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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Mitt(h)eilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde

Jahr/Year: 2003

Band/Volume: 143_2

Autor(en)/Author(s): Fuchs Gernod

Artikel/Article: Die Salzburger Gendarmerie von der "Kampfzeit" der NSDAP bis zur Entnazifizierung. 273-336 © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, , ; download unter www.zobodat.at 273 Die Salzburger Gendarmerie von der „Kampfzeit“ der NSDAP bis zur Entnazifizierung*

Von Gernod Fuchs

Vorwort Der Verfasser kam 1998 durch Zufall in den Besitz einer Liste, die im April 1938 durch die erstellt worden ist. Diese Liste, ab nun Gesta­ po-Liste genannt, enthält eine Auflistung aller Salzburger Gendarmerie­ beamten zur Anschlusszeit 1938. Sie diente ursprünglich dazu, die Beamten zu beurteilen, wie sie sich während der Kampfzeit der NSDAP politisch ver­ halten hatten. Der Verfasser versuchte daraufhin festzustellen, ob derartige Listen in der Öffentlichkeit bekannt sind. Weder die Salzburger Archive noch das Staats­ archiv waren im Besitz einer derartigen Liste. Prof. Ernst Hanisch von der Universität Salzburg gab die Anregung, dieses Material vertieft zu bearbei­ ten, da das Verhalten großer geschlossener Berufsgruppen eines Bundeslan­ des weitgehend unerforscht sei. Zum Zeitpunkt der ersten Einblicknahme in die Gestapo-Liste musste der Verfasser außerdem feststellen, dass er über das Polizeiwesen im Dritten Reich nur marginale Kenntnisse hatte. Als Synonym für Polizei bzw. Exe­ kutive galt ihm der Begriff „Gestapo“. Da war er allerdings in „guter“ Ge­ sellschaft, weil er während der Untersuchungen etliche Personen antraf, die auch nicht wussten, dass es im Dritten Reich eine Gendarmerie gegeben hat. Die Haltung der Exekutive zur Anschlusszeit war für den Verfasser durch Fotos und Filmaufnahmen über Wiener Polizisten mit Hakenkreuz- Armbinden geprägt. Außerdem hatte die Aussage seines Vaters, „bei der Gendarmerie gab es mehr illegale Nazis als sonst wo“ seine Meinung jahr­ zehntelang beeinflusst.

Es stellten sich sehr bald folgende Fragen: Gab es wirklich so viele Nazis in der Gendarmerie? Und: Was ist aus diesen Nazis nach dem Krieg gewor­ den? Nach genauerem Vorstudium der Gestapo-Liste und einer Abklärung über die Ergiebigkeit der Salzburger Archive, wurde folgende Vorgangs­ weise der Untersuchung gewählt:

* In Kurzfassung bereits veröffentlicht:Gernod Fuchs, Gendarmerie 1938 und 1945 am Bei­ spiel Salzburgs, in:Fritz Hörmann u. Gerald Hesztera (Hg.), Zwischen Gefahr und Berufung. Gendarmerie in Österreich (Werfen—Wien 1999), S. 172-177. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 274

— Auswertung der Gestapo-Liste (NSDAP-Mitglieder, Gegner usw. Hat die Gendarmerie den gefördert oder gehemmt?) — Was geschah mit den Gendarmen unmittelbar nach dem Anschluss? (Waren diese Gestapo-Beurteilungen relevant, wurden sie umgesetzt?) — Wie verliefen die Karrieren der Gendarmen aus der Gestapo-Liste wäh­ rend des Krieges? — Was geschah mit den Gendarmen der Gestapo-Liste zu Kriegsende?

Um die Arbeit nicht nur auf Zahlenangaben zu stützen, wurde versucht, diese Untersuchungsziele in den historischen Kontext und den Kontext des Staatsaufbaues des Dritten Reiches zu stellen, da es wichtig schien zu ver­ stehen, in welches Umfeld die Polizeiorganisation eingebettet war. Um die Frage, was mit den Gendarmen nach dem Kriege geschah, besser verstehen zu können war u. a. auch die Darstellung der Besatzungspolitik und das alle Österreicher berührende Thema der Entnazifizierung zu be­ leuchten. Gerade beim Thema Entnazifizierung musste der Verfasser fest­ stellen, dass auch hier weitgehend Unkenntnis bestand. Von „brutaler Sie­ gerjustiz mit Todesurteilen“ bis zu „Alibi-Entnazifizierungsmaßnahmen“ ging die Bandbreite der Meinungen.

Vor dem Anschluss

Die österreichischen Sicherheitsbehörden und deren Organe waren in den 193Oer-Jahren, neben der Erfüllung der üblichen polizeilichen Aufgaben besonders durch Aktivitäten im politischen Bereich gefordert. Kritiker der Regierungspolitik wurden nicht nur als Gegner der Regierung, sondern viel­ fach auch als Feinde des Staates betrachtet. Die politischen Parteien der Ersten Republik sollte man als Bewegungen verstehen, die den gesamten Menschen in allen seinen Lebensäußerungen vereinnahmten. Je nach politischer Großwetterlage wurde daher, auch mit polizeilichen Mitteln, gegen die noch legalen Parteien — Sozialdemokrati­ sche Arbeiterpartei (SDAP), Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ), Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) — vorgegangen. Die innenpolitischen Probleme lassen sich auch daran ablesen, dass die Kompetenzen des Innenministers, bis 1930 „Bundesminister für Inneres und Unterricht“, nunmehr in das Bundeskanzleramt (BKA) verlagert wurden. Der zuständige Minister hieß ab diesem Zeitpunkt „Bundesminister für die sachliche Leitung der inneren Angelegenheiten“. Diese Einordnung in das Bundeskanzleramt blieb bis zum Anschluss bestehen, wobei der Name noch mehrfach verändert wurde1. Am 4. März 1933 waren im Rahmen einer, die Bundesbahn betreffenden Abstimmung, die drei Parlamentsvorsitzenden nacheinander zurückgetre­ ten um ihr Stimmrecht nützen zu können. Die Regierung Dollfuss verhin­ derte daraufhin die Wiedereinberufung des präsidiumslosen Parlaments. Sie © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 275

berief sich ab nun auf ein Ausnahmegesetz aus der Zeit des Ersten Welt­ krieges. Es war dies das „Gesetz vom 24. Juli 1917, mit welchem die Regie­ rung ermächtigt wird, aus Anlass der durch den Kriegszustand verursachten außerordentlichen Verhältnisse die notwendigen Verfügungen auf wirt­ schaftlichem Gebiete zu treffen“2 (sogen. „Kriegswirtschaftliches Ermächti­ gungsgesetz “). Verordnungen der Bundesregierung, des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes sowie einzelner Minister ersetzten ab nun die Ge­ setzgebung durch das Bundesparlamentes. In dem nun entstehenden System des Ständestaates mit seinen „halbfa­ schistischen Zügen“3 standen die Sicherheitsorgane inmitten dieses Span­ nungsfeldes und versuchten, dem „Recht“ Geltung zu verschaffen. Etwa die Hälfte aller Salzburger Gendarmeriebeamten stammte aus ande­ ren Bundesländern; mehr als 50% hatten den mehrjährigen Militärdienst in der Monarchie bzw. im Ersten Weltkrieg abgeleistet4. Sie hatten gelernt, dem Staat zu dienen und Befehle zu befolgen. Politische Unruhen, Demons­ trationen, Aufmärsche und politische Gewalttaten waren ihnen ein Gräuel. Sie sahen sich als der ruhende Pol, als das beharrende Element im Staat. In dieser schwierigen Zeit wurden sie von den Regierungen, durch den auf­ kommenden Ständestaat politisiert. Sie wurden, zuerst langsam, dann im­ mer vehementer, vom Vertreter und Schützer des „Rechtes“ zum Schützer einer „politischen Richtung“. Vielfach merkten sie diesen langsamen Wan­ del gar nicht, viele waren möglicherweise auch damit zufrieden. Die Gendarmerie war — gemeinsam mit der Bundespolizei — zuletzt die „Prätorianergarde“ der Regierung. Gendarmerie und Polizei wurden seit Ju­ li 1933 vom freiwilligen Schutzkorps unterstützt. Daneben agierte noch die bewaffnete Macht, bestehend aus Bundesheer und Militärassistenzkörper. Nach Schaffung der Verfassung 1934 wurden die verschiedenen Heimweh­ ren in das Schutzkorps eingegliedert. 1936 führte man die Bundes-Dienst- pflicht ein; im Rahmen der Vaterländischen Front baute man die Frontmiliz als zentrale Organisation zur Verstärkung der bewaffneten Macht und der Sicherheitsexekutive aus. Zuletzt wurden die noch bestehenden, nicht in das Schutzkorps überführten Heimwehren aufgelöst. Wie schwierig und ernst die teilweise militant ausgetragene innenpoliti­ sche Auseinandersetzung in Österreich war, ist daran zu sehen, dass die Bun­ desregierung am 13. Juni 1933 die Bestellung von „Sicherheitsdirektoren des Bundes in den Bundesländern“ für den Rest des Jahres 1933 verordnete5. Die Landeshauptleute, die bisher starke Kompetenzen im Sicherheitswesen inne hatten, mussten diese — vorübergehend wie es hieß — an diese Sicherheits­ direktoren des Bundes abgeben6. Salzburgs Landeshauptmann Franz Rehrl, aber auch sein Kollege in , waren deswegen mit den Bundeskanz­ lern Engelbert Dollfuss und Kurt Schuschnigg in einen heftigen Konflikt ge­ raten, der bis zur Einschaltung des Bundesgerichtshofes ging, um die Kom­ petenzlage Bund/Länder zu klären7. Landeshauptmann Franz Rehrl ging soweit, seinen Rücktritt anzudrohen und übergab sogar die Geschäfte der Landesregierung an den Landeshaupt- © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 276

mannstellvertreter. Erst nach Tagen, nach einem Gespräch mit Bundeskanz­ ler Engelbert Dollfuss, kehrte er ins Amt zurück8. Als dann der erste Sicherheitsdirektor des Bundes für das Bundesland Salzburg, Generalmajor des Bundesheeres Arthur Wimmer, zuletzt Kommandant der 6. Brigade in , seinen Dienst antrat, gab Landeshauptmann Franz Rehrl den Salzburger Behörden dessen Dienstantritt nur widerwillig bekannt. Er ver­ schwieg den Landesbehörden vorerst die Bestimmung des Ernennungserlas­ ses, wonach dem Sicherheitsdirektor in Erfüllung seiner Aufgaben auch die politischen Bezirksbehörden unterstellt seien9. Im Dezember 1933 wurden die Sicherheitsdirektoren für das folgende Jahr neu bestellt. Im Dezember 1934 wiederum wurden sie mit Wirksam­ keit vom 1. Jänner 1935, nunmehr aber ohne zeitliche Begrenzung, bestellt bzw. weiterbestellt. Die Landeshauptleute hatten damit endgültig und für immer ihren direkten Einfluss auf die Exekutive verloren10. Die drei Sicherheitsdirektoren Salzburgs kamen aus dem Bundesheer (1933 Generalmajor Arthur Wimmer), der Polizei (1934 Polizeidirektor Rudolf Scholz) und der Gendarmerie (1934-1938 Oberst Ludwig Bechinie). In anderen Bundesländern wurden etwa auch hohe Landesbeamte und in Tirol sogar ein Landesrat zu Sicherheitsdirektoren bestellt.

Besetzung der Dienststelle des Sicherheitsdirektors11 des Bundes für das Bundesland Salzburg, Mitte 193612

Name Berufl. Herkunft Zuständigkeit Ludwig Bechinie Gendarmerie-Oberst Sicherheitsdirektor, Amtsleitung Dr. Erwin Oberpolizeirat der Stellvertreter in der Amtsleitung, Guttenfeld Wiener Polizeidirektion Presse-, Vereins- u. Versammlungs­ sachen, Kostenersätze, Terrorschä­ den, Beschlagnahmen, Geschäfte des Kommissärs für Privatwirtschaft Wilhelm Tünkl Oberregierungsrat der Strafsachen, Meldungswesen, Pass­ Landeshauptmannschaft sachen, Waffen- und Sprengmittel­ wesen Edmund Clary- Statth. Konzipist a. D., Unterbringung der Schutzkorps- Aldringen Vertragsbeamter des Leute, monatliche politische Bundes Situationsberichte Otto Berlepsch Oberst, a. D. Schutzkorps Nachrichten- und Konfidentenwesen (Sammlung) Otto Weinrichter Major a. D. Schutzkorps Adjutant, Presselektüre Alfred Aichelburg Landesregierungs Konzi­ Subreferent von Obst Berlepsch pist a. D. Schutzkorps Karl Wieland Schutzkorps Amtsdiener und Postordonanz 1 Kanzleibeamter Landeshauptmannschaft Schreibdienst 2 Kriminalbeamte Polizeidirektion Kanzleidienst 1 Gend-Beamter Landesgendarmerie­ Vorzimmerdienst und kommando Mitarbeiter in Vereinssachen © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 277

Polizei und Gendarmerie wurde durch die Einführung der Sicherheits­ direktoren des Bundes nunmehr zwar nicht unmittelbar zentral geführt, aber die Koordination zwischen Polizei und Gendarmerie in den Bundes­ ländern und dem Innenministerium über die Drehscheibe Sicherheitsdirek­ tor wurde wesentlich effizienter. Die Polizeiarbeit wurde dadurch aber auch unpersönlicher, der zum Teil politisch-mäßigende Einfluss einzelner „Lan­ desfürsten“ wurde zugunsten einer strafferen politischen Führung der Si­ cherheitsexekutive zurückgedrängt. Andererseits wurde aber auch dem seit dem Pfriemer-Putsch von 1931 als unzuverlässig geltenden steirischen Lan­ deshauptmann Anton Rintelen der Einfluss auf die Sicherheitsexekutive genommen. Heeresminister Vaugoin erklärte in einer christlichsozialen Versamm­ lung die Befugnisse der neuen Sicherheitsdirektoren des Bundes folgender­ maßen: „Diesen Beamten unterstehen die Polizei und Gendarmerie des Landes und sie sind berechtigt, Formationen des Bundesheeres anzufordern. Die Sicherheitsdirektoren haben die Regierungsverordnungen mit aller Stren­ ge durchzuführen. Ihnen wird auch das gesamte Pressewesen unterstellt sein. Im Falle der Gefahr werden sie auch, wenn keine Gendarmerie-, Polizei- oder Heeresabteilungen zur Verfügung stehen, die Assistenz der privaten Formationen anfordern können, aus denen die Assistenzkorps des Bundesheeres gebildet wurden. Die Sicherheitsdirektoren werden auch für die genaue Beobachtung des geltenden Vereins- und Versamm­ lungsrechtes sorgen müssen. Es wird nicht mehr angehen, dass sogenann­ te § 2-Versammlungen, Vorträge und Sprechabende abgehalten werden, bei denen gegen die Regierung gehetzt wird. Die Sicherheitsdirektoren werden auch in den Ländern, wo Hochschulen bestehen, dafür zu sorgen haben, dass die nunmehr schon bald unmöglichen Krawalle an den Hoch­ schulen, die bereits oft zu schweren Exzessen geführt haben, beendet werden.“13

Blättert man in den Tageszeitungen des Jahres 1933, so gibt es kaum einen Tag, an dem nicht über mehrere provokante Aktionen der NSDAP berichtet wurde. Bombenanschläge, Terror jeder Art waren an der Tages­ ordnung. Es ging auch darum, die Staatsgewalt lächerlich zu machen und deren Hilflosigkeit zu demonstrieren. Am 19. Juni 1933 wurde die NSDAP verboten, exponierte Anhänger der Partei wurden festgenommen. Die Situation war aber so ernst geworden, dass sich Sozialdemokraten aus Salzburg, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg am 15. September 1933 in Salzburg zu einer Konferenz getroffen hatten, um Maßnahmen gegen die immer stärker und brutaler agitierenden österreichischen Nationalsozialis­ ten, die durch die Machtergreifung Hitlers gestärkt waren, zu beraten. Eine Delegation dieser Grenzländerkonferenz sowie Generalmajor Arthur Wim­ mer, erster Sicherheitsdirektor Salzburgs, Vertreter der Christlichsozialen Partei und Vertreter der Sozialdemokratischen Partei sprachen am 18. Sep- © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 278

tember 1933 bei Karl Vaugoin vor. Dieser war Vorsitzender der Christlich­ sozialen Partei, langjähriger Heeresminister und vormaliger Bundeskanzler. Das Treffen mit Minister Vaugoin während seines Besuches in Salzburg hat­ te ein gemeinsames Vorgehen mit der Regierung gegen den Nationalsozia­ lismus zum Thema. Zu spät — Karl Vaugoin wurde drei Tage später im Rahmen der Regierungsneubildung Dollfuß II als Heeresminister abberufen und bald danach auch als Vorsitzender der Christlichsozialen Partei ent­ machtet14. Es war dies eine der so genannten „verpatzten Gelegenheiten“, gegen den gemeinsamen Gegner — Nationalsozialismus — vorzugehen. Die endgültige Entfremdung zwischen Regierung und der sozialdemokratischen Opposition ließ spätestens nach den Ereignissen des Bürgerkrieges vom Fe­ bruar 1934 und dem anschließenden Verbot der demokratischen Opposi­ tion keine konstruktiven Gespräche mehr zu. Kurz vor dem Anschluss war es dann für eine Zusammenarbeit gegen die Nationalsozialisten bereits zu spät geworden.

Die folgende Auflistung der gesetzlichen Schritte, die unternommen wur­ den um einen neuen Staat, den Ständestaat zu bilden, sei deshalb in diese Arbeit eingebaut um darzustellen, wie scheinlegal dieser Staat agierte. Für einen Gendarmeriebeamten, der diese Entwicklung mitverfolgte, hätte sich dabei schon die Frage stellen müssen, ob dies alles rechtens war. Da die Regierung auf Dauer nicht mit dem Kriegswirtschaftlichen Er­ mächtigungsgesetz 1917 allein zurechtkam, wurde, um den künftigen Stän­ destaat installieren zu können, in mehreren Schritten folgende rechtliche Konstruktion gewählt: Die Bundesregierung beschloss unter Berufung auf das Kriegswirtschaft­ liche Ermächtigungsgesetz 1917, die „Verordnung der Bundesregierung vom 24. April 1934 über die Abänderung der Geschäftsordnung des National­ rates“15. Darin wurde der § 38a (2) der Geschäftsordnung des National­ rates16 wie folgt geändert: „Ist jedoch das Amt aller drei Präsidenten durch Zurücklegung erloschen, so ist derjenige Abgeordnete, der der stärksten im Nationalrat vertretenen Partei angehört und Mitglied des früheren Präsi­ diums war, zur Führung der Präsidialgeschäfte und des Vorsitzes im Natio­ nalrat bis zur Wahl des neuen Präsidenten berufen.“17 Noch am selben Tage beschloss die Bundesregierung die „Verordnung der Bundesregierung vom 24. April 1934 über die Verfassung des Bundes­ staates Österreich“ (BGBl 239/1934). Die Anlage dieser Verordnung war die Verfassungsurkunde, die zukünftige ständische Verfassung. Der Artikel 182 dieser Anlage besagte: „(1) Der Übergang zu der durch diese Verfassung ge­ schaffenen Neuordnung wird durch ein besonderes Bundesverfassungsge­ setz geregelt (BVG, betreffend den Übergang zur ständischen Verfassung)“. Nun wurde der Nationalrat nach einem Jahr erst- und letztmalig einbe­ rufen und beschloss das „Bundesverfassungsgesetz vom 30. April 1934 über außerordentliche Maßnahmen im Bereich der Verfassung“18. Im Artikel II dieses Gesetzes wurde die Anlage des BGBl 239/1934, die Verfassungs- © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 279

urkunde, als Bundesverfassungsgesetz im Sinne der gegenwärtig geltenden Verfassung erklärt und die Bundesregierung ermächtigt, diese Verfassungs­ urkunde als „Verfassung 1934“ kundzumachen. Im Artikel III wurden der Nationalrat und der Bundesrat aufgelöst. Deren Agenden und Befugnisse wurden auf die Bundesregierung übertragen. Der Nationalrat wurde ohne die Mandatare der Sozialdemokraten, deren Mandate am 16. Februar 1934 für erloschen erklärt worden waren, einberufen. Landbund und Großdeut­ sche Volkspartei verließen die Sitzung. Christlichsoziale und Heimatschutz beschlossen mit 76 Abgeordneten diese außerordentlichen Maßnahmen allein. Danach war es nur folgerichtig, dass die Bundesregierung die „Kund­ machung der Bundesregierung vom 1. Mai 1934, womit die Verfassung 1934 verlautbart wird“19, beschloss. Mit dieser Kundmachung war die Verfassung 1934 rechtens geworden, aber noch nicht in Kraft. Erst mit dem „Bundesverfassungsgesetz vom 19. Juni 1934, betreffend den Übergang zur ständischen Verfassung (Verfassungsübergangsgesetz 1934)“20, beschlossen von der Bundesregierung, wurde die Verfassung 1934 mit dem 1. Juli 1934 in Kraft gesetzt. Am Beginn des nun entstehenden Ständestaates stand das erwähnte „Bundesverfassungsgesetz vom 30. April 1934 über außerordentliche Maß­ nahmen im Bereich der Verfassung“. Auf dieses Gesetz berief man sich bis zum Anschluss immer wieder. Es klingt wie ein „Treppenwitz der Weltgeschichte“ dass gerade die NS- Regierung Seyss-Inquart ihr erstes Gesetz, das Gesetz über die Wiederver­ einigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, ebenfalls auf dieses Gesetz begründete21.

Der Anschluss aus deutscher polizeilicher Sicht

Noch heute macht der Gebrauch der verschiedenen Begriffe für das Ende der Republik Österreich Schwierigkeiten. Die Verwendung der Wörter „Überfall“, „Einmarsch“, „Besetzung“, „Okkupation“, „Eingliederung“, „An­ nexion“, „Anschluss“, „Heimholung“, „Wiedervereinigung“, „Umbruch“ kann sogar die politische Einstellung zu diesem Ereignis erkennen lassen. In Innsbruck kündigte Schuschnigg am 9. März 1938 die Abhaltung einer Volksbefragung für den 13. März 1938 an. Der Slogan hieß „Für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich“. Durch diese geplante Volksbefragung war der reichsdeutschen Führung plötzlich die Initiative genommen worden. Man war sich einer raschen Machtübernahme in Österreich nicht mehr sicher. Die deutsche Führung reagierte daraufhin panisch. Die folgenden, durch den Verfasser teilweise stark gekürzten Dokumen­ te, lassen die Unsicherheit der reichsdeutschen Polizeiführung gegenüber der österreichischen Exekutive gut erkennen. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 280

Ende Februar 1938 — Chef Sicherheitshauptamt Reinhard Heydrich22: Geheime Denkschrift „Das österreichische Sicherheitswesen und dessen Einbau in die Sicher­ heitspolizei des Reiches nach einer Eingliederung Österreichs: Reichs- führer-SS Himmler muss oberster Chef der gesamten Polizei werden. Er wird von einem Beauftragten vertreten, ihm untergeordnet sind zwei Inspekteure (Inspekteur Sicherheitspolizei und Inspekteur Ordnungs­ polizei). Inspekteur Sicherheitspolizei für die Südmark in Wien, auch für Stapo-Leitstelle und Kripo-Leitstelle käme Wien in Frage. Sitz der Stapo-Stellen und Kripo-Stellen, den 6 Gauen entsprechend in Wien, , , Salzburg, , Innsbruck23. Für Stapo-Leitstelle insgesamt, abgesehen von etwa 250 Exekutivbeam­ ten, 32 Leiter und Referenten, 70 Sachbearbeiter sowie 146 Hilfskräfte notwendig. Rechnet man alle notwendigen Arbeitskräfte der Stapo zu­ sammen, so ergibt sich die Gesamtsumme von 2.059 . Personalbedarf Kripo = 1.986 Mann Nur durch einwandfreie Nationalsozialisten, 100%ige Gewähr für restlo­ se Erfüllung der Dienstpflichten. An Material Polizisten und Gendarmen, die als einwandfreie NS bekannt sind, ferner, jene Kreise, die aus Österreich flüchten mussten, endlich die Verfügungstruppe24 mit ihrem ausgesuchten Menschenmaterial. Bei den Stapo-Dienststellen ist eine Sonderdienststelle einzurichten zur Verhinderung der Verschiebung von Kapital ins Ausland. Gesetzliche Handhabe: Widerstand steht zu erwarten in den klerikal ver­ seuchten Gebieten der Gaue ob der Enns und nieder der Enns, sie kön­ nen aber auch von den marxistisch-kommunistisch verseuchten Indus­ triegebieten ausgehen. Andererseits ist zu rechnen, dass von seit Jahren Unterdrückten NS Ex­ zesse ausgehen könnten. Auch solche müssen auf jeden Fall ausgeschaltet werden25. Kein Ausnahmezustand im Gau Südmark, keine neuen Ausnahmegesetze — wegen ausländischer Presse. Polizei wird sich auf die bestehenden Ge­ setze stützen müssen. Gegner, von denen zu befürchten ist, dass sie die reibungslose Eingliede­ rung sabotieren werden, können auch nach dem heute in Österreich gel­ tenden Recht in Konzentrationslagern untergebracht werden. Bei Flucht ins Ausland ist Verordnung BGBl 369 vom 16. August 1933 über den Verlust der Landes- und Bundesbürgerschaft durch Ausbürge­ rung anzuwenden. Aktenmaterial sicherstellen, insbesondere Material des staatspolizeilichen Büros und des Büros Ronge.“26 11*

11. März 1938 — Chef Kurt Daluege27: „[...] Die Inspekteure der Ordnungspolizei sind in den ihnen zugewiese­ nen Bereichen zunächst territorial zuständig und besetzen mit ihren © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 281

Verbänden die Dienststellen der österreichischen Bundespolizei und Gendarmerie [...] sind für die Führung dieser Dienststellen, ausschließ­ lich der politischen und Kriminalpolizei, so lange zuständig, bis der vom RFSSuChdDtPol eingesetzte kommissarische Polizeiverwalter eintrifft28. [...] Den Inspekteuren der Ordnungspolizei werden von der Sicherheits­ polizei SS-Führer zugeteilt. [...] Die Inspekteure und Gruppenkomman­ deure sind ermächtigt, in den einzelnen Standorten der österreichischen Bundespolizei und Gendarmerie, wenn nötig, einzelne österreichische Polizeioffiziere oder Wachtmeister oder auch ganze Formationen des Dienstes zu entheben und zu beurlauben. [...] Soweit sich einwandfrei nachgewiesene und von der Sicherheitspoli­ zei geprüfte Formationen der Partei (SS-, SA-Formationen usw.) zur Hilfeleistung melden, sind diese soweit als möglich als zu vereidigen und einzusetzen.“

12. März 1938 — Reichsführer-SS Heinrich Himmler29: Nach dem Befehl Nr. 4 von Himmler als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei vom 12. März 1938 marschierte die Ordnungspolizei, die während des Einmarsches dem Armeeoberkommando 8 unterstellt war, in vier Marschgruppen in Österreich ein. „Marschgruppe I (Oberst Hoffmann , Inspekteur für Vorarlberg, Tirol, Salzburg) Ziele: Innsbruck, Lindau, Salzburg. Dienstsitz Innsbruck. Marschgruppe II (Oberst Schroers, Inspekteur für Oberösterreich, Nie­ derösterreich, ) Ziele: Steyr, Linz, St. Pölten, Wr. Neustadt/ Eisenstadt. Dienstsitz Linz. Marschgruppe III (Oberst Querner, Inspekteur für Osttirol, Kärnten, Steiermark) Ziele: Leoben, Villach, Graz, Klagenfurt. Dienstsitz Graz. Marschgruppe IV (Generalmajor Mülverstedt, Inspekteur für Wien) Ziel: Wien. Dienstsitz Wien Polizeipräsidium“

14. März 1938 — Besprechung beim Chef Ordnungspolizei (bereits in Wien)30: Unter anderem wurden folgende Gesprächspunkte berührt: „Reorganisation der Polizei steht noch nicht fest — jedenfalls so wie im Reich. Postenauswahl der hohen Posten wird vorläufig dem österreichischen kommissarischen Beauftragten überlassen. Die Kommandeure werden auf 6 Monate zur Einarbeitung nach Deutschland kommandiert. Stärke der in Österreich einmarschierten Polizei ist nach und nach zu verringern. Es werden 8.000 Mann übrig bleiben. Der Aufenthalt dieser ist mit 14 Tagen anzunehmen.“ 18 *

18. März 1938 — Chef Ordnungspolizei Kurt Daluege31: Er schreibt in einem Lagebericht, dass nach dem 20. März 1938 voraus­ sichtlich bis nach der Wahl32 nur mehr folgende Kräfte der Ordnungspolizei in Österreich stehen werden: © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 282

Innsbruck 500 Mann Linz 1000 Mann Graz 1500 Mann Wien 2000 Mann Landesreserve (mot) 1000 Mann

31. März 1938 — Reichsstatthalter in Österreich Arthur Seyss-Inquart33: „An alle Landesgendarmeriekommanden Sig-Runen34 der SS; Genehmi­ gung zum Tragen“ „Allen Angehörigen der uniformierten Polizei (Ordnungspolizei) in Österreich, die bis zum 11. März einschließlich Angehörige der Schutz­ staffel waren, erteile ich hiermit in Anerkennung ihrer Verdienste für die Schaffung Großdeutschlands die Genehmigung, die Sig-Runen der SS nach den erlassenen Verordnungen sofort an der Uniform zu tragen.“ (Es folgen Angaben über die Anbringung der Runen.)

21. April 1938 — Reinhard Heydrich: Reinhard Heydrich, der Chef der Sicherheitspolizei schrieb in einem Ar­ tikel in „Das Schwarze Korps“, des Organs der Reichsführung SS: „[...] Oberstes Gesetz, oberster Richter über alle Eingriffe in die persön­ liche Freiheit, das Eigentum, und, wenn es notwendig werden sollte, über Tod und Leben ist danach auch in Österreich der Führer allein. In diesem Sinne haben nun die deutsche Sicherheitspolizei [Sipo = Geheime Staats­ polizei (Gestapo) und Kriminalpolizei (Kripo)] und der der SS [SD] die Überführung, Organisation und Erziehung der Organe der bisherigen österreichischen Polizei übernommen. [...]“ Die Ordnungspolizei (Orpo) und die Sicherheitspolizei (Sipo) waren gleichrangige Ämter im Reichministerium des Innern gewesen. In der Praxis hatte jedoch die Sicherheitspolizei (Kripo, Gestapo, SD) die größere Macht. 24

24. April 1938 — Ansprache Chef Ordnungspolizei Kurt Daluege an seine aus Österreich zurückgekehrten Polizisten in München35: Unter anderem fand er folgende markige Worte: „Ihr speiset aus eigenem Können zehntausende von darbenden österrei­ chischen Volksgenossen in ihren Elendsbaracken, sänget ihnen unsere Kampflieder und brachtet ihnen erste Freude“. General der Polizei Daluege überbrachte dann die Anerkennung Hein­ rich Himmlers: „Er hat euch belohnt durch die Genehmigung, dass ihr alle, meine Kame­ raden, die ihr in Österreich eingesetzt ward, bevorzugt in die Schutz-staf- fel [SS] und damit in die Bewegung aufgenommen werden sollt. Wir sind stolz darüber. Wird damit doch um einen weiteren Schritt die Forderung erfüllt, dass die gesamte Deutsche Polizei ein Teil der Bewegung werden soll.“ © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 283

Wie stark die österreichischen Volksgenossen in ihren Elendsbaracken „darbten“, zeigt der im Verlauf des Jahres 1938 einsetzende Besucher- und Einkaufsstrom. Der Landeshauptmann von Salzburg bzw. die Parteiorgani­ sation waren monatelang stark damit beschäftigt, die Ausplünderung Salz­ burgs durch Hamsterkäufe von reichsdeutschen Besuchern zu verhindern, die mit Taschen voll Butter und Textilien in das Alt reich zurückkehrten.

Die Gestapo-Liste

Am 10. April 1938 war die „Volksabstimmung über die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich und die Wahl zum Großdeutschen Reichstag“36, für die Nationalsozialisten überaus erfolgreich abgelaufen. Da­ raufhin fand am 21. und 22. April 1938 bei der Geheimen Staatspolizei Salzburg (Gestapo) eine Besprechung statt. Ziel dieser Besprechung war es, die politische Einstellung der Gendarmen des Landes Salzburg während der Kampfzeit der NSDAP zu beurteilen. Zu diesem Zweck haben sich 18 Salzburger Gendarmen, Verbindungs­ männer zur NSDAP, eingefunden. Sie kamen aus allen Salzburger Gauen37 und waren ausnahmslos Mitglieder der NSDAP. Sieben Beamte kamen aus dem Landesgendarmeriekommando bzw. dem Flachgau, zwei aus dem Ten­ nengau, vier aus dem Pongau, drei aus dem Pinzgau und ein Beamter kam aus dem Lungau. Von einem dieser Beamten ist nichts weiter bekannt. Es waren drei Revier- und zwei Rayonsinspektoren, sechs Patrouilleiter sowie sechs Gendarmen. Gendarmerieoffiziere waren nicht vertreten. Diese Gen­ darmen erstellten innerhalb von zwei Tagen auf 22 maschingeschriebenen Seiten von allen 444 Gendarmeriebeamten Salzburgs eine alphabetische Auf­ listung („Gestapo-Liste“) mit folgenden Angaben: — Name, Vorname — Dienstgrad zur Zeit des Anschlusses — Gendarmerieposten — Politische Einstellung; diese Angaben gingen jedoch oftmals weit darü­ ber hinaus. Es wurden auch Feststellungen über geistige und moralische Eigenschaften vorgenommen. Nach Abschluss ihrer Bewertung bestätigten sie „die in der Beilage nie­ dergelegten Angaben über das Benehmen und die Aufführung der Gendar­ merieorgane“ mit ihren Unterschriften und der Bemerkung, „diese nach besten Wissen und Gewissen gemacht zu haben“38. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die vorliegende Gestapo-Liste auch benutzt wurde, um Beamte zu maßregeln. Dazu wurde die „Verord­ nung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums“ vom 31. Mai 1938, kurzBBV (= Berufsbeamtenverordnung) genannt, geschaffen. Der dazu eigens gebildete Sonderausschuss wird diese Liste als eine seiner Entscheidungsgrundlagen benutzt haben, um gegen Beamte ein BBV-Ver- fahren einzuleiten. Der Vorsitzende dieses Sonderausschusses war ein Gen- © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 284

Prämiier Siegfried.B.I.Maiuerndorf tfC Tsoheohensiämnling,verbitterter* Deutschenhasser,radikaler 0«* ner der BSDAP,dauohaurelf.______

Beispiel aus der Gestapo-Liste.

darmerie-Oberstleutnant. Besonders bemerkenswert daran ist, dass dieser kein Parteimitglied war. Er selbst war in dieser Gestapo-Liste als „eifriger Anhänger der NSDAP, jedoch nicht aktiv bzw. illegal“ bewertet worden.

Auswertung der Gestapo-Liste

Es wurde vorausgesetzt, dass diese Liste für den BBV-Sonderausschuss bzw. die Gestapo selbst den Zweck haben sollte, künftige Maßnahmen für oder gegen den einzelnen Gendarmen zu treffen. Der Verfasser dieser Ar­ beit versetzte sich nun in die Lage eines NS-Verantwortlichen. Er versuch­ te, die Gendarmen in „gute“ und „böse“ Gendarmen einzuteilen. Sehr rasch ließen sich Gruppierungen der politischen Einstellung erken­ nen, die dann der weiteren Auswertung zugrunde gelegt wurden. Diese — zugegebenermaßen subjektive — Einteilung wurde vom Verfasser und unab­ hängig davon von einer zweiten Person vorgenommen und dann abge­ glichen. Da aber die Polizeiführung im Dritten Reich vermutlich ebenso subjektiv bewertete, dürfte das Ergebnis doch sehr realistisch sein.

Erkannte Gruppierungen: 1. Illegale Nationalsozialisten 2. National eingestellte Beamte 3. Indifferente Beamte 4. Systemanhänger 5. Eifrige Systemanhänger

Die den Gruppen 2 bis 5 Zugeordneten waren mit Zusätzen positiver, meist aber negativer Art versehen: Positive Beurteilungen: Korrekt — sonst korrekt — nicht gehässig — objektiv — keine Übergriffe — anständig und charaktervoll — hat sich immer anständig benommen — sehr anständig — taktvoll benommen — gewissenhaft. Negative Beurteilungen: Dienstlich schwach — harmlos — unfähig — Stand unter Druck von ... — in nationalen Kreisen nicht geachtet — Drückeberger — übereifriger Bekämp- fer — fanatisch — radikal — kommt für Exekutivdienst nicht in Frage — Deutschenhasser — fanatischer Hasser — abnormal — Denunziant — Gesin­ nungsschwein — Gesinnungslump — pensionsreif — Protektionskind —un­ kameradschaftlich — charakterlos — Kriecher — Kriechernatur — moralisch minderwertig — minderwertiger Charakter — gehässig — Konjunktur­ mensch — verbissener Hasser — Verräter — Spionage gegen das Reich — © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 285

vollkommen defekt — eigener Vorteil — Feigling — Missbrauch der Amts­ gewalt — Jesuit — religiös abnormal — geistig minderwertig — williges Werkzeug — dachaureif — wird von Gestapo bereits behandelt.

Gruppe 1 — Illegale Nationalsozialisten (52 Beamte = 12%) Bei Betrachtung der Gestapo-Liste stellte sich sofort die Frage, wie viele illegale Nationalsozialisten es bei der Salzburger Gendarmerie gegeben hat. Die Auszählung ergab 52 Beamte, die illegale Nationalsozialisten waren, al­ so 12%. Diese Zahl ist die sicherste aller nachstehenden Angaben, da anzu­ nehmen ist, dass die NSDAP-Organisation innerhalb der Gendarmerie wohl wusste, wer ein Illegaler war. Gefestigt wird diese Zahl dadurch, dass keiner dieser Gendarmen in irgend einer Form nach dem Anschluss gemaßregelt wurde. Außerdem konnte festgestellt werden, dass keiner von ihnen zum Stichtag im März 1946 noch als Gendarm eingesetzt war. Sie waren ver­ mutlich freiwillig ausgeschieden oder im Rahmen der ersten Phase der Ent­ nazifizierung (siehe Kapitel „Entnazifizierung“) entlassen worden. Wie es möglich war, dass 12% aller Salzburger Gendarmen unerkannt Mitglieder der NSDAP sein konnten, scheint auf den ersten Blick unver­ ständlich, da ja als bekannt vorausgesetzt werden darf, dass Staatsbeamte, insbesondere im Exekutivdienst stehende, besonderen Ansprüchen genügen mussten. Dass dies aber doch möglich war, lässt mehrere Schlüsse zu: — Die Illegalen agierten besonders geschickt und konspirativ. — Das System des Ständestaates war schon derartig morsch und innerlich gefährdet, dass das „Wegschauen“, insbesondere nach dem Deutsch- Österreichischen Verständigungsabkommen vom 11. Juli 1936 und der damit verbundenen Amnestierung vieler Nationalsozialisten (die Partei blieb allerdings weiterhin verboten) zur Maxime wurde. Die Annähe­ rung Italien/Deutschland im Jahr 1937 und der zunehmende Druck Italiens, Österreich möge sich mit Deutschland arrangieren, dürfte auch nicht seine Wirkung verfehlt haben. Zur Jahreswende 1937/38 scheint es schon so weit gewesen zu sein, dass einem erkannten Nationalsozialisten nichts Existenzbedrohendes mehr geschah. — Mit Rücksicht darauf, dass Gendarmeriebeamte nur nach langjähriger Bewährung im Militär und auch dann nur nach entsprechender Über­ prüfung eingestellt wurden, erscheinen die 12% illegale Nationalsozia­ listen in der Gendarmerie doch sehr hoch. Zuerst staatstreue Beamte, dürften viele erst im Verlaufe ihres Dienstes politisiert worden sein. Viele glaubten auch, Position beziehen zu müssen, da sie ansonsten ge­ gen die Masse der Bevölkerung stehend, zwischen Links und Rechts zer­ rieben worden wären. — Die so genannten „Innenminister Fey-Versetzungen“, Versetzungen von Beamten, die der Illoyalität verdächtigt wurden, denen aber nichts be­ wiesen werden konnte, waren schon früh ein Ausdruck der Hilflosigkeit des Systems. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 286

— Die Kenntnis über die Machtergreifung im Deutschen Reich 1933 und die daran anschließenden Säuberungen im Sicherheitsapparat Deutsch­ lands waren auch nicht dazu angetan, sich durch besondere Aktivität hervorzutun. — Falsch verstandene Kameradschaft unter Gendarmen erschwerte die An­ zeige verdächtigter Illegaler. — Nach dem erpressten Abkommen von Berchtesgaden wurde am 16. Fe­ bruar 1938 der Nationalsozialist Arthur Seyss-Inquart zum Bundesminis­ ter im Bundeskanzleramt ernannt und mit der sachlichen Leitung der Angelegenheiten der inneren Verwaltung und des Sicherheitswesens be­ traut. In diesem letzten Monat vor dem Anschluss waren die Sicherheits­ organe nunmehr auch von innen her bedroht. Eine wirksame Bekämp­ fung der NSDAP, die weiterhin verboten blieb, war damit unmöglich geworden. So sollte beispielsweise der später ermordete Salzburger Si­ cherheitsdirektor, Gend-Oberst Ludwig Bechinie, bereits am 7. März 1938 mit Wirkung vom 14. März, durch eine Verordnung des Sicher­ heitsministers Seyss-Inquart, abgelöst werden39. Vermutlich kann nur eine Kombination mehrerer dieser Erklärungsver­ suche erhellen, warum jene 52 Beamten unerkannt oder unbehelligt agieren konnten. Andererseits erforderte es schon eine gehörige Portion Mut bzw. Überzeugung, als Gendarmeriebeamter Nationalsozialist zu werden und da­ mit die Arbeitslosigkeit oder gar die Einlieferung in ein Anhaltelager zu ris­ kieren. Allein das Gerücht, dass im Beamtenapparat, also auch bei Polizei und Gendarmerie, Illegale säßen, hinderte viele Bürger daran, sich den Sicher­ heitsbehörden anzuvertrauen. Dies ging so weit, dass es etwa in der Landes­ leitung der Vaterländischen Front Salzburgs (VF) einen Abwehrdienst gab, der von sich aus polizeiähnliche Erhebungen gegen die Nationalsozialisten betrieb, da den Sicherheitsorganen, meist ungerechtfertigt, nicht mehr ver­ traut wurde. Die Landesleitung der VF nahm dann direkten Kontakt mit dem Polizeipräsidenten von Salzburg auf, um ihre Informationen weiterzu­ geben und dadurch den Informanten zu schützen. Besonders schwierig dürf­ te es auf dem Land gewesen sein, eine Anzeige geheimzuhalten, wenn nur ein einziger Beamter eines Postens Nationalsozialist war und seiner NSDAP-Ortsgruppe sofort Meldung darüber erstattete. In dieser Hinsicht bedeutete die Zahl von 12% Illegaler ein extrem hoher Anteil. Man kann sich auch vorstellen wie schwierig es für die Gendarmeriefüh­ rung war, einerseits zu wissen, dass es Zuträger für die Nationalsozialisten gab, andererseits bei der Suche nach diesen die staatstreuen Beamten nicht zu verdächtigen und sie damit zu beleidigen. Folgende Behauptungen, die heute wieder oder immer noch kursieren, wie — die Gendarmen waren größere Nazis als wir (Aussage eines im Anhalte­ lager Wollersdorf einsitzenden Nationalsozialisten), © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 287

— die Gendarmerie bestand bereits zum Großteil aus Nazis (Aussage eines prominenten politisch verfolgten Sozialdemokraten), — die Nazis hatten die Sicherheitsorgane bereits in der Hand, sind eindeutig der Legende zuzuordnen.

Die Behauptung, dass die Sicherheitsorgane bereits in der Hand der Na­ tionalsozialisten waren, traf für die Salzburger Gendarmerie sicher nicht zu. Diese Behauptung wird auch durch die relativ friktionslose Eingliederung der österreichischen Exekutive in das Polizeiwesen des Dritten Reiches nicht bewiesen. Die bereits beschriebene extreme polizeiliche Absicherung des militärischen Einmarsches in Österreich durch die Deutsche Ordnungs­ und Sicherheitspolizei kann als Beleg herangezogen werden, dass man sich der österreichischen Exekutive eben nicht sicher war.

Gruppe 2 — National eingestellte Beamte (77 Beamte = 17,8%) Es waren dies Beamte, die dem Nationalsozialismus positiv, zumindest aber nicht ablehnend gegenüberstanden. Es dürften Beamte gewesen sein, die mit dem Begriff „Deutsch“ nicht Deutsch-Österreich sondern Groß­ deutsch oder Deutschnational assoziierten. Beamte, die vielleicht auch dem alten deutschen Reichsgedanken nachtrauerten und daher Sympathien für das neue tausendjährige Deutsche Reich hegten. Beamte auch, die im Kame­ radenkreis zu erkennen gaben, dass sie mit den herrschenden politischen Zuständen des Ständestaates nicht einverstanden waren oder gar die „natio­ nalsozialistische Revolution“ bevorzugten. Es waren dies auch Beamte, die der NSDAP nicht beitreten konnten, weil diese in ihrer Illegalität offizielle Aufnahmen in die Partei zeitweise aus Sicherheitsgründen nicht vornahm, oder auch Beamte, die es aus persönlichen/familiären oder rechtlichen Gründen nicht wagten der NSDAP beizutreten und deren Aktivitäten nur äußerst vorsichtig förderten, zumindest aber nicht massiv behinderten. Jedenfalls wurden die in diese Gruppe eingereihten Beamten von den ille­ galen Nationalsozialisten als die ihnen politisch am nächsten stehend be­ trachtet. So gesehen muss diese Gruppe im Zusammenhang mit der Gruppe 1 gesehen werden. Es war dies auch der Personenkreis, der nach dem An­ schluss bevorzugt in die NSDAP aufgenommen wurde. Etliche von ihnen dürften auch nachträglich als Illegale geadelt worden sein.

Gruppe 3 — Indifferente (daher systemstützend) (109 Beamte = 25,2%) Dies waren Beamte, die weder verbal noch durch ihre dienstliche Hal­ tung eine Zugehörigkeit oder Nähe zu einer politischen Partei erkennen lie­ ßen. Die Bewertung dieser Gruppe war am schwierigsten. Zuerst bot sich der Schluss an, dass dies die typischen Rückversicherer waren und ihre Gesinnung den Umständen anpassten. Sie wollten oder konnten sich eben nicht festlegen. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 288

Die nähere Beschäftigung mit diesem Personenkreis lässt aber eher den Schluss zu, dass viele dieser Beamten ihren Dienst so versahen, wie es dem Schober4 sehen Ideal40 eines unpolitischen altösterreichischen Beamten ent­ sprach. Mit dieser Haltung konnten sie auch vermeiden, durch ständige Zweifel an ihrer Dienstleistung innerlich zerrieben zu werden. Der Beamteneid, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dürfte ihnen ein besonderes Anliegen gewesen sein. Beson­ ders interessant wäre es zu wissen, inwieweit sich diese Gruppe von Beam­ ten im befohlenen Kampf gegen Sozialdemokraten und Kommunisten auch Indifferent verhalten hat. Dieser Gruppe dürfte auch der Übergang in das NS-System nicht besonders schwer gefallen sein, da dieser in der Öffent­ lichkeit als verfassungsrechtlich korrekt und als Wille des Volkes dargestellt wurde.

Gruppe 4— Systemanhänger (110 Beamte = 25,4%)

Diese Beamten waren dem Ständestaat ergeben und zeigten dies auch öf­ fentlich. Sie waren Beamte, die ihren Dienst korrekt versahen, sich aber auch politisch für die Regierung der so genannten Systemzeit einsetzten, da­ her auch der gängige Begriff „Systemanhänger“. Auch dieser Gruppe dürfte der Beamteneid, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ein besonderes Anliegen gewesen sein.

Gruppe 5 — Eifrige Systemanhänger (85 Beamte = 19,6%)

Diese Gruppe war die im Gendarmeriekorps vermutlich am deutlichsten erkennbare Gruppierung. Es waren dies besonders staatstreue und/oder auch besonders gesetzestreue, aber auch fachlich besonders tüchtige und im wörtlichen Sinne rücksichtslose und daher auch im Kampf gegen die Oppo­ sition erfolgreiche Beamte. In diese Gruppe wurden auch diejenigen Beam­ ten eingereiht, die besonders energisch gegen die NSDAP vorgegangen wa­ ren, also auch Beamte, die körperlicher Übergriffe gegen Nationalsozialisten beschuldigt wurden. Es waren dies die Beamten, die eine Machtübernahme der NS am meisten zu fürchten hatten.

Der Beamten- bzw. Soldateneid Der Beamten- und Soldateneid hatte in der damaligen Zeit ganz sicher eine besondere Bedeutung. In den ersten Tagen nach dem Anschluss wurde allen Staatsorganen der Beamten-/Soldateneid abgenommen. Wer diesen Eid nicht leistete, wurde entlassen. Mit welchen Gefühlen die Beamten und Sol­ daten ihren Eid auf den Führer abgelegt haben ist unbekannt. Jedenfalls be­ riefen sich viele von ihnen nach dem Krieg auf diesen Treueeid gegenüber dem Führer. Selbst als sie das Schreckliche dieses Systems erkannt hätten, sei © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 289

es ihnen einfach nicht möglich gewesen, diesen Treueeid zu brechen. Ihre ganze Erziehung und das Wissen um die Gültigkeit Treu bis in den Tod hätte dies nicht zugelassen. Wie aber verträgt sich diese Haltung, die es sicher vielfach gegeben hat, mit der Haltung der illegalen Gendarmen und Beamten, die auch einmal feierlich ihren Eid auf die Republik Österreich abgelegt hatten? War dies eine andere Art von Eid? Diese Gendarmeriebeamten und Beamten allgemein, die ja den Anspruch erhoben haben, besonders gute und treue Nationalsozialisten zu sein, bau­ ten ihren Treueeid auf den Führer mit einem Treuebruch gegenüber ihrer Republik auf. Sie, die Eidesbrecher, die Österreich dem Nationalsozialismus ausgeliefert hatten, verlangten nun vom ganzen Volk Treue bis in den Tod und viele, zu viele, glaubten auch wirklich ehrlich und überzeugt, danach handeln zu müssen.

Ergebnis der Auswertung

Auf Grund dieser (subjektiven) Einteilung wurde von 433 Beamten fol­ gende Zuordnung getroffen (die Angaben zu 11 Beamten waren nicht aus­ sagekräftig genug gewesen und wurden daher aus der Statistik ausgeschie-

Personen je Gruppe (1 bis 5). Vergleiche auch Tabelle auf der nächsten Seite.

Maßregelungen — Methoden

Nachdem die Nationalsozialisten ab 11. März 1938 abends die Staats­ gewalt in Österreich übernommen hatten, begann in allen Lebensbereichen die Verfolgung ihrer Gegner. So setzten auch im Bereich des Landesgendar­ meriekommandos Salzburg Säuberungen bzw. Maßregelungen unter den Beamten aller Dienstgrade ein. Die Masse der Maßregelungen wurde aller- 290 1. Illegale © Gesellschaft2. National für Salzburger Landeskunde,3. Salzburg, Austria;4. System- download unter www.zobodat.at5. Eifrige NSDAP eingestellte Indifferente anhänger Systemanhänger Gesamt Flachgau 19 (11,4%) 27 (16,2%) 49 (29,5%) 29 (17,4%) 42 (25,3%) 166 (100%) + LGK* 46 (27,6%) 78 (46,9%) Tennen- 7 (15,9%) 7 (15,9%) 10 (22,7%) 13 (29,5%) 7 (15,9%) 44 (100%) gau 14 (31,8%) 23 (52,2%) 3 (9,1%) 7 (21,2%) 6 (18,1%) 7 (21,2%) Lungau 10 (30,3%) 33 (100%) 10 (30,3%) 13 (39,3%) 11 (11,7%) 17 (18,1%) 25 (26,5%) 21 (22,3) Pinzgau 20 (21,2%) 94 (100%) 28 (29,8%) 46 (48,8%) 12 (12,5%) 19 (19,7%) 20 (20,8) 15 (15,6%) Pongau 30 (31,2%) 96 (100%) 31 (32,2%) 35 (36,4%) Bundes­ land 52 (12,0%) 77 (17,8%) 109 (25,2%) 110 (25,4%) 85 (19,6%) 433 (100%) Salzburg 129 (29,8%) 195 (45,0%)

* LGK = Landesgendarmeriekommando

Personen und Prozent je Gruppe. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 291

dings erst nach der Volksabstimmung und Reichstagswahl vom 10. April 1938 durchgeführt, um das günstige Abstimmungsklima nicht zu gefährden. Diese Säuberungen erfolgten österreichweit, also auch in Salzburg, auf mehrfache Weise: * Örtliche Parteiorganisationen oder Funktionäre entschieden, welche staatlichen Organe weiter Dienst versehen durften. Diese wilden Säuberun­ gen geschahen meist nur in den ersten Tagen der Machtübernahme und wa­ ren oftmals persönlich motiviert. Dabei wurden mehrfach, in Revolutions­ manier, ehemalige Systemanhänger in Demonstrationszügen durch die Ort­ schaften geführt. Sie wurden geschmäht bedroht und verprügelt. Ungesetz­ liche Festnahmen wurden vorgenommen. Das befohlene Abreißen von Schuschnigg-Volksabstimmungsplakaten durch Systemanhänger war ein be­ liebter Volkssport. Diese Aktionen geschahen manchmal auch im Beisein anderer örtlicher Gendarmen, die diese Aktionen absicherten oder absi­ chern mussten. * Dienstrechtliche Behandlung durch die Dienstbehörde. Dabei wurde die „Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums“ vom 31. Mai 1938 (Berufsbeamtenverordnung — BBV) als bevorzugtes lega­ les Mittel der Maßregelung eingesetzt. Von Versetzung, Versetzung in den Ruhestand mit % oder Vi des Ruhebezuges hin bis zur Entlassung reichten derartige Maßregelungen. Der § 4 BBV sprach von „Beamten, die nach ihrem bisherigen politischen Verhalten nicht die Ge-währ dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten. [...] vor allem für Beamte, die gegen die nationalsozialistische Bewegung und ihre Anhänger gehässig aufgetreten sind oder ihre dienstliche Stellung dazu missbraucht haben, um völkisch gesinnte Volksgenossen zu verfolgen, zu­ rückzusetzen oder sonst zu schädigen [...]“ Die Masse der so genannten Maßregelungen wurde unter Anwendung dieser BBV abgewickelt. * Strafrechtliche Behandlung durch das Gericht. Erhebungen über ver­ meintliche oder tatsächliche Übergriffe gegen die zuvor illegalen National­ sozialisten wurden in einigen Fällen eingeleitet. In dieser Hinsicht ist in Salzburg auch die Verfolgung der Soldaten und Exekutivorgane, die an der Niederschlagung des NS-Putsches vom Juli 1934 in Lamprechtshausen betei­ ligt waren, bekannt. * „Verwaltungsrechtliche Behandlung“ durch die Gestapo unter Anwendung der Schutzhaft. Die Schutzhaft war das wichtigste und wirksamste Mittel staatlicher Repression im NS-Staat. Staatspolizeiliche Maßnahmen waren der Überprüfung durch Gerichte, auch der Verwaltungsgerichte, entzogen. Die Verhängung der Schutzhaft wurde so zum reinen Verwaltungsakt. Die Schutzhaft war im Reich durch die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat“41 am 28. Februar 1933 eingeführt worden. Sie hob das Recht der Freiheit der Person — zeitweilig wie es hieß — auf. Mit ihrer Einführung wurden die Konzentrationslager, insbesondere die der SA, die nach dem Reichstagsbrand in Berlin, kurz nach der Bestellung Hitlers zum Reichskanzler, geschaffen wurden, legalisiert. Sie wurde, spätestens ab © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 292

20. April 1934, einheitlich nur mehr durch das Gestapa (Geheimes Staats­ polizeiamt) in Berlin bestätigt bzw. vollzogen, da der Reichsführer-SS Hein­ rich Himmler zu diesem Zeitpunkt Chef jeder einzelnen politischen Län­ derpolizei geworden war. Etwa ab diesem Zeitpunkt wurde die Organi­ sation und Aufsicht über die Konzentrationslager nicht durch Staatsorgane, sondern durch die Parteiorganisation SS durchgeführt. Ein Runderlass des Reichsministerium des Innern vom 26. April 1934 regelte die Schutzhaft genauer. Darin wurde festgelegt, dass die Schutzhaft ausschließlich in staat­ lichen Gefangenenanstalten oder Konzentrationslagern zu vollstrecken und nur solange aufrechtzuerhalten sei, als ihr Zweck es erfordere.

Besonders zynisch zeigten die Nationalsozialisten ihre Macht, als sie am 21. Mai 1938 in der Zeitung „Volksfreund“ der Salzburger Bevölkerung fol­ gende geistvolle Strophen zumuteten. „Arrestanten-Ball. Die eingesperrt und drangsaliert, An Leib und Seel‘ geschunden, Von Schuschniggs Schergen abgeführt, Im Kerker sich gefunden. Die laden Euch zum Tanzen ein. Am Samstag abend, dann um acht. Ein echtes Volksfest soll es sein — Und lustig, daß die ganze Bude kracht. Einladungen samt Ehrenkarten sind ergangen an: Gend-Oberst Sicherheitsdirektor Bechinie, dzt. Luftkurort Dachau; Helmut Hirschall, Landesgericht Wien; Staatsanwalt Rechfeld, dzt. Luftkurort Dachau; Kriminalbeamter Johann Lackner, dzt. Luftkurort Dachau; Kriminalbeamter Wilhelm Ackermann, dzt. Luftkurort Dachau. Alle hätten uns mit ihrem werten Besuch erfreut, wenn — sie nicht so erholungsbedürftig wären.“ Haben die Salzburger beim Lesen dieses Gedichtes damals schon erkannt, welche Ungeheuerlichkeit sich mit dem Begriff „Luftkurort Dachau“ ver­ band? Die im Gedicht geschmähten Beamten lernten die Wirklichkeit von Dachau und Buchenwald kennen. Gend-Oberst Bechinie, der letzte Sicher­ heitsdirektor Salzburgs, wurde am 15. Mai 1941 im KL-Buchenwald, ver­ mutlich bei einem „Gasversuch“, umgebracht42. Der Gendarm Lackner von der Erhebungsgruppe des LGK kam 1943 schwerkrank aus dem KL zurück und durfte anschließend in der Wehrmacht seine „Pflicht erfüllen“43. Der Kriminalbeamte Wilhelm Ackermann starb am 6. Mai 1940 in Buchenwald.

Maßregelungen — Zahlen

Informationen über Maßregelungen stammen in der Masse aus dem Do­ kumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DOW) in Wien und aus dem Salzburger Landesarchiv (SLA), aber auch aus dem Staatsarchiv/ Archiv der Republik. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 293

Hier sei besonders angemerkt, dass das Salzburger und das Oberösterrei­ chische Landesarchiv seit 1998 gemeinsam Materialien der US Allied Com­ mission for Austria (USACA) in den USA verfilmen lassen. Diese Mikro­ filme basieren durchwegs auf internen Papieren der USACA, aber auch auf dem Schriftverkehr der USACA während der Besatzungszeit mit österrei­ chischen Behörden. Das Landesgendarmeriekommando Salzburg hatte 1966 eine Liste von 63 während der NS-Zeit gemaßregelten Gendarmeriebeamten zusammenge­ stellt44. Diese Liste bestätigte sich im Laufe des Aktenstudiums am Salzbur­ ger Landesarchiv bei Durchsicht des Bestandes Präsidialakten 1938-1940 sowie des Bestandes Reichsstatthalter. Allerdings lagen diese Hinweise auf Maßregelungen nicht als geschlossene Personalakten vor, sondern ergaben sich als Einzelhinweise die in den verschiedensten Materien der genannten Bestände nur mühsam aufzufinden sind. Neben diesen, gemäß der Verordnung zur Neuordnung des österreichi­ schen Berufsbeamtentums vom 31. Mai 1938 als offiziell gemaßregelt be­ kannt gewordenen Beamten, wurden vom Verfasser noch einige Beamte hinzugefügt, deren Schicksal es zulässt, als gemaßregelt bewertet zu werden. Es waren darunter auch solche, die im BBV-Verfahren zwar entlastet wur­ den, dann aber doch „wegen ihres schlechten Rufes in NS-Kreisen“ versetzt worden waren.

Insgesamt konnten 75 Maßregelungen festgestellt werden. 9 Beamte in Konzentrationslagern: 1 Beamter — Entlassung, 1939 im KZ verstorben 1 Beamter — Entlassung, KZ, Militärdienst 5 Beamte — KZ 1 Beamter — Misshandlung, Spital, Entlassung, KZ 1 Beamter — im Auftrag Görings in Schutzhaft genommen 5 sonstige Festnahmen: 1 Beamter — misshandelt, verübte später Selbstmord 1 Beamter — verhaftet, dem Gericht übergeben 1 Beamter — Festnahme, dann Zimmerarrest, da Arrest überfüllt war 1 Beamter — Festnahme, muss Systemsymbole durch den Ort tragen, Hausarrest 1 Beamter — verhaftet, jedoch kurz daraufhin wieder entlassen 29 Ruhestandversetzungen: 1 Beamter — Ruhestandversetzung, zweimal inhaftiert 1 Beamter — Ruhestandversetzung. Verfahren wegen Gewalt­ anwendung 1 Beamter — Ruhestand mit 50%, Militärdienst 16 Beamte — Ruhestandversetzung 9 Beamte — Ruhestandversetzung, 3/4 Ruhegenuss 1 Beamter — Ruhestandversetzung, % Ruhegenuss, Delogierung © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 294

29 Versetzungen: 7 Beamte — vom Dienst enthoben, später Versetzung 1 Beamter — vom Dienst enthoben, Versetzung, als Gend-Haupt- wachtmeister gefallen 1 Beamter — Versetzung, 1939 als Gendarm festgenommen (Heimtücke­ gesetz45) 2 Beamte — Versetzung, später Zuchthaus wegen Rundfunkverbrechens 1 Beamter — Versetzung, dann Haft 17 Beamte — Versetzung 3 vom Dienst enhobene Beamte

Einberufung zum Militärdienst wurdet in diese Liste nich aufgenommen, da die Daten dafür fehlen bzw. weil es unklar ist, ob diese Einberufung als Maßregelung anzusehen war. In etlichen Fällen war dies sicherlich die ein­ fachste Lösung, einen unliebsamen Gendarmen auf „elegante“ Art loszu­ werden.

Die Gemaßregelten

Dienst- Beurteilung durch NS Maßregelungen Name Grad Ort (Zitat) (v. Verfasser erarb.) S. Revlnsp Badgastein Ehern. Marxist, eifrigster Sys­ Entlassung, im KZ temanhänger, schärfster Geg­ 1939 verstorben ner der N.S. Tschechen- stämmling, dachaureif L. Gend Salzburg Genannter ist bereits wegen Entlassung, KZ, schwerer Übergriffe in Da­ Wehrmacht chau P. KrB Salzburg Systemanhänger, Gegner der kurzzeitig KZ NSDAP, Übergriffe W. KrB Salzburg Größtes Gesinnungsschwein war mit F. im KZ bis 33 Nat.soz. dann eifriger 11/1940 Kripo Gegner und Verrräter, wollte ihn wieder schwere tätl. Übergriffe un­ in den Diens stel­ bedingt dachaureif len; Wehrdienst W. Revlnsp Adnet Eifriger Systemanhänger und Ruhestandver­ Bekämpfer der NSDAP setzung, KZ P. Revlnsp Neumarkt Sadistischer Draufgänger ge­ Entlassung, KZ gen die NS. hat sich ganz ge­ meine Übergriffe zu Schulden kommen lassen, dachaureif G. Revlnsp Zell am See Schwerster Feind der N.S. Verhaftung, KZ Marxist, hat sich schwerste Ue zuschulden kommen las­ sen, wird von Gestapo bereits behandelt, dachaureif © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 295

Dienst- Beurteilung durch NS Maßregelungen Name Grad Ort (Zitat) (v. Verfasser erarb.) B. Revlnsp Grossari Gesinnungsschwein, hat sich Festnahme, Miss­ schwere Ue. zuschulden handlung, Spital, kommen lassen, Dachau Entlassung, KZ P. Revlnsp Mauterndorf Tschechenstämmling, verbit­ Im Auftrag Gö- terter Deutschenhasser, radi­ rings in Schutz­ kaler Gegner der NSDAP, haft genommen dachaureif K. Bezlnsp Wagrain Missbrauch der Amtsgewalt Festnahme, muss begangen und Dienstgelder Systemsymbole unterschlagen, eifriger Sys­ abmontieren und temanhänger und Bekämpfer im Rahmen eines des N.S. erheben „Umzugs“ durch den Ort tragen, Hausarrest A. Patrl St. Johann Übergriffe werden erhoben. Festnahme, Ent­ Kommt für den Exekutiv­ lassung. NSDAP- dienst nicht mehr in Frage Anwärter 1942 A. Gend St. Johann Politisch indifferent. Hat sich Misshandlungen, keine Übergriffe zuschulden verübte später kommen lassen Selbstmord K. Gend Golling Eifriger Systemanhänger, Verhaftet, dem Ge­ schwarzes Protektionskind, richt übergeben. erheben NSDAP seit 1940, NSKK seit 1939 B. Raylnsp Saalfelden Gegner der NSDAP, hat sich Ruhestandverset­ schwere Ue. zuschulden zung, zweimal kommen lassen, Erhebg inhaftiert A. Gend Pfarrwerfen Systemanhänger, hat sich kei­ Ruhestand­ ne Übergriffe zu schulden versetzung kommen lassen A. Bezlnsp Hallein War bis zum Feberputsch Ruhestand­ 1934 Marxist, nachher unter­ versetzung tänigster Systemanhänger und Gegner der NSDAP. Direkte Vergehen sind nicht bekannt. Er ist schon wegen seiner schlechten Charaktereigen­ schaften pensionsreif A. Bezlnsp Tamsweg Gesinnungslump, Pensions­ Ruhestand­ reif versetzung B. Revlnsp Böckstein Gesinnungsschwein, Deut­ Ruhestandver­ schenhasser, Tschechen­ setzung, Va Ruhe­ stämmling, dachaureif Ue. genuss werden erhoben © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 296

Dienst- Beurteilung durch NS Maßregelungen Name Grad Ort (Zitat) (v. Verfasser erarb.) D. Revlnsp Eben i. P. War vor dem Verbot Mit­ Ruhestandsver­ glied der NSDAP, dann setzung, 5A Ruhe­ schwerer Systemanhänger, genuss Legitimist in Verbindung mit Otto v. Habsburg und Doll- fuss. Ganz besonders schwe­ rer Bekämpfer der NSDAP. Geistig vollkommen minder­ wertig, Ue. werden erhoben F. Patrl Badgastein War vor dem Verbot Nat. Versetzung, später Soz. später schwerer Gegner, Gend-Hauptwacht- Systemanhänger und hat sich meister. 1939 als Ue zuschulden kommen Gendarm festge­ lassen, Erhebungen nommen (Heim­ tückegesetz) G. Patrl St. Michael Pol. indiff. moralisch und 31.12.1938 mit i. L. geistig etwas zurück 80% (?) pensioniert G. Revlnsp Seekirchen Systemanhänger, Kriecher, Ruhestands­ erheben versetzung H. Patrl Oberndorf Charakterloser Gesinnungs­ Mitbelasteter im lump, hat sich schwerste Ue Prozess gegen Ro­ zuschulden kommen lassen, senkranz 1938. dachaureif, Erhebungen im Ruhestandsverset­ Zuge zung 3/4 Ruhegenuss H. Revlnsp Werfen Systemanhänger und Gegner Ruhestandsverset­ des N.S. hat sich schwere Ue zung. Verfahren geleistet wegen Gewalt­ anwendung H. Raylnsp Mühlbach Systemanhänger, wegen Ue Ruhestands erheben Versetzung H. Raylnsp Aigen Schwerer Systemanhänger Ruhestands­ und Legitimist, geistig min­ versetzung derwertig ebenso moralisch, Ue werden erhoben K. Revlnsp Saalfelden Eifrigster Systemanhänger kurze Haft, Ruhe­ und übereifriger Bekämpfer standsversetzung der N.S. Ue % Ruhegenuss, Delogierung K. Gend Uttendorf Indiff. Wehrmachtsgericht 6 J. Gef. (unerlaub­ te Entfernung), Be­ währungskomp., 1945 gefallen K. Revlnsp Bramberg Eifrigster Systemanhänger, Ruhestandverset­ charakterloser Denunziant, zung 5A Ruhegenuss © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 297

Dienst- Beurteilung durch NS Maßregelungen Name Grad Ort (Zitat) (v. Verfasser erarb.) (Bramberg) schwarzes Protektionskind und eifrigster und gehässiger Bekämpfer der N.S. K. Bezlnsp Zell am See Eifrigster Systemanhänger Ruhestand­ und schwerster und gehässigs­ versetzung ter Bekämpfer des N.S. Hat schweren Druck auf die Dienststellen seines Bez. aus­ geübt, bestenfalls pensionsreif L. Revlnsp Salzburg Christlsoz. Systemanhänger, 11.03.1938 verhaf­ ausgesprochene Kriecher­ tet, kurz darauf natur, pensionsreif wieder entlassen L. Revlnsp Thalgau Christl.soz. Systemanhänger, Ruhestand­ pensionsreif versetzung L. Raylnsp Hallein Konjunktursschwein, geistig Ruhestand­ minderwertig und charakter­ versetzung los, pensionsreif, Erhebungen O. Revlnsp Kuchl Fanat. Systemanhänger und Ruhestandverset­ schwerer Gegner der NSDAP, zung 5A Ruhegen., geist. schwach NSDAP-Anwärter, 1941 abgelehnt P. Raylnsp Radstadt Erbitterter Gegner der NS., Ruhestand­ Deutschenhasser versetzung P. Obstlt Salzburg Nat. eingest., nicht aktiv Ruhestandver­ setzung beantragt P. Patrl Radstadt Hat sich gegen NS. tätlich 12/1938 Ruhe­ vergangen, später wegen stand mit 50% Verehelichung mit einer NS. 1941-1945 Wehr­ dienstl. benachteiligt macht, Kraftfahrer bei Marine Q. Raylnsp Golling Systemling, eifriger Gegner Festnahme, dann der NSDAP Zimmerarrest, da Arrest überfüllt R. Bezlnsp Hallein Gesinnungslump, gebärdet Ruhestand­ sich jetzt national, Druck auf versetzung seine Posten, war Liebling eines Bechinie und D., bis zuletzt denunziert S. Revlnsp Puch Radikaler Systemanhänger Ruhestandver­ und Gegner der NSDAP setzung % Ruhe­ Kriechernatur minderwerti­ genuss ger Charakter S. Obstlt Salzburg Seit 17.01.1935 in Salzburg Einige Tage Lan­ nat, benommen, gegen Unter­ desgendarmerie­ gebene korrekt und hat kommandant, © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 298

Dienst- Beurteilung durch NS Maßregelungen Name Grad Ort (Zitat) (v. Verfasser erarb.) (S.) (Salzburg) Gend. wegen ihrer nat. Ein­ dann Ruhestand­ stellung und daher angegrif­ versetzung % Ru­ fen wurden, teilweise gedeckt hegenuss W. Raylnsp Taxenbach Systemanhänger eifriger Ver­ Ein Gendarm W. folger der NSDAP Tsche- war 1934 zur chenstämmling geistig min­ Putschzeit Gen­ derwertig moralisch defekt darm in L. Ruhe­ pensionsreif standversetzung W. Gend Tweng Konjunktursmensch, war bis Ruhestand­ 1938 Legitimist, unfester versetzung Charakter w. Raylnsp Grödig Fanat. Systemanhänger hasser Ruhestandverset­ der NSDAP Legitimist zung H Ruhe­ pensionsreif genuss w. Raylnsp Eben Systemanhänger gegenüber Ruhestand­ der NSDAP, ehemals Marxist versetzung beim Juliputsch in Mandling korrekt benommen und Blut­ opfer verhindert w. Revlnsp Lamprechts- Systemanhänger Gegner der Zeuge im Putsch- hausen NSDAP Tschechenstämmling Prozess Lam- Feigling und Denunziant, prechtshausen 11/ pensionsreif 1934 Ruhestand­ versetzung c . Revlnsp Salzburg Tschechenstämmling, schwe­ Versetzung, später rer Deutschenhasser bis Um­ Gend-Meister. bruch, Ue 2 Jahre Zuchthaus wegen Rundfunk­ verbrechens B. Revlnsp Maxglan Tschechenstämmling, hat sich Versetzung. 1944 Ue. zuschulden kommen las­ als Gend-Meister sen, werden erhoben i.R. Zuchthaus we­ gen Radiohörens H. Patrl Lend Gesinnungsschwein, Denun­ Versetzung, dann ziant, charakterloses Individi- Haft, später Gend- um, Kriechernatur, dachau­ Hauptwachtmeis- reif, Ue erheben ter. NSDAP seit 1940 V. Revlnsp Krimml Systemanhänger und schwe­ Versetzung, später rer Gegner der NSDAP Gend-Meister s. Revlnsp (Unbekannt) War nur in der Liste der Gemaß- regelten enthalten Versetzung, später Gend-Meister © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 299

Dienst- Beurteilung durch NS Maßregelungen Name Grad Ort (Zitat) (v. Verfasser erarb.) S. Gend Bruck Systemschwein, Kriecher­ Versetzung, später natur, radikaler Gegner der Gend-Haupt- NSDAP, Spionage gegen das wachtmeister Reich, dachaureif S. Gend Großgmain Systemanhänger und eifriger Versetzung, später Gegner der NSDAP Gend-Hauptwacht- meister. Als NSDAP-Anwärter 1940 abgelehnt P. Raylnsp Lamprechts- Fanatischer Gegner der Versetzung, später hausen NSDAP Gend-Hauptwacht- meister P. Revlnsp Tamsweg War früher radikaler Gegner Versetzung, später der NSDAP, letzten Jahren Gend-Meister, objektiv NSDAP seit 1940, Ortsringleiter ab 1941 P. Revlnsp Tweng Indiff. taktvoll Versetzung, später Gend-Meister, NSDAP seit 1940, Ortssachwalter der DAF P. Patrl Lend Systemanhänger, eifriger Versetzung, später Gegner der NSDAP, früher Gend-Meister Soz.Dem P. Raylnsp Liefering Systemanhänger und Gegner Versetzung der NSDAP L. Revlnsp Hallein Eifriger Gegner der NSDAP, Versetzung, später Denunziant, unfähig, pensi­ Gend-Meister onsreif M. Revlnsp Seeham Systemanhänger, radikaler Versetzung, später Gegner der NSDAP. Über­ Gend-Meister griffe erheben M. Patrl St. Michael Pol. uninformiert, harmlos Versetzung, später Gend-Hauptwacht- meister, Blockleiter 42/43 P. Gend Zell am See Eifriger Systemling, eifr. und Versetzung, später gehässiger Gegner der Gend-Bezirks- NSDAP, dachaureif Oberwachtmeister. 1942 als Gend- Hauptwachtmstr. gefallen K. Revlnsp Wagrain Systemanhänger, Ue. werden Versetzung erhoben © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 300

Dienst- Beurteilung durch NS Maßregelungen Name Grad Ort (Zitat) (v. Verfasser erarb.) K. Raylnsp Hallein Systemanhänger, Gegner der Versetzung, später N.S. Egoist, Ue erheben Gend-Meister, Blockhelfer 1939, Zellenleiter 1945 M. Gend Puch Patenkind des HW.Führers Versetzung, später Fey und ebensolches Protek­ Gend-Haupt- tionskind, Systemanhänger wachtmeister. NSDAP-Anwärter 1939/41, Organisa­ tionsleiter seiner Ortsgruppe ab 1939 K. Raylnsp Salzburg Gesinnungslump, eifrigster Versetzung, später Bekämpfer der N.S. wegen Gend-Meister Ue erheben, hat auch als NSDAP-Anwärter Ortsgruppenleiter der V.F. in seit 1939 Itzling den N.S. schwer be­ kämpft H. Revlnsp Anthering Ehern. Soz. dann schwerer Versetzung Systemanhänger, Ue erhoben H. Raylnsp Saalfelden Systemanhänger, wegen Ue Versetzung, später werden Erhebungen gepflogen Gend-Haupt- wachtmeister D. Revlnsp Uttendorf Schwerer Gegner der N.S. Versetzung, später Gesinnungslump, Ue. erhober . Gend-Meister E. Revlnsp Großgmain Scheinbar Gesinnungslump. Versetzung, später Erhgen Gend-Meister G. Raylnsp Lend Systemanhänger und eifriger Versetzung, später Bekämpfer der N.S., Ue wer­ Gend-Meister den erhoben G. Raylnsp Puch Systemanhänger, Draufgänger, Versetzung, später Ue. erheben Gend-Meister. NSDAP seit 1940 B. Revlnsp Liefering Schwerer Gegner der Versetzung, später NSDAP. Hat sich Ue. zu­ Gend-Meister schulden kommen lassen, Erhebung © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 301

Gendarmerie-Personalpolitik

Es ist gar keine Frage, dass Parteimitglieder bzw. solche Personen, die rechtzeitig auf den Karrierezug aufgesprungen waren mehr oder weniger große Vorteile aus dem Anschluss gezogen haben, gab es doch u. a. auch einen Erlass des Stellvertreter des Führers, der diese Bevorzugung vorsah. Es gab aber auch einen eindeutigen Erlass, der es verbot, dass sich Partei­ dienststellen unmittelbar in den Gang der Verwaltung einschalten. Dass es trotzdem massive Interventionen gab, beweist allein die Tatsache, dass diese Weisung mehrmals in Erinnerung gebracht wurde. Die offizielle, konkrete Mitwirkung der Partei erfolgte dadurch, dass bei allen Personalmaßnahmen eine politische Beurteilung zwingend vorgeschrieben war. Flohe und höch­ ste Verwaltungsbeamte hatten auch hohe Parteifunktionen oder auch SS- Funktionen inne. Auch dadurch war das Primat der Partei bzw. die Einheit von Partei und Staat sichergestellt. Anhand der Quellenlage lässt sich eine durchgängige Tendenz erkennen, dass der Einfluss der Partei in die Personalpolitik der staatlichen Organe, also auch der Gendarmerieführung, nicht immer auf Gegenliebe stieß. Es sind etliche Beschwerden von Parteiorganen und ehemals Illegaler vorhan­ den, in denen Klage geführt wird, dass gefestigte, illegale Nationalsozialisten bei Bestellungen nicht bevorzugt würden, ja dass Nationalsozialisten bei Bestellungen sogar benachteiligt würden. Es ist anzunehmen, dass der Gen­ darmerieführung die fachliche Eignung und die Persönlichkeit eines Gen­ darmen wichtig war und sie einfach nicht wollte, dass Gendarmen nur we­ gen ihrer ehemaligen Verdienste für die NSDAP wichtige Positionen beset­ zen. Ob dies eine Eigenheit der Salzburger Gendarmerieführung war, um ihre Selbstständigkeit zu beweisen, ist dem Verfasser nicht bekannt. Zur Anschlusszeit versah der Patrouilleiter G. J., ein Illegaler, am Posten Mauterndorf Dienst. G. J. war als NS-Verbindungsmann einer der 18 Mit­ verfasser der Gestapo-Liste gewesen. Sein bisheriger Postenkommandant, Revierinspektor P. S. wurde in dieser Liste als „Tschechenstämmling, ver­ bitterter Deutschenhasser, radikaler Gegner der NSDAP, dachaureif“ be­ zeichnet und soll dann auch im Auftrag Görings in Schutzhaft genommen worden sein46. G. J. übernahm nunmehr kommissarisch diesen Posten. Vom Posten Bischofshofen wurde Rayonsinspektor H. J. herversetzt. H. J., der in der Gestapo-Liste mit „Derzeit Mödling, Systemanhänger, Übergriffe werden erhoben“ beschrieben und am 28. Mai 1938 außer Dienst gestellt worden war. Das gegen ihn gerichtete BBV-Verfahren wurde jedoch am 27. Dezember 1938 einstimmig eingestellt. Am 10. Jänner 1939 wurde H. J. nach Mauterndorf versetzt und dort mit der interimistischen Stations­ führung betraut. Er wurde also dem ehemals Illegalen G. J. vorgesetzt. Die NSDAP-Kreisleitung erhob nun wegen des Vorlebens von H. J., und weil er dem Einheimischen Beamten vorgesetzt wurde Beschwerde beim Landeshauptmann in Salzburg. Nach einigem Flin und Her drohte man so­ gar mit der Befassung durch Göring. Es sei doch dem Herrn Reichsmar- © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 302

schall nicht zuzumuten, dass er bei seinen privaten Anwesenheiten im Lun­ gau durch einen Postenkommandanten begrüßt werde, dessen politisches Vorleben zumindest fragwürdig gewesen sei. Im März 1939 beauftragt der Landeshauptmann den Kommandeur der Gendarmerie, einen anderen Pos­ tenkommandanten einzusetzen, „da Göring sehr böse wäre, wenn er von dessen Vorleben erführe“. Man solle H. J. außerhalb des Gaues verwenden und es soll, so der Landeshauptmann, „ein pfundiger illegaler Gendarmerie­ beamter“ kommen, um den Posten zu besetzen47. H. J. wurde daher wieder abberufen und als Postenführer in Hof einge­ setzt. Auch dort hatte er Schwierigkeiten mit der Ortsparteileitung. Seine Beförderung vom Hauptwachtmeister zum Meister wurde wegen seines ehe­ maligen BBV-Verfahrens blockiert, obwohl er seinerzeit als erster von neun Gendarmen aus Salzburg den Chargenschullehrgang absolviert hatte. Aber auch G. J. hatte keinen echten Erfolg — er wurde „nur“ zum Führer der Gendarmerie-Expositur in T. ernannt. Es war ihm nicht vergönnt, sich im Lichte Görings zu sonnen. Ein anderer Fall zeigt, dass selbst der Reichsstatthalter in Österreich nicht davon überzeugt war, dass Nationalsozialisten die besseren Beamten sind. Wie sonst ist es möglich, dass der Gauleiter/Landeshauptmann von Salzburg im Oktober 1938 ein Schreiben an den Reichsstatthalter in Öster­ reich richtete, in dem er sich wie folgt beschwerte: „[...] zum dritten Mal gelangte an mich [...] eine Abweisung von Anträgen auf Beförderung natio­ nalsozialistischer Beamter. [...] dass heute zwar nicht ein Gauleiter und Lan­ deshauptmann der Ostmark, wohl aber der Postdirektor von Linz das Recht für Beamtenernennungen hat, [...] wenn gerade die nationalsozialistischen Beamten der Hoheitsverwaltung selbst von der anderwärts, wie man sieht, reichlich erteilten Begünstigungen ausgelassen bleiben48. Ebenfalls im Oktober 1938 beschwert sich das Amt für Beamte der NSDAP-Gauleitung Salzburg beim Minister für Innere und Kulturelle An­ gelegenheiten wegen eines ähnlichen Falles. Der Reichsstatthalter in Öster­ reich (Seyss-Inquart) hatte dieses Schlüsselministerium in Personalunion inne. „Es tritt nun der Fall ein, dass bei der Überführung der Landeshaupt­ mannschaft in Salzburg in die Reichsbesoldungsordnung fast alle system­ treuen Beamten [ehemals Schuschnigg-treue Beamten] auf Grund ihrer hö­ heren Dienstposten in eine höhere Besoldungsgruppe übergeleitet werden, als die illegalen verdienten nationalsozialistischen Beamten. Eine weitere Folge davon ist, dass die Zurücksetzungen, Prätierungen usw., die das ver­ flossene System den nationalsozialistischen Beamten zufügte, vom rein for­ malrechtlichen Standpunkt heraus verewigt werden.“49 Andererseits war auch die NSDAP nicht immer bemüht, jemanden zu bevorzugen, nur weil er Parteimitglied war. So z. B. war der Revierinspek­ tor M. K. vom Gasteiner Tal in der Gestapo-Liste als „Nat. eingestellt, nicht aktiv tätig“ bewertet worden. Im Rahmen seiner geplanten Versetzung und Ernennung zum Inspektionskommandanten des Pongaus wurde durch die NSDAP am 25. August 1939 folgende einmalig ungewöhnliche politische © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 303

Bewertung abgegeben: „[...] Politisch stets zurückgehalten, in einigen Fällen Nationalsozialisten gewarnt. Nach Umbruch völlig positiv, ohne allerdings seine privaten Kenntnisse über die Systemanhänger der Partei preiszugeben, was auf seinen vorsichtigen, anständigen Charakter zurückzuführen ist. Gilt als pflichtbewusster, korrekter Beamter.“ Zum Inspektor befördert, wurde er auch Gendarmerie-Kreisführer. An­ fang 1941 trat er der Partei bei. Ein extremer Fall von Nichtberücksichtigung eines Illegalen war der Fall des Revierinspektor S. H. aus Hallein. Dieser war einer der Mitverfasser der Gestapo-Liste und anschließend auch von August bis Dezember 1938 Be­ richterstatter des BBV-Sonderausschusses Gau Salzburg gewesen. Nachdem sein Postenkommandant als Maßregelung in den Ruhestand versetzt wor­ den war, führte er seit 14. Dezember 1938 die Gend-Inspektion Hallein. Der Bezirksinspektor S. J. war zum Anschluss stellvertretender Bezirks­ kommandant in St. Johann gewesen. In der Gestapo-Liste war er als „Eifrigs­ ter Systemanhänger und Gegner der NSDAP, charakterloser Konjunktur­ mensch“ bezeichnet worden. Er wurde daher am 29. April 1938 vom Dienst enthoben. Der BBV-Sonderausschuss Gau Salzburg hatte aber auf „keine Maßnahme, jedoch Versetzung zweckdienlich“ entschieden. Der rehabili­ tierte Bezirksinspektor S. J. wurde nun am 1. April 1939 zum Inspektions­ kommandanten Hallein ernannt. Der dadurch zurückgereihte Revierinspektor S. H. versuchte nun, diese Schmach zu tilgen. Das Gaupersonalamt setzt sich voll für ihn ein50. S. H. machte aber einen verhängnisvollen Fehler. Er beschwerte sich bei einem ehemaligen Vorgesetzten, einem Oberst in Graz, über seine Brüskierung, aber auch über die Umgehung anderer ehemaliger Illegaler. Dieser Oberst dürfte darauf in Wien interveniert haben. Der Erfolg war, dass S. H. nun sei­ nerseits wegen Umgehung des Dienstweges vom Staatssekretär für das Sicherheitswesen Ernst Kaltenbrunner gemaßregelt wurde. Es wurde ihm ein absolvierter Kurs in Mödling vorläufig nicht angerechnet. Nun war aber auch S. J. nicht mehr haltbar und suchte um Versetzung in einen anderen Gau oder in den Sudetengau an. Er wird im November 1939 als Gend-Obermeister nach Kaplitz, Oberdonau, versetzt. 1943 tritt er der NSDAP bei. Nach dem Krieg war er wieder Gend-Bezirksinspektor und 1949 Leiter des Gendarmerie-Zuges. Ob sich Revierinspektor S. H. letztlich doch durchgesetzt hat, ist unbekannt.

In einem Vortrag, welcher anlässlich einer Dienstbesprechung beim In­ spekteur der Ordnungspolizei in Salzburg am 6. Dezember 1940 vom Polizeischulungsleiter, SS-Sturmbannnführer und Major der Gendarmerie Rudolf Säger gehalten wurde, schnitt dieser das Thema der Illegalen in Form interner Kritik ebenfalls an: „[...] wenn beispielsweise als Revierführer aus­ gerechnet ein Meister eingesetzt wird, von dem es alle Welt weiß, dass er einmal ein überzeugter Nazifresser war und wenn zur Meisterbeförderung just einer herangezogen wird, der ebenfalls noch spürbar in diesem Gerüche © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 304

steht. Meine Herren, nicht nur der Politische Leiter macht sich darüber sei­ ne Gedanken, die wir meist gar nicht wissen, sondern auch unsere Männer, die in der Kampfzeit brav und zuverlässig ihren Mann gestellt haben, machen sich ihre Gedanken, die für uns ebenfalls unkontrollierbar sind. Es schmerzt den Mann, wenn er einmal aus purem Idealismus zur Sache stand [...] und wenn er jetzt Zusehen muss, wie irgendein oder der andere politisch schräge Vogel ihm vorgesetzt wird oder wenn geflissentlich einfach überse­ hen wird, was der brave Mann für die Bewegung in deren schwerster Zeit schon geleistet hat. [...] und das sind Dinge, die so leicht vermieden werden können, dass sich jeder Kommandeur diese kleine Mühe nehmen sollte und alles das wahrhaftig berücksichtigen [...]‘<51 — Der genannte Major Säger war übrigens Mitglied des BBV-Sonderausschusses für Offiziere der Gendar­ merie in Wien gewesen und hatte damals maßgeblichen Einfluss auf die Karriere aller Gendarmerieoffiziere in Österreich gehabt. Hier sei noch ein markiger Ausspruch in seiner Rede vor den Spitzen der SS- und Polizei­ führung Salzburgs erwähnt: „Recht ist, was arische Menschen als Pflicht ver­ künden!“

Das Sicherheitswesen im Deutschen Reich

Das Polizeiwesen war zur Zeit der Weimarer-Republik Ländersache ge­ wesen. Durch das „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Jän­ ner 1934 gehen alle Hoheitsrechte der Länder grundsätzlich auf das Reich über. Zuerst werden diese Rechte aber noch im Auftrag des Reiches von den Ländern ausgeübt. Die auf das Reich übergegangene Polizeihoheit der Län­ der wurde den Landesbehörden vorerst nur soweit belassen, als das Reich nicht allgemein oder im Einzelfall davon Gebrauch machte. Die schwankende Haltung von Göring als Ministerpräsident von Preu­ ßen und Minister des Innern in Bezug auf die Zentralisierung der Politi­ schen Polizei im Reich wurde letztlich durch Himmler und Heydrich am 20. April 1934 überwunden. Himmler wurde, nachdem er innerhalb von Monaten Chef jeder einzelnen Landes-Staatspolizei geworden war, nun­ mehr auch stellvertretender Chef und Inspekteur der Preußischen Staats­ polizei. Die Entmachtung der SA durch die blutige Niederschlagung des so genannten „Röhm-Putsches“ am 30. Juni 1934 rechtfertigte die bisherige Machtkonzentration in der Hand Himmlers. Der Dank Hitlers folgt prompt. Die SS wird nun auch offiziell aus der SA ausgegliedert und zur selbstständigen Organisation innerhalb der NSDAP ernannt. Mit dem 17. Juni 1936, der Bestellung von Reichsführer-SS Himmler zum Chef der Deutschen Polizei, war ein erster vorläufiger Höhepunkt an Macht­ konzentration erreicht. Der Polizeiapparat war jetzt fest in seinen Händen. Die Durchdringung der Sicherheitspolizei von SS-Männer und innerhalb der SS mit SD-Männern geschah Schritt für Schritt. Zuerst wurde die Ges- © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 305

tapo, dann die Kripo und zuletzt auch noch, zumindest in Ansätzen, die Ordnungspolizei personell durch die SS durchdrungen. Der Führernach­ wuchs aller Polizeien sollte künftig grundsätzlich nur mehr aus den SS-Schu- len rekrutiert werden. Die SS als Instrument der Partei und der SD als Teil der SS hatten sich verselbstständigt. Selbst höchste Funktionäre waren gegenüber diesem Machtzuwachs oftmals hilflos. Der Führerwille war Richtschnur der Exe­ kutive. Das Recht wurde dem Führerwillen angepaßt. Das Instrument der Schutzhaft, offiziell bereits seit 28. Februar 1933 ein­ gesetzt, war vom Anfang bis zum Ende des NS-Staates das wirksamste Mittel der aktiven Polizeipolitik. Die Verhängung der Schutzhaft war jeder verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung entzogen.

Organisationen im Sicherheitswesen

Die Organisation des Sicherheitswesens im Dritten Reich war eine äußerst komplexe, die sich laufend veränderte und dem immer totalitärer werdenden Staat anpasste. Zur Zeit des Anschlusses Österreichs befand sich die Gendarmerie in folgendem polizeilich-organisatorischen Umfeld:

Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern (RFSSuChdDtPol im RMdl) Heinrich Himmler. Ihm unterstanden: Hauptamt Ordnungspolizei (Orpo) — Kurt Daluege Schutzpolizei (Schupo) Schupo des Reiches (wichtige Städte, Staatliche Polizeiverwaltung) Schupo der Gemeinden (kleine Städte, Gemeinden über 2000 Einw.) Gendarmerie (Gemeinden bis 2000, manchmal auch 5000 Gau (Landeshauptmann/Reichsstatthalter, Kommandeur der Gendarmerie) Landkreis (Kreispolizeibehörde, Landrat, Gendarmerie- Kreisführer) Gemeinde (Ortspolizeibeh., Bürgermeister, Postenkommandant) Motorisierte Gendarmerie (ging später in Wehrmacht auf) Hochgebirgs Gendarmerie V erwaltungspolizei Grenzpolizei (wird Zweig der Abwehrpolizei der Gestapo) (Teno) Hilfspolizei (unbezahlt, unterstützt Ordnungspolizei) Landwacht (unterstützt Gendarmerie) Stadtwacht (unterstützt Schutzpolizei) © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 306

Hauptamt Sicherheitspolizei (Sipo) — Chef Sipo und SD — Reinhard Heydrich Kriminalpolizei (Kripo) — Arthur Nebe Geheime Staatspolizei (Gestapo) — Heinrich Müller Sicherheitsdienst der SS (SD) (unterstützt Sipo) — Reinhard Heydrich

Sonderpolizei (außerhalb des RMdl, dem RFSSuChdDtPol indirekt unter­ stellt) Reichsbahn (RB-Uberwachungsdienst, RB-Fahndungsdienst, Bahn- (schutz-)polizei Bergpolizei (Wirtschaftsministerium) Forstschutzpolizei Flurschutzpolizei (Landwirtschaftsministerium) Jagdpolizei Werkschutz Deichpolizei Hafenpolizei (Reichsfinanzministerium, enger Kontakt zu Wehr­ macht)

Der „Höhere SS- und Polizeiführer“ (HSSPF)52

Mit dem Anschluss wurde der illegale SS-Chef Österreichs, SS-Gruppen- führer Dr. Ernst Kaltenbrunner, zum Staatssekretär für das Sicherheits­ wesen im Land Österreich bestellt. Zusätzlich wurde er am 11. September 1938 auch zum „Höheren SS- und Polizeiführer in Österreich (HSSPF)“ ernannt. Diese Funktion, die ursprünglich nur für den Kriegsfall vorgesehen gewesen war. Damit war die Leitung des Sicherheitsapparates in einer Per­ son vereinigt. Unter ausschließlicher Leitung durch den „Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern“ (RFSSuChdDtPol) Heinrich Himmler, wurden die Strukturen des neuen Sicherheitswesen von Kaltenbrunner sehr rasch auf gebaut und dem Reich gleichgeschaltet. Der Umbau anderer staatlicher Organisationen verlief wesentlich langsamer und mit mehr Komplikationen als der Umbau des Sicherheitswesens. Diese neu einzunehmenden Strukturen waren ein verkleinertes Abbild der beim RFSSuChdDtPol in Berlin eingerichteten Hauptämter, nämlich dem Hauptamt Ordnungspolizei (Daluege) und dem Hauptamt Sicherheitspoli­ zei (Heydrich). © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 307

Bundeskanzler (dann) Reichsstatthalter in Österreich Arthur Seyss-Inquart Staatssekretär für das Sicherheitswesen, zugleich Höherer SS- und Polizeiführer in Österreich (HSSPF) Ernst Kaltenbrunner Inspekt. d. Sicherheitspolizei u. des SD Inspekteur der Ordnungspolizei (Insp Sipo und SD) (Insp Orpo) Walter Stahlecker August Meyszner Geh. Staatspolizei Kriminalpolizei Schutzpolizei Gendarmerie (Gestapo) (Kripo) (Schupo) (Gend)

Unabhängig von weiteren organisatorischen Veränderungen war für die Polizei- und Gendarmeriebeamten der 1. Oktober 1938 ein wichtiger Tag, da sie auf den Reichshaushalt übernommen wurden und daher unmittelba­ re Reichsbeamte wurden53.

Das ehemalige Österreichische Bundesheer war innerhalb der Deutschen Wehrmacht auf zwei neu entstandene Armeekorps auf geteilt worden, und zwar in das: — XVII. Armeekorps in Wien für die ehemals österreichischen Länder, spä­ ter Reichsgaue, Wien, Niederdonau (NÖ), Oberdonau (OÖ) — XVIII. Armeekorps in Salzburg für Salzburg, Steiermark, Kärnten, Ti­ rol/Vorarlberg

Zu Kriegsbeginn hätte — wie im Altreich für den Kriegsfall vorgesehen — für jeden Bereich eines Armeekorps ein HSSPF installiert werden sollen. In Österreich und später auch in der Tschechoslowakei war diese Funktion bereits mit Beginn des Einmarsches geschaffen worden. Mit 1. Juli 1939 wurde nun die Funktion des HSSPF in Österreich auf­ gegeben bzw. zweigeteilt. SS-Gruppenführer Ernst Kaltenbrunner, der bisherige Amtsinhaber und auch Staatssekretär für das Sicherheitswesen, wurde „[...] für den Bereich der Reichsgaue Wien, Oberdonau, Niederdonau (Wehrkreis XVII in Wien) zum HSSPF in Wien und bis auf weiteres auch für den Bereich der Reichsgaue Salzburg, Steiermark, Kärnten, Tirol/ Vorarlberg (Wehrkreis XVIII in Salzburg) zum HSSPF in Salzburg“, mit dem Zusatz „[...] ihre [Kaltenbrunners] Aufgaben bleiben die gleichen wie bisher“, bestellt54. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 308

Im September 1939 übernahm der Führer des SS-Oberabschnittes Alpen­ land, Alfred Rodenbücher, von Ernst Kaltenbrunner die Funktion des HSSPF in Salzburg. Alfred Rodenbücher kannte die österreichischen Ver­ hältnisse recht gut, hatte er doch von München aus die geflüchteten öster­ reichischen Nationalsozialisten in die „Österreichische Legion“ eingebun­ den. Es ergaben sich Reibungspunkte, da die Sipo, und hier insbesondere die Staatspolizeistellen (StapoSt) direkt vom „Hauptamt Sipo“ beim RFSSu ChdDtPol geführt wurden, bzw. auch direkt dorthin berichteten. Die Sicherheitsbehörden standen ständig in einem Kompetenzkampf zwischen den berechtigten Interessen der Landeshauptleute/Reichsstatthalter, den HSSPF und der Zentralstelle in Berlin. Am selbständigsten in diesem Kampf konnten die Gestapo und der SD agieren. Die Kripo war schon etwas mehr eingezwängt und nutzte das Weisungsrecht der Gestapo an die Kripo aus, um sich dem Einfluss durch die Landeshauptleute/Reichsstatthalter zu ent­ ziehen. Die Orpo (Schupo, Gend) war am wenigsten selbständig. Die HSSPF waren auch Koordinierungsstelle, wenn in ihren Bereichen Aktionen verschiedener Organisationen stattfanden. So gab es im Juli 1944 in Salzburg im Gebirge eine Aktion der Gestapo, eines SS-Bataillons und der Gendarmerie gegen Deserteure, wobei es drei tote Deserteure, zwei tote SS- Männer und 50 vorläufig festgenommene Personen gab, die verdächtigt wurden, die Deserteure unterstützt zu haben55. Besonders berüchtigt wurden die HSSPF insbesondere in den Ostgebie­ ten, wo sie vielfach bei Säuberungs- und Liquidierungsaktionen durch soge­ nannte „Einsatzgruppen“ gegen Partisanen, wie man es nannte, und Juden aktiv wurden. Dabei bedienten sie sich aller Organe wie z. B. SS, SD, Waf­ fen-SS, Polizei, Gendarmerie, aber auch, insbesondere logistisch, der Wehr­ macht.

Die HSSPF im Wehrkreis XVIII (SS-Oberabschnitt ALPENLAND) Alfred Rodenbücher, SS-Gruppenführer, Korvettenkapitän der Reserve 25.04.1939-30.04.1941 Gustav-Adolf Scheel, SS-Brigadeführer, Reichs­ studentenführer (wurde Gauleiter und Reichs­ statthalter in Salzburg) 30.04.1941-24.11.1941 Erwin Rösener, SS-Obergruppenführer, General der Waffen-SS und der Polizei 16.12.1941-Kriegsende © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 309

Aufgaben und Führung der Gendarmerie des Reiches56

Die Gendarmerie

„Die nach der Machtübernahme für das ganze Reich einheitlich organi­ sierte Gendarmerie ist das Vollzugsorgan auf dem flachen Land außerhalb der mit Schutzpolizei des Reiches oder der Gemeinden ausgestatteten Polizeibezirke.

I. Die Aufgaben der Gendarmerie. 1. Sie dient dem Landrat und sämtlichen Ortspolizeibehörden des Krei­ ses, in dem sie dienstlich verwendet wird, zur Unterstützung bei der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben. Die Unterstellung unter die­ se Stellen ist nur eine sachliche, nicht eine persönliche. Der Ortspoli­ zeiverwalter wird dadurch nicht zum Dienstvorgesetzten. 2. Sie hat für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu sorgen und ist die Kriminalpolizei auf dem flachen Lande.

II. Die Gendarmerie ist für den Bezirk einer höheren Polizeibehörde zu­ sammengefaßt und in Gendarmerie-Hauptmannschaften gegliedert. Die Gendarmerie eines Landkreises bildet einen „Gendarmeriekreis“, der personell dem Gendarmerievorgesetzten und sachlich dem Landrat untersteht. In größeren Landkreisen ist der Gendarmeriekreis in Gendarmerieabtei­ lungen eingeteilt. Die kleinsten Einheiten der Gendarmerie sind die Gendarmeriegruppenposten (3-5 Einzelposten unter Führung eines Gendarmeriemeisters), Gendarmerieposten (2-5 Gendarmen) und Gen- darmerie-Einzelposten (1 Gendarm).

III. Die Führung der Gendarmerie liegt in den Händen des Kommandeurs der Gendarmerie, der sich bei der höheren Verwaltungsbehörde (Regie­ rungspräsident, in der Ostmark Reichsstatthalter) befindet und bei ihr Sachbearbeiter für die Angelegenheiten der Gendarmerie ist.

IV. Eine Sonderstellung innerhalb der Gendarmerie nimmt die motorisier te Gendarmerie ein (RdErl. vom 30.3.1937) 1. Ihre Hauptaufgabe ist die Überwachung des Verkehrs auf den Reichs­ straßen und Reichsautobahnen. Daneben hat sie u. a. die Verkehrs­ teilnehmer zu beraten, nach gestohlenen Kraftfahrzeugen zu fahnden und den Zustand der Straßen, Verkehrsbeschilderung usw. zu über­ wachen. 2. Sie ist in Gendarmerieabteilungen und -bereitschaften gegliedert. Die Bereitschaften sind kaserniert. 3. Die Gendarmeriebereitschaften sind den höheren Verwaltungsbehör­ den der einzelnen Länder, die die Dienstaufsicht ausüben, zugeteilt und unterstehen dem Kommandeur der Gendarmerie.“ © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 310

Polizeiaufgaben im Lande Österreich (1938-1940)57

Die Polizeiaufgaben im Lande Österreich wurden vom Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten wahrgenommen, das als Schlüssel­ ministerium galt. Der Reichsstatthalter in Österreich leitete es in Personal­ union.

Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten

Abteilung I — Rechtsangleichung, Staatsrecht, Verwaltung im allgemeinen Abteilung II — Besondere Verwaltungsangelegenheiten Abteilung III — Polizei Gruppe: Ordnungspolizei Gruppe: Sicherheitspolizei Organisation (uniformierte Polizei, Organisation Gend, Pol-Verwaltung) Sacherfordernisse Sacherfordernisse (uniformierte Dienstaufsicht Polizei, Gend, Pol-Verwaltung) Personalangelegenheiten Dienstaufsicht (uniformierte Poli­ Staatspolizei zei, Gend, Pol-Verwaltung) Kriminalpolizei Personalangelegenheiten (unifor­ Reichsverteidigung mierte Polizei, Gend, Pol- Reise- und Grenzverkehr, Pass­ Verwaltung) wesen Fremdenwesen Feuerlöschwesen Strafregister, Fahndungswesen Reichsverteidigung Polizeiaufsicht Ziviler Luftschutz Abschiebung und Abschaffung, Technische Not hilfe Durchschub Verkehrspolizei Ausweisung, Auslieferung, Durch­ W asserschutzpolizei lieferung, Wirtschaftspolizei, Preisüber­ Vereins- und Versammlungswesen wachung Waffenwesen, Schieß- und Buchmacher- und Totalisator­ Sprengmittelwesen gewerbe, Öffentliche Agentien Pressewesen Meldewesen Rauschgiftwesen Theater-, Lichtspielwesen, öffent­ Devisensachen liche Schaustellungen und Vermögens­ Belustigungen beschlagnahmungen

Abteilung IV — Erziehung, Kultus und Volksbildung © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 311

Reichsstatthalterei Salzburg/ Dezernate mit Polizeiaufgaben

Der folgende Auszug aus dem Geschäftsverteilungsplan der Reichsstatt­ halterei in Salzburg ist besonders auf die Darstellung der Polizeiaufgaben ausgerichtet58.

„Zentralverwaltung Dezernat Z — Persönlicher Dezernent des RSTH Dezernat Pol — Politisches Dezernat (= Politischer Referent des Reichsstatthalters [des Landeshauptman­ nes], zugleich auch Leiter der Staatspolizeistelle [Gestapo] Salzburg [Regierungsrat]) Dezernat SA — Sonderaufträge Dezernat RO — Generaldezernat für Raumordnung Dezernat HD — Haushaltsdezernat Dezernat ROK — Regierungsoberkasse Dezernat VA — Vorprüfungsamt Dezernat HB — Hauptbüro Abteilung I: Allgemeine und Innere Angelegenheiten Dezernat 1/Org — Organisation Dezernat 1/1 — Reichsverteidigung Dezernat 1/2 — Kommunalaufsicht Dezernat 1/3 — Allgemeine Polizeiangelegenheiten [später „Allgemeine Polizei- und Hoheitsangelegenheiten“] [Regierungsrat] Dezernat 1/3 F — Feuerwehr Dezernat 1/3 G — Gendarmerie (Leiter = Kommandeur der Gendar­ merie [Major/Oberstleutnant]) Dezernat 1/3 S — Schutzpolizei (Leiter = Stabsoffizier der Schutz­ polizei (Major/Oberstleutnant)) Dezernat 1/3 V — Verkehrsdezernat, Vereine Dezernat 1/4a — Personalangelegenheiten der Beamten Dezernat 1/4b — Personalangelegenheiten der Angestellten Dezernat 1/5 — Kultusdezernat Dezernat 1/6 — Z-Justiziariat, Staatsangehörigkeitssachen Dezernat 1/7 — Veterinärsachen Dezernat 1/8 — Archiv Dezernat 1/9 — Personenstandsangelegenheiten Abteilung II: Erziehung, Kultur- und Gemeinschaftspflege Abteilung III: Volkspflege Abteilung IV: Landwirtschaft, Wirtschaft und Arbeit Abteilung V: Bauwesen Gaukämmerer“ © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 314

1.R epublik 3.R eich

Bis 1939 waren die beiden Gend-Abteilungen 1 Salzburg (= Flachgau, Tennengau, Lungau) und 2 Zell am See (= Pongau, Pinzgau) zwischen dem Landesgendarmeriekommando und den Bezirksgendarmeriekommanden zwischengeschaltet. Diese beiden Gend-Abteilungen wurden nun zu Gend- Distrikten. Dann wurden diese beiden Distrikte aufgelöst und die Gend- Hauptmannschaft führte ohne diese Distrikte über die 5 Gend-Inspektionen (Kreise), die dann Gend-Kreise genannt wurden. Ab Oktober 1939 wurden im Gau Salzburg zwischen diese Gend-Kreise und den Gend-Stationen 14 Gend-Abteilungen eingefügt60. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 315

Die Dienstgrade der Gendarmerie

Österreich Deutsches Reich bis 1933 ab Sept. 1933 1938-1941 1941-1945 Gend-Beamtenanwärter Anwärter Unt erwacht­ meister Gendarm Rottwacht­ meister Wachtmeister Wachtmeister Patrouillenleiter Oberwacht­ Oberwacht­ meister meister Bezirksober­ wachtmeister Rayon-Inspektor Hauptwacht­ Hauptwacht­ meister meister Revier-Inspektor Meister Meister Bezirks-Inspektor Obermeister Bezirksleutnant Oberleutnant Leutnant Abteilungs Inspektor Rittmeister Oberleutnant Ober-Inspektor 2. Klasse Stabsrittmeister Hauptmann Ober-Inspektor 1. Klasse Major Major Vizedirektor Oberstleutnant Oberstleutnant Landesdirektor, Wirtschafts­ direktor Oberst Oberst Gendarmerie- General + Zentraldirektor Generalinspektor General © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 316

EXKURS

Das Kriegsende und die erste Nachkriegszeit in Österreich

Mit der Besetzung Österreichs durch die Alliierten sollten auch deren rechtliche Bestimmungen in Kraft treten. Die Militärregierungen) wurden in Österreich auf der Ebene der Reichs-Gaue und dann der alten Bundesländer durch die jeweilige Be­ satzungsmacht organisiert bis die zu bildende Alliierte Kommission für Österreich ihre Aufgaben für ganz Österreich übernehmen werde. Die Aufgaben der Militär­ regierung bzw. der einzelnen Funktionen innerhalb der Militärregierung wurde zuerst durch die Besatzungstruppen-Kommandeure aller Ebenen wahrgenommen. Erst nach Konsolidierung der Verhältnisse bzw. auch parallel dazu sollten ausgebil­ dete Offiziere der Militärregierung die jeweiligen Funktionen übernehmen. Für West Österreich ergab sich das Problem, dass es vom Norden her durch zwei Armeen zweier verschiedener US-Armeegruppen besetzt wurde. Es waren dies die 3. US-Armee (General Patton) in Oberösterreich und die 7. US-Armee (General Patch) in Salzburg/Tirol. Diese Truppen waren ursprünglich nicht für die Besetzung Österreich vorgesehen. Ihre Organe der Militärregierung waren für die Besetzung Deutschlands ausgebildet, aber nicht mit den Gegebenheiten für das zu befreiende Land Österreich vertraut. Die für Österreich zuständigen Militärregierungs-Organe waren noch weit im Süden in Italien bei der 5. US-Armee (General Clark) und konn­ ten erst nach wochenlanger Verzögerung ihre Funktionen einnehmen. Die Anweisungen für die Organe der Militärregierung waren im „Austria Mili­ tary Government Handbook“ zusammengefasst. Dieses Buch bot den Organen der Militärregierung organisatorische Hilfe in allen Angelegenheiten der staatlichen Ver­ waltung. Es bot einen Überblick über die ehemalige österreichische und nunmehr anzutreffende deutsche Staatsverwaltung. Vorschriften über die Handhabung der Staatsgewalt oder die Bestellung von Bürgermeistern waren ebenso geregelt wie der Aufbau eines Gerichtssystems, das Feuerwehrwesen, religiöse Angelegenheiten und die Entnazifizierung61. Durch die Verwendung von Alliierten Militär-Schillingen als zusätzliche Währung zur Reichsmark war für alle Eventualitäten Vorkehrung ge­ troffen. Zehntausende ehemalige deutsche Soldaten, zwischen Kriegsgefangenschaft und Heimkehr bangend, waren in Salzburg gestrandet. Menschen aller Nationalitäten wie Flüchtlinge, ehemalige Fremdarbeiter, Zwangsarbeiter, aus deutschen Kriegs­ gefangenenlagern befreite Soldaten aller Nationen, befreite Häftlinge aus Konzen­ trationslagern nutzten ihre Freiheit und versuchten in ihre Heimat zurückzukehren, oder anderswo ein neues Leben aufzubauen. Und dazu noch beinahe 100.000 US- Soldaten, allein in Salzburg, die an nichts anderes dachten, als so bald wie möglich in die USA zurückzukehren. All dies bei geschlossenen Grenzen — einer zusammen­ gebrochenen Volkswirtschaft, einem nicht funktionierenden Verkehrswesen und daraus resultierend einer weitgehend gestörten Versorgungs-Infrastruktur. Dazu noch eine unvorstellbare Wohnungsnot, verstärkt durch Requirierungen der Besat­ zungsmacht. Dies waren die Probleme der ersten Wochen und Monate. Der Zusammenbruch des Dritten Reiches war ein vollkommener gewesen. Es wurde nun auch ein geistiger Zusammenbruch. Die immer mehr bekannt werden­ den Gräueltaten, die selbst durch den größten ehemaligen NS-Fanatiker nicht mit dem Krieg entschuldigt werden konnten, hatten viele Menschen demotiviert und © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 317

demoralisiert. Eine allgemeine Politik-Müdigkeit war die Folge. Es gab in dieser Zeit praktisch keine Bedrohung der neuen Staatlichkeit durch die geschlagenen National­ sozialisten. Die anfängliche Furcht der Alliierten vor der Werwolf-Organisation62 hatte sich als unbegründet herausgestellt. Der Nationalsozialismus als Organisation hatte sich selbst überlebt.

Hier sei der Begriff „Displaced Persons (DP, DPs)“, oft als versetzte Personen übersetzt, beschrieben, da damals in der Bevölkerung, aber auch bei den Behörden vielfach Unklarheit darüber herrschte. Noch heute sorgen Begriffe wie Flüchtling oder Asylant, Einwanderer oder Gastarbeiter für ähnliche Verwirrung. Bestimmungen über die DPs waren im Austria Military Government Handbook, Kapitel 11, auf 20 Seiten festgelegt. Der Begriff DP umfasste danach folgende Per­ sonen: 1. Displaced persons in Austria (Versetzte Personen in Österreich). Das sind Nicht- Österreicher, die in folgende politische Kategorien eingeteilt wurden: Bürger von Nationen der Vereinten Nationen Bürger verbündeter oder neutraler Nationen Bürger von Feindnationen oder ehemaliger Feindnationen Staatslose Personen 2. Refugees in Austria (Flüchtlinge in Österreich) Das sind Österreicher, die wegen militärischer Operationen vorüberghend hei­ matlos waren oder durch andere Kriegsumstände von ihren Wohnorten getrennt waren. 3. Transients (Durchreisende) Das sind Nicht-Österreicher, die auf dem Weg in ihre Heimat durch Österreich transportiert wurden. 4. Austrian displaced persons (Versetzte Österreicher) Das sind Österreicher, die durch Kriegsbedingungen außerhalb Österreichs waren und in die Heimat zurückkehren wollen. Noch im April 1945 errechneten die Alliierten, dass sich in Österreich zwei Mil­ lionen DPs befänden, davon 1,250.000 Nicht-Deutsche. Tatsächlich dürften es je­ doch nur etwas mehr als eine Million gewesen sein. Ende 1947 jedenfalls befanden sich noch etwa 400.000 nicht repatriierbare DPs in Österreich63. Da dieser Per­ sonenkreis in Bezug auf Unterbringung, Verpflegung, Transport und Arbeit sowohl von den Alliierten als auch von den österreichischen Behörden unterschiedlich be­ handelt wurde, ergaben sich hier jahrelang starke Reibungspunkte mit der einheimi­ schen Bevölkerung. Insbesondere waren die Gemeinden daran interessiert, die DPs so schnell wie möglich loszuwerden. Viele Ostösterreicher, darunter manch ehema­ liger Nationalsozialist, waren in die westlichen Bundesländer geflüchtet. So waren sie vor den Sowjets sicher, konnten aber auch durch ihre Abwesenheit von ihrer Heimat, die Entnazifizierung unterlaufen. Der Magistrat Salzburg beispielsweise for­ derte diese Flüchtlinge immer wieder zur Rückkehr auf, was diese, wenn sie eine nationalsozialistische Vergangenheit hatten, natürlich unterließen. In diesem konfusen Umfeld sollte nun eine funktionierende Polizei-Verwaltung aufgebaut werden. Die Schlüsselposition hatte die Public Safety Branch (Abteilung für öffentliche Sicherheit) der amerikanischen Militärregierung inne. Sie bediente sich dazu ihrer Public Safety Officers in den Landkreisen, die nunmehr wieder Be­ zirke hießen. Hauptaufgabe war, mit der Ordnungspolizei (Schutzpolizei und Gen­ © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 318

darmerie) und der Sicherheitspolizei die öffentlichen Ordnung und Sicherheit wie­ derherzustellen und aufrecht zu erhalten. Die Sicherheitspolizei war allerdings auf die Kriminalpolizei reduziert worden, nachdem die Geheime Staatspolizei (Gestapo) und der Sicherheitsdienst (SD) gemeinsam mit der NSDAP aufgelöst worden waren. Die Public Safety Branch löste diese Aufgabe in enger Zusammenarbeit mit der Gerichtsabteilung (Legal Division) der Militärregierung. Die US-Militärpolizei (MP, Military ) und der US-Abwehrdienst (CIC, Counter Intelligence Corps) waren die anderen wichtigen Mitarbeiter. Die Proklamation Nr. 2 der US-Militärregierung, die sofort nach der Besetzung des österreichischen Staatsgebietes bekanntgegeben wurde, enthielt unter Punkt IV: „Alle Beamten und andere Personen sind, soweit sie nicht von der Militärregie­ rung suspendiert oder entlassen wurden, verpflichtet, bis auf weitere Anordnung auf ihren Posten zu verbleiben und alle Befehle oder Anordnungen der Militär­ regierung oder der Alliierten Behörden zu befolgen sowie für deren Ausführung Sorge zu tragen. [...] Die Ordnungs- und Kriminalpolizei werden für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung verantwortlich gehalten.“64

In diesem scheinbar aussichtslosen Umfeld hatte die bestehende Exekutive, die anfangs selbst nicht wusste, ob und wie sie ihre Tätigkeit ausüben werde, ihren Teil dazu beigetragen, dass die anstehenden Probleme ohne große Konfrontation, ohne Hunger- oder Wohnungskrawalle sich Monat für Monat besserten. Sie erreichte dies in engster Anlehnung zu den sich neu bildenden demokratischen staatlichen Insti­ tutionen und den Organen der Besatzungsmacht. Sehr rasch wurden auch wieder die alten Organisationsformen der Polizei, der Kriminalpolizei und der Gendarmerie eingenommen. Als Kennzeichnung hatte die uniformierte Exekutive bis zum 23. Mai 1946 die rot-weiß-rote Armbinde zu tragen.

Entnazifizierung

Entnazifizierung durch die Militärregierungen)

Die nun beginnende Entnazifizierung war von den Alliierten unter folgenden Grundsätzen festgelegt worden65: „Es wird die Politik der Militärregierung sein, soweit wie möglich, durch Ober­ aufsicht über die Verwaltungsmaschinerie, unter Elimination aktiver Nazis und österreichischer Anti-Demokraten, indirekt zu regieren. Da die meisten Verwal­ tungsorgane, zumindest nominell, Mitglied der Nazi-Partei sind, wird es nicht möglich sein, alle zu entfernen oder zu internieren. Dies würde den Zusammen­ bruch der Verwaltungsmaschinerie und der technischen Dienste wie Transport­ wesen bedeuten. Alle aktiven Nazis und solche in Schlüsselpositionen sollen rasch entfernt werden. Solche in untergeordneten Positionen, die nur Parteimit­ glied waren können vorbehaltlich künftiger Untersuchungen im Dienst bleiben. Alle Österreicher, die vor 1938 der Nazi-Partei angehörten, sollen mit dem größ­ ten Argwohn betrachtet und entfernt werden.“ Diese äußerst realistische Einschätzung der Gegebenheiten, wurde aber später durch Entnazifizierungsmethoden abgelöst, die in der geforderten kurzer Zeit ein­ fach nicht erfüllbar waren. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 319

Die Amerikaner und Briten hatten ein Verhaftungsprogramm ausgearbeitet, wel­ ches Verhaftungen zweier Personengruppen vorsah (category arrest). — Personen in bestimmten Partei- und Staatspositionen und — Personen mit individueller persönlicher Schuld (schwarze Liste, Lon-doner Liste). Diese beiden Listen umfassten für das Deutsche Reich insgesamt etwa 600.000 Personen. Außerdem bestand auch die Möglichkeit der Verhaftung nach freiem Er­ messen durch die Besatzungstruppen/Militärbehörden (discretory arrest).

Der Ablauf der Entnazifizierung war wie folgt geplant: — Registrierung jedes Deutschen (Österreichers) durch Ausfüllung eines weitge­ hend genormten Fragebogens, der etwa 150 Fragen enthielt. — Entlassung aus wichtigen Position des Staates und der Wirtschaft. — Verhaftungen und Verbringung in Internierungslager. Die Leitung der Militärregierung und daher auch der Entnazifizierung durch die Amerikaner lag in den Händen des HQ USFA (Hauptquartier US-Streitkräfte in Österreich). Der Kommandierende General der USFA war in Personalunion auch US-Vertreter in der Alliierten Kommission für Österreich. Er wurde auch Hoch­ kommissar genannt66. Er hatte zusätzlich zu seiner militärischen Stabsorganisation (Personal, Informa­ tion, Operation, Versorgung) einen Zivilstab zur Verfügung. Dieser Zivilstab hieß USACA (US-Element der Alliierten Kommission für Österreich) und bestand aus verschiedenen Fachabteilungen, die alle zivilen Lebensäußerungen abdeckten. Diese Fachabteilungen (Divisions, Branches, Sections) änderten im Laufe der Zeit mehr­ mals ihre Namen bzw. Zuständigkeiten. Allgemein gültig kann gesagt werden, dass die für die Internal Affairs (innere Angelegenheiten) zuständige Organisation das Polizeiwesen, die Entnazifizierung und die DP-Problematik regelte. Für die Polizei wurde die Public Safety (Branch oder Sub-Section), für die Entnazifizierung die Spe­ cial Branch (auch Denazification Branch oder Sub-Section) genannt, geschaffen.

Beispiel eines Aufrufes zur Registrierung ehemaliger Nationalsozialisten durch österreichische Organe unter dem Recht der Militärregierung67: „Im Auftrag der Militärregierung wird aufgrund des heutigen Landeshauptmann- Erlasses angeordnet, dass sich alle Personen, die: 1. der NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK) ange­ hörten; 2. Anwärter der NSDAP waren; 3. um die Aufnahme in die NSDAP oder SS ansuchten; 4. der HJ vom Schar- oder Jungzugsführer aufwärts oder dem BDM von der Scharführerin aufwärts angehörten; 5. für den Sicherheitsdienst (SD) oder die geheime Staatspolizei (Gestapo) tätig waren, zwecks Eintragung in Listen und Ausfüllung von Fragebogen zu melden haben. Nicht melden sowie unrichtiges oder unvollständiges Ausfüllen der Fragebögen ist strafbar.“

Die durch die Alliierten auf dem Staatsgebiet Österreichs ausgelöste Verhaftungs­ welle umfasste im Mai und Juni 1945 maximal 10.000 Personen, wobei es sich nicht nur um Österreicher handelte, sondern auch um Reichsdeutsche sowie Personen aus © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 318

darmerie) und der Sicherheitspolizei die öffentlichen Ordnung und Sicherheit wie­ derherzustellen und aufrecht zu erhalten. Die Sicherheitspolizei war allerdings auf die Kriminalpolizei reduziert worden, nachdem die Geheime Staatspolizei (Gestapo) und der Sicherheitsdienst (SD) gemeinsam mit der NSDAP aufgelöst worden waren. Die Public Safety Branch löste diese Aufgabe in enger Zusammenarbeit mit der Gerichtsabteilung (Legal Division) der Militärregierung. Die US-Militärpolizei (MP, ) und der US-Abwehrdienst (CIC, Counter Intelligence Corps) waren die anderen wichtigen Mitarbeiter. Die Proklamation Nr. 2 der US-Militärregierung, die sofort nach der Besetzung des österreichischen Staatsgebietes bekanntgegeben wurde, enthielt unter Punkt IV: „Alle Beamten und andere Personen sind, soweit sie nicht von der Militärregie­ rung suspendiert oder entlassen wurden, verpflichtet, bis auf weitere Anordnung auf ihren Posten zu verbleiben und alle Befehle oder Anordnungen der Militär­ regierung oder der Alliierten Behörden zu befolgen sowie für deren Ausführung Sorge zu tragen. [...] Die Ordnungs- und Kriminalpolizei werden für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung verantwortlich gehalten.“64

In diesem scheinbar aussichtslosen Umfeld hatte die bestehende Exekutive, die anfangs selbst nicht wusste, ob und wie sie ihre Tätigkeit ausüben werde, ihren Teil dazu beigetragen, dass die anstehenden Probleme ohne große Konfrontation, ohne Hunger- oder Wohnungskrawalle sich Monat für Monat besserten. Sie erreichte dies in engster Anlehnung zu den sich neu bildenden demokratischen staatlichen Insti­ tutionen und den Organen der Besatzungsmacht. Sehr rasch wurden auch wieder die alten Organisationsformen der Polizei, der Kriminalpolizei und der Gendarmerie eingenommen. Als Kennzeichnung hatte die uniformierte Exekutive bis zum 23. Mai 1946 die rot-weiß-rote Armbinde zu tragen.

Entnazifizierung

Entnazifizierung durch die Militärregierungen)

Die nun beginnende Entnazifizierung war von den Alliierten unter folgenden Grundsätzen festgelegt worden65: „Es wird die Politik der Militärregierung sein, soweit wie möglich, durch Ober­ aufsicht über die Verwaltungsmaschinerie, unter Elimination aktiver Nazis und österreichischer Anti-Demokraten, indirekt zu regieren. Da die meisten Verwal­ tungsorgane, zumindest nominell, Mitglied der Nazi-Partei sind, wird es nicht möglich sein, alle zu entfernen oder zu internieren. Dies würde den Zusammen­ bruch der Verwaltungsmaschinerie und der technischen Dienste wie Transport­ wesen bedeuten. Alle aktiven Nazis und solche in Schlüsselpositionen sollen rasch entfernt werden. Solche in untergeordneten Positionen, die nur Parteimit­ glied waren können vorbehaltlich künftiger Untersuchungen im Dienst bleiben. Alle Österreicher, die vor 1938 der Nazi-Partei angehörten, sollen mit dem größ­ ten Argwohn betrachtet und entfernt werden.“ Diese äußerst realistische Einschätzung der Gegebenheiten, wurde aber später durch Entnazifizierungsmethoden abgelöst, die in der geforderten kurzer Zen ein­ fach nicht erfüllbar waren. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 319

Die Amerikaner und Briten hatten ein Verhaftungsprogramm ausgearbeitet, wel­ ches Verhaftungen zweier Personengruppen vorsah (category arrest). — Personen in bestimmten Partei- und Staatspositionen und — Personen mit individueller persönlicher Schuld (schwarze Liste, Lon-doner Liste). Diese beiden Listen umfassten für das Deutsche Reich insgesamt etwa 600.000 Personen. Außerdem bestand auch die Möglichkeit der Verhaftung nach freiem Er­ messen durch die Besatzungstruppen/Militärbehörden (discretory arrest).

Der Ablauf der Entnazifizierung war wie folgt geplant: — Registrierung jedes Deutschen (Österreichers) durch Ausfüllung eines weitge­ hend genormten Fragebogens, der etwa 150 Fragen enthielt. — Entlassung aus wichtigen Position des Staates und der Wirtschaft. — Verhaftungen und Verbringung in Internierungslager. Die Leitung der Militärregierung und daher auch der Entnazifizierung durch die Amerikaner lag in den Händen des HQ USFA (Hauptquartier US-Streitkräfte in Österreich). Der Kommandierende General der USFA war in Personalunion auch US-Vertreter in der Alliierten Kommission für Österreich. Er wurde auch Hoch­ kommissar genannt66. Er hatte zusätzlich zu seiner militärischen Stabsorganisation (Personal, Informa­ tion, Operation, Versorgung) einen Zivilstab zur Verfügung. Dieser Zivilstab hieß USACA (US-Element der Alliierten Kommission für Österreich) und bestand aus verschiedenen Fachabteilungen, die alle zivilen Lebensäußerungen abdeckten. Diese Fachabteilungen (Divisions, Branches, Sections) änderten im Laufe der Zeit mehr­ mals ihre Namen bzw. Zuständigkeiten. Allgemein gültig kann gesagt werden, dass die für die Internal Affairs (innere Angelegenheiten) zuständige Organisation das Polizeiwesen, die Entnazifizierung und die DP-Problematik regelte. Für die Polizei wurde die Public Safety (Branch oder Sub-Section), für die Entnazifizierung die Spe­ cial Branch (auch Denazification Branch oder Sub-Section) genannt, geschaffen.

Beispiel eines Aufrufes zur Registrierung ehemaliger Nationalsozialisten durch österreichische Organe unter dem Recht der Militärregierung67: „Im Auftrag der Militärregierung wird aufgrund des heutigen Landeshauptmann- Erlasses angeordnet, dass sich alle Personen, die: 1. der NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK) ange­ hörten; 2. Anwärter der NSDAP waren; 3. um die Aufnahme in die NSDAP oder SS ansuchten; 4. der HJ vom Schar- oder Jungzugsführer aufwärts oder dem BDM von der Scharführerin aufwärts angehörten; 5. für den Sicherheitsdienst (SD) oder die geheime Staatspolizei (Gestapo) tätig waren, zwecks Eintragung in Listen und Ausfüllung von Fragebogen zu melden haben. Nicht melden sowie unrichtiges oder unvollständiges Ausfüllen der Fragebögen ist strafbar.“

Die durch die Alliierten auf dem Staatsgebiet Österreichs ausgelöste Verhaftungs­ welle umfasste im Mai und Juni 1945 maximal 10.000 Personen, wobei es sich nicht nur um Österreicher handelte, sondern auch um Reichsdeutsche sowie Personen aus © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at

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Ländern, die mit dem Deutschen Reich verbündet waren und zu Kriegsende auf dem Gebiet des heutigen Österreich gestrandet waren. Bis Februar 1946 dürften es dann insgesamt 18.000 in Österreich verhaftete Personen gewesen sein, wobei die USA etwa 9000, die UdSSR weniger als 1000 Verhaftungen Vornahmen. Dass die Sowjets wesentlich weniger Verhaftungen vorgenommen haben, lag auch daran, dass viele ehemalige Nationalsozialisten in die westlichen Besatzungszonen geflüchtet waren.

Das Bundeskanzleramt berichtete an die Alliierte Kommission, dass sich mit Stichtag 1. Mai 1947 insgesamt 15.826 Personen als politische Häftlinge in polizei­ licher Haft befanden68: In 4 österreichischen Arbeitslagern 389 Personen Internierungslager Marcus W. Orr69 (Glasenbach) 6742 Personen Internierungslager Wolfsberg 2958 Personen Polizeiliche/gerichtliche Gefangenenhäuser 5737 Personen

Entnazifizierung durch österreichische Behörden

Im Unterschied zu Deutschland, wo es erst 1949 eine Zentralregierung gab, wur­ de in Österreich die Entnazifizierung durch österreichische Behörden bereits vor der Kapitulation des Deutschen Reiches begonnen. Grundlage war der einhellige Wille der drei politischen Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ, der in der Regierungserklärung vom 27. April 194570 ausgedrückt wurde: „[...] Nur jene, welche aus Verachtung der Demokratie und der demokratischen Freiheiten ein Regime der Gewalttätigkeit, des Spitzeltums, der Verfolgung und Unterdrückung über unserem Volk aufgerichtet und erhalten, welche das Land in diesen abenteuerlichen Krieg gestürzt und es der Verwüstung preisgegeben ha­ ben und noch weiter preisgeben wollen, sollen auf keine Milde rechnen können. Sie werden nach demselben Ausnahmerecht behandelt werden, das sie selbst den anderen aufgezwungen haben und jetzt auch für sich selbst für gut befinden sol­ len. Jene freilich, die nur aus Willensschwäche, infolge ihrer wirtschaftlichen La­ ge, aus zwingenden öffentlichen Rücksichten wider innere Überzeugung und ohne an den Verbrechen der Faschisten teilzuhaben, mitgegangen sind, sollen in die Gemeinschaft des Volkes zurückkehren und haben somit nichts zu befürch­ ten [...]“

Die Exponenten der Regierungsparteien waren allesamt Personen, die unter dem Nationalsozialismus mehr oder weniger schwer gelitten hatten. Sie hatten am eige­ nen Leib das NS-System kennengelernt. Dieses System, deren Repräsentanten und das dazu führende Gedankengut sollte für immer ausgedient haben. Die Fehlent­ wicklungen die zu den Auseinandersetzungen der Ersten Republik geführt hatten und die letztlich auch den Nationalsozialismus gefördert hatten, sollten nicht wie­ derholt werden. Diese Fehlentwicklungen der ersten Republik wurden, um nicht alte Wunden aufzureißen, jedoch meist stillschweigend übergangen. Das neue Österreich sollte auf den Fundamenten Rechtsstaatlichkeit, demokrati­ sche Regierungsform und wirtschaftlichen Wiederaufbau aufgebaut werden. Hier lag bereits das unlösbare Problem der Entnazifizierung. Wer war schuldig, dass es zum Nationalsozialismus in Österreich überhaupt gekommen war, wer hat diesen geför­ dert und unterstützt, wer hat Verbrechen begangen? War nicht jeder Einzelne, der sich nicht gegen das System gerichtet hat, mitschuldig, dass das System funktioniert © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 321 hatte, weil er doch zumindest ein Rädchen dieser Maschinerie gewesen war? Wie sollte man organisatorisch in Österreich gegen hunderttausende Personen in kurzer Zeit ein rechtsstaatliches Verfahren ab wickeln? Im Falle konkreter Verbrechen schien die Sache ja noch einfach. Da konnten die Gerichte Recht sprechen. Doch selbst diese funktionierten nach Kriegsende nur mangelhaft und waren ja selbst noch nicht entnazifiziert. Was aber hat beispielsweise mit einem Beamten zu geschehen, der durch seine Arbeit den Staat repräsentiert hatte, der NSDAP beigetreten war und seinen Dienst „ordentlich“ versehen hatte? Während in Deutschland der Alliierte Kontrollrat am 30. August 1945 in Berlin errichtet wurde, tagte für Österreich der Alliierte Rat in seiner ersten Vollsitzung am 11. September 1945 in Wien. Er repräsentierte die oberste Macht im Staate. Durch ihn wurden nun die Maßnahmen der Militärregierungen besser koordiniert und ein­ heitlicher für ganz Österreich angeordnet bzw. einheitliche Richtlinien für die öster­ reichische Verwaltung erlassen. Alle österreichischen Organe waren an seine Wei­ sungen gebunden. Die österreichische Gesetzgebung war vollkommen von den Alliierten abhängig. Am 28. Juni 1946 wurde im 2. Kontrollabkommens durch Artikel 6 die Abhängig­ keit der österreichischen Gesetzgebung noch sehr deutlich festgelegt. „[...] Im Falle von Verfassungsgesetzen bedarf es der schriftlichen Zustimmung des Alliierten Ra­ tes, bevor ein solches Gesetz veröffentlicht werden und in Kraft treten kann. Im Falle aller anderen legislativen Maßnahmen und internationalen Abkommen darf angenommen werden, dass der Alliierte Rat seine Zustimmung erteilt hat, wenn er binnen einunddreißig Tagen nach Einlangen bei der Alliierten Kommission die österreichische Regierung nicht benachrichtigt, dass er gegen eine legislative Maß­ nahme oder gegen ein internationales Abkommen Einspruch erhebt.“

Erste wichtige gesetzliche Grundlagen Kriegsverbrecher und diesen gleichgestellte Personen (hohe Funktionäre des Rei­ ches) wurden durch das „Verfassungsgesetz vom 26. Juni 1945 über Kriegsverbre­ chen und andere nationalsozialistische Untaten (Kriegsverbrechergesetz)“71 bei den Volksgerichten abgeurteilt. Das „Gesetz vom 22. August 1945 zur Wiederherstellung österreichischen Beam­ tentums (Beamten-Uberleitungsgesetz)“72 ordnete an, dass die Personalstände des öf­ fentlichen Dienstes neu gebildet werden. Paragraf 6 sprach davon, dass bei der Bildung der Personalstände allen Erwägun­ gen voranzustehen habe, eine der Republik Österreich ergebene, nach Gesinnung und Haltung einwandfrei österreichische, demokratische Beamtenschaft zu schaffen. Das Wirtschaftssäuberungsgesetz „Verfassungsgesetz vom 12. September 1945 über Maßnahmen zur Wiederherstellung gesunder Verhältnisse in der Privatwirt­ schaft“73 regelte in Berufung auf das Verbotsgesetz, die Behandlung von Personen in der Privatwirtschaft. Dieses Gesetz war durch die Arbeitgeber bzw. durch die Kom­ missionen bei den Landesarbeitsämtern zu vollziehen.

Das „Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (Verbots­ gesetz)“74 bestand aus den wesentlichen Artikeln: — Verbot der NSDAP — Registrierung der Nationalsozialisten. Die Registrierung wurde dann durch die „Verordnung der Staatskanzlei im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsäm­ tern vom 11. Juni 1945 über die Registrierung der Nationalsozialisten (NS-Regis- © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 322

trierungsverordnung)“75 besonders geregelt. Strafrechtliche Sonderbestimmungen gegen „Illegale“ (Hochverrat - General-Bewährungsstrafe für diese Personen- gruppe)76 — Bestimmungen über sühnepflichtige Personen — Volksgerichte — Ausnahmebestimmungen Dieses Verfassungsgesetz wurde erst durch den im Juli 1945 installierten Alliier­ ten Rat am 10. Jänner 1946 genehmigt und trat am 5. Februar 1946 für die gesamte Republik Österreich in Kraft. Bis dahin wurde dieses Gesetz durch österreichische Behörden vorwiegend nur in der sowjetisch besetzten Zone vollzogen.

Parallel dazu wurde durch den Alliierten Rat am 11. Februar 1946 die Entnazi­ fizierung in die Hände Österreichs gelegt. Die Entnazifizierung sollte in wenigen Wochen abgeschlossen sein. Das im November 1945 geschaffene „Alliierte Entnazi­ fizierungsbüro“ sollte dabei die Kontrolle über die Entnazifizierung durch österrei­ chische Behörden überwachen. Diese rasche Entnazifizierung war einfach nicht möglich. Das Verbotsgesetz, nunmehr in ganz Österreich anzuwenden, stieß auf vielseitige organisatorische und rechtliche Widerstände.

Beispiel eines Aufrufes zur Registrierung ehemaliger Nationalsozialisten durch österreichische Organe unter österreichischem Recht (Verbotsgesetz (1945): „Die Landeshauptmannschaft Salzburg ordnet die neuerliche Registrierung der Nationalsozialisten gemäß § 4 Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945, StGBl. Nr. 13, an. Gemäß § 2, Abs. 1, der Durchführungsverordnung vom 11. Juni 1945, StGBl. Nr. 18, sind alle im Gebiete des Bundeslandes Salzburg wohnhaften Personen, die zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 27. April 1945 der NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK) angehörten, ferner Parteianwärter und Personen, die sich um Aufnahme in die SS bewarben, verpflichtet, sich zur Regis­ trierung zu melden. Die Meldepflicht besteht für im Bundesland Salzburg wohn­ hafte Personen auch dann, wenn diese ihren ordentlichen Wohnsitz oder dau­ ernden Aufenthalt in einem anderen Land der Republik Österreich haben.“77

Die folgende Grafik aus der Anfangszeit der Entnazifizierung zeigt das Schema des Weisungs- und Informationsflusses, wie es von der US-Militärregierung gehand- habt wurde. Dabei ist unter „Ordinance 131“ das StGBl Nr. 131/1945, die 3. Durchführungs­ verordnung zum Verbotsgesetz78, und unter „Par 9, Law 160“ das StGBl Nr. 160/ 1945, das Wirtschaftssäuberungsgesetz79 zu verstehen80. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 324

Am 20. April 1946 berichtete die Salzburger Landesregierung an die US- Militärregierung Salzburg folgenden Stand der Entnazifizierung81. (Prozentangaben durch Verfasser)

Entlassen durch Entlassen aus anderen Personalstand Entnazifizierung Gründen (z. B. deutsche 01.05.1945 bis 15.04.1946 Staatsangehörige) Landeshaupt­ mannschaft 1851 460 25% 537 29% Postverwaltung 3077 596 19% 361 12% Gericht 196 72 37% 24 12% Polizeidirektion 1369 154 11% 132782 Gendarmerie 357 141 39% 0 Magistrat Salzburg 2077 512 25% 1446 70% Staatsbahnen 4363 282 6% 1943 44% Volks- und Hauptschulen 818 241 29% 100 12% Mittelschulen 166 55 3% 23 14% Berufsschulen 94 60 64% 11 12% Landesforstamt 588 171 29% 42 7% Landwirtschafts­ kammer, Handelskammer 100 19 19% 14 14% 15026 2763 5828

Da man aber wusste, dass es bei individueller rechtsstaatlicher Behandlung jedes einzelnen Falles 10 bis 15 Jahre dauern würde, alle 536.00083 registrierten Nazis zu überprüfen, ging man daran, das Verbotsgesetz in der Hinsicht zu ändern, das indi­ viduelle durch ein kollektives Verfahren der Entnazifizierung abzulösen. Die Ver­ handlungen dazu zogen sich das ganze Jahr 1946 hin, bis der Alliierte Rat am 13. De­ zember 1946 die neuen Regelungen mit 50 verschärfenden Änderungen an den Nationalrat zurückgab84. Die Alliierten Wünsche wurden nun widerwillig in das neue Gesetz eingebaut. Durch dieses „Bundesverfassungsgesetz vom 6. Februar 1947 über die Behandlung der Nationalsozialisten (Nationalsozialistengesetz)“85 wurden nun viele Gesetzes­ materien die Entnazifizierung beteffend novelliert. Beispielsweise gilt dieses Natio­ nalsozialistengesetz auch als 3. Verbotsgesetznovelle. Das bisherige Verbotsgesetz (mit seinen Novellen) heißt ab nun „Verbotsgesetz 1947“. Das Verbotsgesetz 1947 prägt im Artikel IV über „Sühnepflichtige Personen“ die Begriffe „Belastete Perso­ nen“ und „Minderbelastete Personen“. In Verbindung mit der „Verordnung der Bun­ desregierung vom 10. März 1947 zur Durchführung des Verbotsgesetzes 1947“86 ist das Verbotsgesetz 1947 nunmehr das bestimmende Element der Entnazifizierung87. Die Sühnefolgen, auch für Minderbelastete, aber auch die Behandlung Jugend­ licher sorgten dafür, dass dieses Nationalsozialistengesetz allgemein kritisiert und vielfach abgelehnt wurde. Neben mehr oder weniger vorsichtigen politischen Diskussionen über die Ent­ nazifizierung wie Ausschluss von der Nationalrats- und Landtagswahl vom 25. No­ vember 1945, Arbeitspflicht, Wohnungsverlust und andere Sühnefolgen war diese © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 325

Zeit geprägt vom Kampf um den Nachweis, wer von diesen sühnepflichtigen Per­ sonen als „Belastete Person“ oder als „Minderbelastete Person“ galt. Diese Bestim­ mungen waren sehr verwirrend. Als Belastete Personen galten nunmehr höhere NSDAP-Funktionäre, SS-Ange- hörige, Angehörige der Gestapo und des SD, Blutordensträger und Kriegsverbre­ cher. Als Minderbelastete Person galt derjenige, der zwischen 1933 und 1945 der NSDAP beigetreten war. Ein ehemals Illegaler war nun nicht mehr automatisch Belasteter. Man war dazu übergegangen, das zu bewerten, was aus ihm geworden war, welche Funktion er erreicht hatte.

Im Privatbesitz des Verfassers befindet sich das von Rudolf Kiszling 1948 heraus­ gegebene 2-bändige Werk „Die Revolution im Kaisertum Österreich 1848-1849“. In dieses Exemplar hat der spätere Geschichts-Professor an der Hochschule für Welt­ handel in Wien, Taras von Borodajkewycz mit Tintenstift folgende Widmung ein­ getragen88:

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Dieses handschriftliche Zeitdokument zeigt ein Wortspiel mit den damals gängi­ gen Begriffen „Belasteter“ und „Minderbelasteter Nationalsozialist“. Es geht daraus auch hervor, dass Borodajkewycz vom Belasteten zum Minderbelasteten herabge­ stuft wurde und dadurch in den Genuss der Minderbelasteten-Amnestie kam, ein Vorgang, der zu dieser Zeit nicht ganz unüblich war. So waren bis 1. Novem­ ber 1950 15.186 Belastete als Minderbelastete eingestuft und 1425 Personen über­ haupt aus der Registrierung herausgenommen worden89.

Viele Belastete versuchten, sich durch Aussagen anderer Personen reinzuwa­ schen. Eine solche Bestätigung wurden damals, nach einem bekannten Waschmittel, „Persilschein“ genannt. Der Verfasser konnte mehrfach nachvollziehen, wie be­ stimmte Personen nach dem Anschluss versuchten, durch Sammlung von schrift­ lichen Aussagen, die NSDAP zu überzeugen, dass sie schon immer glühende Unter­ stützer der NSDAP gewesen seien. Im Rahmen der Entnazifizierung legten dieselben © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 326

Personen ihre „Persilscheine“ vor, um nunmehr zu beweisen, dass sie eigentlich immer schon gute Österreicher gewesen sind und nur durch Druck in die NSDAP eingetreten waren. Die Entlastungsmethode „Persilschein“ scheint im Behördenbereich besonders unter den Beamten des mittleren und höheren Dienstes sehr effektiv gewesen zu sein. Dieser Personenkreis hatte durch seine Positionen die nötigen guten Kontakte. Nur besonders hohe Beamte, oder solche in besonders exponierten Stellungen konn­ ten durch ihren Bekanntheitsgrad bedingt, diese Persilschein-Methode nicht nutzen. Würde man heute diese Persilscheine nachprüfen, so könnte man feststellen, dass sich gewisse Gruppen, heute würde man dazu „Seilschaften“ sagen, gegenseitig rein­ gewaschen hatten. Dies sagt aber nicht aus, dass die Entnazifizierung nicht gegriffen hätte. Es sagt nur aus, dass es einzelnen Personen gelang, durch alle Maschen zu schlüpfen. Anderen Personen wiederum gelang es, ihre Rolle herabzuspielen und mit geringen Sühnefolgen oder gar ungeschoren davonzukommen.

Beispiel eines Aufrufes zur Registrierung ehemaliger Nationalsozialisten durch österreichische Organe unter österreichischem Recht (Verbotsgesetz 1947): „Das Bundesministerium für Inneres gibt u. a. kund: 1. müssen sich alle registrierungspflichtige Personen (gemäß § 6, Abs (1) der Ver­ ordnung vom 10. März 1947, BGBl. Nr. 64 zur Durchführung des Verbotsgeset­ zes 1947) zwecks Eintragung in die Registrierungslisten melden; 2. sind in den Registrierungslisten (gemäß § 4 Abs. (1) des Verbotsgesetzes 1947) alle Personen zu verzeichnen, die zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 27. April 1945 a) der NSDAP oder ihren Wehrverbänden SS oder SA oder b) dem NS-Soldatenring oder dem NS-Offiziersbund angehört haben oder c) Führer in den Wehrverbänden NSKK oder NSFK vom Untersturmführer oder Gleichgestellten aufwärts oder Funktionär in einer sonstigen Gliederung, Organi­ sation oder in einem sonstigen angeschlossenen Verband von dem einem Orts­ gruppenleiter der NSDAP entsprechenden Rang aufwärts oder Angehörige der Gestapo oder des SD waren. Zu verzeichnen sind auch: d) die Verfasser von Druckschriften jedweder Art oder von Filmdrehbüchern, die von der beim Bundesministerium für Unterricht gebildeten Kommission wegen ihres nationalsozialistischen Gehaltes als verbotene Werke erklärt wurden.“90

Uber die Effektivität der Entnazifizierung in der Stadt Salzburg muss man sich allerdings Angesichts folgender Meldung des Demokratischen Volksblattes vom 24. Februar 1948 Gedanken machen: „Der Leiter der Salzburger NS-Registrierungsstelle beim Stadtmagistrat in Salz­ burg, Dr. Walter Hingsamer, wurde von der Staatspolizei verhaftet, da sich her­ ausgestellt hat, daß er selbst Nationalsozialist war und das verheimlicht hat. Aus einem, von ihm selbst gezeichneten Lebenslauf, den er im Jahre 1942 in Graz ver­ faßt hat, geht sogar hervor, daß er illegal der NSDAP angehört hat und Angehö­ riger der SA war. Wie wir hören, hat Dr. Hingsamer bereits ein Geständnis abge­ legt. Nach Bekanntgabe der Entlassung dieses Illegalen, der sich in die Registrier­ stelle für Nationalsozialisten einzuschleichen wußte, hat der Bürgermeister sofort veranlaßt, daß die Amtsvorgänge in der Registrierstelle überprüft werden.“ Zwei Monate später (28. April 1948) berichtet dieselbe Zeitung, dass Dr. Hings- hamer (andere Schreibweise) von einem Schöffensenat wegen Missbrauches der © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 327

Amtsgewalt zu drei Monaten schweren Kerkers verurteilt wurde. Dieses Urteil kam unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes zustande. Hingshamer soll sich Anfangs gewehrt haben, eine derartig exponierte Position zu besetzen, wur­ de aber wegen seiner guten Qualifizierung und des Personalmangels dazu gedrängt, so dass er nicht ablehnen konnte. Er soll jedoch seine Position korrekt ausgeübt haben. Außerdem wurde erwähnt, dass sich mit diesem Fall ein Volksgerichtshof in Linz befassen werde. Einen ähnlichen Fall, gab es auch im Bereich der Salzburger Landesregierung. Dort hatte ein Dr. Walter Finger, der ehemalige Leiter des Landesumsiedlungsamtes, jahrelang ausgezeichnete Arbeit für die Flüchtlinge im Land Salzburg geleistet. 1952 musste festgestellt werden, dass er Titel und Identität des verstorbenen ersten Gatten seiner Frau angenommen hatte91.

Mit dem „Bundesverfassungsgesetz vom 21. April 1948 über die vorzeitige Been­ digung der im Nationalsozialistengesetz vorgesehenen Sühnefolgen für minderbelas­ tete Personen“92 war für 487.06793 minderbelastete Personen die Entnazifizierung beendet. Für diese 90% der ehemals registrierungspflichtigen Nationalsozialisten gal­ ten die im Verbotsgesetz und in anderen Sondergesetzen festgelegten Sühnefolgen nicht mehr. Eine Rückwirkung war allerdings nicht vorgesehen. Sühnefolgen, die bis zur Amnestie durchgeführt waren — WohnungsVerlust, Entlassungen, Sühne­ zahlungen usw. — blieben weiter aufrecht. Nunmehr existieren nur noch etwa 43.000 Belastete im Sinne des Verbotsgesetzes 194794. Im Julil949 wurde der Versuch des Nationalrates, eine Amnestie für bestimmte Gruppen von Belasteten zu schaffen, aufgegeben. Es war zu erkennen gewesen, dass der Alliierte Rat diesem Gesetz nicht zugestimmt hätte. Die Nationalrats wähl vom 9. Oktober 1949 war unter anderem von der Einver­ leibung der Wählerstimmen der ehemals Minderbelasteten und deren Angehöriger geprägt. Es bildete sich die sogenannte Vierte Partei, der Verband der Unabhängigen (VdU), die auf Anhieb 16 Abgeordnete stellen konnte. Allgemein ist anerkannt, dass jedoch nur etwa die Hälfte der für die VdU abgegebenen Wählerstimmen aus dem Reservoir der ehemals Minderbelasteten kam95. Am 17. Dezember 1951 beschloss der Nationalrat die Spätheimkehreramnestie für alle Personen, die erst nach dem 30. April 1949, also vier Jahre nach dem Kriegs­ ende aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrten. Es betraf dies 1116 Personen96. Dieses Gesetz erlangte aber nie die Genehmigung des Alliierten Rates.

Im Dezember 1955 stellten die österreichischen Volksgerichte zur Untersuchung und Ahndung nationalsozialistischer Verbrechen ihre Tätigkeit ein. Sie waren durch das Verbots- und durch das Kriegsverbrechergesetz legitimiert gewesen. Sie bestan­ den von 1945 bis 1955 bei den Landesgerichten am Sitz der Oberlandesgerichte (Wien, Graz, Linz, Innsbruck). Ein Volksgericht setzte sich aus zwei Berufs- und drei Laienrichtern zusammen. Gegen 136.829 Personen wurden Volksgerichtsver­ fahren eingeleitet. Davon wurden 23.477 mit einem Urteil abgeschlossen97. Der Name Volksgericht dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die drei Laienrichter nicht nur über die Schuld, sondern auch über das Strafausmaß mitbestimmen konn­ ten. Diese Sondergerichte entschieden in erster und einziger Instanz unter Aus­ schluss ordentlicher Rechtsmittel. Sie waren „Ausnahmegerichte mit verkürztem Verfahren“. Nur der oberste Gerichtshof konnte von Amts wegen ein Urteil aufhe- ben. Insgesamt wurden 43 Todesurteile gefällt, 30 davon wurden vollstreckt98. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 328

Die nach der Einstellung der Volksgerichte noch ausständigen Verfahren wurden durch die ordentlichen Gerichte als Geschworenengerichte übernommen und wei­ tergeführt. Durch die NS-Amnestie 1957 waren Strafverfahren aufgrund der Ent­ nazifizierungs-Sondergesetze einzustellen bzw. nicht mehr einzuleiten. Handlungen wurden nur mehr verfolgt, wenn sie auch unter die Bestimmungen des österreichi­ schen Strafrechtes fielen. Dazu wurden in den sechziger Jahren die Verjährungs­ bestimmungen für Verbrechen aus der NS-Zeit aufgehoben". Mit der NS-Amnestie vom 14. März 1957 beendete der Nationalrat die Entnazi­ fizierung . Damit waren auch die Sondergesetze aufgehoben worden. Das Verbotsgesetz 1947 ist mit etlichen Novellierungen weiterhin geltendes Recht und soll verhindern, dass sich jemand für die verbotene NSDAP oder ihre Ziele betätigt.

Entnazifizierung der Salzburger Gendarmerie

Im Bereich der staatlichen Verwaltung wurden in den jeweiligen Bundes­ ministerien Kommissionen gebildet, die über die Zulässigkeit der Berufsaus­ übung von ehemaligen Nationalsozialisten entscheiden konnten. Für Salzburgs Gendarmerie kann man folgendes aussagen: Von den ehe­ mals illegalen Nationalsozialisten war mit März 1946 kein einziger mehr im Dienst. Sie waren von Gesetzes wegen ausnahmslos als Hochverräter ent­ lassen worden. Gendarmen, die erst nach dem Anschluss der NSDAP oder einer ihrer unbedeutenderen Gliederungen beigetreten waren, konnten im Regelfall nach Kriegsende ihren Dienst weiter versehen. Sie wurden nach Konsolidierung der militärisch/politischen Situation entweder entlassen und konnten dann durch die Überprüfungsverhandlung beim Landesgen­ darmeriekommando als tragbar, bedingt tragbar oder untragbar eingestuft werden oder diese Überpüfungsverhandlung wurde im Dienststande durch­ geführt und dann der Weiterverbleib oder die Entlassung ausgesprochen. Daneben gab es auch noch die Möglichkeit der Pardonierung durch den Bundespräsidenten. So berichtete der oberste Berater des amerikanischen Hochkommissars am 29. Jänner 1948 an den US-Außenminister u. a., dass bisher 1269 Personen, darunter 435 Polizei- und Gendarmeriebeamte durch den Bundespräsidenten pardoniert wurden. Diese Möglichkeit war insbe- sonders dort angewandt worden, wo Kommunisten in den ministeriellen Entnazifizierungskommissionen eine besonders harte Haltung gegen Belas­ tete eingenommen hatten. Diese Haltung des Bundespräsidenten war zum politischen Problem in der Alliierten Kommission geworden. Unabhängig von dieser österreichischen Behandlung hatte natürlich die Militärregierung das letzte Wort und diese bestimmte in vielen Fällen, auch gegen die Meinung der Gendarmerieführung, die einzuschlagende Richtung.

Ein nicht untypisches Beispiel für derartige Entlassungen bzw. Wieder­ einstellung ist für das Bezirksgendarmeriekommando Hallein bekannt. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 329

Dort waren elf Gendarmen des Bezirkes über Anordnung des Public Safety Officer vom 18. Juli 1945 wegen ihrer Zugehörigkeit zur NSDAP aus dem Dienst zu entlassen worden. Diese Entlassung wurde durch die Gen­ darmerie auch am selben Tag verfügt. Bereits am 9. August 1945 fand durch das Landesgendarmeriekommando Salzburg eine Uberprüfungsverhandlung gegen sechs der Entlassenen statt. Fünf Beamte wurden für den Gendarme­ riedienst als tragbar und ein Beamter als bedingt tragbar erklärt. Nach diesem Verfahren hatten drei Gendarmen, die selbst unter dem Nationalsozialismus gelitten hatten, einer davon war im Konzentrations­ lager gewesen, ein dienstliches Schreiben an den Public Safety Officer, mit der Bitte um Wiedereinstellung dieser Beamten, gerichtet. Es waren dies der Bezirksgendarmeriekommandant von Hallein, sein Stellvertreter und der Gendarmeriepostenkommandant von Hallein gewesen. Sie versuchten in ihrer Bitte die Beweggründe zu erklären, die einen Gendarmen dazu brach­ ten, nach dem Anschluss der NSDAP beizutreten. „[...] die unter dem Drucke des damaligen Dienstgebers — Nationalsozia­ listischer Staat — sich beugen mussten und aus Sorge um Familie und Existenz der Partei beigetreten sind, ohne jemals überzeugte National­ sozialisten gewesen zu sein. Sie mussten den Treueid auf den Führer leis­ ten und waren als altösterreichische Soldaten gewohnt, den geleisteten Eid bis zur letzten Konsequenz zu halten. Als einziger Repräsentant des Staates in den Landgemeinden war es gera­ dezu Pflicht des Gend.Beamten entweder Parteigenosse zu werden oder eine Funktion in der Partei zu übernehmen, wollte er nicht mit der Partei oder mit der Bevölkerung in einen derartigen Konflikt kommen, dass er unmöglich wurde. Eine Ablehnung der Parteimitgliedschaft be­ deutete die Ablehnung des nationalsozialistischen Staates und somit auch die Selbstaufgebung der Existenz. Partei war zugleich Staat. Beamte, die die Parteimitgliedschaft ablehnten oder zurücklegten, wur­ den aus dem Dienste entfernt. Aus diesen Gründen nahmen die vorge­ nannten Gend.Beamten die Parteimitgliedschaft und die verschiedenen Funktionen in der Partei an. Die Mitglieder der Kommission und die Unterzeichneten sind der voll­ kommenen Überzeugung, dass die genannten Gend.Beamten, die ihnen durch viele Jahre bekannt sind und dauernd mit ihnen in Fühlung stan­ den, niemals Nationalsozialisten gewesen sind und nach wie vor treue Diener des Staates Österreich waren und bleiben. Die Gefertigten stellen als seinerzeit von den Nazis Gemassregelte und im Namen der übrigen Gend.Beamten des Bezirkes Hallein an die Mili­ tärregierung die Bitte, sie wolle veranlassen, dass die vorgenannten und entlassenen Gend.Beamten wieder in den Dienst gestellt werden. Die Wiedereinstellung wäre auch im Interesse des Dienstes dringend not­ wendig, da es sich im gegebenen Falle um vollwertiges Personal handelt.“ Die sechs Beamten wurden wieder eingestellt, zumindest befanden sie sich im März 1946 wieder im Dienststand101. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 330

Zusammenfassung

Zahlen 1938: Aus der im Artikel beschriebene Gestapo-Liste, März 193 8102 Zahlen 1946: Aus der Liste des Landesgendarmeriekommando Salzburg, 1. März 1946103

M ä r z 1938 0*33 Beam te) Illegale National Indifferente Systemanh. Extreme 52 Gend 77 Gend 109 Gend 110 Gend 85 Qend

45 Gendarmen KZ, Entlassung,

Kriegsende 2 0 G en d Entlassung /

' 194 Gend ¥ 48 Gend 42 fremde 2 7 1 Gend die bereits vor die 1938-1941 Gend die nach 1945 dem Anschluss neu die 1938-1941erstmals neu aufgenommene im Dienststand aufgenommen zuversetzt wurden waren wurden wurden M ä r z 1946 (555 Beam te) JX_ TT

194Gendarmen, davon 90Gendarmen, davon 271Gendarmen, davon 85 NSDAP-Mitglieder 15 NSDAP-Mitglieder 17 NSDAP-Anwärter 19 N SD AP-Anwärter 1 NSDAP-Anwärter

Gendarmeriebeamte, die erst nach dem Anschluß der NSDAP beigetreten sind, bzw. Parteianwärter waren, (siehe Kapitel Entnazifizierung)

Der Anschluss

Ob die Gendarmerie den Anschluss gefördert oder gehemmt hat, lässt sich nicht beantworten, da die Gendarmerie ab dem 11. März 1938 von der politischen Führung des Landes letztlich nicht gegen einen gewaltsamen An­ schluss eingesetzt wurde. Der Regierungswechsel von Schuschnigg zu Seyss- Inquart wurde nur durch die glaubhafte Androhung militärischer Gewalt vollzogen. Daher brauchte die Staatstreue der Exekutive nicht auf die Probe gestellt werden. Seyss-Inquart hatte seit Februar Zeit, als der mit dem Sicher­ heitswesen betraute Bundesminister, das Terrain für die NSDAP vorzube­ reiten. Ob nun der Anschluss, durch Gewaltandrohung erreicht, bilaterales oder/und internationales Recht in mehrfacher Weise verletzt hat, konnte für den einzelnen Bürger einsichtig sein, war für einen Beamten aber kein rechtliches Problem, mit der Ernennung des eigenen Ministers zum neuen Bundeskanzler die Weisungen der neuen Regierung zu akzeptieren. Was sollte er dagegen tun? © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 331

Die Zahl der illegalen NSDAP-Mitglieder innerhalb der Salzburger Gen­ darmerie lag mit 52 Beamten (12%) etwa im Durchschnitt der aller Illegalen in der österreichischen Bevölkerung. Aufgrund der Wichtigkeit und des Einflusses dieses Teils der Exekutive kann diese Zahl aber doch als relativ gefährlich angesehen werden. Die Masse dieser 52 Beamten dürfte wohl par­ teitreu gewesen sein und würde in einem entsprechenden Ernstfall auch die Weisungen der NSDAP befolgt haben. Die Haltung der als national einge­ schätzten Beamten (18%) bei einem Putsch ist ganz unklar. Die Masse der Salzburger Beamten war jedoch Systemanhänger (45%). Zusammen mit den indifferenten Beamten (25%) hätte die Regierung mit insgesamt 70% der Salzburger Gendarmeriebeamten rechnen können. Verschiedene Unter­ suchungen erkennen allgemein an, dass die Exekutive den Befehl zum Wi­ derstand gegen die Besetzung Österreichs befolgt hätte. Dies gilt insbeson­ dere auch für die Gendarmerie.

Nach dem Anschluss Die nach dem Anschluss durchgeführten Säuberungen in der Gendarme­ rie, Maßregelungen genannt, decken sich in etwa mit der Auswertung der Gestapo-Liste. Es wurden nachweislich 75 Salzburger Beamte gemaßregelt. Die Auswertung der Gestapo-Liste ergab eine Anzahl von 85 Gendarmen, die vom Verfasser als „eifrige Systemanhänger“ bezeichnet wurden und die deshalb personelle Konsequenzen zu erwarten hatten. Es sind tatsächlich fast ausschließlich Maßregelungen gegen die Gruppe dieser 85 Gendarmen vorgenomnmen worden. Dies lässt mit einiger Sicherheit die Annahme zu, dass die Gestapo-Liste tatsächlich Grundlage für die erfolgten Maßregelun­ gen war.

Laufbahn während des Krieges Diese Frage konnte wegen nicht besonders aussagekräftiger Quellen nur unbefriedigend beantwortet werden. Es lässt sich aber so viel sagen, dass die Illegalität der Karriere recht förderlich war. Es konnten aber einige Fälle beschrieben werden, wo sich ehemalige Illegale benachteiligt fühlten. Im März 1946 waren nur noch 194 der ehemals 433 Gendarmen im Dienst­ stande. Von diesen Beamten, die zumindest durch die US-Militärregierung entnazifiziert worden waren, waren 85 Beamte nach dem Anschluss NSDAP-Mitglied geworden, 17 blieben NSDAP-Anwärter. Das heißt, dass von diesen gesäuberten Beamten mehr als die Hälfte der NSDAP beigetre­ ten war oder beitreten wollte. Es muss daher angenommen werden, dass die Masse der im April 1946 nicht mehr auf geführten Beamten aus dem Jahr 1938 durch die Entnazifizierung, durch Tod, Alter oder Kriegsgefangen­ schaft nicht mehr aufscheinen. Dies lässt den Gesamtschluss zu, dass wesentlich mehr als die Hälfte aller Gendarmen nach dem Anschluss um die Mitgliedschaft in der NSDAP ange­ sucht hatten. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 332

Nach dem Krieg Bis zum Stichtag 15. April 1946 waren in Salzburg insgesamt 141 Gen­ darmen entlassen worden104. Im März 1946 war kein einziger der ehemals illegalen 52 Gendarmen im Dienststande. Was aus ihnen geworden ist, ist dem Verfasser weitgehend unbekannt bzw. für statistische Zwecke nicht verwertbar. Die Masse wurde sicherlich kraft Gesetzes als Hochverräter ent­ lassen. Einige dürften im Krieg gefallen sein, einige werden noch in Kriegs­ gefangenschaft gewesen sein. Etliche haben einfach ihren Dienst wegen Aus­ sichtslosigkeit einer Weiterbestellung nicht mehr angetreten. Ob und wie­ viele von diesen entlassenen Gendarmen später, in den 50er-Jahren, wieder in den Dienst zurückkamen, ist dem Verfasser bisher unbekannt. Es wäre aber äußerst interessant, dies zu untersuchen.

Anmerkungen

1 Bundesminister mit der fachlichen Leitung der öffentliche Sicherheit betraut, zuletzt Bun­ desminister mit der fachlichen Leitung des Sicherheitswesens betraut. 2 RGBl 307/1917. Dieses Gesetz war zuvor bereits von anderen Regierungen benutzt wor­ den. Jedes neue Gesetz berief sich von nun an auf dieses Gesetz aus dem Jahre 1917. 3 Ernst Hanisch, Salzburg zwischen 1933 und 1945, in: Widerstand und Verfolgung in Salz­ burg 1934-1945, hg. v. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DOW) (Wien 1991), S. 21. 4 Als Teilergebnis der Gestapo-Liste erarbeitet. 5 BGBl 226/1933. 6 Es waren dies laut BGBl 226/1933, der „Verordnung der Bundesregierung vom 13. Juni 1933 über die Bestellung von Sicherheitsdirektoren des Bundes in den Bundesländern“ fol­ gende Angelegenheiten: Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicher­ heit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei, Passwesen, Meldewesen, Waffen-, Muni- tions- und Sprengmittelwesen, Schieß wesen, Pressewesen, Vereins- und Versammlungs­ angelegenheiten und Fremdenpolizei. 7 SLA, PA 1938-1940, 1938, 22. 8 Mehr dazu in: Franz Rehrl, Landeshauptmann von Salzburg 1922-1938.Wolfgang hg. v. Huber (Salzburg 1975), S. 232 ff. (gegen die Zentralisierung des Sicherheitswesens). 9 Wie Anm. 7. 10 1945 wurde das Institut des Sicherheitsdirektors des Bundes, das ja ursprünglich für die Lö­ sung der zum Teil bürgerkriegsähnlichen Probleme gedacht war, in die Bundesverfassung übernommen. Allerdings wurde dieses System nunmehr „Sicherheitsdirektion des Bundes“ genannt. 11 Der Begriff Sicherheitsdirektion war damals nicht üblich. Es wird immer nur vom Sicher­ heitsdirektor des Bundes gesprochen. 12 Wie Anm. 7. 13 „Salzburger Wacht“, 16. Juni 1933. 14 „Salzburger Wacht“, 16. Sept. 1933. 15 BGBl 238/1/1934. 16 BGBl 10/1920. 17 Diese Bestimmung war auf den ein Jahr zuvor zurückgetretenden 2. Nationalratspräsiden­ ten Rudolf Ramek, (geb. 19.04.1881 Teschen, gest. 24.07.1941 Wien) zugeschnitten. Ramek kam aus der Christlichsozialen Partei Salzburgs und war bis 1926 u. a. auch zweimal Bun­ deskanzler gewesen. Ramek hatte die zweifelhafte Ehre, nach dieser Geschäftsordnungs­ © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 333

novelle am 30. April 1934 die letzte Sitzung des Rumpfparlaments einzuberufen. Ramek war übrigens von 1929 bis 1933 Präsident der Internationalen Stiftung Mozarteum gewe­ sen. In seiner Amtszeit wurden die Sommerkurse am Mozarteum eingeführt. Der Verfasser erlebt öfters Salzburger, die auf dem Salzburger Kommunalfriedhof, Gruppe 8, nahe der Friedhofsmauer, den Grabstein Rameks entdecken und mit Verwunderung von einem Bundeskanzler aus Salzburg erfahren. 18 BGBl 255/1/1934. 19 BGBl 1/11/1934. 20 BGBl 75/11/1934. 21 BGBl 75/1938. Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich. Wiederverlautbart als Kundmachung im BGBl 1/1938. 22 Arnberger, Garscha, Mitterrutzner, „Anschluß“ 1938, Eine Dokumentation, hg. v. Doku­ mentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Wien 1988), S. 103 (=D Ö W 14.890). 23 Niederösterreich, Vorarlberg und das Burgenland werden nicht erwähnt. 24 Verfügungstruppe (VT), wurde später als Waffen-SS bezeichnet. 25 Unter anderem aus diesem Grunde durfte die „Österreichische Legion“, nach Deutschland geflüchtete NS, erst Anfang April, dann allerdings feierlich, in Wien einrücken. (= DÖW 1460/1). 26 Generalmajor M ax Ronge war zuvor Leiter Auswerteabteilung/Staatspolizeiliches Büro/ Generaldirektion für die Öffentliche Sicherheit/BKA. 27 DÖW E 20.569. 28 Abkürzung für Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler. 29 DÖW E 20.569. 30 Ebda. 31 Ebda. 32 Volksabstimmung und Wahl zum Großdeutschen Reichstag vom 10. April 1938. 33 SLA, 754-GD.3./1938 (GD = Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit). 34 Das Zeichen der SS Sieht wie zwei eckige „S“ aus. 35 DÖW E 20.569. 36 Der Großdeutsche Reichstag trat erstmals am 10. Jän. 1939 zusammen. Es waren damals auch die Vertreter des Sudetenlandes anwesend. 37 Der Begriff „Gau“ ist keine Erfindung der Nationalsozialisten, sondern seit Jahrhunderten in Westösterreich und Bayern (Gäu) als Bezeichnung für einen geschlossenen geographi­ schen Raum im Gebrauch. 38 Diese Gestapo Liste befindet sich seit 1998 im Besitz des Verfassers. Sie wurde ihm mit der Auflage übergeben, unter den Nachkommen der darin beurteilten Gendarmen keine Un­ ruhe zu verursachen. Nachdem festgestellt wurde, dass diese Liste in Historikerkreisen unbekannt war und eine Berufsgruppe eines gesamten Bundeslandes geschlossen darstellte, war die Versuchung groß, diese auch zu bearbeiten. Dies geschah unter dem Gesichtspunkt weitgehender persönlicher Anonymität. 39 BGBl 70/1938. Sicherheitsdirektor Ludwig Bechinie sollte durch seinen Stellvertreter, Oberpolizeirat Dr. E rw in G uttenfeld ersetzt werden. Zugleich sollte auch in der Steier­ mark an Stelle von Hofrat V ik to r K astn er-P öh r der Wirkliche Hofrat Dr. N o rb ert F erraris bestellt werden. 40 Jo h an n Schober (1874-1932), Jurist, Beamter, Politiker (Großdeutscher). Ab 1898 bei der Wiener Polizei tätig, 1918-1932 Polizeipräsident von Wien, 1921/22 Bundeskanzler, 1929/30 Vizekanzler und Außenminister sowie 1930-1932 Abgeordneter zum Nationalrat. Er war verantwortlich für die blutige Niederschlagung der Julirevolte 1927, führte die Ver­ fassungsreform 1929 zu Ende, bildete 1930 als Vertreter der Großdeutschen mit dem Land­ bund den Nationalen Wirtschaftsblock, erreichte die Streichung von Verpflichtungen zu Reparationszahlungen und versuchte 1931 die Bildung einer Zollunion mit Deutschland, die am Widerstand Frankreichs scheiterte. Schober genoss als korrekter Beamter u. a. im Bürgertum hohes Ansehen und war als Vorsitzender der Interpol auch im Ausland ge­ schätzt (Ö-Lexikon,http://www.aeiou.at ). 41 RGBl I/S.83 vom 28. Feb. 1933, auch Not- oder (Reichstags-)Brandverordnung genannt. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 334

42 Oberst Bechinie wird in dieser Arbeit nicht berücksichtigt, da er zum Zeitpunkt nicht Angehöriger der Salzburger Gendarmerie war. Mehr über Oberst BechinieGernod bei Fuchs, „Ich aber habe leben müssen Guido Kopp — Zur Biographie eines (Berufs-) Revolutionärs, in: Salzburg Archiv 23 (1997), S. 191 ff. 43 Ernst Hanisch, Salzburg zwischen 1933 und 1945, in: Widerstand und Verfolgung in Salz­ burg 1934-1945, hg. v. DÖW (Wien 1991), S. 25. 44 DÖW 3165a. 45 Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuni­ formen vom 20. Dez. 1934. RGBl I, S. 1269. 46 DÖW 8349. 47 SLA, PA 1938-1940, 1939. 48 SLA, PA 1938-1940, 1938, 6a, 1383. Zum Verständnis: Reichsjustiz-, Reichsfinanz-, Reichs­ bahn- und Reichspostverwaltung gehörten zu den so genannten Reichssonderverwaltungen und unterstanden ausschließlich den zuständigen Ministerien in Berlin. Deren örtliche Be­ hörden waren dem Landeshauptmann/Reichsstatthalter nur in wichtigen Angelegenheiten berichtspflichtig. 49 SLA, PA 1938-1940, 1938, 6a, 3054. 50 SLA, PA 1938-1940, 1938, 101a, 99. 51 Dieser Vortrag wurde beim NS-Gaudruck, Salzburg gedruckt. 52 Mehr über die Funktion des HSSPFsieheJens Banach, Heydrichs Elite. Das Führerkorps der Sicherheitspolizei und des SD 1936-1945 (1998), S. Ruth 209-217; Bettina Birn, Die Höheren SS- und Polizeiführer: Himmlers Vertreter im Reich und in den besetzten Gebie­ ten (Düsseldorf 1986). 53 Verordnung über die Übernahme der österreichischen Bundespolizei- und Gendarmerie auf den Reichshaushalt. Vom 27. Oktober 1938, RGBl I, S. 1633. 54 SLA, PA 1939/281. 55 HHStA, Unveröffentlichte Manuskripte für das Rot-Weiß-Rot-Buch, DÖW 8348, Bericht des Gendarmeriepostenkommandos Goldegg im Pongau an die Sicherheitsdirektion für Salzburg betreffend Aktion der Gestapo Salzburg gegen Fahnenflüchige im Gemeinde­ gebiet, 18. Mai 1946;Robert Stadler u. Michael Mooslechner, Der 2Juli 1944 in Goldegg: Widerstand und Verfolgung, in: St. Johann/PG 1938-1945 (Salzburg—St Johann 1986), S. 127-142. Nach dieser Aktion wurden insgesamt 31 Personen durch die Gestapo behan­ delt. 13 Personen wurden, meist im KZ, getötet. 13 Personen überlebten das KZ und 5 Per­ sonen waren „nur“ einige Zeit in Haft. 56 Robert Nebinger, Reichspolizeirecht (Leipzig 1942), S. 127. 57 ÖGBl 174/1938. Kundmachung des Reichstatthalters in Österreich über die Geschäftsein­ teilung des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten. Vom 14. Juni 1938. 58 SLA, RSTH-Allgemein, K2, A6. Vorläufiger Geschäftsverteilungsplan der Behörde des Reichsstatthalters Salzburg vom 13. August 1940. 59 Ebda. 60 SLA, PA 1938-1940, 1939, 101a, 99. 61 Der Verfasser ist im Besitz eines dieser seltenen Exemplare des Austria Military Govern­ ment Handbook. 62 Freischärler-Bewegung, die Ende des Zweiten Weltkriegs durch die NS-Führung angeord­ net wurde, aber keine wirkliche Bedeutung gewann. Propagandaminister Josef Göbbels brachte das Thema Werwolf-Bewegung derartig wirksam in Umlauf, dass sowohl Deutsche als auch die Alliierten, insbesondere in den letzten Kriegswochen, gebannt die Wirksamkeit des Werwolfs erwarteten. 63 Dieter Stiefel, Entnazifizierung in Österreich (Wien 1981), S. 45, Fussnote. 64 Muster dieser und anderer Proklamationen waren ebenfalls im Austria Military Govern­ ment Handbook und brauchten im Bedarfsfall nach Einfügung von Datum und Unter­ schrift des jeweiligen militärischen Kommandanten von örtlichen Druckereien nur ge­ druckt zu werden. 65 Austria Military Government Handbook, Kap. 2 (General Instructions), Punkt 30 (Treat­ ment of Nazi officials); Übersetzungen durch den Verfasser. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 335

66 Bis Sept. 1950 waren dies die Generale Clark, dann Keyes. Danach war diese Personalunion beendet und die US-Hochkommissare wurden aus dem Diplomatischen Korps bestellt (Donelly, Thompson) und standen neben den Kommandierenden Generalen der USFA (Irwin, Hays, Arnold). 67 SN, 14. Aug. 1945. 68 SLA, USACA, Mikrofilm 1456, Bild 348. 69 William L. Orten (Sergeant Major U.S. Army, Retired), Who Was Marcus Wayne Orr? (Baltimore, MD 1998). Sergeant Orten, der heute in Salzburg lebt, hat endgültig die diver­ sen Gerüchte über die Lagerbenennung „Marcus W. O rr“ aufgelöst. Marcus Wayne Orr war ein US-Korporal und Munitionsspezialist, der im April 1945 in Bayern durch einen Bombensplitter verwundet und dadurch Zeit seines Lebens querschnittgelähmt war. Orr wurde in die USA zurückverlegt, kam also nie bis Salzburg. Seine Truppe belegte Mitte 1945 in Salzburg die ehemalige deutsche Pionierkaserne an der Alpenstrasse und benannte diese Kaserne nach ihrem ehemaligen Kameraden in Camp Marcus W. Orr. Dieses Camp wurde dann als Lager Glasenbach wegen der Internierung einer grossen Zahl ehemaliger Nationalsozialisten berühmt/berüchtigt. Dieses Lager darf nicht mit der Kaserne Glasen­ bach (Camp Truscott) verwechselt werden, die auf der anderen Seite der Salzach in Glasen­ bach lag. Nach dem Kriege studierte Marcus W. Orr. Er war dann Professor an der Mem­ phis State University, USA, wo er die Geschichte des Mittelalters und der Renaissance be­ handelte und 1990 im Alter von 65 Jahren starb. 70 StGBl 3/1945. Das Kundmachungsorgan österreichischer Gesetze hieß bis Dezember 1945 Staatsgesetzblatt (StGBl), dann wurde es in Bundesgesetzblatt (BGBl) umbenannt. 71 StGBl 32/1945. 72 StGBl 134/1945. 73 StGBl 160/1945. 74 StGBl 13/1945. Dieses, offiziell Verbotsgesetz benannte Gesetz, wird auch manchmal als Verbotsgesetz 1945 bezeichnet, um vom späteren, offiziell Verbotsgesetz 1947 bezeichneten Gesetz, unterschieden zu werden. 75 StGBl 18/1945. 76 Der § 10 des Verbotsgesetzes dürfte in der österreichischen Rechtsgeschichte einmalig sein. Die genannte Personengruppe „[...] hat sich des Hochverrates im Sinne des § 58 österrei­ chisches Strafgesetz schuldig gemacht und ist wegen dieses Verbrechens mit schwerem Kerker in der Dauer von fünf bis zehn Jahren zu bestrafen. Die Verfolgung wegen dieses Tatbestandes findet jedenfalls statt, wenn sie die Provisorische Staatsregierung im Falle des Uberhandnehmens hochverräterischer Umtriebe allgemein anordnet. [...]“ Die Staatsregie­ rung benutzte die Aussetzung der Bestrafung um ihren guten Willen zu zeigen bzw. die ehe­ mals Illegalen und ihre Angehörigen ruhig zu stellen. 77 SN, 25. April 1946. 78 StGBl Nr. 131/1945. Verordnung der Staatskanzlei im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern vom 22. August 1945 zur Durchführung des Verbotsgesetzes und der Verbots­ gesetznovelle — auch als 3. Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz bezeichnet. 79 StGBl Nr. 160/1945. Verfassungsgesetz vom 12. September 1945 über Maßnahmen zur Wie­ derherstellung gesunder Verhältnisse in der Privatwirtschaft — auch als Wirtschaftssäube­ rungsgesetz bezeichnet. 80 Erklärungen zur Grafik: Public Office = Öffentliche Verwaltung, MG = Military Govern­ ment = Militärregierung. Special Branch = Abteilung für Entnazifizierung, Land Public Safety Director = Sicherheitsdirektor des Bundeslandes, Specialcommissions, Commissions = Entnazifizierungskommissionen, Laboroffice = Arbeitsamt, Appeal = Berufungsinstan­ zen, Control = Weisungsrecht, Befehlsweg. 81 SLA, USACA, Mikrofilm 1458, Bild 313. 82 Diese Zahl ist im Original so enthalten, kann aber nicht stimmen. 83 Stiefel, Entnazifizierung (wie Anm. 63), S. 10. 84 Ebda., S. 105 ff. 85 BGBl 25/1947. 86 BGBl 64/1947. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 336

87 Da diese Begriffsbestimmungen oftmals unrichtig verwendet wurden bzw. mit denen in Deutschland verwechselt wurden, seien diese hier angeführt. Die Kontrollrats-Direktive Nr. 38 v. 12. Okt. 1946 teilte für Deutschland die Verantwortlichkeit in folgende Grup­ pen ein: 1. Hauptschuldige, 2. Belastete (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer), 3. Min­ derbelastete (Bewährungsgruppe), 4. Mitläufer, 5. Entlastete (Personen der vorstehenden Gruppen, die vor einer Spruchkammer nach weisen können, dass sie nicht schuldig sind). 88 Antisemitische Aussagen von Borodajkewycz als Professor an der Hochschule für Welt­ handel waren Anlass für Demonstrationen gegen ihn. Dabei wurde am 2. April 1965 der ehemalige KZ-Häftling Ernst Kirchweger getötet. 89 Stiefel, Entnazifizierung (wie Anm. 63), S. 120. 90 „Salzburger Landeszeitung“, 17. Mai 1947. 91 SN, 30. Dez, 1952. 92 BGBl 99/1948. 93 Stiefel, Entnazifizierung (wie Anm. 63), S. 309 (Tabelle). 94 Ebda., S. 308. 95 Ebda., S. 321. 96 Ebda., S. 310. 97 Die Verfahren vor dem Volksgericht Wien (1945-1955) als Geschichtsquelle. Abschluß­ bericht des vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung finanzierten For­ schungsprojekt des DOW. Internethttp://www.doew.at/verfvolksgericht.html . 98 Stiefel, Entnazifizierung (wie Anm. 63), S. 257. 99 Ebda., S. 259. 100 Diese Aussage muss unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, die Amerikaner zu über­ zeugen, dass für die betroffenen Gendarmeriebeamten der Parteieintritt eine Existenzfrage gewesen sei. Stellen Sie sich vor, sie sind Gendarm und der Kreisleiter (Bezirksparteichef der NSDAP) fragt sie, wieso sie eigentlich noch nicht bei der NSDAP sind. Wie hätten sie geantwortet? Andererseits gab es viele Gendarmen, die nach dem Anschluss nicht der Partei beitraten. 101 SLA, USACA, Mikrofilm 1169, Bilder 115-117. 102 Im Besitz des Verfassers. 103 SLA, USACA, Mikrofilm 1170, Bilder 1244-1274 u. 1275-1295. Landesgendarmeriekom­ mando für Salzburg, Stichtag 1. März 1946. Personalstandsverzeichnis I, 284 Beamte die vor dem Anschluss bzw. während des Krieges Gendarmen waren. Personalstandsverzeich­ nis II, 271 Beamte, die nach Kriegsende in den Dienst traten. 104 SLA, USACA, Mikrofilm 1458, Bild 313, Tabelle über Entnazifizierung in Salzburg.

Anschrift des Verfassers: Gernod Fuchs Solaristraße 6 A-5020 Salzburg