Stars & Stories
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STARS & STORIES „WENN ICH HEUTE KANZLERIN WÄRE …“ E VA BEATE URSULA ANDREA 112 GLAWISCHNIG HARTINGER-KLEIN PLASSNIK KDOLSKY Sie waren in der Spitzenpolitik, erlebten herbe Enttäuschungen, aber auch, was Macht bewirken kann. Sie sind alle ausgestiegen und leben heute abseits der Politik. Mit welchem Gefühl blicken sie zurück, und wie gehen sie damit um, nicht mehr im Fokus zu stehen? Bei den meisten sind es DANKBARKEIT, ERLEICHTERUNG UND MEHR FREIHEIT. Gespräche über Vergangenheit und Gegenwart. REDAKTION: ANDREA BRAUNSTEINER, SANDRA JUNGMANN, MELANIE ZINGL STARS & STORIES EVA GLAWISCHNIG, 51 EHEMALIGE GRÜNEN-CHEFIN Die Kärntnerin stand fast zehn Jahre an der Spitze der Grünen, trat 2017 aus gesundheit- lichen Gründen zurück und wechselte als Managerin zum Glücksspielkonzern Novomatic. Aktuell ist sie in Bildungskarenz und macht eine Ausbildung in Berlin. 1. Was würden Sie rückblickend gerne Ihrem noch aktiven Politiker-Ich raten? Mehr Gelassenheit, sich weniger mit den negativen Seiten der Funktion beschäftigen, Vertrauen zulassen, auf Familie, Partnerschaft und Freundschaften achten. 2. Mit welchem Gefühl denken Sie an die Zeit in der Politik zurück? Stolz und Erleichterung. 3. Was ist in Ihrem Leben heute besser? Mehr Selbstbestimmung, mehr Zeit für meine Kinder, mehr Freiheit, weniger beobachtet sein. 4. Vermissen Sie irgendetwas aus Ihrem Politikerleben? Ja, das Tempo, die Aufregung, die Abwechslung. 5. Welches Projekt hätten Sie gerne noch umgesetzt? Steuern auf internationale Konzerne. 6. Was hat Sie am allermeisten gestresst? Die Fremdbestimmung, die Angst, einen Fehler zu machen, aufgebauschte Medienberichte. 7. Wie intensiv verfolgen Sie das aktuelle politische Geschehen noch? Interessiert, aber mit viel mehr emotionaler Distanz dazu. 8. Haben Sie das Gefühl, in Ihrer aktiven Zeit wirklich etwas verändert zu haben? Ja, ich war Wegbereiterin in sachpolitischen Fragen. 9. Welche politische Entscheidung bereuen Sie im Nachhinein? Ich war bei innerparteili- chen Konflikten zu wenig hart, zu gutgläubig. 10. Könnten Sie sich ein Polit-Comeback vorstellen? Eigentlich nicht, mein Weg führt weiter in die Wirtschaft, vielleicht auch als Unternehmerin. 113 11. Wählen Sie heute noch die Partei, für die Sie gearbeitet haben? Ja, obwohl ich nicht alles verstehen kann. Muss ich aber nicht. 12. Bitte noch einen Ratschlag für amtierende Politikerinnen in Zeiten von Corona und Wirt- schaftskrise. Wer schnell hilft, hilft doppelt! In Zeiten von Milliardendefiziten bitte keine überbordenden bürokratischen Hürden und ... dann wäre ich dafür, dass sich langen Warteschleifen für Unternehmen, die am Abgrund stehen. Österreich international und auf 13. Worauf sind Sie stolz? Auf meine Kinder europäischer Ebene mehr FOTOS: WOLFGANG WOLAK/TREND (2), MIRJAM REITHER/PICTUREDESK.COM, REGINA HÜGLI/PICTUREDESK.COM, PRIVAT HÜGLI/PICTUREDESK.COM, REGINA REITHER/PICTUREDESK.COM, MIRJAM (2), WOLAK/TREND WOLFGANG FOTOS: und meine Lebensfreude. engagiert.“ STARS & STORIES BEATE HARTINGER- KLEIN, 60 EX-GESUNDHEITSMINISTERIN, FPÖ Von 1999 bis 2002 saß die FPÖ-Politikerin als Abgeordnete im Nationalrat. In der schwarz- blauen Regierung unter Sebastian Kurz war sie von Jänner 2018 bis Mai 2019 Gesund- heitsministerin. Ihr aktueller Job? Oma sein. 1. Was würden Sie rückblickend gerne Ihrem noch aktiven Politiker-Ich raten? Egal was andere sagen: Bleibe dir treu! 2. Mit welchem Gefühl denken Sie an die Zeit in der Politik zurück? Dankbarkeit, den Men- schen in unserem schönen Österreich gedient haben zu dürfen! 3. Was ist in Ihrem Leben heute besser? Mehr Zeit für meine Familie und für mich zu haben. 4. Vermissen Sie irgendetwas aus Ihrem Politikerleben? Grundsätzlich nein, außer einiges umsetzen zu dürfen. 5. Welches Projekt hätten Sie gerne noch umgesetzt? Die finanzielle Absicherung der Pflege und die Stärkung der Pflegeberufe. 6. Was hat Sie am allermeisten gestresst? Die Unwahrheiten in der Berichterstattung. 7. Wie intensiv verfolgen Sie das aktuelle politische Geschehen noch? Leider zu sehr! 8. Haben Sie das Gefühl, in Ihrer aktiven Zeit wirklich etwas verändert zu haben? Ja, sehr viel. Wie z. B. die größte Reform der Zweiten Republik: die Sozialversicherungsreform. Damit bekommen Versicherte in Zukunft für ihre Bei- träge die gleichen Leistungen 9. Frauen in der Politik: Sind sie wirklich gleichberechtigt? Leider noch zu wenig! Vor allem wollen sich immer weniger Frauen der Aufgabe stellen. 10. Welche politische Entscheidung bereuen Sie im Nachhinein? Die Aufweichung des Rauchverbots in der Gastronomie. 11. Könnten Sie sich ein Polit-Comeback vor- stellen? Nein! Die Rahmenbedingungen haben sich verändert. 12. Wählen Sie heute noch die Partei, für 114 die Sie gearbeitet haben? Es gilt das Wahl- geheimnis. 13. Bitte noch einen Ratschlag für amtie- rende Politikerinnen in Zeiten von Corona und Wirtschaftskrise. Wissensbasiert und einheitlich zu entscheiden. Die Menschen brauchen klare Informationen, Sicherheit und Vertrauen. Gesetze und Verordnungen, die hal- ten! Mögliche Szenarien mit entsprechenden ... die Frage stellt sich nicht. Ich Maßnahmen müssen transparent von Experten war gerne, entsprechend meiner kommuniziert werden. Tests müssen schneller Kompetenz, im Gesundheits- und und logistisch besser organisiert werden. “ Sozialbereich tätig. ZINNER PARLAMENTSDIREKTION/JOHANNES PICTUREDESK.COM, / REITHER MIRJAM FOTOS: ... würde ich umsetzen, was die österreichische Bundesverfassung vorgibt: die Auswahl der Regierungsmitglieder, die dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen werden.“ URSULA PLASSNIK, 64 EX-AUSSENMINISTERIN, ÖVP 6. Was hat Sie am allermeisten gestresst? Die Diplomatin leitete das Außenministerium Meine eigenen Qualitätsansprüche. Der dau- zwischen 2004 und 2008 und ging nach ernde Kampf mit meinem quälenden Perfekti- Querelen mit dem Koalitionspartner SPÖ als onismus und der Zeitknappheit. Eine typische Botschafterin nach Paris. Heute ist die über- Frauenkrankheit? zeugte Europäerin in der Schweiz stationiert. 7. Wie intensiv verfolgen Sie das aktuelle 1. Was würden Sie rückblickend gerne Ihrem politische Geschehen noch? So gut es von der noch aktiven Politiker-Ich raten? Über einen Peripherie her eben geht. Jedenfalls mit hoher Satz von Franz Kafka nachzudenken: „Das innerer Anteilnahme. Ich bin beispielsweise Lebendige lässt sich nicht ausrechnen.“ Darin sehr beeindruckt, mit welcher Professiona- steckt gleichermaßen die Aufforderung zu Mut lität die Politiker auf allen Ebenen – von der und Demut. Gemeinderätin zum Regierungschef – in den 2. Mit welchem Gefühl denken Sie an die letzten Monaten unter extremen Bedingungen Zeit in der Politik zurück? An jede wichtige weitreichende Entscheidungen getroffen Lebensetappe denken wir mit einem Gefühls- haben. Respekt! Mix zurück. Bei mir überwiegt die Dankbarkeit. 8. Haben Sie das Gefühl, in Ihrer aktiven Zeit Für das Vertrauen, das mir Chefs, Kollegen, Mit- wirklich etwas verändert zu haben? Man darf arbeiter und Wähler entgegengebracht haben. sich nicht zu wichtig nehmen. Jeder von uns Und für das Engagement derjenigen, die mich ist Teil eines riesigen Uhrwerks. Manche sind unterstützt und begleitet haben. halt eine Zeit lang sichtbarer als andere. Dort 3. Was ist in Ihrem Leben heute besser? Die und da konnte ich vielleicht eine Entwicklung größere Selbstbestimmtheit. Jede öffentliche anstoßen, einen Beitrag leisten, ein Thema Person ist auch eine Projektionsfläche. Das bewusster machen. engt ein. Ganz abgesehen vom superstraffen 9. Frauen in der Politik: Sind sie wirklich Terminkalender und der dauernden medialen gleichberechtigt? Auf dem Papier natürlich Aufmerksamkeit. schon, wie überall in der Gesellschaft. Aber der 4. Vermissen Sie irgendetwas aus Ihrem Kampf ums Ernstgenommenwerden ist Politikerleben? Eigentlich nicht. Am ehesten für Frauen meist härter. Weltweit. vielleicht das intensive Team-Gefühl nach einer 10. Welche politische Entscheidung bereuen gemeinsam erbrachten schwierigen Leistung. Sie im Nachhinein? Keine. Ich habe wenig Aber das gibt es auch im Sport. Oder bei der Talent zur Reue. Ich überlege lange, wäge ab, Bewältigung anspruchsvoller Aufgaben in einer bin weder impulsiv noch ideologisch. Wenn ich Familie, wie Home Schooling in Corona-Zeiten. eine Entscheidung treffe, dann kann ich auf 5. Welches Projekt hätten Sie gerne noch Dauer dazu stehen. umgesetzt? Ich hätte im Außenministerium 11. Könnten Sie sich ein Polit-Comeback gerne eine eigene Abteilung für internationale vorstellen? Nein. Ich bin ein freiheitsliebender Frauenfragen geschaffen. Das habe ich verab- Mensch. Und jetzt sind die Jungen dran, nicht säumt. Denn damit ein Thema nachhaltig im pensionsreife Dinosaurier wie ich. Bewusstsein ankommt, braucht es meist auch 12. Wählen Sie heute noch die Partei, für die eine organisatorische Verankerung. Sie gearbeitet haben? Ja. 13. Bitte noch einen Ratschlag für amtierende Politikerinnen in Zeiten von Corona und Wirtschaftskrise. Das Letzte, was amtierende Politikerinnen brauchen, sind Ratschläge von „Ehemaligen“. Aber vielleicht gründe ich in der Pension das Beratungsunternehmen „Jurassic Park Consulting“. Dann wird man ja schnell sehen, wie groß die Nachfrage nach Rat ist. STARS & STORIES ... würde ich ein kompetentes Team aus Experten und Funktionsträgern zusammenführen.“ ANDREA KDOLSKY, 57 EX-GESUNDHEITSMINISTERIN, ÖVP 2007 war sie für ein Jahr lang in der Spitzen- politik. Während ihrer Amtszeit sorgte die Niederösterreicherin oft für unkonventionelle Sager, trat am Life Ball als Model auf, verteil- te Kondome. Mittlerweile unterrichtet Kdols-