Edith MARKO-STÖCKL, Die Entwicklung Des Katholisch

Edith MARKO-STÖCKL, Die Entwicklung Des Katholisch

Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark Jahrgang 87 (1996) DieEntwicklun g des katholisch-konservativen Lagers in der Steiermark 1861- 1874 Edith Marko-Stock 1* 1. Der steirische Klerus zwischen Restauration und Akkomodation 1.1. Konkordat und Kulturkampf Als Reaktion auf die josephinische Kirchengesetzgebung, die den Priester in den Dienst des Staates gestellt hatte, war es in den zwanziger Jahren rund um den Redernp- toristen Klemens Maria Hofbauer und einem Kreis norddeutscher Romantiker und Kon­ vertiten (u.a. Adam Müller, Friedrich und Dorothea Schlegel) zur Ausbildung der ka­ tholischen Restaurationsbewegung im Sinne einer religiösen Erneuerung gekommen.1 Soentstammt e diesem Kreis nicht nur der spätere Konkordatskardinal Rauscher, son­ dernauc h der langjährige Seckauer Bischof Roman Zängerle (1824-1848),2der „zweite große Reformator der Steiermark".1 Zängerle, der fast uneingeschränkt die kirchliche Restaurationsbewegung im Sinne des hl. Klemens Maria Hofbauer vertrat,4 hatte bei seinem Amtsantritt mit starkenjosephinische n Strömungen5 in seiner Diözese zu kämp­ fen.6 Mit der Gründung der beiden (später vereinten) Knabenseminarien „Carolinum- Augustineum"7 für die Diözesen Graz-Seckau und Leoben8 behob Zängerle nicht nur *De rhie r vorgelegte Beitrag ist Teilergebnis eines imRahme n und vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung durchgeführten und unterstützten Forschungsprojekts un­ terde r Leitung von Univ.-Prof. Alfred Ableitinger. 1 Vgl. dazu Rudolf Till, Hofbauet und sein Kreis, Wien 1955; Eduard Winter, Romantismus, Restauration und Friihliberalismus im österreichischen Vormärz, Wien 1968; Josef Wodka, Kirche in Österreich, Wien 1959,310ff ; Georg Franz, Kulturkampf. Staat und katholische Kirche in Mitteleuropa von der Säkularisation bis zum Abschluß des preußischen Kulturkampfes, München o.J., 30f; Ortwin Heim, Die katholischen Vereine imdeutschsprachige n Österreich 1848-1855,Wie n -Salzbur g 1990, 21f. " ZuBischo f Zängerle s.: Ägidius L e ip o 1 d , Roman Franz Xaver Zängerle (1824- 1848)in :Kar l Am o n (Hg.), Die Bischöfe von Graz-Seckau, 1218-1968,Gra z 1969, 405- 420;Ägidiu s Le i p o 1 d, Roman SebastianZängerle ,in :Erwi n G at z (Hg.),Di e Bischöfe ^de rdeutschsprachige n Länder 1785/1803 bis 1945,Berli n 1983,829-832 . Le i p o 1 d , Zängerle, in: Am o n , Bischöfe, 407. 4 Zängerle galt als persönlicher Freund Hofbauers. Vgl. Winter, Romantismus, 128. So etwa zwei seiner Vorgänger, die Bischöfe Josef Philipp Franz Graf von Spaur (1763- 1779)un d Josef Adam Graf Arco (1780-1802). Vgl. Wodka, Kirche,302 . 'Wodka, Kirche,323 . 1 August Ja n i s c h , Vonde r Studierstube bis zum Seminar und Gymnasium heute,in :Jose f s i am ni g (Hg.), 150Jahr e Bischöfliches Seminar in Graz, Graz o.J. (1980) 42-84. DieDiözes e Lcoben wurde auf Anregung Josephs II. 1786 vom Salzburger Erzbischof Graf 218 219 15 den akuten Priestermangel in seiner Diözese: eine Vielzahl im Sinne der katholischen gesetz „über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger", da durch die hier normierte Restaurationsbewegung ausgebildeter Kapläne und Priester ergab nicht nur ein reiches Gleichstellung aller Staatsbürger vor dem Gesetz die im Konkordat festgelegten „Vor­ Reservoir für die seelsorgerische Arbeit, sondern bildete die (organisatorische und per­ rechte"de r katholischen Kirche endgültig fielen. Weitere grundlegende Bestimmungen sönliche) Grundlage für die in den späten sechziger Jahren sich ausbildende katholische derDezemberverfassung , die direkt das Konkordat konterkarierten, betrafen die Glau­ Massenbewegung. In unzähligen Visitationen hatte sich Zängerle einen Überblick über bens- und Gewissensfreiheit sowie die staatliche Schulaufsicht. Den Höhepunkt dieses den großteils noch den josephinischen Generalseminarien entstammenden älteren Kle­ Kampfes bildeten schließlich die Maigesetze über Ehe, Schule und interkonfessionelle rus verschafft. Zu dessen Erneuerung wurden ab 1838 wieder Priesterexerzitien abge­ Beziehungen,16 die vom Papst verdammten „leges infandae"17 sowie das Reichsvolks­ halten.9 Bis zu seinem Tod im April 1848, inmitten der Revolutionswirren,10 war es schulgesetz von 186918. Die formelle Kündigung des Konkordats am 18.Jul i 1871 vor Zängerle gelungen, den Großteil des steirischen Klerus zu „bekehren". demHintergrun d des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas setzte nur mehr den formalen Mit dem Konkordat vom 18. August 1855 kam es zum Bündnis von Thron und Schlußpunkt der 1861 mit dem Beginn der liberalen Ära eingeleiteten Entwicklung. Altar." Während man sich staatlicherseits von diesem Schritt nicht nur eine Entspan­ nung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche erwartete, sondern in der Kirche nach dem Schock der Revolution von 1848auc h den geeigneten konservativen, antirevolutio­ 1.2. Die politische Rolle der Bischöfe nären Bündnispartner zu finden hoffte, profitierte in der Realität v.a. die Kirche, die sich damit nun endgültig von den josephinischen Fesseln befreien konnte, von diesem Nacheine rfas t einjährigen, revolutionsbedingten Vakanz nach Zängerles Tod wurde Vertrag. Der erste Schritt dazu waren die kirchenpolitischen Verordnungen vom April 1849ei n weiterer Hofbauer-Schüler zum Seckauer Bischof ernannt: Josef Othmar von 1850, die nicht nur die Aufgabe des „placetum regium"12 beinhalteten, sondern den Rauscher, der aber schon nach vier Jahren zum Erzbischof von Wien berufen wurde.19 Bischöfen u.a. auch die geistliche Gerichtsbarkeit, die bischöfliche Unterrichtsgeneh­ Mit Ottokar Maria Graf Attems wurde 1853 nicht nur eine der einflußreichsten Fami­ migung für katholische Religionslehrer und die ausschließlich bischöfliche Leitung der liende r Steiermark entstammende Persönlichkeit in dieses Amt berufen,20 vielmehr kam Erziehung des Priesternachwuchses übertrugen. Kultus- und Unterrichtsminister Thun esunte rAttem s zu einer kirchenpolitischen Kurskorrektur. Sovereinigte n sich in Attems hatte damit bei Kaiser Franz Joseph jene Forderungen durchgesetzt, die der spätere Person sowohl die Ideen der kirchlichen Restaurationsbewegung (v.a. was seine pasto- „Konkordatskardinal" und ehemalige Lehrer des Kaisers, Rauscher, bereits 1849 für ralen Bemühungen, selbst gegen behördliche Anordnungen anbelangt21), als auch die die Bischofskonferenz formuliert hatte. Drei Bestimmungen des 36 Artikel umfassen­ desausklingende n Josephinismus, indem er v.a. ab 1861 immer wieder seine Loyalität den Konkordats," nämlich die Vormachtstellung der katholischen Kirche in Österreich zuStaat , Regierung und Verfassung unter Beweis stellte. Gerade in diesen staatsrecht­ gegenüber allen anderen Religionen, v.a. aber die Übertragung der Schulaufsicht und lichen Fragen stieß Attems auf heftigen Widerstand von Teilen seines eigenen Diözesan- des Eherechts in die kirchliche Gewalt, wurden in den sechziger Jahren zu den Haupt­ klerus, der durch das mehr als zwanzigjährige Wirken von Bischof Zängerle beinahe themen des „Kulturkampfs" in Österreich. uneingeschränkt die kirchliche Restaurationsbewegung im Sinne Hofbauers vertrat. Der nach der militärischen und damit auch politischen und finanziellen Niederlage Während Attems 1861 das Februarpatent aufrichtig begrüßte,22 stand ein Teil des desneoabsolutistische n Regimes endgültig notwendig gewordene Kurswechsel der öster­ Diözesanklerus diesem daher kritisch, wenn nicht sogar ablehnend gegenüber. Dies reichischen Politik in Richtung konstitutioneller Verhältnisse brachte auf der Grund­ zeigt etwa Attems Hirtenbrief „Zur Orientierung in Bezug auf die österreichische Ver- lage des Februarpatents von 1861 das liberale Besitzbürgertum an die Macht. Bereits wenige Wochen nach diesem SystemWechse l wurde im April 1861 mit dem Protestanten­ patent der erste Schritt zur Aushöhlung des Konkordats gesetzt. Einen weiteren Schritt 15 14 Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, RGBl. 142. in diese Richtung stellte die Dezemberverfassung von 1867 dar, v.a. das Staatsgrund- M RGBl. 47,3 8 und 49/1868 . Abgedruckt bei Vo c e 1 ka , Verfassung, 196ff. 17 Ansprache Pius IX. an die Bischöfe: Colloredo eingerichtet und umfaßte das Gebiet der politischen Kreise Judenburg und Brück. „Ihr sehet mithin, ehrwürdige Brüder, wie verwerflichund verdammenswerthjene vonder 1808 wurde die Administration der Diözese dem Bischof von Graz-Seckau übertragen. österreichischen Regierung erlassenen,abscheulichen (abominabiles) Gesetze sind, welche 1859 kam es zur Vereinigung der beiden steirischen Bistümer. Vgl. Brigitte Selcnko- die Lehre der katholischen Kirche, ihre ehrwürdigen Rechte, ihre Autorität und göttliche Schefzek, Alexander Franz Joseph Graf Engl von und zu Wagrain, in: A m o n , Construction, sowie die Gewalt des Apostolischen Stuhles,j a selbst das Naturrecht aufs äu­ Bischöfe, 388-398. ßersteverletzen . [...] kraftunserer apostolischen Autorität verwerfen undverdammen wirdie 9 Eduard Ho s p , Kirche Österreichs im Vormärz 1815-1850, Wien-München 1971, 92f. angeführten Gesetze imAllgemeinen wie im Besonderen [...]. Zit.n. Gustav K o 1 m e r , 10 F.A. Ga 1 1 i, Die Ereignisse des Jahres 1848i n der Steiermark, Graz 1850,171 . Parlament und Verfassung in Oesterreich, Bd. I, Wien-Leipzig 1902,328 . 11 Zu Konkordat und „Kulturkampf" vgl. v.a.: Franz, Kulturkampf, bes. 61-154; Karl i8 Gesetzvo m 14.Ma i 1869,RGBl .62 . V o e e 1 k a , Verfassung oder Konkordat? Der publizistische und politische Kampf der u Ägyd Le i p o 1 d , Josef IV.Othma r von Rauscher, in: Am o n , Bischöfe, 421-426. österreichischen Liberalen um die Religionsgesetze desJahre s 1868,Wie n 1868 mit umfas­ 20 Franz

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