Schleswig-Holsteinischer Landtag Plenarprotokoll 18/35 18. Wahlperiode 13-08-23

Plenarprotokoll

35. Sitzung

Freitag, 23. August 2013

Kein Eingriff in die Pensionen...... 2807, Monika Heinold, Finanzministerin 2816, Martin Habersaat [SPD]...... 2816, Antrag der Fraktion der FDP Torge Schmidt [PIRATEN]...... 2817, Drucksache 18/1036 Eka von Kalben [BÜNDNIS Änderungsantrag der Fraktionen von 90/DIE GRÜNEN]...... 2817, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beschluss: 1. Ablehnung des Antrags und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1036 Drucksache 18/1088 2. Annahme des für Dr. Heiner Garg [FDP]...... 2808, 2808, selbstständig erklärten Antrags 2816, Drucksache 18/1088...... 2817, Peter Sönnichsen [CDU]...... 2809, Beate Raudies [SPD]...... 2810, Folgen und Konsequenzen aus dem Rasmus Andresen [BÜNDNIS Gutachten zur Fortentwicklung des 90/DIE GRÜNEN]...... 2812, kommunalen Finanzausgleichs in Wolfgang Dudda [PIRATEN]...... 2813, Schleswig-Holstein...... 2817, Lars Harms [SSW]...... 2814, Antrag der Fraktion der CDU Tobias Koch [CDU]...... 2815, Drucksache 18/1031 Dr. Ralf Stegner [SPD]...... 2815, 2804 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Andreas Breitner, Innenminister.... 2817, Lars Winter [SPD]...... 2831, Petra Nicolaisen [CDU]...... 2820, Rasmus Andresen [BÜNDNIS Beate Raudies [SPD]...... 2822, 90/DIE GRÜNEN]...... 2832, Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE Dr. Heiner Garg [FDP]...... 2834, GRÜNEN]...... 2824, Torge Schmidt [PIRATEN]...... 2835, Dr. Heiner Garg [FDP]...... 2825, Lars Harms [SSW]...... 2836, Torge Schmidt [PIRATEN]...... 2827, Monika Heinold, Finanzministerin 2837, Lars Harms [SSW]...... 2827, Peter Sönnichsen [CDU]...... 2828, Beschluss: 1. Ablehnung der Ände- rungsanträge Drucksachen 18/776 Beschluss: Berichtsantrag Drucksa- und 18/1086 (neu) che 18/1031 und der Tagesord- 2. Ablehnung des Ände- nungspunkt insgesamt mit der Be- rungsantrags Drucksache 18/1093 richterstattung der Landesregie- in namentlicher Abstimmung rung erledigt...... 2829, 3. Annahme des Antrags Drucksache 18/744...... 2840, Finanzielle Handlungsspielräume sichern: Altschuldentilgungsfonds Kein Veggie-Day in öffentlichen für Land und Kommunen...... 2829, Kantinen...... 2840, Antrag der Fraktionen von SPD, Antrag der Fraktion der FDP BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Drucksache 18/1046 der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/744 Angebot vegetarischer Gerichte in öffentlichen Kantinen...... 2840, Finanzielle Handlungsspielräume zurückgewinnen - Altschuldentil- Änderungsantrag der Fraktionen von gungsfonds für Land und Kommu- SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nen...... 2829, und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1073 Änderungsantrag der Fraktion der CDU Anita Klahn [FDP]...... 2840, Drucksache 18/776 Heiner Rickers [CDU]...... 2842, Kirsten Eickhoff-Weber [SPD]..... 2843, Bericht und Beschlussempfehlung Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE des Finanzausschusses GRÜNEN]...... 2846, Drucksache 18/915 [PIRATEN]...... 2847, Flemming Meyer [SSW]...... 2848, Finanzielle Handlungsspielräume Dr. , Minister für nutzen - Deutschland-Bonds wei- Energiewende, Landwirtschaft, terentwickeln...... 2829, Umwelt und ländliche Räume.. 2849, Änderungsantrag der Fraktion der Beschluss: 1. Ablehnung des Antrags FDP Drucksache 18/1046 Drucksache 18/1086 (neu) 2. Annahme des für Finanzielle Handlungsspielräume selbstständig erklärten Antrags sichern: Altschuldentilgungsfonds Drucksache 18/1073...... 2850, für Land und Kommunen...... 2829, Vertraulichkeit der elektronischen Änderungsantrag der Fraktion der Kommunikation (PRISM)...... 2851, CDU Drucksache 18/1093 Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/936 (neu) Thomas Rother [SPD], Berichter- statter...... 2829, Tobias Koch [CDU]...... 2830, 2837, Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2805

Änderungsantrag der Fraktionen von a) Zweite Lesung des Entwurfs ei- SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nes Gesetzes zur Änderung des und der Abgeordneten des SSW Gesetzes über die Errichtung ei- Drucksache 18/1063 nes Sondervermögens „Energe- tische Sanierung“ ...... 2880, Änderungsantrag der Fraktion der CDU Gesetzentwurf der Fraktion der Drucksache 18/1065 CDU Drucksache 18/861 Anlasslose Speicherung und Über- wachung elektronischer Daten un- Änderungsantrag der Fraktionen terbinden (PRISM, Tempora, Vor- von SPD, BÜNDNIS 90/DIE ratsdatenspeicherung)...... 2851, GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Änderungsantrag der Fraktion der Drucksache 18/1067 FDP Drucksache 18/1075 b) Zweite Lesung des Entwurfs ei- nes Gesetzes über die Errich- Uli König [PIRATEN]...... 2851, tung eines Sondervermögens Dr. Axel Bernstein [CDU]...... 2852, Landesstraßen und zur Ände- Dr. Ralf Stegner [SPD]...... 2856, 2869, rung des Haushaltsgesetzes 2013 2880, Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]...... 2859, Gesetzentwurf der Fraktionen von Wolfgang Kubicki [FDP]...... 2861, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Lars Harms [SSW]...... 2866, NEN, PIRATEN und der Abge- Dr. Kai Dolgner [SPD]...... 2867, ordneten des SSW Andreas Breitner, Innenminister.... 2868, Drucksache 18/883 Beschluss: Überweisung des Antrags Änderungsantrag der Fraktionen Drucksache 18/936 (neu) und der von SPD, BÜNDNIS 90/DIE Änderungsanträge Drucksachen GRÜNEN und der Abgeordneten 18/1063, 18/1065 und 18/1075 als des SSW selbstständige Anträge an den In- Drucksache 18/1066 nen- und Rechtsausschuss...... 2870, Änderungsantrag der Fraktion der CDU Verfassungsschutzbericht 2012...... 2870, Drucksache 18/1095 Bericht der Landesregierung c) Zweite Lesung des Entwurfs ei- Drucksache 18/770 nes Gesetzes über die Errich- Andreas Breitner, Innenminister.... 2870, tung eines Sondervermögens Petra Nicolaisen [CDU]...... 2871, zur Sanierung und Instandhal- Tobias von Pein [SPD]...... 2872, tung von Landesstraßen ...... 2880, Burkhard Peters [BÜNDNIS Gesetzentwurf der Fraktion der 90/DIE GRÜNEN]...... 2873, FDP Dr. Heiner Garg [FDP]...... 2875, Drucksache 18/927 Uli König [PIRATEN]...... 2876, Lars Harms [SSW]...... 2877, Änderungsantrag der Fraktion der Dr. Kai Dolgner [SPD]...... 2879, FDP Drucksache 18/1094 Beschluss: Tagesordnungspunkt mit der Berichterstattung der Landes- Bericht und Beschlussempfehlung regierung erledigt...... 2880, des Finanzausschusses Drucksache 18/913 Gemeinsame Beratung 2806 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Unser Modernisierungspro- Mehr Klarheit für Verbraucher bei gramm: Fortschritt für Schles- Strompreis und EEG-Umlage...... 2882, wig-Holstein...... 2880, Antrag der Fraktion der PIRATEN Antrag der Fraktionen von SPD, Drucksache 18/1041 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Beschluss: Überweisung an den Wirt- Drucksache 18/1059 schaftsausschuss und den Um- welt- und Agrarausschuss...... 2882, Thomas Rother [SPD], Berichter- statter...... 2880, Psychiatrieplanung in Schleswig- Torge Schmidt [PIRATEN], zur Holstein ...... 2883, Geschäftsordnung...... 2881, Dr. Heiner Garg [FDP], zur Ge- Antrag der Fraktionen von SPD, schäftsordnung...... 2881, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Beschluss: 1. Ablehnung des Gesetz- Drucksache 18/1043 entwurfs Drucksache 18/861 2. Ablehnung der Ände- Beschluss: Überweisung an den Sozi- rungsanträge Drucksachen 18/ alausschuss...... 2883, 1094 und 18/1095 3. Ablehnung des Gesetz- Blockadepolitik im Bundesrat be- entwurfs Drucksache 18/927 enden...... 2883, 4. Annahme des Antrags Drucksache 18/1059 Antrag der Fraktion der CDU 5. Änderungsantrag Drucksache 18/1044 Drucksache 18/1066 mit Zustim- Beschluss: Überweisung an den Bil- mung der Antragsteller für erle- dungsausschuss...... 2883, digt erklärt 6. Verabschiedung des Gesetzentwurfs Drucksache 18/ Einführung von jährlichen Genera- 883 in der Fassung der Drucksa- tionenbilanzen...... 2883, che 18/913 mit Änderungen...... 2882, Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/1048 Schleswig-Holstein setzt sich für mehr Transparenz im Bundesrat Beschluss: Überweisung an den Fi- ein...... 2882, nanzausschuss...... 2883,

Antrag der Fraktion der PIRATEN Sammeldrucksache über Vorlagen Drucksache 18/923 gemäß § 63 Abs. 1 a der Geschäfts- Beschluss: Überweisung an den In- ordnung des Schleswig-Holsteini- nen- und Rechtsausschuss...... 2882, schen Landtags...... 2883, Drucksache 18/1064 Feldes- und Förderabgabe den Ri- siken der Erdöl- und Erdgasförde- Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS rung anpassen...... 2882, 90/DIE GRÜNEN], zur Ge- schäftsordnung...... 2883, Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/1026 Beschluss: Annahme mit Änderungen 2883, Beschluss: Überweisung an den Wirt- schaftsausschuss und den Um- welt- und Agrarausschuss...... 2882, Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2807

Beginn: 10:04 Uhr

**** Vizepräsident Bernd Heinemann: Regierungsbank: Meine Damen und Herren, ich eröffne die Land- tagssitzung. Ich begrüße Sie alle recht herzlich im Plenarsaal. , Ministerpräsident Besonders begrüßen möchte ich die Schülerinnen Dr. Robert Habeck, Minister für Energiewen- und Schüler der Humboldt-Schule aus Kiel. - Herz- de, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume lich willkommen im Schleswig-Holsteinischen und Erster Stellvertreter des Ministerpräsidenten Landtag! (Beifall) Anke Spoorendonk, Ministerin für Justiz, Kul- Besonders begrüßen möchte ich auch unseren Ver- tur und Europa und Zweite Stellvertreterin des treter für wichtigste Fragen in der Regierung, Ste- Ministerpräsidenten fan Studt, der gestern Geburtstag gehabt hat. - Herzlichen Glückwunsch vom Landtag und ein ge- Dr. Waltraud Wende, Ministerin für Bildung sundes neues Jahr! und Wissenschaft (Beifall) Andreas Breitner, Innenminister Meine Damen und Herren, ob wir es wollen oder nicht, wir sind alle Personen des öffentlichen Le- Monika Heinold, Finanzministerin bens. Wir haben uns wählen lassen. Es ist nun ein- mal so, dass wir als Volksvertreter auch im Internet Reinhard Meyer, Minister für Wirtschaft, Ar- präsentiert werden. Wikipedia hat hier ein Fotostu- beit, Verkehr und Technologie dio aufgebaut. Einige der Abgeordneten haben sich dort schon für das Internet fotografieren lassen. Ich Kristin Alheit, Ministerin für Soziales, Gesund- glaube, Sie sollten die Gelegenheit nutzen, selbst heit, Familie und Gleichstellung Einfluss auf Ihre Fotos im Internet zu nehmen. Wenn Sie schon öffentlich dargestellt werden, dann sollten Sie das auch beeinflussen können. Das kön- **** nen Sie, indem Sie sich für einen Moment in den Raum der Stille zurückziehen und sich dort ablich- ten lassen. Das ist natürlich freiwillig. (Beifall PIRATEN) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Kein Eingriff in die Pensionen Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/1036 Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1088 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das sehe ich nicht. Dann steigen wir in die Debatte ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg von der FDP-Fraktion. 2808 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Dr. Heiner Garg [FDP]: (Lachen CDU, FDP und PIRATEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle- gen! Chance vertan, Frau Finanzministerin! Nach Dr. Heiner Garg [FDP]: dem desolaten Umgang mit den Landesbeamtinnen Herzlichen Dank, Herr Dr. Stegner, für diese sehr und Landesbeamten im Hinblick auf die ihnen zu- ehrliche und entlarvende Antwort. Das heißt, das ist stehende Tariferhöhung hatten Sie die Chance, in ein Pseudobekenntnis. Das ist kein Bekenntnis. In- der Sommerpause, unmittelbar nach dem unsägli- sofern ist Ihr Antrag nichts anderes als ein wirklich chen Vorschlag des grünen Ministerpräsidenten des beklagenswerter, kümmerlicher Versuch, einer kla- Landes Baden-Württemberg - er hat einen Eingriff ren Oppositionsinitiative etwas entgegenzusetzen. in laufende Pensionszahlungen zur Sprache ge- bracht beziehungsweise zur Diskussion gestellt -, (Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]) unmittelbar und sofort klarzustellen, dass sich das Noch schöner ist, dass der finanzpolitische Spre- Land Schleswig-Holstein nicht an dem berühmten cher der Grünen, Rasmus Andresen, in einer Pres- „Geleitzug“, an einem solchen Eingriff, beteiligt. seerklärung gleich das gesamte Berufsbeamten- Sie haben diese Chance verpasst. Stattdessen haben tum infrage gestellt hat. Herr Kollege Andresen, Sie zugelassen, dass Beamtinnen und Beamte wäh- diese Presseerklärung wäre glaubwürdiger gewe- rend der Sommerpause abermals verunsichert wur- sen, wenn die Landesregierung, die von Ihnen mit- den. Es bedurfte eines Antrags der Opposition, der getragen wird, nicht weiter fröhlich verbeamten FDP, um dieses Thema zur Sprache zu bringen. - würde. Sie verbeamten doch auch: In der Staats- Herr Stegner, wenn Sie das so lustig finden, wes- kanzlei gibt es dreimal B 2; im Rahmen von KoPers halb haben Sie dann diesen albernen Antrag ge- wird B 7 gerettet. Ich bin davon ausgegangen, dass stellt, den Sie gestern hinterhergeschoben haben? auch Ihnen bekannt ist, dass weiterhin Mitarbeite- (Beifall FDP und CDU) rinnen und Mitarbeiter verbeamtet werden. Herr Kollege Andresen, wo war da Ihre Stimme? Haben Dieser Antrag ist albern, weil Sie nicht müde wer- Sie sich kraftvoll dagegen gewandt? Fehlanzeige! den, bei jeder sich bietenden Gelegenheit aus Ihrem fabelhaften rot-grün-blauen Koalitionsvertrag zu Insofern empfehle ich Ihnen ein bisschen mehr Re- zitieren. Das Problem ist: Sie behaupten in Ihrem spekt und ein bisschen weniger Naseweis, wenn Sie Antrag, Sie hätten sich in ihren Koalitionsverhand- über die Leistungen von Menschen urteilen, die ihr lungen darauf verständigt, dass es in dieser Legisla- ganzes Leben lang für dieses Land gearbeitet ha- turperiode keinen Eingriff gebe. Wo steht das denn ben. Ich finde, das steht Ihnen schlicht und ergrei- in Ihrem Koalitionsvertrag, Herr Dr. Stegner? fend nicht zu - bei allem Bemühen, unsere Haushal- te in Ordnung zu bringen. (Beifall FDP und vereinzelt CDU) (Vereinzelter Beifall FPD, CDU und PIRA- Wenn Sie schlauer sind, dann sagen Sie, in welcher TEN) Fußnote oder auf welcher Seite wir genau diese Vereinbarung zwischen den drei Partnern finden. Frau Finanzministerin, besonders originell finde ich Ihre Ausführungen. Ich nehme an, dass Sie das ge- sagt haben, sonst korrigieren Sie mich. Sie werden Vizepräsident Bernd Heinemann: heute in den „Kieler Nachrichten“ wie folgt zitiert: Herr Abgeordneter Dr. Garg, wenn Sie erlauben, Das Land habe aus den vergangenen Zahlungsver- könnte diese Frage vielleicht durch den jetzt fragen- pflichtungen 67 Milliarden € angehäuft, das Gros den Abgeordneten Dr. Stegner beantwortet werden. für Beamtenpensionen und Schulden. - Frau Minis- terin Heinold, haben Sie uns irgendeinen Fonds Dr. Heiner Garg [FDP]: oder irgendein Bankkonto verschwiegen? Wenn wir die letzten Jahrzehnte Schulden für Pensionen an- Wie könnte ich bei dieser Pose widerstehen? gehäuft hätten, dann müssten wir jetzt auf einem Dr. Ralf Stegner [SPD]: Lieber Herr Kolle- Fonds für Beamtenpensionen sitzen - wenn das ge Dr. Garg, da die Koalitionsparteien - das tatsächlich so sein sollte -, aus dem wir die näch- ist ja eine Vereinbarung von Parteien - da- sten Jahre sämtliche Verpflichtungen leisten könn- mals vereinbart haben, dass es keinen Ein- ten. Sie erzählen schlicht und ergreifend Unsinn, griff in die Pensionen gibt, findet sich dazu und Sie fallen in den Ton des Kollegen Andresen auch kein Wort im Koalitionsvertrag. So ist mit ein, wenn Sie nach wie vor den Beamtinnen das. und Beamten des Landes glauben machen, sie seien Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2809

(Dr. Heiner Garg) eigentlich nicht mehr als ein lästiges Übel, das man Peter Sönnichsen [CDU]: irgendwie bezahlen müsse. Und jetzt sollen sie Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! auch noch Schuld sein an den Pensionsverpflich- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis zum tungen. Frau Ministerin Heinold, ich finde das un- späten gestrigen Nachmittag wusste ich gar nicht so anständig. Das ist die Fortführung des Umgangs- recht, wie ich meine Redezeit von fünf Minuten stils mit den Beamtinnen und Beamten, den Sie be- ausfüllen sollte. Dann, verehrte Kolleginnen und reits bei der Frage der Tariferhöhung gepflegt ha- Kollegen der Koalition, kam Ihr Änderungsantrag. ben. (Zuruf SPD: Glück gehabt!) (Beifall FDP und vereinzelt CDU) Mit Blick auf diesen Zeitpunkt, mit Blick auf die Wenn man das ernsthaft angeht - die Höhe der Ver- frühere Presse ,,Wir können Haushalt“, lieber Kol- pflichtungen ist unbestritten -, dann muss man mit lege Winter, und vor allem mit Blick auf die Ände- den Beamtinnen und Beamten diskutieren, damit rungsanträge in Sachen Sondervermögen in der man für zukünftige Personalpolitik Wege findet. gestrigen zweistündigen Finanzausschusssitzung Dabei darf man nicht einfach das Berufsbeamten- könnten Sie es nun mit der Pressemitteilung ,,Wir tum infrage stellen. Ich bin dafür, dass man sich können Anträge“ versuchen. Glauben wird Ihnen Gedanken darüber macht. Wenn man will, dass das das aber niemand. Land Schleswig-Holstein am Ende dieses Jahr- zehnts in der Lage ist, mit der Tilgung seiner Alt- (Beifall CDU und FDP) schulden zu beginnen, dann muss man über echte Doch der Reihe nach: Der FDP-Antrag ist klar for- Pensionsrückstellungen, und zwar in ausreichen- muliert. Die Beschlussfassung kann nur ,,Zustim- der Höhe, nachdenken. Genau dann ist der richtige mung“ lauten. Wenn es Zweifel in Sachen Unan- Zeitpunkt, solche finanziellen Möglichkeiten nicht tastbarkeit von Pensionen gab beziehungsweise einfach wieder konsumtiv zu verausgaben, sondern gibt, so ist dies auf die Stellungnahme eines Spre- wirklich nachhaltig dafür zu sorgen, dass diese Las- chers des Finanzministeriums in der Schleswig- ten gesenkt werden können. Holsteinische Landeszeitung vom 27. Juli 2013 zu- Ich sage Ihnen ganz klar: So, wie Sie mit den Lan- rückzuführen. Darin heißt es: desbeamtinnen und Landesbeamten umgehen, geht ,,Vonseiten der schleswig-holsteinischen es nicht. Das haben sie auch nicht verdient. Nicht Landesregierung gibt es derzeit keine Pläne die Beamtinnen und Beamten sind Schuld daran, zu etwaigen Einschnitten bei den Beamten- dass sie ein Recht darauf haben, Pensionszahlungen pensionen.“ zu erhalten, sondern diese Beamtinnen und Beam- ten sind irgendwann einmal - meistens aufgrund Es stellt sich die Frage, wie die Halbwertzeit des von politischen Beschlüssen - eingestellt worden. Wortes ,,derzeit“ einzuordnen ist. Sie haben ein Recht auf Pensionszahlungen. Zu (Zuruf Martin Habersaat [SPD]) diesem Recht gehört auch der Vertrauensschutz. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Andererseits hat die gestrige Debatte um Steuerer- höhungen wieder einmal gezeigt, dass Sie sich trotz (Beifall FDP und CDU) sprudelnder Einnahmen alle Optionen offenlassen, die Ihren sonstigen Ausgabe- und Umverteilungs- Vizepräsident Bernd Heinemann: plänen dienlich sind. Bevor wir die Beratung fortsetzen, habe ich noch Insofern hat der Ursprungsantrag nachträglich noch einen Nachtrag. Krank gemeldet haben sich heute eine weitere klare Berechtigung erhalten. Die Zwei- die Abgeordneten Klaus Jensen und Barbara Ost- fel werden durch Ihren Änderungsantrag bestärkt. meier. - Wir wünschen von dieser Stelle aus gute Warum wollen Sie keine Aufforderung an die Re- Besserung! gierung? (Beifall) (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Weil das nicht nötig Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abge- ist!) ordnete Peter Sönnichsen. Offensichtlich soll eine weitere Hintertür offenge- halten werden. Küstennebel statt klarer Sicht. (Beifall CDU und FDP - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ein Quatsch!) 2810 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Peter Sönnichsen)

Ihrem Änderungsantrag können eigentlich nur die- keine Eingriffe in die Pensionen der Landes- jenigen Kolleginnen und Kollegen zustimmen, die beamtinnen und Landesbeamten vorzuneh- von der ersten bis zur letzten Minute bei den Koali- men, wäre es ein Zeichen für die Landesbe- tionsverhandlungen dabei waren. Ihr Koalitionsver- amtinnen und Landesbeamten gewesen, trag trifft jedenfalls keine Aussage dazu. Es scheint wenn sich eine solche Vereinbarung zumin- eher so, dass Sie von diesem Kretschmann-Vor- dest schriftlich in einer Koalitionsvereinba- schlag selbst überrascht waren, ihn nachträglich rung wiederfinden würde? aber auch nicht ausschließen wollen. (Beifall FDP und CDU) Vizepräsident Bernd Heinemann: - Das kann ich schlichtweg nur mit Ja beantworten, Herr Dr. Garg. Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra- ge des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner? Meine sehr verehrten Damen und Herren, Pensio- nen - diese Feststellung muss erlaubt sein, auch Peter Sönnichsen [CDU]: wenn sie eine Selbstverständlichkeit ist - sind die Altersvorsorge der Beamten, Richter und weiterer Gern. Bediensteter. Pensionen waren und sind Bestandteil Dr. Ralf Stegner [SPD]: Lieber Herr Kolle- des Einkommens. Sie sind nichts anderes als bereits ge Sönnichsen, Sie waren schon in der ver- verdientes Geld. gangenen Legislaturperiode Mitglied dieses Davon etwas wegnehmen zu wollen, wäre ver- Hauses. Ich würde Sie gern frage, ob es bei gleichbar mit dem Zugriff auf das Guthaben eines der CDU/FDP-Koalition üblich war, dass jeden Bürgers, zum Beispiel auf sein Sparbuch, man all die Dinge, die man nicht plant, in oder auf andere Rücklagen. So und nicht anders ist den Koalitionsvertrag hineinschreibt. Ich diese Situation zu betrachten. Es mag immer wieder kenne das aus früheren Zeiten nicht. Da Sie Beratungsbedarf hinsichtlich des Beamtenrechts ge- das hier aber so anmahnen, interessiert mich, ben. Gedanken über rückwirkende Änderungen, ob das bei Ihnen so üblich war. Das mag ja wie sie insbesondere von grünen Politikern ange- sein. Dann könnten wir noch etwas lernen. stellt wurden, verbieten sich aber. Mit einem Griff Vielleicht machen wir das künftig auch so. in bestehende, weil erworbene Rechte wäre der Dann schreiben wir vielleicht künftig in den Vertrauensschutz eklatant gefährdet. Koalitionsvertrag nicht nur das hinein, was wir alles tun wollen, sondern auch das, was Meine Fraktion wird dem Ursprungsantrag zustim- wir alles nicht tun wollen. Ich wäre Ihnen men. Der Änderungsantrag ist an Unverbindlichkeit dankbar, wenn Sie das Hohe Haus darüber nicht zu überbieten. - Danke für Ihre Aufmerksam- aufklären könnten. keit. - Herr Dr. Stegner, ich habe Ihre Bemerkung in Ih- (Beifall CDU und FDP) rem vorherigen Beitrag anders verstanden. Ich habe das so verstanden, dass im Koalitionsvertrag all das Vizepräsident Bernd Heinemann: steht, was nicht vereinbart ist. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Beate Raudies.

Vizepräsident Bernd Heinemann: Beate Raudies [SPD]: Herr Abgeordneter Sönnichsen, gestatten Sie eine Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Garg? versuchen, die Debatte wieder in die Sachlichkeit zurückzuholen. Dabei beginne ich mit einem Rück- Peter Sönnichsen [CDU]: blick auf die Entwicklung des Beamtenrechts in den Gern. vergangenen Jahren, um den Kolleginnen und Kol- legen von der Opposition deutlich zu machen, um Dr. Heiner Garg [FDP]: Herr Kollege Sön- was es hier geht. nichsen, würden Sie folgender Aussage zu- stimmen: Wenn die Koalitionsfraktionen Mit der Föderalismusreform I, die im Jahr 2006 be- gestern Nachmittag einen Antrag formulie- schlossen wurde, haben Bund und Länder die Ge- ren, in den sie schreiben, dass sie in ihren setzgebungskompetenz hinsichtlich des Beamten- Koalitionsverhandlungen vereinbart haben, rechts neu geregelt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Bund die Rahmenkompetenz für das Dienst- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2811

(Beate Raudies) recht aller Beamtinnen und Beamten. Im Beamten- da ein wenig über das Ziel hinaus und ist - das ha- rechtsrahmengesetz waren für Bund und Länder ben wir jetzt gemerkt - dem Wahlkampf geschuldet. verbindliche Leitlinien für die Gestaltung des (Widerspruch FDP) Dienst- und Laufbahnrechts vorgegeben. Diese wa- ren dann vom jeweiligen Landesgesetzgeber umzu- Denn neu ist das Problem der steigenden Versor- setzen. Weiterhin war der Bund im Rahmen der gungsbezüge nicht. So wurde durch das 2001 noch konkurrierenden Gesetzgebung für die Regelung als Bundesgesetz verabschiedete Versorgungs- des Besoldungs- und Versorgungsrechts für alle rechtsänderungsgesetz die Absenkung der Versor- Beamtinnen und Beamten in Bund, Ländern und gungsbezüge auf 71,75 % vorgenommen, um die Kommunen zuständig. Absenkung des Rentenniveaus wirkungsgleich und systemgerecht auf die Beamtenversorgung zu über- Im Zuge der Föderalismusreform wurde diese Rah- tragen mengesetzgebung insgesamt abgeschafft und die Gesetzgebungskompetenz für das Beamtenrecht (Unruhe - Glocke Präsident) vom Bund auf die Länder verlagert. Diese sind nun- und den steigenden Versorgungslasten in den be- mehr allein für das Dienst-, Besoldungs- und Ver- vorstehenden Jahren begegnen zu können. sorgungsrecht zuständig. Aus unserer Sicht darf allerdings auch der Gerech- Im Ergebnis hat die Föderalismusreform dazu ge- tigkeitsaspekt im Verhältnis zur Situation der ge- führt, dass bundesweit keine einheitlichen Stan- setzlichen Rentenversicherung nicht aus den Au- dards bei der Beamtenbesoldung und -versorgung gen gelassen werden. Vermutlich haben auch Sie mehr existieren. Jedes Land diskutiert und entschei- nach der Entscheidung über die Übernahme des Ta- det für sich. Was für Baden-Württemberg oder rifabschlusses Post von Rentenempfängerinnen und Bayern gilt, gilt noch lange nicht für Nordrhein- -empfängern bekommen, die auf das Problem des Westfalen, Hessen oder Schleswig-Holstein. Diese Auseinanderdriftens von gesetzlichen Renten und Entwicklung ist aus unserer Sicht Fluch und Segen Pensionen hinweisen; denn laut unserem Beschluss zugleich. Der Vorteil kann darin bestehen, dass fle- ist zum 1. Juli 2013 eine Besoldungserhöhung um xibler auf landestypische Gegebenheiten, wie zum 2,45 % für sämtliche Besoldungsgruppen vorgese- Beispiel Verwaltungsstrukturen, Rücksicht genom- hen. Die Renten aus der gesetzlichen Rentenversi- men werden kann. cherung stiegen dagegen in den alten Bundeslän- Der Nachteil wird dann sichtbar, wenn es ein deut- dern zum 1. Juli 2013 nur um 0,25 %. liches Gefälle zwischen Regionen oder im Verhält- Wir wissen, dass wir den Beamtinnen und Beamten nis von Bund und Ländern gibt, des Landes viel zugemutet haben. Die Kürzung der (Unruhe - Glocke Präsident) Sonderzuwendungen und die Streichung des Ur- laubsgeldes hat die SPD seinerzeit als eine von wie erst kürzlich bei der Frage der Übernahme des mehreren Maßnahmen mit getragen, um das struk- Tarifergebnisses sichtbar wurde. Daher betrachten turelle Defizit des Landeshaushalts abzubauen und wir die Auswirkungen dieser neuen Freiheit nicht einem weiteren Anstieg der Verschuldung entge- ohne Sorge. genzuwirken. Einschnitte in die Versorgung werden Wenn die Unterschiede in den Finanzausstattun- von uns nicht geplant, und genau das bringt unser gen der Bundesländer weiter zunehmen, wird man Antrag zum Ausdruck. über eine Rückkehr zur Vereinheitlichung nachden- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ken müssen. Dies hat übrigens der Deutsche Beam- und SSW) tenbund gestern gerade wieder gefordert. Aber auch hier besteht die Gefahr, dass finanzschwache Län- Das finde ich nicht albern, sondern ehrlich. Herr der schnell überfordert werden können. Garg, Sie haben gesagt, es stände nicht in unserem Koalitionsvertrag. Da habe ich mich mit Freude Aus diesem Grund also müssen wir uns ins diesem an die Debatte vom Februar 2013 erinnert, als wir Haus heute auch mit der Versorgung beschäftigen. über die Verwaltungsstrukturreform geredet haben. Der Antrag der Koalitionsfraktionen richtet dabei Da hat der Kollege Dolgner dem Kollegen Callsen folgerichtig den Blick auf die Situation in Schles- anhand der gegrillten Robbenbabys erklärt, wie es wig-Holstein und nimmt den Landtag in die Verant- ist, wenn man etwas in einer Formulierung nicht wortung; denn bei der Beamtenversorgung gilt - ausschließt. Das Internet ist ja nicht Neuland, son- wie oben ausgeführt - das Prinzip: Jeder kehre vor dern eine tolle Sache. Wir haben mal eben gegoo- seiner eigenen Tür. - Der Antrag der FDP schießt gelt: Auch im Wahlprogramm der CDU oder auf 2812 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Beate Raudies) der Internetseite der FDP taucht das Wort „Pensi- in Zweifel gezogen. Nein, es geht im Kern der De- on“ nicht auf. Daraus schließen wir nicht auf Ihre batte einfach darum, wie wir mit den Pensionsver- Haltung dazu. pflichtungen umgehen, wenn wir gleichzeitig kon- solidierte Haushalte vorlegen und spätestens ab (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Skandalös!) 2020 Kredite tilgen wollen. Daraus, dass man etwas nicht sagt, zu schließen, Wenn jemand behauptet, wir wollten den Pensio- dass man es nicht tut, ist, glaube ich, ein bisschen nären an den Kragen, dann empfehle ich einen weit hergeholt. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu Blick auf die derzeitigen Versorgungsanpassun- unserem Antrag und danke für die Aufmerksam- gen. Die Pensionen steigen dieses Jahr auch in keit. Schleswig-Holstein wieder. Zum 1. Juli 2013 sind (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sie um 2,45 % gestiegen, und im Herbst nächsten FDP und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Jahres gibt es noch einmal 2,75 % mehr. Warum diese Rede, wenn Sie unserem An- Auch die Rentner haben zum 1. Juli 2013 wieder trag zustimmen?) mehr Geld bekommen, was nicht selbstverständlich ist. In den letzten zehn Jahren gab es viermal gar Vizepräsident Bernd Heinemann: keine Erhöhung. Auch in diesem Jahr fällt die Er- Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat höhung mit 0,25 % in den westdeutschen Bundes- der Herr Abgeordnete Rasmus Andresen das Wort. ländern wirklich mager aus; die Kollegin Raudies hat das gerade schon angesprochen. Im kommenden Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Jahr gibt es wegen der guten allgemeinen Lohnent- NEN]: wicklung in diesem Jahr hoffentlich eine höhere Rentenanpassung. Aber auch 2014 werden die Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle- Rentenformel und die Nachholung der unterbliebe- ginnen und Kollegen! Wer haushaltspolitische Ver- nen Rentenkürzungen dafür sorgen, dass der Auf- antwortung trägt, der darf sich auch vor unbeque- schwung fast gar nicht bei den Westrentnerinnen men Themen nicht wegducken. Eines dieser The- und -rentnern ankommt. men sind die Versorgungsverpflichtungen des Landes. Sie machen derzeit knapp 1 Milliarde € für Die Versorgungsempfänger erhalten hingegen 30.000 Ruheständler aus. Das ist gut ein Zehntel eins zu eins die gleichen Erhöhungen wie ihre akti- unserer gesamten Ausgaben. Dieser Posten wird bis ven Kollegen. Richtig ist: Auch sie waren in der 2020 auf dann über 1,3 Milliarden € steigen, weil Vergangenheit immer wieder von Kürzungen und wir dann 5.000 Versorgungsempfängerinnen und Einschränkungen betroffen. Trotzdem klafft da -empfänger mehr haben. Gleichzeitig müssen wir nicht nur aus meiner Sicht eine Gerechtigkeits- bis dahin die Schuldenbremse einhalten und einen lücke, strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen. An- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dere Bundesländer und auch der Bund sind in einer ähnlichen Situation. wenn die Westrentner und -rentnerinnen in der Zeit von 2002 bis 2012 eine Erhöhung von 8,5 %, die Wenn sich jemand traut, wie zuletzt der Minister- Pensionärinnen und Pensionäre des Landes - je präsident von Baden-Württemberg, Winfried nach Besoldungsgruppe - hingegen eine Erhöhung Kretschmann, laut über dieses Problem nachzuden- zwischen 16,8 % und 19,37 % bekommen haben. ken und eine Debatte dazu anzustoßen, dann wird Viele Menschen, mit denen ich spreche und die er sofort gebrandmarkt. Das finde ich nicht in Ord- mich anschreiben, können das nicht nachvollziehen. nung; denn ich glaube, dass es - unabhängig davon, Die wahre Gerechtigkeitslücke besteht also für die wie man sich im Einzelnen in dieser Debatte posi- vielen Rentnerinnen und Rentner in diesem Land, tionieren mag - genug Argumente gibt, die dazu die auch nicht weniger Leistung erbracht haben als führen müssen, dass wir auch strukturell über Maß- die Beamtinnen und Beamten. nahmen nachdenken. Ich komme in meiner Rede noch darauf zu sprechen, wie einige aussehen könn- Für uns Grüne steht bei dieser Debatte aber ohnehin ten. das zukünftige Personal des Landes im Fokus. Für die bestehenden Aktiven und Versorgungsempfän- Niemand hat von einer tickenden Zeitbombe oder gerinnen und -empfänger sind die Regelungen so, Ähnlichem gesprochen oder die Leistungen, die die wie sie sind. Sie entsprechen einer Finanzpolitik Ruheständlerinnen und Ruheständler bundesweit von sechs Jahrzehnten, die kein Morgen kannte. zweifelsohne erbracht haben, in irgendeiner Weise Deshalb müssen wir uns fragen: Wie kann es gelin- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2813

(Rasmus Andresen) gen, so hohe Pensionsverpflichtungen in Zukunft zu dere den der SPD und seine Kultur, komme ich spä- vermeiden? Da gibt es ja schon ein paar Ansätze. ter noch zu sprechen. Erstens. Wir müssen uns fragen, in welchen Beru- Ich finde, das Thema ist viel zu wichtig, um es hier fen eine Verbeamtung Sinn macht polemisch abzuhandeln und zu einem Wahlkampft- hema zu machen; (Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP]) (Beifall PIRATEN) - ja, Herr Garg, dazu stehe ich nach wie vor - und wo wir gut darauf verzichten können. denn wir befinden uns in einer Art finanziellem Würgegriff, der uns ab 2018 betrifft. Angesichts (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE dessen darf man die Diskussion nicht pauschal ver- GRÜNEN und PIRATEN) teufeln. Die Anregungen aus Baden-Württemberg Allerdings - auch das hat der Ministerpräsident von und Nordrhein-Westfalen verstehe ich so, dass wir Baden-Württemberg gesagt - muss man das koordi- tatsächlich ein vertagtes Problem zu erörtern haben. niert mit den anderen Bundesländern machen, da- (Beifall PIRATEN) mit wir bei der Anwerbung von Fachkräften nicht im Nachteil sind. Ab 2018 - bis 2025 - haben wir die sogenannten Babyboomer-Jahrgänge im öffentlichen Dienst zu (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bedienen. Um das im Hinblick auf die Pensionen Zweitens. Wir brauchen ein einheitliches Dienst- richtig machen zu können, brauchte man alljährlich recht für Angestellte und Beamte. Auch das geht das politische Lottoglück von Zensusmillionen, das natürlich nur gemeinsam mit den anderen Ländern. wir in diesem Jahr haben. Das werden wir aber mit Drittens. Wir brauchen für neu eingestellte Beam- Sicherheit nicht mehr haben. Die Pensionskosten tinnen und Beamte einen Versorgungsfonds. Das steigen enorm an; bei einer angenommenen Ein- ist eine der wenigen richtigen Erkenntnisse aus der kommenssteigerung von 1,5 % sind das etwa Haushaltsstrukturkommission der letzten Wahlperi- 40 Millionen € pro anno. Wir alle wissen, dass die ode. So ein Fonds muss eingerichtet werden, sobald Gehaltssteigerungen deutlich höher ausfallen. wir den Beamtinnen und Beamten ohne zusätzliche Vor diesem Hintergrund brauchen wir von Ihnen, Kreditaufnahme einen entsprechenden Altersvor- Frau Heinold, beruhigende - gern auch weniger be- sorgebeitrag auszahlen können. Den Fonds jetzt ruhigende - Antworten. Auf jeden Fall brauchen vorzubereiten und ihn dann ab 2020 einzusetzen, ist wir die Wahrheit, um zu wissen, ob das Land aus grüner Sicht der richtige Weg. Es geht darum, Schleswig-Holstein mit seiner Finanzplanung die- nachhaltige Konzepte zu entwickeln und nicht sen Pensionslasten gerecht wird. plumpe Wahlkampfanträge zu schreiben. - Ich dan- (Beifall PIRATEN) ke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Als wir im Juni vergangenen Jahres bei Ihnen wa- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW ren, Herr Wiegard, waren Ihre Zahlen eindrucks- und PIRATEN) voll. Sie haben mich völlig besorgt gemacht. Wenn ich es richtig verstanden habe, könnte es sein, dass Vizepräsident Bernd Heinemann: künftig etwa ein Drittel der Landeseinnahmen für Für die Fraktion der PIRATEN hat der Herr Abge- Pensionslasten ausgegeben werden muss. Damit ordnete Wolfgang Dudda das Wort. wären wir in einem Würgegriff; darauf komme ich gleich zu sprechen. Wolfgang Dudda [PIRATEN]: Die vor acht Jahren an der Universität Freiburg Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol- erstellte Studie, in der die Länderbilanzen, was die legen! Den Antrag der FDP habe ich begrüßt, als er Pensionslasten angeht, vergleichend dargestellt eingetroffen ist, weil er vor dem Hintergrund der werden, kommt zu einem furchtbaren Ergebnis. Ich Diskussion in Baden-Württemberg, aber auch vor zitiere: dem Hintergrund der Diskussion, die in Nordrhein- „Mithin stellt sich die Frage, ob die Tradition Westfalen bei der SPD geführt wird, wo man tat- der ‚Rundumversorgung’ von Beamten in ei- sächlich darüber nachdenkt, mittelfristig in den ner Zeit knapper Haushalte und der Kürzun- Pensionsfonds einzugreifen, gestellt wurde. Es ist gen in den Sozialversicherungssystemen also eine verantwortungsvolle Debatte, die sich mit noch zeitgemäß ist und wie sie den Bürgern, der Zukunft beschäftigt. Auf die Anträge, insbeson- 2814 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Wolfgang Dudda)

die davon am meisten betroffen sind, noch man einseitig den Beamten auferlegen, der verhält vermittelt werden kann. sich asozial. Das wäre auch verfassungswidrig; denn das ist ein Thema, das den Vertrauensschutz Der demografische Wandel ist ein gesell- berührt. schaftliches Problem und sollte daher auch von der Gesellschaft als Ganzes getragen (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) werden. Die gesetzlich Versicherten haben Wer zwischen beiden eine verträgliche - und zwar ihren Teil bereits beigetragen. Nun müssen eine sozial verträgliche - Brücke bauen will, han- auch Beamte zur Verantwortung gezogen delt verantwortungsvoll. werden. Die Politik muss sich vor Augen führen, dass heutiges Nichthandeln mehr (Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]) kostet als die bloßen Versorgungsausgaben Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn wir als Po- der Zukunft. Anders gesagt: Werden heute litik das Problem verpennen, dann können wir die keine drastischen Maßnahmen zur Kosten- Beamten für unsere Schlafmützigkeit nicht in An- dämpfung ergriffen, wird die zunehmende spruch nehmen. Das ist das Schlagwort dafür. Beanspruchung der finanziellen Mittel letzt- lich zu nichts anderem als der Vernachlässi- Vor diesem Hintergrund möchte ich noch ein kriti- gung von Aufgaben führen und schließlich sches Wort an die SPD richten: Die Kurzfristigkeit des eingebrachten Antrags stört uns. Vielleicht soll- - das ist das entscheidende Wort - te man sich weniger selbst feiern; dann hat man in der fiskalischen Paralyse der Länder en- mehr Zeit, Anträge zeitnah einzubringen. den.“ Was Ihren Antrag im Konkreten angeht - Herr Garg (Beifall PIRATEN) hat es gesagt -: In allgemeinen Verträgen sind mündliche Nebenabreden unwirksam. Das gilt dann Diese Auffassung teile ich, was die Zumutbarkeit auch für Ihre Koalitionsvereinbarung. - Danke für Beamte angeht, nicht. Ich finde vielmehr, dass schön. man das tun müsste, was wir uns schon in unserem Wahlprogramm haben einfallen lassen: Es ist zu (Beifall PIRATEN, FDP und vereinzelt überprüfen, ob wirklich alle Stellen in Beamtenstel- CDU) len umgewandelt beziehungsweise entsprechend ausgeschrieben werden müssen, nur um Pensions- Vizepräsident Bernd Heinemann: und Soziallasten in die Zukunft zu verlagern. Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeord- (Beifall PIRATEN) neter Lars Harms das Wort. Wir müssen dringend überprüfen, welche Bereiche tatsächlich eine Beamtenstelle erfordern. Lars Harms [SSW]: Im Übrigen haben die Beamten schon genug beige- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und tragen; Herr Garg hat es schon erwähnt. Sie üben Herren! Es gibt auf Bundesebene keine Initiative schon seit 1957 - fortwährend bis heute - Gehalts- zur Senkung der Beamtenpensionen. Die rot- verzicht; das ist den wenigsten bekannt. Sie haben grün-blaue Koalition hat auch nicht die Absicht, in- von jeder Besoldungserhöhung 0,2 % Versorgungs- soweit initiativ zu werden. Vor diesem Hintergrund pauschale abzuführen. Zudem wurden ihnen vor diskutieren wir hier auf Antrag der FDP-Fraktion wenigen Jahren die Pensionen von 75 auf 71,75 % eigentlich nur über heiße Luft. Damit ist zu diesem gekürzt. Ich bin davon betroffen und nicht in der Antrag alles gesagt. Lage, dieses Minus privat auszugleichen. Vielleicht Wir sollten uns eher um die für das Land wichtigen gelingt es mir als Abgeordneter; vorher wäre es un- Fragen kümmern. möglich gewesen. (Beifall SSW und SPD) Wer meint, dass diese künftigen Ausgaben von uns ohne Einsparkonzepte zu stemmen seien, ist ein Vizepräsident Bernd Heinemann: Träumer. Wir kommen zu den Dreiminutenbeiträgen. Den (Beifall PIRATEN) ersten hält Herr Abgeordneter Tobias Koch von der Es muss gespart werden, es muss auch Vorsorge CDU-Fraktion. getroffen werden. Wer allerdings meint, das könne Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2815

Tobias Koch [CDU]: Diese hat überhaupt nichts mit der Frage zu tun, wie wir mit denen umgehen, die im System sind. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Die Beamtinnen und Beamten haben Arbeit für die- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD, ses Land geleistet. Es gibt nicht nur Ministerialdiri- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW, Sie haben genten, wie der eine oder andere denkt, sondern es also in Ihren Koalitionsverhandlungen vereinbart, gibt auch Justizsekretäre, Polizisten und viele ande- keinen Eingriff in die Pensionen vorzunehmen. re Beamte, die keineswegs zu den Großverdienern Sie haben allerdings vergessen - oder es nicht für gehören und die insofern natürlich auch Anspruch nötig erachtet -, das in den Koalitionsvertrag hin- haben. einzuschreiben. Hätten Sie es nur getan! Dann hät- ten Sie bei der Beschlussfassung über das Besol- Mir gefällt übrigens der Begriff „Pensionslasten“ dungsgesetz nicht vergessen, sich an Ihre eigene nicht. Wir sprechen auch nicht von „Lasten durch Vereinbarung zu halten. Sie haben doch bereits in Eingliederungshilfe“, sondern es sind erworbene die Pensionen eingegriffen. Die zeitversetzte An- Ansprüche. passung der Pensionen in diesem Jahr ist ein Ein- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN griff in die Pensionen. und SSW) Jetzt werden Sie einwenden: Na ja, wir haben aber Vorsorgende Finanzpolitik ist etwas anderes. Dar- den Beamten damit nichts weggenommen. Sie er- über kann man reden. halten ihre Anpassung später. Das ist also kein Ein- griff. - Ich vermute, der Pensionär, der auf seinen Schließlich möchte ich daran erinnern, dass wir da- Kontoauszug schaut und auf die diesjährige Pensi- mals - nach heftigem Ärger innerhalb der Koalition onsanpassung wartet, wird das anders beurteilen. mit der Union - aus gutem Grund der Föderalis- musreform nicht zustimmten. Schleswig-Holstein Viel schwerer wiegt aber, dass Sie die Pensionäre und Mecklenburg-Vorpommern waren die einzigen schlechter gestellt haben als die Beamten im akti- Länder, für die das galt. Einer der Gründe war die ven Dienst; denn Letzteren - bis zur Besoldungs- Kirchturmspolitik bei diesen Themen. Es ist klug, gruppe A 11 - gewähren Sie für diesen Zeitverzug dass es insoweit bei einem einheitlichen Rahmen Einmalzahlungen. Diese aber enthalten Sie den bleibt. Pensionären vor. Das nenne ich tatsächlich Eingriff. Lassen Sie mich, weil das ein bisschen veralbert Deswegen ist dieser Beschluss nicht mehr wert als wurde, noch Folgendes sagen: Wir haben in unse- das Stück Papier, auf dem er steht; denn Sie haben ren Koalitionsvertrag auch nicht hineingeschrie- ihn bereits gebrochen und Ihre Koalitionsvereinba- ben, dass wir die Uni Lübeck nicht schließen und rung nicht eingehalten. Deshalb hat es keine Bedeu- dass wir die Frauen, die Blinden und die dänischen tung, wenn Sie jetzt noch einmal darauf verweisen. Schüler nicht schikanieren wollen. All diese Punkte (Beifall CDU, FDP und PIRATEN) haben wir nicht aufgenommen, weil sie für uns selbstverständlich sind. Das gilt auch für andere Vizepräsident Bernd Heinemann: Dinge - die Sie in der letzten Legislaturperiode üb- rigens sehr wohl gemacht haben. Also seien Sie Für die SPD-Fraktion hat der Herr Fraktionsvorsit- nicht so hochmütig, wenn es um die Frage geht, wie zende Dr. Ralf Stegner das Wort. man so etwas macht. Dr. Ralf Stegner [SPD]: (Dr. Heiner Garg [FDP]: Warum schreiben Sie denn dann einen Antrag dazu?) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte gibt Anlass, noch einmal Folgendes - Ich will Ihnen sagen, warum: weil der FDP-An- festzustellen: Es ist in der Tat legitim, wenn Partei- trag den Eindruck erweckt, die Bürger Schleswig- en sich Gedanken darüber machen, wie Rente, Ge- Holsteins, die Witwen und Waisen sozusagen, sundheit, Pflege und andere Dinge so weiterent- müssten durch die FDP gerettet werden. wickelt werden können, dass wir möglichst insge- (Dr. Heiner Garg [FDP]: Müssen sie ja samt zu Bürgerversicherungen kommen und nicht auch!) Sondersituationen haben, weil viele nicht beteiligt werden. Das ist eine Zukunftsfrage. Das ist aber falsch. Die FDP wird nicht gebraucht. Das ist weiterhin so. - Vielen Dank. (Beifall SPD und PIRATEN) (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Lachen Dr. Heiner Garg [FDP]) 2816 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Vizepräsident Bernd Heinemann: Eingriff in laufende Pensionen der Landesbeamtin- nen und -beamten gibt. Das haben wir wieder nicht Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. - Jetzt hat gehört. Insofern trauen wir weder dem Koalitions- für die Landesregierung die Frau Finanzministerin antrag noch Ihnen, wenn Sie sich hier hinstellen Monika Heinold das Wort. und versuchen, die Initiative einfach wegzuwi- schen. Ich erwarte von diesem Landtag ein klares Monika Heinold, Finanzministerin: Bekenntnis. Alles andere kann und muss man Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kür- selbstverständlich zukunftsgerichtet besprechen, zung der Pensionen gehört nicht zum Arbeitspro- aber die Verunsicherung, die Sie durch die Äuße- gramm der Landesregierung. rungen von Wilfried Kretschmann zugelassen ha- ben, hätten Sie heute ausräumen können. Das haben Alles andere ist gesagt worden. Eine Debatte, die Sie wieder nicht getan. Daher bleibt es dabei. offensichtlich kurz vor der Wahl dazu führen soll, Ängste der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu (Beifall FDP und CDU) schüren, ist nicht die Debatte dieser Landesregie- rung; an dieser beteiligen wir uns nicht. Vizepräsident Bernd Heinemann: Wenn es tatsächlich das ernsthafte Interesse gibt - Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra- eine entsprechende Anregung gab es -, sich mit den ge des Herrn Abgeordneten Habersaat? Zahlen und den daraus resultierenden Herausforde- rungen für die Zukunft auseinanderzusetzen, zum Dr. Heiner Garg [FDP]: Beispiel im Innen- und Rechtsausschuss, dann wird diese Landesregierung selbstverständlich alle Zah- Nein. len, die Sie dazu brauchen, mitbringen. - Danke. Vizepräsident Bernd Heinemann: (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW) Herr Abgeordneter Habersaat, Sie haben das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag. Vizepräsident Bernd Heinemann: Martin Habersaat [SPD]: Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute nicht das erste Mal passiert, dass ich von Dr. Heiner Garg [FDP]: Rednern der FDP mit „Herr Lehrer Habersaat“ an- gesprochen wurde. Ich kann mir das nur dadurch Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! erklären, dass Sie damit Ihren Respekt vor dem Be- Frau Ministerin, ich kann Ihren Beitrag und auch rufsstand der Lehrerinnen und Lehrer in Schleswig- Ihren Unmut verstehen. Aber Sie hätten doch zu- Holstein zum Ausdruck bringen wollen. mindest, abweichend von der etwas merkwürdigen Interpretation des Koalitionsantrags durch Herrn (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kollegen Stegner, ein klares Bekenntnis abgeben FDP und SSW) können. Das hätte ich an sich auch von Ihnen er- Wenn Sie so freundlich sind, mir zuzubilligen, dass wartet. ich im Namen von Lehrerinnen und Lehrern spre- (Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hat sie che, dann kann ich Ihnen sagen, dass ich in keiner doch gemacht!) Weise besorgt bin, dass diese Landesregierung in die Pensionen von Lehrerinnen und Lehrern ein- - Sie hat gesagt, es gebe keinen Eingriff in die Pen- greifen wird. - Vielen Dank. sionen, das sei nicht Programm der Landesregie- rung. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW) (Zuruf Martin Habersaat [SPD]) - Herr Lehrer Habersaat. Auch Sie sind jemand, der Vizepräsident Bernd Heinemann: Pensionsansprüche für die Zukunft erwirbt. Für die Abgeordneten der Piratenfraktion hat Herr (Zurufe von der SPD) Abgeordneter Torge Schmidt das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag. Frau Ministerin, wir wollten nichts anderes als ein klares Bekenntnis dahin gehend, dass es keinen Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2817

Torge Schmidt [PIRATEN]: SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Abgeord- neten des SSW und der Stimmen von drei Abgeord- Danke, Herr Präsident! Ich mache es ganz kurz: neten der Piratenfraktion bei Gegenstimmen der Wir würden das Angebot der Finanzministerin gern CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion und bei drei annehmen, uns im Finanzausschuss noch einmal Enthaltungen von Abgeordneten der PIRATEN ab- mit den Zahlen zu beschäftigen. Daher beantragen gelehnt. wir die Überweisung des Antrags an den Finanz- ausschuss. Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der (Vereinzelter Beifall PIRATEN) Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/1088. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Vizepräsident Bernd Heinemann: - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der An- Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat die trag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Fraktionsvorsitzende, Frau Abgeordnete Eka von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordne- Kalben, von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ten des SSW gegen die Stimmen aller anderen NEN das Wort. Fraktionen angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf: Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin Folgen und Konsequenzen aus dem Gutachten bisher immer davon ausgegangen, dass es reicht, zur Fortentwicklung des kommunalen Finanz- wenn eine Sache einmal gesagt wurde. Nicht jeder ausgleichs in Schleswig-Holstein muss das Gleiche dreimal sagen. Da aber offen- sichtlich die Botschaft unserer Finanzministerin Antrag der Fraktion der CDU nach ihrer Rede nicht angekommen ist, möchte ich Drucksache 18/1031 als ehemalige Verhandlungsführerin der Grünen in Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das den Koalitionsverhandlungen und als heutige Frak- ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht tionsvorsitzende der Fraktion der Grünen hier sa- der Landesregierung in dieser Tagung erbeten. Ich gen: Wir werden keinen Eingriff in die Pensionen lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht vornehmen, solange wir hier gemeinsam regieren. - in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem Danke schön. zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist und SSW) einstimmig so angenommen. Für die Landesregierung erteile ich Herrn Innen- Vizepräsident Bernd Heinemann: minister Andreas Breitner das Wort. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wurde soeben Ausschussüberweisung beantragt. Wer dem Andreas Breitner, Innenminister: Verfahrensantrag der PIRATEN seine Zustimmung Herr Präsident! Meine sehr geehrten Abgeordneten! geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist geht in eine entscheidende Phase. Vor einem Jahr die Überweisung gegen die Stimmen der Fraktion haben wir mit dem Vorhaben begonnen. Seitdem der PIRATEN durch die Stimmen aller anderen haben wir mit den kommunalen Vertretern die Re- Fraktionen und Abgeordneten abgelehnt. formnotwendigkeiten und alle denkbaren und Wir kommen zu der Abstimmung in der Sache. Ich möglichen Stellschrauben diskutiert. Das war vor schlage vor, abweichend von der Geschäftsord- allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in nung, den vorliegenden Änderungsantrag zu einem meinem Haus, aber auch für die der kommunalen selbstständigen Antrag zu erklären. - Widerspruch Landesverbände schon bisher ein hartes Stück Ar- sehe ich nicht. beit. Ich lasse zunächst über den Antrag der FDP-Frakti- Zur Erinnerung: Die letzte FAG-Reform liegt 40 on, Drucksache 18/1036, abstimmen. Wer zustim- Jahre zurück. Das FAG enthält mit der Zonenrand- men möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - förderung noch Relikte aus dem Kalten Krieg, und Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser An- Zeitzeugen, die die Geldflüsse im jetzigen System trag ist gegen die Stimmen der Fraktionen von erklären könnten, sind nicht mehr auffindbar. 2818 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Minister Andreas Breitner)

Ziel der Landesregierung ist es, einen kommunalen (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Finanzausgleich zu konstruieren und zu schaffen, und SSW) der effizient und transparent ist und der akzeptiert Kommen wir zu den inhaltlichen Fragestellungen: wird. Auftrag des Gutachtens war, die prozentuale Dotie- (Beifall SPD) rung der Teilschlüsselmassen am verfassungsmäßi- gen Auftrag des kommunalen Finanzausgleichs - Für das Klatschen lasse ich gern eine kleine Pau- auszurichten. se. - Mir ist klar, dass der letzte Punkt der schwie- rigste Punkt ist, wenn es im Einzelfall um mehr Nach dem begründeten Vorschlag der Gutachter oder weniger Geld geht. Der Reformbedarf an sich sollte es auch im neuen Finanzausgleichsgesetz un- wird unter Fachleuten aber von niemandem bestrit- verändert drei Teilschlüsselmassen geben: je eine ten. Am Ende der Reform wird jedoch klar sein, für Gemeindeaufgaben, für Kreisaufgaben und für welche Gemeinde, welche Stadt und welcher Kreis übergemeindliche Aufgaben. Dieses Modell, das in nach der Reform weniger hat als vor der Reform. vielen Ländern Anwendung findet, orientiert sich in Das steigert zugegebenermaßen nicht die Akzep- sehr geeigneter Weise an den kommunalen Aufga- tanz. Die Alternative, nichts zu tun, ist aber keine ben. Innerhalb dieser Systematik haben die Gutach- Alternative. ter die Nettozuschussbedarfe der einzelnen Aufga- ben ermittelt und für die drei Teilschlüsselmassen (Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE ins Verhältnis gesetzt. GRÜNEN]) Das Ergebnis des Gutachtens kennen Sie. Während Dann müssten wir alles so lassen, wie es ist. Das die Teilschlüsselmassen für Gemeindeaufgaben und will keiner. übergemeindliche Aufgaben ansteigen sollen, soll (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Teilschlüsselmasse für Kreisaufgaben sinken. und SSW) Die Gutachter sprechen sich also für eine Stärkung Deshalb war uns wichtig, dass der Dialog offen und der gemeindlichen Ebene aus. Sie stellen fest, dass zusammen mit den kommunalen Vertretern ge- deren Beitrag zur kommunalen Infrastruktur - wie führt wurde und dass es keine Vorfestlegungen gab. für Kultur, Straßen, Plätze, Wege, Schule, Kita - im Letzteres gilt auch für die Gutachtenvergabe. Der alten System nicht ausreichend honoriert wurde. Gutachtenauftrag war offen formuliert, und er war Eines ist mir dabei wichtig. Immer wieder geäußer- ohne jede Vorfestlegung. Liebe Damen und Herren te Spekulation, mit dem Gutachten solle quasi von Abgeordnete, die Leistungsbeschreibung kennen hinten durch das Knie geschossen eine Gebietsre- Sie aus meiner Antwort auf die Kleine Anfrage der form vorbereitet werden, sind damit gleich vom Frau Abgeordneten Nicolaisen vom 21. März 2013. Tisch. Auch von einer Schwächung des ländlichen Die Gutachtenvergabe selbst geschah unabhängig Raumes kann überhaupt keine Rede sein. Gemein- und transparent durch die GMSH. Mit dem Nieder- den und Städte sind zusammen das Land, und zwar sächsischen Institut für Wirtschaftsforschung hat flächendeckend. ein unabhängiges und renommiertes Forschungsin- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stitut den Zuschlag erhalten. Gutachtenauftrag und und SSW) Gutachtenvergabe geschahen unter enger Einbezie- Die Gutachter schlagen vor, dass der ländliche hung der kommunalen Landesverbände. Auch die Raum einschließlich der Entlastung aus der Grund- Methodik wurde mit den Gutachtern und den kom- sicherung sogar mehr Geld bekommt. Die Kritik munalen Vertretern ausführlich diskutiert. Die des Landkreistages nehme ich sehr ernst. Aber bei Kommunen konnten noch während der Gutachten- aller Wertschätzung für Kreisverwaltungen, ein erstellung jede Frage und jede Anregung an die Kreishaus allein - das ist der Absolutheitsanspruch, Gutachter richten. Die Gutachter haben ihre Ergeb- mit dem dort diskutiert wird - ist nicht der ländliche nisse im Beirat vorgestellt. Das Gutachten selbst ist Raum. Kreise bestehen aus Gemeinden und Städ- im Internet veröffentlicht. ten. Für eine verantwortliche Bewertung aus den Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass Kreisen sollte daher maßgeblich sein, wie die Ge- dann, wenn die Inhalte nicht gefallen, zunächst die samtbilanz in der Kreisfläche ausfällt. Form kritisiert wird. Zu unserem Verfahren möchte Auch für eine pauschale Erhöhung der Kreisumlage ich deshalb ausdrücklich feststellen: Offener und gibt das Gutachten keine Grundlage. transparenter geht es nicht. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2819

Vizepräsident Bernd Heinemann: Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Innenminister, gestatten Sie eine Zwischenfra- Bitte schön. ge des Herrn Abgeordneten Tobias Koch? Tobias Koch [CDU]: Danke schön. - Das heißt, Sie würden mir zustimmen, die Entlas- Andreas Breitner, Innenminister: tung der Kommunen erfolgt nicht auf Emp- Gern. fehlung des Gutachtens, sondern durch be- reits erfolgten Beschluss der Bundesregie- Vizepräsident Bernd Heinemann: rung zur Übernahme der Kosten der Grundsi- cherung? Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Tobias Koch [CDU]: Vielen Dank, Herr Andreas Breitner, Innenminister: Minister. Sie führten gerade aus, die Gutach- Die Entlastung der Kommunen bei dem Punkt ter würden vorschlagen, dass der ländliche Grundsicherung erfolgt durch die Beschlüsse der Raum einschließlich der Übernahme der Bundesregierung, das ist richtig. Kosten für die Grundsicherung sogar mehr Geld bekommen würde. Da musste ich jetzt Auch für eine pauschale Erhöhung der Kreisum- einen Augenblick darüber nachdenken und lage - ich fange da noch einmal an - gibt das Gut- frage mich: Warum müssen die Gutachter et- achten keine Grundlage. Die Teilschlüsselmasse was vorschlagen, was die Bundesregierung der Kreise richtet sich in der neuen FAG-Welt nach bereits beschlossen hat? den Aufgaben, die sie auch tatsächlich finanzieren müssen. Die Grundsicherung im Alter und bei Er- Andreas Breitner, Innenminister: werbsminderung wird künftig vom Bund übernom- men, Herr Abgeordneter Koch, ist also nicht mehr Die Bundesregierung hat in einem Gesamtpaket ei- von den Kreisen zu finanzieren. Das bedeutet eine ne Neuregelung der Grundsicherung vorgenommen. Entlastung der schleswig-holsteinischen Kreise von (Tobias Koch [CDU]: Eben!) rund 70 Millionen €, wohlgemerkt pro Jahr. Da wir die Aufgaben nicht doppelt finanzieren müssen und Das ist richtig. Ich stelle nur fest, dass das zu einer da wir auch Aufgaben nicht doppelt anrechnen kön- Entlastung der Kommunen in Schleswig-Holstein nen, haben die Gutachter diese Entlastung völlig zu führen wird. Darüber hinaus gibt es aber auch Ver- Recht bei der Berechnung der Teilschlüsselmassen teilungsvorschläge der Gutachter, die mit der berücksichtigt, das heißt, die 70 Millionen abgezo- Grundsicherung selbst nichts zu tun haben. Ich gen - logisch, nachvollziehbar und richtig und auch glaube nur, man muss diese Entlastung der Grund- ein Nullsummenspiel für die Kreise. sicherung kennen. Wenn wir im Jahr 2015 in die neue Grundsicherung gehen, dann wird es am Ende Da ich die Unruhe bei den Kreisen aber, wie gesagt, zu einer Gesamtbilanz der Finanzen der Kommu- nachvollziehen kann, habe ich den Landräten und nen kommen, und dann werden die Kommunen Kreispräsidenten das Angebot gemacht, sie in den zeitgleich mit dem Finanzausgleichsgesetz auch ei- nächsten zehn Tagen vor Ort in ihren Kreisen per- ne erhebliche Entlastung der Grundsicherung erfah- sönlich über das Gutachten zu informieren. Die ren. Ich glaube, das passt zu diesem Prozess. Termine sind gemacht. Ich freue mich auf kon- struktive Gespräche. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) Vizepräsident Bernd Heinemann: Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischen- frage des Herrn Abgeordneten Dornquast? Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Koch? Andreas Breitner, Innenminister: Andreas Breitner, Innenminister: Gern.

Eine letzte, gern, Herr Koch. Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Abgeordneter. 2820 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

Volker Dornquast [CDU]: Eine Verständ- Petra Nicolaisen [CDU]: nisfrage. Haben Sie dabei auch bedacht, dass Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! die kreisfreien Städte auch als Kreise ent- Ich möchte zu Beginn meiner Rede mit einer Pres- sprechend zu behandeln sind und die Entlas- semitteilung der Kollegin Strehlau vom 5. August tung durch die Grundsicherungsgesetzge- 2013 beginnen: bung auch den kreisfreien Städten zugute kommt? „Das externe Gutachten scheint seinen Auf- trag zu erfüllen.“ Andreas Breitner, Innenminister: An dieser Stelle, Frau Kollegin, gebe ich Ihnen Ja, Herr Abgeordneter Dornquast, das ist berück- recht. sichtigt. (Beifall Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE (Volker Dornquast [CDU]: Danke schön!) GRÜNEN]) Die Termine für meine Kreisbereisung sind ge- Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt macht. Ich freue mich auf konstruktive Gespräche. wird. Genau diese bestellte Musik hat der Gutachter Gestern habe ich mit dem Geschäftsführer des gespielt. Landkreistages und dem Vorsitzenden, Landrat Sa- (Serpil Midyatli [SPD]: Haben Sie nicht zu- ger, gesprochen. Bei allem Rollenverständnis - ich gehört? - Martin Habersaat [SPD]: Die Rede würde es als Vertreter des Landkreistages im Mo- wurde schon vorher geschrieben!) ment nicht anders machen - für die Interessen eines Verbandes: Wir setzen uns jetzt erst einmal zusam- - Darf ich bitte meine Rede fortführen? Dann hören men und diskutieren über das Gutachten. Auf der Sie mir bitte einfach einmal zu. Basis des Gutachtens und der Gespräche mit den So darf man sich eigentlich nicht wundern, dass das Kreisen und natürlich auch den Gemeinden und den Gutachten nicht mehr ist als eine Bauanleitung, ei- Städten werden wir Ende September 2013 im Kabi- ne Bauanleitung für ein Schleswig-Holstein nach nett über den Gesetzentwurf befinden. Erst auf die- Koalitionsideologie, für ein Schleswig-Holstein mit ser Grundlage sind dann verlässliche Aussagen zu einem schwachen ländlichen Raum. Das nämlich den finanziellen Auswirkungen möglich. war der Auftrag, den der Gutachter zu erfüllen hat- Meine Damen und Herren, entscheidend ist am En- te. de: Erstmals nach 40 Jahren wird in Schleswig-Hol- (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ganz schwacher stein die Höhe der Teilschlüsselmassen nach den Redenschreiber!) Aufgaben rechnerisch ermittelt sein. Wir werden einen aufgabenorientierten Finanzausgleich haben. Meine Damen und Herren, das Perfide an den vor- Die Kriterien werden wieder transparent, und die liegenden Vorschlägen ist, die Keule für den ländli- Verteilung wird sachgerecht vorgenommen. Ich bin chen Raum kommt durch die Hintertür, durch die davon überzeugt: Von einem neuen Finanzaus- finanzielle Austrocknung der Kreise, durch einen gleichsgesetz in Schleswig-Holstein, von einem brutalen Eingriff an dieser Stelle wird der ländliche besseren kommunalen Finanzausgleich werden alle Raum geschwächt. profitieren, und das heißt für mich Stadt und Land. (Beifall CDU und FDP - Dr. Ralf Stegner - Vielen Dank. [SPD]: Brutalst-möglich!) (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gleichzeitig wird ein Keil in die Partnerschaft zwi- und SSW) schen Kreise und kreisangehörige Gemeinden ge- trieben. Die kommunale Familie wird gegeneinan- Vizepräsident Bernd Heinemann: der ausgespielt. Die Landesregierung hat die Redezeit um 3 Minu- (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist ja bitter!) ten überzogen. Sie bekommen jetzt alle 8 Minuten Die Umschichtung in den Teilmassen, die das Redezeit. Zunächst bekommt diese Redezeit die Gutachten vorschlägt, wird zwangsweise zu einem Frau Abgeordnete Petra Nicolaisen von der CDU- führen: Die Kreise werden sich das Geld, das die Fraktion. - Sie haben das Wort. Koalition ihnen wegnimmt, bei den Gemeinden über eine Kreisumlage wiederholen. Sie werden es sich nämlich wiederholen müssen, damit sie ihren Aufgaben überhaupt gerecht werden können. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2821

(Petra Nicolaisen)

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist ja brutal!) (Beifall CDU und FDP) Damit bleibt auch von den vermeintlichen Wohlta- Das nennt die Koalition dann Gerechtigkeit. Schon ten durch die Vergrößerung der Teilmasse für ge- heute erhalten die kreisfreien Städte pro Einwohner meindliche Aufgabe bei den Gemeinden nichts üb- durchschnittlich 316 € Kreisschlüsselzuweisung, rig. Genau das ist im Koalitionsvertrag so festge- die Kreise bekommen 122 €. Diese Zuweisungen schrieben, genau das ist ihr Ziel. dienen zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben- last. Die ist bei Kreisen und kreisfreien Städten (Martin Habersaat [SPD]: Das ist der Koaliti- identisch. onsvertrag!) Meine Kritikpunkte zusammengefasst: Das Gutach- Die Aussage des Pressesprechers des Innenministe- ten beschränkt sich auf die Verteilung der zur Ver- riums im „Hamburger Abendblatt“ am 7. August fügung stehenden Landesmittel. Es trifft keine Fest- 2013 ist eindeutig: Dann würden wir als Reaktion stellung zur Bemessung der Finanzausgleichsmasse die Mittel aus dem Finanzausgleich weiter reduzie- im Hinblick auf die Aufgaben, es enthält keinen ren. Hinweis auf eine ausreichende Mindestfinanzie- Meine Damen und Herren von der Koalition, diese rung. Aussage entlarvt Sie. Sie entlarvt Sie gleich in dop- Die kommunalen Landesverbände dürfen sich an pelter Hinsicht. Erstens scheinen Sie von der Ga- dieser Stelle nicht auseinanderdividieren lassen. Ei- rantie der kommunalen Selbstverwaltung nicht viel ne funktionierende Selbstverwaltung braucht eine zu halten. Zweitens macht sie deutlich, wofür die gleichwertige Finanzausstattung und eine Diskussi- Herren Stegner und Breitner die Kreise halten: viel- on darüber, welche weiteren Aufgaben die Kreise, leicht für eine ländliche Folkloreeinrichtung. Städte und Gemeinden übernehmen. Es darf nicht (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Lauter Detektive zu einem Verschiebebahnhof innerhalb der Partner bei Ihnen!) kommen. Die Kreise haben wichtige Ergänzungs- und Aus- (Beifall Jens-Christian Magnussen [CDU]) gleichsfunktionen in der Fläche, und die Kreise sor- Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich fordere gen ebenfalls für gleichwertige Lebensverhältnisse Sie auf: Wenn es zu einer finanziellen Verschie- im Land Schleswig-Holstein. bung innerhalb der kommunalen Partner kommen (Beifall CDU) sollte, dann geben Sie mehr Geld in den Kommu- Sie nehmen Aufgaben wahr, die Städte und Ge- nalfinanzausgleich. meinden in der Fläche nicht selbst erfüllen können. (Beifall CDU - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ich Blutleere Kreise führen in der Konsequenz zu ei- dachte, wir sollten stärker sparen! - Eka von nem blutleeren ländlichen Raum. Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Saugen wir denen kommt auf die Liste, Herr Koch! - Dr. Ralf jetzt noch Blut ab? Das wusste ich gar nicht!) Stegner [SPD]: Das ist die Koch-Liste!) Dies weiß die Koalition, und das will die Koalition. Damit würden Sie dann im Übrigen auch Ihrer Aus- sage aus dem Koalitionsvertrag gerecht werden. Der Innenminister redet ständig davon, es gehe um eine Verteilung der Finanzmittel nach den Aufga- Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koaliti- ben. Zitat: on, noch haben Sie die Möglichkeit, Ihren Irrweg zu verlassen, noch können Sie ein Gesetz vorlegen, „Wir werden erstmals einen kommunalen Fi- das den Verhältnissen im Land gerecht wird, und nanzausgleich bekommen, der sich an den noch können Sie sich von Vernunft leiten lassen tatsächlichen Aufgaben orientiert.“ statt von Ideologie. (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE (Beifall CDU - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Statt GRÜNEN, Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD] von Ihnen! - Wortmeldung Dr. Patrick Brey- und Lars Harms [SSW]) er [PIRATEN]) Wer das Gutachten liest, stellt jedoch fest: Vertei- Nutzen Sie die Chance! Hören Sie auf mit Klientel- lungsmaßstab sind hier nicht die Aufgaben, son- politik, machen Sie endlich Politik für alle Men- dern der Zuschussbedarf. Wer sich arm macht, schen in unserem Land! wird belohnt, wer spart, wird bestraft. (Beifall CDU) 2822 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Vizepräsident Bernd Heinemann: zen, ihre Aufgaben auch zu erfüllen. Dazu dient der kommunale Finanzausgleich. Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfra- ge des Abgeordneten? - Nein, tut mir leid. Niemand hat behauptet, dass die Reform des kom- munalen Finanzausgleichs eine leichte Aufgabe wä- Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Beate re. Trotzdem muss sie erledigt werden, und zwar im Raudies das Wort. Dialog mit den Betroffenen und in diesem Fall den kommunalen Landesverbänden. Beate Raudies [SPD]: Seit der Debatte im Februar ist der Prozess weiter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe vorangekommen. Das Gutachten, das der Innen- Frau Kollegin Nicolaisen, ich muss echt einmal tief minister im Februar angekündigt hatte, liegt mittler- Luft holen, um das zu verdauen, was Sie hier abge- weile vor und kommt zu teilweise überraschenden lassen haben - ganz ehrlich! Ergebnissen. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erstens. Auch den Gemeinden fehlt Geld, denn sie und SSW - Volker Dornquast [CDU]: Das übernehmen mehr Aufgaben als bisher angenom- war gut!) men. Zweitens. Alle zentralen Orte, auch die im - Nein, das war erschreckend, weil Sie uns vorwer- ländlichen Bereich, erfüllen übergemeindliche Auf- fen, wir hätten keine Ahnung von den Verhältnis- gaben. Das wurde bisher zu wenig berücksichtigt. sen im Land. Aber meine liebe Frau Nicolaisen, das Folgerichtig - denn das Geld muss endlich den Auf- Land besteht nicht nur aus dem ländlichen Raum. gaben folgen - kommt das Gutachten zu dem Auch die Kreise Pinneberg, Segeberg oder Stor- Schluss, dass die Teilschlüsselmassen neu verteilt marn gehören zum Land Schleswig-Holstein. Wenn werden müssen. Die Schlüsselzuweisungen ma- Sie da vom ländlichen Raum reden, schauen die chen den größten Teil des kommunalen Finanzaus- Menschen Sie mit großen fragenden Augen an. gleichs aus, nämlich rund 960 Millionen €. Insofern Aber für diese Kreise sind wir genauso verantwort- ist das Ergebnis des Gutachtens für die Reform lich. schon von großer Bedeutung. Aber es gilt auch: (Zuruf) Das Gutachten ist nicht die Reform des Finanzaus- gleichsgesetzes. Da gibt es noch andere Stellschrau- Ich beginne mit meiner Rede. Ich fühle mich bestä- ben. tigt: Als der Punkt auf der Tagesordnung auftauch- te, war ich kurz versucht, meine Rede vom Februar Für die Opposition - das haben wir gerade gehört - wieder hervorzuholen und noch einmal zu halten, wird mit diesem Gutachten die Lage nicht einfa- das hätte vielleicht keiner gemerkt. Aber ich habe cher. Um es auf den Punkt zu bringen: Ihnen gehen mich entschieden, mir die Mühe zu machen und ei- die Argumente aus. ne neue zu schreiben. An der Ausgangssituation hat (Zuruf CDU: Keine Sorge!) sich seitdem nichts geändert. Das hat der Innen- minister klar gesagt. Eine Reform des kommuna- Im Februar hat Herr Callsen uns hier vorgeworfen, len Finanzausgleichs tut not, und es ist gut, dass Stadt und Land gegeneinander ausspielen zu wol- Andreas Breitner sie endlich anpackt. len. Jetzt wirft Frau Nicolaisen uns vor, den ländli- chen Raum schwächen zu wollen. Ich habe schon (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf die Rolle der Kreise hingewiesen. Die gibt es und Jette Waldinger-Thiering [SSW]) nicht nur im ländlichen Raum. Dafür liefert das Der Finanzausgleich muss transparenter und effizi- Gutachten keine Anhaltspunkte, im Gegenteil. Die enter werden, und er braucht landesweit eine höhe- Töpfe für Gemeindeaufgaben und für übergemeind- re Akzeptanz. Das ist unbestritten. Die finanzielle liche Aufgaben sollen größer werden. Lage vieler Kommunen ist nach wie vor prekär. (Volker Dornquast [CDU]: Die Kreisumlage Das hat die Bertelsmann-Stiftung in ihrem kommu- auch?) nalen Finanzreport gerade wieder belegt. Ihnen fehlt das Geld für die Unterhaltung und Sanierung Der Gutachter empfiehlt außerdem, den Topf für ihrer Infrastruktur, ihrer Straßen und Schulen, ganz die Kreisaufgaben zu reduzieren, sieht diesen Vor- zu schweigen von Schwimmbädern, Büchereien, schlag allerdings im Zusammenhang mit der Über- Feuerwehrhäusern oder Theatern. Es ist Aufgabe nahme der Grundsicherung durch den Bund. Die des Landes, die Kommunen mit angemessenen Fi- Opposition richtet also folgerichtig ihr Augenmerk nanzmitteln auszustatten, die sie in die Lage verset- nun auf den Prozess, oder wie darf ich den Be- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2823

(Beate Raudies) richtsantrag verstehen? Allerdings - das hat auch was die Finanzausstattung der Städte angeht, ver- der Innenminister deutlich gemacht - ist nicht wirk- mutlich zu einem anderen Ergebnis kommen. Und lich klar, was die Nachfrage soll, denn der Auftrag die Kreise - auch das sagt das Gutachten ganz ein- des Gutachters war von vornherein klar: Es ging deutig - werden durch die Übernahme der Grundsi- immer nur um den Teilaspekt der Schlüsselmassen. cherung schon dermaßen entlastet, dass ich glaube, dass das Konsolidierungsgesetz, wie wir es be- Jetzt von einem bestellten Gutachten zu sprechen, schlossen haben, für alle Kommunen zu einem gu- finde ich - gelinge gesagt - nahezu unverschämt. ten Ergebnis führt. Der Auftrag wurde im Finanzausgleichsbeirat, al- so mit den kommunalen Landesverbänden, ausführ- (Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS lich erörtert. Zahlreiche Anregungen und Vorschlä- 90/DIE GRÜNEN) ge der kommunalen Landesverbände wurden vor der Vergabe berücksichtigt und in die Leistungsbe- Vizepräsident Bernd Heinemann: schreibung aufgenommen, wie sich aus der Antwort des Innenministers auf Ihre Anfrage, Frau Nicolai- Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Frau sen, vom März eindeutig ergibt. Abgeordneten Nicolaisen?

Vizepräsident Bernd Heinemann: Beate Raudies [SPD]: Frau Abgeordnete Raudies, gestatten Sie eine Zwi- Ja. schenfrage der Frau Abgeordneten Nicolaisen? Vizepräsident Bernd Heinemann: Beate Raudies [SPD]: Bitte kurz und knapp. Gern. Petra Nicolaisen [CDU]: Wenn Sie sagen, die Grundsicherung spiele dort eine Rolle, Vizepräsident Bernd Heinemann: gehe ich davon aus, dass die Grundsicherung, die der Bund jetzt an das Land weiterleitet, Bitte schön. voll in die Entlastung eingepreist wird. Petra Nicolaisen [CDU]: Vielen Dank. - Frau Kollegin, Sie berichteten eben darüber, Beate Raudies [SPD]: dass das FAG mehrere Stellschrauben bein- halte. Dazu gehört unter anderem das Kom- Der Gutachter hat den vollen Betrag gerechnet. Zu munalhaushaltskonsolidierungsgesetz, das der Frage, wie wir das dann umsetzen werden, er- auf den Weg gebracht wurde. Geben Sie mir warten wir den Gesetzentwurf der Landesregierung. recht, wenn ich Ihnen jetzt sage: Sie haben Sie wissen aber genauso gut wie ich, dass im Land an diese Stellschrauben schon gedreht, und Schleswig-Holstein auch das Land Aufgaben hat, zwar zulasten der Kreise und der Konsolidie- die Übernahme der Grundsicherung durch das Land rungskommunen? Die Kreise und Städte, die durchaus umfassen. Konsolidierungsbedarf nachgewiesen haben, Ich glaube, die Situation ist Ihnen also durchaus be- sind erheblich eingeschränkt worden, näm- kannt. Über die Zahlen spekulieren wir dann, wenn lich dahin gehend, dass der Zeitraum ver- der Gesetzentwurf vorliegt. kürzt worden ist. Meine Damen und Herren, im Koalitionsvertrag der (Beifall CDU) regierungstragenden Fraktionen - den ich jetzt ein- Wir haben ihn damals auch zehn Jahre fest- mal zitiere, denn in ihm stehen zwei wunderbare gelegt, Sie haben ihn auf sieben Jahre redu- Sätze - steht: ziert. Meinen Sie, dass das der richtige An- „Unser Ziel ist es, die Kommunen zu stärken. satz war? Nur so können sie die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen.“ Beate Raudies [SPD]: (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich wollte gerade fragen, wo die Frage bleibt, weil und SSW) Sie bisher nur unsere Gesetzesänderung referiert - Guter Koalitionsvertrag! - Den ersten Schritt hat haben, und zwar richtig. Angesichts der Vorschlä- diese Landesregierung getan, als sie erstmalig die ge, die jetzt in dem Gutachten stehen, werden wir, Verantwortung des Landes für die Kosten der 2824 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Beate Raudies)

U3-Betreuung anerkannte und sich an diesen mit (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE 15 Millionen € in diesem Jahr beteiligte. GRÜNEN und SPD) Im nächsten Schritt soll aus den Zensusmitteln, die und was der Innenminister bisher verhindert hat, in- 2013 in den Landeshaushalt fließen, eine Ab- dem er nämlich alle an einen Tisch geholt hat. Ich schlagszahlung in Höhe von 17 Millionen € direkt finde, das ist nicht besonders verantwortungsbe- an die Kommunen weitergegeben werden. Dies ent- wusst, was Sie da machen. spricht der gesamten Zensusnachzahlung, die Städ- Herr Innenminister, zunächst einmal vielen Dank te und Gemeinden für die Jahre 2011 bis 2013 zu für diesen Bericht. Auch in Ihren Ausführungen erwarten haben. Mit dieser Abschlagszahlung wird wurde deutlich, dass es notwendig ist, die kniffelige die Landesregierung dafür sorgen, dass die Kom- Aufgabe anzugehen, den kommunalen Finanzaus- munen nicht lange auf ihr Geld warten müssen. Das gleich zu reformieren, ihn transparenter, effizienter ist gut so. und aufgabenorientierter zu gestalten. Niemand vor (Volker Dornquast [CDU]: Das steht ihnen uns wollte dieses heiße Eisen anfassen. Deshalb ist auch zu!) der kommunale Finanzausgleich in seiner Struktur seit Jahrzehnten unverändert. Er wurde nur fortge- - Natürlich steht ihnen das Geld zu, Herr Dorn- schrieben. Zu welchen Konsequenzen eine zu lange quast. Aber Sie wissen auch, wie lange es manch- Fortschreibung ohne grundsätzliche Neubewertung mal gedauert hat, bis die den Kommunen zustehen- führt, haben wir gerade an den Zensusergebnissen den Mittel von oben bis unten durchgereicht wor- gesehen. den sind. Ich erinnere dabei an das Thema Schulso- zialarbeit. Dabei hat es auch eine Weile gedauert, Wir müssen dringend handeln. Das belegen das bis das Geld in den Kommunen angekommen ist. FAG-Gutachten und auch der vor einigen Tagen erschienene Kommunalreport der Bertelsmann- Der nächste Schritt wird die Reform des kommu- Stiftung. Der Report ist alarmierend. Die Regionen nalen Finanzausgleichs sein. Wenn wir dieses Ge- entwickeln sich immer weiter auseinander, trotz setz auf den Weg gebracht haben - ich bin sehr ge- Steuererhöhung in den kreisfreien Städten steigen spannt auf den Gesetzentwurf -, dann wird es vielen die Schulden. Und das liegt nicht daran, dass diese Kommunen in diesem Land besser gehen als jetzt. - Städte nicht mit Geld umgehen könnten. Weder das Vielen Dank. Bertelsmann-Gutachten noch das NIW-Gutachten (Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE geben hierfür Anhaltspunkte. Nein, das Hauptpro- GRÜNEN und SSW) blem liegt beim geringen Steuerpotenzial in ver- schiedenen Kommunen verbunden mit den vielen Vizepräsident Bernd Heinemann: Aufgaben, besonders im Sozialbereich. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Die Strukturen in unserem Land haben sich seit den Frau Abgeordnete Ines Strehlau das Wort. 70er-Jahren deutlich verändert. Das sehen wir zum Beispiel bei Familienkonstellationen, bei Bevölke- Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: rungsstrukturen und bei der Arbeitssituation. Da kommen wir mit dem veralteten, intransparenten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! kommunalen Finanzausgleich, der noch die Zonen- Liebe Frau Nicolaisen, ich glaube, Sie haben ein randförderung beinhaltet, und bei dem überhaupt anderes Gutachten gelesen als ich. Ihre Schlussfol- nicht klar ist, nach welchen Kriterien das Geld ver- gerungen lassen sich überhaupt nicht nachvollzie- teilt wird, nicht weiter. Die Welt hat sich auch in hen. Wenn Sie sagen, das sei ein ideologischer Um- Schleswig-Holstein verändert. Da kann der kom- bau, zeigt das nur, dass Ihnen die Argumente für ei- munale Finanzausgleich nicht so bleiben, wie er ne Kritik an dem Gutachten fehlen und Sie deshalb immer schon war. Wir wagen die Reform. Minister auf den Begriff Ideologie zurückgreifen müssen. Breitner hat auf diesem Weg gemeinsam mit der (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und kommunalen Familie schon ein gutes Stück ge- vereinzelt SPD) schafft. Das finde ich schwach. Nun zum Gutachten. Die Methodik basiert auf har- ten Fakten statt auf fiktiven Ansprüchen. Dagegen Mit Ihrer Rede spalten Sie die kommunale Familie. kann auch die CDU nicht argumentieren. Sie, liebe Sie machen genau das, was wir verhindern wollten CDU, haben erwartet, das Ergebnis wäre eine Kür- zung bei den ländlichen Gemeinden. Jetzt sind Sie Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2825

(Ines Strehlau) enttäuscht, dass Sie die Gemeinden nicht gegen uns Doch wir können die besten Ideen nicht umsetzen, aufbringen können, und konzentrieren sich auf Ver- wenn jeder nur auf seinen eigenen Vorteil schaut. fahrensfragen rund um das Gutachten sowie auf die Ich würde es sehr bedauern, wenn die Hand, die Kreise. Minister Breitner allen Beteiligten zum Gespräch ausstreckt, nicht von jedem Kreis angenommen (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und wird. Wir sollten alle verhindern, dass sich Kon- Beate Raudies [SPD]) fliktlinien verschärfen, bevor überhaupt ein Gesetz- Diese Strategie finde ich durchsichtig. Wir werden entwurf vorliegt. Die Neuaufstellung des kommu- auch nach dem neuen FAG mitnichten einen blut- nalen Finanzausgleichs ist für uns eine gute Bauan- leeren ländlichen Raum haben. Das Gutachten ist leitung, um die Finanzausstattung der Kommunen die Basis für das neue FAG. Bis zum Inkrafttreten transparenter, effizienter und den Aufgaben folgend eines neuen Finanzausgleichsgesetzes ist es noch zu gestalten. ein langer Weg. Ich fordere die Opposition auf, auf die Sachebene Aber aus unserer Sicht weist das Gutachten in die zurückzukehren und daran mitzuwirken, Schleswig- richtige Richtung. Denn es orientiert sich an beste- Holstein zukunftsfähig aufzustellen. - Vielen Dank. henden Aufgaben. Was sagt das Gutachten? - Zu (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD erwarten war, dass die übergemeindlichen Aufga- und SSW) ben einen größeren Teil ausmachen als bisher. Das bestätigt die grüne Forderung, dass eine Gemeinde, die zum Beispiel ein Schwimmbad oder ein Kran- Vizepräsident Bernd Heinemann: kenhaus auch für das Umland bereitstellt, entspre- Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter chend ausgestattet sein muss. Hier geht es keines- Dr. Heiner Garg das Wort. falls nur um die großen Städte. Auch viele Unter- zentren können von der Reform profitieren. Dr. Heiner Garg [FDP]: Überrascht hat mich hingegen, dass die Gemeinde- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! aufgaben höher zu Buche schlagen als bisher ange- Liebe Kollegin Strehlau, dieser Aufforderung be- nommen. Aufgrund der Daten erscheint es aber äu- darf es überhaupt nicht. Aus unserer Sicht ist der ßerst plausibel, denn sie spiegeln die Realität vor Auftrag aus Artikel 49 Abs. 1 unserer Landesver- Ort wider. Die sieht so aus, dass eben viele Ge- fassung völlig klar. Das Land soll mit dem kommu- meinden sehr viel Geld in Schulen, Sportangebote nalen Finanzausgleich Mittel zur Verfügung stellen, und Kinderbetreuung stecken. Fest steht, auch Krei- „um die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen se und kreisfreie Städte leisten bei ihren spezifi- Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und schen Aufgaben, den Kreisaufgaben, sehr viel. eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben aus- Die Aufgabenanalyse hat ergeben, dass trotzdem zugleichen“. der Topf für die Kreisaufgaben sinken kann. Er- Ich finde es ebenso klar, dass man darüber auch gänzend kommt aber für die Kreise und kreisfreien sehr engagiert und unterschiedlich debattieren und Städte eine neue Komponente hinzu. streiten darf. Insofern ist an dem Auftrag des In- Das Gutachten schlägt dazu etwas vor, was wir nenministeriums an das NIW, eine aufgabenbezo- Grüne sehr befürworten, den gene Betrachtung der erforderlichen Ausgaben vor- Soziallastenausgleich. Das Geld wird nicht mehr nehmen zu lassen, formal überhaupt nichts auszu- einfach nur nach der Einwohnerzahl verteilt, son- setzen. Denn im Verfassungsauftrag geht es im dern auch nach den tatsächlich bestehenden Aufga- Grunde darum, dass Ungleichheiten ausgeglichen ben. Im Ergebnis, durch die Kostenübernahme des werden sollen, für die die jeweilige Gebietskörper- Bundes bei der Grundsicherung für die Kreise, Zu- schaft nichts kann. Dies kann demnach ein soziolo- wendungen für Sozialleistungen und leichter Kür- gischer, ein ökonomischer oder auch ein geografi- zung bei der Teilschlüsselmasse im kommunalen scher Nachteil sein. Finanzausgleich, stehen die Kreise insgesamt wahr- Im Rahmen des Auftrages hat das Niedersächsische scheinlich nicht schlechter da als bisher. Kreise mit Institut für Wirtschaftsförderung durchaus handfe- hohen Sozialausgaben könnten von den Vorschlä- ste und auch diskutable - aber diskutable heißt eben gen des Gutachtens sogar profitieren. Sie erhalten im Zweifel auch einmal strittige - Erkenntnisse zu- einen Ausgleich. Das ist gerecht und im Sinne der tage gebracht. Wenn also laut Gutachten beispiels- Landesverfassung, die fordert, eine unterschiedli- weise die Ballung sozialer Problemlagen in einer che Belastung mit Ausgaben auszugleichen. 2826 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Dr. Heiner Garg)

Stadt ursächlich für die unterschiedliche finanziel- insbesondere in der sozialen Infrastruktur im le Situation von Stadt und Land sind, dann ist das ländlichen Raum mit geeigneten Maßnahmen eine Erkenntnis, die besonders im Rahmen einer Rechnung zu tragen. Reform des kommunalen Finanzausgleichs disku- Ich finde den Satz, das und das gehöre nicht in den tiert werden muss. Das ist völlig klar. Wahlkampf, nicht richtig. Wir sind dreieinhalb Wo- Ich will übrigens an dieser Stelle nicht verhehlen, chen vor der Bundestagswahl; irgendwie ist alles dass ich durchaus einmal Sympathie für die Idee Wahlkampf. Dann lassen Sie uns im Zweifel nach geäußert habe, zum Beispiel die Kosten der Ein- der Bundestagswahl in den Fachausschüssen in Ru- gliederungshilfe im Zuge einer vollständigen Kom- he ernsthaft darüber diskutieren. munalisierung mit in den kommunalen Finanzaus- Wenn wir hier miteinander immer wieder bekun- gleich zu geben. Ob man das politisch richtig findet den, wie wichtig die Versorgung im ländlichen oder nicht, spielt keine Rolle. Ich will nur deutlich Raum, beispielsweise der Zugang zu ärztlichen und machen, dass das FAG selbstverständlich novelliert pflegerischen Leistungen, die soziale Infrastruktur werden muss. Die Frage ist: Gibt es Gewinner, und insgesamt ist, dann muss man sich die folgende gibt es Verlierer? Was haben die Verlierer im Frage stellen: Wenn man das Finanzausgleichsge- Zweifel dazu beizutragen, dass den vermeintlichen setz ändert und es tatsächlich massiv zulasten der Gewinnern tatsächlich ein Gewinn entsteht? Ich Kreise gehen sollte mit dem Argument, die Städte finde es richtig, dass darüber engagiert gestritten hätte bestimmte soziale Aufgaben zu schultern - es wird. besteht ja kein ernsthafter Zweifel, dass insbeson- Ich bezweifle aber, dass die Begründung ausreicht, dere die Städte mit sehr hohen sozialen Kosten be- um das Ausmaß der finanziellen Notlage jeder lastet sind -, muss man sich fragen, ob man zu viel kreisfreien Stadt allein mit Nachteilen zu erklären. an der Schraube zulasten der sozialen Infrastruktur Kollege Harms nickt. Frau Kollegin Strehlau, wenn dreht, die wir in den Kreisen stützen und erhalten ich beispielsweise an die finanzielle Situation der wollen, damit es nicht noch mehr Landflucht gibt. Stadt Lübeck denke, glaube ich nicht, dass das aus- Das könnte eine Folge in dem Prozess sein, bei dem schließlich auf bestimmte Nachteile zurückzufüh- wir - so versteht es zumindest meine Fraktion - erst ren ist. am Anfang sind. (Vereinzelter Beifall und Zurufe) Wie organisieren und gestalten wir den demografi- schen Wandel in einem Flächenland wie Schles- Nichtsdestotrotz kann man den Verfassungsauftrag wig-Holstein mit Flächenkreisen? Ich will nur aus Artikel 49 Abs. 1 anders verstehen, als es das Nordfriesland, Dithmarschen und Steinburg nen- Innenministerium getan hat, Herr Innenminister. nen. Wie stellen wir sicher, dass in Zukunft sowohl Das jetzt vorliegende Gutachten orientiert sich die Oberzentren, die kreisfreien Städte ihren sozia- nämlich hauptsächlich an den gegenwärtigen fiska- len Verpflichtungen gerecht werden können, aber lischen Parametern, in erster Linie also - das ha- die Kreise bei den Sozialkosten nicht in eine Situa- ben auch Sie in Ihrer Rede dargestellt - an den So- tion getrieben werden, dass es zu einer kompletten zialkosten. Entleerung der Flächenkreise kommt? Aus unserer Sicht - da sehen wir den größten Dis- (Vereinzelter Beifall FDP) kussionsbedarf - mangelt es an einer längerfristigen politischen Perspektive. Denn es kann durchaus Ich bedanke mich recht herzlich für die Aufmerk- auch ein Regelungsziel des kommunalen Finanz- samkeit. Ich glaube - das sage ich noch einmal -, ausgleichs sein, gleichwertige beziehungsweise dass wir erst am Anfang des Diskussionsprozesses gleichartige Lebensverhältnisse in Schleswig-Hol- stehen. Die Notwendigkeit zur Reform wird von stein anzustreben oder - wie es im aktuellen Kom- uns nicht bestritten. mentar zur Landesverfassung von Caspar/Ewer/ (Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE Nolte/Waack heißt - jedenfalls aber einem weiteren GRÜNEN und SSW) Auseinanderdriften der Lebensbedingungen in den unterschiedlichen Landesteilen entgegenzuwirken. Vizepräsident Bernd Heinemann: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das be- deutet, sich nicht nur an den derzeitigen städtischen Für die Piratenfraktion hat der Fraktionsvorsitzen- Sozialkosten entlangzuhangeln. Es bedeutet aus un- de, Herr Abgeordneter Torge Schmidt, das Wort. serer Sicht vielmehr, über das Mittel des Finanzaus- gleichs insgesamt dem demografischen Wandel Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2827

Torge Schmidt [PIRATEN]: Das Gutachten zeigt aber auch: Auch wenn wir die Bedarfsbestimmung noch so sachgerecht verneh- Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! men - wenn wir es nicht schaffen, die Teilmasse an- Die Fortentwicklung des kommunalen Finanz- gemessen zu bestimmen, kann keine hohe Au- ausgleichs stellt eine zentrale Säule der langfristi- gleichswirkung erzielt werden. gen Finanzplanung für das Land und die Kommu- nen dar. Eines möchte ich zuerst noch einmal deut- Wir müssen uns nicht nur über die Schlüsselzuwei- lich machen: Wir reden über ein Gutachten. Ein sungen Gedanken machen, sondern auch über die Gutachten kann man bewerten und seine Schlüsse generelle Finanzierung der Kreise, kreisangehöri- daraus ziehen. Entscheidend wird sein, wie der Ge- gen Gemeinden und kreisfreien Städte aus den zur setzentwurf der Regierung aussehen wird. Ich ap- Verfügung stehenden Steuereinnahmen. Die Ände- pelliere deswegen an alle Anwesenden, das Thema rung des Finanzausgleichsgesetzes darf nicht die nicht auf dem Altar der anstehenden Wahl zu op- einzige Diskussion sein. Wir müssen uns außerdem fern. darüber unterhalten, ob Strukturen bestehen, die un- wirtschaftlich sind. Genauso müssen wir darüber (Beifall PIRATEN) reden, welche Aufgaben unsere Gemeinden, Städte Für uns PIRATEN wird in der folgenden Beratung und Kreise tatsächlich übernehmen sollen. eines entscheidend sein: Wir müssen die Förde- Ich erwarte von der Landeregierung, dass sich diese rung des ländlichen Raumes aktiv vorantreiben entscheidenden Punkte in dem geplanten Gesetzent- und sein schleichendes Aussterben verhindern. wurf wiederfinden und die Beratungen dann fortge- (Beifall PIRATEN) setzt werden. - Ich danke Ihnen. Herr Breitner, es freut uns, dass auch Sie das er- (Beifall PIRATEN) kannt haben, wie man Ihrer Pressemitteilung vom 9. August 2013 entnehmen kann. Wir können es Vizepräsident Bernd Heinemann: uns an dieser Stelle nicht erlauben, durch voreilige Schlüsse oder einseitige Gutachten den Finanzie- Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeord- rungsspielraum und damit auch den Handlungs- neter Lars Harms das Wort. spielraum der Gemeinden und Kreise auf Jahre hin- weg derartig einzuengen, dass sie in ihrer Existenz Lars Harms [SSW]: bedroht werden. Hier sollten wir uns als Landtag Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und ausreichend Zeit für eine ausführliche parlamentari- Herren! Vieles wurde schon zur Notwendigkeit ei- sche Beratung zu dem kommenden Gesetzentwurf ner FAG-Reform gesagt, auch darüber, wie diese nehmen. Reform aussehen könnte. Jedoch tauchen immer Das Gutachten betrachtet - wie bereits mehrfach wieder Fragen auf, und oftmals sind es wiederkeh- angeklungen - die horizontale Dimension, also die rende Fragen. Man fragt sich: Was wird sich än- Verteilung unter den Kommunen, durch die Schlüs- dern? Was wird sich zu Hause für meine Gemeinde selzuweisungen. Hier kommt das Gutachten zu ändern? Natürlich wird gemunkelt, und das eine dem Schluss, dass eine finanzielle Stärkung der Ge- oder andere Gerücht macht manchmal schneller die meindeaufgaben notwendig ist. Dies werden wir in Runde, als das Ministerium die Fakten zusammen- den Beratungen ausführlich prüfen müssen. tragen kann. Deswegen kann es mit Sicherheit nicht schaden, sich noch einmal auf die Fakten zu besin- Ich persönlich finde den Ansatz, die Verteilung der nen. Mittel an die tatsächlichen Soziallasten zu knüpfen, begrüßenswert. Der Finanzausgleich umfasst ein Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden €, 960 Millionen € davon sind (Beifall PIRATEN) Schlüsselzuweisungen, 240 Millionen € nehmen die Das ist eine gerechtere Aufteilung, die sich an den Vorwegabzüge ein. Wir reden heute nur über die tatsächlichen Bedarfsgemeinschaften anstelle der Schlüsselzuweisungen. Die Landesregierung hat Einwohnerzahlen orientiert. Gemeinden und Städte einen Stufenplan entwickelt, der die Vorgehenswei- mit besonders hohen Lasten werden somit entlastet. se zur Neugestaltung des FAG genau beschreibt und transparent ist. Außerdem wurde durch das In- (Beifall PIRATEN und Rasmus Andresen nenministerium - das ist jetzt ganz wichtig - unter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Unruhe) Einbezug der kommunalen Landesverbände ein un- abhängiges Institut, 2828 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Lars Harms)

(Beifall Flemming Meyer [SSW] und Eka Das, meine Damen und Herren, kann doch nicht von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) verkehrt sein. das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsfor- Zum Gutachten muss gesagt werden, dass es sich schung, beauftragt, ein Gutachten zur Reform des erst einmal nur um ein Gutachten handelt, sprich: FAG auszuarbeiten. Dieses liegt seit gut einem Mo- um eine Analyse. Der Arbeits- und Dialogprozess nat vor. Die Gutachter haben die Sachlage analy- ist weiterhin in vollem Gange. Das Gutachten wur- siert und sich grundsätzlich an den jeweiligen Auf- de gemeinsam von Landesregierung und kommuna- gaben der Kommunen orientiert, soll heißen, dass len Landesverbänden abgestimmt und daraufhin in man sich von festen Zuweisungsquoten verabschie- Auftrag gegeben. Die kommunalen Landesverbän- det hin zu einem Soziallastenansatz, der die Auf- de waren durchweg beteiligt, und auch die Methode gaben der Kommunen im Bereich der Sozialleistun- wurde gemeinsam abgestimmt. Selbst jetzt ist der gen berücksichtigen soll. Das Gutachten hat also ei- Dialogprozess nicht abgeschlossen. Im Gesetzge- ne Reform formuliert, die sich noch enger an den bungsprozess können sich alle Beteiligten zum Gut- kommunalen Aufgaben orientiert. achten und später zum Gesetzentwurf äußern. Wie das Gesetz schlussendlich aussehen soll, steht noch Natürlich beinhaltet diese auch Verschiebungen, gar nicht fest. Der Gesetzentwurf soll 2015 verab- doch die sind überschaubar. Im Bereich der Ge- schiedet werden. Bis dahin ist noch ein wenig Zeit. meindeaufgaben wird es eine Verschiebung von Ich kann daher nur an die Beteiligten appellieren, 40 % auf 42,4 % geben, ebenso steigt der Topf für am Arbeits- und Dialogprozess teilzunehmen und übergemeindliche Aufgaben von etwas mehr als ihre fachlichen Bedenken und Anregungen einzu- 11 % auf 13,7 %, und letztlich werden die Mittel bringen, damit am Ende ein modernes, transparen- für Kreisaufgaben von 48,5 % auf 43,9 % herabge- tes und auch ein gerechtes FAG steht, von dem alle setzt. Bürgerinnen und Bürger profitieren; denn um sie (Zuruf Volker Dornquast [CDU]) geht es eigentlich und nicht um Kommunales. Niemandem wird der Boden unter den Füßen weg- (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE gezogen, weil auch die Kreise durch die Erstattung GRÜNEN) der Grundsicherungs- und der Erwerbsminderungs- kosten durch den Bund entsprechend entlastet wer- Vizepräsident Bernd Heinemann: den. Für einen Dreiminutenbeitrag hat der Herr Abge- Die übergemeindlichen Aufgaben fanden im bis- ordnete Peter Sönnichsen von der CDU-Fraktion herigen FAG keinen ausreichenden Platz und wur- das Wort. den generell unterschätzt. Die Gutachter haben nun dargestellt, dass einige Kommunen in diesem Be- Peter Sönnichsen [CDU]: reich enorme Aufgaben tragen. Die Aufgabenviel- falt ist nicht zu unterschätzen. Dazu zählen bei- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! spielsweise die Sozialarbeit und die Volkshoch- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Drei An- schulen, die vom gesamten Umfeld genutzt werden, merkungen zu dieser Debatte: was bedeutet, dass das gesamte Umfeld gleicherma- Erstens. Stichwort: Grundsicherung. Nach meiner ßen profitiert. Es stellt sich heraus, dass dieser Auf- Erinnerung hat der Bund Geld bereitgestellt, um die gabenberg größer ist als bisher angenommen. Des- Gemeinden zu entlasten, nicht, um das Land zu ent- wegen ist eine Entlastung von so zentralen Orten lasten, und auch nicht, um irgendwelche Umvertei- durchaus sinnvoll. Es werden deshalb nicht nur lungsspielräume zu schaffen. Großstädte, wie man immer meint, sondern auch zentrale ländliche Orte mehr Geld erhalten, wenn (Beifall CDU) man dem Konzept folgt. Profitieren - das ist das Die kreisfreien Städte haben bisher immer be- Entscheidende - werden davon die Bürgerinnen und klagt, dass sie den höchsten Anteil an den Sozialla- Bürger, um die es eigentlich geht. sten zu tragen haben, was berechtigt gewesen sein Es muss primär nicht mehr in Rathäusern, sondern muss. Aber sie werden dann sicherlich auch den hö- in Regionen und Kooperationen gedacht werden. heren Anteil an der Erstattung der Grundsicherung Das Gutachten zeigt also einen Weg auf, wie die bekommen haben. Daher ist dies kein Argument, Mittel dorthin kommen, wo sie gebraucht werden. um zu sagen, dass man den Kreisen etwas zurück- Nur so kann der Bürger sicher sein, ein Maximum geben muss. Begründen Sie das nicht damit. aus seinen Steuerzahlungen erlangen zu können. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2829

(Peter Sönnichsen)

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP) Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir Mitglieder der Europa-Union des Ortsverban- Der zweite Punkt. Alle haben das Gutachten. Die des Harrislee. - Seien Sie herzlich willkommen im meisten beziehen sich auf die Vorschläge am Ende. Schleswig-Holsteinischen Landtag! Ich empfehle Ihnen einen Blick auf die Bestands- aufnahme ganz am Anfang. Auf Seite 12 steht, (Beifall) sehr geehrter Herr Minister: Für vergleichbare Auf- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 auf: gaben und Leistungen steht den kreisfreien Städten je Einwohner das 1,69-Fache dessen zu, was die Kreise und Gemeinden haben. - 70 % mehr für die Finanzielle Handlungsspielräume sichern: Alt- kreisfreien Städte bei gleichen Aufgaben und Leis- schuldentilgungsfonds für Land und Kommunen tungen! Wie wollen Sie angesichts dessen ernsthaft Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE begründen, dass dieser Topf jetzt noch größer wer- GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW den muss? Drucksache 18/744 (Beifall CDU) Die Dialogangebote nehmen wir selbstverständlich Finanzielle Handlungsspielräume zurückgewin- gern an. Dazu bedarf es keiner Aufforderung der nen - Altschuldentilgungsfonds für Land und Grünen. Die kommunale Familie ist sehr verant- Kommunen wortlich in ihren Handlungen. Als dritten Punkt will ich hier das kommunale Änderungsantrag der Fraktion der CDU Haushaltskonsolidierungsgesetz ansprechen. Es Drucksache 18/776 ist noch kein Jahr her, dass wir uns damit befasst Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzaus- haben. Vor der Wahl wollten Sie es rückgängig ma- schusses chen. Danach haben Sie es etwas geändert und ver- Drucksache 18/915 abschiedet. Auf dieser Grundlage, sehr geehrter Herr Minister, sind Verträge mit dem Land Schles- wig-Holstein abgeschlossen worden, auch von Finanzielle Handlungsspielräume nutzen - sechs Kreisen. Freiwillige Leistungen sind zurück- Deutschland-Bonds weiterentwickeln geführt worden. Das waren für alle Beteiligten in den Kreisen ganz schwere Entscheidungen, auch Änderungsantrag der Fraktion der FDP für Ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde. Da Drucksache 18/1086 (neu) mussten Kröten geschluckt werden. Ich formuliere das jetzt einmal moderat: Mit den Finanzielle Handlungsspielräume sichern: Alt- ersten Überlegungen zur Änderung des kommuna- schuldentilgungsfonds für Land und Kommunen len Finanzausgleichs ändern Sie die Vertrags- grundlage dieser Vereinbarungen über die kommu- Änderungsantrag der Fraktion der CDU nale Haushaltskonsolidierung, Herr Minister. Das Drucksache 18/1093 sind die Dinge, über die wir zu sprechen haben werden. Darauf sollten Sie sich gut vorbereiten. Ich erteile das Wort dem Berichterstatter des Fi- nanzausschusses, Herrn Abgeordneten Thomas Ro- (Beifall CDU) ther.

Vizepräsident Bernd Heinemann: Thomas Rother [SPD]: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Ich schließe die Beratung. Ich stelle zunächst fest, und Kollegen! Ich möchte die Beschlussempfeh- dass der Berichtsantrag, Drucksache 18/1031, durch lung auf Drucksache 18/915 um den Hinweis er- die Berichterstattung des Herrn Innenministers sei- gänzen, dass wir den Änderungsantrag der FDP be- ne Erledigung erfahren hat. - Es ist kein Antrag ge- reits als Änderungsantrag zum Gesetzentwurf im stellt worden. Der Tagesordnungspunkt ist unab- Ausschuss vorliegen hatten und ihn dort mehrheit- hängig von der Selbstbefassung der Ausschüsse da- lich abgelehnt haben. Auch der CDU-Antrag be- mit erledigt. gegnet uns hier noch einmal. - Vielen Dank. 2830 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Vizepräsident Bernd Heinemann: lich für die Senkung der Verschuldung und für Investitionen … genutzt werden.“ Vielen Dank für die Berichterstattung. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Gerade einmal 24 Stunden nach diesem Beschluss Fall. wollen Sie heute beschließen, dass der Solidaritäts- zuschlag für Zinszahlungen verwandt wird. Wir kommen jetzt zur Aussprache, die ich hiermit eröffne. - Zunächst hat für die CDU-Fraktion der Ihre Logik! Die Menschen können auf Rot-Grün- Herr Abgeordnete Tobias Koch das Wort. Blau eben gerade nicht vertrauen. Ihr Altschulden- tilgungsfonds ist eine Mogelpackung. Dabei geht es (Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD] - Wolfgang nicht darum, die Altschulden zu tilgen, sondern nur Kubicki [FDP]: Herr Kollege Stegner, er ist darum, Spielraum für zusätzliche Ausgaben zu ge- Koch und Sie sind Kellner!) winnen. Tobias Koch [CDU]: (Vereinzelter Beifall CDU und FDP) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Das verbindende Element in dieser Debatte bestand Herren! Die inhaltlichen Unterschiede zwischen darin, dass CDU, SPD, Grüne und SSW gemeinsam dem Antrag der Regierungsfraktion einerseits und der Auffassung sind, dass ein Altschuldentilgungs- dem Antrag der CDU-Fraktion andererseits haben fonds hilfreich wäre, um die Finanzprobleme unse- wir in der Landtagsdebatte im April dieses Jahres res Landes dauerhaft zu lösen. bereits gut herausgearbeitet. SPD, Grüne und SSW Deshalb haben wir uns im Kreis der finanzpoliti- wollen mit dem Soli zukünftig Zinsen bezahlen. schen Sprecher zusammengesetzt und versucht, ei- Die CDU dagegen schlägt vor, die frei werdenden ne Lösung zu finden, wie wir aus diesen beiden un- Solidarpaktmittel zu nutzen, um die Altschulden zu terschiedlichen Ansätzen einen gemeinsamen An- tilgen. trag formulieren können, Herr Kollege Winter. Sie (Vereinzelter Beifall CDU) werde es nicht glauben, meine Damen und Herren: Wir waren erfolgreich. Es ist uns gelungen. Die Synopse des Finanzministeriums - Umdruck 18/1502 - macht diesen fundamentalen Unterschied (Dr. Heiner Garg [FDP]: Bis Herr Stegner noch einmal ganz klar deutlich. Es ist eine glatte Ir- kam!) reführung der Öffentlichkeit, wenn im Antrag der Das hat mich an die damalige Diskussion über die Regierungsfraktionen von einem Altschuldentil- Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesver- gungsfonds gesprochen wird. fassung erinnert. Auch damals haben wir uns im (Vereinzelter Beifall CDU und FDP) Kreis der finanzpolitischen Sprecher zusammenge- setzt und eine gemeinsame Lösung erarbeitet, die Kein einziger Euro aus dem Solidaritätszuschlag anschließend im Parlament beschlossen wurde. würde nach Ihrem Vorschlag in die Tilgung von Altschulden fließen. Der Herr Ministerpräsident Jetzt kam es beinahe wieder zu einem historischen wird in den „Kieler Nachrichten“ - Onlinedienst Moment. Ein Beschluss des Landtags für einen Alt- vom 18. Juni 2013 - so wiedergegeben, dass es aus schuldentilgungsfonds wird aber nur dann eine bun- seiner Sicht sinnvoll sei, den Solidaritätszuschlag despolitische Bedeutung entwickeln, wenn dieser über 2019 hinaus zu verlängern und für den Abbau Beschluss mit möglichst großer breiter parlamenta- der Altschulden umzuwidmen. Nur, Herr Albig, rischer Mehrheit gefasst wird. diese Aussage passt zu dem Antrag der Regierungs- Entsprechend begeistert waren auch Sie, Frau Fi- fraktionen genauso wenig wie der erst gestern be- nanzministerin Heinold, als Sie von dieser Überein- schlossene Entschließungsantrag zum Thema Steu- kunft im Kreis der finanzpolitischen Sprecher er- ererhöhungen. Gestern haben Sie beschlossen: fuhren. Auch die Fraktionen haben zugestimmt. Die „Der Landtag stellt fest, dass die Akzeptanz CDU-Fraktion hat zugestimmt. Die Fraktion für diese Maßnahmen“ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat zugestimmt. Die Abgeordneten des SSW haben zugestimmt. - Die - also für Steuererhöhungen - Fraktion der SPD hat abgelehnt. Genauer gesagt hat „davon abhängt, dass die Menschen sicher Herr Dr. Stegner abgelehnt. Warum? sein können, dass die dadurch erzielten Ein- (Birgit Herdejürgen [SPD]: Warst du dabei?) nahmen auch tatsächlich nur und ausschließ- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2831

(Tobias Koch)

Der Kollege Winter hat gestern im Finanzausschuss Lars Winter [SPD]: in aller Offenheit erläutert, warum das so ist. Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Birgit Herdejürgen [SPD]: Da war ich auch Bevor ich mit meinem Redebeitrag beginne, möch- dabei!) te ich auf die Ausführungen des Kollegen Koch eingehen. Es ist richtig, dass wir uns zusammenge- - Dann werden Sie es gehört haben. Er hat uns er- setzt haben und nach langen Verhandlungen dazu läutert, warum Sie abgelehnt haben, weil nämlich gekommen sind, dass wir eventuell nach Ihrer die SPD Vereinbarungen mit der SPD in Bremen, Struktur verfahren wollen. mit der SPD in Berlin und mit der SPD in Nord- rhein-Westfalen getroffen hat. Diese Vereinbarun- Der Grund hierfür war - und diesen haben Sie ange- gen würden diesem gemeinsamen Antrag entgegen- führt -, dass wir eine Mehrheit im Bundesrat stehen. brauchen. Sie würden sich mit der Idee, die die SPD hat, nicht gegen Bayern durchsetzen können. (Dr. Heiner Garg [FDP]: Alles Vorzeigelän- Daher haben wir gesagt: Bevor Herr Koch viel der!) Angst vor Bayern hat, nehmen wir einen anderen Sie lassen einen parteiübergreifenden Konsens zum Weg. - Das haben wir dann in der Fraktion bespro- Wohle unseres Landes aus rein parteitaktischem chen und sind zu dem Ergebnis gekommen: Wir ha- Kalkül scheitern. ben aber schon eine etwas größere Mehrheit, weil (Beifall CDU) die Bremer, die Berliner und auch die Nordrhein- Westfalen auf unser Konzept aufgesprungen sind Herr Ministerpräsident, Sie lächeln so freundlich. und das mitmachen würden. Jetzt sind Sie gefragt! (Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP]) Vizepräsident Bernd Heinemann: Deshalb wäre auf diese Weise eine Mehrheit im Bundesrat eher erreichbar, als wenn man sich gegen Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra- Bayern durchsetzen müsste. ge des Herrn Abgeordneten Winter? Der Kollege Carstensen wird die heutige Debatte Tobias Koch [CDU]: sicherlich im Internet verfolgen. Insofern hat Herr Carstensen sicherlich gehört, dass Sie von einer Jetzt im Augenblick nicht. - Herr Ministerpräsident, Mogelpackung sprachen, dass wir Zinsen aus die- jetzt sind Sie gefragt. Es gibt in diesem Parlament sem Schuldentilgungsfonds zahlen wollen. Herr eine Mehrheit für einen fraktionsübergreifenden Carstensen hat damals gemeinsam mit dem Europa- Antrag, die aus CDU, Grünen, SSW und den Fach- minister Döring in Berlin genau diese Position ver- politikern der SPD besteht. Herr Albig, setzen Sie treten. Er wird sich freuen, wenn er feststellt, dass sich an dieser Stelle ein einziges Mal gegen den Sie seine Ideen als Mogelpackung bezeichnen. SPD-Fraktionsvorsitzenden durch! Meine werten Kolleginnen und Kollegen, der (Beifall CDU) Schleswig-Holsteinische Landtag will mit ganz Sorgen Sie dafür, dass die Abstimmung in der Ko- überwiegender Mehrheit eine Altschuldenlösung. alition freigegeben wird und dass nicht Herr Steg- Das ist sehr gut; denn das macht deutlich: Wir wis- ner allein darüber entscheidet, welche Politik in sen, dass der Spagat zwischen Verantwortung für Schleswig-Holstein betrieben wird. die Altschulden einerseits und dem solidarischen Aufbruch zu schuldenfreien Haushalten anderer- (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie sind ein richti- seits bewältigt werden muss. ger Komiker!) SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW so- Ich beantrage im Namen der CDU-Fraktion eine wie die CDU haben Anträge zur Einrichtung eines namentliche Abstimmung über den Änderungsan- Altschuldentilgungsfonds eingebracht. Es ist ein trag der CDU-Fraktion. Altschuldentilgungsfonds, und zwar unabhängig (Beifall CDU) davon, ob wir uns für Ihre oder unsere Struktur ent- scheiden; denn das Ziel ist es, Altschulden zu til- Vizepräsident Bernd Heinemann: gen. Die Frage ist nur, welchen Weg wir gehen. Für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Die Koalitionsfraktionen und die Opposition legten Lars Winter das Wort. jedoch sehr unterschiedliche Konzepte vor, und zwar Konzepte, die sich, auch wenn es auf den ers- 2832 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Lars Winter) ten Blick anders erscheinen mag, schwer miteinan- (Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD]) der vereinbaren lassen. Das haben wir in diesem Die reichen Länder halten nichts von Deutschland- Gespräch auch mitbekommen. Wir mussten uns Bonds. Das haben sie mehr als deutlich gesagt. Da- entscheiden. Der Unterschied liegt in der Struktur. mit sinkt die Attraktivität für Kapitalanlagen. Wir Sozialdemokraten sind sicher, dass es vor al- SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW lem darauf ankommen wird, die Solidarität unter knüpfen mit ihrem Vorschlag für einen Altschul- den Bundesländern zu stärken. Es sind schon min- dentilgungsfonds an wichtige Grundsätze an: Ver- destens drei Bundesländer dabei. Mit Schleswig- antwortung für die eigenen Schulden, Einbeziehung Holstein wären wir schon vier. Wir sind überzeugt, der Kommunen und solidarische Hilfe bei der Be- dass die Verantwortung für die Schulden bei den wältigung der Zinslast. Wir wollen konsolidieren Bundesländern und Kommunen bleiben muss, die und gestalten. Wir wollen Spielräume schaffen und sie aufgenommen haben. Wir wollen aber Erleich- in die Zukunft investieren. Außerdem wollen wir terungen bei den Zinszahlungen erreichen. Wir die Schulden des Landes abbauen. Dafür haben wir wollen die Altschulden von Ländern und Kommu- das richtige Modell. nen in einem Fonds bündeln. Der Fonds wird auf- wachsen aus den frei werdenden Mitteln aus dem Werte Kolleginnen und Kollegen, noch können Sie Solidarpakt und nach und nach Zinslasten überneh- dabei sein und der Beschlussempfehlung des Fi- men. Die Länder und Kommunen gewinnen da- nanzausschusses zustimmen. Es wäre richtig, wenn durch Spielräume, ihre Schulden selbst abzubauen. der Schleswig-Holsteinische Landtag in Sachen Altschulden mit einer Stimme sprechen würde. Meine Damen und Herren, ich war 2004/2005 noch Stimmen Sie also unserem Antrag zu! - Danke nicht Mitglied des Landtags. Ich erinnere mich aber schön. gut daran, dass die Eckpunkte für unseren Vor- schlag noch von der Regierung Simonis entwickelt (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurden. In der Großen Koalition hat dann der SPD- und SSW) Justizminister Döring diesen Vorschlag gemeinsam mit dem CDU-Ministerpräsidenten Carstensen in Vizepräsident Bernd Heinemann: Berlin vertreten. Herr Döring hat das getan, weil er davon überzeugt war - und Herr Carstensen hof- Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat fentlich ebenso -, dass dieses Modell das richtige Herr Abgeordneter Rasmus Andresen das Wort. Modell ist. Umso unverständlicher ist es, dass die CDU jetzt nicht bereit ist, unserem Konzept zuzu- Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- stimmen, obwohl ihr damaliger Ministerpräsident NEN]: das ja auch getan hat. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle- (Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir schalten Peter ginnen und Kollegen! Ich habe bereits im Harry Carstensen zu!) April 2013 dargelegt, warum die Grünen einen Alt- schuldenfonds fordern. Heute möchte ich mich Zum Antrag, den die FDP in den Finanzausschuss noch einmal besonders im Sinne der Kommunen eingebracht hat, möchte ich sagen: Die letzte CDU- für einen solchen Fonds stark machen. geführte Landesregierung hatte sich sehr für Deutschland-Bonds als zweite Wahl eingesetzt, Der kommunale Finanzreport zeigt: In nur vier nachdem der gemeinsam mit der SPD vertretene Jahren sind die Schulden der Kommunen um un- Altschuldentilgungsfonds bei der damaligen CDU- glaubliche 17 % gewachsen, in Schleswig-Holstein Ländermehrheit auf Kritik gestoßen war. Auf Bun- sogar noch stärker, nämlich um fast ein Viertel. desebene gibt es die Bonds inzwischen, und wie Sie Gleichzeitig wird die Ungleichheit zwischen den wissen, profitieren vor allem ärmere Länder von Kommunen immer größer. Viele Kommunen, ins- diesen Bonds, weil ihnen so günstigere Zinsen für besondere die kreisfreien Städte, stecken in der neue Kredite gewährt werden. Das macht die Refi- Vergeblichkeitsfalle. Drückende Zinsen und wach- nanzierung von Krediten günstiger. Zinsersparnisse sende Aufgaben stehen der Ohnmacht gegenüber, tragen dazu bei, den Schuldenberg zu mindern. eigenständig Einnahmen zu erhöhen. Gleichzeitig wird der Investitionsbedarf bei den Kommunen von Wir setzen allerdings auf ein anderes Instrument, der Kreditanstalt für Wiederaufbau auf 130 Milliar- mit dem wir alle Bundesländer ins Boot holen kön- den € prognostiziert. nen, außerdem die Kommunen und möglichst auch den Bund. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2833

(Rasmus Andresen)

Deshalb sind unsere Kommunen auf solidarische fentlichen Leistungen abhängt, davon, ob ihre Kin- Hilfe angewiesen. Ein Schritt zur Entlastung der der eine gut ausgestattete Schule besuchen oder ihr Kommunen ist ein gemeinsamer Altschulden- Unternehmen floriert, weil es vernünftig ausgebau- fonds. te Verkehrsinfrastruktur und Breitbandversorgung gibt. Bei der Frage, ob es einen Altschuldenfonds geben soll, sehe ich im Landtag über die Regierungskoali- (Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]: Das wollen tion hinaus eine breite Mehrheit. Ich bedaure sehr, Sie doch gar nicht!) dass es bei der Frage des Wie keine Einigung mit Was Sie hier in der Debatte präsentieren, Herr Ku- der CDU gegeben hat. Aber auch so wird ein star- bicki, trägt rein gar nichts zur Lösung der Altschul- kes Signal aus dem Landtag ausgesendet: Der denproblematik bei. Landtag von Schleswig-Holstein will einen Alt- schuldenfonds. Selbst die Schleswig-Holstein-CDU (Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber Sie!) springt mitten im Wahlkampf über den Schatten ih- Erstens erzielen gemeinsame Anleihen allein viel rer ignoranten Kanzlerin und macht deutlich: So geringere Entlastungen, als wenn man den Soli her- geht es nicht weiter. Länder und Kommunen brau- anzieht. Zweitens bieten Deutschland-Bonds keine chen finanzielle Hilfe, um ihre Altschulden langfri- Perspektive für unsere Kommunen. Drittens enthält stig abzubauen. Ihr Antrag sogar eine Verschlechterung des Status (Beifall Lars Winter [SPD] - Zuruf Wolfgang quo. Im Moment können alle Länder freiwillig bei Kubicki [FDP]: Immerhin!) den Deutschland-Bonds mitmachen und von niedri- geren Zinsen profitieren. Sie wollen das an Bedin- Die FDP steht hier im Land isoliert da mit ihrer gungen knüpfen und den Kreis der begünstigten Meinung, man könne den Soli abschaffen. Länder verkleinern. Das ist keine Weiterentwick- (Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP]: Das müs- lung der Deutschlandbonds, sondern eine Riesen- sen Sie zwangsläufig sowieso tun! Aber da- einschränkung. Sie machen die Deutschland-Bonds von verstehen Sie nichts!) unattraktiv und sorgen damit für die Abschaffung eines Instruments, das an sich sinnvoll ist. Statt so- Für Sie, Herr Kubicki, Herr Garg, steht die Parteirä- lidarisch die öffentliche Verschuldung zu lösen, son, steht das FDP-Steuersenkungsmantra über den schaffen Ihre Vorschläge mehr Missgunst. Interessen des Landes Schleswig-Holstein. Monika Heinold und ich haben gemeinsam den Alt- (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE schuldenfonds im grünen Bundestagswahlpro- GRÜNEN) gramm formuliert. Man kann feststellen, dass es Viele Länder und Kommunen brauchen dringend nicht nur in der SPD, sondern auch in anderen Par- Unterstützung bei der Bewältigung der Altschul- teien starke Bewegungen in diese Richtung gibt. denfrage. Die Zinszahlungen fressen große Teile Ich bin mir sicher, dass wir spätestens im Rahmen der Budgets auf. Das Geld fehlt bei der Aufgaben- einer Föderalismusreform III zu konkreten Ergeb- erfüllung und den Investitionen. Die öffentliche Ar- nissen kommen werden. Wenn es nach uns geht, mut wächst. Die Altschulden sind ein gesamt- gern auch früher. staatliches Problem in Deutschland, und dieses (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE Problem bedarf einer gemeinsamen Lösung. GRÜNEN) Gleichzeitig steht uns eine Steuer zur Verfügung, Ich hoffe, dass wir dieses Signal trotz des unter- die gerade deshalb Akzeptanz gefunden hat, weil schiedlichen Abstimmungsverhaltens der Regie- sie einer anderen gesamtdeutschen Herausforde- rungsfraktionen und der CDU gemeinsam in den rung gedient hat. Der Soli hat effektiv dazu beige- Bund tragen. Die Debatte wird ja jetzt nicht been- tragen, dass die Wiedervereinigung gelang. In Zu- det, sondern sie geht im Bund erst richtig los. kunft kann er dazu beitragen, dass die öffentliche - Schönen Dank. Armut in Deutschland nicht noch weiter wächst. Ich glaube auch, dass das Akzeptanz bei den Men- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD schen finden wird, gerade auch, weil alle Bundes- und SSW) länder und Kommunen und nicht nur eine bestimm- te Region davon profitieren werden. Die Bürgerin- Vizepräsident Bernd Heinemann: nen und Bürger können schon über den Rand ihres eigenen Portemonnaies hinausschauen. Sie sehen, Für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete dass ihr persönlicher Wohlstand auch von den öf- Dr. Heiner Garg das Wort. 2834 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Dr. Heiner Garg [FDP]: Vizepräsident Bernd Heinemann: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Dr. Garg, gestatten Sie eine Was Sie hier machen, ist kein Beweis dafür, dass Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Steg- Sie Verantwortung übernehmen wollen; vielmehr ner? wollen Sie sich mit Ihrem Antrag aus der Verant- wortung stehlen. Sie wollen sich auch der Verant- Dr. Heiner Garg [FDP]: wortung schleichen. Der guckt zwar gerade so böse - vorhin hat er fröh- (Beifall FDP) licher geguckt -, aber selbstverständlich. Ein Auslagern der Schulden ist nichts anderes als der beste Beleg dafür, dass Sie die Verantwortung Vizepräsident Bernd Heinemann: für die Schulden schlichtweg abgeben wollen. Sehen Sie, er guckt freundlicher und darf jetzt fra- Herr Andresen, warum schießen Sie die Schulden gen. nicht einfach zum Mond? Dann sind sie nicht mehr da. Das macht doch alles nichts; dann fangen wir Dr. Ralf Stegner [SPD]: Mich hat nur die von vorne an und machen fröhlich neue. Das und Spannung, ob Sie das zulassen oder nicht, so nichts anderes steckt hinter Ihrem Antrag. Meine nervös gemacht. Damen und Herren, was glauben Sie eigentlich, wie sehr sich die Regierung vor Ihnen gefreut hätte, sie Dr. Heiner Garg [FDP]: hätte die Schulden, die unter anderem unter Heide Ach Gott, Her Stegner! Simonis und Björn Engholm aufgehäuft worden sind, einfach abgeben können, sodass sie einfach - Aber ich bin ganz froh, dass Sie mir erlau- nicht mehr dagewesen wären? Dann hätten wir sehr ben, zwei Bemerkungen zu machen. viel geringere Probleme gehabt. Erstens möchte ich Sie gern darauf aufmerk- Wir haben jedoch - anders als Sie - die Verantwor- sam machen, dass der Altschuldentilgungs- tung übernommen. Sie wollen diese Verantwortung fonds, so wie wir ihn vorsehen, im Regie- „solidarisch“ abschieben. Sie sehen eine Beteili- rungsprogramm der SPD steht und dass es gung der Länder an einem Altschuldentilgungs- momentan deutlich mehr Länder gibt, näm- fonds entsprechend ihrer Finanzkraft vor. Glauben lich eine klare Mehrheit im Bundesrat - am Sie eigentlich im Ernst, dass dies angesichts der Sonntag, dem 22. September 2013, kommt Debatte um den Länderfinanzausgleich auch nur vermutlich noch das Land Hessen dazu -, die einen Hauch von Chance hat, jemals umgesetzt zu das unterstützen, sodass sich Ihre Frage, wer werden? Sie präsentieren hier Utopien, anstatt sich das eigentlich beschließen soll, damit beant- mit seriöser Politik zu beschäftigen, nur damit Sie wortet. in Zukunft weiter fröhlich Schulden machen kön- Zweitens haben Sie vielleicht registriert, dass nen. unser Konzept vorsieht, dass wir sehr wohl (Vereinzelter Beifall FDP) mit der Tilgung beginnen, und zwar selbst, und dass eine Entlastung zum Beispiel um Ihr Antrag präsentiert nichts anderes als eine 200 Millionen € Zinsen dazu dienen könnte, Scheinlösung, die niemals konsensfähig sein wird. das zu tun, was Sie hier beklagt haben und Erklären Sie doch einmal einem Sachsen mit einer ständig fordern, nämlich in die Infrastruktur Pro-Kopf-Verschuldung von rund 2.200 €, warum zu investieren, um damit zusätzliche Schul- er für die Schulden der Schleswig-Holsteiner auf- den und zusätzliche Lasten durch Reparatur- kommen soll, oder zum Beispiel einem Bayern. kosten zu vermeiden. Das ist Teil des Kon- Warum sollen die Bayern, die ihren Bürgerinnen zeptes. Wenn Sie also in Ihrer Argumentati- und Bürgern bis heute kein beitragsfreies Kita-Jahr on ein bisschen weniger schwarz-weiß drauf- anbieten, auf einmal das beitragsfreie Kita-Jahr der hätten, dann wären Sie noch besser als der Rheinland-Pfälzer finanzieren? Warum, aus reiner Kollege Koch. Solidarität unter den Ländern? - Donnerwetter, Herr Kollege Stegner! Ich habe erstens zur Kenntnis genommen, dass Sie in Ihr Op- positionsprogramm der nächsten Jahre etwas hin- eingeschrieben haben, was Sie verhandelt haben. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2835

(Dr. Heiner Garg)

Das haben Sie ja in Bezug auf den ersten Tagsord- nen Sie auch nichts weiter davon finanzieren. So nungspunkt nicht getan. einfach ist Logik manchmal. Zweitens haben wir wesentlich mehr Empfänger- (Beifall FDP und CDU) länder als Geberländer. Dass man also die reine Im Übrigen ist der ehemalige Präsident des Bundes- Mehrheit im Bundesrat auf seiner Seite hat, kann verfassungsgerichts Papier der Auffassung, dass ich verstehen. Sie haben sich mit Bremen, Berlin spätestens sich ab 2019 der Solidaritätszuschlag und Nordrhein-Westfalen ja auch die besten Bei- verfassungsrechtlich gar nicht mehr begründen spiele und die besten Vorbilder ausgesucht. Das lässt. Aber ich habe natürlich Verständnis dafür, sind alles Musterländer der Haushaltskonsolidie- dass sich eine Fraktion, die im Zweifel damit argu- rung. mentiert, man wolle ja keine juristische Lösung, (Beifall FDP und CDU) sondern eine politische, um Recht und Gesetz im- mer dann nicht kümmert, wenn das Gesetz zufälli- Wie wollen Sie eigentlich das, was Sie vorhaben, gerweise einmal nicht in den eigenen Kram oder in mit der Angleichung der Lebensverhältnisse in die eigene Wahlkampfrhetorik passt. den Bundesländern begründen? Sie sehen, man kommt ganz schnell zu der Frage, wie die Finanz- (Beifall FDP - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD]) beziehungen zwischen den einzelnen Ländern neu - Wissen Sie, Herr Stegner, ich bin immer fasziniert geordnet werden sollen. davon, dass Sie, der Sie bei Ihren Auftritten, die Herr Stegner, da Sie ja so nett für Ihr Oppositions- durchaus manchmal durch Lebendigkeit, ab und zu programm geworben haben, sage ich Ihnen: Es ist auch durch Originalität glänzen, zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar, wie der Län- (Wolfgang Kubicki [FDP]: Wann denn?) derfinanzausgleich künftig aussehen soll. Es ist im Übrigen auch völlig unklar, wie sich die unter- von den Rednern hier vorn erwarten, dass sie vor- schiedlich regierten Bundesländer in Zukunft dazu sichtig und kleinlaut sind und sich zurückhalten. verhalten werden. Es scheint ausgeschlossen, dass Sie wissen, ich bin weder vorsichtig noch kleinlaut. eine weitere Belastung der Zahler im Länderfinanz- Deswegen sage ich Ihnen: Es gibt eine Alternative ausgleich für die Schulden der Empfänger durch- zu dem Murks, den Sie hier vorgelegt haben, und setzbar ist. zwar in Form des FDP-Antrages. Dem können Sie ja zustimmen. Sie wollen doch schließlich auch Natürlich wird ein zusätzliches Engagement des Rechtstaatspartei sein. Jedenfalls die Grünen be- Bundes im Zweifel notwendig sein, und zwar in ei- haupten das immer von sich selbst. Also: Nur Mut, ner Form, wie er es beispielsweise auch bei den stimmen Sie unserer Alternative zu! Dann brauchen Konsolidierungshilfen gemacht hat. Aber die Vor- wir uns mit dem Murks, den Sie hier vorgelegt ha- schläge hierfür dürfen schon ein wenig realistischer ben, nicht länger zu befassen. sein. (Beifall FDP) Das gilt auch für den etwas verzweifelten Versuch von Rasmus Andresen, unsere Finanzierungsalter- native hier madig zu reden. Dem FDP-Gedanken ist Vizepräsident Bernd Heinemann: möglicherweise doch mehr abzugewinnen, als Sie Für die Piratenfraktion hat der Herr Fraktionsvorsit- das bisher getan haben, Herr Kollege Andresen. zende Torge Schmidt das Wort. Verfassung schert Sie - das haben Ihre Ausführun- gen gezeigt - offensichtlich überhaupt nicht. Torge Schmidt [PIRATEN]: Ich will einmal darauf hinweisen: Es ist nicht nur Danke schön, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen die FDP-Fraktion, die verfassungsrechtliche Be- und Herren! Die Bewältigung der erdrückenden denken anmeldet. Herr Winter, Sie haben gesagt, Schuldenlasten und der damit verbundenen Zinslas- ab 2019 werden Mittel aus dem Solidarpakt frei. ten stellt eine der dringendsten Herausforderungen Nein, die werden nicht frei, sondern sie stehen ver- für die Länder und die Kommunen in ihrer mittel- fassungsmäßig möglicherweise gar nicht weiter zur und langfristigen Finanzplanung dar. Jeden heuti- Verfügung. Möglicherweise handelt es sich bei dem gen Euro werden wir in der Zukunft doppelt und Soli, den Sie schon wieder für die nächsten 30 Jah- dreifach zurückzahlen müssen. Die Umwandlung re verplanen, um eine Abgabe, die Sie nach 2019 des Solidaritätsfonds in einen Altschuldentilgungs- gar nicht weiter zur Verfügung haben. Dann kön- fonds ist eine Möglichkeit, der Herausforderung ge- recht zu werden. 2836 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Torge Schmidt)

An dieser Stelle möchte ich noch einmal Folgendes matik mit einem Altschuldentilgungsfonds anzuge- betonen und auf meine Rede aus der ersten Lesung hen. hinweisen: Für die Errichtung eines Altschulden- Auch die Kollegen von der CDU haben diese Not- tilgungsfonds und eine Teilhabe der Kommunen wendigkeit erkannt und einen Antrag ausgearbeitet. und der Länder müssen von Anfang an klare Spiel- Leider ist es nicht zu einem gemeinsamen Antrag regeln gelten. Verstöße müssen von Beginn an ge- gekommen. ahndet und sanktioniert werden. Die Bildung eines Altschuldungstilgungsfonds stellt eine gravierende Nichtsdestotrotz müssen wir das Thema jetzt ange- Neuausrichtung der Finanzen dar. Wir reden hier hen; denn schließlich geht es hier um die Zukunfts- nicht über die nächsten Jahre, sondern, wenn ich al- fähigkeit unseres Land und unserer Kommunen. lein dem Antrag der Koalition folge, über minde- Mittlerweile müssen wir feststellen, dass die enor- stens weitere fünf weitere Dekaden. Umso wichti- me Verschuldung von Ländern und Kommunen ger wäre es, diesen Beschluss mit einer breiten die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge infrage Mehrheit des Landtages zu fassen. stellt. Der Staat muss aber handlungsfähig sein. Deshalb brauchen wir einen Altschuldentilgungs- (Beifall PIRATEN) fonds. Diese Mehrheit gab es bereits. Gespräche wurden Das Ausmaß der Verschuldung ist beachtlich. Für geführt. Die Differenzen zwischen beiden Anträgen die hoch verschuldeten Länder und Kommunen hätten beigelegt werden können. Die Synopse hat wirkt die Schuldenlast erdrückend, sodass kaum doch gerade verdeutlicht, dass der interfraktionelle noch Freiräume für die Erfüllung der laufenden Dialog auf einem breiten Fundament stand. Der Aufgaben möglich sind. Handlungsspielräume Streitpunkt im Bereich der konkreten Frage, ob ein sucht man hier vergebens. Die Politik hat in diesem möglicher Fonds die Tilgungs- und die Zinslasten Fall eine klare Verantwortung zu tragen. Die Schul- übernehmen soll, wäre beizulegen gewesen. Es hät- denbremse wurde in diesem Haus in die Verfassung te ein fast einstimmiges Signal an die Bundesebene aufgenommen. Das war richtig. Aber nur, wenn wir gesendet werden können. Ich sage: „hätte können“; auch die Altschulden vernünftig in den Griff be- denn anscheinend ist es wichtiger, sich im Wahl- kommen, kann die Schuldenproblematik dauerhaft kampf zu profilieren, anstatt eine angemessene Lö- gelöst werden. sung für die Probleme der Länder und der Kommu- nen zu finden. (Beifall SSW und PIRATEN) (Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU) Der Altschuldentilgungsfonds ist das richtige In- strument. Deswegen sollte sich Schleswig-Holstein Vielleicht wird man so seinem Ego gerecht, den auf Bundesebene für dieses Instrument einsetzen. Problemen der Länder und der Kommunen jeden- Schließlich geht es auch um den Bund; denn er soll- falls nicht. Es gab keine Nachbesserung und keine te die Trägerschaft für diesen Fonds übernehmen Einigung. Wegen der Art und Weise, weil der An- und könnte die Mittel aus dem Solidarpakt nutzen. trag nicht nachgebessert wurde, stimmen wir dem Der Fonds für den Solidarpakt, in den der Solidari- Antrag der CDU zu. - Ich danke Ihnen. tätszuschlag eingezahlt wird, um den Aufbau Ost (Beifall PIRATEN und CDU) zu finanzieren, weist derzeit einen Überschuss im zweistelligen Millionenbereich auf. Der Aufbau Ost Vizepräsidentin Marlies Fritzen: ist längst nicht mehr so kostenintensiv wie noch vor Jahren. Der Bund nimmt damit also wesentlich Für die Kollegen des SSW erteile ich Herrn Abge- mehr ein, als er auszahlt. Diese Mittel könnte man ordneten Lars Harms das Wort. für den Schuldenabbau nutzen. Lars Harms [SSW]: Ein einfaches Auslaufenlassen des Zuschlages wäre meiner Meinung nach nicht besonders zukunftsori- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! entiert. Wir müssen auch an die Zeit nach 2019 Schleswig-Holstein steht in puncto Schuldenproble- denken. Dass sich die Schuldenthematik dann wie matik nicht allein da; diese Problematik zieht sich aus dem Nichts in Luft auflöst, bezweifle ich; denn durch die gesamte Bundesrepublik. Klar ist, dass trotz der relativen konjunkturellen Erholung und nun ein Masterplan her muss, wie die Schulden der erfreulichen Entwicklung der Zensuseinnahmen dauerhaft abgebaut werden können. Deshalb sollte ist die strukturelle Situation des Landes immer noch es im gemeinsamen Interesse aller Bundesländer angespannt. und Kommunen der Republik liegen, diese Proble- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2837

(Lars Harms)

Deswegen müssen wir jetzt etwas tun. Wir können Aus den Solidarpaktmitteln sollte die Tilgung be- nicht mehr wie in den letzten Jahrzehnten dem stritten werden. Herr Kollege Winter, die Tilgung! - Schuldenberg beim Wachsen zuschauen. Wir von Das können Sie aus der Anlage zu dem Schreiben der rot-grün-blauen Koalition haben uns das Her- explizit ablesen. ausnavigieren aus der Haushaltsnotlage als Ziel ge- Das, was Peter Harry Carstensen und Uwe Döhring setzt. Dieses Ziel haben wir fest im Blick, und wir damals gemeinsam vorgeschlagen hatten, ist genau werden es fest im Blick behalten. das, was die CDU-Fraktion beantragt hat, nämlich (Beifall SSW) Tilgung mit den Solidarpaktmitteln, nicht aber - wie in Ihrer Mogelpackung - Zinszahlungen. Abschließend möchte ich betonen, dass wir vom SSW es sehr bedauern, dass es nicht zu einem ge- Wir bringen heute in Form eines Antrags das ein, meinsamen Antrag mit den Kollegen von der was wir, die finanzpolitischen Sprecher von SPD, CDU gekommen ist. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW fraktions- übergreifend vereinbart haben. Jeder, der bedauert, (Tobias Koch [CDU]: Warum?) dass es heute keinen fraktionsübergreifenden An- Dennoch eint uns die Gemeinsamkeit, dass wir trag gibt, ist aufgefordert, unserem Antrag zuzu- einen Altschuldentilgungsfonds wollen. Diese Fest- stimmen, Herr Kollege Winter. stellung möchte ich nicht unter den Tisch fallen las- (Beifall CDU und PIRATEN) sen. Deshalb hoffe ich, dass sich die Kolleginnen und Kollegen der CDU genauso wie wir in der rot- Meine Damen und Herren von den Regierungsfrak- grün-blauen Koalition auf Bundesebene für die Ein- tionen, wenn Sie eine bundesweite Mehrheit für richtung eines solchen Fonds einsetzen. Wie er aus- einen Altschuldentilgungsfonds organisieren wol- gestaltet sein wird, wird man sehen. Wichtig ist, len, dann hilft es doch nichts, wenn Sie die Unter- dass einer kommt. Darin sind wir uns einig. Diese stützung der größten Schuldenmacher dieser Repu- Einigkeit sollten wir in die Koalitionsverhandlun- blik organisieren. Sie müssen doch die Unterstüt- gen einbringen, unabhängig davon, wer später in zung des Bundes und der Länder, die etwas einbrin- Berlin regieren wird. Wir alle sind gefragt, die In- gen sollen, organisieren. Es reicht nicht aus, auf teressen des Landes entsprechend zu vertreten. Bremen, Berlin und Nordrhein-Westfalen zu setzen. (Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE (Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD]) GRÜNEN und Dr. Patrick Breyer [PIRA- - Wir unterbreiten Ihnen hier einen Vorschlag, bei TEN]) dessen Annahme wir bundespolitisch eine Chance hätten, für Schleswig-Holstein etwas zu tun. Diese Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Chance konterkarieren Sie aus rein parteitaktischem Zu einem Dreiminutenbeitrag hat nun Herr Kollege Kalkül, Herr Dr. Stegner. Das ist das Problem. Wir Tobias Koch von der CDU-Fraktion das Wort. bringen den Vorschlag ein, den Peter Harry Car- stensen und Uwe Döhring damals ausgearbeitet ha- Tobias Koch [CDU]: ben: Tilgung aus Solidarpaktmitteln! Altschulden tilgen und keine Zinsen zahlen! Dem sollten Sie zu- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und stimmen. - Herzlichen Dank. Herren! Als ich in der April-Debatte darauf hin- wies, dass der Altschuldentilgungsfonds keine Er- (Beifall CDU und PIRATEN) findung von Rot-Grün-Blau ist, sondern von Peter Harry Carstensen bereits in die Föderalismuskom- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: mission eingebracht worden war, haben Sie sich Für die Landesregierung erteile ich der Frau Fi- darüber noch köstlich amüsiert. Heute berufen Sie nanzministerin Monika Heinold das Wort. selbst sich darauf. Zufälligerweise habe ich das Schreiben dabei, das Monika Heinold, Finanzministerin: Peter Harry Carstens damals an die Föderalis- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die muskommission richtete. Darin können Sie es europäische Staatsschuldenkrise hat uns mit aller nachlesen: Der Fonds sollte im Volumen von Macht vor Augen geführt, was passieren kann, 28 Milliarden € für Zins und Tilgung aufkommen. wenn das Vertrauen der Menschen in die Leistungs- Die Länder sollten dafür das einbringen, was sie fähigkeit des Staates verloren geht. Sie hat gezeigt, bisher an Zinsen gezahlt haben: 23,5 Milliarden €. wie wichtig es ist, dass die Politik die Verschul- 2838 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Ministerin Monika Heinold) dung der öffentlichen Haushalte in den Griff be- (Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE kommt. Deshalb ist es gut, dass wir seit 2010 auf GRÜNEN und SPD) Bundes- und auf Landesebene die Schuldenbremse Ich weiß, für die Ausgestaltung gibt es sehr unter- haben und bis 2020 die Neuverschuldung auf null schiedliche Konzepte. Sie wird wahrscheinlich we- zurückfahren werden. niger dadurch bestimmt, ob wir uns hier auf ein (Beifall Lars Harms [SSW]) Konzept verständigen, sondern sie wird letztlich daran hängen, ob es partei- und länderübergreifend Der Abbau der Defizite in den öffentlichen Haus- gelingt, ein gemeinsames Konzept hinzubekom- halten kann beim Ausstieg aus dem Schuldenstaat men. aber nur eine Zwischenetappe sein. Den ganzen Weg werden wir erst beschritten haben, wenn wir (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD auch den Abbau unserer Schuldenberge gemeistert und SSW) haben. Meine Damen und Herren, Sie wissen es: Ich selbst Schleswig-Holstein hat über fünf Jahrzehnte hin- war immer dafür, Schulden und Zinsen aus dem weg Schulden in Höhe von über 27 Milliarden € - Topf zu bedienen. Ich bin also eine Anhängerin des die schleswig-holsteinischen Kommunen noch ein- Ursprungsmodells, mal von 3,6 Milliarden € - aufgetürmt. Die Ver- (Beifall Wolfgang Dudda [PIRATEN]) schuldung des Landes hat dazu geführt, dass wir im vergangenen Jahr knapp 910 Millionen € für den das besagte, dass alle Länder für den Altschulden- Zinsdienst hergeben mussten, und das trotz der tilgungsfonds das, was sie jetzt an Zinsen zahlen, in Phase niedriger Zinsen, die wir zurzeit haben. Etwa einen Fonds zahlen. Daraus werden - ergänzt durch jeder siebte Steuereuro fließt damit nicht in die Fi- den Soli - Schulden und Zinsen bedient. Die struk- nanzierung von Kita-Plätzen und Lehrerstellen, turschwachen Länder, und das ist der Unterschied auch nicht in die Verbesserung unserer Infrastruk- zu Ihrem Antrag, werden dann entlastet, damit wir tur oder in andere wichtige Zukunftsfelder. Nein, er weniger zahlen als bisher. Der Soli finanzierte dies fließt in die Taschen der Finanzinvestoren, die dem sozusagen quer. Das fehlt in Ihrem Antrag. Land Kredite gegeben haben. Ohne Zinsverpflich- Ich glaube, dass das ein gutes Modell ist. Herr tungen würde Schleswig-Holstein schon heute Koch, Sie brauchen das gar nicht zu fragen. Ich einen Haushaltsüberschuss erwirtschaften. weiß, dass der Antrag, der heute verabschiedet (Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]) wird, dies nicht eins zu eins in meinem Sinne wi- derspiegelt. Hier greift aber, was ich vorhin sagte: Die Diskussion über die Erhöhung der Grunder- Letztlich ist relativ egal, wie kleinteilig differen- werbsteuer bräuchten wir dann ebenso wenig zu ziert unsere Vorstellungen sind. Entscheidend ist, führen wie so manche Schlaglochdebatte. Meine dass der Altschuldentilgungsfonds, so heißt der Damen und Herren, all das zeigt: Es ist an der Zeit, Fonds, länder- und parteiübergreifend umgesetzt den Abbau der öffentlichen Schuldenberge bundes- wird. weit in Angriff zu nehmen. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD (Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]) und SSW) Der Altschuldentilgungsfonds - und der Name ist bewusst gewählt - ist dafür der richtige Ansatz- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: punkt. Seine Einrichtung wäre ein klares Signal der deutschen Politik, mit dem Ausstieg aus dem Frau Ministerin, der Abgeordnete Koch hat den- Schuldenstaat Ernst zu machen. Ich hoffe deshalb, noch einige Fragen an Sie. Würden Sie diese zulas- dass meine Länderkolleginnen und -kollegen für sen? diesen Ansatz zu gewinnen sind. Der Kollege Wie- gard, aber auch Herr Stegner in seiner früheren Monika Heinold, Finanzministerin: Funktion als Minister und viele andere, haben sich Ja. immer wieder für den Altschuldentilgungsfonds eingesetzt und unterschiedliche Konzepte erarbei- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: tet, die sich unterschiedlich weiterentwickelt haben. Nun ist es an mir, bundesweit für einen Altschul- Herr Koch, bitte schön. dentilgungsfonds zu werben. Tobias Koch [CDU]: Frau Ministerin, wir wissen noch gar nicht, welcher Antrag heute Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2839

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

verabschiedet wird. Die Abstimmung steht - Ich weiß nicht, ob Sie alle über die Verschuldung noch aus. unseres Landes diskutieren. Das würde mich freu- en, wenn Sie sich intensiv damit beschäftigen wür- Monika Heinold, Finanzministerin: den. Herr Koch, ich habe keine Stimme, um das klar zu Ich glaube, es ist ganz wichtig, diese Situation jetzt sagen. zu nutzen. Ich glaube aber auch, dass wir dann, wenn wir den Soli sukzessive umwidmen, wir dies - Sie haben keine Stimme, das ist bedauer- auch verfassungsrechtlich klären sollten und dass lich, denn Sie würden ja unserem Antrag zu- wir neu benennen sollten, wofür die Zahlung mög- stimmen. Würden Sie mir recht geben, dass lich ist, und zwar verfassungsrechtlich abgedeckt. es nicht allein auf den Titel Altschuldentil- gungsfonds ankommt, sondern auf den Inhalt Ich möchte noch kurz auf die Alternative des FDP- eines Fonds? - Würden Sie mir recht geben, Antrags eingehen. Mich hat der zweite Absatz des dass es wünschenswert wäre, wenn das Kon- FDP-Antrags erstaunt. Die FDP will finanzielle zept, das Sie gerade beschrieben haben und Handlungsspielräume nutzen und sagt, dass sie des- was sich auch in unserem Antrag wiederfin- halb - wie bei der Grunderwerbsteuer, die scheinbar det, eine Mehrheit in unserem Parlament fin- ein Erfolgsmodell ist - jetzt auch für andere Länder- den würde? steuern den Steuersatz eigenständig festlegen will. Daraus schließe ich, dass Sie es als Erfolg einstu- (Beifall Volker Dornquast [CDU]) fen, dass die Länder ihre Einnahmen über die Erhö- - Erstens ist für mich der Titel Altschuldentilgungs- hung der Grunderwerbsteuer stärken. So würde ich fonds wichtig, weil er genau beschreibt, worum es das lesen. geht. Zweitens führen beide Anträge dazu, dass (Christopher Vogt [FDP]: Das ist eine intel- mittel- oder langfristig auch getilgt wird. Das ist be- lektuelle Glanzleistung! - Man muss nicht al- schrieben worden. Wenn man einen Altschuldentil- le Steuern erhöhen!) gungsfonds aufmacht, dann sagt die eine Seite: Die Zahlungen, die die Länder leisten, sollen sowohl Daraus schließe ich, dass Sie die Option, dass Län- die Zinsen bedienen als auch der Tilgung dienen. der über die Einkommensteuer oder über andere Die andere Seite sagt: Die Zahlungen sollen erst Steuern eine Stärkung ihrer Steuereinnahmen vor- einmal unsere Zinsen reduzieren, damit wir dann nehmen, als Möglichkeit ansehen. die Möglichkeit haben, zu tilgen. Zu den Deutschland-Bonds: Als wir damals - (Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]) schon vor mehreren Jahren - über die Deutschland- Bonds geredet haben, haben wir uns immer mit der Beides führt dazu, dass die Schulden mittelfristig Frage beschäftigt, was diese für Schleswig-Holstein sinken. Das ist das Entscheidende. Hätte diese Seite bringen könnten. Ich hatte relativ große Hoffnun- des Hauses keinen Altschuldentilgungsfonds ge- gen. Dennoch will ich Ihnen das etwas ernüchtern- wollt, dann hätte sie ihn auch nicht so genannt. de Ergebnis der ersten Tranche mitteilen, damit wir Meine Damen und Herren, das Interessante an der wissen, worüber wir reden, wenn wir Alternativen Debatte ist, dass der Zeitpunkt für die Einrichtung zum Altschuldentilgungsfonds vorschlagen: eines solchen Fonds günstig ist, weil wir mit dem An dieser ersten Tranche hatte sich Schleswig-Hol- Auslaufen des Solidarpakts II von Jahr zu Jahr bei stein mit einer Summe von 240 Millionen € betei- gleichbleibenden Einnahmen sinkende Ausgaben ligt. Unser Profit belief sich schätzungsweise auf haben, und zwar über den Solidaritätszuschlag. 0,03 %. Das entspricht 72.000 €. Würden wir jedes Das heißt, wir haben die einmalige Situation, dass Jahr von den 3 bis 4 Milliarden €, die wir um- eine Steuer, die jetzt von den Bürgerinnen und Bür- schichten, 2 Milliarden € tatsächlich über das gern gezahlt wird, nicht mehr in voller Höhe und Deutschland-Bonds-Modell und nicht - wie bisher - später gar nicht mehr für die Aufgabe gebraucht selbst einsetzen, dann hätte dies eine Einsparung wird, für die sie gedacht wurde, und wir haben die von 600.000 € zur Folge. Das scheint mir noch Möglichkeit, diesen Fonds ohne zusätzliche Steuer- nicht die komplette Lösung zu sein, um von unse- belastungen für die Bürgerinnen und Bürger zu rem Schuldenberg herunterzukommen. speisen. Diese Chance sollten wir nutzen. (Christopher Vogt [FDP]: Und wenn das (Unruhe) Zinsniveau wieder steigt, Frau Ministerin?) 2840 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Ministerin Monika Heinold)

Das ist zumindest aber ein kleiner Anfang. Schles- Ich lasse jetzt über die Anträge abstimmen, für die wig-Holstein wird sich weiter an diesem Weg betei- eine Beschlussempfehlung des Finanzausschusses ligen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. vorliegt. Der Ausschuss empfiehlt, den Änderungs- antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 18/776, (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, abzulehnen. Wer dieser Ausschussempfehlung fol- SSW) gen und so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD, Vizepräsidentin Marlies Fritzen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und die Abge- Vielen Dank, Frau Ministerin. Die Ministerin hat ordneten des SSW. Wer lehnt die Ausschussemp- die vereinbarte Redezeit um gut 2 Minuten überzo- fehlung ab? - Das sind die Fraktionen von PIRA- gen. - Ich sehe nicht, dass von dieser zusätzlichen TEN und CDU. - Enthaltungen sehe ich keine. Da- Redezeit Gebrauch gemacht werden möchte. Ich mit ist die Ausschussempfehlung mehrheitlich an- stelle fest, dass keine weiteren Wortmeldungen vor- genommen. liegen. Ich schließe die Beratung. Schließlich empfiehlt der Ausschuss die unverän- Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst lasse ich derte Annahme des Antrags Drucksache 18/744. über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Wer dieser Ausschussempfehlung folgen und so be- Drucksache 18/1086 (neu), abstimmen. Wer diesem schließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Antrag zustimmen will, den bitte ich um sein Hand- Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS zeichen. - Das sind die Mitglieder der Fraktion der 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW und FDP. Wer stimmt gegen den Antrag der FDP? - der Kollege Dr. Breyer von der Piratenfraktion. - Das sind die Mitglieder der Fraktionen von SPD, Alle anderen Kollegen haben dagegen gestimmt. - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Abgeordneten Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist diese Aus- des SSW und der Kollege Dr. Breyer von der Pira- schussempfehlung mehrheitlich angenommen. tenfraktion. Wer enthält sich? - Das sind die übri- Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 31: gen Mitglieder der Piratenfraktion sowie die Kolle- gen der CDU-Fraktion. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt. Kein Veggie-Day in öffentlichen Kantinen Ich lasse weiter über den Änderungsantrag der Antrag der Fraktion der FDP Fraktion der CDU, Drucksache 18/1093, abstim- Drucksache 18/1046 men. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Nach § 63 Abs. 2 der Geschäftsordnung muss eine namentliche Abstimmung stattfinden, wenn sie von Angebot vegetarischer Gerichte in öffentlichen 18 Abgeordneten oder zwei Fraktionen verlangt Kantinen wird. Wer den Antrag auf namentliche Abstim- Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜND- mung unterstützen will, den bitte ich um sein Hand- NIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des zeichen. - Das sind die Mitglieder aller Fraktionen. SSW Gegenstimmen und Stimmenthaltungen sehe ich Drucksache 18/1073 nicht. Das Quorum ist erreicht. Ich bitte nun die Schriftführerinnen, mit der namentlichen Abstim- Das Wort zur Begründung wird offenbar nicht ge- mung zu beginnen. wünscht. - Dann eröffne ich die Aussprache und er- (Namentliche Abstimmung)1 teile der Kollegin Klahn von der FDP-Fraktion das Wort. - Die Kollegen neben mir haben das Abstimmungs- ergebnis ausgezählt und sind übereinstimmend zu Anita Klahn [FDP]: folgendem Ergebnis gekommen: Dem Änderungs- antrag in der Drucksache 18/1093 haben 26 Abge- Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrtes Prä- ordnete zugestimmt, 41 Kolleginnen und Kollegen sidium! Alkoholverbot im ÖPNV, Verbot von Al- haben ihn abgelehnt. Damit ist der Änderungsan- koholwerbung auch an Karneval, keine Flat-Rate- trag abgelehnt. Partys, Billigflug- und Nachtflugverbot, Grillverbot in Parks und auf den Grünflächen, Heizpilzverbot, (Beifall SSW und vereinzelt SPD) Schnäppchenverbot, Plastiktütenverbot, Rauchver- bot im Biergarten, Werbeverbot für Fahrzeuge mit

1 Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt als Anlage bei Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2841

(Anita Klahn) hohem Benzinverbrauch und großem Schadstoff- Lebenseinstellung und enthält das Misstrauen den ausstoß, Fahrverbot für Pkw an Sonntagen, an ver- Bürgerinnen und Bürgern des Landes gegenüber, kaufsoffenen Sonntagen, Verbot der Stand-by- um eine gesunde Ernährung zu wissen. Funktion von Elektrogeräten, Verbot von Süßigkei- Der Veggie-Day ist wahrscheinlich nur die Spitze tenwerbung im Umfeld von Kinderfernsehprogram- des grünen „Verbotseisberges“, der sich mittlerwei- men, Verbot von Tieren in Zirkussen, von Ponyrei- le mit ziemlicher Regelmäßigkeit in das Fahrwasser ten auf öffentlichen Veranstaltungen, Verbot von der Bundespolitik verirrt. Womit wollen Sie die Lichtverschmutzung, von getrenntgeschlechtlichen Menschen also noch gängeln? Müssen wir nach Toiletten, von 1.-Klasse-Abteilen in Zügen; Tempo dem Verbot von Fleischgerichten an bestimmten 120 ist nichts anderes als ein Verbot der individuel- Tagen in Zukunft auch mit salz- und zuckerfreier len Selbstbestimmung der Fahrgeschwindigkeit auf Kost in den Kantinen rechnen? Müssen Personen, Autobahnen, und eben das Fleischverbot an minde- die eine 150-m2-große Wohnung bewohnen, zu- stens einem Wochentag in Schulen, Kitas und öf- künftig mit einer Luxusabgabe rechnen oder mit ei- fentlichen Verwaltungen, der Veggie-Day, meine nem Alleinwohnverbot, nur weil das nach Ansicht Damen und Herren. Einige Parteien - wir wissen al- der Grünen Luxus ist? le, welche ich meine -, neigen leider allzu oft dazu, Themen, Verhaltensweisen im Alltag der Men- (Wolfgang Kubicki [FDP]: In Berlin schon!) schen zu moralisieren und Regeln - In Berlin ist es so, genau. vorzuschreiben, die allein das persönliche Umfeld und die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen betref- (Zuruf) fen. Die von mir eingangs aufgezählte Verbotsliste war (Beifall FDP) bei Weitem nicht abschließend. Das Einzige, was man jedoch vergeblich in der Aufzählung sucht, ist Die Gesundheit wird als Argument herbeigezogen das Verbot des Konsums von Cannabis. Der Kreati- und den Menschen die Entsagung als Mittel für vität der Hüter über das ökologische und morali- einen gesunden Körper, ein langes Leben und eine sche Gewissen der Bundesrepublik sind keine heile Welt suggeriert. Wenn es passt, wird an das Grenzen gesetzt. Manches Mal könnte man meinen, ökologische Gewissen appelliert, und wer will dass der längst vergessene moralisierende, spieß- schon durch sein Verhalten am Abschmelzen der bürgerliche Michel bei den Grünen seine echte Re- Eisberge schuld sein? naissance erfährt. Doch wo hören Regelungsnotwendigkeiten, zum (Beifall FDP und CDU) Beispiel zum Schutze von Dritten, zum Schutz der Umwelt, auf, und wo beginnt die Bevormundung? Eines ist gewiss. Ich möchte ein Zitat von Christian Ein Veggie-Day für alle öffentlichen Kantinen, also Lindner bemühen: das Vorschreiben eines fleischlosen Tages, käme „Die Grünen betrachte den Staat als Instru- einer beispiellosen Bevormundung der Konsu- ment, um ihre gesellschaftspolitischen Vor- menten gleich, stellungen notfalls gegen die Menschen (Beifall FDP) durchzusetzen. Und wir betrachten den Staat als Diener, der den Menschen ermöglichen zumal es in den öffentlichen Kantinen schon jetzt soll, ihre eigenen Vorstellungen von ihrem vegetarische Angebote gibt, auch aus regionaler Leben zu realisieren.“ Produktion, und zwar einzig und allein aus dem Grund, dass es zunehmend nachgefragt wird. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Meine Damen und Herren, welche Nahrungsmittel ich wann zu mir nehme, ist eine rein persönliche Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenbemer- Entscheidung, kung oder -frage des Abgeordneten Dr. Patrick Breyer? (Beifall FDP und CDU) die keinerlei Auswirkungen auf Dritte hat. Diese Anita Klahn [FDP]: Freiheit sollten sich die Bürgerinnen und Bürger Ja, gern. auch nicht nehmen lassen. Die Forderung, der Veggie-Day solle Standard wer- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: den, ist das Überstülpen einer ganz persönlichen Bitte schön, Herr Dr. Breyer. 2842 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Frau Kol- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: legin, darf ich Ihre erfreuliche Nebenbemer- Frau Kollegin, vor die Mittagspause - egal bei wel- kung zum Thema Verbot von Cannabiskon- chem Essen - hat die Tagesordnung noch minde- sum so verstehen, dass Sie in dem Punkt die stens die Rede des Kollegen Heiner Rickers gesetzt, Haltung der PIRATEN teilen, dass dieses den ich jetzt ans Pult bitte. Dann kommen noch die Verbot aufgehoben werden sollte? Reden der weiteren Kollegen. - Danach guten Ap- (Heiterkeit und Beifall PIRATEN, SPD, petit, in der Tat. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP) Heiner Rickers [CDU]: Anita Klahn [FDP]: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich Sie kennen doch meine persönliche Meinung zu hätte auch gern zu anderen Themen geredet. Ich Cannabis. Ich halte Cannabis für gesundheitsschäd- halte sowohl den Antrag der regierungstragenden lich, und ich möchte an der Stelle die Menschen Fraktionen als auch das ganze Thema für etwas schützen. überzogen, aber frage mich natürlich: Woher kommt ihr eigentlich, ihr Grüne? Sind überhaupt (Beifall Dr. Ekkehard Klug [FDP] - Zuruf noch Leute aus der Urbewegung „AKW-nee“ übrig, SPD: Aber das ist rein vegetarisch! - Heiter- Herr Voß? keit) (Angelika Beer [PIRATEN]: Ja, ich! - Hei- - Sie können sich gern darüber lustig machen, es terkeit und Beifall CDU, FDP und PIRA- zeigt mir, dass Sie Ihren eigenen Antrag, Ihre eige- TEN) ne Formulierung wirklich nicht ernst meinen. Ich finde es noch grotesker, dass Sie die Menschen in - Sind Sie auch bei den Grünen? Das freut mich, unserem Land damit belästigen, ganz ehrlich. Frau Beer. Da kann ich auch hoffen, dass Sie zu dem Thema sprechen. (Beifall Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Vol- ker Dornquast [CDU]) Einmal in der Woche Fleisch zu verbieten, Canna- bis aber freizugeben, kann es natürlich nicht sein. Meine Damen und Herren, lassen Sie den Men- Allein diese Anglizismen wie „Veggie-Day“! Wird schen die Wahlfreiheit, an welchem Tag der Wo- es deutsch Veggie-Day oder englisch Veggie-Day che auch immer genau das zu essen, was sie wollen. ausgesprochen? Also Veggie-Day. (Beifall FDP und CDU) (Zuruf: Ist egal, iss Gemüse!) Wohl gemeinte Ratschläge von Frau Künast, ein- Dann müssen Sie mich auch aufklären, wo es letzt- mal ausprobieren zu können, wie es ohne Fleisch endlich herkommt. Soll es vegetarisch werden, mit auf dem Mittagsteller wäre, darf die persönliche Gemüse? Oder soll es vegan sein? Das ist die große Freiheit in keinem Fall beschränken. Entgegen der Frage. Das alles wäre negativ behaftet. Deswegen Auffassung einiger grüner Politiker vertrete ich die sagt man auch nicht „Einmal-Vegetarier-Tag“ in Meinung, dass der informierte und selbstbestimmt der Woche, sondern tatsächlich „Veggie-Day“. Da handelnde Verbraucher tatsächlich existiert. haben Sie meine Aussprache korrigiert, und da ha- (Zuruf Olaf Schulze [SPD]) ben Sie recht. Dieser benötigt derartige wohl gemeinte Ratschläge Was uns zunehmend belastet und auch irgendwie nicht. Die Bürger sind mündig und intelligent, auf den Nerv geht, ist die Überheblichkeit und Ar- selbstständig Entscheidungen über ihre Nahrungs- roganz, mit der die Grünen hier tatsächlich als Gut- mittel zu treffen, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Ich menschen auftreten. empfehle Ihnen dringend, nicht nur bei dieser The- (Beifall CDU, FDP und Wolfgang Dudda matik einmal über den Tellerrand zu schauen. [PIRATEN]) Lassen Sie mich mit dem Zitat des Satirikers Wi- Das habe ich erwähnt. Sie haben nur dann die selig- glaf Droste enden: machende Weisheit gepachtet, wenn sie wie bei uns „Richtig glücklich ist ein Grüner erst, wenn in der Landesregierung auch in Regierungsverant- er anderen etwas verbieten kann.“ wortung sind. In Wirklichkeit ist diese Wortkreati- - Guten Appetit. on aber nur der plumpe Versuch, bei Tierfreunden und Vegetariern Wählerstimmen im Wahlkampf zu (Beifall FDP, CDU und PIRATEN) sammeln. Ich denke auch an den Tierschutz, wir Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2843

(Heiner Rickers) werden nachher in der Debatte vielleicht noch ein- ste Klasse in der Bahn verbieten. Das gipfelt natür- mal darauf eingehen. Was machen Sie denn mit lich in Bevormundung der Bürger und scheint zum großen Problemen? Denken Sie einmal an die Aus- grünen Volkssport geworden zu sein. So kann es nahmegenehmigung des Schächtens. Hat das noch nicht gehen. Die Verbote sind aus einem Artikel der irgendwo mit Veggie-Day und Auswirkungen auf „Welt“ aus der letzten Woche. Ich frage mich, Tierschutz auf Verhalten in Bezug auf Fleischkon- warum spekuliert die „Welt“ dann auch dement- sum zu tun? sprechend weiter: Warum so oberlehrerhaft dieser Ton auch in der Öffentlichkeit? Vizepräsidentin Marlies Fritzen: „Vielleicht liegt es daran,“ Herr Kollege Rickers, gestatten Sie eine Frage des - das kommt auch nicht von mir, sondern auch wie- Herrn Abgeordneten Matthiessen? der aus der „Welt“ -:

Heiner Rickers [CDU]: „dass so viele Lehrer und Beamte unter ihnen sind.“ Sie dürfen natürlich auch gern eine Frage stellen, ja bitte. (Christopher Vogt [FDP]: Keine Lehrerschel- te!) Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Das haben wir vorhin schon einmal diskutiert. Herr Matthiessen, bitte. Ich sage Ihnen: Wir haben in Deutschland mündige Bürger, da kann jeder selbst entscheiden, ob er nun (Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU] - Heiterkeit) den Hamburger mit Fleisch oder den Tofu-Burger Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE essen möchte. Sie von der regierungstragenden GRÜNEN]: Herr Kollege Rickers, Sie haben Fraktion der Grünen – namentlich der Grünen - eben die Grünen pauschal als Gutmenschen geht das nichts an. Ein alter Spruch aus der Fleisch- bezeichnet. wirtschaft ist nun wirklich Vergangenheit, und das freut auch uns. Der lautete: „Fleisch muss sein, hau Heiner Rickers [CDU]: rein!“ - So hat die Nordfleisch immer getitelt. Da- von sind wir weit entfernt. - Herzlichen Dank. Anerkennend! (Heiterkeit und Beifall CDU, FDP, PIRA- Es gibt in der klassisch-humanitären deut- TEN, SSW und vereinzelt SPD) schen Kultur immerhin die Redewendung, der Mensch sei hilfreich, edel und gut. Ist für Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Sie Gutmensch ein mit negativer Konnotati- on behafteter Begriff? Finden Sie Gutmen- Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Kirsten schen schlecht, oder warum verwenden Sie Eickhoff-Weber das Wort. solche Worte, um eine Gruppe zu kennzeich- nen? Mir schien es mit einem Hauch der Ver- Kirsten Eickhoff-Weber [SPD]: achtung gesagt. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da- (Zurufe CDU: Oh!) men! Sehr geehrte Herren! Ich mache mir ein - Vielen Dank, Herr Matthiessen. Verachtung wäre bisschen Sorgen, weil in meiner Rede das Wort absolut übertrieben. Aber einen Hauch von Ironie Verbot nicht einmal vorkommt. kann man durchaus unterstellen. (Christopher Vogt [FDP]: Gerade eben! - (Beifall CDU und FDP) Beifall Dr. Heiner Garg [FDP]) Meine Vorrednerin, Frau Anita Klahn, hat es ge- Bleiben wir doch einfach einmal beim Thema. Es sagt: geht heute nämlich nicht um die Wurst, heute geht es um ein gutes Angebot vegetarischer Gerichte „Motorrollerverbot, Billigflugverbot, Nacht- aus regionalen Produkten in den Kantinen und flugverbot, Raucherverbot, Computerspiel- Mensen des Landes Schleswig-Holstein. verbot, Heizpilzverbot, punktuelles Limona- deverbot.“ Es gibt nichts, was Demoskopen nicht auch partei- politisch aufgeschlüsselt hätten. So veröffentlichte Erst Anfang des Monats wollte Ihre Landesvorsit- „DIE ZEIT“ vor ein paar Wochen eine Umfrage, zende sogar noch - das muss ich nachlesen - die er- 2844 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Kirsten Eickhoff-Weber) wonach 61 % der FDP-Wähler öfter als zweimal die Fläche der deutschen Ökoäcker wuchs aber die Woche Fleisch essen. langsamer. Verpennen wir da gerade einen Markt? (Christopher Vogt [FDP]: Freiwillig! - Anita (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Klahn [FDP]: Und ist das jetzt schlimm?) und SSW) Wähler der Grünen tun dies nur zu 38 %, und Wäh- ler der SPD immerhin zu 52 %. Diese Umfrage Vizepräsidentin Marlies Fritzen: zeigt auch, dass die Deutschen insgesamt dem Vor- Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des schlag, dass Kantinen einmal in der Woche nur Herrn Abgeordneten Göttsch? fleischlose Gerichte anbieten sollen, mit 45 % zu 43 % praktisch gespalten gegenüber stehen. Das Er- Kirsten Eickhoff-Weber [SPD]: gebnis dieser Umfrage erklärt dann vielleicht auch die Sorge der FDP. Ja. (Beifall SPD und Lachen FDP) Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Die Sorge - das kann ich Ihnen versichern - ist un- Bitte schön. begründet. Niemand will beschränken. Niemand will Vorgaben machen. Jede Person hat die Freiheit Hauke Göttsch [CDU]: Frau Kollegin, es ist zu essen, was ihr guttut. sehr interessant, dass Sie uns hier eingehend erläutern, was wir essen sollen. (Heiterkeit und Beifall SPD und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Ihnen glaube ich!) (Sandra Redmann [SPD]: Macht sie gar nicht!) Ihr Antrag kommt aus dem großen Topf mit bun- tem Wahlkampfeinerlei - leider nicht genießbar. - Oder dürfen oder sollten! Warum muss sich Daher werden wir ihn ablehnen. die Politik einmischen? Sind Sie nicht mit mir einer Meinung, dass Menschen das frei (Zurufe CDU und FDP: Oh!) entscheiden sollten und wir uns lieber darauf Der Fund der Schöninger Speere, die knapp konzentrieren sollten - - 300.000 Jahre alt sein dürften, hat gezeigt, dass sich (Zuruf SPD: Hat sie gerade schon gesagt!) schon unser früherer Vorfahr, der Homo heidelber- gensis, keineswegs nur von Pflanzen, Beeren und - Ich gehe auf den Vorschlag der Grünen ein, Raupen ernährte, sondern dafür sorgte, dass es am einen Veggie-Day einzuführen. Darum erläu- Wochenende auch mal ein ordentliches Stück tern Sie das ja. - Sollten wir uns nicht lieber Mammut gab. darum kümmern, dass Lebensmittel besser und intensiver geprüft werden? (Heiterkeit SPD - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Das gibt es nicht mehr! Das ist ein Skandal!) Kirsten Eickhoff-Weber [SPD]: Das sollte uns zu denken geben. Denn diese Art der Ernährung, viel Pflanzliches, nur mäßig Fleisch - Herr Göttsch, ich habe bisher nichts anderes gesagt wenn überhaupt -, wird von Ernährungswissen- und nichts anderes beschrieben, als dass jeder frei schaftlern auch heute noch dringend empfohlen. ist zu essen, was ihm gut tut. Dabei bleibe ich auch. Ob mit oder ohne Fleisch, die Ergebnisse des Öko- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, barometers 2013, die die Bundeslandwirtschafts- FDP und SSW) ministerin vor drei Tagen veröffentlichte, zeigen, Wir haben in diesen Landtag einen Antrag einge- dass Bio-Produkte besonders bei jungen Menschen bracht. Darin steht nichts von Veggie-Day. Darin unter 30 Jahren immer beliebter werden. steht nichts von Verbot. Darin steht, dass wir etwas (Christopher Vogt [FDP]: Sehr gut!) fördern wollen. Darauf werde ich gleich gern noch eingehen. Das Handelsvolumen mit Bio-Produkten hat in den vergangen vier Jahren um 21 % zugelegt, (Beifall SPD) (Dr. Heiner Garg [FDP]: Na also! - Christo- Bio-Produkte haben den Alltag vieler Menschen er- pher Vogt [FDP]: Da können wir die Sub- reicht. ventionen ja einstellen!) (Wortmeldung Dr. Heiner Garg [FDP]) Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2845

(Kirsten Eickhoff-Weber)

- Oh, Entschuldigung! Wir wollen einen Dialog mit der regionalen Ernäh- rungswirtschaft für mehr regionale und saisonale (Heiterkeit) Produkte aus nachhaltigem und biologischem Anbau - so, wie es im Antrag steht. Wir sehen Vizepräsidentin Marlies Fritzen: nämlich hier eine Chance für die schleswig-holstei- Das verstehe ich so, dass Sie eine weitere Bemer- nische Landwirtschaft. Denn zurzeit lässt sich nur kung oder Frage des Abgeordneten Dr. Garg gern etwa die Hälfte des Bedarfs an Ökolebensmitteln zulassen möchten. aus heimischer Produktion decken. Und jetzt kom- men Sie mir nicht mit Bio-Ananas und Bio-Bana- Kirsten Eickhoff-Weber [SPD]: nen. Es geht schlicht um heimische Bio-Produkte. Ja. (Anita Klahn [FDP]: Bio-Bananen gibt es!) Die Bundesregierung will die Förderung ausweiten. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Ich zitiere Ministerin Aigner: Bitte schön, Herr Dr. Garg. „Es muss das Ziel sein, möglichst viele Bio- Dr. Heiner Garg [FDP]: Liebe Frau Kolle- Produkte regional zu erzeugen und damit gin, ich nehme Ihre subtile Distanzierung zur auch weite Transportwege zu vermeiden.“ grünen Alternative sehr erfreut zur Kenntnis. Ja klasse, endlich! Wurde auch höchste Zeit! Ihnen nehme ich auch voll und ganz das Be- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kenntnis ab. Aber sind Sie nicht mit mir der und SSW) Meinung, dass, wenn, wie Sie gerade sagen, der Absatz von Bio-Produkten um mehr als Denn hier liegt ein Markt, der endlich durch heimi- ein Fünftel zugenommen hat, keine Rede da- sche Lebensmittelproduktion erschlossen werden von sein kann, dass Sie einen Markt verpen- muss. nen, sondern dass dieser Markt ganz offen- Da ist es genau das richtige Zeichen, dass wir die sichtlich funktioniert? von der Vorgängerregierung gestrichenen Förder- mittel für den biologischen Landbau in Schleswig- Kirsten Eickhoff-Weber [SPD]: Holstein wieder eingeführt haben. Zum ersten Teil würde ich Ihnen gern sagen: An (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mir ist nichts subtil, und an mir ist auch keine Di- und SSW) stanz. Umstellungs- und Erhaltungsprämien werden (Heiterkeit und Beifall SPD und BÜNDNIS wieder gezahlt. Es ist das erklärte Ziel, den Anteil 90/DIE GRÜNEN) der Ökoanbaufläche in den kommenden Jahren zu Wir haben einen Antrag. Der liegt Ihnen vor. Um verdoppeln - Klasse statt Masse! -, auch für den den geht es. Zum Markt und zu den Bio-Produkten Markt der Metropolregion Hamburg - sprechen wir sage ich gleich noch etwas. doch in dem Zusammenhang oft vom Speckgürtel. Also, auch da ist ein Markt. (Beifall und Heiterkeit SPD und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Noch einmal: Bio-Produkte haben den Alltag vieler Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Bemer- Menschen erreicht. Artgerechte Tierhaltung, gerin- kung des Herrn Abgeordneten Christopher Vogt? gere Schadstoffbelastung und zunehmend die Pro- dukte aus regionaler Herkunft sind dabei das Motiv. Kirsten Eickhoff-Weber [SPD]: Die Koalition hat nicht vor, Gästen in Kantinen und Mensen vorzuschreiben, was sie zu essen und nicht Gern. zu essen haben. Die überwiegende Mehrheit der Christopher Vogt [FDP]: Vielen Dank, Frau Kantinen und Mensen im Land bietet nämlich be- Kollegin. - Ich darf Sie darauf hinweisen, reits heute jeden Tag ein vegetarisches Gericht an. dass die Umstellungsprämie auch während Für den, der will: Every Day - Veggie Day! unserer Regierungszeit beibehalten wurde, (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aber die Beibehaltungsprämie abgeschafft und SSW) wurde, die Sie wieder eingeführt haben. 2846 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Kirsten Eickhoff-Weber)

Ich möchte Sie gern Folgendes fragen: Sie Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: haben beschrieben, wie der Markt mit Bio- Werte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kolle- Lebensmitteln boomt. Sollten wir jetzt auch gen! Und jetzt soll ich wieder Ernsthaftigkeit ein- in anderen Boom-Märkten aus Ihrer Sicht kehren lassen. Der Antrag der FDP hat diese Debat- wieder Subventionen aufbauen? te verursacht. - Wissen Sie, mir ist gestern zum Thema Landwirt- (Zuruf FDP: Die Grünen!) schaft schon aufgefallen: Alle, die einen Garten ha- ben, glauben, sie könnten da mitreden. Das ist aber Die FDP tut so, als sei es Absicht der Landesregie- nicht so. rung, in den Kantinen Fleischverbote zu erlassen, um sich dann als Verteidigerin der Freiheit aufzu- (Heiterkeit und Beifall SPD, BÜNDNIS spielen. 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Das ist das Problem der Demo- (Anita Klahn [FDP]: Immer!) kratie!) Sie tut so, als müssten die Bürgerinnen und Bürger Es ist aber nicht so einfach. Manchmal ist es eben vor Bevormundung durch diese rot-grün-blaue Lan- ein fachliches Problem. Die Umstellung von einer desregierung geschützt werden. konventionellen Landwirtschaft auf eine ökologi- (Beifall FDP) sche Landwirtschaft ist ein weiter Weg, wenn wir das wollen. Wir haben oft darüber diskutiert. Wir Das ist absolut lächerlich. Ich darf das einmal auf haben auf europäischer Ebene darüber diskutiert. Es die Spitze treiben: Es hätte nur noch gefehlt, dass ist gesellschaftliche Vereinbarung: Die Prämien Sie in die Vergangenheit gegangen wären und ge- und die Zahlungen sollen gesellschaftlichen Ideen sagt hätten: Hätte es den Veggie-Day schon länger folgen. Die Idee ist, dass wir zu einer gesünderen, gegeben, Rotkäppchen wäre am Donnerstag zum natürlicheren Landwirtschaft kommen. Wolf gegangen und nicht gefressen worden. Was wäre dann aus dem märchenpolitischen Sprecher (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ihrer Fraktion geworden? und SSW) (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Diesen Weg müssen wir begleiten. Diesen Weg Dr. Heiner Garg [FDP]: Der war jetzt echt müssen wir anfangen. Denn Landwirte tragen Risi- lustig!) ko. Landwirte arbeiten nicht nur furchtbar viel, sie tragen auch ein hohes Risiko. Das Risiko ist in der Es ist überhaupt nicht lächerlich, wie wir uns ernäh- Umstellungsphase besonders groß. Da ist es richtig, ren. Der Mensch ist, was er isst. Weil das so ist, ist wenn man ihnen dabei zur Seite steht. es auch nicht egal, wie das Speiseangebot in öf- fentlichen Kantinen und in Schulen beschaffen (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist. Wir setzen uns dafür ein, dass dort ein gesun- und SSW) des, ausgewogenes Speiseangebot da ist. Ich bin auch schon am Ende. In diesem Sinne wün- Wir haben das auch in den Koalitionsverhandlun- sche ich Ihnen ein schönes Wochenende und hoffe, gen berücksichtigt. dass jeder von Ihnen regionale, gesunde Produkte auf dem Teller hat. Es ist egal, ob es Grünkernbur- (Heiterkeit Dr. Heiner Garg [FDP]) ger oder Sauerbraten ist. Sie haben das in unserem Änderungsantrag wieder- (Heiterkeit und anhaltender Beifall SPD, gefunden. Hätte die FDP den Koalitionsvertrag ge- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW) lesen, hätte sie sich den Antrag sparen können. Dabei ist klar, dass der Antrag der FDP im Grunde Vizepräsidentin Marlies Fritzen: auf den Bundestagswahlkampf abzielt. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bernd Voß der (Zurufe CDU und FDP: Oh! - Oliver Kum- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. bartzky [FDP]: Solche Unterstellung!) (Volker Dornquast [CDU]: Es lohnt sich Ich halte es für falsch, im Landtag Wahlkampfre- nicht, danach zu sprechen!) den für den Bundestag zu halten. Aber wenn es sein muss, will ich gern auf das grüne Wahlprogramm zur Bundestagswahl eingehen. Frau Klahn, Sie ha- ben es bereits zitiert und wissen im Grunde ganz Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2847

(Bernd Voß) genau, dass das, was drinsteht, überhaupt keine Be- und dass es nicht um ein Entweder-Oder geht, dass vormundung ist, dass da von keinem Verbot oder es nicht darum geht, entweder Vegetarier oder keiner Beschränkung die Rede ist. Ich kann mich strammer Kämpfer für das billige Stück Fleisch zu voll und ganz dahinterstellen. sein, sondern dass es ein ganz großes Dazwischen gibt. Dieses Dazwischen, den Raum für freie Ent- Was die Grünen im Bund und in Schleswig-Hol- scheidungen jedes Einzelnen, wollen wir erweitern. stein wollen, ist die gesellschaftliche Debatte dar- Dafür stehen wir Grüne - ob im Bund, in Europa über, wie wir uns ernähren und mit welchen sozia- oder auch in den Kommunen. len und Umweltfolgen Nahrungsmittel produziert werden. Diese Debatte haben wir bereits gestern (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zu- geführt. Was für ein Leben hatten die Tiere, bevor ruf Dr. Heiner Garg [FDP]) sie in die Currywurst kamen? Woher kommt unser Obst und Gemüse? Woher kommt unser Brot? Wel- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: che Strukturen in der Landwirtschaft, der Ernäh- rungsindustrie und im Handel hängen damit zusam- Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion der men? PIRATEN hat Frau Abgeordnete Angelika Beer das Wort. Das zu fragen und zu diskutieren hat überhaupt nichts mit Bevormundung oder Beschränkung zu Angelika Beer [PIRATEN]: tun. Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kollegen! Zunächst einmal an die FDP gerichtet: Im Gegenteil, unser Ziel ist nicht die Beschrän- Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal an ei- kung, sondern die Erweiterung des Angebots in öf- ner Debatte über ein grünes Bundestagswahlpro- fentlichen Kantinen und ein vielfältiges Angebot. gramm teilnehme. Ich tue das mit Freude. Auch die Erkenntnis, dass das Stück Fleisch auf (Vereinzelter Beifall, Heiterkeit und Zurufe) dem Teller nicht der zentrale Bestandteil des Essens - Klar, es ist Wahlkampf, aber es geht auch um ern- sein muss, ohne den es nicht geht, haben schon vie- ste Themen. le in diesem Raum einmal gewonnen. Vegetarisch bedeutet nicht, dass nur Fleisch weggelassen wird Sie haben ja nicht ganz unrecht: Statt dass wir - in und ein fades, düsteres gedünstetes Gemüse daliegt welchem Umfang auch immer - vegetarische Er- oder Sojabratlinge oder ähnliche Bilder greifen, die nährung von oben verordnen, sollten wir es erst ein- gern verbreitet werden. mal denen, die wünschen, sich vegetarisch oder ve- gan zu ernähren, überhaupt ermöglichen. Ja, es geht bei diesem Thema um gesunde Ernäh- rung. Die Gesundheitskosten durch Fehlernährung (Beifall PIRATEN und FDP) liegen in Deutschland bereits bei 70 Milliarden € Eine wirklich konsequente vegetarische oder ve- jährlich. Es geht um Lebensmittelqualität, und es gane Ernährung ist bei der derzeitigen Gesetzesla- geht überhaupt nicht um Spaßbremse. Es geht bei ge überhaupt nicht möglich. Unser Ziel als Piraten- dem ganzen Thema um zentrale kulturelle Werte, fraktion ist es, dass sich der mündige Bürger oder um nachhaltige Esskultur, das Wiederentdecken der die mündige Bürgerin aufgrund von Informationen, Kochkunst und die Lust an der Lebensmittelzube- die ideologiefrei zur Verfügung gestellt werden reitung, müssen, ein eigenes Urteil bilden kann. Dazu brau- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) chen sie Transparenz, und dazu müssen sie wissen, was in dem drinsteckt, was sie kaufen und essen. das besondere regionaler und saisonaler Lebensmit- tel zu erkennen und die Erzeugung von Lebensmit- (Beifall PIRATEN und Dr. Kai Dolgner teln. Kurz gesagt: There is no culture without agri- [SPD]) culture. Statt einer undemokratischen Verbotsmentalität Ich freue mich darüber, dass immer mehr junge meine ich damit die Mündigkeit des Bürgers. Wir Menschen vorurteilsfrei - etwas anders als Sie - und sind gegen die Entmündigung des Bürgers in jedem unideologisch an dieses Thema herangehen und es Bereich. entdecken (Beifall PIRATEN) (Peter Lehnert [CDU]: Aber freiwillig!) 2848 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Angelika Beer)

Ich will ein Beispiel nennen: Wer seinen Kindern Das ist zu unser aller Wohl. Mit Ihrem Antrag kön- heute gemeine Schweineknochen mit Aroma und nen wir durchaus leben. Deswegen werden wir dem Farbstoffen in den Mund stecken will, kann im Su- Koalitionsantrag zustimmen, weil es endlich einmal permarkt bei den Gummibärchen gern zugreifen. Es eine gute Sache ist. Das muss ja echt umkämpft ge- ist nicht an uns, dies zu verbieten, auch nicht für wesen sein, denn der Koalitionsantrag ist kurzfristig einen Tag oder eine Woche lang, aber wir wollen gekommen und enthält sogar noch Rechtschreibfeh- die Kennzeichnungspflicht. Die gegenwärtige Ge- ler. Das spricht für die Eile. heimnistuerei um Inhaltsstoffe ist nicht länger (Zurufe) hinzunehmen. Während bei Gummibärchen einiger- maßen einfach, ersichtlich und bekannt ist, dass sie Wir brauchen eine klare Regelung. Deswegen wer- aus Gelatine hergestellt werden, werden andere den wir für unseren Antrag stimmen, bedanken uns Mittel tierischen Ursprungs vielfach überhaupt noch einmal und empfehlen den Grünen, ihre Wi- nicht gekennzeichnet, weil es keine Pflicht dazu dersprüchlichkeit im Ausschuss schnellstmöglich gibt. Jetzt sind wir bei der Frage, wo wir eine auszuräumen. Pflicht wollen. (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) Ich komme zu dem, was wir als PIRATEN antizi- piert haben, um dies zu ermöglichen. Wir haben Vizepräsidentin Marlies Fritzen: einen entsprechenden Antrag eingebracht, der im Umwelt- und Agrarausschuss mit dem Versuch dis- Für die Kollegen des SSW hat der Abgeordnete kutiert worden ist, die Kennzeichnung einzuführen. Flemming Meyer das Wort. Und was ist passiert? - Die Grünen haben den ein- (Zuruf: Jetzt kommen die Hotdogs!) fach torpediert und vom Tisch gewischt. (Zurufe CDU und FDP: Unerhört!) Flemming Meyer [SSW]: Sie haben gesagt, sie wollten keine nationale Rege- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! lung und Kennzeichnungspflicht, sondern auf die Liebe Kollegen! Die Art und Weise, wie diese De- Europäische Union warten. batte über einen fleischlosen Tag in öffentlichen Kantinen auf Landesebene zustande kam, ist schon (Uli König [PIRATEN]: Das kann lange dau- etwas eigenartig. ern!) (Dr. Heiner Garg [FDP]: Warum?) Wissen Sie, was die Europäische Union 2014 fest- schreiben möchte? - Die Freiwilligkeit zur Kenn- Da machen die Grünen auf Bundesebene einen me- zeichnung dessen, was tatsächlich drin ist. Bernd dienwirksamen Vorstoß, und die FDP im Land ent- Voß und liebe Grüne, da ist der Widerspruch: Auf scheidet sich prompt dafür, eine Art Gegenantrag in der einen Seite wollen Sie einen Veggie-Day ein- den Landtag einzubringen. führen - das ist ja Programmlage -, und auf der an- (Dr. Heiner Garg [FDP]: Na und!) deren Seite verhindern Sie das, was der Verbrau- cher will, Transparenz und Klarheit. Das müssen Natürlich zeigt sich dann im weiteren Verlauf, dass Sie dem mündigen Bürger einmal erklären. die Diskussion über einen Veggie-Day absolut un- verzichtbar ist. Schließlich ist ja in wenigen Wo- (Beifall PIRATEN, CDU und FDP - Christo- chen Bundestagswahl. Ich danke der FDP für die- pher Vogt [FDP]: Unerhört!) sen Antrag. Jetzt habe ich sehr viel zu den Kollegen der FDP (Dr. Heiner Garg [FDP]: Bitte!) gesprochen. Wir können nicht akzeptieren, dass in einem demokratischen Land Eingriffe verordnet Unterm Strich werden wir uns sicher darauf eini- werden, die die Bürger nicht nachvollziehen kön- gen, dass es schön war, darüber geredet zu haben. nen und die sie entmündigen in der Art und Weise, Ob dabei mehr herauskommt, bezweifle ich. wie sie leben wollen. Da sind wir uns einig. Um es kurz klarzustellen: Auch der SSW ist gegen Gleichwohl möchte ich der SPD gratulieren. Es ist Vorschriften und Verordnungswege, wenn es um im Ausschuss deutlich geworden, dass Sie es ge- das Essverhalten der Bürgerinnen und Bürger geht. schafft haben, die Grünen hier wieder einzufangen. Doch grundsätzlich wurde mit dem Fleischkonsum der westlichen Welt natürlich ein sehr wichtiges (Beifall PIRATEN, CDU und FDP) und kritisches Thema angesprochen. Schade, dass Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2849

(Flemming Meyer) es hier für billige Wahlkampfzwecke verbraten wirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Robert wird. Habeck. (Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) Dr. Robert Habeck, Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume: Ob der Versuch der FDP, hierfür den Plenarsaal zu nutzen, von Erfolg gekrönt sein wird, wird sich Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Liebe Frau Klahn, noch zeigen. Dagegen ist für mich schon heute klar, mit der Bevormundung ist das immer so eine Sa- dass der Sache selbst damit kein Dienst erwiesen che. Wenn etwas gegen den Widerstand der Men- wurde. schen durchgesetzt wurde, dann war es die Atom- energie. Im Moment ist es das Fracking. Solche Losgelöst von jedem taktischen Geplänkel ist mir Maßnahmen erfolgen häufig mit Unterstützung der ein Punkt besonders wichtig: Der ursprüngliche FDP. Vielen Dank dafür! Ansatz von Frau Künast setzt beim Endverbrau- cher an. Sein Verhalten soll durch eine Form der (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Bevormundung zum vermeintlich Besseren verän- vereinzelt SPD - Anita Klahn [FDP]: Fällt dert werden. Diesen Weg lehnt der SSW ausdrück- Ihnen nichts anderes ein?) lich ab. - Doch, mir fällt viel Besseres ein. Ich komme jetzt (Beifall SSW, CDU, FDP und PIRATEN) darauf zu sprechen. Natürlich sind der Fleischkonsum und die hiermit Wenn man eine Debatte führt, dann sollte man sie verbundenen Probleme kritisch zu hinterfragen. In ernsthaft führen oder gar nicht. Angesichts des Ver- das Essverhalten der Menschen in öffentlichen laufs dieser Debatte bin ich mir nicht sicher, wo wir Kantinen einzugreifen, wird hier allerdings nicht stehen. Ich entscheide mich für die Ernsthaftigkeit reichen. und gehe deswegen darauf ein. (Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP]) Erst einmal muss klargestellt werden: Wenn es einen ernsthaften Ansatzpunkt für diese Debatte Um wirklich etwas zu ändern, müssen ganz andere gibt, dann ist er im Wahlprogramm der Grünen Schritte unternommen werden. zu finden. Dort steht „sollen eingeführt werden“ Um es kurz zu machen: Auch wir lehnen beschrän- und „Standard“. Das heißt, es ist nicht von einem kende Vorgaben für das Speiseangebot in öffentli- Gesetzentwurf die Rede, es ist nicht von einem chen Kantinen ab. Stattdessen bitten wir die Lan- Verbot die Rede, es ist auch nicht von einem Ver- desregierung, sich gemeinsam mit der regionalen bot des Fleischkonsums die Rede. Alle Dönerläden Ernährungswirtschaft für mindestens ein vegetari- und alle Pizzaläden können machen, was sie wol- sches Gericht auf der Speisekarte einzusetzen. len. Im besten Fall ist das ein frommer Wunsch. Darüber hinaus sollen in Schul- und Universitäts- Wenn ich in der Energiepolitik sagen würde, erneu- mensen und öffentlichen Kantinen nach Möglich- erbare Energien sollen Standard werden, würden keit regionale und saisonale Bioprodukte zum mich alle zu Recht auslachen, weil das so unkon- Einsatz kommen. Ich hoffe, dass wir uns hierüber kret ist. einig werden können. (Zuruf Anita Klahn [FDP]) Bevor ich es vergesse: Ich freue mich natürlich, Da Sie dazwischenrufen, will ich gerade die CDU dass wir mal darüber geredet haben. Sollte sich daran erinnern, dass dieser Standard, die Reflexion hieraus eine breite gesellschaftliche Debatte über dessen, was wir konsumieren und wie wir es konsu- den Fleischkonsum entwickeln, dann wäre es sogar mieren, eine alte Tradition hat. Gerade die Partei gut. Dann hätte Frau Künast mit der Unterstützung mit dem „C“ im Namen möchte ich daran erinnern. der FDP viel erreicht. - Danke. In Westeuropa beziehungsweise im christlichen (Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Abendland hatte es lange Tradition, am Freitag kein GRÜNEN) Fleisch zu essen, und das aus gutem Grund. Ich bin kein Theologe, aber ich erinnere mich an die Tradi- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: tion. Es ging um die Erinnerung an das, was mit un- serer Welt geschieht: Karfreitag. Ich wundere mich Vielen Dank. - Für die Landesregierung erteile ich sehr über die Vergesslichkeit der christlichen Par- das Wort dem Minister für Energiewende, Land- teien, die den Wertekanon für sich in Anspruch nehmen. Ich wundere mich darüber, dass Sie diese 2850 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Minister Dr. Robert Habeck)

Debatte ins Lächerliche ziehen, obwohl die Debatte gen, es soll das Prinzip der Freiwilligkeit umge- auf einen ernsten Punkt anspielt, nämlich darauf, setzt beziehungsweise unterstützt werden. wie wir uns ernähren. Wenn eine solche Debatte ernsthaft geführt wird, (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ist sie zielführend. So, wie sie geführt wurde, kann vereinzelt SPD) die Landesregierung nur sagen, dass sie das interes- siert zur Kenntnis nimmt, sich aber in keiner Weise Ich möchte darauf hinweisen, dass wir in der Welt angesprochen fühlt. - Danke. eine Milliarde Menschen haben, die hungern. Das liegt unter anderem daran, dass sich ein anderer (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Teil der Welt so gut ernährt, dass eine Milliarde vereinzelt SPD) Menschen übergewichtig sind. Das liegt nicht zu- letzt am Fleischkonsum. Die Kalorienzahl, die ins- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: gesamt auf der Welt verbraucht wird, würde ausrei- chen, um den Hunger auf der Welt zu stillen. Vielen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Beratung. Ich Wenn man die ökologische Bilanz des Fleischkon- gehe davon aus, dass über die Anträge in der Sache sums berücksichtigt, muss man auch sagen, dass abgestimmt werden soll. Ich schlage Ihnen abwei- 1 kg Fleisch dem Gegenwert einer 1.000 km langen chend von der Geschäftsordnung vor, den vorlie- Reihe aus Pkws entspricht - Mittelklassewagen, genden Änderungsantrag zu einem selbstständigen keine Dienstwagen. Auch das ist zu berücksichti- Antrag zu erklären. - Widerspruch sehe ich nicht. gen. So lasse ich zunächst über den Antrag der Fraktion Wenn es um den Fleischkonsum geht, muss man der FDP, Drucksache 18/1046, abstimmen. Wer auch über die Frage der Tierhaltung sprechen. Ich diesem Antrag seine Zustimmung erteilen will, den sprach gestern schon über die Erfahrungen, die ich bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Frak- auf meiner Sommerreise mit dem Mortadellakon- tionen von FDP, CDU und PIRATEN. Wer lehnt sum - Masse statt Klasse - gesammelt habe. Man diesen Antrag ab? - Das sind die Kolleginnen und muss sagen, dass die moderne Haltungsform alles Kollegen von SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erlaubt. Es ist gesetzmäßig und Standard in der und SPD. Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist Tierhaltung, dass Schwänze kupiert werden, dass dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden. die Zähne von Ferkeln abgeschliffen werden, dass Ferkel betäubungslos kastriert werden, damit das Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktionen von Fleisch nicht nach Eber schmeckt, dass Schnäbel SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abge- gekürzt, abgeschnitten werden und dass Tiere ihr ordneten des SSW, Drucksache 18/1073, abstim- Leben auf engem Raum, auf Vollspalten ohne Aus- men. Wer diesem Antrag seine Zustimmung ertei- lauf verbringen. All das ist Standard in der Tierhal- len will, bitte ich um das Handzeichen. Das sind die tung. Fraktionen der PIRATEN, die Abgeordneten des SSW, die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich finde, es ist gute Tradition, wenn man isst, kurz NEN und SPD. Wer lehnt diesen Antrag ab? - Das innezuhalten und darüber nachzudenken, auf wel- sind die Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen che Art wir uns ernähren und wie wir konsumieren. von CDU und FDP. Enthaltungen sehe ich nicht. Diese Tradition sollten wir aufgreifen. Diese Tradi- Damit ist der Antrag mehrheitlich angenommen. tion ist leider in Vergessenheit geraten. Es wäre schön, wenn auch die Parteien, die sich christlich Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen, unter- nennen, daran erinnerten, was es bedeutet, Ernäh- breche die Sitzung für eine Mittagspause bis 14 Uhr rung zu sich zu nehmen. Wir sollten uns erinnern, und hoffe, Sie gesund wiederzusehen. dass es immer um Leben, um die Vernichtung von (Unterbrechung: 13:06 bis 14:04 Uhr) Leben geht, wenn wir uns mit Fleisch ernähren. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass die Lan- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: desregierung in keiner Weise ein Verbot oder ir- Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und gendeine Art der Befassung plant. Schließlich Kollegen, ich freue mich, Sie alle wiederzusehen. möchte ich sagen, dass sich die Anträge von FDP Ich möchte mit Ihnen gemeinsam die Sitzung fort- und den Regierungsfraktionen überhaupt nicht wi- setzen. dersprechen. Sie sagen: Es soll kein Verbot geben. Das sage ich auch. Die Koalitionsfraktionen sa- Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf: Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2851

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

Vertraulichkeit der elektronischen Kommunika- Durch die staatlichen Stellen in den USA und in tion (PRISM) Großbritannien, ihre Geheimdienste und ihre Hilfswilligen in anderen Nationen werden systema- Antrag der Fraktion der PIRATEN tisch und oftmals willkürlich Angst und Schrecken Drucksache 18/936 (neu) verbreitet, um Menschen in ihren Grundrechten ein- zuschränken und sie gefügig zu machen. Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des (Volker Dornquast [CDU]: Hast du einen SSW neuen Redenschreiber?) Drucksache 18/1063 - Ja. Änderungsantrag der Fraktion der CDU (Heiterkeit Uli König [PIRATEN]) Drucksache 18/1065 Damit wird unter anderem die staatliche Überwa- chung ganzer Nationen gerechtfertigt. Staatliche Anlasslose Speicherung und Überwachung elek- Überwachung, das haben wir aus der deutschen tronischer Daten unterbinden (PRISM, Tempo- Vergangenheit gelernt, äußert sich maßgeblich dar- ra, Vorratsdatenspeicherung) in, dass abweichendes - das heißt: anderes - Verhal- ten erfasst und sanktioniert wird. Das Bundesver- Änderungsantrag der Fraktion der FDP fassungsgericht muss leider immer wieder klarstel- Drucksache 18/1075 len, dass das Anderssein der Kerngehalt des allge- meinen Persönlichkeitsrechts ist. Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile dem (Beifall PIRATEN) Abgeordneten Uli König von der Fraktion der PI- Es muss endlich Schluss sein mit dem betreuten RATEN das Wort. Regieren aus Karlsruhe.

Uli König [PIRATEN]: (Beifall PIRATEN) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen Internationale Vereinbarungen - seien es Freihan- und Herren! Liebe Besucher auf der Tribüne! Die delsabkommen, das Safe-Harbor-Abkommen oder USA und Großbritannien haben den Kampf gegen andere Verträge - tragen heute nur selten dafür Sor- den Terrorismus verloren. ge, dass unser Rechtsschutz auch gegenüber ande- ren Vertragspartnern gewahrt wird. Wir haben in (Beifall PIRATEN) Schleswig-Holstein, in Deutschland einen hohen Der Kollege Dolgner schlug mir gerade vor, ich Grundrechtsstandard, auf den wir zu Recht stolz solle an dieser Stelle die Debatte für beendet erklä- sein können. ren. (Beifall PIRATEN) Die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbri- Mal nebenbei: Die Ausspähprogramme PRISM und tannien wollen sich und die sogenannte freie westli- Stellar Wind haben es so weit getrieben, dass das che Welt vor Terrorismus schützen und haben dabei Freihandelsabkommen mit den USA auf wackeli- die gesamte Welt in digitale Geiselhaft genommen. gen Beinen steht. Wir Bürger haben von diesem Jeder Mensch, der sich technischer oder anderer Freihandelsabkommen mittlerweile nichts mehr, Kommunikationsmittel bedient, wird ohne Rück- außer dass wir immer mehr Daten preisgeben und sicht auf Freund und Feind verdächtigt und über- Rechte aufgeben müssen. Wir müssen also aufpas- wacht. Neben der Sammelwut innerhalb des Inter- sen, dass nicht auch wir gegen den Terror verlieren. netverkehrs im eigenen Staat machen GCHQ und Dazu bedarf es einer wehrhaften Demokratie mit NSA auch vor Bürgerinnen und Bürgern der Euro- freien und mündigen Bürgern. päischen Union nicht halt und hören diese ab. Die (Beifall PIRATEN) angloamerikanischen Überwachungsfetischisten ha- ben sich damit sinnbildlich selbst ein Gefängnis ge- Dazu bedarf es Vorkehrungen auf formeller Ebene. baut und darin eingesperrt. Ich bin versucht, ihnen Ansonsten lassen wir uns den Standard von denje- durch die selbst gebauten Gitterstäbe eine Feile zu nigen Ländern definieren, die im sogenannten stecken, damit sie sich befreien mögen. Kampf gegen den Terror bereits verloren haben, weil sie ihre Werte aufgegeben haben. (Beifall PIRATEN) 2852 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Uli König)

(Beifall PIRATEN) nach meiner Wahrnehmung wirklich für Freiheit kämpft. Was ist nun also zu tun? Ein kurzfristig vorgelegter Bericht der Landesregierung sollte nach der durch Ich komme zum Schluss: Es gibt eine Menge zu dieses Haus leider überflüssigerweise verschleppten tun. Lassen Sie uns damit anfangen. Lassen Sie uns Behandlung des Themas aufgrund mangelnden Pro- gemeinsam dafür sorgen, dass wir wieder ohne blembewusstseins kein Problem sein. Die nahende Angst vor einer Totalüberwachung miteinander Wahl, das Scheitern des Todschweigens und das kommunizieren können, wie es sich gehört. Lassen Für-beendet-Erklären à la Pofalla haben allerdings Sie nicht auch uns gegen den Terrorismus verlieren. hilfreiche Dienste geleistet. Witzigerweise haben - Vielen Dank. die unbedarften Bemühungen der Bundespolitiker (Beifall PIRATEN) dazu geführt, dass die Umfragewerte der PIRATEN gestiegen sind. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: (Wolfgang Kubicki [FDP]: Von 3 % auf 4 %!) Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich dem Kollegen Dr. Axel Bernstein. Zurück zur Landesregierung. Ich bin sicher, dass die Landesregierung nur die mittlerweile ohnehin Dr. Axel Bernstein [CDU]: schon gesammelten Daten ein wenig aufbereiten muss. Alles andere würde bedeuten, dass sie auch Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! über zwei Monate hinweg noch nicht begonnen hat, Geheimdienste sind ein notweniger Bestandteil der tätig zu werden. Das alles wäre eine sicherheitspoli- Sicherheitsarchitektur eines jeden souveränen Staa- tische Bankrotterklärung. tes. Das Wesen von Geheimdiensten liegt nun ein- mal in der Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit. Anson- Die Koalition hat mit ihrem Änderungsantrag den sten wären es Nachrichtenagenturen. Gerade bei ersten richtigen Schritt gemacht. Ich frage mich da- Diensten, die sich für eine offene parlamentarische her, warum die Aufklärung nur auf Bundesebene Kontrolle nicht eignen, stellt die Kontrolle ihrer Ar- stattfinden soll. Wenigstens eine aktive Einbindung beit durch die Parlamente eine besondere Heraus- der Bundesländer hat stattzufinden. Das wäre nur forderung dar. Eine effektive Kontrolle von Nach- konsequent. richtendiensten ist aber nur dann möglich, wenn Der von der CDU und der FDP geforderte Fort- man das grundsätzlich Vertrauliche ihrer Arbeit schrittsbericht ist ziemlich schwach. Er zeigt nur, auch als Parlamentarier akzeptiert und nicht der wie unwichtig der Bundeskoalition die Bürgerrech- Versuchung unterliegt, Informationen - beispiels- te und die Grundrechte sind. weise aus vertraulichen Sitzungen - unter dem Deckmantel der Transparenz, in Wahrheit aber nur (Beifall PIRATEN) aus Sensationsgier und zur eigenen Profilierung, in Bürger- und Grundrechte werden in diesem Be- die Welt zu blasen. richt nur ein einziges Mal erwähnt und dann auch (Vereinzelter Beifall CDU) noch im Zusammenhang mit einer unkonkreten Forderung. Der Bericht zeigt deutlich, dass die Wenn man versteht, dass Nachrichtendienste ein Bundesregierung die Überwachung der Bürger in scharfes und potenziell auch zweischneidiges Ordnung findet, solange keine politische oder wirt- Schwert sind, dann sind wir als Parlamentarier gut schaftliche Spionage stattfindet. Innovative Ideen, beraten, ihre Kontrolle sehr ernst zu nehmen. Da- freiheitliche Gedanken: Fehlanzeige. bei muss man auch die Situation aushalten, dass man - im Unterschied zu anderen Themen - die ge- Soweit sich die FDP gegen anlasslose Datenspei- genüber einem Parlamentarier hergestellte Transpa- cherungen ausspricht, können wir natürlich nur zu- renz nicht eins zu eins gegenüber der Öffentlichkeit stimmen, Herr Kubicki. Ich hoffe, dass Kollege Ku- herstellen kann. Umso wichtiger ist es, durch sach- bicki diesen Gedanken in den Bundestag tragen und lichen Umgang mit nachrichtendienstlichen The- seine Partei diese Gedanken nicht für eine Regie- men die Akzeptanz in der Bevölkerung für die rungsbeteiligung verkaufen wird. wichtige Tätigkeit der Dienste zu stärken. (Beifall PIRATEN - Zuruf Wolfgang Ku- Das gilt im Grundsatz auch für die an Recht und bicki [FDP]) Gesetz gebundene Tätigkeit von Diensten verbün- - Herr Kubicki, Frau Leutheusser-Schnarrenberger deter Staaten wie den USA oder Großbritannien. ist die einzige Person im Deutschen Bundestag, die Auch diese Dienste arbeiten unter parlamentari- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2853

(Dr. Axel Bernstein) scher und juristischer Kontrolle, auch wenn diese Vizepräsidentin Marlies Fritzen: nach US-Recht oder in Großbritannien anders orga- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenbemer- nisiert sind als bei uns. kung oder -frage des Herrn Abgeordneten König? Zu den Anträgen der PIRATEN und der rot-grün- blauen Landtagsmehrheit ließe sich kurz sagen: Pri- Dr. Axel Bernstein [CDU]: ma, dass Sie alle die Arbeit der Bundesregierung unterstützen und das einfordern, was in dem schon Ja. genannten Fortschrittsbericht der Bundesregierung zum besseren Schutz der Privatsphäre Grundlage Vizepräsidentin Marlies Fritzen: des Regierungshandelns von CDU/CSU und FDP Bitte schön, Herr König! ist. Sie können insofern dem Antrag der CDU, der das explizit feststellt, mit gutem Gewissen zustim- Uli König [PIRATEN]: Vielen Dank für die men. Möglichkeit. - Sehr geehrter Kollege, finden Sie es in Ordnung, wenn ausländische Nach- (Beifall CDU) richtendienste unsere Bürger flächendeckend An der Stelle sind wir, glaube ich, gar nicht so weit abhören, sofern es dafür ein ausländisches auseinander. Gesetz gibt, das das legitimiert, oder würden Sie sagen, dass das vielleicht nicht so gut ist? Für uns ist klar: Es war richtig, alte Verwaltungs- vereinbarungen aus der Nachkriegszeit, die unsere (Beifall PIRATEN) Souveränität einschränkten, aufzukündigen, auch wenn das eher Rechtsbereinigung als tatsächliche Dr. Axel Bernstein [CDU]: Rechtsänderung ist. Es ist richtig und notwendig, Ich komme zu diesem Punkt noch. Er knüpft ein mit unseren Partnern in den USA und weiteren be- bisschen an die Debatte an, die wir vorgestern freundeten Staaten einen intensiven und dauernden schon geführt haben. Ich warne davor, bei Themen Dialog über die Arbeit ihrer Dienste zu führen. Es wie diesem mit Behauptungen zu argumentieren, ist richtig, die UN-Vereinbarung zum Schutz von die nicht nur unbewiesen sind, sondern die inzwi- Privatleben und Schriftverkehr explizit auch um die schen zum Teil sogar widerlegt sind. digitale Privatsphäre zu ergänzen. Es ist richtig, eine europäische Datenschutzgrundverordnung zu (Beifall CDU) schaffen. Es ist richtig, in der EU und mit unseren Fassen wir die Fakten also noch einmal zusammen: weiteren Verbündeten gemeinsame Standards für Kein einziger der Vorwürfe einer angeblichen To- die Nachrichtendienste festzuschreiben, die zum talüberwachung konnte mit Fakten belegt werden. Beispiel Rechtsverletzungen, gegenseitige Spiona- ge oder Wirtschaftspionage ausschließen. Es ist auch richtig, die europäische IT-Strategie voranzu- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: treiben. All das tut die Bundesregierung. Herr Kollege, entschuldigen Sie bitte. Ich war gera- Die Einigkeit in der Sache ist dabei so groß, dass es de nicht aufmerksam. Der Kollege König hat die der Opposition auf Bundesebene schwerfällt, das Bitte nach einer weiteren Zwischenbemerkung, ver- Thema im Bundestagswahlkampf zu nutzen. So mutlich in Bezug auf Ihre Antwort. Lassen Sie sie musste sogar die selbst ernannte Allzweckwaffe der zu? Sozialdemokratie, der Kollege Oppermann, nach sieben Sitzungen des Parlamentarischen Kontroll- Dr. Axel Bernstein [CDU]: gremiums, die er anberaumt hatte, zugeben, dass es Ja. keine Hinweise auf eine Ausspähung deutscher Staatsbürger gebe. Nun ist Kollege Oppermann ein Vizepräsidentin Marlies Fritzen: kritischer Kopf, und so wird es sicher noch etwas dauern, bis sich diese Fakten in seinen Reden nie- Wunderbar. Dann hat Herr König das Wort. Im An- derschlagen, mindestens noch bis in die Abendstun- schluss daran möchte der Abgeordnete Wolfgang den des 22. September 2013. Kubicki eine Bemerkung machen oder eine Frage stellen.

Dr. Axel Bernstein [CDU]: Fangen wir einmal mit Herrn König an. 2854 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Dr. Kai Dolgner [SPD]: Herr Dr. Bernstein, für wie glaubwürdig halten Sie die Aussage Danke schön. eines ausländischen Dienstes, dass man sich Uli König [PIRATEN]: Vielen Dank, zu gü- an Recht und Gesetz gehalten hätte und hier tig. - Ich hätte gern meine Frage beantwortet. niemanden abgehört hätte, der wenige Tage Die Frage war, ob es in Ordnung ist, wenn später einräumen muss, dass er 50.000 die Bürger flächendeckend abgehört werden, Rechtsverstöße in den USA selbst begangen sofern es dafür eine ausländische Rechts- hat, die er ursprünglich auch bestritten hat? norm gibt, die dies legitimiert. Wie stehen (Beifall PIRATEN) Sie dazu? Dem ist nicht widersprochen worden. Dr. Axel Bernstein [CDU]: Dr. Axel Bernstein [CDU]: Ich ziehe jetzt einmal einen Punkt vor, zu dem ich gleich gekommen wäre. Dann wird sich diese Frage Wenn für Sie die Aussagen der Dienste von ver- wahrscheinlich erledigt haben; denn die NSA hat bündeten Staaten nicht glaubwürdig sind, halte ich mitgeteilt, dass sie sich bei ihrem Handeln in der mich an dieser Stelle an die Aussagen des Kollegen Bundesrepublik nicht nur an US-Recht, sondern Oppermann. Vielleicht vertrauen Sie dem ja auch. auch an deutsches Recht gehalten hat. Diese positi- ve Aussage wäre in der Tat noch weiter zu verifi- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: zieren. Nach meinen Informationen läuft die De- klassifizierung von entsprechenden Dokumenten. Gestatten Sie eine weitere Nachfrage des Abgeord- Ich gehe davon aus, dass diese Ankündigung der neten Dr. Dolgner? Wahrheit entspricht. Dr. Axel Bernstein [CDU]: Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Aber sicher. Gestatten Sie dann eine Zwischenfrage des Abge- Dr. Kai Dolgner [SPD]: Herr Kollege ordneten Kubicki? Dr. Bernstein, das war nicht der Kern meiner Frage. Es geht nicht darum, ob man Aussa- Dr. Axel Bernstein [CDU]: gen grundsätzlich misstraut, sondern darum, ob Sie grundsätzlich Aussagen eines speziel- Ja. len Dienstes trauen, der wenige Tage später Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Kollege einräumen muss, dass er zum Thema Über- Dr. Bernstein, im Anschluss an die Frage des wachung der US-Bürger eine Falschaussage Kollegen König frage ich Sie: Halten Sie es gemacht hat, wozu die US-amerikanische für gerechtfertigt und legitim, dass der Bun- Regierung deshalb eine Untersuchung anbe- desnachrichtendienst auf der Grundlage bun- raumt hat. desdeutscher Gesetze im Ausland Aufklä- - Als Parlamentarier traue ich Aussagen von Regie- rung betreibt? rungsstellen vom Grundsatz her, aber insbesondere - Das ist seine Aufgabe, ja. dann, wenn sie auch belegt werden. Da das ange- kündigt ist, warte ich das ab. Wenn man ankündigt, Vizepräsidentin Marlies Fritzen: dass man etwas belegen wird, wird man es wahr- scheinlich auch können. Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra- ge des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner? Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Dr. Axel Bernstein [CDU]: Gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Dr. Breyer? Sicherlich. Dr. Axel Bernstein [CDU]: Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Ja. Herr Dr. Dolgner, bitte! Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Es freut mich, Herr Dr. Bernstein, dass Sie heute so Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2855

(Dr. Axel Bernstein)

kommunikativ sind. Bei diesem wichtigen Aufgaben wahrnehmen, darauf achten müssen, dass Thema ist es, glaube ich, auch angebracht. es keine Zweifel an ihrer rechtsstaatlichen Prägung geben kann. - Nicht nur heute. Können Sie bestätigen, dass die Aussage der Vizepräsidentin Marlies Fritzen: NSA, sich an deutsches Recht zu halten, sich nur auf die Aktivitäten auf deutschem Terri- Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Be- torium bezieht, dass sich die Aussage aber merkung des Herrn Abgeordneten Breyer? schon nicht mehr darauf bezieht, wenn deut- sche Kabel in der Tiefsee, in Großbritannien Dr. Axel Bernstein [CDU]: oder an sonstigen Grenzübergängen ange- Ja. zapft werden? Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Danke, - Ich gehe davon aus, dass sich die Aussage der Herr Kollege! Wir sind uns also einig, dass NSA, dass sie sich an deutsches Recht hält, auf sich außerhalb des deutschen Territoriums Deutschland bezieht. Wenn sie ankündigen, dass die NSA nur an amerikanisches Recht halten sie auch nicht gegen US-amerikanisches Recht ver- will. Können Sie bestätigen, dass das ameri- stoßen haben, dann gehe ich davon aus, dass sich kanische Recht für Nicht-US-Bürger keiner- diese Aussage nicht nur auf die USA, sondern auf lei Datenschutz und keinerlei Recht auf in- den Tätigkeitsbereich des US-Dienstes bezieht. formationelle Selbstbestimmung vorsieht, so- - Weltweit deutsches Recht? dass die NSA - im Einklang mit US-amerika- nischem Recht! - im Ausland flächendeckend - Nein, genau gerade nicht. Um es noch einmal Kommunikationsbeziehungen sammeln und deutlich zu sagen: Deutsches Recht gilt auf deut- in Datenbanken wie PRISM millionenfach schem Boden. Ich gehe davon aus, dass ein US- aufbereiten kann? amerikanischer Dienst, wenn er im Ausland tätig ist, sich an US-amerikanisches Recht hält. Genau (Zuruf CDU: Wollen Sie das mit deutschem das hat die NSA bestätigt. Recht ändern?) Weder der Bundesregierung noch dem Bundestag - Herr Breyer, da Sie in die amerikanische Jurisdik- noch den Betreibern deutscher Internetknoten lie- tion sehr tief eingestiegen sind, werden Ihnen auch gen Hinweise darauf vor, dass durch die USA Bun- die Hürden bekannt sein, die die NSA zu übersprin- desbürger ausgespäht worden seien. Alle Vorwürfe, gen hat, bevor sie solche Überprüfungen vorneh- deutsche Dienste hätten mithilfe ausländischer men kann; diese müssen jeweils politisch und recht- Dienste Daten erhalten, die sie nicht selbst hätten lich angeordnet werden. erheben dürfen, haben sich inzwischen als haltlos Zum Zweiten verweise ich noch einmal auf den erwiesen. Fortschrittsbericht der Bundesregierung. Es gibt Ich habe eingangs zur Sachlichkeit gemahnt; darum durchaus Reaktionen, nicht nur auf die Diskussion, will ich auch selbst sachlich enden. - Ich gehöre sondern auch auf die politischen Willensbekundun- nicht zu jenen, die SPD-Fraktionschef Steinmeier gen der Regierung. Wichtige Dienstleister in vorwerfen, dass er im Jahr 2002 die Kooperation Deutschland - angefangen bei T-online bis hin zu von NSA und Bundesnachrichtendienst grundlegte; anderen - gehen den wichtigen Schritt, standardmä- das war wichtig. Diese Kooperation heute zu skan- ßig Verschlüsselungen einzuführen. Ich halte es dalisieren ist hingegen verlogen und verantwor- auch nicht für eine abwegige Überlegung, elektro- tungslos. nischen Datenverkehr, bei dem Sender und Emp- fänger in Deutschland sitzen, auch nur innerhalb (Beifall CDU und Dr. Ralf Stegner [SPD]) Deutschlands durchzuleiten. Das wird am Ende da- Die Bedrohungen, denen sich unsere Gesellschaft von abhängen, ob die Netze entsprechend ausge- ausgesetzt sieht, sind der international agierende baut sind. Es ist zu prüfen, ob das zum jetzigen Terrorismus, Proliferation, Organisierte Kriminali- Zeitpunkt leistbar ist. Wünschenswert wäre es auf tät und so weiter. Um uns zu schützen, ist die Ar- jeden Fall, wobei sich meine Hauptsorge allerdings beit von Nachrichtendiensten weiterhin unverzicht- nicht auf die USA, sondern auf ganz andere Staaten barer Bestandteil unserer Sicherheitsarchitektur. bezieht. - Vielen Dank. Abschließend sei aber auch darauf hingewiesen, (Beifall CDU) dass die Dienste in der Art und Weise, wie sie ihre 2856 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Vizepräsidentin Marlies Fritzen: PRISM. Ich stelle fest, dass Angela Merkels Kanz- leramtsminister Ronald Pofalla verharmlost und Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordne- verschweigt. Statt dem Verdacht, dass Datensätze ten Ralf Stegner das Wort. deutscher Bürger zu Unrecht erhoben werden, nachzugehen, erklärt er kurzerhand die Angelegen- Dr. Ralf Stegner [SPD]: heit für beendet. Fehlt noch das „Basta!“. Aber so Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! haben wir nicht gewettet. Lassen Sie mich gleich zu Beginn feststellen, dass Bundeskanzlerin Merkel trägt die Verantwortung für die SPD-Fraktion gilt: Eine anlasslose, verdeck- dafür, dass die Grundrechte der Menschen in te und massenhafte Datenüberwachung - ob durch Deutschland gegenüber Ausspähung geschützt wer- US-amerikanische oder britische Gemeindienste den. Wie kann es eigentlich sein, dass Monate nach oder sonst wen - verletzt fundamentale Grund- Bekanntwerden dieser Spähaffäre die Bundesregie- rechte. rung immer noch nicht erklärt hat, was sie über (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PRISM weiß? Verteidigt sie unsere Grundrechte? PIRATEN und SSW) Stoppt sie so millionenfache Ausspähung? Die informationelle Selbstbestimmung gehört zu Der Auftritt von Herrn Friedrich in Washington war den im Grundgesetz geschützten Freiheiten. Da die des Vertreters einer deutschen Bundesregierung USA nicht behaupten, Herr Snowden sage die Un- schlicht unwürdig und hat unser Land der Lächer- wahrheit, sondern ihn wegen Geheimnisverrats ver- lichkeit preisgegeben. folgen, muss man nach derzeitigem Wissensstand (Wolfgang Kubicki [FDP]: Da muss Herr annehmen, dass es solche Handlungen, die nicht zu Stegner hin! Dann zittern die Amerikaner!) rechtfertigen sind, gibt. Auch deshalb muss gelten, dass wir gegen Datenmissbrauch jeglicher Art kon- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: sequent vorgehen. Ich will dies nicht nur in Bezug auf Staaten und ihre Geheimdienste verstanden Herr Abgeordneter, gestatten Sie die Zwischenfrage wissen, sondern auch die kommerzielle Nutzung des Abgeordneten Axel Bernstein? persönlicher Daten durch Unternehmen einbezie- hen. Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ebenfalls eine wichtige Frage, auf die wir in diesem Bitte. Zusammenhang gestoßen sind, betrifft den Umgang mit Menschen wie Edward Snowden und die Aus- Dr. Axel Bernstein [CDU]: Herr Kollege wirkungen seiner Enthüllung auf die Pressefreiheit, Stegner, wenn ich Sie soeben richtig verstan- wie das Beispiel „Guardian“ zeigt. Ich meine, dass den habe, stellen Sie eine Ausspähung deut- wir solche Whistleblower vor Strafverfolgung scher Staatsbürger als gegebene Tatsache schützen müssen. Dass er ausgerechnet in Moskau hin; korrigieren Sie mich, wenn ich das Asyl sucht, ist doch ein Treppenwitz! falsch verstanden habe. Wie erklären Sie sich vor dem Hintergrund Ihrer Überzeugung die (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Aussagen Ihres Obmanns im Parlamentari- PIRATEN und SSW) schen Kontrollgremium, der darauf hinge- Wir müssen uns ernsthaft die Frage stellen, ob hier wiesen hat, dass es darauf keine Hinweise die Freiheit, die wir schützen wollen, wirklich ge- gebe? schützt oder nicht eher partiell abgeschafft wird und - Ich habe mich nicht auf die Äußerungen von ob wir das einfach zur Kenntnis nehmen wollen. Herrn Oppermann bezogen, auch nicht auf das, was Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist da- er in dem internen Ausschuss erfahren hat oder von auszugehen, dass die NSA die deutsche Kom- nicht erfahren hat. Ein Großteil davon ist übrigens munikation überwacht. Das ist gerade unter be- intern geblieben; viele Fragen sind nicht beantwor- freundeten Staaten ein Skandal. tet worden. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich habe mich in meiner Antwort vielmehr darauf und PIRATEN) bezogen, dass die USA nicht behaupten, Herr Snowden sage die Unwahrheit, sondern dass sie ihn Geradezu unfassbar ist es aber, dass wir immer wegen Geheimnisverrats verfolgen. Daraus muss noch keine Klarheit haben, weder über die genauen man schlussfolgern, dass das, was Herr Snowden Vorgänge noch über die Funktionsweise von Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2857

(Dr. Ralf Stegner) behauptet, der Wahrheit entspricht, es sei denn, das umgesetzt wird, in dieser Form nicht angenommen Gegenteil wird bewiesen. Das ist meine Vermu- werden sollte, weil wir der Meinung sind, dass - be- tung. zogen auf die Zwecke - eine sechsmonatige Spei- cherung von Daten nicht angemessen ist. (Beifall PIRATEN und vereinzelt SPD) (Beifall PIRATEN) Herr Kollege Bernstein, sonst wäre es für die USA ein Leichtes zu sagen: Herr Snowden sagt die Un- Zweitens ist meine Position immer gewesen, dass wahrheit. - Das tun die USA aber nicht. Ich habe man hinsichtlich der Frage, ob diese Maßnahme das sehr genau verfolgt. Die USA verfolgen ihn we- überhaupt angewandt werden soll, hohe Hürden set- gen Geheimnisverrats. Das ist der Punkt. zen muss. Wir wollen eine richterliche Entschei- dung. Wir sollten über die Europäische Union ver- (Zuruf CDU) suchen, an dieser Richtlinie etwas zu verändern. - Entschuldigung, das war nicht die Frage von Sie einfach nicht anzuwenden, ohne etwas zu ver- Herrn Bernstein. Herr Bernstein hat gefragt, ob ich ändern, wäre, nebenbei bemerkt, Bruch von euro- unterstelle, dass es das gebe. Ich habe mich gar päischem Recht. Herr Kubicki sagt mir immer, nicht auf Aussagen der Bundesregierung bezogen, Recht gelte, ob es einem passe oder nicht. Mein Rat sondern dargelegt, was ich für plausibel halte: ist: Bevor Konventionalstrafen verhängt werden, Wenn die USA nicht behaupten, er sage die Un- sollte man versuchen, deutschen Einfluss dahin ge- wahrheit, sondern ihn wegen Geheimnisverrats ver- hend auszuüben, dass diese Richtlinie geändert folgen, dann ziehe ich daraus die logische wird. Schlussfolgerung. Sie müssen die Logik ja nicht teilen. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Das machen wir gerade!) (Wolfgang Kubicki [FDP]: Was hat denn der Innenminister Schleswig-Holsteins dazu ge- - Das machen Sie ganz toll. Sie haben sich schon sagt? Er ist doch für die Spionageabwehr zu- gegen Ihren Koalitionspartner in Berlin durchge- ständig!) setzt, wie man hören kann. Wir wollen, dass das verändert wird und dass man, Vizepräsidentin Marlies Fritzen: was dieses Thema angeht, in Europa zu einer re- Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwi- striktiven Handhabung kommt. Darüber können wir schenfrage des Abgeordneten König? gern noch unter einem anderen Tagesordnungs- punkt diskutieren. Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ich würde mich jetzt gern mit dem Tagesordnungs- Ja, gern. punkt im engeren Sinne befassen, weil es in diesem Zusammenhang schon noch ein paar Punkte gibt, Uli König [PIRATEN]: Herr Stegner, vielen über die zu reden sich lohnt. Über die Vorratsdaten- Dank, dass Sie mir die Möglichkeit geben. speicherung diskutieren wir gern bei anderer Gele- Ich möchte Sie fragen, wie Sie in Anbetracht genheit. Sie kennen die Passage dazu im Koaliti- dessen, was Sie gerade geäußert haben, zur onsvertrag; dieser gilt für die Kolleginnen und Kol- Vorratsdatenspeicherung stehen. Sind Sie der legen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Meinung, dass wir sie in Deutschland haben SSW. sollten, oder sollten wir sie abschaffen? (Wolfgang Kubicki [FDP]: Eine sehr gute Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Frage!) Herr Kollege, gestatten Sie eine Nachfrage des Ab- - Wen Sie loben, der muss es noch zu etwas brin- geordneten König? gen. Herr König, Sie werden von Herrn Kubicki schon gelobt. Das spricht für Sie. Dr. Ralf Stegner [SPD]: Die Vorratsdatenspeicherung ist heute nicht unser Immer gern. Thema, aber ich will Ihnen die Antwort nicht schul- Uli König [PIRATEN]: Bitte sehen Sie es dig bleiben. Erstens ist meine Einschätzung, dass mir nach, dass ich das gerade nicht richtig die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeiche- verstanden habe: Wollen Sie die Vorratsda- rung, die bisher von wenigen Staaten, unter ande- rem von der Bundesrepublik Deutschland, nicht 2858 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Dr. Ralf Stegner)

tenspeicherung modifizieren oder abschaf- Das ist aber etwas völlig anderes als die massenhaf- fen? Ich habe „modifizieren“ verstanden. te Ausspähung der Kommunikationsdaten deut- scher Bürger mit einer Spähsoftwaretechnik aus - Ich habe gesagt: Wir haben eine europäische dem Jahr 2013. Das ist etwas vollkommen anderes Richtlinie. Diese gilt für alle Mitgliedstaaten der als das, worüber wir im Kontext mit den Vorfällen Europäischen Union. Sie wird gegenwärtig von aus dem Jahr 2001 reden. zwei oder drei Ländern nicht angewandt; alle ande- ren wenden sie an. Die Bundesrepublik Deutsch- Meiner Meinung nach muss gehandelt werden. Die land sollte aus meiner Sicht darauf hinwirken, dass Gremien, die unbestritten im Geheimen arbeiten diese Richtlinie verändert wird; denn das, was dort müssen, dürfen sich nicht verselbstständigen. Ich drinsteht - sechs Monate anlasslose Vorratsdaten- glaube, eine parlamentarische Kontrolle muss über- speicherung -, ist für die Zwecke, über die wir hier all eng gefasst und intensiviert werden, wie das hier reden, und unter entsprechenden Kontrollen nicht der Fall ist. erforderlich. Deswegen bin ich dafür, diese Richtli- Es ist ein schlechter Scherz, wenn die Bundesregie- nie zu ändern. rung, die in der Europäischen Union über Jahre hin- Wenn Sie mich aber fragen, ob die Bundesrepublik weg ein Datenschutzabkommen blockiert hat, Deutschland europäisches Recht anwenden sollte - jetzt - wenige Wochen vor der Bundestagswahl - ja oder nein -, wenn die Mehrheit sich anders ent- behauptet, sie wolle ein solches Datenschutzab- scheidet, dann würde ich als jemand, der ein kommen. Im Übrigen sage ich: Die Versicherung, Rechtsstaatsverständnis hat, sagen: Ich finde, dass man spioniere sich nicht gegenseitig aus, ist - so europäisches Recht in Deutschland angewandt wer- finde ich - nicht ausreichend. Wenn ich dann höre, den muss. Aber ich möchte es gern in dem Sinne dass auch die EU-Vertretung abgehört wird, dann verändern, wie ich versucht habe, es hier auszufüh- hat das mit diesen Zwecken wirklich nichts zu tun ren. und ist in keiner Weise zu rechtfertigen. Ich will noch einmal auf einen Punkt zurückkom- (Beifall PIRATEN) men, der eben bei der Rede von Herrn Bernstein ei- Ich glaube, dass sich die Bundeskanzlerin hier weg- ne Rolle gespielt hat. Entweder haben wir eine duckt. Warum verhandelt sie nicht mit dem Präsi- schlechte Regierung, die nichts weiß und der die denten der Vereinigten Staaten darüber? - Wenn Geheimdienste auf der Nase herumtanzen, oder wir Chefs von Spionagediensten ein Anti-Spionage-Ab- haben eine Regierung, die die Bürgerinnen und kommen aushandeln, dann ist - so glaube ich - ein Bürger belügt. Ich weiß nicht, was mir da lieber gesundes Misstrauen nicht fehl am Platz. sein soll. Das aber ist die Deutung, zu der man kommen muss, wenn man Herrn Pofalla zuhört. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Man sagt Herrn Oppermann Dinge nach, und man Schlussfolgerung daraus zu ziehen, ist deshalb versucht, Frank-Walter Steinmeier für Vorgänge, schwer, weil wir vieles noch nicht wissen. Ich glau- die über zehn Jahre zurückliegen, zu diffamieren be, dass unser Antrag darauf hinweist, was man und ihm den Mund zu verbieten. Ich kann nur sa- jetzt feststellen kann. Ich bleibe bei dem, was ich gen: Wer so handelt, der will nicht aufklären. hier schon mehrfach gesagt habe: Ich glaube, Transparenz ist Voraussetzung für Vertrauen. In Im Übrigen will ich deutlich sagen, dass ich die an- dieser Überzeugung sollten wir mit diesem Thema tiamerikanischen Töne in der Debatte völlig unan- umgehen. Daher freue ich mich über die Debatte, gebracht finde. Solche Töne habe ich auch nicht die wir haben. Im Grunde liegen viele Positionen verwendet. Dass nach den schrecklichen Anschlä- nicht weit voneinander entfernt. Ich meine, man gen von 2001 - der Attentäter kam übrigens aus müsste dann, wenn man die Anträge an die Aus- Hamburg - gegen die terroristische Bedrohung eng schüsse überweist, in der Lage sein, zu einer ge- mit befreundeten Geheimdiensten - also geheim - meinsamen Haltung zu kommen. Das würde ich zusammengearbeitet werden musste, ist nicht kri- mir jedenfalls wünschen. - Herzlichen Dank. tikwürdig. Das war notwendig. Die Verfassungs- schutztätigkeit ist notwendig, sie ist nicht kritikwür- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dig. Man muss nur eine entsprechende parlamenta- und vereinzelt PIRATEN) rische Kontrolle haben, wie es sie im Land Schles- wig-Holstein übrigens gibt. Dies möchte ich aus- drücklich hinzufügen. Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2859

Vizepräsidentin Marlies Fritzen: XKeyscore und der Reichweite der Geheimdienst- arbeit noch nichts beziehungsweise nur sehr wenig Für die Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE bekannt. Da wir Grüne uns aber nicht so einfach GRÜNEN erteile ich dem Kollegen Rasmus Andre- damit abfinden wollen, haben wir kürzlich eine Sit- sen das Wort. zung des Parlamentarischen Kontrollgremiums be- antragt, und die Kollegen Ströbele und Konstantin Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- von Notz haben Anfang der Woche im Deutschen NEN]: Bundestag eine 100 Fragen schwere Anfrage an die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Kolle- Bundesregierung eingereicht. ginnen und Kollegen! 1984 war nicht als Anleitung Während auch deutsche Geheimdienste Bürgerin- gedacht; dieses Motto der Bürgerrechtsbewegung nen- und Bürgerrechte verletzen und massiv in der ist aktueller denn je. Man kann alle Bürgerinnen Privatsphäre schnüffeln, können sie in ihrer eigenen und Bürger nur dazu aufrufen, am 7. September Struktur nicht intransparent genug sein. Diese Form 2013 in Berlin an der Freiheit-statt-Angst-Demo der Geheimdienstarbeit muss der Vergangenheit an- teilzunehmen. gehören. Unsere Geheimdienste gehören dringend (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und reformiert. PIRATEN) (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Durch PRISM ist der US-Geheimdienst NSA in PIRATEN) der Lage, mittels Onlinedienstleistern wie Face- Auch die Pläne des BND zur Ausweitung der Onli- book oder Google auf sensible Daten deutscher neüberwachung müssen beendet werden. Die Vor- Bürgerinnen und Bürger zuzugreifen. Das britische ratsdatenspeicherung ist nichts anderes als eine Programm Tempora greift die Daten direkt an den weitere verfassungswidrige Einschränkung von Seekabeln in Südengland ab, und zwar ohne Abwä- Freiheitsrechten. Sie muss ein für allemal entsorgt gung und ohne Verdacht. Wenn die vom Bundes- werden. Ich bin froh, dass wir als Koalition im Ko- verfassungsgericht gekippte Vorratsdatenspeiche- alitionsvertrag dazu ein deutliches Nein formuliert rung wie eine Sense durch die Privatsphäre der haben. Der Kollege Stegner hat dies gerade ange- Bürgerinnen und Bürger schlug, so sind die Pro- deutet. Daran ändern auch aktuelle Äußerungen gramme PRISM und Tempora die Mähdrescher. beispielsweise von BKA-Chef Ziercke rein gar US-amerikanische und britische Geheimdienste nichts. sind in der Lage, alle Daten mit Auslandsbezug - Das Parlamentarische Kontrollgremium ist ein Hin- also deutsche Bürgerinnen und Bürger - in einem terzimmertreffen. Gerade zu der Spähaffäre müssen unbekannten Ausmaß auszuspionieren. Es zeichnet die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgre- sich ein Bild ab, dass Geheimdienste einfach die miums die Öffentlichkeit oder zumindest ihre Frak- Verfassung des jeweils anderen Landes brechen tionen stärker informieren dürfen. Wir unterstützen und diese Daten dann untereinander austauschen, den Antrag der PIRATEN dahin gehend, dass eine und zwar unter anderem mit dem sich beim deut- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein guter Schritt schen Verfassungsschutz in der Testphase befindli- hin zu einer vertrauenswürdigeren Kommunikation chen Programm XKeyscore. Damit sind die Ge- mit öffentlichen Institutionen des Landes ist. heimdienste in der Lage, Facebook-Chats, Mails, Bilder, Videos, Messenger-Nachrichten, Skype-Te- (Beifall PIRATEN) lefonate und vieles mehr live und in Echtzeit nach- Das Vertrauen zwischen Bürgerinnen und Bürgern zuvollziehen und zu speichern. und öffentlichen Institutionen ist ein unschätzbar Genau darum geht es: Die aktuelle Spähaffäre ist hohes Gut. Wie wir alle wissen, ist einmal verloren nichts, was uns allein böse Geheimdienste aus dem gegangenes Vertrauen schwer wiederherzustellen. Ausland eingebrockt haben. Unsere eigenen Ge- (Beifall Uli König [PIRATEN]) heimdienste mischen munter mit. Unter dem Ver- weis auf strenge Geheimhaltungsstufen wird nicht Die CDU-Fraktion hier im Haus beschränkt sich nur der Bevölkerung viel verheimlicht, sondern darauf, in Pofalla-Manier Aktivität vorzutäuschen, auch uns als Abgeordneten. Auf meine Kleine An- Herr Kollege Bernstein. Das ist ein Änderungsan- frage von Anfang Juni habe ich leider nur sehr un- trag ohne Änderungen. Er ist lediglich ein Loblied befriedigende Verweise auf das Parlamentarische auf Frau Merkels Fortschrittsbericht. Was ist dieser Kontrollgremium erhalten. Damals war von Fortschrittsbericht mehr als ein neunseitiges Papier voll mit vagen außenpolitischen Initiativen und vor- 2860 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Rasmus Andresen) sichtiger Zukunftsmusik? - Das bleibt offen. Die (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abhörprogramme laufen währenddessen aber wei- ter. Der Bereich der Geheimdienste wird in diesem Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Bericht gar nicht angegangen. Herr Dr. Breyer, Sie bleiben stehen. Heißt das, Sie Statt zahnlose Pseudoabkommen sollte die Bundes- haben eine weitere Zwischenfrage? - Nein. Dann regierung lieber die Verhandlungen über die Frei- frage ich den Kollegen Andresen, ob er eine Zwi- handelszone mit den USA mit einem Abkommen schenbemerkung oder -frage des Herrn Abgeordne- zum Datenschutz verknüpfen. Das wäre wirksam. ten Dr. Dolgner gestattet. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zu- ruf Wolfgang Kubicki [FDP]) Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: - Ich glaube, Sie kommen gleich noch dran. Gern. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Dr. Kai Dolgner [SPD]: Herr Kollege An- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des dresen, können Sie sich - ebenso wie meine Herrn Abgeordneten Dr. Breyer? Wenigkeit - noch daran erinnern, dass wir vor allem eine Personenidentifizierung bei den Bestandsdaten nur dann erlauben, wenn Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine Gefahr für Leib, Leben oder persönliche NEN]: Freiheit besteht oder bei besonders schweren Ja. Gefahren im Umweltbereich, bei denen es Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kol- noch andere Folgen gibt? - Stimmen Sie mir lege Andresen, Sie haben eben so schön zum zu, dass dies etwas anderes ist als eine Sach- Rundumschlag gegen alle Überwachungsge- beschädigung unter anderem mit richterlicher setze und -maßnahmen ausgeholt. Wie kön- Überprüfung? nen Sie dies damit in Einklang bringen, dass - Ich kann mich vielleicht nicht ganz so gut wie Sie die Grünen im Deutschen Bundestag in den daran erinnern, weil Sie sich meistens ein bisschen letzten zehn Jahren 14 Überwachungsge- besser an die Gesetzentwürfe erinnern können. Ich setzen zugestimmt haben und dass Sie hier kann mich aber ähnlich gut erinnern. Ich weise dar- im Landtag einem Gesetz zur Bestandsdaten- auf hin, dass es nicht von ungefähr kommt, dass die auskunft zugestimmt haben, das unter ande- PIRATEN kurz vor der Bundestagswahl probieren, rem die Identifizierung von Internetnutzern nach jedem Strohhalm zu greifen. zur Verhinderung von Sachbeschädigung vorsieht? Vizepräsidentin Marlies Fritzen: - Die meisten der Gesetze, die Sie gerade mit Be- Jetzt hat Herr Abgeordneter Dr. Breyer doch noch zug auf den Deutschen Bundestag angesprochen eine Frage. Möchten Sie diese zulassen? haben, wurden manchmal leider auch mit grüner Beteiligung beschlossen. Diese sind aber nach den Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Terroranschlägen von 2001 auf das World Trade NEN]: Center beschlossen worden. Der Kollege Stegner hat dies angesprochen. Sie wissen genauso gut wie Kein Problem. ich - und vielleicht sogar besser -, dass die Stim- Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Danke, das mung damals nicht nur in den Parlamenten, sondern ist eher eine Zwischenbemerkung. Ich möch- auch in der Öffentlichkeit mit Blick auf die Frei- te der allgemeinen Erinnerung ein bisschen heitsrechte ziemlich schlecht war. Ich erinnere auf die Sprünge helfen und daran erinnern, aber auch daran, dass die rot-grüne Landesregie- dass die Identifizierung von Internetnutzern rung zum damaligen Zeitpunkt - anders als viele auch zur Abwehr einer Gefahr eines Scha- andere Landesparlamente - viele Gesetze mit einer dens für Sach- oder Vermögenswerte zuge- zeitlichen Befristung ausgestattet und dort zumin- lassen wurde. dest ein bisschen weiser gehandelt hat, als es die Kollegen in anderen Landesparlamenten getan ha- (Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD]) ben. - Ich glaube, diese Debatte führen wir am Rande des Plenums weiter. - Ich komme zum Schluss mei- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2861

(Rasmus Andresen) ner Rede. Ich glaube, wir müssen uns den Heraus- en, bei dem wir den Menschen erklären müssen, forderungen der aktuellen Spähaffäre stellen. So- wie wir ihn im Zweifel auflösen sollen. wohl der Landtag als auch alle anderen öffentlichen Um es an einem Beispiel zu dokumentieren: Ich ha- Institutionen des Landes und auch des Bundes müs- be gesagt, der Innenminister ist für Spionageabwehr sen respektvoll und angemessen mit dem entgegen- zuständig. Ich könnte einmal fragen, was unser In- gebrachten Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nenminister, was unsere Verfassungschutzabteilung umgehen. Das sind wir den Bürgerinnen und Bür- getan hat, um uns davor zu schützen, dass millio- gern im Lande schuldig. nenfach amerikanische Dienste Spionage in Das Hauptproblem an dieser Debatte ist nicht das Deutschland betreiben, um Daten abzugreifen. Das Wegducken der Kanzlerin, sondern dass dies die bringt uns zu dem eigentlichen Problem. Wir müs- Demokratie zutiefst beschädigt, und daran sollte sen zunächst einmal sehen, dass verschiedene keiner hier im Hause ein Interesse haben. Auch ich Rechtsordnungen aufeinandertreffen. Das, was die glaube, dass man vielleicht sogar einen guten ge- Amerikaner in den USA machen, entspricht der meinsamen Antrag im Ausschuss hinbekommen amerikanischen Gesetzgebung. Wir wussten das al- kann, und unterstütze deshalb den Antrag des Kol- les. Wir wissen seit 2008, dass die CIA seit 2008 legen Stegner auf Überweisung. - Vielen Dank. von Gesetzes wegen beauftragt ist, Wirtschaftsspio- nage im Ausland zu betreiben, was Deutschland (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einschließt. Wir wissen, dass technische Möglich- keiten momentan fehlen, dem entgegenzuwirken. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Das Einzige, was wir jetzt fordern könnten: Die Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordne- Bundeswehr muss in Washington einmarschieren, te Wolfgang Kubicki. wir besetzen die NSA und zerstören deren Compu- ter. Das ist doch kein ernsthaftes Anliegen. Wolfgang Kubicki [FDP]: (Zuruf: Es funktioniert nicht!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! - Es funktioniert auch nicht. - Wir können doch nur Bevor ich mich dem eigentlichen Thema widme, versuchen, Standards, die wir für wichtig halten, möchte ich zwei Vorbemerkungen machen, die mit den Amerikanern zu verhandeln und dann Kon- mich noch bewegen. Erstens. Kollege Andresen trollmechanismen einzuführen - weil es nicht aus- stellt sich hier hin und behauptet ohne jeden Beleg, reichen wird, wenn wir behaupten, sie hielten sich dass millionenfach deutsche Geheimdienste rechts- schon jetzt nicht an unsere Überlegungen -, die da- widrig die Daten von deutschen Bürgern ausspio- für Sorge tragen, dass das, was an datenschutzrecht- nieren und damit Unsinn betreiben. Ich erwarte von lichen Regelungen vereinbart worden ist, auch be- dem Innenminister unseres Landes, der auch für achtet wird. Spionageabwehr zuständig ist, dass er dazu eine Er- klärung abgibt, ob Erkenntnisse dieser Art vorlie- Vizepräsidentin Marlies Fritzen: gen, dass deutsche Geheimdienste - BND, Verfas- sungsschutz - rechtswidrig millionenfach deutsche Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbe- Bürger ausspionieren. Ansonsten, Herr Kollege An- merkung oder -frage des Kollegen Stegner? dresen, glaube ich nicht, dass es einem deutschen Parlamentarier ansteht, solche Behauptungen Wolfgang Kubicki [FDP]: schlicht und einfach in den Raum zu werfen. Jederzeit gern. (Beifall FDP) Dr. Ralf Stegner [SPD]: Herr Kollege, gera- Zweitens. Lieber Kollege Dr. Stegner, Sie wissen de weil ich Ihre Vorbemerkung teile und es wie ich auch, dass bei allem, was wir sonst an Streit ein richtiger Popanz wäre, wenn es so wäre, haben, jedenfalls in Fragen der Innen- und Rechts- wie Sie es beschrieben haben, aber finden Sie politik in diesem Hause bis auf ganz wenige Aus- nicht - mehr habe ich nicht gesagt -, dass es nahmen in den letzten 20 Jahren Sozialdemokraten, für uns wichtig ist herauszufinden, ob Herr Grüne und wir vernünftig zusammangearbeitet und Snowden sozusagen nur Geheimnisverrat be- immer versucht haben, den Rechtsstaat so weit wie gangen hat, was in Amerika strafbar ist, oder möglich gegen Angriffe zu verteidigen. Deshalb ob er die Wahrheit gesagt hat? Mein Ein- warne ich dringend davor, einen Popanz aufzubau- druck war jedenfalls, Herr Kubicki, dass uns diese Nachrichten überrascht haben, mich je- 2862 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Wolfgang Kubicki)

denfalls. Das mit dem Stand der Technik und Aus Gründen, die ich nachvollziehen kann - Sie dass wir mit den Amerikanern zur Terrorab- auch -, ist genau dies im Jahre 2002 aufgeweicht wehr zusammenarbeiten, hat mich nicht worden. Warum? Weil klar geworden ist, dass nur überrascht. Aber dass dies in dem Maße statt- mit einem Datenaustausch der Dienste untereinan- findet wie von Herrn Snowden behauptet, der und mit dem Erhebungsrecht der Amerikaner das ist die Überraschung. Meine Frage ist: auch in Europa Terroranschläge wie die des Jahres Überrascht Sie das nicht, oder finden Sie 2001 künftig verhindert werden können. nicht, dass wir das herausfinden sollten? Das Spannungsfeld Sicherheit und Freiheit - Herr Dr. Stegner, zunächst einmal ist der Tatbe- besteht. Wir haben schon gestern darüber diskutiert, stand des Geheimnisverrats daran geknüpft, dass dass die Verhältnismäßigkeit manchmal komplett das, was als Geheimnis verraten worden ist, auch aus dem Ruder läuft. Wir wissen, dass alle Dienste, wahr ist, sonst begehen Sie keinen Geheimnisver- wenn sie Möglichkeiten erhalten - das ist gar nicht rat. Deshalb ist diese Frage kein Widerspruch. Sie böse gemeint -, versuchen, sie immer weiter auszu- fragen, ob Herr Snowden nur Geheimnisverrat be- bauen und auszuweiten, und irgendwann einmal je- gangen hat oder auch die Wahrheit gesagt hat. Er des Maß in Relation zum ursprünglichen Anlass wird wahrscheinlich, wenn er die Wahrheit gesagt verlieren. Das ist das Problem, vor dem wir mo- hat, Geheimnisverrat begangen haben, sonst kann mentan stehen. er keinen Geheimnisverrat begehen. (Beifall FDP) (Beifall FDP) Ich wundere mich aber, dass es Sie überrascht, dass Vizepräsidentin Marlies Fritzen: es überhaupt jemanden überrascht, dass unsere Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Bemerkung amerikanischen Freunde weltweit, flächendeckend, des Abgeordneten Stegner? und zwar schon vor 2001, alles, was sie an Daten bekommen können, auch abgreifen. Das kann man Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ich stelle zunächst nachlesen, übrigens in der Berichterstattung des einmal fest, dass Sie ausdrücklich das bestä- „Spiegel“ schon aus dem Jahr 2007, auch aus dem tigt haben, was ich vorhin selbst festgestellt Jahr 1998. Ich bin darauf hingewiesen worden: Was habe, nämlich dass, wenn Herr Snowden we- glauben Sie denn, was die Amerikaner in Bad Aib- gen Geheimnisverrats belangt wird, offen- ling, der Radarstation in Bayern, treiben? kundig das, was er behauptet, zutreffen wird. Nichts anderes habe ich vorhin gesagt. Dann (Christopher Vogt [FDP]: Den Iran überwa- ist es übrigens auch kein Popanz. chen!) Aber die Fragen, die ich gestellt habe, wenn Die unterhalten sich da wahrscheinlich mit dem ich es richtig verfolgt habe, zum Beispiel an BND über die Regeln des Skats, oder was glauben Herrn Friedrich, sind doch die gleichen Fra- wir? Alles, was die können, werden sie tun. Die gen, die Frau Leutheusser-Schnarrenberger spannende Frage ist nur: Was tun wir dagegen? in der Öffentlichkeit auch gestellt hat, übri- Was haben wir dagegen getan? gens völlig zu Recht. Ich kann noch einmal geschichtlich ausholen. Als Mich überrascht schon, Herr Kollege Ku- Deutschland 1990 souverän wurde, gab es Ver- bicki - das war mir jedenfalls neu -, dass zum handlungen. Die damaligen Besatzungsmächte Beispiel die EU-Vertretung ausgespäht wird. Frankreich, Großbritannien und die USA wollten Ich finde es nicht selbstverständlich, wenn es sich vorbehalten, von ihren Besatzungsrechten wei- zutreffen sollte und dies der Fall ist. Davon ter Gebrauch machen zu können, den deutschen habe ich gehört. Das konnte man lesen. Es ist Kommunikationsverkehr einschließlich des Brief- nicht dementiert worden. verkehrs unter Außerachtlassung unserer Verfas- sung zu überwachen. Das war denen bis 1990 übri- Die Tatsache, dass die Amerikaner in der Tat gens erlaubt, weil sie Besatzungsmacht waren. Dar- jede Menge Daten verwenden, ist uns allen aufhin hat sich die damalige schwarz-gelbe Regie- seit Jahrzehnten bekannt. Was für mich je- rung geweigert, dies zu tun, weil zur Souveränität denfalls neu war - ich bin Ihnen dankbar, eines Staates gehört, dass man ausländischen wenn Sie sagen, Sie wussten das alles schon; Diensten nicht erlaubt, auf dem eigenen Territorium Sie wissen ja vieles besser als andere -, war, Spionage zu betreiben. dass die Kommunikation deutscher Staats- bürger von ausländischen Geheimdiensten Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2863

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

systematisch abgeschöpft wird. Das war mir - Noch einen Punkt, Frau Präsidentin, dann lasse bisher neu. Wenn Sie sagen, Sie wissen das ich eine weitere Zwischenfrage zu. Der Kollege schon, das muss man wissen, dann nehme ich Andresen bläst sich hier auf wie nichts Gutes. Die das zur Kenntnis. Für mich war es ein neuer Grünen verlangen eine Sondersitzung des Parla- Umstand. mentarischen Kontrollgremiums, weil sie eine Viel- zahl von Fragen haben, die unsere Verfassungs- Es hat nichts mit den Rechten zu tun, die sich schutzabteilung zu diesem Komplex beantworten die Amerikaner seit dem Zweiten Weltkrieg soll. Was stellen wir fest? Fragen: null. Wenn nicht sozusagen genommen haben, und es hat auch zumindest der Kollege König intelligenterweise nichts damit zu tun, was Herr Steinmeier zwei Fragen gestellt hätte, hätten wir uns gestern 2001 vereinbart hat, als es darum ging, Ter- Morgen gefragt: Was machen wir da eigentlich? rorismusabwehr zu betreiben. Aber Sie kön- Das zeigt, welch öffentlicher Popanz hier aufgebaut nen uns aufklären. Ich bin auch interessiert wird. Wenn es darum geht, Informationen zu be- zu wissen, was daran ein Popanz sein soll, kommen, wird es nicht eingelöst. wenn man die gleichen Fragen stellt, die Frau Leutheusser-Schnarrenberger öffentlich auch (Beifall FDP und CDU - Eka von Kalben stellt. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tagen wir nicht geheim?) Wolfgang Kubicki [FDP]: - Aber die Information, dass ich keine Frage gestellt Herr Kollege Dr. Stegner, zunächst einmal weiß ich habe, unterliegt mit Sicherheit nicht der Geheimhal- es nicht besser, es überrascht mich nur nicht, ge- tung. Das streite ich gern vor Gericht aus. Kein Pro- nauso wenig wie es mich überrascht hat, in wel- blem. chem Umfang die Stasi Kommunikationsverkehr in Deutschland abgeschöpft hat. Ich sage einmal, es Vizepräsidentin Marlies Fritzen: würde mich auch nicht überraschen, wenn wir dem- Gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Kollegen nächst feststellten, dass unsere chinesischen Ge- Breyer? schäftspartner aus welchen Gründen auch immer in der Lage sind oder sich in die Lage versetzen, ent- Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kol- sprechende elektronische Daten zu erheben, die lege Kubicki, meine Frage betrifft gar nicht heute auf einen Stick passen, wenn überhaupt, oder den Umstand, dass die Vertraulichkeit von die Sie mit einem Klick bekommen können, wäh- Sitzungen hier sehr selektiv nach Parteien ge- rend Sie früher Lastwagen brauchten, um sie in ent- handhabt wird. Meine Frage ist zweigeteilt. sprechender Weise abzuschöpfen. Das ist nicht Sie haben in der Antwort auf die Frage des meine Frage. Meine Frage ist: Was tun wir dage- Kollegen Andresen die Praktiken der deut- gen? Was können wir dagegen tun? schen Geheimdienste verteidigt. Halten Sie es für völlig unbedenklich, oder können Sie Wenn Sie sagen, die Bundesregierung solle Fragen bestätigen, dass der BND millionen- und beantworten, dann machen Sie genau das Gleiche, abermillionenfach Korrespondenz in Form was Sie jetzt eigentlich auch tun. Sie sagen, wir elektronischer Post deutscher Bürger mit aus- wissen es nicht, wir fragen unsere amerikanischen ländischen Kommunikationspartnern ohne Freunde, und wir sind darauf angewiesen, dass sie jeden Anlass auf bestimmte Schlüsselworte uns die Wahrheit sagen. Kontrollieren können wir durchsucht, oder wie ist Ihre Position dazu? das im Zweifel auch nicht. Zweite Frage: Sie haben nach den Konse- Deshalb ist die Frage: Was lernen wir als Konse- quenzen gefragt, die wir daraus ziehen. Un- quenz daraus? Was machen wir damit? Diese Frage terstützen Sie die Forderung der Piratenpar- sollten wir intensiver diskutieren als die Frage: tei, die Zusammenarbeit beim Informations- Wenn Angela Merkel Obama einen Brief schreibt, austausch mit Staaten, die keinen gleichwer- fängt der an zu zittern, ja oder nein? Oder wenn wir tigen oder überhaupt nennenswerten Grund- sagen: Ralf Stegner fährt nach Washington und rechts- und Datenschutz haben, außer in Not- wird mit dem NSA-Chef reden, dann schalten die fällen sofort einzustellen? jetzt die Geräte ab? Wer so blauäugig ist, Herr Dr. Stegner, der hat im politischen Bereich nichts Wollen Sie mit Staaten wie den USA zusam- zu suchen. menarbeiten, die Informationen einsetzen, um Menschen zu entführen, in Folterstaaten 2864 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

zu verbringen, gar gezielt zu töten oder auch würde mich immer dafür einsetzen. Dort, wo ich Menschen massenhaft auszuspionieren? Hal- Entscheidungsbefugnisse habe, dort, wo ich kompe- ten Sie die systematische Zusammenarbeit tent genug bin, will ich verhindern, dass mit sol- mit solchen Staaten für in Ordnung? chen Methoden, die Sie angesprochen haben, etwas passiert, und verteidige den Rechtsstaat. Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber als Alternative hinzustellen, wir dürften Infor- - Zur ersten Frage, Herr Kollege Dr. Breyer: Bei Ih- mationen, die zur Verhinderung eines Anschlages nen intendiert schon wieder die Behauptung, dass dienen, die nicht wir erhoben haben, sondern von deutsche Dienste illegalerweise tätig geworden sei- dritter Seite kommen, nicht verwerten, weil sie en. möglicherweise unlauter erworben worden sind, diese Position teile ich nicht. Denn ansonsten ist die (Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Habe ich Frage, mit welchem Staat in der Welt wir noch zu- nicht gesagt!) sammenarbeiten oder Informationen austauschen - Illegalerweise! wollten. Mit welchem Staat? (Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Habe ich (Uli König [PIRATEN]: Island!) nicht gesagt!) - Island? - Das ist typischerweise die Kindervorstel- - Illegalerweise! Millionenfach seien deutsche Da- lung der PIRATEN ten abgeschöpft worden, illegalerweise. Das hat der (Beifall Dr. Heiner Garg [FDP]) Kollege Andresen gesagt. Sie insinuieren jetzt, dass der Bundesnachrichtendienst, wenn er tätig wird, - es ist wirklich eine Kindervorstellung -, die glau- das ohne gesetzliche Grundlage macht oder gegen ben, die vollständige, äußerste Transparenz würde gesetzliche Vorgaben. Das bestreite ich. Dafür gibt im Zweifel zu mehr Sicherheit führen. Ich glaube es nicht einen einzigen Beleg. Deshalb sollten sol- das im Zweifel nicht. Sondern wir stehen immer che Behauptungen auch nicht in den Raum gestellt wieder vor der Aufgabe, das Sicherheitsbedürfnis werden. mit dem Freiheitsbedürfnis der Menschen verhält- nismäßigerweise abzuwägen und uns im Zweifel (Beifall FDP und CDU) dafür zu entscheiden, der Freiheit die Priorität ein- Zur zweiten Frage: Wir unterstützen die Zusam- zuräumen und nicht der Sicherheit, so wie es übri- menarbeit mit allen Staaten, mit denen wir uns im gens die Gründerväter der Vereinigten Staaten in Bündnis befinden. Ansonsten müssten wir das der amerikanischen Verfassung einmal formuliert Bündnis verlassen. haben. Daran muss man die Amerikaner vielleicht noch einmal erinnern. (Beifall FDP und CDU) (Beifall FDP - Zuruf Uli König [PIRATEN]) Dann müssten wir sagen: Deutschland muss aus der NATO austreten, weil die Amerikaner schlicht und - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es hat ergreifend nicht mehr zuverlässig sind. Ich sage Ih- bisher einigermaßen wunderbar funktioniert, denn nen: Ich bin auch froh, wenn Informationen von Sie, Herr Kollege König, haben auch das hohe Diensten, die ich nicht für sehr rechtsstaatlich halte, deutsche und europäische Datenschutzrecht her- vorgehoben. Das können wir nicht mit Gewalt (Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Aus Fol- durchsetzen, sondern nur durch Überzeugung, ter?) durch besseres Beispiel, durch Verhandlungen. Da- dazu beitragen, terroristische Angriffe auf deut- für stehen wir auch. Deshalb glaube ich, dass in schem Boden zu verhindern. dieser Frage hektische oder auch polemische Dis- kussionen fehl am Platz sind. (Beifall FDP und CDU - Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Aus Folter?) Ein letzter Punkt, weil die PIRATEN offensichtlich auch eine völlig neue Kraft sind, die Geschichte - Herr Kollege Dr. Breyer, wir können uns gern nicht mehr kennen. Wir haben uns mit der Union über die Frage unterhalten, ob, wenn eine Informa- lange gestritten, die FDP insgesamt, nicht nur Frau tion in Deutschland ankommt, wir zunächst die Fra- Leutheusser-Schnarrenberger, ist zum Sicherheitsri- ge klären müssen, ob sie lauter erworben worden siko für Deutschland erklärt worden, übrigens nicht ist, oder ob wir uns zunächst darum kümmern müs- nur von der Union, sondern auch von Sozialdemo- sen, dass ein terroristischer Anschlag verhindert kraten im Deutschen Bundestag, weil wir uns ge- wird. Ich würde mich für Letzteres entscheiden. Ich weigert haben, die Europäische Richtlinie zur Vor- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2865

(Wolfgang Kubicki) ratsdatenspeicherung umzusetzen mit der Bemer- (Beifall Dr. Heiner Garg [FDP]) kung, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung Das geht nicht nur physisch, das geht auch elektro- an sich - und zwar unabhängig von der Frist, ob ein nisch. Ich bin sicher, dass Sie auch nicht mehr glau- halbes Jahr, zwei Jahre, sechs Monate, Herr Kolle- ben, dass der Freiheit zum Durchbruch verholfen ge Dr. Stegner - ein so schwerwiegender Grund- wird, wenn Stalker dabei sind, nicht nur Ihr Mail- rechtseingriff ist, der durch nichts zu rechtfertigen System lahmzulegen, sondern über Sie im Netz und ist, weshalb das Modell des Quick-Freeze-Verfah- wo auch immer Dinge zu verbreiten, die Ihre per- rens vorgeschlagen worden ist. Wenn ein Anlass sönliche Existenz ruinieren können. Auch da hört gegeben ist, werden Daten für eine Woche einge- es auf. froren, möglicherweise durch richterlichen Be- schluss auch für längere Zeit, sie können ausgewer- Deshalb sage ich: In jeder Phase müssen wir die tet werden, und dann werden sie wieder vernichtet. Abwägung treffen. Mein Herz schlägt bei der Ab- Aber keine anlasslose Vorratsdatenspeicherung, da- wägung im Zweifel mehr für die Freiheit, aber eben bei bleiben wir. auch nur im Zweifel. Dort, wo überhaupt kein Zweifel besteht, handeln die Sicherheitsbehörden (Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall schlicht und ergreifend mit dem Instrumentarium, Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] und Lars das wir ihnen gesetzlich zur Verfügung stellen - Harms [SSW]) nicht mehr, aber auch nicht weniger. Manchmal muss man eben gucken, dass das Mehr, das sich Vizepräsidentin Marlies Fritzen: eingebürgert hat, dann wieder durch entsprechende Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfra- gesetzgeberische oder parlamentarische Maßnah- ge des Herrn Abgeordneten König? men zu einem Weniger wird. (Beifall FDP) Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja. Vizepräsidentin Marlies Fritzen: Uli König [PIRATEN]: Es ist leider nur eine Ihre Redezeit wäre abgelaufen, aber es gibt ab- Zwischenbemerkung, Herr Kubicki. Vielen schließend die Bitte nach einer weiteren Frage oder Dank für Ihre Erklärung zwischen Abwä- Bemerkung des Abgeordneten Breyer. Sie haben gung von Sicherheit und Freiheit von Ihnen, die Chance, diese noch zuzulassen. als der „Freiheit in Person“, wie Sie hier an der Straße plakatiert werden. Ich habe leider Wolfgang Kubicki [FDP]: den Eindruck, dass die Freiheit bei Ihrer Frau Präsidentin, da ich sehe, dass auch bei den PI- Waage ziemlich leicht wiegt und die Sicher- RATEN zum Nachdenken führt, was ich sage heit doch sehr schwer wiegt. Das wollte ich nur kurz sagen. Vielen Dank. (Zurufe) - Herr Kollege König, für Ihre Eindrücke kann ich - das sehe ich, jedenfalls bei Herrn Dudda, bei nichts, weil sie vorgeprägt sind durch Ihre Vorurtei- Herrn König weiß ich es nicht -, darf Kollege le, die Sie mit sich herumtragen. Dr. Breyer gern eine Frage stellen. (Beifall Christopher Vogt [FDP], Dr. Axel Bernstein [CDU] und Volker Dornquast Vizepräsidentin Marlies Fritzen: [CDU]) Dann hat Herr Breyer das Wort. Insofern habe ich großes Verständnis dafür, dass, Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kol- egal was ich hier sagen würde, Sie zu dem Ergebnis lege, ich helfe gern, wo ich kann. Sie haben kommen würden, ich würde der Freiheit nicht zum ein schönes Plädoyer gegen die anlasslose Durchbruch verhelfen wollen. Aber ich kann Ihnen Vorratsdatenspeicherung von Telefon-, Inter- sagen: Die Freiheit jedes Menschen endet an der net- und Handyverbindungen gehalten. Wie Freiheit des anderen. Ich kann Ihnen sicher sagen, stehen Sie vor dem Hintergrund zu dem Vor- dass Sie auch nicht davon reden würden, dass die schlag Ihrer eigenen Bundesjustizministerin, Freiheitsrechte beeinträchtigt wären, wenn ein Poli- Informationen über jede Internetverbindung zeibeamter jemanden daran hindert, Sie mit einer in Deutschland ohne Anlass vorzuhalten? Waffe zu bedrohen. Würden Sie dem als Mitglied des Bundestags zustimmen? 2866 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Wolfgang Kubicki [FDP]: den Kosten, sondern am fehlenden Problembe- wusstsein. Können Sie die Frage vielleicht etwas konkretisie- ren? Internetverbindungen wofür vorzuhalten? Noch 2011 hat eine Studie im Auftrag der Deut- schen Post mit dem Titel „Vertraulichkeit und - Für die sogenannten Bestandsdatenauskünf- Transparenz 2.0“ festgestellt, dass deutsche Ver- te. So ist das in dem Quick-Freeze-Gesetz- waltungsorgane auf Bundes- und Kommunalebene entwurf, den Sie genannt haben, vorgesehen. kaum Bedenken bezüglich der Sicherheitsstandards - Ja, aber diese Bestandsdaten werden nicht unend- bei der Online-Kommunikation haben. Über drei lich lange gespeichert. Für das Quick-Freeze-Ver- Viertel der damals Befragten gab an, keine oder nur fahren brauchen Sie selbstverständlich die entspre- leichte Sicherheitsbedenken bei der Übermittlung chenden Klardaten für Internetverbindungen, weil von Daten im Online-Verfahren zu haben. Der per- das Quick-Freeze-Verfahren ansonsten keinen Sinn sönliche PC ist schließlich mit einem Passwort ge- machen würde. Selbstverständlich brauchen Sie Be- schützt und das Mailingprogramm wahrscheinlich standsdaten. Aber dann, wenn das Quick-Freeze- auch. Das empfinden viele Nutzer als ausreichende Verfahren beendet ist und Sie die Daten nicht mehr eigene Vorkehrungen zur Sicherung ihrer Kommu- benötigen - nach einer Woche oder 14 Tagen -, sind nikation. die komplett zu löschen und nicht weiter zu spei- Die großen E-Mail-Anbieter haben überhaupt noch chern. nicht begriffen, warum eine Verschlüsselung von Ich habe nichts dagegen, aber vielleicht klären wir E-Mails auf dem kompletten Transportweg drin- das zu einem späteren Zeitpunkt. Heute ist Freitag, gend erforderlich ist. Sie bieten das einfach nicht 15 Uhr. Wir haben noch andere Themen, die von an. Bis auf ein paar Spinner sah man bislang in den großer Relevanz sind, Herr Kollege Dr. Breyer. Wir Konzernetagen gar keinen Markt. machen das dann am Rande des Plenums. - Herzli- Insofern ist die Aufdeckung der umfänglichen Aus- chen Dank. spähung und Speicherung elektronischer Kommu- (Beifall FDP und vereinzelt CDU - Dr. Hei- nikation durch den amerikanischen Geheimdienst ner Garg [FDP]: Schick ihm doch einfach ein schon so etwas wie ein heilsamer Schock. Die feh- Autogramm!) lende Sicherheitsarchitektur und der teilweise unbe- darfte Umgang mit vertraulichen Inhalten verstand Vizepräsidentin Marlies Fritzen: die NSA geradezu als Einladung zur Rasterfahn- dung. Niemand weiß in Deutschland wirklich ge- Das Wort für die Abgeordneten des SSW erteile ich nau, welche Daten wie lange in den USA gespei- dem Kollegen Lars Harms. chert werden. Lars Harms [SSW]: Dass die Bundesregierung das lange Wochen gar nicht wissen wollte, ist ein Armutszeugnis. Dabei Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und ist es doch ganz einfach: Kommunikation in Herren! Elektronische Kommunikation ist nicht Deutschland unterliegt deutschem Recht. Das un- vertraulich. Es werden zwar mehrere Milliarden tersagt die Ausspähung und Speicherung von Kom- elektronischer Briefe verschickt, aber die wenigsten munikationsdaten ohne richterliche Zustimmung. sind tatsächlich mit einem verschlossenen Brief Die politische Aufarbeitung steht deshalb noch aus. vergleichbar, sondern sie werden ohne Verschlüsse- lung verschickt. Dabei durchlaufen die Mails meh- Doch der Skandal hat auch sein Gutes: In den letz- rere Stationen, dort können die Mails mitgelesen ten Wochen hat sich wirklich etwas getan, was und von Computerprogrammen automatisch ausge- neue, sichere Angebote angeht; so viel, wie in den wertet werden. Bestimmte Suchworte genügen, und letzten Jahren nicht. So lernen in Schleswig-Hol- dann schlägt das Programm zu. Mails werden mil- stein Nutzerinnen und Nutzer auf lokalen Krypto- lionenfach gelesen und gespeichert, ohne dass Sen- parties, zum Beispiel in Flensburg, der und Empfänger es jemals erfahren. (Beifall PIRATEN) Die Verbreitung der elektronischen Kommunikati- wie sie ihre Nachrichten effektiv verschlüsseln kön- on hat nicht Schritt gehalten mit dem Ausbau ent- nen. Einige - auch große - Mail-Dienste haben sich sprechender Sicherheitsstandards. Warum gibt es auch schon mit einem entsprechenden Angebot auf keine sichere elektronische Kommunikation?- den Markt gewagt. Das scheitert bislang weder am Umfang noch an Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2867

(Lars Harms)

Die sichere Verschlüsselung muss aber weiter sys- Dr. Kai Dolgner [SPD]: tematisch vorangetrieben werden, und zwar nicht Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! erst am Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern baldmög- Ich bedaure es, dass ich meinen Dreiminutenbeitrag lichst. Die sichere Kommunikation darf auch nicht anders halten muss, als ich ursprünglich vorhatte. exklusive Technik für wenige bleiben. Stattdessen Da ging es mehr um die Glaubwürdigkeit von NSA muss allen Nutzern die Möglichkeit eröffnet wer- und so weiter. den, beispielsweise durch eine SSL-Verschlüsse- lung elektronisch zu kommunizieren. Herr Kollege Patrick Breyer, ich würde mich wirk- lich freuen, wenn Sie es unterlassen würden, der Allerdings kenne ich auch die Einwände. Erstens. nicht immer komplett informierten Öffentlichkeit Inzwischen sei bekannt, dass eine E-Mail, die ich durch Informationshäppchen einen völlig falschen von Kiel nach München schicke, aus Kostengrün- Eindruck zu vermitteln. Auch eben haben Sie wich- den auch über amerikanische Netze geleitet werden tige Worte ausgelassen. Ich sage: Das haben Sie be- kann. Deutsche Sicherheitsstandards seien dann nur wusst gemacht. schwer durchzusetzen. Zweitens werde es eine hun- dertprozentig sichere Verschlüsselung nie wirklich (Vereinzelter Beifall SPD) geben, schließlich hätten die Geheimdienste die Bei der Bestandsdatenauskunft geht es erstens um besten Hacker auf ihren Gehaltslisten. Die würden die Gefahrenabwehr. Das heißt, man möchte ab- im Handumdrehen auch verschlüsselte Mails wehren, dass ein Schaden überhaupt eintritt oder knacken. sich verschlimmert. Es geht nicht darum, nachträg- Beide Probleme bestehen. Viele Unternehmen sind lich eine Sachbeschädigung wie Graffiti oder Ähn- darum dazu übergegangen, vertrauliche Inhalte liches aufzuklären. Es geht nicht um die Verfol- überhaupt nicht mehr außerhalb des eigenen Netzes gung von Straftätern. Das heißt, das hat in so einer zu kommunizieren, sondern wieder auf die gute alte Debatte nichts zu suchen. Briefpost zurückzugreifen. Das kann aber eigent- Es geht auch nicht um Graffiti. Ich lese einmal die lich nicht der richtige Weg für alle sein. Auch pri- Gesetzesformulierung vor: vate Nutzer müssen Zugang zu sicherer elektroni- scher Kommunikation erhalten - auch wenn ich „… soweit dies zur Abwehr einer im einzel- weiß, dass das ein Problem sein wird, weil Geheim- nen Falle bevorstehenden Gefahr für Leib, dienste eben immer so arbeiten, wie sie arbeiten. Leben oder Freiheit einer Person sowie zur Dieses Thema spielt auch in Bezug auf Unterneh- Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr eines mensspionage und Ähnlichem eine Rolle. Da gibt gleichgewichtigen Schadens für Sach- oder es durchaus Möglichkeiten, sich zu wehren. Bei Vermögenswerte oder für die Umwelt erfor- Geheimdiensten sehe ich es von der Technik her et- derlich ist.“ was kritischer. (Wortmeldung Dr. Patrick Breyer [PIRA- Trotzdem muss ich sagen, dass nicht die Kommuni- TEN]) kation an sich das Problem ist, sondern die Einhal- - Nein, ich werde mich jetzt nicht auf ein juristi- tung von deutschem Recht. Darum sollte es eigent- sches Mittelseminar mit Ihnen einlassen. Ich kenne lich gehen. Alles, was nach deutschem Recht nicht Ihre Taktik genau. Ich werde das jetzt zu Ende brin- erlaubt ist, sollte entsprechend verfolgt werden. Das gen. Sie können einmal darüber nachdenken, ob es deutsche Recht muss, wenn es verletzt wird, durch sinnvoll ist, Debatten so zu führen. Ich finde das die Bundesregierung auch gegenüber unseren Part- nicht ehrlich. nern durchgesetzt werden. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE und SSW) GRÜNEN und PIRATEN) Es geht nicht um irgendwelche Sachbeschädigun- Präsident Klaus Schlie: gen. Es geht beispielsweise um die Androhung ei- nes Anschlages auf einen Deich. Es geht darum, Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der das abzuwehren. Herr Abgeordnete Dr. Kai Dolgner. (Zuruf) - Es geht darum, den gleichgewichtigen Schaden abzuwehren, nicht irgendetwas. Es geht um die Ge- fahrenabwehr. 2868 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Dr. Kai Dolgner)

Damit das auch die Kolleginnen und Kollegen von Präsident Klaus Schlie: Herrn Breyer mitbekommen, die vielleicht auch Das Wort für die Landesregierung hat Herr Innen- einmal eine Interpretation hinterfragen könnten, be- minister Andreas Breitner. vor sie in die Welt gebracht wird, sage ich das. Es geht zum Beispiel auch um so etwas wie - das ist noch eine relativ übliche Formulierung - Umwelt- Andreas Breitner, Innenminister: schäden. Es geht zum Beispiel darum, dass ein Ge- Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abge- fahrgutlaster entsprechende Chemikalien abgelas- ordnete! Der Antrag der Piratenpartei gibt mir die sen hat. Es geht darum, Schaden von Leib und Le- Gelegenheit, das Thema „Internetüberwachung ben abzuhalten. Wenn Sie entführt werden sollten, durch Nachrichtendienste“ ohne Skandalisierung, Herr Breyer, habe ich überhaupt nichts dagegen, ohne Emotionalisierung und ohne Angstschüren dass, wenn sich in einem Forum jemand damit brü- fachlich und rational einzuordnen. stet, seine VIP-Adresse abgefragt wird, um heraus- zufinden, wer das gewesen sein könnte. Es geht um Zunächst zur Situation in Deutschland und insbe- Gefahr für Freiheit, Leib und Leben. Ich habe auch sondere in Schleswig-Holstein, weil diese häufig kein Problem damit, dass man einen Nutzer in ei- und auch tendenziös mit der gegenwärtigen NSA-, nem Internetforum, der sich damit brüstet, dem- PRISM- oder Keyscore-Diskussion vermischt wird. nächst einen Deich sprengen zu wollten, erfragt. Der Verfassungsschutz des Landes Schleswig- Das ist etwas komplett anderes als anlasslos eine Holstein arbeitet auf einer klaren gesetzlichen komplette Kommunikation zu überwachen. Wenn Grundlage. das für Sie das gleiche ist, dann mag es so sein. (Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD]) Wer Gefahrenbegriffe inflationiert, schürt auch Alle Eingriffe, auch die in das informationelle Angst. Sie sagen immer: Freiheit statt Angst. Sie Selbstbestimmungsrecht, sind gesetzlich geregelt schüren auch Angst vor Dingen, die Menschen be- und unterliegen der parlamentarischen Kontrolle schützen sollen. Es geht schlicht und ergreifend um sowie der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte. Gefahrenabwehr. Das wissen Sie auch. Das gilt für alle bundesdeutschen Nachrichtendien- (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE ste. GRÜNEN und SSW) Wir haben hohe Erwartungen an den Verfas- Sie machen das gern und häufig. Ich versuche im- sungsschutz. Wir erwarten, dass er uns rechtzeitig mer - wer mich aus der Fachzusammenarbeit kennt, vor extremistischen Gefahren warnt, mit der Polizei weiß das -, einen möglichst großen Kompromiss zu zur konkreten Gefahrenabwehr zusammenarbeitet finden und vernünftig zusammenzuarbeiten. Es ist und sie im Rahmen einschlägiger Strafverfahren, übrigens auch kein Umgang in einer Debatte, in die zum Beispiel bei politisch motivierter Gewaltkrimi- es eigentlich nicht hineingehört, so etwas zu insinu- nalität, bei der Aufklärung unterstützt. Um dies ieren. leisten zu können, brauchen die Nachrichtendienste auch entsprechende Befugnisse. Herr Breyer, Sie müssen irgendwann damit leben, dass wir alle Menschen sind und es Grenzen von Ich gewinne zunehmend den Eindruck - das ist Tricksereien gibt. Wenn man Informationen aus nicht die erste Diskussion in den letzten drei Ta- dem Zusammenhang reißt, die eigentliche Informa- gen -, als erwarteten wir von unseren Sicherheitsbe- tion aber wahr ist und man damit spekuliert, dass hörden das Unmögliche ganz nach der Devise: Ihr das Publikum nicht die komplette Information hat, sollt zwar nichts dürfen, aber alles wissen. kann man auch die Unwahrheit sagen und Ängste Natürlich müssen die gesetzlichen und tatsächli- erzeugen. Darüber könnten Sie vielleicht einmal chen Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden in ei- nachdenken. nem ausgewogenen und vernünftigen Verhältnis Ich stehe jetzt für Zwischenfragen nicht zur Verfü- zu den Freiheitsrechten der Bürger stehen. Des- gung. Das ist für mich relativ unüblich. Sie können halb gibt es auch kein Super-Grundrecht auf innere sich also ungefähr überlegen, was Sie so erzeugen. Sicherheit, was bedeuten würde, dass dieses grund- sätzlich den Vorrang vor allen anderen Grundrech- (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE ten hätte. Aber es gibt auch kein uneingeschränktes GRÜNEN, FDP und SSW) Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, dem alle anderen Rechtspositionen zu weichen ha- ben. Dann wäre das Internet ein rechtsfreier Raum, Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2869

(Minister Andreas Breitner) in dem Terroristen und Kriminelle jeder Art, unge- und der US-Regierung angelaufen, die dem Infor- stört ihre Taten planen und ausführen könnten. mationsaustausch über die Überwachungsprogram- me der USA dienen. (Wortmeldung Dr. Patrick Breyer [PIRA- TEN]) Bei den Beratungen zur Datenschutzgrundverord- nung der EU hat die deutsche Delegation eine Än- Präsident Klaus Schlie: derung eingebracht, wonach die Datenweitergabe durch Unternehmen an Drittstaaten von einer Mel- Herr Minister, gestatten Sie - - depflicht an die Datenschutzaufsichtsbehörden ab- hängig gemacht werden soll. Erste Konsequenzen Andreas Breitner, Innenminister: des Bundes: Eine Verwaltungsvereinbarung aus den Nein, Herr Präsident. - Weil das Internet global ist, Jahren 1968/1969, die es den Alliierten erlaubte, müssen Sicherheitsbehörden befreundeter Staaten Daten der inländischen Nachrichtendienste zu nut- zusammenarbeiten. Wenn es darum geht, einen zen, wurde aufgehoben. Terroranschlag abzuwenden, der international vor- Zur Frage der Sicherheit der Kommunikation mit bereitet wird, kann ein Datenaustausch notwendig öffentlichen Stellen in Schleswig-Holstein stelle werden. Die damit einhergehenden Einschränkun- ich fest: Die bestehenden Möglichkeiten zur ver- gen der Freiheitsrechte sind dann zu akzeptieren. schlüsselten Kommunikation der Bürgerinnen und Allerdings müssen dabei rechtliche Regeln einge- Bürger mit der Landesverwaltung werden wir be- halten werden. Wir dürfen bei der Verteidigung un- darfsorientiert und gestuft ausbauen. Als ersten serer Freiheit eben nicht das sprichwörtliche „Kind Schritt wird der Einheitliche Ansprechpartner mit dem Bade ausschütten“. Deshalb sage ich: Eine Schleswig-Holstein einen Zugang für verschlüsselte lückenlose Überwachung des privaten E-Mail-Ver- und signierte Dokumente bereitstellen. Zusätzlich kehrs oder von öffentlichen Stellen durch Sicher- wird ein erhöhter Bedarf an verschlüsselter Kom- heitsbehörden fremder Staaten und damit eben auch munikation mit Bürgerinnen und Bürgern in künfti- befreundeter ist nicht akzeptabel. gen Fortschreibungen der IuK-Infrastruktur des Landes und in Abstimmung mit dem kommunalen (Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE Bereich berücksichtigt. Der neu eingerichtete CIO GRÜNEN und PIRATEN) des Landes wird auf Wunsch des Innen- und Ich fordere die Bundesregierung daher auf, ein um- Rechtsausschusses über die Ergebnisse und den ak- fassendes Bild der Ausspähung durch ausländische tuellen Stand berichten. - Ich danke für Ihre Auf- Dienste und der Beteiligung der Bundessicherheits- merksamkeit. behörden zu geben, damit auf dieser Basis alle (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Möglichkeiten diskutiert werden können, um die SSW und vereinzelt CDU) Regierung und die Bürger besser vor Ausspähung zu schützen. Präsident Klaus Schlie: Dass beim Generalbundesanwalt aktuell die Prü- Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Stegner fung eines Ermittlungsverfahrens wegen geheim- das Wort. dienstlicher Agententätigkeit durch ausländische Dienststellen läuft, ist ein gutes Signal und auch ein gutes Signal für den Rechtsstaat. Dr. Ralf Stegner [SPD]: Auf unterschiedlichen Ebenen wurden bereits Maß- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nahmen initiiert und umgesetzt, die dem Schutz Die Kollegin Eka von Kalben konnte sich vorhin unserer Bürger dienen. So hat das EU-Parlament nicht gegen den Vorwurf wehren, der hier erhoben am 4. Juli 2013 die EU-Kommission aufgefordert, worden ist. Als Vorsitzender des Parlamentarischen das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen zu über- Kontrollgremiums möchte ich darauf hinweisen, prüfen und gegebenenfalls auszusetzen. Der Innen- dass die Beratungen dieses Kontrollgremiums kom- ausschuss des EU-Parlaments hat Anhörungen zur plett vertraulich sind. Das wissen jüngere Kollegen vorgeworfenen Spionage der USA und der beiden manchmal nicht. Deswegen möchte ich darauf noch EU-Staaten terminiert. Zudem hat der EU-Innen- einmal ausdrücklich hinweisen. ausschuss Gutachten in Auftrag gegeben und Ge- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und spräche in den USA geplant. Darüber hinaus sind Lars Harms [SSW]) hochrangige Expertengespräche zwischen der EU 2870 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Präsident Klaus Schlie: sungsschutzes bilden soll, muss die Beobachtung von Aktivitäten im Internet und hier insbesondere Vielen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen in sozialen Netzwerken in Zukunft intensiviert wer- nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist bean- den. tragt worden, den Antrag Drucksache 18/936 (neu) sowie die Änderungsanträge Drucksachen 18/1063, Der NPD gelang es auch im vergangenen Jahr 18/1065 und 18/1075 als selbstständige Anträge nicht, ihren Anhängerkreis zu vergrößern, ganz zu dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. schweigen von einer Verankerung in bürgerlichen Wer so beschließen will, den bitte ich um das Schichten. Fast die gesamte NPD-Propaganda des Handzeichen. - Das ist so beschlossen. vergangenen Jahres war auf die Agitation gegen die Europäische Union und den Euro gerichtet. Die Ich rufe Tagesordnungspunkt 40 auf: Partei hofft offenkundig, von einer möglichen Wirt- schaftskrise zu profitieren. An der Absicht der Verfassungsschutzbericht 2012 NPD, die geltende Verfassungsordnung zu über- winden, gibt es weiterhin keine Zweifel. Diese Ein- Bericht der Landesregierung schätzung wird auch von jenen geteilt, die einem Drucksache 18/770 NPD-Verbotsverfahren kritisch gegenüberstehen. Ich erteile dem Innenminister, Andreas Breitner, Der Linksextremismus in Schleswig-Holstein war das Wort. 2012 von einer hohen Aktionsfähigkeit und einer hohen Aktionsbereitschaft der autonomen Szene Andreas Breitner, Innenminister: gekennzeichnet. Diese schreckt immer weniger da- Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abge- vor zurück, Menschen zu verletzen und Gewalt ge- ordneten! Im vergangenen Jahr standen die öffentli- gen Sachen auszuüben. Während die Straftaten in chen Diskussionen über den Rechtsextremismus den Vorjahren meist spontaner Ausdruck einer la- im Schatten des NSU und die tatsächlich messbaren tenten Gewaltbereitschaft waren, war in einigen Aktivitäten in Schleswig-Holstein in einem deutli- Landesteilen im Berichtszeitraum eine weitgehend chen Gegensatz. Im schleswig-holsteinischen planvolle und zielgerichtete Vorgehensweise fest- Rechtsextremismus gab es 2012 kaum spektakuläre zustellen. Im Zusammenwirken mit der hohen Be- Ereignisse. Die Zahl der Rechtsextremisten stieg je- reitschaft zu strafbaren Aktionen und der Überzeu- doch leicht von 1.170 auf 1.220, darunter 620 Ge- gung, sich im Recht zu befinden, besteht ein unver- waltbereite. ändert hohes Gefährdungspotenzial. Darüber kann auch der Rückgang der erfassten Gewalttaten nicht Dies zeigt, dass sich der Rechtsextremismus hinwegtäuschen. Ebenso muss von einer gestiege- durchaus nicht auf dem Rückzug befindet. Jedoch nen Gefahr personenbezogener Auseinandersetzun- verändern sich zum wiederholten Mal die Struktu- gen mit Mitgliedern der rechten Szene ausgegangen ren. Das Bündnis zwischen Neonazis und der NPD werden. zeigt deutliche Risse. Das ist für beide Lager pro- blematisch. Die einstigen Protagonisten aus den Der Verfassungsschutz zählte im vergangenen Jahr Kreisen der „Freien Nationalisten“ werden zudem 730 Linksextremisten im Vergleich zu 750 Anhän- von den zahlreichen in fast allen Landesteilen vor- gern 2011 und 830 Personen 2010. Die Zahl der handenen Kleinstgruppen nicht organisierter junger Gewaltbereiten liegt dabei mit 300 Personen unver- Rechtsextremisten kaum noch anerkannt. So erklärt ändert auf einem relativ hohen Niveau. Besonders sich auch, dass aus Schleswig-Holstein lediglich 60 der autonomen Szene ist es gelungen, junge Men- Rechtsextremisten für Demonstrationen oder ähnli- schen für die Szene zu begeistern und damit szene- che Veranstaltungen mobilisierbar waren und ge- typische Abgänge auszugleichen. genwärtig sind. Leider finden die getroffenen Aussagen im Verfas- (Unruhe) sungsschutzbericht auch im bisherigen Jahresver- lauf ihre Bestätigung. Im Jahr 2012 gab es keine Fehlende Strukturen der Szene machen die Bewer- konkreten Anschläge von islamistischen Terroristen tung der Sicherheitslage komplizierter. Ein sich in Deutschland und damit auch nicht in Schleswig- selbst radikalisierender Kreis von Rechtsextre- Holstein. Es wurden jedoch zahlreiche Personen misten oder auch Einzelpersonen stellen die Si- wegen islamistisch-motivierter Straftaten verur- cherheitsbehörden vor neue Herausforderungen. teilt. Darunter befand sich auch ein Mann aus Auch wenn die Beobachtung von Einzelpersonen Schleswig-Holstein, der der Verbreitung von jihadi- zukünftig einen Arbeitsschwerpunkt des Verfas- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2871

(Minister Andreas Breitner) stischer Propaganda im Internet für schuldig befun- Präsident Klaus Schlie: den wurde. Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeord- Ein besonderer Fokus im Bereich Extremismus mit nete Petra Nicolaisen. Ausländerbezug liegt auf der dynamischen Bewe- gung der salafistischen Bestrebungen, einer rück- Petra Nicolaisen [CDU]: wärtsgewandten, auf die Ursprünge der Religion zurückgreifenden islamistischen Strömung. Dessen Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Personenpotenzial beträgt in Schleswig-Holstein et- und Kollegen! Wachsam bleiben, die Augen offen wa 200 Personen, die sich auf Kiel, Lübeck und halten - für mich ist das das Ergebnis des Verfas- Neumünster konzentrieren. Die aus Schleswig-Hol- sungsschutzberichts. Der Extremismus ist kein Phä- stein stammenden Teilnehmer an den gewalttätigen nomen, das wir wegdiskutieren können. Er ist keine Ausschreitungen bei Demonstrationen in Bonn und Erscheinung, die wir verharmlosen dürfen. Der Ex- Solingen im Mai 2012 haben gezeigt, dass auch in tremismus bleibt eine Herausforderung, der sich unserem Land Personen des gewaltbereiten salafi- Behörden und Politik, also wir, weiterhin werden stischen Spektrums leben. An der deutschlandwei- stellen müssen. Der Bericht macht eines eindrück- ten kostenlosen Koranverteilung, initiiert durch das lich klar: Die Gefahren kommen aus verschiedenen salafistische Netzwerk „Die Wahre Religion“, be- Richtungen. teiligten sich Salafisten in Kiel, in Lübeck und in Das Gefahrenpotential von Rechts ist weiterhin Neumünster mit entsprechenden Infoständen. So hoch. In Schleswig-Holstein haben wir eine Zahl verbreiteten sie bei dieser Verteilaktion ihre extre- von gewaltbereiten Rechtsextremisten, die wir wei- mistische Ideologie und standen als Ansprechpart- terhin beobachten müssen. Wir müssen aus den ner bei Fragen zur Religion zur Verfügung. Zahlen, die im Bericht stehen, die Konsequenz zie- Im legalistisch-islamistischen Bereich spielte wei- hen, dass wir nicht nur im Bereich der Sicherheits- terhin die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs ei- behörden weiter arbeiten müssen. Aufklärungsar- ne bedeutende Rolle. Sie ist mit mehreren Vereinen beit bei gefährdeten Gruppen ist wichtig, Hilfe in Schleswig-Holstein vertreten und versucht unter beim Ausstieg aus der Szene ist wichtig, und es Ausnutzung legaler Möglichkeiten, ihre islamisti- geht auch darum, die Menschen weiter für dieses schen Ziele umzusetzen. Thema zu sensibilisieren. Der Blick für extremisti- sche Bestrebungen muss geschärft werden. Die Be- Die Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, ist weiterhin reitschaft zu handeln muss gefördert werden - kon- die wichtigste unter den ausländischen extremisti- sequent und sorgfältig. schen Organisationen, die keine religiösen Bezüge aufweisen. Sie hat ihren Ursprung in der Türkei und Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, den Blick hat in Schleswig-Holstein etwa 650 Mitglieder. Die nur nach rechts zu richten. Die Gefahren aus dem Organisation nutzt Deutschland vorrangig als Rück- linken Spektrum nehmen zu. Die Gewaltbereit- zugsgebiet für politische Lobbyarbeit und zum schaft dieser Szene hat bereits erschreckende Aus- Sammeln von Spenden. maße angenommen. Vieles von dem, was sich hin- ter dem harmlos klingenden Begriff „antifaschi- Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch stisch“ verbirgt, ist alles andere als harmlos. wenn der Verfassungsschutzbericht 2012 kein aku- tes extremistisches Bedrohungsszenario beschreibt, Der Bericht macht deutlich: Wir reden hier nicht macht er gleichwohl deutlich, dass unser freiheit- über eine Gruppe niedlicher Weltverbesserer. Wir lich-demokratischer Rechtsstaat keine Selbstver- reden hier über eine Szene, die gnadenlos Gewalt ständlichkeit ist. Freiheit muss immer wieder aufs gegen die einsetzt, die nicht ihrer Ideologie folgen. Neue erarbeitet und verteidigt werden. Dazu ist es Wir reden über Personen, die bereit sind, ihre Vor- notwendig, immer wieder über die Feinde der Frei- stellungen rücksichtslos durchzusetzen. Wir reden heit und die Feinde der Demokratie aufzuklären, über Gruppen mit kriminellem Potential. Deshalb auch in Schleswig-Holstein. Wir sind daher alle zu- ist es wichtig, dass wir dem linksextremen Spek- sammen gut beraten, wachsam zu bleiben. - Vielen trum die gleiche Aufmerksamkeit zukommen lassen Dank. wie den Rechtsextremisten. Auch hier bedarf es der Aufklärungsarbeit. Auch hier brauchen wir Kon- (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE zepte, die ein Abrutschen von Personen in diesen GRÜNEN, FDP und SSW) Kreis verhindern oder ihnen beim Ausstieg helfen - konsequent und sorgfältig. 2872 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Petra Nicolaisen)

Auch der Islamismus bedroht uns weiterhin. Hier Tobias von Pein [SPD]: ist mir persönlich etwas wichtig: Der Islam als Re- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen ligion auf der einen Seite und der Islamismus als Abgeordnete. Im vergangenen Jahr wurde uns Form des Extremismus auf der anderen Seite gehö- durch die Aufdeckung der grausamen Morde des ren nicht zusammen. Der Islam ist Bestandteil der NSU vor Augen geführt, welch ein Gewaltpotential religiösen Vielfalt in unserem Land. Der Islamis- die Ideologie der Neonazis bereithält. Natürlich mus hingegen ist eine Bedrohung. überschattet ein solches Ereignis die subjektive (Beifall Detlef Matthiessen [BÜNDNIS Wahrnehmung von rechtsextremen Aktivitäten in 90/DIE GRÜNEN]) Deutschland. Natürlich sind die Aktivitäten in Schleswig-Holstein nicht annähernd von diesem Es liegt an uns als Politik, dies immer wieder und Ausmaß. Dennoch mahnen uns die Hintergründe im Schulterschluss mit den muslimischen Verbän- der Aufdeckung oder auch Nichtaufdeckung der den deutlich zu machen. Morde - vieles ist ja noch nicht abschließend ge- (Vereinzelter Beifall CDU, SPD und BÜND- klärt -, wachsam zu sein und rechtsextremistische NIS 90/DIE GRÜNEN) Umtriebe in Schleswig-Holstein im Auge zu behal- Der Islamismus gehört nicht in unser Land. Der ten. Linksextremismus gehört nicht in unser Land, der (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Rechtsextremismus gehört ebenfalls nicht zu unse- PIRATEN und SSW) rem Land. Gegen alle Formen von Extremismus Doch die Umstände mahnen uns auch, die Tätigkei- müssen und werden wir vorgehen, und das konse- ten und Vorgehensweisen unserer Geheimdienste quent und sorgfältig. im Blick zu behalten. Die Auswertung des Ab- Wir haben in diesem Haus schon mehrfach über die schlussberichts des NSU-Untersuchungsausschus- Frage der Überwachung gesprochen. Immer wie- ses des Bundestages, der gestern vorgestellt wurde, der wird der Versuch unternommen, unseren Staat muss daher auf allen politischen Ebenen stattfinden. als Überwachungsstaat darzustellen. Immer wieder Die circa 1.000 Seiten des Berichts werden uns auf werden Verfassungsschutzbehörden als daten- vielen Ebenen noch einige Arbeit bereiten. sammelnde Kraken gesehen. Aber: Wer den vorlie- Es besteht Handlungsbedarf. Ich darf aus dem Ab- genden Bericht genau liest, wird feststellen, dass schlussbericht zitieren, der übrigens überparteilich wir in gewissem Unfang Überwachung brauchen. und in Konsens beschlossen wurde -, was einmalig Damit meine ich keine Totalüberwachung. Natür- in der Geschichte der Bundesrepublik ist -: lich dürfen die Menschen nicht unter Generalver- dacht gestellt werden. Ich sage aber eines deutlich: „Die Analyse der Verfassungsschutzbehör- Der Staat braucht Instrumente zur Sammlung von den in Bund und Ländern zur rechtsterroristi- Informationen. Der Staat muss in der Lage sein, schen Gefahr war falsch und grob verharmlo- Bedrohung aus dem Innern zu identifizieren. Wer send.“ dem Staat sämtliche Möglichkeiten hierzu nehmen (Beifall Serpil Midyatli [SPD]) will, der nimmt billigend in Kauf, dass sich extre- mistische Strukturen ungehindert bilden und aus- Das ist eigentlich vernichtend. Dennoch sollte uns breiten können. Ich sage: Das wollen und das dür- dieser Bericht zu denken geben. Wir können sicher- fen wir nicht zulassen. lich einiges aufgreifen. Auch wenn dies aktuell nicht auf unser Land zutrifft, sondern vor allem an- Meine Damen und Herren, die Bekämpfung des dere Länder betrifft, so sollte uns die Kritik an der Extremismus in all seinen Ausprägungen stellt Be- Systematik und die Empfehlungen zur Weiterent- hörden, Politik und die Gesellschaft vor eine Her- wicklung, zum Beispiel hinsichtlich der interkultu- ausforderung; aber wir sind bereit, diese Herausfor- rellen Kompetenz und der Offenheit im parlamenta- derung anzunehmen - konsequent und sorgfältig. - rischen Kontrollverfahren, zu denken geben. Herzlichen Dank. Nun zu dem vorgelegten Bericht: Die NPD bleibt (Beifall CDU) ein zentraler Organisationspunkt der rechten Szene. Es gibt zwar eine abnehmende Kooperation zwi- Präsident Klaus Schlie: schen ihr und den freien Kräften, doch das verrin- Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeord- gert das Mobilisierungspotenzial dieser Partei nicht. neter Tobias von Pein. Und sie ist noch nicht am Ende. Die Teilnahme an den Kommunalwahlen, entweder als NPD oder als Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2873

(Tobias von Pein)

Scheinliste, hat uns gezeigt, wie gefährlich diese Zum anderen bleibt es natürlich Aufgabe der Si- Partei ist. Das Gute ist: Wenn das neu aufgelegte cherheitsbehörden, im Rahmen ihrer Aufgaben und Verbotsverfahren erfolgreich ist, dann drehen wir Befugnisse mögliche Aktivitäten frühzeitig aufzu- ihnen endlich den Geldhahn zu. decken. (Beifall SPD und Wolfgang Dudda [PIRA- Herr Minister, ich danke Ihnen für den Bericht. Er TEN]) gibt uns wichtige Hinweise und führt uns vor Au- gen, wie wichtig staatliches Handeln in diesem Be- Die Kommunikation der Neonazis verlagert sich reich ist. immer stärker in die digitalen Netzwerke; der Mini- ster hat das ausgeführt. Es gibt einen Strukturwan- Am Ende bedeutet nur eine von den Menschen ge- del. Es gibt mehr konspirative Aktionsgruppen in- tragene und gelebte Demokratie ihren Schutz. Die nerhalb der rechten Szene, und das ist er- Beobachtung ihrer Feinde ist wichtig, aber nicht al- schreckend. les. Deshalb appelliere ich an alle: Lassen Sie uns aktiv für die Demokratie werben. Sie ist nicht Versammelten sich Rechtsextremisten im öffentli- selbstverständlich. Demokratie muss jeden Tag neu chen Raum, stand ihnen immer eine breite und bun- gelebt, erkämpft und erstritten werden. - Vielen te Zivilgesellschaft gegenüber, die diesem men- Dank. schenverachtenden Gedankengut entgegenstand. An dieser Stelle sage ich: Vielen Dank an alle, die (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, lautstark mitdemonstrieren und sich in den Bünd- PIRATEN und SSW) nissen vor Ort engagieren. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Präsident Klaus Schlie: PIRATEN und SSW) Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Gerade vor Ort ist die Thematisierung von rechts- GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Burkhard Peters. extremen Aktivitäten und ihre Aufklärung durch Zivilgesellschaft und Kommunalpolitik enorm Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: wichtig für die Bewahrung und Stärkung von de- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen mokratischer Kultur. Wir werden mit dem Landes- und Kollegen! Herr Breitner, zunächst einmal vie- programm gegen Rechts neue Beratungsstellen im len Dank für diesen Bericht. Eine Rede der Grünen Land haben - bald -, und ich bin zuversichtlich, unter Regierungsbeteiligung zu einem Verfassungs- dass diese Beratungsstellen den Akteuren vor Ort schutzbericht könnte eine heikle Sache sein. Die helfen werden, rechtsextreme Umtriebe frühzeitiger Haltung der Grünen zum Zustand des Verfas- zu erkennen und so der Weg in ein weltoffenes, re- sungsschutzes in Deutschland ist mit „kritisch“ spektvolles Schleswig-Holstein bereitet wird. noch zurückhaltend beschrieben. Unter Hinweis auf Aber auch den anderen demokratiefeindlichen Be- das Versagen der Verfassungsschutzämter bei den wegungen, die im Bericht genannt werden, muss NSU-Verbrechen konstatiert das aktuelle Bundes- entgegengetreten werden. Das zeigen die gewalttä- tagswahlprogramm der Grünen. Ich zitiere: tigen und illegalen Aktionsformen einiger Gruppie- „Die von uns Grünen angestoßenen Untersu- rungen, die aufs Schärfste zu verurteilen sind. chungsausschüsse haben dieses massive Ver- (Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD]) sagen von Polizei und Geheimdiensten ans Licht gebracht. … Für das ganze Geheim- Allen Leuten müsste eigentlich klar sein, dass Ras- dienstwesen muss es eine klare Zäsur und sismus, Antisemitismus, Islamophobie oder andere einen umfassenden strukturellen und perso- Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlich- nellen Neustart und eine Neuausrichtung der keit friedlich bekämpft werden müssen - mit breiter Aufgaben geben.“ Unterstützung. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Bereich des religiösen Fanatismus ist einerseits eine wirkungsvolle Integrationspolitik und Aner- Unter anderem wird gefordert, auf den Einsatz von kennungskultur notwendig, welche solchem Gedan- V-Leuten zu verzichten. kengut den Nährboden der Unzufriedenheit ent- Der gestern veröffentlichte Abschlussbericht des zieht. NSU-Untersuchungsausschusses - von der CDU (Beifall Wolfgang Baasch [SPD]) bis zu den Linken gemeinsam formuliert - kommt jetzt ebenfalls zu einem vernichtenden Urteil über 2874 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Burkhard Peters) das Agieren der Sicherheitsbehörden bei der Auf- - Nein. Ich werde gleich dazu kommen. Ich bitte klärung der Mordserie. Über alle Parteigrenzen hin- um etwas Geduld. Das bezog sich auf die Kritik des weg ist man sich einig, dass die Ermittlungspannen Berichts des NSU-Untersuchungsausschusses. Dar- auch im Zusammenhang mit dem Verfassungs- in wird das einstimmig festgestellt. schutz ein beispielloses Desaster darstellen. Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über rechts- Die Kritik am Verfassungsschutz setzt an vielen extreme Einstellungen in der Bevölkerung aus dem Punkten an: an einem fragwürdigen Extremismus- Jahr 2012 belegte zuletzt eindrucksvoll, dass dieser begriff der Behörden, an strukturellen und histo- Ansatz viel zu kurz greift und aus gesellschaftswis- risch bedingten Sehschwächen auf dem rechten Au- senschaftlicher Sicht verfehlt ist. Ganz aktuell zei- ge und an den Erkenntnisquellen, die größtenteils gen die ausländerfeindlichen Ausschreitungen in aus Presse und öffentlich zugänglichen Verlautba- Berlin-Hellersdorf, was das eigentliche Problem rungen bestehen. Das birgt die Gefahr, den Ent- ist. wicklungen hinterherzuhinken. Die selbst rekla- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und mierte Frühwarnfunktion könnte daher schon aus PIRATEN) Gründen der Logik nicht erfüllt werden. Eine Blindheit auf dem rechten Auge kann man Soweit es sich nicht um öffentlich zugängliche dem Bericht jedoch nicht vorwerfen. Er zeichnet Quellen handelt, stammen die Informationen von auf 40 Seiten ein realistisches Bild von der Existenz ausländischen Geheimdiensten oder von V-Leuten. und besorgniserregend hohen Zahl rechtsradikaler V-Leute sind höchst dubiose Akteure aus der beob- Aktivitäten in Schleswig-Holstein. Besonders er- achteten Szene mit ganz eigener Agenda. Auch da- schreckend ist die Zahl von 210 Neo-Nationalsozia- für bot der NSU-Aufklärungsprozess genügend An- listen, also Leuten, die sich noch nicht einmal die schauungsmaterial. Mühe machen, ihre Bewunderung für den National- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und sozialismus zu verbrämen. Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]) Eine Ungenauigkeit ist anzumerken. In Bezug auf Nicht zuletzt wird kritisiert, schon aufgrund der die „NaSo-Lb“ im Herzogtum Lauenburg wird ge- Strukturlogik eines Geheimdienstes sei klar, dass sagt, das sei die Abkürzung „Nationale Offensive der Verfassungsschutz selbst unkontrollierbar sei. Herzogtum Lauenburg“. Das wäre schon schlimm Die parlamentarischen Kontrollinstanzen seien ge- genug. Diese Gruppierung nennt sich aber „Natio- genwärtig - ich zitiere den Staatsrechtler Gusy - nale Sozialisten - Offensive Herzogtum Lauen- „blinde Wächter ohne Schwert“. burg“. Das ist ein offener Bezug zur NSDAP in der Namensgebung. Was bedeuten diese Befunde für den vorliegenden Verfassungsschutzbericht 2012? Im Bereich der Darstellung linksextremistischer Bestrebungen fällt durchgängig eine verbale Über- Auch diesem Bericht liegt ein Extremismusbegriff höhung der Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft zugrunde, der menschen- und demokratiefeindliche der entsprechenden Szene auf. Denk- und Verhaltensmuster nur in Randbereichen der Gesellschaft verortet. - Herr Präsident, vorhin wurde übrigens die Zeit nicht angehalten. Präsident Klaus Schlie: So wird an mehreren Stellen dargelegt, dass eine Herr Abgeordneter Peters, gestatten Sie eine Zwi- unverändert hohe Bereitschaft gewaltbereiter schenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordne- Linksextremisten bestehe, auch mit strafrechtlich ten Damerow? relevanten Aktionen gegen die Werte der freiheit- lich-demokratischen Grundordnung vorzugehen. 34 Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gewalttaten sollen es gewesen sein. Konkret wer- den allerdings im Wesentlichen Sachbeschädigun- Natürlich. gen benannt. Astrid Damerow [CDU]: Herr Kollege Pe- Bei einer Ausnahme handelt sich um einen tätlichen ters, habe ich Sie vorhin richtig verstanden, Angriff auf einen Rechtsextremen mit einem Stock, dass Sie sagen, der schleswig-holsteinische wobei konkrete Verletzungen nicht benannt wer- Verfassungsschutz sei auf dem rechten Auge den. Ich verurteile jede Form der Gewalt und nicht- blind? demokratischen Auseinandersetzung. Aber unter strafrechtlich relevanten Gewaltaktionen, die zu Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2875

(Burkhard Peters) alledem die freiheitlich-demokratische Grundord- Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: nung bedrohen, stelle ich mir etwas anderes vor. Ja. (Beifall Angelika Beer [PIRATEN] und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Herr Kol- Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]) lege Peters, ich habe erfreut zur Kenntnis ge- Bei der Beschreibung extremistischer Bestrebungen nommen, dass Sie gesagt haben, es falle mit Auslandsbezug ist das Bemühen, zwischen Is- schwer, aus diesem Bericht die Notwendig- lam, Islamismus und Dschihadismus zu differenzie- keit eines Inlandsgeheimdienstes herauszu- ren, durchaus zu begrüßen. So wird auch bei der lesen. Teilen Sie insofern die Einschätzung Beschreibung des Salafismus durchaus zwischen der Piratenfraktion, dass wir dieser Behörde nicht gewaltbereiten Strömungen und dschihadisti- die geheimdienstlichen Mittel entziehen soll- schen Bestrebungen unterschieden. ten, wie wir es auch beantragt haben? Insgesamt fällt in dem Bericht eine gewisse Theo- - Herr Kollege Breyer, ich habe das Problem, dass rielastigkeit auf. Zum Beispiel beinhalten 20 Sei- ich nicht im Parlamentarischen Kontrollgremium ten ausschließlich eine allgemeine Darstellung der sitze. Deswegen weiß ich nicht, was der Verfas- verschiedenen international agierenden Dschihadi- sungsschutz in Wirklichkeit macht. Ich bin sicher, sten ohne jeglichen Bezug zu Schleswig-Holstein. dass er viel mehr tut, als in diesem Bericht steht. Das faktisch wirklich Relevante steht vermutlich Deswegen kann ich das nicht beurteilen. aus geheimdienstlichen Erwägen nicht drin. Inso- Aus diesem Grund fordere ich, dass insgesamt eine weit fällt es schwer, allein aus dem Bericht die Not- größere Transparenz für die anderen Abgeordneten wendigkeit der Beibehaltung eines Dienstes mit cir- über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes ge- ca 100 Beschäftigten herauszulesen. schaffen wird. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD) Präsident Klaus Schlie: Herr Abgeordneter, bitte schauen Sie zwischenzeit- Präsident Klaus Schlie: lich einmal auf die Uhr. Herr Abgeordneter Peters, bitte gestatten Sie mir noch die Bemerkung, dass wir die Uhr angehalten Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: haben, als Sie geantwortet haben. Da Sie aber nur Ich komme zum Schluss. Immerhin haben wir in mit Nein geantwortet haben, haben wir die Uhr Schleswig-Holstein bisher keinen Skandal um den nicht länger als eine Sekunde angehalten. Verfassungsschutz zu verzeichnen, wie ein solcher Jetzt hat der Herr Abgeordnete Dr. Garg für die im Zusammenhang mit der Aufklärung der NSU- FDP-Fraktion das Wort. Morde in vielen anderen Bundesländern auf der Ta- gesordnung stand. Welche Konsequenzen aus dem Dr. Heiner Garg [FDP]: NSU-Untersuchungsausschussbericht für den schleswig-holsteinischen Verfassungsschutz gezo- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gen werden müssen, wird die Auswertung dieses Herr Innenminister, zunächst einmal herzlichen Berichts zeigen. Dank für Ihren Bericht. Der Bericht macht insge- samt deutlich, dass wir zwar Erfolge im Kampf ge- Mein vorläufiges Fazit lautet: Die Gewährleistung gen jegliche Form des Extremismus verzeichnen eines ausgewogenen und gerechten sozialen gesell- können, leider aber auch erkennen müssen, dass es schaftlichen Gefüges und eine für die Demokratie Bereiche gibt, in denen sich die Strukturen des begeisternde Schuldbildung erscheinen mir im Au- Extremismus verfestigt oder sogar verstärkt haben genblick der effektivste Verfassungsschutz zu sein. und deshalb nach wie vor Wachsamkeit erforder- (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lich ist. Erfreulich ist sicher, dass die Zahl der politisch mo- Präsident Klaus Schlie: tivierten Straf- und Gewalttaten im Bereich des Nun haben Sie die Chance, Ihre Redezeit noch et- Rechtsextremismus zum wiederholten Male gesun- was zu verlängern, wenn Sie die Zwischenfrage des ken ist. So schlimm jeder Einzelfall auch ist und Abgeordneten Dr. Breyer zulassen. obwohl jede Tat immer noch eine Tat zu viel ist, so hat sich diese Zahl zwischen 2009 und 2012 um 2876 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Dr. Heiner Garg) mehr als 30 % reduziert. Das ist ein Erfolg, den Herr Minister, meine sehr geehrten Damen und sich weniger die Politik auf die Fahnen schreiben Herren, der Extremismusforscher Eckhard Jesse kann, als dass es eine gesamtgesellschaftliche Leis- schrieb im vergangenen Jahr in der „Zeitschrift für tung zur Ausgrenzung dieser schmutzigen Ansich- Politik“ zu diesem Thema etwas sehr Interessantes, ten ist. nämlich - ich zitiere -: Nicht so erfreulich ist wiederum, dass die Zahl der „Die streitbare Demokratie hat stets eine Gü- linksextremistischen Straf- und Gewalttaten im terabwägung zwischen Freiheit und Sicher- Vergleich zu 2011 angestiegen ist. Ich beurteile das heit vorzunehmen. Ein Automatismus im anders als Sie, Herr Kollege Peters. Zwar befindet Sinne eines Aktivwerdens wohnt ihr nicht in- sich diese Zahl nach wie vor auf einem Niveau ne.“ deutlich unterhalb des Niveaus der rechtsextremisti- - Und weiter: schen Taten. Dennoch sollten wir dieses Problem nicht marginalisieren. Deshalb müssen wir darauf „Wer als Reaktion auf den öffentlichen … achten, dass wir im berechtigten Streben nach Be- Druck flugs in den populistischen Ruf nach kämpfung des Rechtsextremismus den Linksextre- einem Parteienverbot einstimmt, zeigt Hilflo- mismus im Land nicht aus dem Auge verlieren. sigkeit. Rechtsextremistische Umtriebe blei- ben dadurch erhalten; das Gedankengut ist Liebe Kolleginnen und Kollegen, grundsätzlich nicht verschwunden.“ müssen wir bei jedem Verfassungsschutzbericht überprüfen, ob beziehungsweise welche politischen Meine Damen und Herren, ich habe die große Freu- Konsequenzen wir aus den vorliegenden Informa- de, die Debatten um Rechtsextremismus in Schles- tionen ziehen. Der Innenminister hat in seiner Pres- wig-Holstein bereits seit 1995 mitverfolgen zu dür- semitteilung am 23. April dieses Jahres verkündet, fen. Ich fand, es war fraktionsübergreifend eine der eine Konsequenz aus dem Bericht sei das NPD- großartigsten Leistungen, wie SPD, CDU, SSW Verbotsverfahren. Dieses, so der Innenminister, sei und FDP sich in der 13. Legislaturperiode, also in ein unverzichtbares Mittel im Kampf gegen den dem Landtag von 1992 bis 1996, mit der Truppe Rechtsextremismus. der damaligen Rechtsextremisten, die damals im Landtag vertreten waren und mal DLVH, mal DVU Herr Innenminister, Ihr eigener Verfassungsschutz- hießen - wie auch immer sie sich gerade nannten -, bericht suggeriert aber in Teilen etwas anderes. So politisch auseinandergesetzt haben. Die Folge war: heißt es wörtlich auf Seite 15: In der darauffolgenden Wahlperiode tauchten diese „Wie in den meisten Bundesländern gelang Leute mit ihrem Gedankengut in diesem Landtag es der NPD nicht, auch nur ansatzweise ‚bür- nicht mehr auf. Ich bin nach wie vor der Auffas- gerliche’ Bevölkerungsschichten an sich zu sung, die Auseinandersetzung muss politisch erfol- binden.“ gen und nicht über ein Parteienverbot. Wir werden mit einem Parteienverbot rechtsextremistisches Herr Innenminister, angesichts dieser Tatsache, die Gedankengut nicht aus den Köpfen der Menschen Sie in Ihrem Bericht darstellen, müssen wir uns die bringen. Stellen wir sie dort, wo sie zu stellen sind. Frage stellen, ob wir mit einem Verbot rechtsextre- mistischem Gedankengut nachhaltig das Wasser ab- Ich freue mich auf die Ausschussberatungen und graben. danke Ihnen für das Zuhören. Erreichen wir wirklich, was wir zu erreichen wün- (Beifall FDP, SSW und vereinzelt CDU) schen? Streichen wir damit die entsprechenden Ge- danken aus den Köpfen dieser dankenswerterweise Präsident Klaus Schlie: wenigen Menschen? Meinen Sie wirklich, dass das NPD-Verbot ein unverzichtbares Mittel im Kampf Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der gegen den Rechtsextremismus ist? Ich frage Sie: Abgeordnete Uli König. Wer glaubt eigentlich ernsthaft, dass ein NPD-Ver- bot wirklich weiterhelfen würde, die Verbreitung Uli König [PIRATEN]: rechtsextremistischen Gedankenguts zu verhindern? Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen (Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall und Kollegen! Liebe Besucher auf der Tribüne! Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Herr Minister, ich danke Ihnen für den Bericht, NEN]) auch wenn ich anderer Meinung bin. Schade, dass Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2877

(Uli König) der Leiter des Verfassungsschutzes nicht mehr hier keine Auskunft über die Tätigkeit des Verfassungs- ist, um meine Rede dazu zu hören. schutzes gegeben, obwohl auch diese Bestandteil unserer Frage war. Die Mitglieder des Parlamenta- (Zuruf SPD: Kann er nachlesen!) rischen Kontrollgremiums kennen diese Zahlen - Ja, genau, das kann er nachlesen! vielleicht, ohne hierüber reden zu dürfen, der Rest (Volker Dornquast [CDU]: Er kriegt ja Ge- des Plenums und die Öffentlichkeit hingegen ohne halt und kein Schmerzensgeld! - Weitere Zu- erkennbaren Grund nicht. Der stur wiederholte Ver- rufe) weis auf die Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium in anderen Anfragen trägt nicht. Präsident Klaus Schlie: (Beifall PIRATEN) Sie dürfen trotzdem mit Ihrer Rede fortfahren. Auch der Landesverfassungsschutz hat sich einer Kontrolle des gesamten Plenums oder der Öffent- Uli König [PIRATEN]: lichkeit zu stellen, insbesondere wenn die Verfas- sungsschutzberichte auch in Zukunft dazu dienen Ich dachte, ich warte, bis die Kollegen fertig sind. sollen, eine erweiterte Kontrolle des Verfassungs- (Zuruf) schutzes selbst sicherzustellen. - Vielen Dank. - Sehr gut! - Weitere Kommentare gibt es nicht? - (Beifall PIRATEN) Danke. Präsident Klaus Schlie: Die Reihenfolge der Beratungen ist bezeichnend; denn angesichts der Enthüllungen über PRISM, Das Wort für den SSW hat der Abgeordnete Lars Tempora & Co. wirkt der Verfassungsschutzbericht Harms. vier Monate nach der Vorlage wie aus einer ande- ren Zeit. Auch unser Verfassungsschutz wurde von Lars Harms [SSW]: der Entwicklung überrollt. Gegen die Bedrohung unserer freiheitlichen Gesellschaft durch eine nahe- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und zu vollständige Überwachung und Rasterung un- Herren! Der beste Verfassungsschutz ist eine leben- serer elektronischen Kommunikation wirkt die dige und engagierte bürgerschaftliche Gesell- Auseinandersetzung mit 1.200 Rechtsextremen in schaft. Schleswig-Holstein - so wichtig sie zum Schutz un- (Vereinzelter Beifall PIRATEN) serer Demokratie auch ist - fast wie eine einfache Darunter verstehe ich Menschen, die sich bereit er- Aufgabe. Der Bericht bezeichnet den internationa- klären, die demokratische Grundordnung zu leben len Terrorismus als Grund für den Schutz von Si- und sich für sie einzusetzen. Die Menschen in Glin- cherheit und Freiheit außerhalb Deutschlands. Tat- de, die sich mit dem Tonsberg-Laden nicht abfin- sächlich hätte er zumindest auch die Folgen des den wollten, gehören ebenso dazu wie Bündnisse in Terrorismus, unter anderem den offenbar grenzen- Mölln oder Lübeck, die sich gegen Rassismus und losen Überwachungswahn einiger Regierungen, als rechtsextremistische Kräfte gebildet haben. Bedrohung unserer Gesellschaft aufführen müssen. Der Bericht ist vom Zeitablauf überholt worden. (Beifall SSW und PIRATEN) Mehr ist dazu leider nicht zu sagen. Ihnen gehört unsere volle Unterstützung; denn Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, durch dieses Engagement haben es Rechtsextreme der ebenfalls nicht im Bericht auftaucht. Er taucht schwer, Fuß zu fassen. Die Zahl der Straftaten der nicht auf, weil der Verfassungsschutz im Bericht - Nazis geht seit mehreren Jahren zurück. Die Ge- so will es das Gesetz - nur über die Ermittlungser- walttaten bewegen sich auf niedrigem Niveau: 23 gebnisse des Landesverfassungsschutzes berichtet. im Jahr 2012 gegenüber 27 im Jahr 2011. Die Ex- Seine eigene Tätigkeit hingegen bleibt der Öffent- tremisten reagieren auf den bürgerschaftlichen lichkeit, aber auch dem Plenum verborgen. Es mag Druck und haben ihr Auftreten und ihr Gebaren in im Einzelfall gute Gründe haben, aber nicht in der den letzten Jahren stark verändert. Allgemeinheit, wie es aktuell praktiziert wird. Während die Skinheads noch vor 20 Jahren allein (Beifall PIRATEN) an Kleidung und Glatze zu erkennen waren, bedie- nen sich heute geschulte Nazis des Internets oder Bei unserer Großen Anfrage zur Funkzellenabfra- kopieren das Outfit des sogenannten schwarzen ge in Schleswig-Holstein hat die Landesregierung 2878 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Lars Harms)

Blocks mit Jeans und Kapuzenpullover. Dies muss auf die Zusammenarbeit mit anderen Bundeslän- draußen unbedingt bekannter werden, damit auch dern angewiesen. Der Bericht selbst nimmt aus- der normale Bürger die Staatsfeinde besser erken- drücklich Bezug auf Nordrhein-Westfalen. Ich gehe nen kann. Der Bericht ist dafür eine geeignete davon aus, dass die Zusammenarbeit zwischen den Grundlage. Landesbehörden in der letzten Zeit weiter verbes- sert worden ist. Der Austausch von Informationen Besonders gelungen ist, dass im Bericht eine klare sollte inzwischen zur täglichen Routine gehören. Sprache verwendet wird. Es wird aber nicht nur gut lesbar beschrieben und analysiert, sondern es wer- Der Verfassungsschutz berichtet auch über linksex- den auch Fragen gestellt. Sicherlich ist das eine tremistische Gewalt, die in Schleswig-Holstein eine Nachwirkung der damaligen Wissenslücken im Zu- fast zu vernachlässigende Größe zu sein scheint. sammenhang mit den Morden des NSU-Trios. Allerdings liegt die Zahl der Gewalttaten mit 34 im Man war sich in den Verfassungsschutzbehörden Jahre 2012 höher als bei den Nazis. seinerzeit zu sicher, die rechte Szene genau zu ken- Im Zusammenhang mit dem Linksextremismus nen. Bundesweit hatten die Ämter zu sehr darauf möchte ich anregen, die Erwähnung der Vereini- vertraut, dass die rechtsextreme Szene gar nicht das gung der Verfolgten des Naziregimes zu überden- Know-how hätte, kleine Zellen im Untergrund über ken. Erstens taucht diese Organisation außer im Jahre zu finanzieren und vor den Behörden zu ver- hiesigen nur noch im bayerischen Verfassungs- bergen. Das haben wir lernen müssen. Darum ist es schutzbericht auf. Zweitens sind keine Fakten er- gut, offen zu sagen, wenn man etwas nicht so genau kennbar, die eine Erwähnung dieser Organisation weiß. Der Verfassungsschutz zeigt das bei dem überhaupt noch rechtfertigen. Thema Rekrutierung der Nazis. In diesem Bereich wird es in den nächsten Jahren weiterhin genauerer (Beifall SSW) Beobachtung bedürfen. Islamistisch-terroristische Strukturen gibt es bei Beunruhigend sind Versuche der Rechtsextremi- uns laut Bericht keine, was aber ideologisch ver- sten, in soziale Netzwerke einzudringen oder De- wirrte einzelne Islamisten nicht ausschließt. Des- monstrationen für ihre Zwecke zu instrumentalisie- halb sind diese Beobachtungen auch kein Grund für ren. Das haben wir beispielsweise im nordfriesi- eine Entwarnung, solange es einen harten Kern we- schen Leck erlebt. Die Nazis vermeiden bei solchen niger Einzelpersonen gibt, der als Kristallisations- Aktionen jeden Anschein, dass es sich bei ihnen um punkt auch nach Fahndungserfolgen und der Zer- Rechtsextreme handelt. Es gibt eben keine NS-Insi- schlagung von Organisationen die Neu- oder Um- gnien oder -Parolen. Man muss ganz genau hin- strukturierungen garantiert. Diese Extremisten sind schauen, bevor man die extremistische Absicht er- davon überzeugt, dass sie gegenüber ihrem jeweili- kennt. gen Feindbild - den Bürgerlichen, den Faschos, den „Ungläubigen“ - moralisch überlegen seien. Das ist Der Verfassungsschutzbericht zeigt aber auch Un- die Motivation, immer wieder neu anzusetzen, um terschiede. Aktionistische Kräfte in der rechten der eigenen Ideologie zum Erfolg zu verhelfen. In Szene organisieren sich über das Internet. Feste, dieser Beziehung haben alle extremistischen Strö- mitgliedsbasierte Strukturen werden bei den Nazis mungen durchaus Gemeinsamkeiten. Man be- allmählich zur Ausnahme. Hier deutet sich ein Ge- kommt das „Untier Extremismus“ also nicht ohne nerationenwechsel - auch in der Beziehung zur Weiteres aus der Welt. Solange es überzeugte Ein- NPD - an. Es ist richtig, diese sogenannte Partei hat zelpersonen gibt, bleibt die Bedrohung bestehen. keine Bedeutung mehr. Deswegen macht es auch keinen Sinn, über ein Verbot nachzudenken; viel- Meine Damen und Herren, solange die Bedrohung mehr sollten wir uns freuen, dass diese Partei keine bleibt, so lange brauchen wir als Demokratie auch Bedeutung mehr hat. einen funktionierenden Verfassungsschutz. (Beifall SSW, FDP und vereinzelt BÜND- (Beifall SSW, SPD und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) NIS 90/DIE GRÜNEN) Die Linksextremisten gruppieren sich dagegen schon seit Längerem um eine Veranstaltung oder Präsident Klaus Schlie: ein Ereignis herum. Beide Methoden sind bekann- Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der termaßen nur schlecht zu beobachten, geschweige Herr Abgeordnete Dr. Kai Dolgner. denn vorherzusagen. Der Verfassungsschutz Schleswig-Holstein ist in diesem Zusammenhang Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2879

Dr. Kai Dolgner [SPD]: lands - wird erst dann tätig, wenn es eine aktiv kämpferische Haltung gegenüber der bestehenden Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundordnung gibt. Erstens habe ich das - bei aller Natürlich kann man den Standpunkt einnehmen, Kritik - bei den USA noch nicht bemerkt; hier wur- dass man keine Geheimdienste brauche. Die Frage de ja bemängelt, dass der Verfassungsschutz bei ist allerdings, wer dann die geheimdienstlichen PRISM und Tempora nicht tätig geworden ist. Aufgaben übernehmen soll. Gerade im Zusammen- Zum Zweiten können die alten Maoistischen Tee- hang mit dem NSU-Komplex ist häufig gefragt zirkel beruhigt werden: Ja, ihr werdet nicht beob- worden: Warum habt ihr dieses nicht gewusst? achtet, solange ihr nicht besonders aggressiven - Warum habt ihr jenes nicht gewusst? oder: besonders aggressiv machenden - Tee trinkt. Die Polizei darf erst bei Erkenntnissen zu Straftaten (Heiterkeit und Beifall Dr. Ekkehard Klug tätig werden. Ich kenne die Theorie, wonach die [FDP]) Polizei das dann halt mit erledigen solle. Aber die Polizei ist dem Legalitätsprinzip verpflichtet. Ich Ich bedauere es, dass man aus der G-10-Kommissi- möchte nicht, dass Polizeibehörden noch mehr ge- on und dem PKG nicht öffentlich berichten darf; heimdienstliche Befugnisse bekommen als sie ihr die Sachen sind halt geheim. Es gibt dort übrigens in einigen Ländern schon „übergezogen“ worden auch Dinge, die viele Personen betreffen. Dem Ver- sind. Das ist die Kehrseite der Medaille. fassungsschutz stehen nämlich Mittel zur Verfü- gung, die die Polizei aus gutem Grund nicht hat. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Über solche Angelegenheiten kann man nicht öf- und SSW) fentlich berichten. Ich wäre froh, wenn man das Die Diskussion führt man übrigens immer dann, machen könnte. Man trifft viele Menschen. Denen wenn es zu besonders gravierenden politischen möchte ich am liebsten immer sagen: Ihr seid gar Straftaten kommt. Sie wird dann quasi automatisch nicht so wichtig, dass ihr vom Verfassungsschutz geführt, wenn der Verfassungsschutz abgeschafft beobachtet werdet. worden ist. Es wird einen Bedarf dafür geben, und (Heiterkeit und Beifall FDP und Dr. Ralf es werden sich auch politische Mehrheiten finden, Stegner [SPD]) die entsprechenden Befugnisse anderswo anzu- docken, wenn man keinen Verfassungsschutz hat. Ich kenne die G-10-Fälle und weiß, wer immer Das muss man in der Diskussion zumindest berück- glaubt, einer Abhörmaßnahme unter Verfassungs- sichtigen. Wer etwas streichen will, muss sagen, an schutzaspekten zu unterliegen. Dann denke ich mir welcher anderen Stelle es angesiedelt werden soll. immer: Wenn ihr wüsstet, wie selten wir uns treffen Nebenbei bemerkt: Es dürfte schwierig werden, und aus welchem Spektrum das ist! hier einfach eine komplette Streichung vorzuneh- Damit bin ich wieder bei den maoistischen Teezir- men; denn die entsprechende Regelung steht im keln: Ich glaube, ich verrate kein großes Geheim- Grundgesetz. Ganz so einfach kann man es sich al- nis, wenn ich sage, dass sie nicht unter die Aggres- so nicht machen. sionsklausel fallen. Deshalb haben wir hier viele Unser Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein ist Probleme nicht. Das gilt übrigens auch für die Ob- übrigens, gemessen an der Einwohnerzahl, der servation der Linkspartei, die ich auch für einen kleinste in der Bundesrepublik Deutschland. Das Skandal halte. hat einen guten Grund, der immer wieder vernu- (Dr. Heiner Garg [FDP]: Die Partei?) schelt wird. Bei uns gilt die „Aggressionsklausel“. In der Anhörung zum Landesverfassungsschutzge- - Die Observation der Linkspartei! setz wusste die Vertreterin der Richter offensicht- (Heiterkeit) lich nicht, dass wir diese Klausel haben. Dort heißt es: Menschen halte ich nie für einen Skandal. Jeder muss für seine Meinung eintreten dürfen. „Eine nach Maßgabe dieses Gesetzes beacht- liche Bestrebung setzt eine aktiv kämpferi- sche, aggressive Haltung gegenüber der Präsident Klaus Schlie: bestehenden Verfassungsordnung voraus.“ Herr Dr. Dolgner, trotz des großen Aufregungsbe- Ich betone: Unser Verfassungsschutz - im Gegen- darfs - schauen Sie auch einmal auf die Uhr? satz zu Verfassungsschutzbehörden in anderen (Heiterkeit und Beifall) Bundesländern, insbesondere im Süden Deutsch- 2880 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Dr. Kai Dolgner [SPD]: Gut. - Den Rest kann ich gern im Geheimen mittei- c) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes len. Ich möchte allerdings darum bitten, die Diskus- über die Errichtung eines Sondervermögens sion über den Landesverfassungsschutz Schleswig- zur Sanierung und Instandhaltung von Lan- Holsteins nicht in einen großen Topf mit Verfas- desstraßen sungsschutzdiskussionen in anderen Ländern Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Deutschlands zu werfen, nur weil es einem poli- Drucksache 18/927 tisch gerade passt. (Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE Änderungsantrag der Fraktion der FDP GRÜNEN, FDP und SSW) Drucksache 18/1094 Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzaus- Präsident Klaus Schlie: schusses Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich Drucksache 18/913 schließe die Beratung. Es ist kein Antrag gestellt worden. - Damit ist der Tagesordnungspunkt erle- Unser Modernisierungsprogramm: Fort- digt. schritt für Schleswig-Holstein Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des Gemeinsame Beratung SSW Drucksache 18/1059 a) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes Ich erteile dem Berichterstatter des Finanzausschus- zur Änderung des Gesetzes über die Errich- ses, dem Herrn Abgeordneten Thomas Rother, das tung eines Sondervermögens „Energetische Wort. Sanierung“ Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Thomas Rother [SPD]: Drucksache 18/861 Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Finanzausschuss hat sich zuletzt Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, gestern mit den verschiedenen Gesetzentwürfen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeord- und Änderungsanträgen - natürlich außer denen, die neten des SSW heute nachgereicht worden sind - zu den Sonderver- Drucksache 18/1067 mögen befasst. Der Finanzausschuss empfiehlt mit Mehrheit, die Gesetzentwürfe von CDU und FDP b) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes abzulehnen und den Gesetzentwurf der Koalitions- über die Errichtung eines Sondervermögens fraktionen in geänderter Fassung anzunehmen. Da Landesstraßen und zur Änderung des Haus- darin aber unter anderem Artikel 2 - Änderung des haltsgesetzes 2013 Haushaltsgesetzes 2013 - gestrichen wird, muss die Überschrift des Gesetzes entsprechend geändert Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, BÜND- werden. Das haben wir gestern im Ausschuss ver- NIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und der Ab- gessen. Das muss heute nachgeholt werden. geordneten des SSW (Zuruf SPD: Herr Koch hat es gemerkt!) Drucksache 18/883 - Herr Koch hat es herausgefunden. Vielen Dank. Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeord- (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN neten des SSW und SSW) Drucksache 18/1066 Die Überschrift des Gesetzentwurfs muss nun lau- ten: „Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung Änderungsantrag der Fraktion der CDU eines Sondervermögens Verkehrsinfrastruktur“. Al- Drucksache 18/1095 les Weitere können Sie der Beschlussempfehlung Drucksache 18/913 entnehmen. Wenn die Ände- Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2881

(Thomas Rother) rung der Überschrift beachtet wird, passt auch das, getragenen Änderung abstimmen. Wer so zustim- was im Beschlussvorschlag steht, mit dem, was dar- men will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das über steht, zusammen. - Vielen Dank. sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW. Wer ist Präsident Klaus Schlie: dagegen? - Das sind die Abgeordneten der Fraktio- nen der CDU und der FDP sowie die Herren Abge- Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir werden ordneten Dr. Breyer und König von den PIRATEN. das in der Überschrift berücksichtigen. Wer enthält sich? - Das sind der Herr Abgeordnete Wortmeldungen zum Bericht liegen nicht vor. Eine Dudda und Frau Abgeordnete Beer. - Zwischenzeit- Aussprache ist nicht vorgesehen. lich enthalten sich auch die weiteren Abgeordneten der PIRATEN. Wir kommen zur Abstimmung zu a): Gesetzent- wurf der Fraktion der CDU, Drucksache 18/861. (Heiterkeit) Der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf Sie haben mich in meinem Fluss so richtig ge- Drucksache 18/861 abzulehnen. Wer so beschlie- hemmt. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stim- ßen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das men von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen von GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW und die CDU, FDP und der Herren Abgeordneten Dr. Brey- Fraktion der PIRATEN. Wer ist dagegen? - Das er und König von den PIRATEN bei Stimmenthal- sind die Abgeordneten der CDU. Wer enthält sich? tungen - - - Das sind die Abgeordneten der FDP. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Abgeordneten (Wortmeldung Torge Schmidt [PIRATEN]) der SPD, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, des - Sie wünschen, dass die Abstimmung wiederholt SSW und der PIRATEN bei Gegenstimmen der wird? Abgeordneten der CDU und Enthaltung der FDP abgelehnt. Torge Schmidt [PIRATEN]: Abstimmung zu b): Gesetzentwurf der Fraktionen Wir sind etwas verwirrt. Sie haben gerade vorgetra- von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN gen, dass dies ein Antrag von uns sei. Wir sind und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/ beim Thema Sondervermögen für Landesstraßen. 883, sowie Änderungsanträge in den Drucksachen Dazu haben wir keinen Antrag gestellt. 18/1066 und 18/1095. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Präsident Klaus Schlie: Fraktion der CDU, Drucksache 18/1095, abstim- men. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Es geht um den Gesetzentwurf Drucksache 18/883 Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von CDU in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung. Wir und FDP. Wer ist dagegen? - Das sind die Fraktio- müssen das klären. - Herr Dr. Garg, helfen Sie uns, nen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die das aufzuklären? Abgeordneten des SSW und die Fraktion der PIRA- TEN. Damit ist der Antrag mit den Stimmen von Dr. Heiner Garg [FDP]: SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Abgeord- Ich weiß nicht, ob ich das aufklären kann. Bevor neten des SSW und der Fraktion der PIRATEN ge- die Abstimmung jedoch möglicherweise wiederholt gen die Stimmen der CDU und der FDP abgelehnt. wird, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Der Ausschuss empfiehlt mit Zustimmung der An- ich der Auffassung bin, dass Sie in jedem Fall auch tragsteller, den Änderungsantrag Drucksache 18/ über den erneut eingebrachten Änderungsantrag der 1066 für erledigt zu erklären. Wer der Aus- FDP-Fraktion, Drucksache 18/1094, der sich auf schussempfehlung folgen und so beschließen will, Punkt c) der Beschlussempfehlung bezieht, geson- den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einmü- dert abstimmen lassen müssen. tig der Fall. Es ist so beschlossen. Präsident Klaus Schlie: Ich lasse dann über den Gesetzentwurf der Fraktio- nen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PI- Sehr geehrter Herr Dr. Garg, das werde ich noch RATEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksa- machen. - Herr Abgeordneter Schmidt, Sie haben che 18/883, in der vom Ausschuss empfohlenen recht. Hier gibt es einen Fehler. Ich bitte Sie, die Fassung mit der vom Berichterstatter mündlich vor- 2882 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

(Präsident Klaus Schlie)

Abstimmung korrekterweise zu wiederholen, damit stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen von die Irritation ausgeschaltet ist. CDU, FDP und PIRATEN. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜND- Ich lasse über den Gesetzentwurf der Fraktionen NIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SSW gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU, Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/883, in der der FDP und der PIRATEN angenommen. vom Ausschuss empfohlenen Fassung mit der vom Berichterstatter mündlich vorgetragenen Änderung Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf: abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten Schleswig-Holstein setzt sich für mehr Transpa- der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- renz im Bundesrat ein NEN und des SSW. Wer ist dagegen? - Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, FDP Antrag der Fraktion der PIRATEN und PIRATEN. Damit ist der Gesetzentwurf mit Drucksache 18/923 den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten des SSW Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorge- und PIRATEN beschlossen, und zwar in der Fas- sehen. Ich schlage vor, den Antrag Drucksache sung der Drucksache 18/913 einschließlich der 18/923 dem Innen- und Rechtsausschuss zu über- mündlich vorgetragenen Änderungen. weisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist so beschlossen. Herr Dr. Garg, nun kommen wir zur Abstimmung zu c): Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Druck- Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf: sache 18/927 sowie Änderungsantrag Drucksache 18/1094. Ich lasse zunächst über den Änderungsan- Feldes- und Förderabgabe den Risiken der Erd- trag der Fraktion der FDP Drucksache 18/1094 ab- öl- und Erdgasförderung anpassen stimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von Antrag der Fraktion der PIRATEN CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? - Das sind Drucksache 18/1026 die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, die Abgeordneten des SSW und die Fraktion Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das der PIRATEN. Damit ist der Antrag mit den Stim- ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorge- men der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE sehen. Die Fraktion der PIRATEN hat beantragt, GRÜNEN, der Abgeordneten des SSW und der Pi- den Antrag Drucksache 18/1026 federführend dem ratenfraktion gegen die Stimmen der Fraktionen Wirtschaftsausschuss und mitberatend dem Um- von CDU und FDP abgelehnt. welt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzei- Der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf chen. - Das ist so beschlossen. Drucksache 18/927 abzulehnen. Wer so beschlie- ßen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf: sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW und die Mehr Klarheit für Verbraucher bei Strompreis Fraktion der PIRATEN. Wer ist dagegen? - Das und EEG-Umlage sind die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen Antrag der Fraktion der PIRATEN der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Drucksache 18/1041 NEN, der Abgeordneten des SSW und der Fraktion Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das der PIRATEN gegen die Stimmen der Fraktionen ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorge- von CDU und FDP abgelehnt. sehen. Ich schlage vor, den Antrag Drucksache Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- 18/1041 federführend dem Wirtschaftsausschuss ßungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS und mitberatend an den Umwelt- und Agraraus- 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW schuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den Drucksache 18/1059. Wer diesem Antrag zustim- bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist so be- men will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das schlossen. sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf: GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW. Wer Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013 2883

(Präsident Klaus Schlie)

Psychiatrieplanung in Schleswig-Holstein che 18/1064. Voraussetzung für die Abstimmung ist, dass kein Abgeordneter und keine Abgeordnete Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE widerspricht. - Hier gibt es eine Wortmeldung. Bit- GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW te, Frau Abgeordnete Dr. Bohn. Drucksache 18/1043 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorge- Sehr geehrter Herr Präsident! Die Parlamentari- sehen. Ich schlage vor, den Antrag Drucksache schen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer 18/1043 dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer sind übereingekommen, die Drucksache 18/930 aus so beschließen will, den bitte ich um sein Handzei- der Sammeldrucksache zu entfernen und zu einem chen. - Das ist so beschlossen. späteren Zeitpunkt wieder aufzurufen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf: Präsident Klaus Schlie: Blockadepolitik im Bundesrat beenden Wir werden entsprechend verfahren und die Sam- meldrucksache ohne die Drucksache 18/930 ab- Antrag der Fraktion der CDU stimmen. Drucksache 18/1044 Ich weise auf folgende Änderungen hin: Tagesord- Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das nungspunkt 3 wird aus der Sammeldrucksache her- ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorge- ausgenommen. Die genannte Drucksache gehört sehen. Ich schlage vor, den Antrag Drucksache dazu. Das war hier angekommen. Die Drucksache 18/1044 dem Bildungsausschuss zu überweisen. ist für die September-Tagung zur Beratung vorge- Wer so beschließen will, den bitte ich um sein sehen. Handzeichen. - Das ist so beschlossen. Zum Tagesordnungspunkt 7, Staatsvertrag Data- Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf: port, wird die Überweisung an den Finanzausschuss vorgesehen. - Widerspruch hierzu sehe ich nicht, wir werden so verfahren. Einführung von jährlichen Generationenbilan- zen Wir kommen zur Abstimmung. Wer mit der Über- nahme der Empfehlungen entsprechend der Sam- Antrag der Fraktion der FDP meldrucksache 18/1064 einschließlich der eben be- Drucksache 18/1048 kannt gegebenen Änderungen einverstanden ist, Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das den bitte ich um sein Handzeichen. - Danke. Damit ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorge- hat der Landtag diese Empfehlung einstimmig be- sehen. Ich schlage vor, den Antrag Drucksache stätigt. 18/1048 dem Finanzausschuss zu überweisen. Wer Wir sind damit am Ende unserer Tagesordnung. so beschließen will, den bitte ich um sein Handzei- Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, den chen. - Das ist so beschlossen. Kolleginnen und Kollegen, die zur Ostseeparlamen- Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die tarierkonferenz nach Estland fahren, eine gute Rei- Sammeldrucksache: se und gute Beratungen zu wünschen. Der CDU- Fraktion wünsche ich eine gute Reise und gute Er- kenntnisse in Polen. Sammeldrucksache über Vorlagen gemäß § 63 Abs. 1 a der Geschäftsordnung des Schleswig- (Beifall) Holsteinischen Landtags Die Sitzung ist geschlossen. Vielen Dank. Drucksache 18/1064 Schluss: 16:09 Uhr Die Voten zu den einzelnen Tagesordnungspunk- ten, für die eine Gesamtabstimmung nach § 63 Abs. 1 a der Geschäftsordnung vorgesehen ist, ent- nehmen Sie bitte der Ihnen vorliegenden Drucksa-

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenografischer Dienst 2884 Schleswig-Holsteinischer Landtag (18. WP) - 35. Sitzung - Freitag, 23. August 2013

Anlage Namentliche Abstimmung 35. Sitzung am 23. August 2013 Finanzielle Handlungsspielräume sichern: Altschuldentilgungsfonds für Land und Kom- munen Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1093 (Seite 2840 des Plenarprotokolls)

Name Abstimmung Name Abstimmung CDU Jürgen Weber Nein Hans-Jörn Arp Ja Lars Winter Nein Dr. Axel Bernstein Ja Johannes Callsen Ja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Astrid Damerow Ja Rasmus Andresen Nein Volker Dornquast Ja Dr. Marret Bohn Nein Heike Franzen Ja Anke Erdmann Nein Hauke Göttsch Ja Marlies Fritzen Nein Daniel Günther Ja Eka von Kalben Nein Hartmut Hamerich Ja Detlef Matthiessen Nein Karsten Jasper Ja Burkhard Peters Nein Klaus Jensen - Ines Strehlau Nein Tobias Koch Ja Dr. Andreas Tietze Nein Peter Lehnert Ja Bernd Voß Nein Jens-Christian Magnussen Ja Hans Hinrich Neve Ja FDP Petra Nicolaisen Ja Dr. Heiner Garg Nein Barbara Ostmeier - Anita Klahn Nein Katja Rathje-Hoffmann Ja Dr. Ekkehard Klug Nein Heiner Rickers Ja Wolfgang Kubicki Nein Klaus Schlie Ja Oliver Kumbartzky Nein Peter Sönnichsen Ja Christopher Vogt Nein Rainer Wiegard Ja PIRATEN SPD Angelika Beer Ja Torsten Albig Nein Dr. Patrick Breyer Ja Wolfgang Baasch Nein Wolfgang Dudda Ja Dr. Kai Dolgner Nein Uli König Ja Peter Eichstädt Nein Sven Krumbeck Ja Kirsten Eickhoff-Weber Nein Torge Schmidt Ja Martin Habersaat Nein Bernd Heinemann Nein SSW Birgit Herdejürgen Nein Lars Harms Nein Simone Lange Nein Flemming Meyer Nein Serpil Midyatli Nein Jette Waldinger-Thiering Nein Birte Pauls Nein Tobias von Pein Nein Regina Poersch Nein Beate Raudies Nein Sandra Redmann Nein Zusammenstellung: Thomas Rother Nein Abgegebene Stimmen 67 Olaf Schulze Nein davon Dr. Ralf Stegner Nein Jastimmen 26 Dr. Gitta Trauernicht Nein Neinstimmen 41 Kai Vogel Nein Enthaltungen -