Jürgen Fehlings, Wieland Wagners Und Götz Friedrichs Tannhäuser - Inszenierungen Als Kritischer Spiegel Der (Deutschen) Gesellschaft
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Masarykova univerzita Filozofická fakulta Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky Německá literatura Mgr. Miroslav Urbanec Jürgen Fehlings, Wieland Wagners und Götz Friedrichs Tannhäuser - Inszenierungen als kritischer Spiegel der (deutschen) Gesellschaft Disertační práce Vedoucí práce: PhDr. Jaroslav Kovář, CSc. 2009 1 Prohlašuji, že jsem disertační práci vypracoval samostatně s využitím uvedených pramenů a literatury. 2 Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................................................................................. 4 Erstes Kapitel Richard Wagners Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg : Sein Gedankengut, seine Lesarten, seine Inszenierungsgeschichte ............................................................................... 9 Zweites Kapitel Jürgen Fehling und die Gesellschaft an der Grenze zwischen „Abendland“ und „westlicher“ Zivilisation .......................................................................................................................... 19 Die (Vor-) Geschichte der Lebens- und Kulturauffassung der Weimarer Republik ........... 24 Jürgen Fehlings „Versuch(e) über Wagner“ ...................................................................... 82 Drittes Kapitel Wieland Wagners „Neubayreuth“ in der Welt des „nachtotalitären Biedermeier“........... 108 Die Lebens- und Kulturauffassung der Adenauerschen Gesellschaft ............................... 116 Wieland Wagner, der „Theaterumstürzler“ ...................................................................... 149 Viertes Kapitel Götz Friedrich – ein „Ostdeutscher“ gegen die Wohlstandsgesellschaft .......................... 178 Die „westdeutsche“ Gesellschaft nach Adenauer ............................................................ 178 Götz Friedrichs Bayreuther Tannhäuser -Inszenierung von 1972 ..................................... 200 Zusammenfassung ........................................................................................................... 228 Shrnutí .............................................................................................................................. 243 Anhang Richard Wagner: Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg . Die Handlung .......... 257 Bibliographie .................................................................................................................... 262 3 Einleitung Richard Wagners Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg zählt ohne Zweifel zu den schwierigsten Werken der Opernliteratur. 1 Das Dreieck Tannhäuser-ElisabethVenus, das Tannhäusers Zerrissenheit zwischen Himmel und Erde, Spiritualität und Sexualität zum Vorschein bringt, erscheint uns nicht nur psychologisch, sondern auch gesellschaftlich interessant: Indem sich Tannhäuser der Elisabeth zuwendet, wird er an Wartburgs Hof, der in Wagners Oper die Gesellschaft darstellt, willkommen geheißen – was allerdings eine gewisse Beschränkung seiner künstlerischen Freiheit zur Folge hat (die Wartburg-Gesellschaft hat ihre eigenen Vorstellungen über die Kunst und erwartet von jedem Künstler eine bedingungslose Anpassung – deren zeigt sich Tannhäuser nicht fähig, wie es nicht zuletzt seine Beziehung zur Venus demonstriert, die hier eine verpönte Lebens- und Kulturauffassung versinnbildlicht). Folglich bewegt sich der Sänger zwischen Anpassung, die den Selbstverrat bedeutet, und Widerstand, dessen Konsequenz der Verstoß aus der übrigen Menschengemeinschaft ist. Also ist Tannhäuser kein schönes Märchen, wo schöne Menschen agieren und wo einer die Regeln nicht einhält (weswegen er von seinen Nächsten verstoßen wird, bis er Buße getan und der Schreckgestalt der Venus den Rücken gekehrt hat), sondern ein Werk von unangefochtener Brisanz. Wagners Musikdrama steht nicht Eichendorffs Marmorbild nahe (wo Florio von Fortunato an den Minnesänger erinnert wird), sondern Koeppens oder Walsers zeitkritischen Romanen, wo sich derselbe Kampf zwischen Anpassung und Verweigerung abspielt – nur, mancher Zuschauer zeigt sich dessen nicht bewusst. Es gibt in der Geschichte der Wagnerschen Interpretation einige Tannhäuser - Inszenierungen, deren Regisseure das Wagnis eingingen, die „schöne Oberfläche“ aufzugeben und ein durchaus zeitgenössisches Drama eines zwischen Anpassung und Verweigerung stehenden Menschen sowie eine ganz konkrete Gesellschaft mit ganz konkreten (Kunst-) Erwartungen auf die Bühne zu bringen. Diese Konzeption ließ die Bühne zum Spiegel des Zuschauerraums werden, wobei die Regisseure oft die Rolle des Tannhäuser, die Zuschauer dagegen diejenige der WartburgGesellschaft übernahmen. Die meisten Inszenierungen, denen die Abneigung gegen die Vereinnahmung Wagners durch die jeweils maßgebende Lebens- und Kulturauffassung zu Grunde lag, wurden allerdings verrissen – zum Kult avancieren sollten meist nur diejenigen, die auf der Anpassungsfähigkeit (um nicht zu sagen: Anpassungsfreudigkeit) fußten. Nachdem sich aber die Gesellschaft (samt ihren (Kunst-) 1 Was den Inhalt von Wagners Tannhäuser betrifft, siehe den Anhang. 4 Erwartungen) verändert hatte und die Umjubelten von gestern zu den Verdammten von heute geworden waren, rief man sich „plötzlich“ die alten Störenfriede wieder einmal ins Gedächtnis und passte ihr Werk an das neue System an. Das Verpönte von gestern rückte also zum „Sakrament“ von heute auf, wogegen zu verstoßen der Verbannung würdig erschien. Das war auch der Fall Jürgen Fehlings, Wieland Wagners und Götz Friedrichs, deren Tannhäuser -Inszenierungen von den Zeitgenossen zunächst abgelehnt wurden, um später um so heftiger gepriesen zu werden. Jürgen Fehlings Versuche einer wahrhaftigen Auslegung von Wagners Werk – neben dem Tannhäuser von 1933 war es seine Holländer -Inszenierung von 1929 – sollten exemplarisch bleiben: „Fehling und Strnad (Fehlings Bühnenbildner – Anm. M.U.) wichen von dem Bildmuster ab, nach dem Tannhäuser bis jetzt gespielt wurde, sie zeigten nicht das schöne Mittelalter, sondern eine bestimmte Gesellschaft mit bestimmten Ansichten zum Künstlertum. Und darin lag die Aktualität dieser Deutung. Unangepasste werden nicht geduldet. Härte, Düsternis und Tragik, dieser eigentliche Gehalt des Tannhäuser, wurde freigelegt, und nicht die schöne Oberfläche gezeigt. Von seiten der Herrschenden war das Verbot nur logisch.“ 2 Die InSzene-Setzung eines Unangepassten- Dramas durch einen „unangepassten“ Regisseur wurde hier von einem Regime verboten, das eine Anpassung unter allen Umständen zu fordern pflegte. Fehling selbst wurde hier sozusagen zum Tannhäuser, ließ sich (scheinbar) eines „Besseren“ belehren, sollte allerdings noch in der Nachkriegszeit mit seinem „Nonkonformismus“ Furore machen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien die Situation einerseits völlig unterschiedlich, andererseits mutete sie aber völlig identisch an. Die neue Gesellschaft verband zwar mit der Kunst andere Erwartungen als die alte, nicht einmal sie zeigte sich allerdings in der Lage, irgendwelche Verstöße gegen diese Erwartungen hinzunehmen. Wieland Wagners Kampf um eine „werkgetreue“ Wagner-Interpretation wurde daher zu einem Kampf gegen das konventionelle Wagner-Verständnis, an dem die damalige Gesellschaft noch festhalten wollte. Der Wagnerenkel blieb stur – und der Sieg blieb ihm vorbehalten. Zuerst hatte er jedoch manche Angriffe sowohl gegen seine Inszenierungen als auch gegen sich selbst zu überstehen und sich jener „Altwagnerianer“ zu erwehren, die einen „Denkmalschutz für Wagner“ fordern zu müssen glaubten. Dennoch sollte sich die Gesellschaft erst nach Wieland Wagners Tod völlig vergegenwärtigen, was für einen Regisseur sie mit dem Wagnerenkel verlor. Als Götz Friedrich nach Bayreuth kam, um dort den Tannhäuser zu inszenieren, sah er sich mitten in einer Welt, die von ihm eine Wielandsche Inszenierung erwartete. Er wollte 2 Müller, Wapnewski 1986, S. 665-666. 5 sich aber nicht anpassen – und wurde (zumindest im Premierenjahr) ausgebuht. Friedrichs Tannhäuser -Verständnis unterschied sich von dem Wielandschen so markant, wie sich Wieland Wagners Tannhäuser -Interpretation von der Fehlingschen und diese wiederum von den früheren Interpretationen unterschieden hatten. Friedrich wurde unter diesen Umständen zum dritten Tannhäuser -Regisseur nach Fehling und Wieland, dem vorbehalten blieb, das Tannhäuser-Los zu teilen: Die Gesellschaften kamen und gingen, doch keine von ihnen zeigte sich in der Lage, irgendwelche Verstöße gegen ihre Erwartungen hinzunehmen (auch die Regisseure kamen und gingen, einige von ihnen – z.B. die drei Genannten – stellten sich als Revolutionäre heraus, ihr Erbe war freilich so mächtig, dass es einer neueren Revolution beinahe zum Verhängnis werden sollte). Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine Analyse von Fehlings, Wielands und Friedrichs Tannhäuser -Inszenierungen und zugleich eine Analyse der Gesellschaften, die Zeugen dieser Inszenierungen waren. In erster Linie halte ich für notwendig, die Arbeit der drei genannten Regisseure zu erläutern – womit sie sich auseinander setzen wollten oder mussten, was für ein Wagner-Verständnis ihre Arbeit kennzeichnete, inwieweit dieses ihr Wagner-Verständnis „Geschichte machend“ war und, nicht zuletzt, was für Reaktionen es auslöste. Des weiteren will ich die Gesellschaft selbst analysieren – welche Erwartungen sie mit dem Theater oder der Kunst im allgemeinen verband, was für eine Kunsteinstellung für sie charakteristisch war, inwieweit sich in dieser Kunsteinstellung die politischen Verhältnisse widerspiegelten und, nicht zu vergessen, wie sich diese Kunsteinstellung verändern sollte.