Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark Jahrgang 87 (1996)

DieEntwicklun g des katholisch-konservativen Lagers in der Steiermark 1861- 1874

Edith Marko-Stock 1*

1. Der steirische Klerus zwischen Restauration und Akkomodation

1.1. Konkordat und Kulturkampf

Als Reaktion auf die josephinische Kirchengesetzgebung, die den Priester in den Dienst des Staates gestellt hatte, war es in den zwanziger Jahren rund um den Redernp- toristen Klemens Maria Hofbauer und einem Kreis norddeutscher Romantiker und Kon­ vertiten (u.a. Adam Müller, Friedrich und Dorothea Schlegel) zur Ausbildung der ka­ tholischen Restaurationsbewegung im Sinne einer religiösen Erneuerung gekommen.1 Soentstammt e diesem Kreis nicht nur der spätere Konkordatskardinal Rauscher, son­ dernauc h der langjährige Seckauer Bischof Roman Zängerle (1824-1848),2der „zweite große Reformator der Steiermark".1 Zängerle, der fast uneingeschränkt die kirchliche Restaurationsbewegung im Sinne des hl. Klemens Maria Hofbauer vertrat,4 hatte bei seinem Amtsantritt mit starkenjosephinische n Strömungen5 in seiner Diözese zu kämp­ fen.6 Mit der Gründung der beiden (später vereinten) Knabenseminarien „Carolinum- Augustineum"7 für die Diözesen -Seckau und Leoben8 behob Zängerle nicht nur

*De rhie r vorgelegte Beitrag ist Teilergebnis eines imRahme n und vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung durchgeführten und unterstützten Forschungsprojekts un­ terde r Leitung von Univ.-Prof. Alfred Ableitinger. 1 Vgl. dazu Rudolf Till, Hofbauet und sein Kreis, Wien 1955; Eduard Winter, Romantismus, Restauration und Friihliberalismus im österreichischen Vormärz, Wien 1968; Josef Wodka, Kirche in Österreich, Wien 1959,310ff ; Georg Franz, Kulturkampf. Staat und katholische Kirche in Mitteleuropa von der Säkularisation bis zum Abschluß des preußischen Kulturkampfes, München o.J., 30f; Ortwin Heim, Die katholischen Vereine imdeutschsprachige n Österreich 1848-1855,Wie n -Salzbur g 1990, 21f. " ZuBischo f Zängerle s.: Ägidius L e ip o 1 d , Roman Franz Xaver Zängerle (1824- 1848)in :Kar l Am o n (Hg.), Die Bischöfe von Graz-Seckau, 1218-1968,Gra z 1969, 405- 420;Ägidiu s Le i p o 1 d, Roman SebastianZängerle ,in :Erwi n G at z (Hg.),Di e Bischöfe ^de rdeutschsprachige n Länder 1785/1803 bis 1945,Berli n 1983,829-832 . Le i p o 1 d , Zängerle, in: Am o n , Bischöfe, 407. 4 Zängerle galt als persönlicher Freund Hofbauers. Vgl. Winter, Romantismus, 128. So etwa zwei seiner Vorgänger, die Bischöfe Josef Philipp Franz Graf von Spaur (1763- 1779)un d Josef Adam Graf Arco (1780-1802). Vgl. Wodka, Kirche,302 . 'Wodka, Kirche,323 . 1 August Ja n i s c h , Vonde r Studierstube bis zum Seminar und Gymnasium heute,in :Jose f s i am ni g (Hg.), 150Jahr e Bischöfliches Seminar in Graz, Graz o.J. (1980) 42-84. DieDiözes e Lcoben wurde auf Anregung Josephs II. 1786 vom Salzburger Erzbischof Graf 218 219 15 den akuten Priestermangel in seiner Diözese: eine Vielzahl im Sinne der katholischen gesetz „über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger", da durch die hier normierte Restaurationsbewegung ausgebildeter Kapläne und Priester ergab nicht nur ein reiches Gleichstellung aller Staatsbürger vor dem Gesetz die im Konkordat festgelegten „Vor­ Reservoir für die seelsorgerische Arbeit, sondern bildete die (organisatorische und per­ rechte"de r katholischen Kirche endgültig fielen. Weitere grundlegende Bestimmungen sönliche) Grundlage für die in den späten sechziger Jahren sich ausbildende katholische derDezemberverfassung , die direkt das Konkordat konterkarierten, betrafen die Glau­ Massenbewegung. In unzähligen Visitationen hatte sich Zängerle einen Überblick über bens- und Gewissensfreiheit sowie die staatliche Schulaufsicht. Den Höhepunkt dieses den großteils noch den josephinischen Generalseminarien entstammenden älteren Kle­ Kampfes bildeten schließlich die Maigesetze über Ehe, Schule und interkonfessionelle rus verschafft. Zu dessen Erneuerung wurden ab 1838 wieder Priesterexerzitien abge­ Beziehungen,16 die vom Papst verdammten „leges infandae"17 sowie das Reichsvolks­ halten.9 Bis zu seinem Tod im April 1848, inmitten der Revolutionswirren,10 war es schulgesetz von 186918. Die formelle Kündigung des Konkordats am 18.Jul i 1871 vor Zängerle gelungen, den Großteil des steirischen Klerus zu „bekehren". demHintergrun d des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas setzte nur mehr den formalen Mit dem Konkordat vom 18. August 1855 kam es zum Bündnis von Thron und Schlußpunkt der 1861 mit dem Beginn der liberalen Ära eingeleiteten Entwicklung. Altar." Während man sich staatlicherseits von diesem Schritt nicht nur eine Entspan­ nung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche erwartete, sondern in der Kirche nach dem Schock der Revolution von 1848auc h den geeigneten konservativen, antirevolutio­ 1.2. Die politische Rolle der Bischöfe nären Bündnispartner zu finden hoffte, profitierte in der Realität v.a. die Kirche, die sich damit nun endgültig von den josephinischen Fesseln befreien konnte, von diesem Nacheine rfas t einjährigen, revolutionsbedingten Vakanz nach Zängerles Tod wurde Vertrag. Der erste Schritt dazu waren die kirchenpolitischen Verordnungen vom April 1849ei n weiterer Hofbauer-Schüler zum Seckauer Bischof ernannt: Josef Othmar von 1850, die nicht nur die Aufgabe des „placetum regium"12 beinhalteten, sondern den Rauscher, der aber schon nach vier Jahren zum Erzbischof von Wien berufen wurde.19 Bischöfen u.a. auch die geistliche Gerichtsbarkeit, die bischöfliche Unterrichtsgeneh­ Mit Ottokar Maria Graf Attems wurde 1853 nicht nur eine der einflußreichsten Fami­ migung für katholische Religionslehrer und die ausschließlich bischöfliche Leitung der liende r Steiermark entstammende Persönlichkeit in dieses Amt berufen,20 vielmehr kam Erziehung des Priesternachwuchses übertrugen. Kultus- und Unterrichtsminister Thun esunte rAttem s zu einer kirchenpolitischen Kurskorrektur. Sovereinigte n sich in Attems hatte damit bei Kaiser Franz Joseph jene Forderungen durchgesetzt, die der spätere Person sowohl die Ideen der kirchlichen Restaurationsbewegung (v.a. was seine pasto- „Konkordatskardinal" und ehemalige Lehrer des Kaisers, Rauscher, bereits 1849 für ralen Bemühungen, selbst gegen behördliche Anordnungen anbelangt21), als auch die die Bischofskonferenz formuliert hatte. Drei Bestimmungen des 36 Artikel umfassen­ desausklingende n Josephinismus, indem er v.a. ab 1861 immer wieder seine Loyalität den Konkordats," nämlich die Vormachtstellung der katholischen Kirche in Österreich zuStaat , Regierung und Verfassung unter Beweis stellte. Gerade in diesen staatsrecht­ gegenüber allen anderen Religionen, v.a. aber die Übertragung der Schulaufsicht und lichen Fragen stieß Attems auf heftigen Widerstand von Teilen seines eigenen Diözesan- des Eherechts in die kirchliche Gewalt, wurden in den sechziger Jahren zu den Haupt­ klerus, der durch das mehr als zwanzigjährige Wirken von Bischof Zängerle beinahe themen des „Kulturkampfs" in Österreich. uneingeschränkt die kirchliche Restaurationsbewegung im Sinne Hofbauers vertrat. Der nach der militärischen und damit auch politischen und finanziellen Niederlage Während Attems 1861 das Februarpatent aufrichtig begrüßte,22 stand ein Teil des desneoabsolutistische n Regimes endgültig notwendig gewordene Kurswechsel der öster­ Diözesanklerus diesem daher kritisch, wenn nicht sogar ablehnend gegenüber. Dies reichischen Politik in Richtung konstitutioneller Verhältnisse brachte auf der Grund­ zeigt etwa Attems Hirtenbrief „Zur Orientierung in Bezug auf die österreichische Ver- lage des Februarpatents von 1861 das liberale Besitzbürgertum an die Macht. Bereits wenige Wochen nach diesem SystemWechse l wurde im April 1861 mit dem Protestanten­ patent der erste Schritt zur Aushöhlung des Konkordats gesetzt. Einen weiteren Schritt 15 14 Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, RGBl. 142. in diese Richtung stellte die Dezemberverfassung von 1867 dar, v.a. das Staatsgrund- M RGBl. 47,3 8 und 49/1868 . Abgedruckt bei Vo c e 1 ka , Verfassung, 196ff. 17 Ansprache Pius IX. an die Bischöfe: Colloredo eingerichtet und umfaßte das Gebiet der politischen Kreise und Brück. „Ihr sehet mithin, ehrwürdige Brüder, wie verwerflichund verdammenswerthjene vonder 1808 wurde die Administration der Diözese dem Bischof von Graz-Seckau übertragen. österreichischen Regierung erlassenen,abscheulichen (abominabiles) Gesetze sind, welche 1859 kam es zur Vereinigung der beiden steirischen Bistümer. Vgl. Brigitte Selcnko- die Lehre der katholischen Kirche, ihre ehrwürdigen Rechte, ihre Autorität und göttliche Schefzek, Alexander Franz Joseph Graf Engl von und zu Wagrain, in: A m o n , Construction, sowie die Gewalt desApostolische n Stuhles,j a selbst das Naturrecht aufs äu­ Bischöfe, 388-398. ßersteverletzen . [...] kraftunserer apostolischen Autorität verwerfen undverdammen wirdie 9 Eduard Ho s p , Kirche Österreichs im Vormärz 1815-1850, Wien-München 1971, 92f. angeführten Gesetze imAllgemeinen wie im Besonderen [...]. Zit.n. Gustav K o 1 m e r , 10 F.A. Ga 1 1 i, Die Ereignisse des Jahres 1848i n der Steiermark, Graz 1850,171 . Parlament und Verfassung in Oesterreich, Bd. I, Wien-Leipzig 1902,328 . 11 Zu Konkordat und „Kulturkampf" vgl. v.a.: Franz, Kulturkampf, bes. 61-154; Karl i8 Gesetzvo m 14.Ma i 1869,RGBl .62 . V o e e 1 k a , Verfassung oder Konkordat? Der publizistische und politische Kampf der u Ägyd Le i p o 1 d , Josef IV.Othma r von Rauscher, in: Am o n , Bischöfe, 421-426. österreichischen Liberalen um die Religionsgesetze desJahre s 1868,Wie n 1868 mit umfas­ 20 Franz 11 wo f , Die Grafen von AttemsFreiherr n vonHeiligenkreu z inihre m Wirken inun d senden Literaturangaben. für die Steiermark, in: Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Bd.2/1, 12 Seit Joseph II.wa r der bischöfliche Briefverkehr mit Rom an eine kaiserliche Erlaubnisge ­ bunden. 1897:Ägy d Le i p o 1 d, Ottokar Maria Graf Attems, in: Ga t z, Bischöfe, 18f; de r s ., OttokarMari a Graf von Attems (1853-1867), in: Amon, Bischöfe, 428-438. 13 Sowohl imlateinische n Originalal sauc hdeutsche r Übersetzung abgedruckt in: V o ce 1 ka , 21 Verfassung, 180ff. Soetw aal s 1846di eAbhaltun g von „Volksexerzitien" vom Gubernium verboten wurdeun d Attems, noch als Dechant von Pols, diese schließlich doch unter dem Titel „Osterbeicht- 14 Vgl.daz u bes.Geral d St ou rz h , Die österreichische Dezemberverfassung von 1867,in : ÖGL12(1968). 1-16. ^ Unterricht"durchführte . Vgl. Le ip o 1 d , Attems, in: Amon, Bischöfe, 430. 22 Kirchliches Verordnungs-Blatt (KVB), 1861/4. 220 221 fassung"23 aus dem Jahre 1862. Attems beruft sich darin auf „ämtliche Mittheilungen", Verfassung immer wieder auch gegen seinen Klerus verteidigt hatte, stimmte er 1865 die von einem „Mangel verfassungsfreundlicher Gesinnung" bei Teilen des Diözesan- imsteirische n Landtag gemeinsam mit den slowenischen Abgeordneten gegen die libe­ 31 klerus berichten. Seiner Ansicht nach könne es aber weder in religiöser („[...] weil Je­ raleProtestadress e zur Sistierung der Verfassung. sus Christus seine Kirche mit dem Charakter der Universalität begabt hat, so daß sie ImUnterschie d zu seinem politisch ungleich aktiveren Nachfolger Zwerger, der in 32 neben absolutistischen, aber auch den freiesten Verfassungen bestehen kann"), noch seiner langen Amtszeit jedoch kein einziges Mal im Landtag das Wort ergriff, betei­ politischer Hinsicht Gründe geben, „warum der Priester als solcher der Verfassung ab­ ligtesic h Attems aktiv an einer Reihe von Landtagsdebatten. Großes Aufsehen erregte hold sein sollte". Für Attems ist der Kaiser der absolute Garant dafür, daß indi e Februar­ 1863sein eWortmeldun g zum Kirchenconcurrenzgesetz, in der er öffentlich, wenn auch verfassung nichts aufgenommen wurde, „was der katholischen Religion und Kirche vorsichtige Kritik am Konkordat äußerte." Da die Gemeinden durch dieses Gesetz zur feindlich entgegen stände," ebenso wie er allen Gesetzesentwürfen zur Einführung der Erhaltung der katholische Kirchen- und Pfarrbauten beizutragen hatten, wurde ihnen Zivilehe, der Trennung von Kirche und Schule sowie der Mißachtung des Konkordats auch Einflußnahme auf die Gebarung des Kirchenvermögens gegeben, eine Bestim­ die Sanktion verweigern würde. Selbst die (wenigen) anläßlich der Gemeinde- und Land­ mungdi e eindeutig gegen Artikel XXX. des Konkordats verstieß. Attems hatte an der tagswahlen des Jahres 1861 vorgekommenen Agitationen gegen die Wahl von Geistli­ Ausarbeitung des Ausschußentwurfs, der weit über den Regierungsentwurf hinausging, chen könnten und müßten von diesen mit der „Bürger- und Christenpflicht" erduldet persönlich mitgearbeitet, wobei besonders die Einführung des „Concurrenzcomites" werden.24 Ebenso zerstreut er Bedenken der Priesterschaft gegen die „verfassungsmäßi­ aufsein eInitiativ e hin erfolgte.34 Attems (vorsichtige) Kritik am Konkordat überrasch­ ge Rede- und Preßfreiheit".25 tesoga r die liberalen Blätter („Tagespost"35 und „Telegraf")36, aber auch die offizielle 37 Zu einem ersten offenen, wenn auch nur vereinzelt auftretenden Widerstand des „Grazer Zeitung". Obwohl Attems bei aller vorsichtigen Kritik ganz eindeutig die v.a.junge n Klerus gegen die liberale Verfassung kam es 1862 anläßlich der Feierlich­ Notwendigkeit eines Konkordats betont hatte, sah er sich schließlich zu einer teilwei­ 38 keiten zum Jahrestag des Februarpatents. Wie in Wien wurden in fast allen steirischen senRücknahm eseine r Aussage,bzw .eine r Quasi-Entschuldigung veranlaßt. Aber schon Bezirksstädten (z.B.i nLeibnitz , Mariazeil, Aussee,Judenbur g und Murau) Verfassungs­ 26 feierlichkeiten abgehalten. Einige wenige Kapläne und Pfarrer weigerten sich aus die­ 31 „Es istwoh lnich t zu läugnen, daßdi e Zustände der Reichsvertretung schon sehr unerquick­ sem Anlaß, einen Dankgottesdienst mit Te Deum überhaupt abzuhalten27 oder dabei zu lichgeworde n sind. Obwohl der Verfassungsbau ein sehr schöner war und mit voller Begei­ assistieren.28 Die ablehnende Haltung des Kaplans von Rottenmann, v.a. seine Erklä­ sterung angenommen wurde - und ich selbst habe ihm mit Freuden beigestimmt - so hat es rung, daß dasT eDeu m unterbleiben müsse, veranlaßte schließlich die Statthalterei dazu, sichdoc hgezeigt ,da ße rnich t ausführbar gewesen ist.E swa rRau mdari nfü r alleVölker , für alleLände rde s österreichischen Kaiserstaates, allein gleich vom Anfang an sind dieVertre ­ Bischof Attems zu einer Versetzung des Kaplans („einen gebürtigen Ungar aus Eisen­ tereinige r Länder ausgeblieben, und späterhin haben sich die Vertreter anderer Länder nach stadt") aufzufordern, um damit Konflikte „mit der loyalen Bevölkerung" zu verhin­ und nach immer mehr verloren, so daß wirklich schon die Besorgniß wach wurde, der dern.29 Attems lehnte aber sowohl eine Versetzung des Kaplans als auch die Einleitung Reichsrath werde von selbst verscheiden." Stmk.LT,Sten.Prot , 5.Sitzung am 2.Dezember 1865, 53. eines Disziplinarverfahrens gegen diesen ab, da „ich es für eine verfehlte Maßnahme 32 ansehen müßte, Jemanden wegen seiner politischen Gesinnung, solange dieselbe inner­ Vgl.Juliu s Kratoch will, General-Index zu den stenographischen Protokollen der 3 steiermärkischen Landtage für die Jahre 1861-1889, Graz 1892. halb der Schranken des Gesetzes zu Tage tritt, zu strafen [...]." ° Obwohl Attems die 33 „Ich will damit nicht gesagt haben, daß ich ein besonderer Lobredner, ein Verfechter des dermal geschlossenen Concordates bin (Bravo ! Bravo ! Sehr gut !), aber ich werde nie dafür sein, daß es einseitig aufgehoben werde, weil es geschlossen ist, [...] ; aber die 23 KVB 1862/5. Nothwendigkeit istnich t zu leugnen, daßeine svorhande n seinmüss e [...], densons tgesche ­ 24 henUebergriff e von beiden Seiten, Reibungen, Conflicte, die nie angenehm sind." „[...] wenn nun solche Vorgänge einigermassen geeignet sind, den Clerus wider die Verfas­ ^ Stmk.LT,Sten.Prot , 34.Sitzung am 30.März 1863, 798. sungeinzunehmen , somüsse n wirden n doch zwei Pflichten wohl beachten, erstens dieBür ­ 4 gerpflicht, Anfeindungen unseresStande snich t derVerfassun g selbst zur Last zu legen,d aj a Gehörtenmehrer e Ortsgemeinden zu einerKirche ,s o warei n diesbezügliches Comite einzu­ in einem absoluten Staate Aehnliches auch geschehen kömite, wenn seine Machthaber dem richten, das von allen wahlberechtigten Pfarrinsassen auf drei Jahre zu wählen war. Clerus abgeneigt wären, -zweiten s dieChristenpflich t [...]". KVB 5/1862. „Werdi e Verhältnisse des Sprechenden kennt, der weiß zwar, daß Graf Attems zu jenen 25 „Ohnehin ist nicht soseh rda s von Uebel,da ßverkehrt e Meinungen ausgesprochen ,sonder n Kirchenfürsten zählt, welche das Concordat bisher nie auf eine belästigende Weise durch­ daßdieselbe n gehegt werden, undwi enich t selten geradeda sZurückdränge n der Krankheit führten, er weiß aber auch, daß derselbe den Geist und Standpunkt des Concordats gleich Schuld ist, daßdieselb e krebsartig weiterfrißt , eben sowär evielleich t die Abneigung gegen andern seiner Collegen zur Befestigung seiner kirchlichen Machtstellung benützte. Um so kirchliche Institutionen u. d. gl. niemals so weit gediehen, wenn es gestattet gewesen wäre, größerwa r daher das Erstaunen aller Eingeweihten, [...]" sichauszuspreche n [...]." KVB5/1862 . Tagespost,Nr . 87(A), 18.4.1863. 26 Stmk. LAA Statth.Präs.23-770/1861 . „Eine Bestimmung von großer prinzipieller Bedeutung, an Liberalismus weit die vom 27 Ausschussebeantragt e Fassung überragend, wurde über Antrag desFürstbischofs v. Seckau, Selbst Bischof Zängerlehatt e am22 .Mär z 1848eine n feierlichen Gottesdienst anläßlich der Erlassung der Verfassung angeordnet. Vgl. Heinz Eberdorfer, Das österreichische entgegen dem vorgelegten [Regierungs-J Entwürfe, vom Landtage adoptiert." Telegraf, Nr. Gymnasium im Vormärz im Spannungsfeld von Kirche und Staat. Dargestellt an den Bemü 3? 79,31.3.1863. hungen Fürstbischof Zängerles um ein zweites Grazer Gymnasium, in: Geschichte undGe ­ „Um aber von diesem Thema auf das Concordat hinüberzuspringen, lag - sachlich wenig- genwart, 3/1984,228 . jg stens -kein e Veranlassung vor." Grazer Zeitung, Nr.72 ,31.3.1863 . 28 Zuschrift von Bischof Attems andi e Redaktion des „Vaterland": „Allerdings habe ichi nde r So war der Pfarrer von Weizberg zur Abhaltung des Dankgottesdienstes mit Te Deum erst Hitzede r Rede die Aeußerung gethan, daß ich kein besonderer Lobredner, kein Verfechter nach Erlaubnis (oder Auftrag ?) durch die kirchliche Behörde bereit. Statth.Präs. 23-770/ des Konkordates bin, aber ich glaube, daß der Eindruck dieser Worte wohl sehr gemildert 1861:590/1862. 29 Statth.Präs. 23-770/1861:658/1862 . wird,wen nsi e inVerbindun g mitde m Vor-un d Nachstehenden gebracht werden,un djeden ­ 30 falls war ich weit entfernt, mit dieser Aeußerung einen Angriff auf das Konkordat zu ma­ Statth.Präs. 23-770/1861: 9115/1862. chen,ode r auch nur einen Tadel zu beabsichtigen." Zit.n. Tagespost, Nr. 85(A),8.4.1863 .

222 223 wenige Wochen später, in seinem „Pfingst-Hirtenbrief" vom 30. Mai 1863 mit dem entstammende Johannes Zwerger, galt als einer der extremsten Vertreter der „ecclesia Titel „Ueber das Verhältniß zwischen Kirche und Staat mit Rücksicht auf die unter militans" im Kampf gegen die liberale Kirchenpolitik.46 Zwerger47 hatte in den vierzi­ ihnen geschlossenen Verträge" ging Attems neuerlich auf die Konkordatsdiskussion ger und fünfziger Jahren am Brixener Priesterseminar, einem Bollwerk gegen den Jo­ 39 ein. Wenn auch Attems in diesem Hirtenbrief nicht die geringste Kritik am Konkordat sephinismus studiert,48 wo zu seinen Lehrern die späteren Bischöfe und Verteidiger des anklingen läßt, ja einleitend sogar „vereinzelte Vorzeichen neuer Stürme auf die Stel­ Unfehlbarkeitsdogmas Vinzenz Gasser (Brixen), die „Säule des Vatikanischen Kon­ lung der katholischen Kirche in Oesterreich" feststellt und die von liberaler Seite geäu­ zils"49,un d Josef Feßler (St.Polten) gehört hatten.50 Die breite Kritik am Konkordat und ßerte Kritik zu entkräften versucht, schließt er abschließend dennoch die Möglichkeit seine mit den Maigesetzen beginnende endgültige Auflösung sowie die antipäpstliche, und sogar Notwendigkeit einzelner Modifikationen nicht völlig aus, allerdings nurdurc h antiklerikale Haltung der liberalen Führungsschicht einerseits und die kirchliche Reak­ Verhandlungen zwischen den beiden Vertragspartnern. Bereits 1855 hatte Attems in 40 tion auf die Maigesetze andererseits, aber auch Zwergers Persönlichkeit, führten zu einem Brief an den Salzburger Erzbischof Tarnoczy seine Skepsis dem eben erstabge ­ einem extremen Kurswechsel: die von Attems geübte Konkordanzpolitik wurde von schlossenen Konkordat gegenüber zum Ausdruck gebracht, v.a. befürchtete er einez u 41 einem Konfrontationskurs abgelöst. starke Integration der Kirche in das Kaisertum. Nachdem 1861/62 die Liberalen im Zwerger geriet aber nicht erst durch seinen ersten Hirtenbrief als Bischof von Graz- Reichstag, geführt von Mühlfeld, einen ersten Ansturm auf das Konkordat unternom­ Seckau in Konflikt mit der Regierung. Bereits 1861/62 war Zwerger während seiner men hatten,42 mußte gerade Attems' Äußerung für Aufregung im katholischen Lager Zeit als Spiritualdirektor am Wiener Priesterseminar durch seine extrem katholisch- sorgen. So ist es wohl auch zu verstehen, daß Attems seine Quasi-Entschuldigung an restaurative, antiliberale Einstellung aufgefallen, als er in seiner Funktion als Hofkaplan das Wiener „Vaterland", Leo Thuns Organ, richtete. Selbst der (allerdings schon 1862 eine Reihe aufsehenerregender, die neue liberale, parlamentarische Staatsordnung at­ verstorbene) Lavanter Bischof Anton Martin Slomsuek,43 der sonst kaum politisch in tackierende Predigten gehalten hatte. Beispielsweise nannte er in seiner Predigt zum Erscheinung getreten war, reagierte heftig auf diese erste Welle liberaler Angriffe auf Festde s Hl. Leopold (15.Novembe r 1861) die gegen „den heiligen Glauben" gerichtete das Konkordat. In seinem Hirtenbrief vom Juni 1862 erklärte er, für die vom Heiligen Ausübung der gesetzgebenden, parlamentarischen Gewalt teuflisch.51 Zwergers provo­ Geist verlassenen Abgeordneten beten zu wollen, da diese vom bösen Geist, der ausde r 44 kante Predigten gegen die neue staatliche Ordnung und die dadurch erst ermöglichte Hölle komme, erfaßt seien. offene Kritik und Diskussion des Konkordats, standen damit in krassem Widerspruch Die von den Liberalen seit 1867 verstärkt geführte Konkordatsdiskussion führte zu den versöhnlichen Predigten seines Vorgängers Helferstorfer.52 Schließlich kam es wie in den meisten Kronländern (mit Ausnahme Tirols und Vorarlbergs, wo die Katho­ 1862nac h seiner Pfingstmontagpredigt, in der er „in sehr scharfen Worten das Verhält­ lisch-Konservativen seit 1861 die Mehrheit im Landtag hatten) auch in der Steiermark nis zwischen Staat und Kirche besprach und die Behauptung aufstellte, daß der Staat zur erstmaligen gezielten politischen Artikulation katholisch-konservativer Kreise und gar nicht das Recht habe, Gesetze zu erlassen, welche in das Gebiet der Kirche eingrei­ in Folge dessen zur Ausformung einer politischen katholisch-konservativen Bewegung. fen und die Freiheit derselben verkümmern, [...]", zum Eklat. Als Zwerger sich weiger­ Wie in keinem anderen Kronland ist in der Steiermark diese Entwicklung von dem te, den Obersthofmeister, dem die Hofgeistlichkeit unterstand, als „geistlichen Vorge­ personellen Wechsel an der Spitze der Diözese Graz-Seckau gekennzeichnet. setzten" anzuerkennen, mußte sogar der Nuntius vermittelnd eingreifen, der Zwerger Ottokar Maria Graf Attems, der eine offene, politische Parteinahme des Klerus verhindert hatte, starb im April 1867, nur wenige Wochen vor dem „liberalen General­ angriff auf das Konkordat. Die von der liberalen „Tagespost" in ihrem Nachruf auf Bischof Attems ausgesprochene Hoffnung auf einen ähnlich „freimüthigen" Nachfol­ 46 Vgl. Franz, Liberalismus, 419. 47 ger ging nicht in Erfüllung.45 Sein Nachfolger, der einer Südtiroler Kleinbauernfamilie ZuZwergers . Franz Freiherr von Oer, Fürstbischof Johannes Bapt. Zwerger von Seckau. In seinem Leben und Wirken, Graz 1897, 5f; Maximilian L i e b m a n n , Johannes VII. 39 KVB,1863/5 . Baptist Zwerger (1867-1893), in: Amon, Bischöfe, 439-446; ders., Zwerger, Johannes 40 Bapt., in: Ga t z . Bischöfe, 843f . ZuSalzbur gvgl .Hann s Haas, Salzburgi nde rHabsburgermonarchie , in:Hein z Do p s c h / 48 Hans Spatzenegger (Hg.).Geschicht e Salzburgs. Bd.2/2, Salzburg 1988,66 1ff . Wodka, Kirche, 324. 49 Franz, Liberalismus, 419. Vgl. Le i p o1 d . Attems,in : Ga t z, Bischöfe, 18f. % - ZurKonkordatsdiskussio n s.v.a . V oc e 1 ka . Verfassung; weiters Ko 1 me r , Bd.I , 120f; Maximilian Liebmann, Leben und Wirken von Fürstbischof Johannes Baptist Zwerger, FRANZ. Liberalismus, 422ff. in:Gertrud e Ce 1 ed i n / Friedrich Bo u v i e r / Maximilian Li e b m a n n (Hg.),Kirche . 13 1846-1862 Fürstbischof vonLavant .Al sFördere rde rslowenische n Sprache gründetee r185 1 Künstler und Konflikte. 100 Jahre Herz-Jesu-Kirche Graz, Graz-Wien-Köln, 1991,47 , 53 die Hermagorus-Gesellschaft zur Herausgabe slowenischer Bücher. Slomsuek, der auchal s (Fn 32). Bischof sowohl in deutsch als auch slowenisch predigte, warnte stets vor nationalistischen *' 15.Novembe r 1861:„Endlic h aber der allergrößte und mehr als teuflische Frevel ist es, die Tendenzen. 1858wurde n durch eine Neuregulierung der Bistumsgrenzen die untersteirischen rechtmäßige Gewaltder Gesetzgebung selbermißbrauchen zum Schaden deswahre n Glau­ Dekanate von der Seckauer Diözese abgetrennt und der Marburg-Lavanter angeschlossen, bens und zur Verbreitung des Unglaubens. [...] So hat es der National-Convent vor siebzig deren Bischofssitz nun von St.Andrä in Kärnten nach Marburg verlegt wurde. Vgl.Franc e Jahren in Frankreich gemacht, so haben wir es seitdem oftmals machen gesehen von mehr 44 VT, j? !" a r ' Slomäek- Anton Maria, in: Ga t z , Bischöfe, 708ff. alseine m Parlamente in verschiedenen Zeiten und Orten. [...] Diesen Frevel, der Mißbrauch Vgl. Kol mer. Bd. I,121 . der gesetzgebenden Gewalt gegen den wahren Glauben, habe ich genannt: mehr als teuf­ 45 „Graf Attems warei nherzensguter , milder Kirchenfürst. Im steirischen Landtag hate reine n lisch! Denn der Teufel hat keine gesetzgebende Gewalt über die Menschen, darum kann er Ausspruch über das Concordat gethan, welcher seinerzeit wegen seines Freimuths vielfach sieauc h nicht mißbrauchen ..." Vgl. Oer, Zwerger, 110. besprochen wurde.Sei nNachfolge r seide mverblichene n Bischof anHerzensvorzüge neben - 52 Othmar (Kaspar) Helferstorfer (1810-1880), O.S.B. Seit 1845 Hofprediger, 1861 Abt des Q^rt!iT, LüS S0 wenlg Fanatiker' als esde r Hingeschiedene gewesen." Tagespost,Nr . Schottenstifts Wien.A b 1870Landmarschal l von Niederösterreich und Herrenhaus-Mitglied o7, 16.4.1867. auf Lebenszeit seit 1875.Vgl . ÖBL 2 (1959),259 .

224 225 schließlich riet „in seinen Kanzelreden Angriffe auf österreichische Gesetze zu unter­ lierten Erlasses sowie die Androhung strafgerichtlicher Sanktionen wurde schließlich 60 lassen."53 sogar von der liberalen „Tagespost" als Bruch des Amtsgeheimnisses kritisiert. Am 14. August 1867 - der erste Akt zur Aufhebung des Konkordats durch die Diskussion der Ehe- und Schulgesetze im Abgeordnetenhaus steuerte seinem Höhe­ punkt zu54 - erfolgte Zwergers offizielle Ernennung.55 Zwergers Einzug in Graz am 2. Von der Bewegung zur Partei 6. November 1867 fand damit in einem denkbar gespannten Klima statt. Zuvor noch war Zwerger nach Linz zu Bischof Rudigier gefahren, dem entschiedensten Kämpfer 2.1. Masseninformationsstrukturen: unter Österreichs Bischöfen gegen die Maigesetze,56 um mit diesem „über die Kunst, Der Aufbau des katholischen Pressewesens die fremde Diözese kennen und regieren zu lernen, zu sprechen."57 Bei seiner Ankunft am Grazer Hauptbahnhof wurde Zwerger zwar noch von Bürgermeister Franck und Zwar gab es mit dem „Katholischen Wahrheitsfreund" seit 1848 auch eine katholi­ Vizebürgermeister Remschmidt empfangen, doch fehlten bei seiner Inthronisation am sche Zeitung in der Steiermark, doch bot dieses eher der Erbauung dienende Wochen­ 10. November nicht nur der gesamte (liberale) Gemeinderat (der bereits am 4. Novem­ blatt politisch interessierten katholischen Kreisen kein den liberalen Tagesblättern, v.a. ber den „Boykott" dieser Zeremonie beschlossen hatte), sondern auch die „Honoratio­ im Vergleich zur „Tagespost", gleichwertiges Organ. So war es bereits im Frühjahr 61 ren". Immerhin nahmen aber Statthalter Baron Mecsery, Landeshauptmann Graf 1867 in der Wohnung von Prof. Maassen zu einer ersten Vorbesprechung zwischen Gleispach und der Bürgermeister am Festbankett in der bischöflichen Residenz teil.58 Adel,Kleru s und Intelligenz über die Gründung eines katholischen Organs gekommen. Nicht zum letzten Mal mußte Zwerger den Boykott seiner Person durch liberale Politi­ Die eigentliche Gründungsversammlung des „Grazer Volksblatts", das erstmals am ker über sich ergehen lassen. Am Höhepunkt des Kampfes gegen das Konkordat ver­ 1. Jänner 1868 erschien, fand aber erst im Herbst 1867 statt. Neben Geistlichen 62 63 weigerten ihm 1868 schließlich eine Reihe von Gemeindevertretungen den offiziellen (Stadtpfarrpropst Dr. Johann Riedl und den Brüdern Alois und Johann Karion ) ge­ Empfang in ihrer Gemeinde (z.B. Leoben und Judenburg59). hörten zude n „Gründungsvätern" des „Grazer Volksblatts" weiters die Universitätspro­ fessoren Maassen und Tewes64, der Advokat Rintelen65 sowie die prominenten Adeli­ Wie Bischof Rudigier geriet auch Zwerger mit seinem (ersten) programmatischen gen Heinrich Graf D'Avernas, Prinz Alois Liechtenstein und Baron Buol66, wobei letz­ Hirtenbrief vom 19. Jänner 1868, in dem er die konfessionellen Gesetze scharf verur­ tere mit privaten Spenden erst die Gründung und das Überleben des Blattes ermöglich- teilte, in ernsthaften Konflikt mit der Regierung. Nachdem es bereits in Mähren zu Ausschreitungen des Klerus gegen die konfessionellen Gesetze gekommen war und ähnliche Vorkommnisse auch inandere n Kronländern zu erwarten waren, wurde Zwerger 0 er , Zwerger, 177ff. (wie auch die Bischöfe von Lavant und Linz) von Statthalter Mecsery über einen war­ Friedrich Maassen (1828-1900) war ein gebürtiger Norddeutscher, der erst 1851zu mKatho ­ nenden ministeriellen Erlaß „informiert": „[...] das auch dergeistliche Functionär Staats­ lizismus konvertierte. 1848 hatte er im Verfassungsstreit Mecklenburg-Schwerins als Advo­ bürger ist, und sich nur innerhalb der Gesetze des Staates bewegen, nie sich über die­ kat wirkungsvoll für die ständischen Rechte gekämpft, ehe er 1855 vom österreichischen selben erhaben dünken darf". Die indiskrete Veröffentlichung dieses eindeutig formu- Kultusminister Graf LeoThu n alsordentliche r Professor für Römisches Recht nach Pest und danach nach Innsbruck berufen wurde. 1860 erhielt er einen Ruf an die Universität Graz. 1871erhiel t Maassen einen Ruf an die Universität Wien, wo es 1883 zu deutschnationalen 53 „NeueWiene rTagblatt" ,zit.n .Graze rVolksblatt ,Nr . 187.17.8.1893 . NachAnsich tde s..Graze r Studentenkundgebungen gegen ihn als Prorektor kam. Von 1885 bis zu seinem Tod 1900 Volksblatt", das das „Neue Wiener Tagblatt" ein „sehr phantasiereiches, orientalischesBlat t gehörte er dem Herrenhaus an. In zweiter Ehe war er mit Thekla. der Tochter des katholi­ Wiens"nennt , seien in diesem Bericht anläßlich des Ablebens von Bischof Zwerger „Wahr­ schen Sozialpolitikers Karl von Vogelsang verheiratet. Vgl. Oskar Schönegger, Der heit und Dichtung" stark vermischt worden. ..Die Möglichkeit, daß Dr. Johannes Zwerger österreichische Kanonist Friedrich Maassen alsMensch , Gelehrter und Politiker, (phil.Diss.) später Bischof werden konnte,läß ta nde nErns t einer Complication mit den höheren Kreisen Graz 1963; Öb 1 , Bd.V,384f . nicht glauben." Aberauc h ZwergersBiograp h Oe r berichtet von Angriffen der „radicalen" AloisKario n (1835-1902). katholisch-konservativer Landtags- (1870-1900) und Reichsrats­ Zeitungen Wiens, Prags, Brunns und Augsburgs auf den späteren Seckauer Bischof. Vgl. abgeordneter (1873-1901). Vgl.Jose f Bierbauer, Priesterpolitiker Prälat Alois Karion. Oer, 107ff. Beiträge zu seinem Leben und Wirken mit einer Bibliographie seiner Reden im Landtag, 54 Vgl. Vo c e 1 ka , Verfassung, 68ff ; Ko 1 me r , Bd.I, 300ff theol. Dipl.Arbeit, Graz 1984. 55 Oer, Zwerger, 143. Johann Karion (1824-1891). Vgl. Öb 1 III, 243;Kar l Schwechler, 60 Jahre Grazer 56 Bischof Rudigiers Hirtenbrief vom 12.September 1868,i nde m erdi e konfessionellen Geset­ Volksblatt. Ein Beitrag zurGeschicht e der katholischen Bewegung in Steiermark, Graz-Wien zeschartsten s kritisierte, wurde von der Regierung konfisziert. Auf Grund seiner Instruktio­ 1926, 35ff. nen ande n Klerus,be i der Durchführung der konfessionellen Gesetze offenen Widerstandz u ' August Tewes (1831- 1913), wie Maassen gebürtiger Norddeutscher, war von diesem 1859 eisten, wurde der Bischof wegen des Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruheange ­ in Innsbruck für Römisches Recht habilitiert worden. 1861 folgte er Maassen nach Graz, klagt. 1869 wurde Rudigier, der sich auf das Konkordat berief, dem Untersuchungsrichter 1863Ernennun g zum a.o.Professor. 1871erhiel t er Maassens Grazer Lehrstuhl; gleichzeitig vorgeführt und am 12. Juli von einem Gericht zu 14 Tagen Kerker verurteilt. Durch einen erhielt erde n Lehrstuhl für kanonisches Recht in Innsbruck. AlsRekto r gehörte er 1889de m kaiserlichen Gnadenakt wurde die Strafe erlassen. Vgl. Ko 1 me r , Bd.I,368ff . ZuBischo f Landtag an. Vgl. Gunter W e s e n e r , Geschichte der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Rudigier vgl. Konrad Me in d 1 , Leben und Wirken des Bischors Franz Joseph Rudigier der Universität Graz. Teil 1:Römische s Recht und Naturrecht. Graz 1978,51-54 . von Linz, 2 Bde., Linz 1891/92; Harry S 1 a p n i c k a , Bischof Rudigier. Eine Bild- LmZ 1961 d e r s chri Dr.Anto n Rintelen (1842-1905), der Vater des späteren Landeshauptmannes, war ebenfalls 5SS5 ' ' •' stlichsoziale in Oberösterreich. Vom Katholikenverein ein gebürtiger Deutscher und war über Prag und Innsbruck nach Graz gekommen. 1871 1848bi s zum Ende der Christlichsozialen 1934 Linz 1984 eröffnete er hier eine Anwaltskanzlei und war viele Jahre als Rechtsberater des Kath. 37 Oer, Zwerger. 162 f. 58 Preßvereins tätig. Seit 1880 gehörte er dem Reichsgericht als ständiges Mitglied an. Vgl. Oer, Zwerger, 168ff. DA. Binder, in: ÖBL, Bd. 9, 171. 59 Oer, Zwerger, 194;Graze r Volksblatt, Nr. 192, 15.7.1868. ''Siebzi g Jahre Grazer Volksblatt, Graz 1937, 33ff.

226 227 ten.67 Nach einem nur wenige Wochen dauernden Intermezzo mit einem Laien alsChef ­ contra Kirche und Papst. So legten beispielsweise eine Vielzahl von Gemeindevertre­ redakteur (aus taktischen Überlegungen hatte Propst Riedl ursprünglich die Besetzung tungen,u.a . auch von Wien und Graz, Verwahrung gegen die päpstliche Allocution und dieser Position mit einem Priester abgelehnt68) übernahm Johann Karion (bis 1887)di e diedari n auf die österreichische Regierung enthaltenen Angriffe ein.78 In Graz beschloß Leitung des Blattes. Da es schon nach wenigen Monaten ersichtlich war, daß die Er­ beispielsweise eine „Volksversammlung", an der sich etwa 2000 Personen beteiligten, richtung einer eigenen Druckerei für das finanzielle Überleben des „Grazer Volksblatts" einediesbezüglich e Adresse an das Gesamtministerium, in der dieses aufgefordert wur­ unabdingbar war, kam es mit Unterstützung von Bischof Zwerger nach dem Vorbild des de,sic hwede r durch die päpstliche Allocution, noch durch dieHirtenbrief e in der Durch­ slowenischen Hermagorasvereins im Dezember 1869 zur Gründung des Katholischen führung der Staatsgrundgesetze beirren zu lassen.79 Diese vom „Deutschen Volksverein" Preßvereins/'9 Heinrich Graf D'Avernas wurde zu seinem Obmann (eine Funktion, die und„Demokratenverein " (getrennt) in die Puntigamer Bierhalle einberufene Versamm­ er bis 1900ausübte 70) und Alois Karion zu seinem Stellvertreter gewählt.71 Der Großteil lung verabschiedete weiters eine Resolution, in der die Regierung zur gänzlichen Kün­ der Kosten für die neue, ab 1.1.1870 im Stainzerhof in Betrieb genommene Druckerei digung des Konkordats aufgefordert wurde.80 Ende Juli wurde die Adresse der Grazer wurde von Baron Buol und seinen Freunden getragen. Zu ihrem Direktor - ab 1879al s Volksversammlung mit 4000 Unterschriften dem Ministerium überreicht.81 „Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung " handelsgerichtlich eingetragen -wurd e EineWoch e nach der liberalen Volksversammlung und der dort beschlossenen anti­ 72 Alois Karion ernannt. Speziell auf die Interessen der bäuerlichen Leserschaft zuge­ päpstlichen Adresse rief das „Grazer Volksblatt" die „katholischen Bewohner von Graz schnitten war der „Sonntagsbote", der anfangs als Beilage des „Grazer Volksblatts" und Steiermark" auf, eine Ergebenheitsadresse an den Papst abzugeben.82 Der Großteil erschien. Als selbständiges Wochenblatt (ab 1870) erlebte der „Sonntagsbote", nicht der 16 Unterzeichner dieser katholischen Adresse war bereits aktiv an der Gründung zuletzt dank großzügiger Subventionen der Fürsten Alfred und Alois Liechtenstein so­ des„Graze r Volksblatts" beteiligt gewesen und hatte in der Folge auch entscheidenden wie Baron Ernest Gudenus, die damit eine kostenlose Verteilung an ärmere Bauern der Anteil am Aufbau der katholisch-konservativen Bewegung in der Steiermark: die Gra­ 73 Oststeiermark ermöglichten, große Verbreitung. Sein Chefredakteur, der spätere Mon- fen Heinrich und Alfred D'Avernas Desenffans, Adalbert Freiherr von Buol-Bernburg, 74 signore Josef Zapletal, ein Neffe der Brüder Karion, übernahm nach Johann Karions Johann Karion sowie Dr. Anton Rintelen und die Professoren August Tewes und Hein­ 75 Tod auch die Leitung des „Grazer Volksblatts". rich Maassen.83 Einen ähnlichen, auch in Slowenisch aufgelegten Aufruf richteten Graf

78 K o 1 m er , Bd. I,328 . 2.2. Politische Massenmobilisierung: " Statth.Präs. 5-1566/1868 : 1571/1868. so die Adreßbewegung als Mittel im Kulturkampf Tagespost, Nr. 152,6.7.1868; Nr. 153un d 153(A),7.7.1868 . 8; Tagespost, Nr. 170,26.7.1868. 82 „In Zeitungen und öffentlichen Versammlungen wird die Autorität des von Gott gesetzten Nachdem durch die Gründung des „Grazer Volksblatts" eine unabdingbare Voraus­ Oberhauptes der katholischen Kirche angegriffen. setzung für die Formierung einer politischen Bewegung geschaffen worden war, schlug Diese Angriffe gegen den Statthalter Christi werden als die Stimme des Volkes bezeichnet. im Sommer/Herbst 1868 die Geburtsstunde der katholisch-konservativen Bewegung. Katholiken! Wir sind als einzelne Gläubige nicht zu Richtern über das Gewissen Anderer Auch in der Steiermark hatte der Aufruf des Wiener Diplomaten Graf Blome begeister­ gesetzt. Ferner sei es von uns, infremde Angelegenheiten uns einzumischen. Aber unser Glaube, unser Bekenntniß ist unsere eigene heiligste Angelegenheit. te Aufnahme gefunden: Nicht bloß unser Recht, unsere Pflicht ist es, unseren Glauben zu bekennen. „Hören wir auf, ein bloßes Geräusch, eine Vergangenheit zu sein; zählen wirauf Glaubensgenossen! Schweigen zu den Angriffen, die im Namen des ganzen Volkes gegen uns und nur auf uns und man wird schon mit uns zählen. Auch wir können, wenn wir denheilige n apostolischen Stuhl gerichtet werden, schweigen, wo wir reden können,is t so­ viel als Betheiligung an diesen Angriffen. wollen. Auch hier im alten katholischen Österreich ist nichts verloren, wenn wir zu 76 EineBetheiligun g ande n Angriffen gegen dasvo nJesu s Christus,de m Sohne Gottes,gesetz ­ retten verstehen. Die Zeit der Unentschiedenheit ist vorüber. " teHaup t seiner Kirche streitet gegen unser katholisches Gewissen. Schließlich wurde die päpstliche „Allocution" Pius IX. über die Maigesetze,77 die Glaubensgenossen! Wir die unterzeichneten katholischen Männer, fordern euch auf, mit uns „leges infandae", zum Auslöser einer Reihe von Protestaktionen und Adressen pro und gemeinsam das Bekenntniß abzulegen: Wirbekennen , daßJesu sChristus ,de r Sohn Gottes,de n Apostel Petrusz u Seinem Statthalter 67 Schwechler, Volksblatt, lf. auf Erden, zum Haupte seiner Kirche bestellt hat. 68 „Einen Priester können wir nicht als Redakteur anstellen; das Blatt würde sofort mit einem Wirbekennen , daß in den Nachfolgern Petri, den römischen Päpsten, Petri oberste Gewalt Schimpfnamen belegt werden." Siebzig Jahre Grazer Volksblatt, 35. über die ganze Kirche fortlebt. Schwechler, Volksblatt, 8ff; vgl. unten. Wir bekennen in dieser Zeit maßloser Angriffe gegen unsere heilige Kirche und schwere Schwechler, Volksblatt,54 . Bedrängnisse desheilige n apostolischen Stuhleslau t undfreudig , daß wir den festen Vorsatz Grazer Volksblatt, Nr. 214, 18.9.1869. haben, in dem unverbrüchlichen Gehorsam, den der katholische Glaube vorschreibt, gegen Siebzig Jahre Grazer Volksblatt,33 . den Statthalter Christi auszuharren bis an unser Lebensende." Schwechler, Volksblatt, 15. „Katholiken!Inde m wiri ndiese rsturmbewegte n Zeitei nZeugni ßunsere skatholische n Glau­ Josef Zapletal (1839-1897), Neffe der Brüder Karion. Vgl. Walter B r u n n e r / Anton bens ablegen, drängt es uns,auc h den Gefühlen unwandelbarer Treue gegen unseren Kaiser Schallet, Bedeutende Absolventen des Bischöflichen Seminars. Eine Auswahl, in: undHerr n Ausdruck zu geben." Grazer Volksblatt,Nr . 191,14.7.1868 . Jamnig, Bischöfliches Seminar, 382f. 83 Weitersunterzeichnete n diesogenannt e „SechzehnerAdresse "Johan nBaumgartne r (Schmie­ Siebzig Jahre Grazer Volksblatt, 34. demeister), Dr.Adolf Freiherr von Call, Franz Englhofer (Fabriksbesitzer), Anton Engel Graf Blome, Zeitgemäße Betrachtungen. Vortrag, gehalten im Wiener geselligen Vereine (bürgert. Zinngießer), Anton Reichsfreiherr von Gudenus, Josef Perchinigg (bürgerl. Han­ (Ressource), Wien-Gran 1868;vgl . Schwechler, Volksblatt, 191f. delsmann), Johann Schumy (Hausbesitzer), Anton Seiller (Hausbesitzer) und Ferdinand 25. Mai 1868,RGBl . 47,4 8un d49/1868 . Zehengruber (bürgerl. Stadtbaumeister). Vgl. Grazer Volksblatt, Nr. 191, 14.7.1868; Schwechler, Volksblatt, 67f. 228 229 Brandis, der Landtagsabgeordnete Dr. Mathias Prelog u.a. auch an die Katholiken der 92 Diözese Lavant.84 Allerdings nahm der Lavanter Bischof Maximilian Stepischnegg85 In der Regel lagen die Listen für die katholische Adresse in den Pfarren auf. Die den Maigesetzen, namentlich dem Ehegesetz gegenüber, eine weitaus gemäßigtere Hal­ liberalen Blätter sahen darin nicht nur die Ausnützung einer „Zwangslage" durch die Geistlichen, sondern kritisierten besonders, daß vielfach auch Frauen und Kinder die tung ein. Wie er in seinem Pastoralschreiben vom 19. Juni 1868 darlegte, bestehe auch 93 für Katholiken die Möglichkeit das neue Ehegesetz zu akzeptieren.86 Adresse unterzeichnet hatten. Ganz besonders kritisierten die liberalen Blätter aber 94 Sowohl Liberale als auch Konservative versuchten in den folgenden Wochen eine dieUnterstützun g der katholischen Adresse durch k.k. Beamte. Während die „Tages­ möglichst breite Zustimmung für ihrejeweilig e Adresse zu finden bzw. die Ablehnungs- post"s odi e Unterstützung der „Sechzehner Adresse" durch die adeligen Kämmerer nur ironisch kommentierte,95 wertete sie die Unterzeichnung durch die beiden Beamten, die front gegen die gegnerische Adresse zu vertiefen. Während es den Katholisch-Konser­ 96 vativen über die Pfarren gelang, die Masse der Gläubigen zur Unterstützung derAdres ­ Universitätsprofessoren Maassen und Tewes als Akt der „Verfassungsfeindlichkeit". se zu bewegen, fand die liberale Adresse v.a. die Zustimmung vieler Gemeinde87- und Nachdem die Statthalterei bereits im Februar 1868 die Bezirksämter zur genauen Beob­ Bezirksvertretungen.88 So verweigerten mehrere liberale Gemeindevertretungen (bei­ achtung der zu erwartenden klerikalen Agitationen, v.a. von Seiten des Klerus aufgefor 97 spielsweise Judenburg), die die Petition zur Aufhebung des Konkordats unterzeichnet dert hatte, ging eine Vielzahl von Berichten über diese Unterschriftensammelaktion 98 hatten, Bischof Zwerger, der eine Rundreise durch die Diözese zur Unterstützung der ein. Selbs t die Gerichte wurden damit befaßt: ein Schuhmachermeister, deri n Trofaiach katholischen Adresse unternahm, einen offiziellen Empfang, da „eine Betheiligung an Unterschriften für die katholische Adresse gesammelt hatte, wurde wegen des Verge­ dem Empfange f...] den Charakter einer Demonstration gegen die Verfassung und für hens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung (Aufreizung zum Haß und Verachtung 99 die Bestrebungen der ultramontanen Partei annehmen [...]" könnte.89 Das „GrazerVolks ­ gegen die Minister) unter Anklage gestellt. Während er in der ersten Instanz freige­ 100 blatt" appellierte daher an alle Katholiken, Männer und Frauen, zu beweisen, daß nicht sprochen wurde, verurteilte ihn das Oberlandesgericht wegen des „Vergehens der das ganze Volk hinter den Gemeinderäten und den Bezirksvertretungen stehe, „welche, Aufwiegelung" zu sechs Monaten Arrest. Begründet wurde dieses Urteil damit, daß die getragen von den Flügeln des Liberalismus, es als ihre eigenste Aufgabe ansehen, ja katholische Adresse „[...] mit Rücksicht auf den Inhalt derselben [...] eine in allgemein nicht hinter den leuchtenden Beispielen der Residenzstadt zurück zu bleiben."90 anerkannte Glaubenssätze gehüllte Demonstration wider diese Gesetze und gegen Die­ 1 1 Die von beiden „Parteien" bei der Unterschriftensammlung angewandten Metho­ jenigen bilde, deren Werk das Zustandekommen dieser Gesetze ist." " Zuvor hatte die den wurden naturgemäß von derjeweilige n Gegenseite und ihren Organen heftigst kri­ Bezirkshauptmannschaft Leoben bereits versucht, die konservative Unterschriftenaktion tisiert.91 Den Mitgliedern der Leibnitzer Bezirksvertretung, die mit Ausnahme von zwei Dechanten dieliberal e Adresse unterstützt hatten, wurdei n einem Brief anihre n ObmannDr .Le oKlei n Sowie Martin Grisold, Franz Freiherr von Kettenburg, Michael Mahorko, Arthur Graf Mensdorff und Johann Stadler. Grazer Volksblatt, Nr. 217, 9.8.1868. wiederum Tod und Höllenqualen angedroht: „Du unglückliches Bezirksvertrctervolk, daß Jakob IgnazMaximilia n Stepischnegg, Fürstbischof von Lavant (1863-1889) hielt sich kon­ Du Deine Mission von Anbeginn überschritten, denkst Du denn gar nicht daran, daß Du sequent an die geltende Gesetzgebung. Auf dem 1. Vatikanischen Konzil stand er auf der Staub und Asche bist, [...]. Die schwindelnde neue Aera Österreichs hat auch Dich mit dem Seite der Gegner des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas. Vgl. France M. D o 1 i n a r, Schimmer der Gott entrissenen Omnipotenz gekleidet, [...], sterben wirst Du, und für Dein Stepischnegg, Jakob Ignaz Maximilian, in: Ga t z , Bischöfe, 738f. gewissen- und religionsloses Agitiren gegen Christus allein wahre kath. Kirche deinen Lohn „Das neue weltliche Ehegesetz hindert zwar seinerseits, wie oben gesagt, nicht denjenigen, ernten. [...] Wüthe gegen den Papst, wieD u willst,D u arbeitest nurfü r Deine eigeneVerwer ­ der durch die Eingehung einer sogenannten Civilehe offen beurkundet, daß er an die sakra­ fung, -denke , unglückliches Volk, an deinen Tod." Tagespost, Nr. 179,6.8.1868 . mentale Würdede rEh enich tglaube ;abe re snöthiget j a diekatholische n ChristenOesterrcich s Grazer Volksblatt, Nr. 191(A), 14.7.1868. noch nicht geradezu, ihrer Kirche untreu zu werden. Darum ist es auch noch fortan möglich Tagespost, Nr. 159(A), 14.7.1868. für Jeden, dere saufrichti g will, zugeben , „dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber auchGott , Telegraf, Nr. 177(A), 3.8.1868. was Gottes ist." Statth.Präs. 23/1867 :1545/1868 . „Das Kämmerer sich unter den bischöflichen Schleppträgern befinden, wundert uns nicht. Beispielsweise Bad Aussee, Pöilau, Fürstenfeld, Hartberg und Feldbach. Man trägt den Kammerherrnschlüssel bekanntlich rückwärts und mag dadurch auf die Idee Als„Gemeinde n höhererArt "konnte ndi eKronlände rau f Grundde s Reichsgemeindegesetzes verfallen, es nehme sich auch im öffentlichen Leben nicht übel aus, seine ganze Sympathie 1862 Bezirksvertretungen zur Besorgung der gemeinsamen Angelegenheiten eines Bezirkes injede r Rücksicht dem „Rückwärts" zuzuwenden." errichten. Als Interessenvertretung konstituiert, waren sie (direkt, bei Erreichung eines Tagespost, Nr. 159(A), 14.7.1868. Zensus von 60 fl.) durch die Gruppen der Großgrundbesitzer und der Höchstbesteuerten „Sieergreife n dadurch in dem Kampfe, der zwischen Staatun d Kirche entbrannt, unbegreif­ der Industrie des Bezirkes sowie (indirekt) durch die Gemeinderepräsentationen derGrupp e licherWeis edi eParte ide rletztere n unds ozweifello s esfeststeht , daßdi epäpstliche/1//ocMrior ? der Städte und Märkte sowie der Landgemeinden zu wählen. Neben der Steiermark (1866) verfassungsfeindlich ist, so notorisch tritt mithin dieVerfassungsfeindlichkeit der zwei Her­ wurden BezirksVertretunge n nur noch in Böhmen und Galizien eingerichtet. Vgl. Edith renProfessore n der Rechte an den Tag [...]." Marko-Stöckl, DieEntwicklun gde sGemeinde- ,Bezirksvertretungs -un dLandtagswahl ­ Tagespost, Nr. 159(A), 14.7.1868. rechts in der Steiermark von 1861-1914, phil.Diss. Graz 1985, 124-197. Statth.Präs. 23-1867 :431/1868 . Tagespost, Nr. 156, 10.7.1868;Graze r Volksblatt, Nr. 192, 15.7.1868. Statth.Präs. 23-1867 So berichtete das Bezirksamt Graz Umgebung, daß es v.a. zu (nicht Grazer Volksblatt, Nr. 191(A), 14.7.1868. näher beschriebenen) Übergriffen von Seitenjüngere r Geistlicher komme. In Gratwein habe Von liberaler Seite wurde so den Konservativen vorgeworfen, Unterschriften mit jeweils mande n Gläubigen erklärt, die Unterschriftenaktion diene nur zur Feststellung der Zahl der einem Kreuzer bezahlt, bzw. Kinder mit Heiligenbildern beschenkt zu haben (Fürstenfeld). Gläubigen. Zu den heftigsten Agitatoren in dieser Unterschriftensammelaktion gehörte auch Vgl.Telegraf , Nr.l77(A), 3.8.1868. derBa d Ausseer Kaplan Johann Wöhr (s.u.),desse n Versetzung von der Bezirkshauptmann­ In Straden wiederum seien die klerikalen Unterschriftenlisten beim Gemeindevorsteherauf ­ schaft Liezen vehement gefordert wurde. gelegt worden, der die Bewohner vorgeladen und ihnen erklärt habe, daß die Religion in Statth.Präs. 23-1867; Grazer Volksblatt, Nr. 284(A), 20.10.1868. Gefahr sei. Vgl. Tagespost, Nr. 176,2.8.1868 . Grazer Volksblatt, Nr. 288, 16.10.1868. Tagespost, Nr. 269, 21.11.1868 (Beilage). 230 231 02 2.3. Politische Organisationsstrukturen: zu verhindern.' - Und dies trotz des durch die Dezemberverfassung garantierten Peti­ das katholisch-konservative Vereinswesen tionsrechts! In Graz hingegen hatte es Bürgermeister Moritz von Franck abgelehnt,di e affichierten katholisch-konservativen Plakate entfernen zu lassen, da „es Jedermann Ähnlich den Liberalen waren auch die Katholisch-Konservativen in dieser Früh­ freistehe, sein religiöses Glaubensbekenntnis öffentlich kundzugeben. Im Falle eine phase von ihrer „Organisationsstruktur" her auf einen kleinen Kreis von Personen solche Kundgebung eine Gesetzesübertretung in sich schließt, sei es Sache der Staats­ (Karion,D'Avernas , Maassen) aufgebaut („Zirkel- und Honoratiorenkatholizismus"111), polizei, ihres Amtes zu walten."103 doch gelang es ihnen innerhalb kürzester Zeit, eine breite Basis mit Hilfe der katho­ Insgesamt wurden für die katholische Adresse in 254 Pfarren 126.893 Unterschrif­ lisch-konservativen Volksvereine, des Klerus, aber auch der Presse („Grazer Volksblatt" ten abgegeben, davon 8.777i n Graz (bei insgesamt 259 Pfarren mit 715.000 Katholiken und „Sonntagsbote") aufzubauen. in der Diözese Seckau).104I m April 1869 wurde eine Glückwunschadresse zum fünfzig­ Wie schon anläßlich der Gründung des „Grazer Volksblatts" und dem Aufruf zur jährigen Priesterjubiläum des Papstes sogar von 240.000 Gläubigen unterzeichnet.105 Unterstützung der katholischen Adresse waren Baron Buol, Prof. Maassen und der Re­ Auch die noch junge Arbeiterbewegung richtete anläßlich des 1. Grazer Arbeitertages dakteur des „Grazer Volksblatts", Johann Karion,112 auch federführend an der Grün­ am 11.7.1868 eine Petition an das Ministerium, in der die gänzliche Aufhebung des dung des katholisch-konservativen Volksvereins"3 am 3. Oktober 1868 im Stainzerhof Konkordats gefordert wurde.106 Die „Arbeiteradresse" war von 3.623 Männern (und beteiligt.114 Bereits am 1. Oktober hatte das „Grazer Volksblatt" das Programm des zu nicht von Frauen und Kindern, „von denen die Gegenpartei ihr Glaubensbekenntnis 107 gründenden „politischen Vereins conservativer Richtung" veröffentlicht. Während die bestätigen ließ") unterzeichnet. sozialen Forderungen über ideologische Leerformeln nicht hinausgehen, wird im staats­ Die junge katholisch-konservative Bewegung errang mit dieser Adresse nicht nur rechtlichen Bereich uneingeschränkt (gerade im Bezug auf die untersteirischen Slowe­ einen quantitativen Erfolg, sondern gab damit auch einen ersten Beweis ihrer organi­ nen !)de r Föderalismus vertreten. Wie in Maassens Rede (s.u.),s o treten die Konserva­ sierten, politischen Schlagkraft. Dennoch ist ein direkter Vergleich der beiden Adressen tiven auch in ihrem Programm als „einzig wahre" Verfechter des Rechts (der Kirche, nur bedingt möglich, zu unterschiedlich sind Entstehung und Durchführung. Die libera­ der Kronländer) gegen die das Recht gefährdenden ideologischen Feindbilder Libera­ le Adresse war aus der Versammlung zweier politischer Vereine hervorgegangen und lismus und Kommunismus auf.115 intendierte die Unterstützung der konfessionellen Gesetze und damit der vom Papst so heftig attackierten österreichischen Regierung. Eine Massenmobilisierung wie sie den Die Wahl des Namens „konservativ" begründete Prof. Maassen in der Gründungs­ Konservativen gelang, wurde von den Liberalen, wie auch später, weder versucht noch versammlung folgendermaßen: beabsichtigt. Die liberale Adresse, die außerhalb von Graz den Gemeinde- und Bezirks­ „Wir wollen erhalten, was der Erhaltung wert ist. Aber wir wollen nicht zurück. vertretungen zur Unterstützung vorgelegt wurde, erhielt 4000 Unterstützungsunter­ Wollten wir zurück, dann müßten wir den Josefinismus, das Staatskirchentum wollen, schriften.108 Die konservative Adresse hingegen, eingeleitet vom flammenden Appell dessenentschiedene Gegner wir sind. Wären wir reaktionär, so müßten wir den Absolu- eines hochrangigen Personencomites, publizistisch unterstützt vom „Grazer Volksblatt" Konservativen dominiert wurden, waren die obersteirischen Wahlbezirke (mit Ausnahme und von den Kanzeln herab getragen, forderte von den Gläubigen, egal welchen Alters desJudenburger ) lange Zeit heftigst umkämpft. und Geschlechts, die Unterzeichnung der Adresse als Ergebenheitsbeweis gegenüber 111 Albrecht Langner, Diskussionsbericht, in: Anton Rauscher (Hg.), Entwicklungs­ Papst und Bischof, wobei letztlich die Zahl der Unterschriften zum Gradmesser der linien des deutschen Katholizismus, München-Paderborn-Wien 1973, 103;Vgl . auch Wolf­ Glaubenstreue hochstilisiert wurde. Wenn auch Rechbauers, vom „Grazer Volksblatt" gang M an 11 , Der parteipolitische Katholizismus, in: Gesellschaft und Politik. Schriften­ reihe des Institutes für Sozialpolitik und Sozialreform 75/3, 11.Jg., 40ff. heftig attackierte Aussage, daß „kaum einige Hunderte, [...] - wirkliche, maßgebende 112 oder berechtige"109 Persönlichkeiten die katholische Adresse unterzeichnet haben, aus Gemeinsam mit Franz Pogatschnig und J. Baumgartner wurden siebe ide rerste n statutenmä­ ßigen Versammlung am 7.1.1869 in den Ausschuß des Vereins gewählt. Grazer Volksblatt, Sicht der Liberalen verständlich ist, unterschätzte er damit die langfristige Bedeutung Nr.274 ,6.10.186 8 und Nr. 275,7.10.1868 . dieser Massenmobilisierung: zeigt doch diese Adresse bereits lokal und sozialjen e Be­ 13 Derursprünglich e Name „Conservativer Verein" wurde imJul i 1869i n „Katholisch-Konser­ reiche, in denen die Katholisch-Konservativen binnen weniger Jahre die Liberalen bei­ vativer Volksverein" umgeändert. Grazer Volksblatt, Nr. 158, 14.7.1869 (Beilage). nahe vollständig verdrängen sollten: generell die Kurie der Landgemeinden, v.a. aber 114 Grazer Volksblatt, Nr. 268,30.9.1868 . der Ost- und Mittelsteiermark,110 während die Liberalen die Städtekurie unangefochten 115 „Dieser höchste Zweck ist: dasRecht. dominierten. DasRech t instaatlicher, insocialer und inkirchlicher Beziehung.I nstaatliche r Beziehung ist unser politisches Credo: .Gleiches Recht für Alle' und ,Suum cuique'. Die verbrieften Rechte der Kronländer, ihre auf einer langen historischen Entwicklung beruhenden Eigen- 12 Grazer Volksblatt, Nr.281 , 13.10.1868; Schwechler, Volksblatt, 40,69 . thümlichkeiten, ihre berechtigten Sonderinteressen dürfen wir am wenigsten verkennen und 13 Grazer Volksblatt, Nr. 192,15.7.1868 . eswir dde rZwec kde sVereine ssein ,eine rsolche n Verkennung und Mißachtung mit denih m 14 Grazer Volksblatt, Nr. 256, 18.9.1868; Oer, Zwerger, 196, spricht sogar von 140.000 zuGebot e stehenden Mitteln entgegenzutreten. Unterschriften, die dem Fürstbischof übergeben wurden. Insociale r Hinsicht haben wir die conservativen Interessen zu wahren, d.h. wir sollen dieje­ 15 Oer, Zwerger,203f . 6 nigen Verhältnisse und Zustände, welche sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet ha­ > Tagespost , Nr. 159(A), 14.7.1868; vgl. Eduard S t a u d i n g e r , Die Bildungs- und ben, wo immer möglich, zu bewahren suchen, wo nothwendig, im Geiste einer normalen Fachvereine der Arbeiter in der Steiermark von 1848 bis 1873,phil.Diss . Graz, 1977,307f . Entwicklung zu vervollkommen streben. 17 Tagespost, Nr. 172(A),29.7.1868 . 18 Dagegenhabe n wirebe n soseh rde m zersetzenden Liberalismus entgegenzuarbeiten, [...] als Tagespost, Nr. 170,26.7.1868. auch diejenigen antisocialen Tendenzen zu bekämpfen, welche die Gesellschaft in dem 15 Grazer Volksblatt, Nr.249, 11.9.1868. 0 Communismus und Pauperismus stürzen und mit der Entfaltung der „Rothen Fahne" enden Während diemittel - und oststeirischen Landgemeindenwahlbezirke bereits ab 1870vo n den müssen." Grazer Volksblatt, Nr. 269, 1.10.1868. 233 232 tismus wollen, den wir verwerfen, weil er das Gegenteil von dem ist, was wir wollen An den stark besuchten Versammlungen (die Teilnehmerliste weist 2424 Namen Waswir wollen, istja vor Allem die Achtung des Rechtes, dem der Absolutismus fremd 122 auf ) nahmen auch Delegationen aus Tirol, Vorarlberg, Kärnten, Wien, Niederöster­ ist. "m reich und anderen Kronländern teil.123 Wenn auch etwa 60 % der Teilnehmer aus Graz Nach Ansicht Maassens hätte eigentlich kein Verein mehr als dieser das Recht sich bzw.de r näheren Umgebung (z.B. Straßgang, St. Peter, St. Veit) kamen, so waren doch „liberal" zu nennen, da er nicht nur die Freiheit der Kirche, sondern auch der Krone und 117 diemeiste n Gemeinden der Diözese, oft auch nur mit einem Teilnehmer, vertreten. Stark der Länder wolle. Als Zweck des eben erst gegründeten katholisch-konservativen vertreten waren Frohnleiten (mit 20 Teilnehmern), Gratwein (16),Krieglac h (14), Maria­ Volksvereins wird in den Statuten „die Wahrung und Beförderung der kirchlichen und 8 trost (23),Nestelbac h (17), Stainz (18), Stallhofen (16), Straßgang (45), St.Bartholomä conservativen Interessen" (§ 2) genannt." Als Vorstufe zu diesem politischen Verein (14), St.Veit bei Graz (48), St.Peter bei Graz (63), Voitsberg (30), Weiz (40), Moos­ war esbereit s im Dezember 1867 zur Gründung des katholisch geselligen Casinos „Har­ kirchen (25) und Wundschuh (73), Orte in denen bald Katholisch-konservative Vereine monie" als „Vereinigungspunkt für katholisch gesinnte Männer [...] welches ihnen die gegründet werden sollten oder wie in Wundschuh bereits gegründet waren.124 Hingegen Anregung böte, den geistigen Kampf für das Recht unserer heiligen Kirche, den die waren Arnfels, Hz, , Leibnitz, Langenwang, Pols, Passail, St.Ruprecht an der außerordentlichen Zeitverhältnisse bedingen, mit ganzem Muthe und mit ganzer Be­ 119 Raab, St.Lorenzen im Mürztal, Trofaiach, Vorau und Wildon, wo ebenfalls bald Katho­ harrlichkeit zu führen" gekommen. lisch-konservative Vereine gegründet wurden, nur schwach vertreten,währen d aus Fohns- dorf, wo bereits im August 1869 von Kaplan Neissl ein Katholisch-Konservativer Ver­ ein gegründet worden war, überhaupt niemand an diesem 1. Katholikentag teilnahm.125 2.3.1. Der 1. Steirische Katholikentag (1869) Die soziale Zusammensetzung zeigt, daß neben einer großen Zahl von Geistlichen (ca. 15 %) v.a. bäuerliche Schichten, aber auch kleine Handwerker und Gewerbetrei­ Initiiert vom späteren Landtags- und Reichsratsabgeordneten Alois Karion,120 bende das Hauptkontingent der Besucher stellten. Hinzu kommen einige wenige Ver­ Subregens des Grazer Priesterseminars, fand am 15. und 16. September 1869 in der treter der Intelligenz wie Prof. Maassen, aber auch Aristokraten (z.B. Graf Blome, Ba­ Reitschule und den Hörsälen der Theologischen Fakultät die Generalversammlung der ron Call, Anton und Gordian Gudenus, Karl Graf Stürgkh). Neben den slowenischen sechs steirischen katholisch-konservativen Volksvereine statt, der, wie er erst später Landtagsabgeordneten Michael Herman, Lippold, Dr. Prelog und Dr.Jose f Vosnjak sind bezeichnet wurde, 1.Steirisch e Katholikentag121. Den Vorsitz führte der Obmann des auf der Teilnehmerliste auch die künftigen konservativen Landtagsabgeordneten der katholisch-konservativen Volksvereins Baron Adalbert Buol-Bernburg. Jahrea b 1870,wi e Isidor Allinger, Anton Bämfeind, Dr. Heinrich Lehmann und Johann Weinhandel sowie Kaplan Urban Oftenluger (1890/91 Lgk. Brück), Kaplan Ildefons 116 Schwechler, Volksblatt, 194. Schweitzer (1884/85 Lgk. Hartberg) und Dechant Anton Semlitsch (1878-1883 Lgk. 117 Grazer Volksblatt, Nr. 274, 6.10.1868. GrazUmgebung ) zu finden. Hinzu kommen Prof. Maassen, Karion, Johann Wöhr (Lgk. 118 „§ 1E s konstituirt sich ein politischer Verein mit katholisch-conservativer Richtung unter dem Namen: Konservativer Verein Irdning 1878-1883) und die Gebrüder Alfred und Heinrich D'Avernas. Auch Frauen waren zugelassen, allerdings nur als Zuhörer!126 Interessant ist das Fehlen der Bischöfe § 3 Als Mittel hiezu werden dienen: Besprechung politischer Tagesfragen, Vorträge über 127 politische Themata, Petitionen und Adressen. von Lavant und Gurk, die sich mit „anderweitigen Geschäften" entschuldigt hatten. § 4 Die Aufnahme in den Verein geschieht durch einstimmigen Beschluß des Vorstandes; Neben den Maigesetzen und dem Konkordat sowie der künftigen Wahlstrategie kam ebenso der Ausschluß. auch die Arbeiterfrage, die entscheidend von Kaplan Wöhr128 geprägt wurde, zur Be­ § 5De r Austritt aus dem Verein steht den Mitgliedern jederzeit frei. handlung. Vor dem Hintergrund der Arbeiterversammlungen in Wien und Graz hatte § 6De r Sitz des Vereines ist Graz. Baron Buol im Katholisch-Konservativen Verein bereits im Juli 1869 zur Arbeiterfrage § 7Di e Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder sind folgende: Stellung genommen. Während er zwar die sozialen Forderungen (gerechter Lohn, ge­ a)Jede s Mitglied hat dasRech t an den Versammlungen des Vereines theilzunehmen, inden ­ selben Anträge zu stellen und bei der Fassung von Beschlüssen, [...] der Vornahme von sunde Wohnungen, Arbeiterschulen, Abschaffung der Kinderarbeit und Verringerung Wahlen, durch Abgabe seiner Stimme mitzuwirken. b) Jedes Mitglied zahlt monatlich einen Beitrag von fünf Kreuzern unbeschadet anderweiti­ ger freiwilliger Beiträge. [...]" 122 Statth 53-13123/1868. Bericht über die Verhandlungen in den öffentlichen und geschlossenen Versammlungen des 119 katholisch-konservativen Volksvereines in Graz am 15.un d 16.Septembe r 1869,Gra z 1869. Grazer Volksblatt, Nr. 344 (Beilage), 15.12.1868. 123 120 „Die radicale Partei hat sich in ihrem Hasse gegen alles, was katholisch ist, zu wiederholten Selbst dieAnreis e war perfekt durchorganisiert. So wurde sowohl mit der Südbahn alsauc h Malen Steiermark und gerade Graz auserwählt, um in eklatanter öffentlicher und andauern­ derWest - und Rudolfsbahn eine fünfzigprozentige Ermäßigung des Fahrpreises für dieTeil ­ der Weise katholische Grundsätze und Glaubenslehren zu bekämpfen. nehmer vereinbart. Grazer Volksblatt, Nr. 200, 1.9.1869un d Nr. 209, 12.9.1869. Diesen Ereignissen gegenüber haben die beabsichtigten Versammlungen den Zweck, das 124 Statth.Präs. 5Ver-24/1869. katholische Bewußtsein unter den Katholiken zu erhalten, [...1, vor Allem aber die 125 Statth.Präs. 5Ver-1547/1869. Ueberzeugung wach zu rufen und zu befestigen, daß es unserePflicht ist, durch festes Zu­ 126 Grazer Volksblatt. Nr. 204, 5.9.1869. sammenhalten undausdauernde n Kampf unsere Rechte alskatholische Christen und katho­ 127 Statth.Präs. 5Ver-24/1869 : 1651/1869. lische Staatsbürger den Gegnern gegenüber erfolgreich zu vertheidigen." Grazer Volksblatt, 128 KaplanWöh rhatt ewenig eMonat ezuvo ri nBa dAusse eeine n katholischen Arbeiterbildungs- Nr.200 , 1.9.1869. verein gegründet. Zu Kaplan Wöhr s. Julius Bu n ze 1, Die Anfänge der modernen Arbei­ 121 S.daz u Maximilian Li e b m a n n , Deutsche undösterreichisch e Katholikentage -di efün f steirischen Katholikentage, in:Johanne s Ma r b ö c k (Hg.),Brüderlichkeit . Ringvorlesung terbewegung in der Steiermark, Leipzig 1913, 37f; Franz Oer, Ehrenbuch steinscher der Theologischen Fakultät der Universität Graz zum Steirischen Katholikentag 1981, Graz Priester, Graz-Leipzig 1920, 73-87;Maximilia n L ie bm a n n , Die Anfange der Katholi 1981,9-57; Schwechler, Volksblatt, 85ff. sehen Sozialbewegung in der Steiermark, in: Kummer-Institut-Schriften 2/92; Brunner / Schuller, Absolventen, 380f. 234 235 der Arbeitszeit) für berechtigt erklärte, lehnte er ihre politischen Forderungen, v.a.nac h Vereinsgründung" (mit Hinweisen über Stempelgebühren, Fristen, etc.).135 Mit ganz Einführung des allgemeinen Wahlrechts, entschieden ab. Besonders aber bedauerte er wenigenAusnahme n (z.B.Weiz ) übernahmen diemeiste n Vereine die Statuten des Grazer die kirchenfeindliche Stimmung der Arbeiterschaft, da „[...] ein religionsloser daher Vereins,i n deren gedruckte Fassung nur mehr der Sitz desjeweilige n Vereines einzutra­ gottloser Arbeiter ein williges Werkzeug in den Händen der Revolutionspartei sei [...]."l:9 gen war.136 Wöhrs Bemühungen um die Arbeiterschaft wurden kirchlicherseits nicht weiter unter­ Stimmungsberichte der Bezirkshauptmannschaften vom Frühjahr 1870 dokumen­ stützt, wie überhaupt die soziale Frage als politisches Thema vor dem Hintergrund des tieren die bereits existierende Organisationsdichte und Effizienz der katholisch-konser­ die Konservativen in diesem Zeitraum beinahe ausschließlich beschäftigenden Kultur­ vativen Vereine, v.a. aber die Bedeutung der Pfarrer in diesen. So äußerte im Februar 130 kampfes fast völlig zurückgedrängt wurde. Während die liberale Presse und die füh­ 1870beispielsweis e der Bezirkshauptmann von Graz Umgebung die Befürchtung, daß renden (liberalen) politischen Kreise des Landes dieser Massenveranstaltung nur wenig esbe i den bevorstehenden Bezirksvertretungswahlen zu harten Auseinandersetzungen Beachtung schenkten, übermittelte die Statthalterei den Ministerien für Inneres, öffent­ zwischen Konservativen und Liberalen kommen könnte, da v.a. die an der Spitze der liche Sicherheit und Kultus eine detaillierte Analyse dieser ersten katholischen Mas­ Katholisch-Konservativen Vereine und Volksversammlungen stehenden Priester der zum senveranstaltung. Ihrer Einschätzung nach „[...] haben diese Versammlungen jedenfalls Stift Rein inkorporierten Pfarren „eine solche Schroffheit der liberalen Partei gegen­ eine nicht zu unterschätzende Bedeutung als der Ausdruck der außerordentlichen Rüh­ übereinnehmen , und die bäuerliche Bevölkerung gegen die sogenannte Intelligenz auf­ rigkeit jener Parthei, f...] auf alle mögliche Weise die bäuerliche Bevölkerung und die zuhetzen trachten so, daß Insulten und Thätlichkeiten bei dem mangelhaften Bildungs­ 131 Arbeitermassen [sie!] an sich zu ziehen." gradede r Bauern zu gewärtigen" seien. Darüber hinaus gebe es Versuche, die Gewerbe­ treibenden mit Kaufboykottdrohungen zum Eintritt in den Katholisch-Konservativen Verein zu zwingen."7 Aufgrund der „vortrefflichen" Organisation der politischen Tä­ 2.3.2. Die Entwicklung eines flächendeckenden Vereinswesens tigkeit des Klerus im Bezirk Leibnitz prophezeite im Frühjahr 1870 auch die dortige Bezirkshauptmannschaft den Konservativen ebenfalls einen großen Wahlerfolg, umso- Als unmittelbares Ergebnis dieses 1. steirischen Katholikentages ist die Gründung mehr als der liberale Volksbildungsverein (s.u.), der zwar auch eine große Zahl von des katholischen Preßvereines (s.o.) anzusehen. Mit Stichtag 4. Oktober 1869 zählte Mitgliedern hatte, kaum in Erscheinung trat. Mit Ausnahme der Steuern sei das allge­ der katholisch-konservative Verein Graz 570 Mitglieder. Von Bischof Zwerger tatkräf­ meine politische Interesse der Landbevölkerung - im Bericht als „willenlose Herde" in 138 tig unterstützt,132 wurden neben diesem binnen kürzester Zeit im gesamten Land ver­ den Händen des Klerus bezeichnet - „streng genommen null". 133 stärkt katholisch-konservative Vereine gegründet, die, wie die Landtagswahlen von Soweit die Protokolle der die Versammlungen der katholisch-konservativen Verei­ 1870 zeigen sollten, zum Träger der katholisch-konservativen Bewegung in der Steier­ ne obligatorisch besuchenden Regierungsvertreter vorhanden sind, dominierten die 134 mark wurden. Eine voraussehende Organisation ermöglichte die problemlose Grün­ Geistlichen (zumeist als Obmänner) diese eindeutig. So berichteten und kommentierten dung lokaler Vereine. Da die Gründung von Filialen bei politischen Vereinen auf Grund sie nicht nur die innenpolitischen Ereignisse (neben der Bedeutung der Wahlen v.a. die des Vereins- und Versammlungsgesetzes nicht möglich war, veröffentlichte das „Grazer Schulgesetzgebung und die heftigst bekämpften neuen Schulbücher), sondern auch Volksblatt" schon kurze Zeit nach Gründung des Grazer Vereines einen „Leitfaden zur außenpolitische Ereignisse.139 Da die in diesen Versammlungen gemachten Aussagen und Äußerungen immer wieder zu Anzeigen (zumeist gegen Geistliche140) führten, ver­ 129 Grazer Volksblatt, Nr. 150,4.7.1869. suchten einzelne Vereine die Anwesenheit eines Regierungskommissärs zu verhindern, 130 Maximilian L i e b m a n n , Katholisches Leben in der Zeit Fürstbischof Zwergers, in: sei es, daß mehrere Vereinsversammlungen gleichzeitig in einem Bezirk angemeldet, Celedin / Bouvier / Liebmann (Hg.), 15f. 131 Statth.Präs. 5Ver-24/1869 : 1651/1869. die Versammlung kurzfristig in einen anderen Ort verlegt oder nach dem offiziellen 132 Oer, Zwerger, 200f. Schluß und dem Weggehen des Bezirksvertreters die Versammlung hinter verschlosse­ 133 1869: Krieglach, , Langcnwang, Wundschuh, Kainbach, Mariatrost. Pürgg bei nenTüre n neuerlich eröffnet wurde. Besonders 1870 häuften sich daher die Klagen der Liezen, Wies, Gratwein, Nestelbach. Stattegg, Stainz, St.Stefan/Gratkorn, Mooskirchen, Bezirkshauptmannschaften über die ausde r übergroßen Zahl von Vereinsversammlungen Kobenz bei Judenburg, Weiz, Hz, Hatzendorf, Straßgang, St.Stefa n im Rosental, Haus, entstehende personelle und finanzielle Überbelastung.141 St.Florian, Wildon, Passail, St. Lorenzen im Mürztal, Frohnleiten, St.Veit bei Aigen,Übel ­ bachsowi eAussee ,Gratkorn .St.Bartholomä , St.Vei tbe iGraz ,St.Pete rbe iGraz ,Hartmanns ­ Wie eine Zusammenstellung der Statthalterei vom April 1871 zeigt (s. Anhang), dorf und Voitsberg. verfügten die Konservativen (mit Ausnahme einiger Vereine in der Untersteiermark) 1870: Schwanberg, St.Ruprecht a.d.Raab, Straden, Stift Rein, St.Peter bei Judenburg, Lankowitz.Mautern .St.Marti n beiWindischgraz ,Pöllau ,Gösting ,Deutsch-Feistritz ,St.Marti n 1,5 Grazer Volksblatt, Nr. 285, 17.10.1868 und Nr.291, 23.10.1868. im Sulmtal, St.Veit am Vogau, Ligist, Premstätten, Preding, St.Marcin am Pickelbach, m Statth.53-13123/1868 . St.Lambrecht, Gnas,Dechantskirchen , Donatiberg bei Rohitsch, Hitzendorf, St.Ruprechtbe i 1,7 Marburg,Marburg ,Halbenrain ,Feldbach .Altenmark t beiFürstenfeld . Pols,Trofaiach ,Vorau . Statth.Präs.5 Ver - 1547/1869 :240/1870 . 18 Statth.Präs.5 Ver - 1547/1869 :868/1870 . Gleinstätten, St.Margarcten a.d.Raab, Kirchberg a.d.Raab, Unzmarkt und Grafendorf bei 139 Hartberg. Neben der Einnahme Roms durch italienische Truppen gehörte zu den immer wieder ange­ sprochenen Themen v.a.di e „kirchenfeindliche" Politik anderer Staaten (so Preußen, Frank­ 1871: St.Martin a.d.Drau. Feldkirchen bei Graz, Murau, Saldenhofen, Stanz im Mürztal, reich, Italien und Rußland). Kindberg, St.Lorenzen i.d.Wüste, Admont, Leibnitz, Stallhofen, Loipersdorf und Piberso ­ 140 Sowurd ebeispielsweis e der Stainzer Kaplan Franz Höller wegen Übertretung desVersamm ­ wie 1872: St.Joharm bei Leibnitz. Vgl. Präs.53 sowie Schwechler, Volksblatt, 199; lungsrechts zwei Mal zu 10 bzw. 15 fl. Strafe verurteilt. (Statth.Präs.5 Ver - 1547/1869 : Oer, Zwerger, 220. 134 2603/1870). Weitere s. Statth.Präs. 23-508/1869. Schwechler, Volksblatt, 199. 141 Statth.Präs.5 Ver.

236 237 146 bereits über ein Netz von 61 Vereinen mit 8.328 Mitgliedern (hinzu kommt noch der Stellung. Hinz u kam wohl auch die enge Verflechtung prominenter liberaler Politiker Katholische Preßverein mit 2.253 Mitgliedern). 1873 bestanden schließlich 78 Vereine wieMorit z von Kaiserfeld (Präsident), Prof. Hlubek (als Sekretär) und eine Reihe ande­ mit 11.853Mitgliedern . Während beim Gros der Vereine ein leichter Mitgliederzuwachs rerPersönlichkeite n (beispielsweise Moritz von Franck und Dr. Josef von Neupauer als bzw. eine Stagnation zu verzeichnen ist, verliert der Grazer Verein, der 1871 noch 683 Mitglieder des Centralausschusses oder Vorsteher von Filialen) mit der Landwirtschafts­ 147 Mitglieder zählte, im selben Zeitraum bis zu einem Drittel seiner Mitglieder (456).I n gesellschaft. Relation zur männlichen Bevölkerung bedeutet dies eine Abnahme von 5,13 %au f 1,19 %. Die geographische Verteilung der Vereine zeigt die Hochburgen der Konserva­ tiven bei Landtags- und Reichsratswahlen: generell die Ost- und Südsteiermark inklusi­ 3. Wahlen und Wahlkämpfe ve des Bezirks Graz Umgebung, während ihre Zahl in der Obersteiermark stets gering blieb. Problematischer ist eine Bewertung der Mitgliederzahlen der einzelnen Vereine: 3.1. Die Landtagswahlen von 1870 da eine Relation Mitgliederzahl zur Zahl der (männlichen142) Gemeindebewohner nicht zielführend ist (als Extrembeispiel sei hier Grafendorf angeführt, wo der konservative Tatsächlich brachten die Landtagswahlen vom Sommer 1870 den Katholisch-Kon­ Verein 1873 1076 Mitglieder bei 217 männlichen Einwohnern zählte!), erscheint ein servativen, wie auch den Slowenen, einen großartigen Erfolg in der Landgemeinden­ Vergleich auf Bezirksebene zielführender. Ohne Graz läßt sich für die katholisch-kon­ kurie und eine schwere Niederlage für die Liberalen. Von den 13 mittel- und oberstei­ servativen Vereine 1873ein e Organisationsdichte von 3,79 %zu r männlichen Bevölke­ rischen Landgemeindewahlbezirken gewannen die Konservativen neun (Graz Umge­ rung konstatieren. Hartberg und Weiz sprengen mit 8,96 bzw. 9,22 % geradezu den bung,Judenburg , Irdning, Radkersburg, Weiz, Hartberg, Feldbach, Leibnitz und Stainz) Landesdurchschnitt, während andere konservative Hochburgen wie Leibnitz (4,22 %), undbrachte n damit elf Kandidaten (Leibnitz und Feldbach wählten je zwei Abgeordne­ Graz Umgebung (4,36 %) und Deutschlandsberg noch knapp über dem Durchschnitts­ te) in den Landtag, gegenüber nur vier der Liberalen. Bis 1914 verdrängten die Katho­ wert liegen bzw. Radkersburg (3,65 %) und Feldbach (2,94 %')scho n darunter sind, lisch-Konservativen und in der Folge die Christlichsozialen die Liberalen gänzlich aus ebenso Judenburg (2,23 %).Di e Effizienz, Rührigkeit und damit politische Bedeutung der Landgemeindenkurie. Einzig die obersteirischen Landgemeindewahlbezirke leiste­ der konservativen Vereine hängt naturgemäß aber nicht nur von ihrer Quantität bzw. ten den längsten „Widerstand".148 dem Mitgliederstand ab: So erwiesen sich nach Berichten der jeweiligen Bezirkshaupt­ Den ersten Beweis ihrer politischen Schlagkraft hatten die Katholisch-Konservati­ mannschaften gerade die Vereine in den Bezirken Judenburg, Feldbach und Radkersburg venbereit s 1869, anläßlich der durch die Mandatsniederlegung Dr. Stremayrs im Wahl­ 143 als besonders rührig. Die Bezirkshauptmannschaft von Radkersburg riet 1870 sogar bezirk Vorstädte Graz der Städtekurie des Landtages notwendig gewordenen Nachwahl 144 zur Auflösung aller katholisch-konservativen Vereine in ihrem Bezirk. Im Vergleich gegeben. Prof. Maassen, der bei einer Wahlversammlung des Katholisch-Konservati­ dazu blieb der von den Liberalen gegründete Stmk. Volksbildungsverein nicht nurquan ­ 149 145 ven Vereins auf Antrag Karions einstimmig als Kandidat nominiert worden war, un­ titativ, sondern v.a. in seiner Wirkung auf die ländliche Bevölkerung unbedeutend. terlag zwar dem liberalen Gegenkandidaten Dr. Peters, doch machte das Antreten der Der Erfolg der katholisch-konservativen Vereine hatte aber auch Auswirkungen auf Katholisch-Konservativen immerhin einen zweiten Wahlgang notwendig, den sie letzt­ einen der traditionellsten Vereine, die von Erzherzog Johann gegründete k.k. steierm. lich durch ihre Wahlempfehlung, wenn auch indirekt, mitentschieden.150 Immerhin hat­ Landwirthschaftsgesellschaft: seit 1871 kam es mit der Begründung zu einer Vielzahl te Prof. Maassen im 1.Wahlgang knapp 15 % der abgegebenen Stimmen erhalten,151 von Austritten, diese nehme (im liberalen Sinne) zu religiösen und politischen Fragen insbesondere jene der wahlberechtigten Frauen.152

146 12 Dorfbote, Nr.4,25.1.1872 . DieRelatio nzu rmännliche n Einwohnerzahl scheint deshalbsinnvoller , alsnu rMänne rwahl ­ 147 F.X. Hlubek, Ein treues Bild des Herzogthumes Steiermark als Denkmal dankbarer berechtigt waren. 143 Erinnerung anWeilan d Se.kaiserlich e Hoheit den durchlauchtigsten Erzherzog Johann,Gra z Statth.Präs.5 Ver - 1547/1869. 1860,401ff ; Wochenblatt der kaiserl. königl. stmk. Landwirthschafts-Gesellschaft, 1861ff; 44 „Bei der so entschiedenen Tendenz dieser Vereine,de r Landbevölkerung jede geistige Fort­ Dersteirisch e Landbote. Organ für Landes- und Landescultur-Interessen, 1868ff. Zur Stmk. bildung zu entziehen und dieselbe als Waffe gegen die Regierung [...] zu gebrauchen, kann Landwirtschaftsgesellschaft s. Anna Barth, Agrarpolitik im Vormärz. Die Steirische man das Wirken dieser Vereine wohl nicht anders als ein entschieden regierungsfeindliches Landwirtschaftsgesellschaft unter Erzherzog Johann, Graz 1980. bezeichnen und durfte ausdiese m Grunde dieAuflösun g aller dieser Vereine nicht nurallei n 148 Vgl. Marko-Stöckl, Wahlrecht, 269ff. gerechttertigt^sem,sonder nvo nde rgesamte nIntelligen zdankba rbegrüß t werden.Statth.Präs. 5 149 Grazer Volksblatt, Nr. 94,25.4.186 9 und Nr. 92,23.4.186 9 (Beilage). ™Di e Wahlempfehlung der Konservativen für den zweiten liberalen Kandidaten, Vize­ 45 Der Steiermärkische Volksbildungsverein wurde 1869 über Initiative des „Deutschen bürgermeister Remschmidt, den sie als „das kleinere Übel" apostrophierten, kostete diesem Demokratenverein in Graz" als Gegengewicht zu den katholisch-konservativen Vereinen im 2.Wahlgang nach Ansicht der „Tagespost" wohl den Sieg. Grazer Volksblatt, Nr. 100, gegründet. Mit seinem Organ „Der Dorfbote" sollten v.a. die ländliche Bevölkerung erreicht 2.5.1869;Tagespost , Nr. lll(A), 28.4.1869. werden,ei n Ziel dasnu r in sehr beschränktem Umfang erreicht wurde.Fü r das Ministerium 151 Im 1.Wahlgang wurden 963 Stimmen abgegeben, davon entfielen 408 Stimmen auf Prof. «Ter TeH bef bneb dlc Statthalterei 1871 den Volksbildungsverein, dem es nicht nur an Peters, den Kandidaten des „Deutschen Demokratenvereins", 387 Stimmen auf Vizebürger­ ausreichenden Mitteln, sondern v.a. auch an geeigneten Persönlichkeiten fehle um denKon - meister Remschmidt, den Kandidaten der „Bürgerpartei" sowie 144 Stimmen (=14,9 %)au f SI Wh d w Prof.Maassen . Vgl. Grazer Volksblatt, Nr. 86, 16.4.1869 und Nr. 98,30.4.1869 . Mtl T ™ / ™ "l<^tand zu leisten. So halbierte sich auch sein landeswciter 152 M, glederstand im Zeuraum 1871-1873 von 2.357 auf 1.096. Statth. 5 Ver -764/1871 ; vgl. Nicht umsonst hatte der katholisch-konservative Verein schon im Wahlkampf die (allerdings v%„ ™l' Vol^sblldu"gs-Verein- Sei«Entstehe n undfünfundzwanzigjährige s Wirken, hg. nur mittels Bevollmächtigte) wahlberechtigten Frauen „entdeckt". Vgl. Grazer Volksblatt, v. Vereins-Ausschusse, Graz 1894. Nr.94 ,25.4.1869 .

238 239 mation gewählt worden,161 und selbst 1867 hatte er noch mit 73 zu 50 Stimmen über Die Bedeutung des Katholisch-Konservativen Vereins für den Wahlausgang zeigt 162 der Vergleich mit den Landtagswahlen von 1867, wo Maassen ohne jegliche organisa­ Bezirksvorsteher Haag gesiegt. Konservative und Liberale hielten im gesamten Wahl­ 153 bezirk eine Reihe von Wählerversammlungen ab, wobei auf konservativer Seite die torische Basis nur eine Randfigur geblieben war. 1867 war es den Konservativen 163 einzig in der Kurie des Großgrundbesitzes gelungen, allerdings nur dank der Uneinig­ katholisch-konservativen Volksvereine (so in Weiz mit 300 Teilnehmern ) die Organi­ keit der Liberalen, einen Abgeordneten (Baron Buol) in den Landtag zu wählen.154 sation übernahmen. InGleisdor f kamen die Mitglieder des liberalen Grazer Wahlcomites erst gar nicht zu Wort und mußten unter Hohngelächter wieder abziehen.164 Der Groß­ 1870 traten die Konservativen erstmals landesweit mit einem (wie der Erfolg zei­ 165 gen sollte) effizienten „Apparat" an.Ähnlic h den Liberalen155 organisierten die Konserva­ teil derWahlmänne r gehörte daher auch katholisch-konservativen Vereinen an. Wäh­ tiven ihren Wahlkampf ebenfalls über ein Personencomite, das einen Wahlaufruf an die rendKaiserfel d in seinen Ansprachen die Politik der Liberalen (v.a. die Nationalitäten­ 156 politikabe rauc h die Schulgesetze) verteidigte und auf die Erfolge der Landesverwaltung Wähler richtete. Mit Heinrich Graf D'Avernas (Obmann), Alfred Graf D'Avernas, 166 Alois und Johann Karion, Prof. Friedrich Maassen und Baron Ernest Gudenus gehörten hinwies, stellte n Baron Gudenus und die Konservativen einen Forderungskatalog vor, diesem Wahlcomite wieder die prominentesten Repräsentanten der katholisch-konser­ in dem sie gerade jene Probleme aufgriffen, die die Landbevölkerung am direktesten vativen Bewegung in der Steiermark an. Mit den übrigen, weniger prominenten Mit­ betrafen. So konfrontierte etwa der Katholisch-Konservative Verein Windisch-Hart- gliedern des Wahlcomites waren sämtliche Gebiete des Landes repräsentiert. Keines­ mannsdorf die künftigen Abgeordneten mit folgendem Forderungskatalog: Erhaltung wegs hingegen bestand eine Relation zwischen der sozialen Zusammensetzung des der konfessionellen Schule und Ablehnung der Zivilehe, Reduktion der Steuern, v.a. Comites und der „Hauptzielwählergruppe" bäuerliche Landbevölkerung, da als lokale der Militärausgaben, Vereinfachung des Gerichts- und Notariatswesens, bessere Wah­ Repräsentanten vorwiegend Geistliche auftraten.157 Fast sämtliche Mitglieder dieses rung der Gemeinderechte, direkte Wahl der Landgemeindenabgeordneten und Gleich­ Comites hatten am Katholikentag teilgenommen,158 einige von ihnen waren Obmänner stellung mit der Städtekurie, Abänderung des Wehrgesetzes, Regelung und Einschrän­ der lokalen Katholisch-konservativen Vereine.159 kungde sVagabundenwesen s sowie Einschränkung der Gewerbefreiheit, v.a.de s Schank- 167 Zu den heftigsten Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Konservativen gewerbes und Verhinderung der Freiteilbarkeit des Grundes. kam es in den Landgemeindewahlbezirken Weiz, Hartberg und Leibnitz. Neben der Ein weiterer prominenter Liberaler, Dr. Carl Stremayr, ab 1870 Kultusminister, Geistlichkeit verdanken die Katholisch-Konservativen ihren totalen Erfolg den v.a. in unterlag in Leibnitz (wo in der Landgemeindenkurie zwei Mandate zu vergeben waren) den konservativen Gegenkandidaten Alfred Graf D'Avernas und Alois Karion.168 Für diesen Wahlbezirken bereits gut organisierten Katholisch-Konservativen Vereinen. 169 Das prominenteste „Opfer" des katholisch-konservativen Erfolges war Moritz von denWahlausgan g mitentscheidend waren auch hier die (wie in Arnfels, teilweise erst Kaiserfeld, Landeshauptmannstellvertreter (ab 1870 Landeshauptmann) und Präsident wenige Tage vor den Wahlen gegründeten) katholisch-konservativen Volksvereine. des Abgeordnetenhauses, der in Weiz Baron Ernest von Gudenus mit 12 zu 111 Stim­ Im Unterschied zu den Wahlbezirken Weiz und Leibnitz, wo die konservativen men unterlag.160 1861wa r Moritz von Kaiserfeld in diesem Wahlbezirk noch per Akkla- Kandidaten gegen prominente liberale Politiker anzutreten hatten, machten es ihnen die Liberalen im Wahlbezirk Hartberg durch die Nominierung des relativ unbekannten Vin- zenzAdam , Direktor der Lehrerbildungsanstalt, äußerst leicht.17"Währen d sein konser­ 153 Soerhiel t eri mWahlbezir k Graz Stadt nur 4vo n 304 abgegebenen Stimmen (=1,31 %) und vativer Gegenkandidat, der prominente Vorauer Propst Isidor Allinger, Obmann der 14vo n 632 Stimmen (=2,31 %)i mWahlbezir k Vorstädte Graz.Tagespost , Nr. 21, 25.1.1867 171 und Nr. 24,29.1.1867 . Bezirksvertretung Vorau und Mitglied der Bezirksvertretungen Hartberg und Friedberg, 154 Baron Buol erhielt u.a.di e Stimmen von Bischof Ottokar Maria Attems,weiter sde r Familie vor der Wahl von Dorf zu Dorf gefahren war und mit jedem Wahlmann persönlich Attems, der Grafen Blome, Herberstein und Khünburg, von Baron Gudenus, den Bevoll­ gesprochen hatte,172 beschränkte sich der liberale Wahlkampf in erster Linie darauf, mächtigten der Fürsten Liechtenstein, des Malteserordens und des Klerus. Vgl. Tagespost, Direktor Adam den Gemeindevorstehern aller Landgemeinden durch das Gemeinde­ Nr.2 6 (A),31.1.186 7 und Nr.27 , 1.2.1867. 173 155 Vgl. Edith Marko -St öckl, „Revolutionäre -Reforme r - Honoratioren - Alte".Di e amtHartber g schriftlich als Abgeordneten zu empfehlen. Das Wahlergebnis zeigt den Entwicklung der politischen Landschaft in der Steiermark am Fallbeispiel der Liberalen der vollen Erfolg der Katholisch-Konservativen: Isidor Allinger erhielt 83 von 101 abgege­ sechziger und frühen siebziger Jahre des 19.Jahrhunderts , (in Druck). benen Stimmen.174 156 „Die große Mehrzahl des steirischen Volkes will solche Vertreter, welche die Freiheit der Religion und ihrer Uebung und darum auch die Freiheit und die Rechte der katholischen Kirche respektiren. Diegroß eMehrzah l dessteirische n Volkeswil l solche Vertreter,di efes t 1 Tagespost, Nr. 68, 22.3.1861. an Kaiser und Reich halten, die unser großes, herrliches, Völker- und länderbeschirmendes 2 Oesterreich von ganzem Herzen lieben, die nimmer im Stande wären, um phantastischer Tagespost, Nr. 19,23.1.1867. 3 Grazer Volksblatt, Nr. 123,1.6.1870 . Träume von deutscher Einheit willen es zu verrathen in Gedanken, Worten oder Werken." 4 Grazer Volksblatt, Nr. 126,4.6.1870 . Tagespost, Nr. 157 (A), 16.6.1870. "" SoLeopol dHofbauer , JohannHubmann ,Aloi sZeiringer ,Kar l Zetter (alleGraz) ,Fran zHölle r " Grazer Volksblatt, Nr. 138,21.6.1870. * Tagespost, Nr. 162,22.6.1870 . (Stainz),Fran zJanit z (Langenwang),Jose f Müller (Kobenz),Bernhar d Rainer (Frohnleiten). ,7 Josef Parfuss (Hz),Johan n Schmidt (Wildon), Franz Weissenböck (Straden), Josef Zapletal Grazer Volksblatt, Nr. 138,21.6.1870. 18 Tagespost, Nr. 164,24.6.1870 . (Leoben). Weiters der Richter Michael Herman (Vorau) sowie Johann Schumy, Johann 59 Junghans (Haus),Kajeta n Luschnigg (St.Peter amKammersberg) ,I .Zengcre r (Rottenmann), Tagespost, Nr. 164,24.6.1870. deren Berufe unbekannt sind. Vgl. Schwechler, 201f; Grazer Volksblatt, Nr. 126, !0 Tagespost, Nr. 142,30.5.187 0 und Nr. 157(A), 16.6.1870. 4.6.1870. 71 Grazer Volksblatt, Nr. 133, 14.6.1870. 1,8 Mit Ausnahme von Schumy, Junghans, Luschnigg und Zengerer. 12Tagespost , Nr. 168(A),28.6.1870 . 159 SoHölle r (Stainz) und Parfuss (Hz). 73 Grazer Volksblatt, Nr. 139,22.6.1870. 160 Tagespost, Nr. 164,24.6.1870. 74 Tagespost, Nr. 164,24.6.1870. 241 240 Im Wahlbezirk Judenburg war es bereits bei den Urwahlen zu ernsthaften Ausein­ In der Städtekurie wußten die Konservativen um ihre Chancenlosigkeit. So ver­ andersetzungen zwischen Katholisch-Konservativen und Liberalen gekommen. Somußt e zichteten sie inGra z auf jeden Wahlkampf, forderten aber die wahlberechtigten Mit­ etwa inFohnsdor f die Urwahl, die die Liberalen ursprünglich gewonnen hatten, wie­ glieder des Katholisch-Konservativen Vereins zum Wahlboykott auf,d azwe i Drittel derholt werden.175 Die Wahl selbst gewann der konservative Kandidat mit 49z u 20 derVereinsmitgliede r auf Grund der Zensusbestimmung nicht wahlberechtigt waren.187 Stimmen.176 Das gegenseitige Mißtrauen ging soweit , daß beispielsweise der „Aus­ Einzigi m Wahlbezirk Hartberg nominierten die Konservativen einen eigenen Kandida­ schuß des Katholisch-Konservativen Vereins zu Kobenz", der Heimatgemeinde Bärn- ten (Pfarrer Rössl), dergege n den bereits inde rLandgemeindenkuri e geschlagenen feinds, den konservativen Wahlmännern des Bezirkes davon abriet mit der Eisenbahn Moritz von Kaiserfeld (s.o.) antrat. „Sicherheitshalber" war Kaiserfeld bereits vor den (Möglichkeit manipulierter Verspätungen !),sonder n mit „eigener Gelegenheit" zurWah l Wahlen auch von der Stk. Hartberg als Kandidat nominiert worden war,j a selbstdi e nach Judenburg zu fahren.177 Handelskammer Graz wartete mit ihrem Wahlakt bis zur telegrafischen Übermittlung Der „Spitzenkandidat" der Katholisch-Konservativen, Prof. Maassen, kandidierte derWahlergebniss e in der Städtekurie,u m soprominent e Liberale wie Kaiserfeld, Rech­ (da auch fürih n ein Antreten in der Städtekurie aussichtlos war) im Landgemeinden­ bauer und Stremayr im Falle einer (neuerlichen) Niederlage wenigstens hier wählen zu wahlbezirk Stainz, wo erschließlic h mit 103 zu3 5 Wahlmännerstimmen über Baron können.188 Moritz von Kaiserfeld siegte in Hartberg überlegen über seinen konservati­ Mandell siegte.178 In seinen Wahlreden hatte Maassen eine Revision der Wahlordnung ven Gegenkandidaten Pfarrer Rössl, der aber immerhin ein Viertel der abgegebenen zugunsten der Landbevölkerung sowie die Einführung des allgemeinen Stimmrechts Stimmen erhielt.189 Auf Grund des großen Erfolgs in der Landgemeindenkurie wurden gefordert (sie! Lehnten die Konservativen doch über Jahrzehnte die Einführung des 1870erstmal s auch zwei Katholisch-Konservative (Baron Gudenus und Johann Wein­ allgemeinen Wahlrechts ab, so bereits Baron Buol 1869 (s.o.)).179 handl) in den Reichsrat gewählt.190 Weitere Siege erfochten die Katholisch-Konservativen inde n Wahlbezirken Graz Umgebung (Heinrich Graf D'Avernas mit 75 zu 18 Wahlmännerstimmen über den In­ dustriellen Jakob Syz),1S0i n Irdning181 (der einheimische Bauer Nerwein siegte über den 3.2. Die Landtagswahlen von 1871 prominenten Grazer Universitätsprofessor Schauenstein182), in Feldbach (Pfarrer Dr.Leh ­ mann und Müllermeister Weinhandl relativ knapp über Baron Hammer-Purgstall und Als durch Kaiserl. Patent vom 11.Augus t 1871 die Landtage von Ober- und Nie­ Landtagsabgeordneten Dr. Karl Bayer)183 sowie inRadkersbur g (Graf Platz).184 Selbst derösterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Mähren, Schlesien und Tirol nach nur die liberale „Tagespost" mußte in ihrem Wahlresümee das geschlossene Auftreten der einem Jahr aufgelöst und die Neuwahlen für den 4. -7 . September ausgeschrieben wur­ Konservativen als Grundstein ihres Erfolges anerkennen. Ihre Hoffnung, daß die libera­ den, um dem Ministerium Hohenwart im Reichsrat eine klare föderalistische Mehrheit len Volksbildungsvereine den Einfluß der Konservativen auf die Landbevölkerung ein­ zu verschaffen, waren die Katholisch-Konservativen inde r Steiermark bestens gerü­ schränken könnten, erfüllte sich nicht.185 Im Unterschied zu den zwei von der Landge­ stet.Di e Zahl der Katholisch-Konservativen Vereine hatte weiter zugenommen, v.a. vor meindenkurie gewählten Bauern, die sie „nur" als Marionetten von Prof. Maassen be­ Wahlen wurden immer wieder neue Vereine, hauptsächlich durch Pfarrer initiiert, ge­ zeichnet, geht die „Tagespost" mit den vier inde n Landtag gewählten konservativen gründet.191 So berichtete beispielsweise die Bezirkshauptmannschaft Weiz imJänne r Aristokraten („fromm und reactionär") weitaus härter ins Gericht.186 1871vo m „unermüdlichem Eifer" der Obmänner der Katholisch-Konservativen Verei­ neWeiz , Windisch-Hartmannsdorf, Passail und St.Ruprecht, deren Mitglieder vorwie­ Soware n nurdi e liberaler. Wähler schriftlich vom Wahltermin verständigt worden, während gend Taglöhner und Bauern waren.192 Bereits im Juni/Juli 1871 war es anläßlich mehre­ die offizielle Wahlankundigung schlecht sichtbar ausgehängt worden war bzw. nur diewe - wfh I w H "Ä dUruh ••Trommclschlag- hören konnten. Bei der Wiederholungde r rerliberale r Volksversammlungen in Kindberg, Feistritz und Mürzzuschlag zu tätlichen W«b * Wahlberechtigten schriftlich verständigt, sodaß auch 50Konservativ e zur Pr teSt die WaM bo kottiertcn Graz Volks bTatt, NTITS^TSTO """ ^ ™ ° y - « - Grazer Volksblatt, Nr. 143,26.6.1870 . 176 Tagespost, Nr. 163(A),23.6.1870 . Tagespost, Nr. 159, 19.6.1870 und Nr. 169(A), 30.6.1870. 177 Grazer Volksblatt, Nr. 137, 19.6.1870 Von41 1abgegebene n Stimmen entfielen auf Moritz von Kaiserfeld 306(=74,4 5 %) und 105 178 Grazer Volksblatt, Nr. 163,26.6.1870 (= 25,55 %) auf Pfarrer Rössl. Laut „Tagespost" kam der Großteil der insgesamt 105 für 179 Tagespost, Nr. 151(A), 10.6.1870. Pfarrer Rössl abgegebenen Stimmen von der Geistlichkeit des Bezirkes (28 Geistliche und 180 Grazer Volksblatt, Nr. 141,24.6.1870 15Kirchenpröbste) ,hinz u kamen 27„meh rode rminde rabhängig e Vasallende sStifte s Vorau". Dieübrige n 35Wähle r von Pfarrer Rössl waren vorwiegend Mitglieder katholisch-konserva­ 81 pTrterL'JfrCHhiedhZU,ande^n Wah lbezirketl der Landgemeindenkurie konnte sich hier keine Partei klar durchsetzen. Grazer Volksblatt7 , Nr. 141 24 6 1870 tiver Vereine.Vo nde n 105Wähler n aus Hartberg hatten 93fü r Kaiserfeld und 12fü r Pfarrer U n A USS C Uß, ,itglled DeUtSchen Rössl gestimmt. Rössl wurde v.a. von den Wählern aus Vorau und St.Ruprecht (=Sitz eines ~zu°de n pt noPOnentenemp;n deHr ,lberalen, K ? ^ Volksvereins,gehört ei mSomme r 1868 katholisch-konservativen Vereines)gewählt .Überraschenderweis e hatteRöss lau sFriedberg , 1868 > annpäpstlichen Adresse. Statth.Präs. 5-1566/1868 : 1571/ seinemPfarrort , nurdi e Stimmende rKaplän eun d einesKirchenprobst s erhalten.Vgl . Tages­ B 1111 11 Lehmann und post, Nr. 168,28.6.1870 , Nr. 169(A), 30.6.1870 und Nr. 170,1.7.1870 . BaronH^mL^p ^",^ !^^^ Weinhandl zu 80 bzw. 54 Stimmen für Da der Reichsrat bis 1873 indirekt und nach Kurien von den Landtagen gewählt wurde, «iSSS^SSS&m^ GrazerVolksbla,t 'Nr-141'24-61879- hattendi eAbgeordnete n der 13 ober- undmittelsteirische n Landgemeindcnwahlbezirke zwei 185 Reichsratsabgeordnete zuwählen . Landesordnung und Landtags-Wahlordnung für das Tagespost, Nr. 166,26.6.1870. Herzogthum Steiermark. RGBl. 20/1861, Beilage II,f, Anhang. b e ß Sei n d !G danken vonMänner " d?ren^e?s,, rnn TK l , r ! *»«*• " gewählt worden zu sein, Das„Graze r Volksblatt" nennt zu diesem Zeitpunkt 70Verein emi t ungefähr 10.000Mitglie ­ nicht8e S,attete da ßma nsi ebelüg tun d dern.Graze r Volksblatt, Nr. 204,6.9.1871 . ÄfflÄÄStZ&iSST" ' ' Statth Präs.5 Ver - 764/1871. 242 243 Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Katholisch-Konservativen gekommen. wandte er sich in einem, allerdings erst nach den Wahlen in der „Österr. Zeitung" er­ Nach den „Kämpfen" von Mürzzuschlag, wo mehrere Geistliche körperlich mißhandelt schienenen, Wahlaufruf an die Wahlmänner seines Wahlbezirkes Stainz, in dem er sei­ worden waren, forderte das „Grazer Volksblatt" schließlich alle Katholisch-Konserva­ neMotiv e ausführlich darlegte.199I n der Abstimmung hatte Maassen keine einzige Stim­ tiven auf, künftig derartigen liberalen Versammlungen fernzubleiben.193 me erhalten, gewählt wurde der Kandidat des katholisch-konservativen Wahlcomites Die Einbeziehung der Steuerzuschläge in den Wahlzensus führte naturgemäß zu (Dechant Josef Kahr).200 Von Anbeginn seiner politischen Karriere war Maassen immer einer Ausweitung der Wählerbasis auf kleinere Steuerzahler, doch hatte diese umstrit­ umstritten gewesen, naturgemäß v.a. von seiten der Liberalen. So waren nicht nur seine tene Maßnahme zumindest in der Steiermark nicht den vom Ministerium erhofften Ef­ protestantisch-norddeutsche „Vergangenheit", sondern v.a. auch seine „Beziehung" zu fekt, da die Liberalen weiterhin die Majorität im steirischen Landtag halten konnten. Graf Leo Thun immer wiederkehrende Wahlkampfthemen.201 Nun, 1870/71 wurde sein Während die Zahl der Wahlberechtigten (gegenüber den Landtagswahlen von 1870) in Rückzugau sde r Politikvo n den Konservativen stillschweigend zur Kenntnis genommen. der Städtekurie um 1.060 (= + 10 %) anstieg, kam es in der Landgemeindenkurie zu einer Reduktion um 5.463 Wahlberechtigte (= - 8,84 %).194 Wiescho n 1870 waren die Liberalen in den Landgemeindewahlbezirken Weiz, Hart­ Den politischen Intentionen des Ministeriums Hohenwart entsprechend begrüßten berg und Leibnitz chancenlos. So siegte Baron Gudenus in Weiz mit 107 zu 25 Stim­ die Konservativen die Ausschreibung von Neuwahlen. Bereits am 17.Augus t konstitu­ men,202i n Hartberg, wo selbst die „Tagespost" vor dem Einfluß der Katholisch-Konser­ ierte sich im Vereinslokal der „Harmonie" im Stainzerhof ein katholisch-konservatives vativen Vereine kapitulierte,203 erhielt Prälat Isidor Allinger 86,8 % der Wahlmänner- Wahlcomite, das sich mit einem Wahlaufruf (die neuerliche Auflösung des Landtages stimmen.204 Ebenso setzten sich in Leibnitz die schon 1870 erfolgreichen Alois Karion beweise, „daß der seitherige politische Zustand nicht naturgemäß, und daß unser Verfas­ undAlfre d Graf D'Avernas gegen die wenig bekannten liberalen Kandidaten Ernst Baron sungsleben krank" sei) und einer Kandidatenliste für die Landgemeindenkurie an die von Kellersperg, ehemaliger Statthalter von Triest und Böhmen, und Johann Gartier, Wähler wandte.195 Wie schon 1870 gehörten auch diesem katholisch-konservativen Grundbesitzer und Gemeindevorsteher in Badendorf,205 neuerlich durch.206 Wahlcomite wieder Alois und Johann Karion sowie die Grafen Alfred und Heinrich Hatten die Liberalen im Wahlbezirk Leibnitz durch die Abhaltung von Wählerver­ D'Avernas an, weiters Adalbett Baron Buol (Obmann) und die Landtagsabgeordneten sammlungen207 und die Einsetzung eines Wahlcomites208 immerhin noch einen Wahl­ 196 Michael Herman, Dr. Heinrich Lehmann, Anton Bärnfeind und Raimund Nerwein, kampf geführt, überließen sie Judenburg kampflos den Konservativen. Obwohl Landes­ während der „Spitzenkandidat" der Wahlen von 1870, Prof. Maassen, fehlte. hauptmann Moritz von Kaiserfeld in der Städtekurie (Hartberg) kandidierte, wurde er Die durch Maassens197 Kritik am Unfehlbarkeitsdogma im Sommer 1870 entstan­ dennoch vom Wahlbezirk Judenburg als liberaler Kandidat nominiert bzw. wurde nach denen Differenzen mit der übrigen Führung der steirischen Katholisch-Konservativen seiner Absage kein weiterer liberaler Kandidat präsentiert. Der konservative Kandidat führten im Dezember 1870 zum endgültigen Bruch. Den letzten Ausschlag zu seinem Bärnfeind siegte daher mit 70 zu 16 Stimmen, die dennoch für Moritz von Kaiserfeld vollständigen Rückzug aus der Politik, auch als Obmann des Katholisch-Konservativen abgegeben worden waren. Ein Paradebeispiel für die „volksnahe" Wahlwerbung der Volksvereins, hatte die sogenannte „Monstre-Adresse" an das Ministerium vom De­ Konservativen in der Landgemeindenkurie ist die erfolgreiche Wiederwahl Bärnfeinds, zember 1870 gegeben, in der der Katholisch-Konservative Volksverein Graz gegen die vulgo Josbauer, der diesen Wahlbezirk bis 1896 im Landtag und von 1873 bis 1885 Besetzung Roms protestierte. Maassens Kritik bezog sich v.a. auf jenen Passus, in dem auch im Reichsrat vertrat: in einem sehr einfach gehaltenen Rundschreiben wandte sich Reichsminister Beust mehr oder minder direkt für die Besetzung Roms mitverantwort­ der Katholisch-Konservative Bauernverein direkt an die Urwähler des lich gemacht wurde, zumindest aber des stillen Einverständnisses dazu bezichtigt wur­ Bezirkes.209 de.198 Obwohl Maassen im Jänner 1871 an die Universität Wien berufen worden war,

3 Tagespost, Nr. 238(A),6.9.1871 . Grazer Volksblatt. Nr. 159, 14.7.1871 und Nr. 160, 15.7.1871 (Beilage); Schwechler, GrazerVolksblatt , Nr. 193, 24.8.1871. 214. Soetw a 1867 in Kaiserfelds „Telegraf": „Der Mann, wie wir hören, ausde m Lande, wo die 4 Vgl. Marko-Stöckl, Wahlrecht, 2901'. In seinem Wahlresümee kritisierte auchda s Stockprügel blühen, stammend, kennt sicherlich wenig den biederen und freisinnigen Cha­ „Grazer Volksblatt" die zu geringe Unterstützung der Konservativen durch das Ministerium rakterunsere r Bürgerschaft, wenner ,de rKonvertit ,de rbevorzugt e Liebling desKonkordats ­ Hohenwart. So sei zwar die Einrechnung der Steuerzuschläge vielleicht gut gemeint gewe­ ministersGra f LeoThun ,de rSchoßhun dde rUltramontane n (...)".Telegraf ,Nr .22,26.1.1867 . sen,hab e letztlich politisch abernicht sgebracht . Vgl. Grazer Volksblatt, Nr.209 ,13.9.1871 . 5 Ebenfalls 1867 publizierte der „Telegraf die „Bescheidene Anfrage eines Wählers": „Sie Grazer Volksblatt, Nr. 188,18.8.1871 . scheinen das freisinnige Graz mit Innsbruck zu verwechseln?" Telegraf, Nr.22,26.1.1867 . 6 Bezirksrichter in Vorau; 1861-1883 slowenisch-klerikaler Landtagsabgeordneter der Grazer Volksblatt, Nr. 204,6.9.1871 . ^ Landgemeindenkurie Pettau, ab 1870 Landesausschußmitglied. Tagespost, Nr. 219,18.8.1871 . 7 Maassen,ei nKritike r desUnfehlbarkeitsdogma s wandte sich kurzzeitig sogar denAltkatho - Grazer Volksblatt, Nr. 211. 15.9.1871 (Beilage). liken zu. Sohiel t er am Altkatholikenkongreß im September 1872 in Köln eine Redeübe r Tagespost, Nr. 231, 30.8.1871. „Die Stellung der Staaten gegenüber dem Vatikanischen Dogma". Ende 1882 distanziertee r Grazer Volksblatt, Nr.203 , 5.9.1871. sichi neine m Interviewfü r das„Vaterland " allerdingswiede r von denGmndgedanke n dieser Grazer Volksblatt, Nr. 174, 1.8.1871. Rede. Vgl. Schönegger, Maassen, 14. Tagespost, Nr. 228, 27.8.1871. 8 „Diese Ueberzeugung spricht sich dahin aus, daß die Widerrechtliche Occupirung Rom's „Von allen Seiten des Landes wurde uns Glück gewünscht zu der guten Wahl des Josbauer; durch italienische Truppen unddi eGefangenhaltun g des Statthalters Christi, des glorreichen denni mLandtag e iste sbal daufgekommen , daßde rJosbauer ein einsichtiger, gesetzkundiger Papstes Plus IX., nichtohne Einverständniß Sr. Excellenzdes HerrnReichskanzlers Grafen underfahrener Mann sei; erha t öffentlich bei den Sitzungen undi m vertraulichen Umgange Beust erfolgt sei." Grazer Volksblatt, Nr. 335, 16.12.1870- vgl „Tagespost", Nr.341, mitde n übrigen Abgeordneten fleißig sich bemüht, umschädliche Gesetze abzuwenden und daswahre Wohldes Landvolkes zu befördern. Leiderware nabe rdi eLiberale n auf denLandta -

244 245 mannstellvertreter), die konservativen Landtagsabgeordneten Prälat Isidor Allinger, Mangels Chancen verzichteten die Konservativen wie schon 1870 neuerlich auf Alfred und Heinrich Graf Desenffans D'Avernas, Anton Bärnfeind, Ernest Baron eine Kandidatur in Graz und den übrigen Städtekuriewahlbezirken.210 Einzig im Wahl­ Gudenus,Jose f Kahr, Dr. Heinrich Lehmann, Leopold Graf Platz und Johann Weinhan­ bezirk Hartberg gelang es dem konservativen Kandidaten Pfarrer Rössl, mit 20 %de r delan. 215 Mit Ausnahme des Wahlbezirkes Hartberg-Feldbach-Weiz-Fürstenfeld-Gleis- abgegebenen Stimmen (86z u 329 Stimmen) neuerlich ein Achtungserfolg gegen Landes­ 216 2 dorf verzichteten die Konservativen neuerlich auf eine Kandidatur in der Städtekurie. hauptmann Moritz von Kaiserfeld zu erzielen. " Obwohl die Liberalen unter schweren Flügelkämpfen zwischen „Alten" und „Jungen" zuleide n hatten,217 nominierten sie für alle ober- und mittelsteirischen Landgemeinde­ wahlbezirke (in der Untersteiermark wollten sie die „antiklerikalen Jungslowenen" nicht 3.3. Die Reichsratswahlen von 1873 konkurrenzieren)218 eigene Kandidaten. Auch die „offiziöse" „Grazer Zeitung" appel­ lierte im Sinne der Liberalen an die Wahlmänner: „Der Reichsrath ist weder ein Concil Die Erfolge der Konservativen auf Landesebene setzten sich im Oktober 1873 auch nochein e geistliche Synode, um Glaubenssätze zu formuliren; er hat es mit dem Reiche bei den ersten direkten Reichsratswahlen fort. Noch vor Verabschiedung der Wahlreform 219 212 zuthun , dasdieser Welt angehört, [...]." Die Liberalen standen dem offensiven Wahl­ im April 1873 hatten die steirischen Konservativen mit den Vorbereitungen für die­ sen Wahlkampf begonnen. So trat bereits am 20. März 1873 über Einladung von Alois kampf der Konservativen in der Landgemeindenkurie nach wie vor fassungslos, v.a. Karion ein Komitee der „Österreichischen Rechtspartei" (s.u.) in Graz zur Vorbereitung aber konzeptlos gegenüber. Vielmehr weinten sie den frühen sechziger Jahren nach, als der direkten Reichsratswahlen in der Steiermark zusammen. Weitere Sitzungen fanden die Wähler noch bereit gewesen waren, jeden (liberalen) Kandidaten zu wählen - so Landesausschußmitglied Pairhuber anläßlich einer liberalen Wählerversammlung in im Mai und Juni statt. Bereits in der 2. Sitzung war es zu einer prinzipiellen Einigung 220 über die Kandidatenliste (im Unterschied zu den in heftigen Flügelkämpfen liegenden Gleisdorf. In Hartberg, einer konservativen Hochburg, gelang es den Liberalen daher Liberalen213) gekommen: in erster Linie sollten die Landtagsabgeordneten der jeweili­ nicht einmal, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten, der gegen den Konservativen 221 gen Wahlbezirke nominiert werden.214 Zum Obmann des im August konstituierten Baron Gudenus antreten sollte, zu einigen. Baron Gudenus (die „Tagespost" führt „Zentralwahlkomitee der Österreichischen Rechtspartei für Steiermark" wurde Alfred seinen Wahlerfolg auf die „Freigiebigkeit" mit Wein, Bier, Schafbraten und Zigarren 222 Fürst Liechtenstein gewählt. Weiters gehörten diesem Wahlcomite Alois Karion (Ob- zurück ) siegte mit einem Vorsprung von 158 Stimmen (insgesamt erhielt er 77 % der abgegebenen Wahlmännerstimmen)223 klar über Othmar Ainspinner.224 Auch die ko­ stenlose Zusendung der liberalen Broschüre „Bauernfopperei" (als Separatdruck des gen noch immer in der Mehrzahl und daher waren sie auch auf dem Reichstage zu Wieni n „Dorfboten") an die Wahlberechtigten225 konnte an der Niederlage der Liberalen nichts derMehrzahl .Di eneue n Minister, welchede rKaise r indessen gewonnen hat, versuchten,di e ändern. zerstörte Eintracht unter den österreichischen Völkern herzustellen und überhaupt unser Regiment herauszubringen aus dem unsinnigen und ungerechten Geleise desreligions­ Auch im Wahlbezirk Leibnitz war der liberale Kandidat Ritter von Conrad chan­ feindlichenLiberalismus. Weilabe rdi e Liberalen auf demRcichsrath e undi n den Landtagen cenlos gegen Alois Karion, der 78 % der abgegebenen Wahlmännerstimmen erhielt.226 noch die Oberhand hatten, so konnten die Minister nicht durchdringen und sagten zude m Sowa r bei den Urwahlen in den Bezirken Eibiswald und Stainz kein einziger Liberaler Kaiser, daß es mit diesem Reichsrathe und mit diesen Landtagen gar nicht mehrgehe. De r gewählt worden.227 Während der Erfolg der Konservativen in den Landgemeinde­ Kaiser hat daher den gegenwärtigen Reichsrath sammt den Landtagen aufgelöst und ganz neue Wahlen angeordnet. wahlbezirken der Oststeiermark keine Überraschung mehr war, kam es im Wahlbezirk Dabei hat er natürlich die Hoffnung,da ß die neu zu wählenden Landtage anders ausfallen werden, als die alten, d.h., daß auf denselben die katholischeconservative Parteidie Ober­ 2,5 Weiters Adalbert Baron Buol-Bemburg, Ferdinand Graf Brandis, die Redakteure Johann hand haben werde. Man ist nämlich in Wien draußen endlich zur Einsicht gekommen, daß Karionun dJose f Zapletal,Hug oFürs t Windischgrätz,di eDechant e Michael Böhnisch,Fran z die Liberalen nur Abreißer, die Conservativen aber gute Bauleute sind. Daß man zu der Kosar, Josef Strodl und Dr. Friedrich Schäfer sowie Franz Ritter von Hartmann und Johann Einsicht gekommen ist, scheint uns nach unserem einfachen Bauernverstande ein großes Glück zu sein, welches wir bei dieser Wahl sehr gut benützen müssen. Junghans. Vgl.Tagespost , Nr.209 , 12.9.1873un d Grazer Volksblatt, Nr.209 , 12.9.1873un d Nr.210 , 13.9.1873. Wirdenken , in unserem Wahlbezirke sollen wir wieder den Josbauer nehmen; wir habenih n 216 auf sechs Jahre gewählt und finden gar keinen Grund, warum wir ihnjetz t nach einem Jahre Grazer Volksblatt, Nr. 240, 18.10.1873. schon wiederfalle n lassen sollen; wirhabe n unsvo reine m Jahredi e Wahl wohl überlegtun d 217 Vgl. Marko-Stöckl, Revolutionäre. dabei bleibt's auch für dießmal. 218 Tagespost,Nr . 216(A),20.9.1873. 219 Grazer Zeitung, Nr. 241,19.10.1873 . Also, geehrter Herr Urwähler, machen Siesich nichts daraus, daß wirschon wieder wählen 220 müssen! Es zeigt sich ja, daßjed e neue Wahl unsjetz t zum Vortheile gereicht, indem das Tagespost,Nr . 182,9.8.1873. 221 Grazer Volksblatt, Nr. 216, 20.9.1873 (Beilage). katholische Landvolk, so oft neu gewählt wird, immer mehr zusammenhaltet und immer 222 besser durchdringt. Kommen Sie daher nur gewiß zur Wahl in Ihrer Gemeinde und nehmen Tagespost, Nr. 209, 12.9.1873. 223 Grazer Volksblatt, Nr. 242,21.10.1873 . Siesolch eMänne rz uWahlmännern ,vo ndene n Siewissen ,da ßsi ei nJudenbur gde mJosbaue r 224 die Stimme geben werden. Wenn wir Ihnen das vorschlagen, so dürfen Sie sicher sein,wi r Vom „Grazer Volksblatt" wurde der Friedberger Realitätenbesitzer Ainspinner als meinen es gut; denn wirBauern sind nichtso dumm,daß wir unsselbst in's eigene Fleisch „Steuerbüchelabnehmer" apostrophiert: „Eine ärgere Beleidigung konnten die Liberalen der beißen zuunserem Schaden.- Zit.n. Tagespost, Nr. 224(A),23.8.1871 . echtkatholisch-christliche n Bevölkerung nicht zufügen, alsda ßsi e diesen Mann,vo n libera­ 210 Grazer Volksblatt, Nr. 206,8.9.1871 . len Grundsätzen in Theorie und Praxis zum Kandidaten für das Volk aufstellten." Grazer 211 Grazer Volksblatt, Nr. 207,10.9.1871 . Volksblatt. Nr. 237, 15.10.1873;Graze r Zeitung, Nr.230,7.10.1873 . 212 Gesetz vom 2.April 1873, RGB1.41. 225 Grazer Volksblatt, Nr. 241,19.10.1873 . 213 Vgl. Marko-Stöckl, Revolutionäre. 226 Grazer Volksblatt, Nr. 242,21.10.1873 . 214 Grazer Volksblatt, Nr. 209, 12.9.1873. 227 Grazer Volksblatt, Nr. 244,23.10.1873 .

246 247 Brück -Leobe n zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen, das schließlich der konservative Kan­ durch die Mandatsniederlegung von Graf Platz notwendig gewordenen Nachwahl, in didat Pater Bernhard Rainer, Prior und Pfarradministrator von Frohnleiten, mit 102 zu den Reichsrat gewählt.235 94 Stimmen gegen Baron Zschock, Landtagsabgeordneter des Wahlbezirkes,228 für sich Inde r Städtekurie nominierten die Konservativen wie schon bei den Landtagswah­ entscheiden konnte.229 Hatten sich die Liberalen mit dem Verlust der oststeirischen len nur im Wahlbezirk Hartberg einen eigenen Kandidaten.236 Im Unterschied zu den Landgemeindewahlbezirke bereits abgefunden, so traf sie die unerwartete Niederlage Landtagswahlen von 1870 und 1871,di e einen Stimmenanteil von bis zu 20 % erbracht in Leoben schwer. Den dadurch ausgelösten Schock gibt ein Artikel der „Tagespost" hatten, wurde 1873 ihr Kandidat Josef Konrad, Obmann des Katholisch-Konservativen wieder, die den ihrer Ansicht nach nur halbherzig und zu siegesbewußt geführten Wahl­ Volksvereins Grafendorf und gräflich Brandis'scher Güterdirektor in Marburg237 dies­ kampf für diese Niederlage verantwortlich macht. So kritisiert sie, daß nicht stärker 238 „mit allen erlaubten Mitteln" auf die Wahlmänner eingewirkt wurde: mal von Baron Hammer-Purgstall klar geschlagen. „/.. ./ manfand es z.B.für unpassend, auf einen Wähler, der direct aus der Gewerk­ schaft seinen Erwerb ableitet, dahin einzuwirken, daß er nicht clerikal wähle. Lächer• 3.4. Wahlkampfthemen liche Sentimentalität, über welche die Pfarrer schon lange hinaus sind; [.../. So lange man unser jetziges System eine Interessenvertretung nennt, kann kein Einsichtsvoller Der „Kulturkampf, die konsequente Aushöhlung und schließlich Kündigung des es einen unehrlichen Druck nennen, wenn Industrielle einem Wahlmann rund heraus­ Konkordats von 1855 durch die liberale Regierung mit den damit verbundenen Auswir­ sagen: WennDu durch deine Stimmabgabe mein Interesse schädigst, wenn Du als Ver­ kungen auf Schule und Kirche, blieb bis 1874 auch in der Steiermark das die Konserva­ treter meiner Industrie einen Servitenpfarrer wählst, so hat unsere Geschäftsverbin• tiven und ihre Politik primär beschäftigende Thema, während die soziale Frage, v.a. die dung ein Ende." Interessen der ebenfalls zu politischer Partizipation strebenden Arbeiterschaft beinahe Weiters kritisierte die „Tagespost", daß das Bezirkswahlcomite den Industriellen völlig ausblendet wurde. Der Versuch Pater Wöhrs, dieses Thema in die politischen nicht die Namen sämtlicher Wahlmänner bekanntgeben hatte, damit auf die von ihnen Überlegungen der Katholisch-Konservativen einzubeziehen, schlug fehl (s.o.). 1870/71 Abhängigen dann „jeder erlaubte Einfluß" ausgeübt hätten werden können. Nicht nur erreichten die Auseinandersetzungen um Kirche und Schule auch in der Steiermark im Hinblick auf künftige Wahlen, sondern auch Auftragserteilungen und Lieferungen ihren Höhepunkt. betreffend müßten den Industriellen und Gewerken daher die Namen sämtlicher 30kon ­ Mit einer Reihe kirchenfeindlicher Anträge, die die Liberalen im Grazer Gemein­ servativen Wahlmänner von Leoben bekanntgegeben werden.230 Tatsächlich habe, so derat einbrachten, provozierten sie die Konservativen nicht nur, sondern lieferten die­ berichtet des „Grazer Volksblatt", ein konservativ wählender Grundbesitzer aus Donawitz sen damit auch geeignete „Wahlkampfmunition". Bei vielen Wahlversammlungen der nach den Wahlen längere Zeit hindurch keine Fuhraufträge von den Gewerken erhalten.231 Katholisch-Konservativen kamen 1870 daher immer wieder die im Grazer Gemeinde­ Ein weiteres relativ knappes Ergebnis gabe sauc h im Wahlbezirk Judenburg -Liezen , rat gestellten Anträge auf Abtragung der Dreifaltigkeitssäule (und zwar aus „sanitären" wo der prominente konservative Landtagsabgeordnete Anton Bärnfeind mit nur 157z u 2 9 232 Gründen !) ' bzw. auf Nichtteilnahme des Bürgermeisters als Repräsentant des Ge­ 112Stimme n überseine n relativ unbekannten liberalen Gegenkandidaten siegte. Ein e meinderates an der Fronleichnamsprozession, da diese „nur den Charakter unterhalten­ große Enttäuschung hingegen mußten die Konservativen mit der hauchdünnen Nieder­ der Schaustellungen [...]" habe,240 zur Sprache.241 Selbst die „Neue Freie Presse" kriti­ lage von Fürst Alfred Liechtenstein -e r unterlag Statthalter Baron Kübeck um nur zwei sierte die Unvorsichtigkeit und den „unglücklichen" Zeitpunkt dieses Antrags.242 Wäh­ Stimmen - in der Landgemeindenkurie Graz Umgebung hinnehmen.233 Liechtenstein, 234 rend das liberale Landtagswahlcomite sein Bedauern darüber ausdrückte, „daß dieser dessen Wahl die Liberalen unter allen Umständen verhindern wollten, wurde den­ Antrag gerade in der jetzigen Zeit (!) gestellt wurde", konnte das „Grazer Volksblatt" noch ein halbes Jahr später von der Landgemeindenkurie Radkersburg, anläßlich einer seine Zufriedenheit nicht verhehlen: „Jawohl ! Der Antrag kam höchst zeitgemäß für uns !"243 Auch in Leibnitz wurden die Wähler durch Gerüchte, der Leibnitzer Bürger- Von 1870bi s 1883vertra tBaro nZschoc kdi eLandgemeindenkuri e Leoben imLandtag .Nac h seiner Niederlage wurde er 1873 von der Handelskammer Leoben in den Reichsrat, deme r bis 1890 angehörte, gewählt. 5 Schwechler, Volksblatt,225 . 1 6 Grazer Volksblatt, Nr. 240, 18.10.1873. Grazer Volksblatt, Nr. 242, 21.10.1873 und Nr. 246,25.10.187 3 (Beilage) 7 1 Tagespost, Nr. 245. 24.10.1873. Grazer Volksblatt, Nr. 243,22.10.1873 . 8 Grazer Volksblatt, Nr. 246,25.10.1873 . Grazer Volksblatt. Nr.281 ,6.12.187 3 (Beilage). 9 Grazer Zeitung, Nr. 242,21.10.1873 .Währen d Bärnfeind die Bezirke Judenburg (65/26ab ­ „In Anbetracht, daß die am Eingange in die Sackstraße befindliche Dreifaltigkeitssäule er­ gegebeneStimmen) .Gröbmin g (36/26)un dMura u (41/26)fü rsic hentscheide n konnte,wählt e richtet wurde, um die Pest von Graz abzuhalten, somit eine sanitäre Maßregel beabsichtigt der Wahlbezirk Liezen (15/36) mehrheitlich den Liberalen Sabathy. Grazer Volksblatt, Nr. wurde;i n Erwägung, daß die Pest und Cholera viel besser durch sanitäre Anordnungen, als 242, 21.10.1873 und Nr. 244,23.10.1873 . durch zweifelhafte Kunstwerke, welche den Verkehr in den belebtesten Straßen hemmen, Grazer Volksblatt, Nr. 243, 22.10.1873. abgehalten wird, beschließe der Gcmcinderath: daß die Dreifaltigkeitssäule entfernt und der Ritter von Conrad beispielsweise warnt einen Wahlmann in einem Brief folgendermaßen vor Erlösi m Sinne der Stiftung zu Gesundheitszwecken verwendet und der Magistrat beauftragt Fürst Liechtenstein: ,.[...] Wollen Sie dem Manne Ihre Stimme geben, dessen Partei Krieg werde,di e nöthigen Schritte hiefür einzuleiten. Vgl. Tagespost, Nr. 157 (A), 16.6.1870. 0 Grazer Volksblatt, Nr. 132, 12.6.1870. mit Italien für den Papst, Bruderkampf im eigenen Vaterlande predigt, der Mann, dessen 1 Heimat inRo m ist,de rmi tde rböhmische n Wenzelsprozession gegangen ist,de rIh rGel dau s Tatsächlich wurde die Dreifaltigkeitssäule im Sommer 1875 abgetragen und im Frühjahr dem Lande trägt, der kein Gesetz versteht noch kennt [...]: Ich sage Ihnen: Tun Sie's nicht. 1876a m Karmeliterplatz wiedererrichtet. Vgl. Schwechler, Volksblatt, 94ff. Sie tun Schlimmes an unserem Lande !" Vgl. Schwechler, Volksblatt. 222f. 2 Grazer Volksblatt, Nr. 138,21.6.1870 . 3 Grazer Volksblatt, Nr. 137.,19.6.1870. 248 249 244 Die Bedeutung, die den Wahlen von Seiten des (obersten) Klerus in der Steiermark meister Dr. Leo Klein habe die Fronleichnamsprozession verboten, beunruhigt. Im­ zugemessen wurde, zeigt sich auch darin, daß die Pflicht, „bei den Wahlen mit Gewis­ merhin hatte der Leibnitzer Gemeinderat aber das traditionelle Schießen am Ostersonn­ senhaftigkeit zu wählen", in Bischof Zwergers Silvesterpredigt 1870/71 immerhin an tag verboten, die Prozession nach Kitzeck am Florianitag durch die Gemeindevorstehung dritter Stelle, noch vor der Pflicht, auf die Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft nicht abgehalten bzw. hatten sowohl der Bürgermeister von Leibnitz als auch eine Viel­ des Papstes hinzuwirken, rangiert.252 zahl von Beamten nicht an der Fronleichnamsprozession teilgenommen.245 Auch bei den ersten direkten Reichsratswahlen vom Herbst 1873 blieb der Kultur­ ImOktobe r 1870eskalierte n Meinungsverschiedenheiten zwischen Bischof Zwerger kampf weiterhin ein Wahlkampfthema, doch beschäftigten die Kirchen- und Schulge­ und dem Grazer Schulrat über eine Reduktion der religiösen Übungen an den städti­ setze diesmal vielmehr die Liberalen parteiintern, worüber das „Grazer Volksblatt" de­ schen Schulen derart, daß es zur versuchten Gründung einer konfessionslosen Schule 253 246 tailliertest berichtete. Kultusminister Stremayr, der als Landtagsabgeordneter dieses kam, die allerdings von der Statthalterei und dem Ministerium verboten wurde. Bezirkes nun auch für den Reichsrat in Leibnitz (Städtekurie) kandidierte, wurde v.a. Neben den konservativen Vereinen, die die organisatorische Basis für den erfolg­ von den „Jungliberalen"254 für die Verschleppung der kirchenpolitischen Gesetze ver­ reichen Wahlkampf bereiteten, standen den Konservativen mit der Geistlichkeit einHee r antwortlich gemacht. Einen weiteren Kritikpunkt liberalerseits bildete sein vermitteln­ von unschätzbaren Wahlhelfern und letztlich auch Wahlmännern zur Verfügung. Vor 247 desEingreife n in eine Verordnung des niederösterreichischen Landesschulrats über die Ort hatten sie den direkten Kontakt zur Bevölkerung, den die Liberalen in den mei­ Einschränkung des Schulgebetes, Beteiligung der Schüler an der Fronleichnamsprozes­ sten Landgemeindewahlbezirken nie fanden, sodaß zumeist wohl die Konservativen sion, etc.255 Selbst die „Tagespost", die im übrigen Stremayrs schwierige Position als von der öffentliche Abstimmung profitierten. Darüberhinaus wurden die Wähler nicht „Prügelknabe" seiner Ministerkollegen darzulegen versuchte,256 spricht im Hinblick auf nur vom „Grazer Volksblatt" sondern auch in Broschüren immer wieder (erfolgreich) 257 258 248 seine Haltung in der sogenannten „Bobies-Affäre" von einem „Mißgriff". Ande­ aufgefordert, in erster Linie Geistliche zu Wahlmännern zu wählen. Der 1870 im rerseits hatte Stremayr im Oktober 1872 die Länderchefs zu einem Einschreiten gegen „Grazer Volksblatt" veröffentlichte Rat eines „alten Agitators" aus Tirol, der Klerus den Mißbrauch der Kanzel (Verhetzung der Schul- und konfessionellen Gesetze) auf­ möge die Wahlmänner bis ins Wahllokal begleiten, „um sie vor dem Einflüsse der libe­ 249 250 gefordert. Ein diesbezüglicher kritischer Artikel des „Grazer Volksblatts" führte am ralen Schwätzer zu bewahren", wurde vielfach auch befolgt. Tatsächlich dürfte die 14. Mai 1872 zu seiner Konfiskation.259 Wahlkampfmethoden mancher Geistlicher derartige Formen angenommen haben, wenn 1874, noch vor Sanktion der drei Gesetze zur Regelung der kirchlichen Verhält­ sogar das „Grazer Volksblatt" dies, etwa für den Wahlbezirk Hartberg, eingestehen 260 mußte.251 nisse in Österreich, die den Kulturkampf in Österreich beendeten, publizierte Bischof Zwerger eine kämpferische Broschüre („Die confessionellen Gesetzentwürfe"), in der er die Katholiken nicht nur zum legalen Widerstand gegen diese, sondern selbst zur 261 Tagespost, Nr. 169,29.6.1870. „Ertragung jeder Strafe" auffordert, während der Großteil der österreichischen Bi­ Weiters seien die in der Nacht vor Fronleichnam aufgestellten Bäumchen ausgerissen und schöfe, allen voran Kardinal Rauscher,262 einen offenen Kampf mit der Staatsgewalt rote Schmähzettel an die Kirchentür geheftet worden, wie die Gemeindevorsteher von verhindern wollte, umsomehr alsbereit s im April aus Rom dieWeisun g „Tolerari posse" Tillmitsch, Altenberg, Maxion, Wagna, Aflenz, Heimschuh. Leitring u.a. in einem Brief an gekommen war und nun auch der Papst die Konsensbereitschaft des österreichischen das „Grazer Volksblatt", Nr.156, 13.7.1870 berichteten. Episkopats billigte.263 Unter dem Titel „Schmerzensschrei aus den Bergen des steiri­ Tägliches Gebet vorun d nach dem Unterricht, täglicher Besuch der Messe,vie r Mal jährli­ cheBeicht esowi e korporative Beteiligung ande r Dreifaltigkeits- und Fronleichnamsprozes­ schen Oberlandes", veröffentlicht im „Vaterland", kritisiert ein nicht näher genannter sion. Vgl. Ko 1 me r , Bd.II, 77f . Kaplan im Juli 1874 das Schweigen des österreichischen Episkopats zu den eben erst Ein Musterbeispiel dafür ist der Wahlkampf des Vorauer Propstes Isidor A1 1 in g er im Bezirk Hartberg (s.o.). 252 Oer, Zwerger, 258f. So beispielsweise in einer im oberen Mürztal verbreiteten Broschüre: „Am sichersten wirst 253 Du gehen, wenn Du dem Pfarrer oder Geistlichen (vorausgesetzt, daß er Christenthum und Grazer Volksblatt, Nr. 228,4.10.1873 ; Nr. 229,5.10.187 3 und Nr. 234, 11.10.1873. 254 Vgl. Marko-Stöckl, Revolutionäre. Verstand hat,) zum Wahlmarm Deine Stimme gibst. Alle müssen zusammenhalten wieKit t 255 und sich nicht etwa von einem schnurbärtigen Herrn mit gewichsten Stiefeln und Vgl. Ko 1 me r, Bd.II, 252f. Glacehandschuhen bethören lassen. 256 Tagespost, Nr. 198,29.8.1873. 257 Macht sich derBürgermeiste r vonde nBeamte n nichtsd'raus , dannse i eri nGottesname nei n Als Folge seiner Kritik an der von Stremayr in dem oben genannten Konflikt gezeigten Wahlmann. Jeder katholische Wahlmann verpflichtet sich imGewissen , nurde m vomkatho ­ Kompromißbereitschaft wurde der Wiener Schulinspektor Bobies seines Amtes enthoben. Vgl.Gertrud e Elisabeth Zü nd e 1, Karl von Stremayr, phil.Diss. Wien 1944, 115. lischenComit e vorgeschlagenen Landtagscandidaten seine Stimme zu geben."Graze rVolks ­ 258 blatt, Nr. 139,22.6.1870 . Tagespost, Nr. 236, 14.10.1873. Grazer Volksblatt, Nr. 125,3.6.1870 . 259 Schwechler, Volksblatt, 16f. 260 Aus Birkfeld berichtete die „Tagespost", der Dechant habe mit seinen Anhängern vorde m 1. Gesetz über die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche. Wahllokal „förmlich Wache gehalten", um die Wahlmänner noch vor der Wahl abzufangen 2.Geset z betreffend die Beitragsleistung des Pfründenvermögens zum Religionsfond. und in seinem Sinne zu beeinflussen (hohe Steuern, Ehe- und Schulgesetze, Einführung ..ir­ 3. Gesetz betreffend die religiöse Anerkennung von Religionsgesellschaften. religiöser Bücher" inde n Schulen, Einstellung desReligionsunterrichts , etc.).Tagespost ,Nr . Vgl. Vo c e1 k a , Verfassung, 170ff. 163,23.6.1870. »/-*—*• 261 Oer, Zwerger, 277f. „Wir wollen zugeben, daß Manches, was vorfiel, nicht ganz korrekt war, und daßManches . 262 Rauscher war in einer Audienz vom Kaiser für den Verzicht der Bischöfe, gegen die Geset­ was ein Geistlicher that, für ihn als minder schicklich gehalten wurde, obwohl er vielleicht zesvorlagen vorzugehen, eine zurückhaltende Ausführung der betreffenden Gesetze zugesi­ doch nur von den durch den Staat ihm gewährten Rechten gesetzlich Gebrauch machte.- chert worden. Vgl. Oer, Zwerger, 273 Grazer Volksblatt, Nr. 151,7.7.1870 . 263 K o1 me r , Bd.II,342 . 251 250 erlassenen Religionsgesetzen.264 Nach einer Reihe von Artikeln ähnlichen Tenors,malmt e „Rechtspartei",272 als auch das Wahlprogramm von 1873273 bedeuteten daher für die Graf Leo Thun derartig kampfeslustige Kleriker zu Einheit, Gehorsam und christlicher steirischen Konservativen gerade in staatsrechtlichen Fragen keine Veränderung ihres 265 Demut. Obwohl Thun in diesem Artikel keine Namen nennt, fühlte sich Zwerger als bisherigen Standpunktes. In Fortführung ihrer föderalistischen Forderungen unterzeich­ 266 „Verräther der Kirche" (so zu einem Vertrauten) schwer getroffen. neten schließlich im Jänner 1873 204 steirische Gemeinden und 49 katholisch-konser­ vative Vereine eine Petition an den Kaiser um Erlassung der Fundamentalartikel.274 Gerade in der Steiermark mit ihrem streitbaren Bischof war der Kulturkampf in diesem Zeitraum das die Konservativen beherrschende Thema, während das zweite politische Hauptanliegen der Konservativen, Föderalismus vs. Zentralismus, hier kaum 4. Ausblick erörtert wurde. Im Unterschied zu Wien vertraten die steirischen Konservativen seit der Gründung des Katholisch-Konservativen Vereins im Oktober 1868 undiskutiert ein fö­ Liberale und Josephiner hatten einen erbitterten Kampf gegen das „gedruckte deralistisches Programm. „Offiziell" erstmals zur Sprache gebracht wurde die Forde­ Canossa" (Anastasius Grün / Graf Anton Auersperg)275 geführt und wurden damit zu rung nach einer föderalistischen Umgestaltung der Monarchie (unter besonderer Her­ Geburtshelfern der katholisch-konservativen Massenbewegung. Diese wäre aber weder vorhebung des Ministeriums Belcredi) in einer von Prof. Maassen am ersten steirischen ohneda sliberal e Vereins- und Versammlungsrecht noch die Eskalation des Kulturkampfs 267 Katholikentag 1869 eingebrachten Resolution (s.o.). mit seiner Polarisierung der Bevölkerung wohl in diesem Ausmaß und in so kurzem Im Unterschied zu Wien, wo es im Jänner 1871 innerhalb der Konservativen zu Zeitraum möglich gewesen wäre. heftigen Auseinandersetzungen zwischen einem zentralistischen Flügel, den sog. „Ka­ tholischen Verfassungstreuen" um Kardinal Rauscher mit dem „Österreichischen Volks­ 272 „[...] II.Fü rdi eAufrechterhaltun g derSelbständigkei t undgeschichtliche n Eigenberechtigung freund" einerseits, sowie den Föderalisten um Graf Leo Thun und dem „Vaterland" aller einzelnen Königreiche und Länder des Reiches, und [....]. andererseits gekommen war,268 blieben die steirischen Konservativen, die klar gegen 1. DasLandrecht kannanders nicht geändert werden, alsvon demLandtage mitZustimmung die „katholischen Zentralisten" Stellung bezogen,269 von derartigen Flügelkämpfen ver­ des Monarchen. 2. Die Mitwirkung zur Gesetzgebung über Angelegenheiten, die als gemeinsam anerkannt schont. Auf Berichte der liberalen Organe über klerikale Flügelkämpfe erklärte das werden, steht einer Versammlung vonDeputirten aller Landtage zu. „Grazer Volksblatt": 3. Die Gesetzgebung über alle anderen Angelegenheiten steht dem Landtage allein zu. [...]. „Speziell inder Steiermark gibt es keine anderen Parteien, als die katholisch-föde• 6.E sis tein e gerechte Wahlordnung herzustellen, mitAusdehnung des politischen Wahlrech­ ralistische und die liberal-zentralistische. Was hüben und drüben etwa liberal-föderali• tes und größtmöglicher Erleichterung der Ausübung desselben. [...]. 2. Ergreifung, respective beharrliche Fortsetzung des passiven Widerstandesgegen die stisch, oder katholisch-zentralistisch ist, mit einem Worte: „ Wilde " sind hier in ver­ Decetnberverfassung durch Nichtbeschickung des Reichsrathes und seiner Delegationen. schwindender Minorität. eventuell derLandtage. [...]. Das Zusammentreffen, die Berührung der katholischen undföderalistischen Inter­ 1. Fürvoll e Gleichberechtigung sämmtlicher Nationalitäten vorzüglich in der Schule undi m essen -oder sagen wir ganz unverblümt, der Umstand, daß es den Führern gelungen ist, Amte. einerseits die katholische Partei in conservativ-föderalistische, andererseits die natio­ 2. Der Schutz der nationalen Minoritäten wird durch ein von denselben im Laufe der Aus­ gleichsverhandlungen zu bearbeitendes und den Landesgrundgesetzen zu inarticulirendes nale Partei in religionsfreundlichere Bahnen zu lenken, ist eben ein Glück, für das wir Nationalitätengesetz gewährleistet. [...]" Abgedruckt in: Tagespost, Nr. 239,9.10.1872 ; vgl. der Vorsehung nicht genug danken können. "270 Kolmer, Bd.II,237f . 273 1. „Die freie Entwicklung der katholischen Kirche in der ganzen Monarchie und inniges 271 gegenseitiges Unterstützen der beiden Gewalten." Ende Oktober 1872 kam es zur Gründung der „Österreichischen Rechtspartei", 2. „Sie [...] verlangt die Heilighaltung des dynastischen Rechtes, denn sie erkennt in dem an der von steirischer Seite Prälat Karion teilnahm. Sowohl das Programm dieser neuen angestammten Herrscher von Gottes Gnaden die von Gott gesetzte weltliche Autorität und perhorreszirt den Lehrsatz des Freimaurerthums und des Liberalismus, daß der „Staat" auch über dieser Gewalt stehe. 204 „Vaterland" vom 28.Jul i 1874,Nr.205 , zit.n. Oer, Zwerger, 278f. 3. Sie verlangt die Aufrechterhaltung der Selbständigkeit und Integrität aller einzelnen Kö­ 65 nigreiche und Länder des Reiches, welches alles diese Theile zu Einem ewig untheilbaren „Weltliche Siege werden mit Stolzgefeiert , die Siege der Kirche sind nur dann wahreSiege , Ganzen vereinigt, im Gegensatze zu den Forderungen desLiberalismus , welcher allehistori ­ wenn sie hoffärtig gewordenen Geschlechtern die Demuth wieder erobert haben. Darumis t schen Rechte, alle historische Entwicklung nicht anerkennen und aus den verschiedenartig­ die mächtigste Waffe im Kampfe für die Kirche nicht das Schwert, das den Gegner nieder­ stenLänder n Einen Körper machen will, inwelche m die Kronländer faktisch inebens o viele schlägt, sondern das Kreuz, das die Jünger ihrem Herrn gehorsam und vertrauensvoll nach­ Verwaltungsbezirke umgewandelt undnac hEine rSchablon e vomcisleithanische n Parlamente tragen.au f daßauc hsein e Gegnervo rih mdi eKni ez ubeuge n lernen;da sKreu zaber ,da swi r regiert würden. Dies wäre eine Verschärfung des Dualismus, die zur Personal-Union führen zu tragen haben, besteht nicht nur in dem, was uns Feinde gewaltsam aufbürden, sondern müßte,ein e Form, welche die Rechtspartei, als höchst gefährlich für beide Theile, entschie­ auch aus Sorgen und Kummer deseigene n Herzens." den perhorreszirt." „Vaterland" vom 4. August 1874, Nr.212,zit.n . Oer, Zwerger, 279ff 4.Forder t denFriede n zwischen den Nationalitäten. DerLiberalismu s will die deutsche Vor­ 166 Oer, Zwerger.282f . 167 herrschaft überdi eandere n Nationalitäten bzw.ein eGermanisierun g Cisleithaniensmi tnach ­ Bericht über die Verhandlungen, 20ff; vgl. Till Hofbauer 137f folgender Personalunion und Aufgehen im neuen „preußisch-deutschen Reich". Zit.n. „Va­ 168 Vgl. Till, Hofhauer, 137f. terland" in: Grazer Volksblatt, Nr. 189, 19.8.1873. m Schwechler, Volksblatt, 199. 274 Statth.Präs. 22a-1950/1871 : 227/1873; Morgenblatt (Beilage der Grazer Zeitung), Nr.17, '•'•" Grazer Volksblatt, Nr. 196,27.8.1871. 21.1.1873. Viktor Weiss-Starkenfels, Die oesterreichische Rechtspartei, Wien-Pest 1873. 275 Vgl. Franz. Kulturkampf, 115f.

252 253 Waren 1867/68 an der Gründung der katholisch-konservativen Bewegung inde r Steiermark paritätisch Vertreter der Intelligenz, des Klerus und des Adels beteiligt ge­ wesen, so wurde nach Maassens Ausscheiden zur Jahreswende 1870/71 (Prof. Tewes scheint nicht einmal mehr in der Teilnehmerliste des Katholikentages 1869 auf) die Geistlichkeit276 unter Prälat Karion zumdominierende n Faktor innerhalb dersteirische n Konservativen. Auf der Grundlage desdi e Liberalen bevorzugenden Kurienwahlrechts stagnierte der Mandatsstand dersteirische n Konservativen sowohl im Landtag als auch Reichsrat biszu rJahrhundertwende . Adelige Großgrundbesitzer undGeistlich e dominierten (nach dem Bruch Maassens) nicht nur die konservativen Wahlcomites, sondern stellten auch das Grosde rkonservative n Abgeordneten, während unter diesen diekonservative n Kern­ wählerschichten, v.a. diekleine n bäuerlichen Grundbesitzer, eklatant unterrepräsentiert waren. Vielfach hielten sich dieKonservative n der ersten Stunde über Jahrzehnte (Spit­ zenreiter sind Prälat Karion mit 30 Jahren und der Bauer Bärnfeind mit 26 Jahren) als Landtags- und Reichsratsabgeordnete. In ihren politischen Tätigkeiten sahen sich die Konservativen einzig alsInteressenvertretun g derbäuerliche n Bevölkerung undblendete n damit völlig diesoziale n Anliegen derArbeiterschaf t aus. Erste Versuche Kaplan Wöhrs durch die Gründung eines Arbeiter- und Konsumvereins für die Salinenarbeiter des Ausseerlandes Ende dersechzige r / Anfang der siebziger Jahre kamen nach der Verset­ zung Wöhrs nach Graz wieder zum Erliegen. Immerhin wurde er aber 1878 vonde r Landgemeindenkurie Irdning in den Landtag gewählt. Ebenso erfolglos blieb der Ver­ such, inGra z (1869/70) einen katholischen Arbeiterverein zugründen . Aber selbst inner­ halbde rLandbevölkerun g mußten sich die steirischen Konservativen umdi e Jahrhundert­ wende einem neuen, zeitweise extrem erfolgreichen Gegner stellen: Rokitanskys Bauern- bündlern,277 die den Konservativen bei den Landtagswähle n von 1902un d 1909i nde r Obersteiermark schwere Verluste zufügten. Karions nicht ganz freiwilliger Rücktritt 1900setzt e denGrundstei n zurFusio n mitde n Christlichsozialen von 1904,278di edan n auch in der (1904auc h imsteirische n Landtag eingeführten) Allgemeinen Wählerkurie erfolgreich um die von den Konservativen so lange ignorierte Arbeiterschaft warben.

So berichtet 1871 auch die Statthalterei 1871,da ßnac h Maassens undTewes ' Austritt, fast nur mehr Geistliche undKleingewerbetreibend e dem Verein angehörten. Vgl.Statt h 5 Ver- 764/1871. Vgl. Günter Bu r ke r t , Rokitansky, Karl Friedrich, in:ÖBL ,Bd.9 , 220f; DERS.,Kar l Friedrich vonRokitansk yun dsei n „Christlicher Bauernbund", in:Steirische r Bauernkalender 1983,51-56. Alois Adler, DieChristlichsozial e Bewegung inde r Steiermark vonde n Staendischen Anfaengen zurVolkspartei , phil.Diss., Graz 1956,140ff .

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