Wahl gelte. Und ten, jeder, der irgendwie – medial – ins Spiel nommen und alles versprochen, wovon sie Österreich brauche nicht einen Bundeskanz- gebracht wurde, ließ umgehend jegliches naturgemäß sehr wenig einhalten kann“. ler der gebrochenen Versprechen, sondern kolportierte Gespräche dementieren, verwies Österreich brauche einen Bundeskanzler, der auf bereits mehrfach festgelegte Standpunk- sein Wort halte. Angesichts der Tatsache, te. Wer hier mit wem angeblich in geheimen daß die Studiengebühren bleiben würden, Verhandlungen gestanden habe? Nun, zu die Eurofighter kämen und die Menschen dieser Zeit praktisch jeder mit jedem. Die belastet statt entlastet werde, müsse man kleineren Parteien vermuteten sogar, SPÖ sich die Frage stellen, was Gusenbauer am und ÖVP würden ohnehin schon alles ver- Donnerstag, dem 11.01., machen werde. einbart haben, die Große Koalition stünde längst fest. Die Angelobung Sehr kurzer Rückblick Und der wurde, am 11. Jänner 2007, kurz nach 11 Uhr, von Bundespräsident Heinz Bis dahin sollten aber noch viele Wochen Fischer als Bundeskanzler der Republik an- vergehen, die wir aber in dieser Chronologie gelobt. Mit den Worten „Ich gelobe“, einem ausblenden wollen. Nur so viel sei noch Händedruck mit Bundespräsident Heinz angemerkt: Keine einzige der zur Wahl am Fischer und einer Unterschrift unter die Ge- 1. Oktober 2006 angetretenen und nach der löbnisformel trat Alfred Gusenbauer seine Wahl im Parlament vertretenen Parteien wur- Tätigkeit als Bundeskanzler an. „Ich darf Sie de vom Wähler mit ausreichend Stimmen nun zum ersten Mal Herr Bundeskanzler ausgestattet, um – eins zu eins – das propa- nennen“, sagte Bundespräsident Fischer un- gierte Wahlprogramm umsetzen zu können. mittelbar nach dem Gelöbnis zu Gusenbauer. Als logische Konsequenz daraus haben sich SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer Zuvor drückte der Bundespräsident seine die beiden großen Parteien darauf geeinigt, erklärt vor dem SP-Parteipräsidium Freude aus, daß der SPÖ-Vorsitzende den den mit ÖVP-Obmann Wolfgang so viel als möglich von den eigenen Vorstel- Schüssel verhandelten Koalitionspakt Auftrag zur Bildung einer stabilen Regierung lungen umzusetzen, ohne dem anderen Ge- Foto: SPÖ / Johannes Zinner habe erfüllen können. sichtsverlust zuzufügen. Und daß heute Schon zuvor hatten die Regierungsmit- Unzufriedenheit mit dem Regierungspro- Die ÖVP dagegen habe vor dem Urnen- glieder – 14 Minister und sechs Staatssekre- gramm herrscht, hat wohl auch damit zu tun, gang „so gut wie nix versprochen und nur täre – im Bundeskanzleramt das Koalitions- daß durch den Druck der öffentlichen und auf die Zugkraft des Schüssel-Wahlplakats abkommen unterzeichnet. Danach ging es auch der veröffentlichten Meinung zum gesetzt. Insofern kann sie praktisch keine gemeinsam über den Ballhausplatz in die Stichtag 8. Jänner 2007 einfach der aktuelle Versprechen brechen, nur ist die ÖVP ja für Hofburg, wo die feierliche Angelobung statt- Verhandlungsstand als Ergebnis fixiert wur- ihren Kurs abgewählt worden“. Das Problem fand. de, auch wenn es noch ein paar Wochen des sei nun, daß sich in der großen Koalition der „Sie werden vom ersten Tag an Lob und gemeinsamen Nachdenkens bedurft hätte. Kurs der schwarz-blauen und später schwarz- Kritik für Ihre Regierungstätigkeit bekomm- Das wird am Beispiel der Studiengebüh- orangen Regierung stärker wiederfinde als men. Das ist so in einer Demokratie. Lob ren (Studenten gehen lautstark auf die innovative Konzepte. Es handle sich um die darf Sie nicht übermütig machen und mit Straße) oder der Familienbeihilfe, wo jetzt Fortsetzung von Schwarz-Orange mit einem Kritik muß man sich sachlich und ernsthaft vielfach Nachverhandlungen eingefordert roten Bundeskanzler, kritisiert Van der auseinandersetzen. Man darf aber langfristi- werden, überaus deutlich. Und viele jener Bellen. ge Ziele nicht aus dem Auge verlieren“, Kommentatoren, die den Verhandlern vorge- FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Chri- sagte Fischer bei der Zeremonie. worfen hatten, sie würden nicht ernsthaft, stian Strache kritisierte die Ergebnisse der Im Anschluß an die Angelobung gab es vor allem aber nicht zügig genug arbeiten, Koalitionsverhandlungen: ob Studiengebüh- im Kanzleramt das traditionelle Gruppenfoto geißeln die Koalitonäre wegen nicht ausrei- ren, ob Eurofighter, ob Entlastung der Be- des Kabinett Gusenbauer I, danach fand die chend verhandelter Themenbereiche. völkerung – die SPÖ sei bei allen Wahlver- erste Ministerratssitzung der neuen Regie- Doch zurück zum 8. Jänner. sprechen mit Anlauf umgefallen. Die ganze rung statt. Der offizielle Amtsantritt des ÖSTERREICH JOURNAL NR. 44 / 19. 01. 2007 5 Innenpolitik neuen Bundeskanzlers wurde mit der Amts- Verändertes Klima der Beteiligung von FPÖ bzw. BZÖ ange- übergabe durch den bisherigen Kanzler lobt wurden: Nicht die Opposition „ging auf Schüssel abgeschlossen. Und so gibt es wieder Demonstrationen die Straße“, sondern – federführend – der gegen eine Regierung, aber diesmal, im Verband Sozialistischer StudentInnen Öster- Mit gemischten Gefühlen Gegensatz zum Feber 2000 bzw. Feber 2003, reichs. Die Vorsitzende der Österreichischen als die Regierungen Schüssel I und II unter Hochschülerschaft (ÖH), Barbara Blaha, ist Es hätte eigentlich der wohl schönste Tag aus Entrüstung über die Beibehaltung der im Leben des Alfred Gusenbauer sein kön- Studiengebühren sogar aus der SPÖ ausge- nen, er hatte erreicht, wovon er geträumt hat- treten. Auch wenn die Teilnehmerzahl an te. Doch so rechte Freude konnte nicht auf- den Demonstrationen geringer wird, bleibt kommen. Denn zuerst war er – nicht nur par- das Thema im Vordergrund, sehen doch vor teiinterner – Kritik wegen seiner Ver- allem die Grünen darin einen „Anschlag auf handlungen mit der ÖVP ausgesetzt, dann Studierende mit schlechtverdienenden El- verweigerte ihm auch noch ein Viertel des tern“. Ebenfalls im Vordergrund bleiben Bundesparteivorstandes die Gefolgschaft, werden die innenpolitischen Dauerbrenner als es um die „Absegnung“ des Koalitions- „Eurofighter“ und „Bankenausschuß“, wo – vertrages ging (Wolfgang Schüssel hatte es trotz begonnener Koalitionsarbeit – biswei- bei seiner ÖVP um einiges leichter und len Töne aus Vorwahlzeiten auftauchen. mußte keinen Widerstand im Bundespartei- Prinzipiell aber ist festzustellen, daß sich vorstand hinnehmen). das innenpolitische Klima, der Umgang der Zwei Tage später erklärte Gusenbauer im Parteien untereinander deutlich verändert „Journal zu Gast“-Interview auf Ö1, er wolle hat. Es weht, sozusagen, ein neuer Wind im in den nächsten Tagen und Wochen offensiv ehrwürdigen Haus am Ring. Inwieweit das das Gespräch mit Kritikern des Regierungs- Zusammenspiel der nun fünf Parlamentspar- programms suchen. Bei aller Kritik im De- teien zum Wohle des Landes funktionieren tail, die er verstehe, dürfe man aber nicht den Fotos: SPÖ / Johannes Zinner wird, werden bereits die kommenden Monate Blick für das Gesamtbild verlieren. Es sei Alfred Gusenbauer (SPÖ, Bildmitte) zeigen. Es gibt zwar vieles, was noch wesent- ein „Wermutstropfen“, daß die Studienge- und Wilhelm Molterer (ÖVP) mit ihrem licher Verbesserung bedarf in unserem Land. bühren nicht gänzlich abgeschafft werden Regierungsteam sind vom Bundeskanz- Es darf darüber aber nicht vergessen werden, leramt über den Ballhausplatz auf dem konnten; dies sei aber mit der ÖVP nicht Weg vom Bundeskanzleramt in die daß wir auf vieles Erreichte stolz sein können umzusetzen gewesen. Präsidentschaftskanzlei zur Angelobung und dieses auch bewahrt werden muß.
Bundespräsident Heinz Fischer lobt Alfred Gusenbauer zum Bundeskanzler an. ÖSTERREICH JOURNAL NR. 44 / 19. 01. 2007 6 Innenpolitik Regierungserklärung von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer »Im Mittelpunkt steht für uns Österreich und das Wohl der ÖsterreicherInnen« Senkung der Arbeitslosigkeit, mehr Geld für Infrastruktur, große Steuerreform und höhere Forschungsquote sind Schwerpunkte
Am 16. Jänner 2007 hielt Bundeskanzler Alfred Gusenbauer im Parlament die Regierungserklärung. (v.L.n.R.) Außenministe- rin Ursula Plassnik, Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer, BK Gusenbauer, Innenminister Günther Platter, Wirtschafts- minister Martin Bartenstein. Im Hintergrund Parlamentspräsidentin Barbara Prammer. Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-Media
m Mittelpunkt steht für uns Österreich und weiter aus. Es gehe darum, was die beiden keit bekämpfen; die Wettbewerbsfähigkeit Idas Wohl der Österreicherinnen und Ös- Partner leisten, wie sie miteinander umge- der Wirtschaft unseres Landes erhöhen und terreicher“, unterstrich Bundeskanzler Al- hen, wie offen sie auch für Vorschläge und eine solide Budgetpolitik verfolgen; unser fred Gusenbauer zu Beginn seiner Regie- Initiativen der Opposition oder von außer- Sozial- und Gesundheitssystem weiterentwik- rungserklärung am 16. Jänner im Nationalrat. halb des Parlaments sind. Es gehe darum, keln und finanziell absichern sowie die Aufgabe der Politik ist es, für die Zukunft so diese Chancen einer solchen Zusammen- Armutsbekämpfung intensivieren; mit einer viel an Chancen für die Menschen zu schaf- arbeit zu nützen, unterstrich der Bundes- offensiven Bildungs- und Forschungspolitik fen, wie es geht und überall dort Schutz und kanzler. Dem Regierungsprogramm ist daher Chancen für die Menschen und Unterneh- Sicherheit zu geben, wo es möglich ist. Es ist auch der Leitsatz vorangestellt: „Gemeinsam men verbessern; die Chancen der Frauen Teil unserer Aufgabe, für mehr Zusammen- für Österreich. Der Mensch im Mittelpunkt“. stärken und große Schritte zur tatsächlichen halt in unserer Gesellschaft zu sorgen“, sagte Gleichstellung der Geschlechter setzen; ein Gusenbauer. Individuelle Leistung müsse Die Vorhaben offenes und lebendiges Kunst- und Kultur- gefördert werden, und es brauche gleichzei- leben fördern; die hohe Lebens- und Um- tig ein soziales Klima der Geborgenheit, der Gusenbauer umriß die Vorhaben der weltqualität erhalten; ein höchstmögliches gegenseitigen Achtung und des Umgangs in neuen Bundesregierung für die kommenden Maß an innerer und äußerer Sicherheit ga- Würde. „Große Koalitionen sind nicht an vier Jahre: „Wir werden das Wirtschafts- rantieren; mit einer Staats- und Verwaltungs- sich gut oder schlecht“, führte Gusenbauer wachstum ankurbeln und die Arbeitslosig- reform Demokratie und Grundrechte stär- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 44 / 19. 01. 2007 7 Innenpolitik ken; aktiv und umfassend in der EU mitwir- weitere 4,5 Milliarden Euro investieren wir gung, den Standort Österreich, die soziale ken sowie die internationale Zusammen- in das Bauprogramm der Asfinag“, so Gu- Sicherheit oder für andere wichtige öffentli- arbeit generell stärken und uns für den Frie- senbauer. Beim Transit wird eine neue che Aufgaben getätigt werden müssen. den in der Welt als oberstes Ziel einsetzen.“ Strategie für mehr Kostenwahrheit im Gü- terverkehr erarbeitet werden. Die Lkw-Maut Große Steuerreform in Arbeitslosigkeit um wird überarbeitet und differenziert. dieser Legislaturperiode ein Viertel senken Kleine und mittlere Unter- „Die Bundesregierung wird in dieser Le- Oberste Priorität hat für die neue Bun- nehmen werden gefördert gislaturperiode eine große Steuerreform mit desregierung die Senkung der Arbeitslosig- einer spürbaren Entlastung der Steuerzahler keit um ein Viertel und damit auf unter vier Die wachsende Zahl der atypisch Be- und der Wirtschaft durchführen. Das Steuer- Prozent bis zum Ende der Gesetzgebungs- schäftigten wird sozial besser abgesichert. und Abgabensystem soll nachhaltig gestaltet periode 2010. „Ich weiß, das ist ein ehrgeizi- Es soll einen einheitlichen modernen Arbeit- sein. Ökologische Aspekte werden miteinbe- ges Ziel, und manche meinen, ein unerreich- nehmerbegriff geben. Es sollen spezielle zogen. Die Regierung werde auf die gemein- bares. Ich bin aber voll davon überzeugt, Es Maßnahmen zugunsten der kleinen und mitt- same Budgetverantwortung aller Gebiets- ist zu schaffen und wir werden es schaffen“, leren Unternehmen gesetzt werden. „Wir körperschaften im Sinne des österreichischen so Gusenbauer, der Arbeit als die beste Vor- wollen dafür sorgen, daß günstiges Kapital Stabilitätspaktes achten“, so Gusenbauer. aussetzung für ein selbstbestimmtes, eigen- für nötige Investitionen bereit gestellt wird, Eingehend auf die Regierungsverhand- verantwortliches Leben betrachtet. Zu die- Betriebsübergaben rechtlich erleichtert so- lungen sagte Gusenbauer, daß „schließlich sem Zweck setzt die Bundesregierung auf wie steuerlich gefördert und auch Unter- zwei Parteien miteinander verhandelt haben, intensive Programme zur Förderung des nehmensgründungen umfassend unterstützt die in vielen Punkten unterschiedliche Auf- wirtschaftlichen Wachstums. Besondere werden. Die soziale Absicherung von Selb- fassungen und Programme vertreten“. „Ich Schwerpunkte werden die weitere Anhebung ständigen wird verbessert“, kündigte Gu- sage das hier und heute sehr offen, weil diese der Förderung von Forschung und Entwick- senbauer an. Die Einrichtung eines Stabili- Unterschiede nun auch nicht plötzlich ver- lung sowie beträchtliche Investitionen in die tätsfonds soll geprüft werden, um innovati- schwunden sind“, so Gusenbauer. Die Bereit- Infrastruktur sein. ven Unternehmen Risikokapital zur Ver- schaft zum Kompromiß und zur Zusammen- fügung stellen zu können. arbeit zählten zum Wesen der Demokratie, Bildungsgarantie bis sagte der Bundeskanzler. zum 18. Lebensjahr Drei Prozent Forschungs- „Die Menschen in Österreich wollen quote bis 2010 Chancen haben, sich zu entwickeln, auf „Besonders wichtig ist uns, daß die jun- eigenen Beinen zu stehen und ihr Leben so gen Menschen nicht auf der Straße stehen. Die Forschungsquote soll auf drei Pro- zu leben, wie sie sich das vorstellen. Sie Mit einer Bildungsgarantie bis zum Alter von zent des BIP bis 2010 angehoben werden, wollen für die Zukunft gut gerüstet sein. Sie 18 Jahren wollen wir den Anteil der Jugend- indem die bestehenden Budgets ab 2007 wollen faire Verhältnisse, eine gerechte Ba- lichen ohne Berufsausbildung oder Schul- schrittweise um 800 Millionen Euro aufge- lance von Rechten und Pflichten, sie wollen, abschluß drastisch senken, die Beschäfti- stockt werden. Es sollen auch neue Stellen dass Leistung belohnt wird. Und sie wollen gungschancen erhöhen und die Jugend- für Forscherinnen und Forscher geschaffen soziale Wärme und Sicherheit, daß sie in Wür- arbeitslosigkeit nachhaltig bekämpfen“, un- werden. Die Erhöhung des Anteils der de leben können, auch wenn sie ein Schick- terstrich Gusenbauer. Zur Bekämpfung der Frauen sowohl im öffentlichen als auch im salschlag ereilt“, betonte der Bundeskanzler. Arbeitslosigkeit werde es Sondermittel für privaten Forschungssektor stehen dabei „Sie wollen keine Angst vor dem Alter ha- aktive Arbeitsmarktpolitik und ein nationa- besonders im Fokus, führte Gusenbauer aus. ben, und sie wollen, daß es ihren Kindern les Aktionsprogramm für ältere Arbeitneh- und Enkelkindern gut geht, möglichst sogar merInnen geben. Intensiviert werden soll Bekenntnis zu stabilem besser als ihnen selbst“, sagte Gusenbauer. auch die Bekämpfung von Schwarzunter- und nachhaltigem Budget nehmertum und Schwarzarbeit. Für »aktivierenden und „Ich stehe für ein stabiles Budget und modernen Sozialstaat« 10,5 Milliarden Euro einem verantwortungsvollen und sparsamen für die Infrastruktur Umgang mit dem Geld der Steuerzahlerin- Die „Weiterentwicklung“ des Systems nen und Steuerzahler“, unterstrich der sozialer Sicherheit und Fairneß, die umfas- Eine moderne Infrastrukturpolitik sei Bundeskanzler. „Die Bundesregierung be- sende medizinische Versorgung für alle, In- unverzichtbare Voraussetzung für den Erfolg kennt sich daher zu einer soliden und nach- vestitionen in den Bildungsbereich und des Wirtschaftsstandortes und damit für die haltigen Budget- und Finanzpolitik, die über Frauenpolitik nannte Gusenbauer als weitere Schaffung neuer Arbeitsplätze. Priorität bei einen Konjunkturzyklus hinweg ausgegli- Ziele und Vorhaben seiner Regierung. Ein der Straßen- und Schieneninfrastruktur ha- chen bilanziert“, sagte Gusenbauer. Diese moderner Sozialstaat müsse den aktuellen ben das Schließen von Lücken und die Zielsetzung verlange Disziplin. Spielräume Anforderungen entsprechen, gleichzeitig Beseitigung von Engpässen im hochrangi- für steuerliche Entlastung sollen erarbeitet auch handlungsfähig, das heißt gesichert fi- gen Netz. „Zur Umsetzung des ÖBB-Rah- werden und müssen vor dem Hintergrund nanziert sein. menplans werden wir sechs Milliarden Euro leistbar sein, daß auch wichtige Zukunftsin- Die Entwicklung des Sozialsystems dürfe in dieser Legislaturperiode investieren, und vestitionen für Wachstum und Beschäfti- angesichts der Veränderungen, „der Bruch- ÖSTERREICH JOURNAL NR. 44 / 19. 01. 2007 8 Innenpolitik linien in unserer Gesellschaft“ nicht stehen- »Eines der europaweit maßvolle 0,15 Prozentpunkte angehoben. bleiben. „Wenn wir einen aktivierenden und modernsten Instrumente Gusenbauer hob außerdem besonders die modernen Sozialstaat wollen, muß er eben den zur Armutsbekämpfung« Begrenzung der Rezeptkosten mit maximal jeweils aktuellen Anforderungen entsprechen“, zwei Prozent des Monatseinkommens als so Gusenbauer. „Unter diesen Voraussetzun- „Armut nicht einfach durch Bezahlung wirkliche Verbesserung für viele ältere und gen können wir mehr Gerechtigkeit, mehr überwinden, sondern in erster Linie durch chronisch kranke Menschen hervor. Einen Sicherheit und auch mehr Bereitschaft zu Rückführung in das Erwerbsleben“, so Gu- besonderen Schwerpunkt will die Regierung Innovation und Eigeninitiative erreichen.“ senbauer zum Konzept der Regierung gegen außerdem für Menschen mit Behinderung Gusenbauer verwies in der Folge auf die die Armut. Die Regierung werde sich für setzen, u.a. durch die Weiterentwicklung des zahlreichen sozialpolitischen Vorhaben im einen Generalkollektivvertrag mit einem Behindertengleichstellungsgesetzes. Regierungsprogramm. Damit kein Pensionist Mindesteinkommen von 1000 Euro einset- mehr unter der Armutsgrenze leben müsse, zen. Und mit der schrittweisen Einführung »Das beste Schulsystem werde der Ausgleichszulagenrichtsatz auf der bedarfsorientierten Mindestsicherung für unsere Kinder« 726 Euro gehoben. Härten bei Doppelab- werde man „eines der europaweit modern- schlägen würden beseitigt, die sogenannte sten Instrumente zur Armutsbekämpfung „Bildungspolitik ist Chancenpolitik“, „Hacklerregelung“ verlängert, die Anrech- umsetzen“. deshalb werde die Regierung verstärkt hier nung von Kindererziehungszeiten für die Umfassende medizinische Versorgung investieren. Die jährlichen Bildungsausga- Pension wird wertgesichert und so verbes- für alle Menschen unabhängig von Alter und ben werden um bis zu 200 Millionen Euro sert, Schwerarbeiter- und Invaliditätspensio- Einkommen und solidarische Finanzierung erhöht. Gusenbauer betonte, daß es gerade nen sollen neu geordnet werden. sind die Kernpunkte der Gesundheitspolitik im Bildungsbereich nicht um die Durch- „Jeder und jede soll sich für die Art von der Regierung. Der Bundeskanzler verwies setzung von Ideologien gehe. „Wir wollen Pflege entscheiden dürfen, die den jeweili- u.a. auf Vorhaben wie verstärkte Prävention, das beste Schulsystem für unsere Kinder, gen Bedürfnissen entspricht“, so der Bun- ein besseres Planungsmodell zwischen den weil von ihrer Ausbildung die Zukunft unse- deskanzler weiter. Dazu brauche es die Aus- Trägern im Gesundheitsbereich und neue rer Gesellschaft abhängt. Und diese Utopie weitung der mobilen Dienste, eigene Betreu- ambulante Gesundheitszentren für ländliche ist machbar, diese Utopie werden wir umset- ungsformen für spezifische Alterserkran- Regionen. Zur Finanzierung werden beste- zen, und zwar über die Parteigrenzen hin- kungen und die „Etablierung einer legalen hende Effizienzpotenziale ausgeschöpft so- aus.“ Als Maßnahmen im Bildungsbereich Form der 24-Stunden-Betreuung“. wie die Krankenversicherungsbeiträge um nannte Gusenbauer u.a. die Senkung der
Vor der Regierungserklärung von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer rief Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zu einer Gedenkminute an die überraschend verstorbene Innenministerin Liese Prokop auf. Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-Media ÖSTERREICH JOURNAL NR. 44 / 19. 01. 2007 9 Innenpolitik
Klassenschülerzahl auf 25, die Verbesserung Vollversorgung mit Breitbandzugang abge- des vorschulischen Bildungsangebots, den schlossen werden. Ausbau ganztägiger Schulformen, die Ver- stärkung der individuellen Förderung und Kampf gegen der Integration, die Weiterentwicklung der Klimawandel Schule für die 10- bis 15-Jährigen und die Verringerung der Klassenwiederholungen. Für den Bereich Agrarpolitik hob Gusen- bauer besonders den Kampf für die weitere Studienbeihilfensystem Gentechnikfreiheit unserer Landwirtschaft wird ausgebaut hervor. Zur Stärkung des ländlichen Raums gebe es außerdem EU-Mittel von 3,9 Milliar- „Die Zukunft der Wissenschaft liegt in den Euro bis 2013, die von Österreich ver- unseren Studierenden“, so Gusenbauer wei- doppelt werden. ter. Zur Verbesserung der Studienbedingun- In der Umweltpolitik setzt die Regierung gen soll es eine deutliche Verbesserung der einen Schwerpunkt auf den „Kampf gegen Betreuungsrelation von Lehrenden und Stu- den Klimawandel“, wie Gusenbauer betonte. dierenden geben, das Studienbeihilfensy- Man werde alles daran setzen, bis 2012 das stem wird weiter ausgebaut und das Kre- Kyoto-Ziel zu erreichen. Ein klares Bekennt- ditmodell bekannter gemacht und erweitert nis legte Gusenbauer auch gegen die Kern- werden. Hinzu soll den Studierenden die energie ab; deshalb werde die Regierung Möglichkeit geboten werden, Studienbei- weiterhin für die „Nullvariante“ beim AKW träge durch gemeinnütziges Engagement im Temelin eintreten. Gesteigert werden soll Ausmaß von 60 Stunden im Semester refun- außerdem der Anteil erneuerbarer Energien diert zu bekommen. „Studieren ohne Studien- auf 25 Prozent am Gesamtenergieverbrauch, beiträge wird damit für bedeutend mehr wie Gusenbauer betonte. Und der Anteil er- Studenten möglich gemacht.“ neuerbarer Stromerzeugung soll auf 80 Pro- Als weitere Vorhaben im Wissenschaftsbe- Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, im zent steigen. „Wir wollen mindestens Hintergrund Nationalratspräsidentin reich nannte der Bundeskanzler u.a. die Fach- Barbara Prammer 100.000 Haushalte auf erneuerbare Energie- hochschul-Offensive, die Stärkung der Uni- Foto: Bernhard J. Holzner / HOPI-Media träger umstellen“, so der Bundeskanzler. Autonomie, den Start des Exzellenzinstituts Als wichtige „Querschnittsmaterie“ nann- ISTA sowie eine erfolgreiche Bewerbung für Einen besonderen Schwerpunkt will die te der Bundeskanzler und Sportminister auch das European Institute of Technology. Regierung auch im Kampf gegen Gewalt an den Sport und verwies u.a. auf die For- Frauen und Frauenhandel setzen. Weiters cierung von Schulsport als wichtiges Ziel. Frauenbeschäftigungs- sollen die Kinderrechte in der Verfassung Im Spitzensport sollen die Fördersysteme quote heben verankert werden und die Jugendschutzbe- optimiert werden. Bestmögliche Unterstüt- stimmungen österreichweit einheitlich wer- zung soll es außerdem für Großveranstaltun- Ein besonderer Schwerpunkt der Regie- den. Die stärkere demokratische Beteiligung gen wie die Fußball-EM 2008 geben. rung sei die Frauenpolitik, die im Frauen- der Jugend soll v.a. durch die Senkung des „Meine sehr verehrten Damen und ministerium koordiniert werde und sich als Wahlalters auf 16 erreicht werden. Herren! Diese Bundesregierung ist die an Querschnittsmaterie durch viele Ressorts Mitgliedern jüngste österreichische Bundes- zieht. Ziele seien u.a. die Verbesserung der »Schwerpunkt regierung aller Zeiten, trotz mancher grauen Chancengerechtigkeit am Arbeitsmarkt, die zeitgenössische Kunst« Haare, die man in der Runde erblicken kann, Schließung der Einkommensschere und die und es ist jene mit dem höchsten Anteil von Bekämpfung der Frauenarmut. Konkretes Ein „offenes kulturelles Klima“ und ein Frauen auf der Regierungsbank. Und ich Ziel sei die Erhöhung der Frauenbeschäfti- „offener Dialog mit den Kunstschaffenden“ freue mich sehr auf die Arbeit mit meinen gungsquote auf 65 Prozent bis 2010; v.a. die sind die zentralen kulturpolitischen Ziele der Kolleginnen und Kollegen! Zahl von Vollzeitarbeitsplätzen soll steigen. Regierung. Besonderen Stellenwert, so Gu- Wir werden für dieses Land, unsere Hei- Mehr „Wahlfreiheit für die Eltern“ und die senbauer, habe die Förderung der zeitgenös- mat, alles tun, damit es in vier Jahren noch „Chance zum früheren Wiedereinstieg ins sischen Kunst, die soziale Absicherung von besser, noch solidarischer, noch chancen- Berufsleben“ gibt es durch das flexiblere Kin- KünstlerInnen, die Stärkung des Medien- und und zukunftsreicher dasteht als heute. Davon dergeld, verwies Gusenbauer auf die neue Filmstandorts, das Konzept für ein Haus der werden wir uns nicht abbringen lassen. Das Möglichkeit, 18 Monate mit 800 Euro Kin- Geschichte noch in diesem Jahr und Linz als ist mein Versprechen an Österreich! dergeld in Karenz zu gehen. Europäische Kulturhauptstadt 2009. Außer- Gehen wir also gemeinsam an die Arbeit! Weitere Vorhaben in der Familienpolitik: dem soll es in den Bundesmuseen einen ein- Für unsere Republik! Reform des Unterhaltsvorschusses, Anpas- trittsfreien Tag pro Monat geben. Für die Österreicherinnen und Österrei- sung der Familienleitungen für Alleiner- Die Schaffung einer unabhängigen Me- cher!“ ziehende, Zuschläge zur Familienbeihilfe ab dien- und Telekommunikationsbehörde ist Damit schloß Bundeskanzler Alfred dem dritten Kind und Wochengeld für freie das zentrale medienpolitische Vorhaben der Gusenbauer seine Rede im Hohen Haus. DienstnehmerInnen. Regierung. Bis Ende 2009 soll außerdem die ÖSTERREICH JOURNAL NR. 44 / 19. 01. 2007 10 Innenpolitik Bundeskanzler Vizekanzler Alfred Gusenbauer Wilhelm Molterer
Alfred Gusenbauer, SPÖ-Vorsit- Mag. Wilhelm Molterer ist der de- zender, ist neuer Bundeskanzler. signierte ÖVP-Bundesparteiob- Er wurde am 8. Februar 1960 in mann. Er wurde am 14. Mai 1955 St. Pölten geboren und hat im Ap- in Steyr/Oberösterreich geboren. ril 2000 die SPÖ als Bundespartei- Nach der Matura (1974) an der vorsitzender übernommen. Gusen- Höheren Landwirtschaftlichen bauer besuchte von 1966 bis 1970 Bundeslehranstalt in St. Florian die Volksschule in Ybbs an der studierte er Sozialwirtschaft in Donau. Von 1970 bis 1978 be- Linz. Sein Studium schloß er suchte er das Bundesgymnasium 1980 mit der Sponsion zum Ma- in Wieselburg. Anschließend ab- gister ab. Politisch aktiv war solvierte er das Studium der Molterer bereits während seiner Politikwissenschaft, der Philoso- Studienzeit als Vorsitzender der phie und der Rechtswissen- Hochschülerschaft an der Uni schaften an der Universität Wien (Promotion 1987, Dr.phil.). Er führ- Linz und Studien- bzw. Vertragsassistent. Er arbeitete im Bauern- te die SPÖ durch die nun vergangenen Jahre der Opposition und bund als wirtschaftspolitischer Referent. Anschließend war er im Büro damit auch zu den Wahlerfolgen der letzten Jahre. Darunter den Sieg des oberösterreichischen Landesrats Leopold Hofinger tätig. Im Jän- bei den Präsidentschaftswahlen 2004, eine Reihe von Erfolgen auf ner 1987 holte der damalige Landwirtschaftsminister Josef Riegler Ländereben – besonders hervorzuheben der „rote Oktober“ 2005 Molterer als Sekretär in sein Ministerbüro. Direktor des Bauernbun- (Burgenland, Steiermark, Wien) –, wo es gelang, zwei Landeshaupt- des war Molterer von Dezember 1989 bis November 1993, Ab- leute für die SPÖ zu gewinnen und schlußendlich den Wahlsieg vom geordneter zum Nationalrat von Oktober 1990 bis November 1994. 1. Oktober 2006. Trotz der Schwierigkeiten des Wahlkampfs war Gu- Im Dezember 1993 wurde Molterer zum ÖVP-Generalsekretär be- senbauer stets vom Sieg überzeugt und war bis zum letzten Tag im stellt. Diese Funktion hatte er bis November 1994 inne. Im selben Einsatz, um im direkten Kontakt mit den Menschen – eine der gro- Monat wurde er Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft. Im ßen Stärken Gusenbauers – den Wahlsieg der SPÖ zu erzielen. März 2003 wurde er zum Klubobmann des ÖVP-Parlamentsklubs gewählt. Am 11. Jänner 2007 folgte schließlich die Angelobung zum Berufliche Tätigkeiten und Funktionen: Vizekanzler und Finanzminister.